Der jugendliche Vater Rhein, nachdem er bei Basel seinen Lauf verändert und in rechtwinkliger Biegung seine Stromwanderung gen Norden fortsetzt, hat dortlands wenig Berge und stolze Höhen mehr zur Seite, die ihn an seine alpenumthürmte Heimath gemahnen. Doch schickt ihm der Schwarzwald einen seiner Ausläufer gleichsam als dienstthuenden Kammerherrn entgegen, daß er den Stromgewaltigen ehrerbietig empfange und ihm einen Gruß mitgebe an das, was jenseits Mainz wieder als fröhliches Gebirge seine Ufer umsäumt.
Selbiger Ausläufer ist eine senkrecht und steil in die Rheinflut abfallende Kalkwand, ein einzelner vorgeschobener Posten jener großen Heerschaar, die der Belchen und der Blauen befehligen, hat keine sehr anmuthige Form und wird von den Leuten seines gröblichen Aeußern halber mit nicht schmeichelhafter Benennung der „Klotz von Istein“ geheißen. Wächs‘t übrigens heut zu Tag ein guter Tropfen Weines darauf.
Als man zählte nach unsers Herrn Erscheinen vierhundert und fünfzig Jahr, war's ein spärlich bewohnter, wilder Strich Landes, was dort am rechten Rheinufer
sich hinzog. Drüben am städtereicheren linken Ufer galt römisch Recht und römisch Wesen, diesseits aber saßen und schweiften die Alamannen, ein rauh, streitbar, bärbeißig, dreinschlagend Volk — und war somit am Isteiner Klotz das alte Sprichwort „auf einen groben Klotz ein grober Keil“ bezüglich der Landeinwohner ziemlich eingetroffen. Sie lebten in wenigen zerstreuten Gehöften, trieben Jagd im Schwarzwald und Fischfang in Bach und Strom, verschliefen manch lieben langen Tag auf der Bärenhaut, vertranken manch liebe lange Nacht beim Bierkrug und harrten, bis das Heerhorn blies und sie zu keckem, wildwüthigem Raubzug in des feineren Nachbars Land hinüberrief.
Zu selber Zeit kam einstmals ein Mann den Rhein entlang geschritten, der sah trüb und traurig drein, war auch eine hoch aufgeschossene blondlockige, rothwangige Gestalt, aber kein Landbürtiger, trug ein faltig Gewand, wie Einer, der bei den Römern drüben gehaus't, und schien einen schweren Kummer als Reisegepäck mit sich zu führen, denn er schaute oftmals in des Rheines grünflutende Wogen, als zög‘ es ihn zu ihnen hinunter, und möcht‘ er am liebsten auf kühlem Stromgrund sein Quartier nehmen.
Wie er aber auf einsamer Wanderung jene Kalkwand erschaute und über Stein und Fels pfadlos bergan schritt, gefiel ihm der Platz; denn in der Bergwand war ein schattiger Höhlenraum, wo sich ungestört in den Rhein hinunter und zum Vogesenwald hinüber-
schauen ließ; kein Menschenlärm umtönte sein Ohr, und friedlich und groß trug der Strom seine rauschende Flut vorüber.
Der Mann hieß Hugideo und sprach. Hier will ich ein Nest in den Fels bauen, wie eine Mauerschwalbe und in Frieden geharren, bis mein Tag sich neigt, das soll meine letzte Kunst sein!
Am Rhein drunten fand er einen alten Salmenfischer, der hieß Nebi und gab ihm Bescheid, daß Niemand einen Zwing und Bann über den Klotz von Istein übe, und daß Nester bauen könne, wer da Gelüst trage und des Mauerns kundig sei.
Da hub der Fremde an, sich einzubauen in die Höhlung des Felsens; er schien den Römern ein Stück ihres Architekturwesens abgesehen zu haben: in kurzer Frist stund ein steinern Gelaß keck und wohlgeschirmt in schier unnahbarer Abgeschiedenheit errichtet — ein Klausnerhäuslein, wie dazumal an manchem italischen und gallischen Berg manches eingeklebt stund, denn ein anständiger Mensch hatte in selbiger Zeit eher Drang und Grund, die Welt zu fliehen, als sie zu suchen.
Wie es fertig war, ging der neue Siedel auf etliche Tage von dannen über den Rhein hinüber, und wie er wieder kam, trug er einen Korb mit Fisch- und Jagdzeug auf dem Rücken und eine schneeweiße Marmorbüste aus dem Haupt, und trug Geräthe und Marmor den Berg hinan in seine Klause.
Die Büste aber war das Abbild einer jugendschönen Römerin, einer von jenen Köpfen, deren Anblick anderthalb Jahrtausende später den Altmeister Wolfgang von Frankfurt anmuthete wie ein Gesang des Homerus: — das Haar in loser Flechte am Nacken geknüpft, frei, edel und groß das Antlitz, ein güldener Reif um die Stirn.
Jenseits des Steinhäusleins, da wo ein Felsvorsprung Raum giebt in der Biegung des Berges, hämmerte der Mann eine Nische in die Wand und stellte das fremde Frauenbildniß darein, als sollt‘ es der schirmende Geist des Ortes sein und Aller, die unten vorüber ruderten.
Und auf daß kein ungeweihter Fuß sich jener Stelle nahe, stellte er die Felswand senkrecht ab und baute aus Tannenstämmen eine Zugbrücke, auf welcher er allein aus der Klause Rückfenster hinüber wandeln mochte. Was er sonst trieb, ward nicht viel ruchbar im Land; Schiffer und Fischer, die in leichtem Kahn rheinab fuhren, sahen ihn oftmals bei sinkender Sonne droben sitzen und Hinausschauen gen Süden; es war damals nicht Brauch, daß Einer sich viel drum kümmerte, was der Andre that, und noch viel weniger, daß von Obrigkeitswegen einem Jeden der Deckel von seinen Töpfen gelupft ward, — so ließen sie ihn gewähren.
Der Rhein aber schuf dem Klausenmann eine Arbeit eigener Art, denn er hält besondere Ordnung in Betreff der Todten, die seine Wellen fortragen sollen.
Wer fern im Bodensee oder an helvetischem Ufer ihm zur Beute wird, den behält er und trägt ihn gelassen weiter durch rauschenden Fall und Strudel und Hölle hacken hindurch, bis er den westwärts gewendeten Lauf umkehrt; aber zur Wanderung gen Norden und in des Rheingau fröhlich Nebengefild nimmt er die Leichen des obern Landes nicht mit, und in der stillen Bucht am Klotz von Istein spült er sie sorgsam ans Ufer.
Da kam oftmals Nebi, der Salmenfischer, zum Klausner gestiegen und rief ihn herab, den stillen, unbekannten Gästen die letzte Ehre zu erweisen, und sie schaufelten Manchem ein Grab, den bei Schaffhausen oder im tosenden Strudel von Laufenburg die Wellen verschlungen, und Manchem, den an der Aar oder Reuß der Fischfang ins Verderben geführt;— kam auch Mancher geschwommen, dessen Schädel von alamannischem Schwerthieb klaffte, oder dessen Brust noch eine abgebrochene Speerspitze trug. . . Alte und Junge, Nackte und Bekleidete, wie Solche, die nur noch einen Bundschuh am rechten Fuß oder ein zerrissen Lederwamms am Leibe trugen, Alle wurden sie mit gleichen Ehren empfangen und in gleicher kühler Erde eingeherbergt.
Im vierhunderteinundfünfzigsten Jahre war ein milder Frühling aufgegangen, und hatten nicht viele Leute Muße, dem Sprossen der Schlüsselblumen und Sang der Nachtigallen zu lauschen. Vielmehr war ein Drang in Alle diesseits des Rheins gefahren, als müßten sie selber Zugvögel werden und gen Süden und
Westen ausschwärmen, nicht Singens halber, sondern bewehrt und beschildet auf Beute, Raub und Völkerschlacht.
Und wieder kam Nebi, der Salmenfischer, herauf und sprach: Hängt Euer langes Gewand an den Nagel, Hugideo, und rüstet Euch zur Heerfahrt: schon steht der König Etzel mit seinen Hunnenreitern unten gegenüber von Worms, und sein heller Haufen wird über den Rhein schwimmen, daß Denen drüben Hören und Sehen vergeht, 's ist noch manch Stück zu Beute holen und manch römisch Muttersöhnlein todt zu schlagen. Wir ziehen auch mit im großen Hunnenschweif: Alles muß ruinirt sein! sagt Herzog Krokus' selige Großmutter.
Aber der Klausner schüttelte sein Haupt und sprach: Nein! Da sagte Nebi: So besorgt statt meiner den Salmenfang.
Mählich ward's lebhaft und kriegslärmend am Rhein, die Volksgemeinden beschlossen auf ihren Malstätten, sich den Hunnen zuzugesellen und mit ihnen den großen Vernichtungszug ins Herz von Gallien zu thun; im Schwarzwald klang die Art, und viel Flöße kamen rheinab geschwommen, Kahn und Brückenholz zum Rheinübergang zu beschaffen; wer ein rostig Schwert hatte, schliff es blank, wer eine Neige Weins im Keller barg, trank sie aus — die mongolische Gottesgeißel wirkte wie Magnet und zog das germanische Eisen an.
Einstmals kam ein Schwarm des jungen, reisig
streitbaren Volkes zu Hugideo's Klause, ihn zwangsweise mitzunehmen zur Heerfahrt, und sie sprachen: Heraus, du Höhlensitzer, Bergspaltmeister, Zeitverträumer! heraus und mit uns! der Etzel soll leben, der große Held! Kannst drüben im Gallierland auch Todte begraben, dafür soll dir gesorgt werden. Er aber sprach wieder: Nein! und wie sie einen Grund wissen wollten, sprach er: Ich bin ein freier Juthung und eurer Cent am Rhein nicht pflichtig, und wenn ich Nein gesagt, so weiß ich Niemand im Himmel und auf Erden, der mich zwingen soll, einen Grund dafür anzugeben!
Da schalten sie ihn ein unmännlich Herz, einen Abtrünnigen, der, wie einst Serapion der Alamann, von fremder Priester Witz bethört, Vaterland, Heerpflicht und den eigenen Namen vergessen.
Hugideo aber fuhr unter sie, wie ein Bär unter die Rüden, und scheuchte die Scheiter mit blutigen Köpfen zur Klause hinaus; und wie sie in ganzer Schaar anstürmten, trat er an das Klausenfenster, schwang sich über die Zugbrücke zum Fels mit dem Steinbild, zog die Tannenstämme an sich und stand nun jenseits des unnahbaren Abgrundes wie ein Gewaltiger. Da belagerten sie ihn zwei Tage, er aber vertheidigte sich kühnlich, und manch ein Felsstück flog wohl geschleudert von seiner Hand in den tobenden Schwarm, so daß sie letztlich sprachen: Das ist ein sonderbarer Heiliger — wirft mit Steinen, die sonst kaum ihrer Drei erschwingen
möchten, statt mit Gründen um sich — lassen wir ihn auf seinem Klotz:
Bald schallte in der Rheinebene Hornruf und der alte Kriegsgesang vom Herzog Krokus; sie zogen auf die Heerfahrt, die Einen zu Roß, die Andern auf wohlgeschirrten Ochsenwagen, wieder Andere in schmalen Nachen, ein wenig bekleideter, aber mit Schwert, Axt und Schild gewaffneter wilder Kriegerschwarm — Alle landab zum großen hunnischen Rheinübergang.
Jetzt war's lange stiller und einsamer um den Klotz von Istein, als je, und Hugideo saß wieder wie sonst auf seinem Felsenvorsprung.
Die Welt war ein klirrendes, schwirrendes Kriegslager geworden, dessen Lärm den Kaisern zu Ravenna und Byzanz manch schlaflose Nacht bereitete, — die Wogen der großen Völkersündflut schlugen über dem armen Gallien zusarnmen — er hörte Nichts davon.
An einem nebligen Herbstabend stand sein Freund, der Salmenfischer, wieder vor ihm; er trug eine Hand weniger, als da er ausgezogen, und sonst noch etliche namhafte Spuren von Zerhackung und Zersäblung, aber einen Gürtel um den Leib, schwer von römischen Goldmünzen, und ein vornehm goldgriffig Schwert an der Seite.
Bei der Seele meiner Mutter, das war das Aergste, seit die Welt steht und bis sie wieder untergeht! sprach er . . . und erzählte ihm die Völkerschlacht auf den catalaunischen Feldern, wo die Alamannen auf
Attila's rechtem Flügel mit Franken und Gepiden wider des Aetius Legionen gefochten. Waffen und Weh! fuhr er fort, Waffen und Weh! König Etzel's Kapp' ist zerschnitten, sein Mantel abgesägt, unsere Besten sind todt, was übrig blieb, hat Kehrt gemacht, in wenig Tagen kommt das Heergefolg heim . . . es steht unterwegs noch Etliches zu verwüsten, sonst wären sie schon da, wie ich.
Hugideo aber ging wieder hinüber auf seine Felsplatte, und wie er jetzt nach seinem theuern Steinbild schaute, war der Marmor rostfleckig und eisenfarbig überlaufen von dem aus den Steinritzen träufenden Kalkgewässer. Darum nahm er's heraus und stellte es auf die Mauer der Felsterrasse und reinigte es sorgsam — und wie er davor stand und seinen Blick darauf haften ließ, als wolle er sich ganz versenken in die Pracht der Züge, da ward ihm plötzlich, als ob dies Haupt voll stiller Majestät auch zu ihm herüberblicke mit beseelten Augen, ein seliger Schauer zog durch des einsamen Mannes Herz, und er drückte einen Kuß auf die steinerne Stirn. Da wich die Büste von dem Mauerrand und stürzte hinab, schlug an die Felskanten auf, ohne zu zerschellen, zischte in die Rheinflut und versank . . .
Lange blickte ihr Hugideo nach, bis daß die letzten Wasserringe auf dem Spiegel der Wellen zerronnen waren, dann lächelte er vor sich hin, ging in seine Klause hinüber, griff Schaufel und Hacken und grub
ein Grab am Abhang seines Berges — seitwärts von der Rheingestrandeten gemeinsamen Ruhestatt.
Wie er aber nach vollendeter Arbeit wieder zur Klause heimgekehrt war, kam plötzlich ein Gedanke über ihn, als habe er Etwas zu thun vergessen — noch Etwas, sprach er, noch Etwas! . . . Wie steht geschrieben in dem Liederbuch, dessen Sprache sie mich einst gelehrt?
Te spectem, suprema mihi cum venerit hora, te teneam moriens deficiente manu . . .“
Und er stieg abermals hinab und grub ein zweites Grab neben das erste. Und seine Arbeit dauerte bis tief in die Nacht hinein.
Wie er müde und spät seinen Berg hinaufstieg, stand ein greller Feuerschein am südlichen Himmel, und die Röthe nahm nicht ab, die ganze Nacht hindurch. Hugideo aber schritt unruhig auf seinem Fels auf und nieder, als scheuchten ihn alte Erinnerungen, er spähte und spähte durch den Schimmer der Nacht und sprach hastige, abgerissene Worte vor sich hin, und sein Herz klopfte beim fernen Feuergefunk.
Es waren die Flammen von Augusta Rauracorum, der reichen, hochberühmten Römercolonie, die Munatius Plancus einst als Vormauer gegen die Alamannen unweit Basel am Rheinesufer gegründet, prächtig in Tempeln, Wasserleitungen und Theatern, aber dem beutehungrigen Grenznachbar wie ein lockendes Schaugericht vor Augen gestellt und jetzo dem Untergang verfallen.
Der hochaufschlagende Feuerschein zeigte, daß die von den catalaunischen Feldern heimkehrenden Alamannenschaaren ihren Rückweg dort vorüber genommen.
Frühmorgens kam Nebi, der Fischer. Habt Ihr gesehen? sprach er. Wieder ein Städtlein weniger und ein Trümmerhaufen mehr! Augst, was taugst? . . . er blies über die hohle Hand weg . . . Waffen und Weh! Waffen und Weh! Nehmt Eure Schaufel und kommt, es giebt Arbeit!
In der Bucht des Rheines auf dem weißen schimmernden Ufersande lag angelandet einer Jungfrau Leiche, die weiße römische Tunica wasserschwer um die schlanken Glieder geschmiegt, das Haar in Flechten über den stolzen Nacken wallend, die Stirn von goldenem Reif umfaßt. Unter der linken Brust klaffte ein leiser Riß im Gewand, wie vom Stich einer schneidigen Waffe.
Merkwürdig, sprach Nebi, der Fischer, wie die blasse Maid dem Marmorbilde gleicht, das Ihr auf dem Berg droben aufgestellt.
Ja wohl . . . merkwürdig! sprach Hugideo. Lang und starr stand er vor der Leiche . . . :
„Te spectem, suprema mihi cum venerit hora, te teneam inoriens deficiente manu.“
. . . Er hob sie empor und trug sie mit starkem Arm den Berg hinauf.
Was habt Ihr gesagt, Hugideo? halt an, Hugideo! wohin, Hugideo? rief Nebi, der Fischer, und ließ erstaunt seine Schaufel fallen. Die Gräber stehen ja dort zur Rechten.
Begrabe sie heut Nacht! sprach Hugideo.
Und er trug sie hinauf in seine Klause und setzte sie sorgsam auf die steingehauene Bank der Zelle und setzte sich ihr gegenüber und hielt schweigend Todtenwache, und flocht vom Epheu, das den Fels umrankte, zwei Kränze, und schmückte das Haupt der Leiche und sein eigenes damit, und füllte sich einen Becher Weines und nickte ihr zu, da er ihn leerte, und wich nicht mehr von ihr.
Um Mitternacht aber trug er sie hinab, wo die zwei Gräber von seiner Hand aufgeworfen, zum Empfang gerüstet standen, und senkte sie ein und warf drei Schollen alamannischer Erde als letzten Gruß auf die todte Römerin, und begrub sie in einsamer Stille der Mondnacht und wälzte einen Stein auf das Grab. Dann ging er zu des Fischers Hütte und rief hinein: 's ist besorgt, alter Schaufelbruder, und der Ruheplatz neben ihr ist für mich, merk dir's!
Des folgenden Tages trug der Rhein Manchen ans Ufer, an dessen Leichnam der Mauerkampf und Fall und Mordbrand von Augusta Rauracorum mit blutigen Zügen geschrieben stand.
Auch du, Junius Messianus, alter Baumeister, Freund und Lehrer! sprach Hugideo, da sie einen ehrwürdigen, wundenbedeckten Graukopf aus den Fluten zogen.
Aber bei einem Anblick schütterte er zusammen: ein trotzig keckes, axthiebdurchfurchtes Männerhaupt tauchte
auf, ungerührt zog Nebi, der Fischer, mit langem Schiffshacken den Todten ans Land, Rüstung und Schmuck zeigten die Leiche eines Centurio der zweiundzwanzigsten Legion, der primigenia pia fidelis, noch hing im Gürtel sein zweischneidiger Dolch.
Da flog ein höhnisch Lächeln über Hugideo's Antlitz, er lös'te die reichgeschmückte Waffe vom Gürtel des Todten und beschaute sie lange — ein großer Onyx prangte im Griff, „fortes adjuvat ipsa Venus“ stand um das feingeschnittene Bildwerk geschrieben.
Hugideo steckte den Dolch zu sich und sprach grimmig zum Fischer: Alle hier! . . . nur Diesen nicht!
Und sie schleiften den Erschlagenen an seinem dunkeln, stellenweise brandversengten Lockenhaar in den Nachen, verdeckten ihn mit übergeworfenen Netzen, fuhren ihn weit von dannen aus der Bucht in den reißenden Thalweg des Rheines und warfen ihn ohne Segen und Fahrwohl wieder in die Fluten, auf daß er landab schwimme, weit, weit aus ihrem Revier.
Es ist gut! sprach Hugideo. Dann fuhren sie heim. Schau morgen früh ein wenig bei mir nach, rief er zum Abschied dem Fischer zu.
Wie Nebi, der Salinenfischer, des nächsten Morgens zu Hugideo's Klause kam, saß der aufrecht aus der Stembank und hatte sich den Dolch des Centurio durchs Herz gerannt, daß er bis zum Griffe im Körper haftete; ein stolzes Lächeln schwebte um seine Lippen.
Da begrub ihn der Fischer an der Seite der Jungfrau, die der Rhein gebracht.
Die Tode hieß Benigna Serena und war die Tochter des Asinius Abundantius, eines reichen, vornehmen Mannes und kaiserlichen Steuereinnehmers zu Augusta Rauracorum. Sie hatte den priesterlichen Schleier genommen und der Göttin Kybele geheimnißvoll Bild im Tempel unten am Rheine gehütet; aber erst seit Frist eines Jahres. Früher war sie ein heiter Weltkind, die Schönste im Reigen der Jungfrauen, von Vielen umschwärmt, von den geistreichen Pflastertretern der Provinzialstadt als „Perle des Rheines“ besungen.
Hugideo, der Juthung, war vormals auch in Augst gewesen Bei den Römern . . .
Heutigen Tages ist unweit jener Strandgrabstätte ein Tunnel in den Berg gebrochen, und die Locomotive saust quer durch den Isteiner Klotz. Von Augusta Rauracorum ragen noch wenige verwitterte Backsteinmauern aus dem Wiesengrunde, darüber statt römischer Imperatoren jetzt die weisen Väter des Canton Basellandschaft herrschen; aber dann und wann pflügt der Bauersmann einen güldenen Ring oder eine gewundene Armspange oder einen ehernen Hausgötzen aus den Furchen heraus, und ein spätgeborner alamannischer Nachkomme denkt dabei an jene Zeiten, denn im Greisenalter fallen den Menschen wie den Völkern die Geschichten der Kindheit lebhafter ins Gedächtniß, als sonst, wo noch Thaten der Männer zu thun sind.