Lieber Bruder.
Ich habe die schüchtern-zarte Anspielung in deinem mir
gestern richtig zugekom̃enen Brief verstanden, weñ du
schreibst: Dein Werk, das ich übrigens, aufrichtig gesagt, noch
nicht ganz durchgesehen habe
.
Es soll das offenbar heißen, daß du bis auf weni-
ge Seiten bereits damit fertig bist und nach neuer
Nahrung verlangst.
Demzufolge sende ich dir deñ anbei ein neues
Heft; aber aufrichtig gesagt; ich muß Dich doch bitten,
das jetzt Übersandte nicht mit demselben Heißhunger
zu verschlingen. Deñ, bei Gott! Ich kañ dir, so gern
ich es thäte, fürs Erste nicht wieder mit Neuem
dienen und müßte dich darauf anweisen, vorläu-
fig das Ganze, von A bis Z, wieder durchzulesen,
was ich, der ich es, von A bis Z, habe schreiben müs-
sen, als Freund dir nicht auferlegen möchte.
Zu Erst: Hab freundlichen Dank für deine
Zeilen, in denen wir Alle den „Alten“ d.J.diesen Jahres den jungen,
ein alternden schönen Adolf wieder erkañt.
Zu einem wirklichen Brief bringe ich es
heute nicht, weil bedauerlicherweise ich heute wiederum
das Beigepackte besorgst du wohl geflgefälligst an die Adresse
ein Jahr älter werde und theilnehmende Freunde unter der
in diesem Fall nicht ganz ungewöhnlichen Form von Gra-
tulation mir ihre Kondolenz bezeigen.
Heute Abend sehe ich die Strelitzer Glaßbreñerei
bei mir und werde also Deine Grüße ganz frisch
bestellen. Weñ Euch die Ohren recht lebhaft klingen,
so wisst Ihr, woran – kling, klang! Es lebe lang,
vergnügt uund froh, in Dulci jubilo in süßer Freude, Adolf uund Adele.
Ich wünsche von ganzer Seele; uund drauf aus
voller Kehle: dreimaliges Hoch.
Meine liebe Adele. Ich bitte tausendmal
um Entschuldigung, daß ich Ihr Ideal nicht ganz ge-
troffen; doch werde ich Sorge dafür tragen; daß Sie
das Gewünschte so schwarz, wie es irgend zu erhalten
ist, regelmäßig erhalten zugesandt bekom̃en sollen.
Heute koñte ich aber noch nicht dazu kom̃en, Ihren
Auftrag zu erfüllen; ich weiß ja auch, daß Sie
nicht ganz Adolf‘s Heißhunger haben.
Und nun lebt wohl! Entschuldigt das
eilige Geschwirr!
Die herzlichsten Grüße von Allen
für Euch Beide und außerdem von mir für die
beiden Kinder Israel. Und nun muß ich
schließen. Die Gattin hat schon einigemal
crescendo gerufen und ich möchte das Tortchen
gerade heute nicht hören. Mit fliegender Feder
dein
Dan. Sanders
Str.Strelitz 12 Nov. 1865 In nächster Woche (deñ eher kom̃e ich doch wohl nicht dazu)
sende ich auch das Besprochene.