Lieber Bruder,
Zu deinem Geburtstag wünsche ich Dir von Herzen Glück, vor
Allem volle Genesung – wozu freilich wohl nicht bloß Frühjahrsanfang
im Kalender, sondern wirklicher Frühling und Frühlingswetter
erforderlich sein, aber auch das Beste thun wird – und dauerndes
Wohlsein in jeder Beziehung. Meine und unsere Wünsche hier für
Dich beziehen sich natürlich zugleich mit auf die gute, liebe
Adele, der es hoffentlich schon jetzt wieder ganz gut ergeht
und die trotzdem doch die Wünsche bessern Ergehens nicht
zurückweisen wird.
Von hier hab ich wenig zu melden, es geht uns Allen
leidlich. Die Nachricht von Freiligrath‘s Tod hat mich tief er-
griffen.
Am achtzehnten des März rang auf aus dem Grab sich die Freiheit –
Am achtzehnten sank in das Grab, auf, ihr Sohn!
Der mahnt mich an den 18 März 1848 uund an unser Xenien,
o Freund!
,o Freund!
O Freund! Es war eine harte und doch schöne Zeit und ich
freue mich rückblickend, daß wir in dieser Zeit zusam̃en gelebt uund zu-
sam̃en gestrebt uund nach dieser Zeit, auch getreñt, doch verbunden in ihren uund durch
ihren Geist gewirkt.
Lache nicht, weñ ich dir offen bekenn, daß ich es mir auch für
eine Wirksamkeit im 48er demokratischen Geist annehme,
für unsere volksthümliche Rechtschreibung auf dem orthographischen
Kongreß gekämpft zu haben, und zwar, wie der jüngste Er
laß des Unterrichtsministers dir gezeigt haben wird, nicht
ohne Erfolg.
Also nicht: | – Sondern: |
Es war im vor‘gen Jar. | Es war im vor‘gen Jahr |
Die Not nah u Gefar. | Die Noth nah u Gefahr – |
Es war in diesem Jar | Es wahr‘ in diesem Jahr |
Von Not u vor Gefar | Vor Gott u vor Gefahr |
Dich Gott. Das werde war! | Dich Gott. Das werde wahr! |
Amen!
Mit den besten Grüßen und Wünschen von uns Allen
für Euch, o Freund!
Dein treuer Bruder
Dan. Sanders
Altstr.Altstrelitz 25/3 76.