5. Verwahrungsmittel wider das Laster der Unkeuschheit überhaupt und der Selbstschändung insonderheit.
Ein wichtiges Verwahrungsmittel vor allen Sünden der Unkeuschheit und der Selbstschwächung insonderheit, findet ihr in dem, was ich euch bereits gesagt habe. Leset dies oft durch und denkt ernstlich darüber nach. Eure eigene Ueberzeugung wird dann immer stärker, und nun ist euer Wille auch schon da, nie vorsetzlich in solche Sünden zu verfallen. Und wie viel ist dann nicht schon gewonnen, wenn man nur einmal recht überzeugt ist und einen festen Entschluß gefaßt hat!
Aber dabei müßt ihr doch nicht sicher und eurentwegen unbesorgt seyn. Jhr seyd Menschen, und die nahe Möglichkeit, daß ihr auch wider euren Willen fehlen könnt, ist bei euch so viel größer, weil ihr jung und unerfahren seyd und euren guten Grundsätzen noch die lange Uebung fehlt, durch die sie erst recht befestigt werden. Verlaßt euch also nie darauf, daß ihr nicht fehlen wollt, sondern bemüht euch dabei ernstlich um solche Mittel und Gelegenheiten, daß ihr nicht leicht fehlen könnt; flieht hingegen solche Gelegenheiten, die euch unvermerkt zu einem bösen Gedanken oder zu einer unerlaubten Empfindung leiten würden. Dies wäre schon ein Schritt. Die Gelegenheit könnte wiederkommen, und nun wäret ihr schon in größerer Gefahr, mehrere Schritte zu thun. Daher muß man, so lange man noch nicht recht geübt darin ist, sich selbst zu beherrschen, oft etwas meiden, das an sich sehr unschuldig seyn kann.
Jndessen ist das, meine Lieben, was ihr zu vermeiden habt, um nie in das schreckliche Laster der Selbstschwächung zu verfallen, nicht von der Art, daß es euch viel Mühe kosten, oder mit dem Verlust irgend einer Freude für euch verbunden seyn würde. Es ist vielmehr sehr leicht,
und wird euch mit so vielem Vergnügen belohnen, daß ihr es recht gern thun werdet.
Jhr werdet ohne Zweifel zum Theil erfahren haben, daß ihr nicht aufgeräumt und froh seyd, wenn ihr keine angenehme Beschäftigung habt. Jhr fühlt dann in euch eine Art von Unlust und wünscht, daß doch bald die und die Zeit kommen mögte, wo ihr dies und jenes thun und euch dies und jenes Vergnügen machen könntet. Darin seyd ihr allen andern Menschen ähnlich. Jn unserer Natur liegt der Trieb zur Geschäftigkeit, und der Zustand, da wir von diesem Triebe keinen Gebrauch machen können, ist uns beschwerlich. So beschwerlich er nun aber ist, so gefährlich ist er auch für uns. Nicht nur viele Kräfte in uns werden dadurch, daß sie ungebraucht liegen, geschwächt, wodurch der Trieb zur Beschäftigung sich nach und nach verliert; sondern unsre Seele sinnt und denkt auf allerlei, wodurch sie sich eine angenehme Vorstellung verschaffen kann, um die Unlust der langen Weile zu vertreiben. Bei diesem Sinnen und Denken geräth sie sehr leicht auf Vorstellungen von Dingen, die dem Körper eine angenehme Empfindung zuwege bringen könnten und wodurch sie sich bald aus ihrem mißvergnügten Zustande herausreißen
könnte. Sie wählt, was ihr am nächsten und leichtesten ist. Und wie viele sinnliche Triebe hat nicht unser Körper, die leicht erregt werden können, wovon aber keiner leichter zu erregen ist, als derjenige, den ich euch unter dem Namen des Zeugungstriebes bekannt gemacht habe. So wenig dieser Trieb im Knaben— oder frühen Jünglingsalter den Zweck der Fortpflanzung des menschlichen Geschlechts erfüllen kann und soll: so leicht kann er doch durch Vorstellungen einer müßigen Seele gereizt werden, und dann reißt er die arme Jugend zu der unglücklichen Befriedigung durch die Selbstschändung hin. Und ist dies Laster ein einziges mal verübt, so ist es natürlich, daß in dem ersten müßigen Augenblick, der wieder eintritt, sich der Reiz dieses Lasters der Seele von neuem und verstärkt darstellt; und dies leitet denn auf eine abermalige Wiederholung. Und so geht es denn immer fort; denn wodurch soll sich die Seele zerstreuen? Wodurch soll sie andere gute Vorstellungen bekommen? Wer müßig oder unbeschäftigt ist, der kann nur wenig Gedanken haben, die in seiner Seele abwechseln und ihm Unterhaltung verschaffen.
Wer immer beschäftigt ist, der denkt auch immer viel. Er denkt an das, was er er gethan
hat, was er thut und noch thun will. Seine Seele hat keinen leeren Augenblick. Sie ist in ihrer steten Beschäftigung auch immer froh; und dieser frohe Zustand der Seele ist derjenige glückliche Zustand, in welchem sie von einer bösen Leidenschaft nicht leicht beherrscht wird, sondern böse Leidenschaften selbst leicht beherrschen kann. Wie gut und tugendhaft würden viele Menschen seyn, wenn sie immer nützliche Beschäftigungen hätten! Daß sie nützlich seyn müssen, versteht sich von selbst; denn sonst gewähren sie der Seele keine wahre Freude und keine fortdauernde Unterhaltung. Einer unnützen und zwecklosen Beschäftigung würde sie bald überdrüßig werden, und eine Beschäftigung, die gar in der Welt Schaden anrichtete, würde ihr bald Reue und Unruhe verursachen.
Recht innig wünschte ich es, meine jungen Freunde, euch allen eine Anleitung zu geben, wie ihr euch immer nützlich beschäftigen könntet. Allein dies würde, da ich euch sonst noch manches zu sagen habe, hier zu weitläuftig werden. Jndeß könnt ihr aus nachfolgendem Beispiel ungefähr sehen, wie man sich auf vielfache Art auch frühe sehr nützlich beschäftigen könne.
L**, ein Knabe von zehn Jahren, ist gewohnt, des Morgens im Sommer um fünf Uhr aufzustehen. Mit allem, was zum ordentlichen und reinlichen Anzuge gehört, ist er in einer Viertelstunde fertig, und nun eilt er in den Garten, um sich da der ersten dankbaren Empfindung von von einem gütigen Schöpfer in der freien Natur zu überlassen. Hier sieht er nach seinen Blumen und Saamenbetten, und findet da manches, wobei seine Hand beschäftigt seyn kann; bald etwas anzubinden, bald ein Unkraut auszuraufen, bald einen Maulwurfshaufen auszuebnen und dergleichen mehr. Wäre da nichts zu thun, so geht er in den allgemeinen Küchengarten und mustert die Gewächse durch, und selten kehrt er zurück, ohne seiner Muter einige frohe Nachrichten mitzubringen. Um sechs Uhr gehen seine ordentlichen Taggeschäfte an, wo sein Lehrer ihn unterrichtet. Hier werden zwei Stunden vergnügt zugebracht. Nun wird bis Mittag ernstlich gearbeitet, gegraben, geschaufelt, Betten abgestochen, so lange etwas im Garten zu thun ist und es das Wetter erlaubt; sonst wird im Hause etwas beschaft, wozu die Mutter leicht Rath weiß, oder in der Holzkammer geschnizelt, Besen gebunden, Körbe geflochten, Erbsenreißer zu recht gemacht;
auch ist auf dem Felde manches zu thun, besonders in der Erndte, und L. pflegt des Abends vorher schon auf viele Fälle seine Einrichtung zu machen, damit er nie um eine Beschäftigung verlegen sey.
Nach Tische findet ein gemeinschaftlicher Spatziergang ins freie Feld oder Gehölz statt, und von da nimmt er jedesmal eine Hand voll Pflanzen oder Gewächse mit. Diese werden zu Hause untersucht, die Namen dazu aufgeschlagen und nun zum Trocknen zwischen Löschpapier gelegt. Nun folgt wieder eine Lehrstunde von drei bis vier Uhr. Dann geht es wieder an die Handarbeiten im Garten, Felde oder Hause.
Jm Winter übt er sich im Drechseln und hat schon manches kleine Stück Hausgeräth mit eigener Hand verfertigt. Auch schnitzelt er aus Holz ganz artige Sachen. Manche Stunde bringt er damit zu, seine ausgetrockneten Kräuter auf Papier zu kleben und ihre Namen nebst ihren Gebrauch beizuschreiben und überhaupt alles nachzusehen und zu ordnen. Er macht sich von Pappendeckel kleine Schiebladen und in diesen kleine Kästchen aus Kartenblättern, worin er verschiedene Saamenarten aufbewahrt. Jhr könnt euch nicht vorstellen, wie herrlich es aussieht, wenn man
hier einige hundert an Farbe, Größe und Gestalt verschiedene Saamenarten neben einander sieht. Man kann sie, ohne müde zu werden, Stundenlang betrachten. Auch hat er sich ein Holzkabinet angelegt, worin von jeder Holzart, die er auftreiben kann, ein glatt gehobeltes Stück neben dem andern liegt. Jedes ist mit einer Nummer bezeichnet, die in einem eigenen Verzeichniß den Namen und Nutzen des Holzes, auch andere Merkwürdigkeiten dabei anzeigt.
Dies ist nicht bloß ein Zeitvertreib, sondern ein nützliches Mittel, unsere Kenntnisse von den Dingen, die uns in der Welt umgeben, zu erweitern. Es kann uns in vielen Fällen des Lebens wichtig werden; es nimmt unsere Seele unvermerkt für das Schöne, Vollkommene und Zweckmäßige ein; es lehrt uns Gott immer mehr kennen, dessen Meisterhand so viel Schönes schuf; wir fühlen ihn dadurch täglich größer und liebenswürdiger, und welches Gefühl kann wol eines Menschen würdiger seyn, als dies?
Die Winterabende wendet L. dazu an, sich in der Musik zu üben; auch zeichnet er dann oft verschiedene seiner Seltenheiten ab, macht auch wol kleine Landcharten, die er mit Farben ausmahlt. Er besitzt einen kleinen von ihm selbst
verfertigten Atlas, worin über vierzig Charten sind, die ihm viel Vergnügen machen.
Jn der nächsten Stunde vor dem Schlafengehen arbeitet er an seinem Tagebuch, worin er seine Beschäftigungen alle aufzeichnet, auch was er den Tag über neues gelernt und erfahren hat; oder er besorgt seinen Briefwechsel an seine entfernten jungen Freunde. So verfliegt ihm jeder Tag unter frohen Geschäften, die seine Seele vor Lastern und seinen Leib vor Krankheiten bewahren.
Macht es auch so, meine jungen Freunde! Schränkt euch nicht bloß auf die Arbeiten ein, die euch aufgetragen werden, sondern wählt euch selbst eins und das andere, wozu ihr eine vorzügliche Neigung und Anlage bei euch verspürt, und wozu ihr am besten Gelegenheit habt. Wählt euch eine Art von Lieblingsbeschäftigung, der ihr eure freien Stunden widmen könnt. Jhr werdet euch dadurch sehr ermuntert fühlen, auch andere ernsthafte Beschäftigungen, wobei ihr viel denken und euren Kopf anstrengen müßt, mit Lust zu übernehmen, und ihr dürft nicht fürchten, daß sie euch so leicht ermüden werden. Abwechselung erhält die Seele immer munter und thätig. An Gelegenheit zu solchen selbstgewählten
Beschäftigungen wird es euch doch nicht ganz fehlen. Zeigt ihr nur Lust dazu, so werden eure Eltern und andere gute Menschen euch immer mehr Gelegenheit dazu verschaffen. Ein ander mal will ich euch auch noch eine ausführlichere Anweisung geben, wie ihr selbst es anzufangen habt, um immer nützlich beschäftigt zu seyn, und wie ihr euch manche gesunde Leibesübung machen könnt.
Jetzt muß ich euch nur bitten, euch nie durch die irrige Meinung abhalten zu lassen, als wenn irgend eine körperliche Arbeit erniedrigend und schimpflich sey. Jede Arbeit ist rühmlich, durch die wir uns und andern einen Dienst verschaffen; aber der Müßiggang ist schimpflich, selbst wenn wir auch ohne Arbeit unser Brod haben können.
Eine Hauptquelle aller Laster und insbesondere auch des unnatürlichsten schrecklichsten Lasters der Selbstschwächung und ein Hauptmittel dagegen wißt ihr also nun, meine Lieben. Jene Hauptquelle ist der Müßiggang und die Geschäftlosigkeit, und das Hauptverwahrungsmittel gegen alle Sünden überhaupt und gegen die Sünden der Unkeuschheit insbesondere ist die Arbeitsamkeit. Unzählige Knaben und Jünglinge haben ihr Unglück dem Müßiggange zuzuschreiben,
und die, die ihre Gesundheit und ihre Lebensfreuden sich erhielten, gewiß, die verdanken es ihrer frühen Liebe zu nützlichen Beschäftigungen.
Jndem ich euch nun vor der Geschäftlosigkeit warne und euch hingegen zur Thätigkeit ermuntere: so werdet ihr von selbst einsehen, daß ich aus demselben Grunde ein Recht habe, euch vor aller Einsamkeit zu warnen und euch zum Umgange mit andern guten Menschen zu ermuntern. Jhr habt dazu alsdann vornemlich Ursache, wann ihr noch nicht mit solchen Beschäftigungen bekannt seyd, die euch eine angenehme Unterhaltung verschaffen können; denn in diesem Falle wäret ihr ja ganz ausser Stand, eure einsamen Stunden nützlich zuzubringen. Würdet ihr aus einer übelgesinnten Blödigkeit nicht gern in der Gesellschaft anderer verständiger Menschen seyn, so würdet ihr auch immer mit vielen guten Beschäftigungen unbekannt bleiben müßen. Jhr würdet manches, was gut und nützlich ist, gar nicht erfahren. Von selbst alles Nützliche zu lernen, dazu seyd ihr in eurem Alter nicht fähig. Jhr habt immer einige Anleitung dazu nöthig und die findet ihr in dem Umgange mit solchen Personen, die euch an Einsichten und Erfahrungen überlegen sind. Eure Eltern und Lehrer sind diejenigen
Personen, deren Umgang euch vorzüglich nützlich werden kann. Je lieber euch ihre Gesellschaft ist, je besser ist es für euch, und ihr habt durch sie Gelegenheit, auch mehrere gute Menschen kennen zu lernen. Jhr müßt euch nur nicht selbst von ihnen absondern, oder jeden Fremden, der ins Haus kommt, fliehen, und entweder für euch allein gehen, oder Gesellschaften suchen, die euch gefährlich seyn können.
Vor solchen gefährlichen Gesellschaften seyd ihr sicher, wenn ihr euch an eure Eltern und Lehrer und an diejenigen Personen haltet, die von ihnen geschätzt werden. Es könnte leicht seyn, daß erwachsene Menschen und auch Knaben und Jünglinge von eurem Alter etwas Gutes an sich hätten, das euch gefiele, die aber doch auch manches Böse an sich hätten, das ihr nicht immer bemerken könntet, oder dessen ihr doch endlich, wenn ihr es auch bemerktet und misbilligtet, gewohnt werden würdet. Jhr könntet durch den öftern Umgang mit solchen Personen nach und nach sehr leicht ihre bösen Gewohnheiten annehmen. Jch kann euch, damit ihr euch dieser Gefahr nicht aussezzet, nichts anders rathen, als nur solche Gesellschaften zu wählen, die euch von euren Eltern und Erziehern erlaubt werden. Müßt ihr etwan
in der Schule mit fremden Knaben allein seyn, worunter viele sind, die manche Unarten und selbst schaamlose Handlungen ausüben: so haltet euch an eure Arbeit und vermeidet alle Vertraulichkeit, alles Plaudern, alle Neckereien, die sich doch überhaupt für wohlgezogene Knaben nie schicken. Aus Erfahrungen weiß ich es, daß manche Kinder in der Schule oft durch ein böses Beispiel, oft durch wirkliche Ueberredungen zu dem Laster der Selbstschwächung verführt worden sind. Und sehr oft wuste weder der Verführer noch der Verführte, daß sie Sünde übten.
So lernte einsmals ein zwölfjähriger Knabe dieses Laster, indem er neben seinem Mitschüler auf der Bank saß, der so unschaamhaft war, ihm mit der Hand in die Beinkleider zu fahren, und sehr unanständige Ausdrücke damit zu verbinden. Dadurch weckte er in seiner unschuldigen Seele Gedanken und Vorstellungen auf, die ihm nachher oft wiederkamen und ihn endlich veranlaßten, Hand an sich selbst zu legen und sich auf eine erbärmliche Art zu Grunde zu richten. Sein Verführer wollte ihn nachher, da er bessere Einsichten erlangt hatte, wieder davon abrathen, aber seine Seele hatte die Eindrücke zu tief gefaßt. Die geschändeten Theile seines Körpers
waren so reizbar, daß er an nichts, als an seine Sünde denken konnte, und jeder Gedanke daran wurde That. Er welkte hin, wie eine Blume, deren Wurzel ein Wurm zernagte.
Die Gefahren der Verführung sind groß, meine jungen Freunde, und ich habe sie euch nicht verschweigen können. O mögtet ihr sie nie anders kennen lernen, als aus dieser meiner Beschreibung! Mögtet ihr überall, wo ihr euch unter Kindern eures Alters befindet, es sey in der Schule oder bei euren jugendlichen Spielen, auf euch und andere Knaben Acht haben, daß nicht ein so schreckliches Uebel sich unter euch ausbreite! Mögtet ihr es für eure Pflicht halten, wo ihr einen solchen Verführer und unglücklichen Knaben erblickt, euch nicht nur selbst zu hüten, sondern alles, alles anzuwenden, daß jener gerettet würde!
Den Verführer, von dem ich euch eben erzählte, quälte ein nagender Vorwurf, so lange er lebte; aber euch würde das froheste und seligste Bewußtseyn Zeitlebens begleiten, wenn ihr jetzt bei euren bessern Einsichten hie und da einen elenden Selbstschwächer von seinem Laster würdet frei gemacht haben. Daß euch nicht einer oder der andere von der Art bekannt werden sollte,
daran ist bei der großen Anzahl solcher Unglücklichen fast nicht zu zweifeln. Wahrscheinlich werdet ihr öfter Gelegenheit dazu haben, als Lehrer und Aufseher, weil Jugend gegen Jugend freier ist und sich leicht zeigt, wie sie ist. O einen unaussprechlichen Lohn würdet ihr haben, wenn ihr in euren frühen Jahren schon einem Menschen seine Tugend und Glückseeligkeit, der Welt einen Bürger und manchen lieben Eltern ihren künftigen Trost erhalten würdet! Wie froh müßtet ihr einst an eure Jugendjahre zurückdenken können; denn die reinste Freude, die ein Mensch empfinden kann, ist die, wenn er andre glücklich gemacht hat.
Aber, meine jungen Freunde, so sehr ihr euch vor der Verführung von andern zu hüten habt, so sehr und noch mehr müßt ihr euch hüten, nicht eure eigenen Verführer zu werden. Geschäftlosigkeit und Einsamkeit setzen euch, wie ihr gehört habt, schon in eine sehr gefährliche Lage. Befändet ihr euch doch nun zuweilen in der Lage und würdet ihr euch dann eine unschaamhafte Vorstellung erlauben: so würdet ihr bei euch einen Reiz erwecken, der, so einsam und allein ihr nun wäret, mit immer stärkerer Gewalt sich eurer bemächtigen würde. Hättet ihr nun dabei
vollends es euch zur Gewohnheit gemacht, oft ganz ohne Absicht und gleichsam zufällig die schaamhaften Theile eures Körpers zu berühren: o, meine Lieben, ein Haarbreit wäre dann nur zwischen euch und der abscheulichsten Sünde, in die ihr plötzlich und ehe ihr darum wüßtet, gerathen würdet!
Ermahnen und bitten muß ich euch daher, so sehr ich nur ermahnen und bitten kann, daß ihr euch zu aller Zeit und unter allen Umständen der größten Schaamhaftigkeit gegen euch selbst befleißiget. Erlaubet euch nie einen unschaamhaften Gedanken. Erlaubet es euch nie, wenn ihr sitzet oder stehet oder gehet, die Hände in den Beinkleidern zu halten. Bebt vor euch selbst zurück, wenn ihr diese unsittsame Gebehrde an euch bemerkt. Denkt an Wilhelm. Dieser unglückliche Handgriff machte ihn zum Selbstschänder, und ward, so schuldlos er anfangs schien, Ursache zu seinem gränzenlosen Elende. Viele Knaben überlassen sich dieser Gewohnheit, weil sie oft nicht ihre Hände zu lassen wissen, und weil sie es vielleicht an andern gesehen haben. Man kann so unvermerkt etwas annehmen, wobei man sonst keiner Bewegungsgründe sich bewußt ist. Aber auch eben so unvermerkt kann
aus manchem etwas Böses entstehen. Jeder Mensch, der Schaamhaftigkeit liebt, muß diese Gebehrde gleich anstößig und unschicklich finden, und sie also allein darum vermeiden; ihr habt aber zu dem noch einen sehr wichtigen Grund dazu. Diese Schaamhaftigkeit gegen euch selbst, die euch jede Berührung eurer Schaamtheile, jede Beschauung eurer Blöße aufs strengste untersagt, ist die Beschützerin eurer Unschuld. O, darum wachet über euch, daß euch diese Beschützerin nie verlasse!
Jede Unschaamhaftigkeit sey euch verhaßt, so verhaßt, wie das Laster selbst, zu dem sie führet. Hört ihr einen freien Scherz, leset ihr einen unanständigen Ausdruck, seht ihr ein unschaamhaftes Gemälde: gleich mit euren Gedanken davon weg! Es gibt leider! selbst erwachsene Menschen, die nicht so verständig sind, von Dingen zu schweigen, die bei andern unerlaubte Reizungen hervorbringen können; die oft von gewissen Dingen sehr unschaamhaft sprechen und darüber scherzen und lachen. Sie verrathen immer, wenn sie es auch sonst nicht böse meinen, eine schlechte Erziehung und Mangel an eigenem Nachdenken. Sie zeigen, daß sie wichtige Dinge, wie Kleinigkeiten, und ernsthafte Sachen,
als Possen, behandeln, und dies schickt sich für vernünftige Menschen nicht. Die wichtigen Umstände bei der Erzeugung eines Menschen; die von dem weisen Schöpfer gewählten Mittel und Wege dazu; die Theile unsers Körpers, auf welchen diese ganze weise Einrichtung beruht, enthalten gar nichts Lächerliches. Gott erscheint uns hier so groß, so weise und gut, als in dem Bau der Blume und in dem Gewölbe des ganzen Sternenhimmels. Die traurigen Folgen, die daraus entstehen, wenn Menschen diese seine Einrichtung verderben, die Folgen von dem Misbrauch des Zeugungstriebes enthalten ja wahrlich auch nichts Lächerliches. Sie müßen vielmehr jedes Herz, in dem nur noch ein Funken von Menschenliebe ist, mit der tiefsten Wehmuth erfüllen. Jedes leichtsinnige Betragen ist also hier ganz vernunftwidrig. Ja, höchst unrecht und strafbar ist alles, was durch verführerische Reden, durch leichtsinnige Vorstellungen, durch unschaamhafte Gebehrden in unschuldige Herzen den Keim zu verwüstenden Lastern streuet. Dies fühlt ihr, meine Lieben, daß dies unrecht und strafbar sey. Werdet ihr denn nun auch immer die Unschaamhaftigkeit als etwas Böses an euch
selbst meiden, und an andern mit Misfallen und Bedauern bemerken?
Sehen und hören werdet ihr manches, was unschaamhaft ist; aber seht und hört es mit Widerwillen. Wachet sorgfältig über eure Ohren, eure Augen, Hände und alle Glieder. Zu unserer großen Glückseeligkeit gab Gott uns diese Dinge, nicht zu unserm Verderben. Denket nicht, daß ihr etwa gegen eures Gleichen, oder gegen sehr Bekannte, oder gegen euch selbst, wenn ihr allein wäret, euch größerer Freiheiten bedienen könntet. Wem könntet ihr da schaden? O, euch selbst unendlich! Daher, wenn ihr beim Schlafengehen euch entkleidet, oder von andern Menschen unbemerkt in eurem Bette liegt, so erlaubt euch keine Berührung, keinen Blick, den ihr vermeiden könnt. Und damit ihr auf eurem Lager vor jedem langweiligen und müßigen Zustande sicher seyd, so macht es euch zum täglichen Gesetz, euch so viel Bewegung und körperliche Arbeit den Tag über zu verschaffen, daß der Schlaf sich bald einfinde und ihr nicht lange auf ihn warten dürft. Auch dies wird auf eure Gesundheit einen wohlthätigen Einfluß haben. Euer Schlaf wird ruhig und stärkend seyn.
Eben so macht es euch zum unverbrüchlichen Gesetz, sobald ihr erwacht, gleich aufzustehen. Keine Zeit ist gefährlicher zur Erregung unerlaubter Reize, als diejenige, die des Morgens müßig im Bette zugebracht wird. Nichts schwächt auch so sehr die Gesundheit, als die anhaltende Bettwärme und die durch Ausdünstungen verunreinigte Luft, die sich um und bei der Schlafstäte befindet. Habt ihr euer Leben, eure Gesundheit, eure Tugend lieb, so seyd hierin nicht nachgiebig gegen euer sinnliches Gefühl. Mit eurem ersten Erwachen, erwache in euch zuerst der Gedanke an Gott, und dann der zweite an neue Thätigkeit, wozu ihr durch die Ruhe gestärkt seyd, und mit diesen Gedanken verlaßt eilig euer Lager. Sollte es euch auch anfangs einige Ueberwindung kosten, so wird es euch doch gewiß jedesmal freuen, wenn ihr eure Neigung besiegt habt und täglich wird es euch leichter werden. Zuletzt wird es eine wohlthätige Gewohnheit.
Auch in andern Dingen, meine Lieben, wird es zu eurem großen Besten seyn, wenn ihr euch ordentlich übt und eine Ehre darin sucht, alle weichlichen Empfindungen bei euch zu unterdrücken und euch gegen unangenehme körperliche
Gefühle abzuhärten. Wenn ihr zum Beispiel euch gewöhnt, in kalten Zimmern und harten Betten zu schlafen, bei kalter und rauher Witterung draußen etwas zu arbeiten, Hunger und Durst zu ertragen, Schmerz zu leiden. Jhr erlangt dadurch eine Herrschaft über euch selbst, durch die ihr endlich in den Stand gesetzt werdet, sehr heftige sinnliche Begierden zurückzuhalten. Würdet ihr im Gegentheil nur das suchen, was euch angenehme körperliche Empfindungen verschaffte, gesetzt auch, es wäre nichts Böses, so würdet ihr dessen so gewohnt werden, daß ihr alle Dinge nur nach eurem sinnlichen Gefühl beurtheiltet. Jhr würdet nicht erst fragen: ist es recht, gut und nützlich; sondern nur: ist es meinen Sinnen angenehm, und da würdet ihr oft in der Folge manches für euch sehr schädlich finden.
Habt ihr euch aber gewöhnt, euch oft etwas angenehmes abzuschlagen und eure Begierden aufzuhalten: so gewinnt ihr bei allem, was euch vorkommt, immer Zeit, erst ruhig darüber nachzudenken, und ihr findet es dann auch nicht so schwer, davon abzustehen, wenn eure Vernunft es euch widerräth.
Auch hier wünschte ich, daß ihr euch das unverbrüchliche Gesetz machtet, keinen Tag hingehen zu lassen, an dem ihr euch nicht bewußt wäret, euch etwas sinnlich angenehmes abgeschlagen und etwas unangenehmes ertragen zu haben. Wäre es auch nur ein kleiner Wunsch, den ihr mit Vorsatz unbefriedigt gelassen hättet, um euch in der Ueberwindung eurer selbst zu üben. Eure Zufriedenheit, meine Lieben, wird dadurch nichts verlieren, sondern viel gewinnen; denn in tausend Fällen unsers Lebens müssen wir Wünsche, oft sehr erlaubte Wünsche, unbefriedigt lassen. Wohl uns, wenn wir dann können und gern wollen, was wir doch müssen! Wir werden manche Unzufriedenheit, manche böse Laune dadurch zurückhalten. Und haben wir die Gewalt über uns, daß wir uns erlaubte Dinge, die unsern Sinnen angenehm wären, abschlagen können, wie viel leichter muß es uns dann nicht seyn, Begierden zurückzuhalten, von denen wir vorauswissen, sie würden uns Gesundheit, Gewissensruhe, Wohlgefallen Gottes und alle Achtung und Liebe der Menschen rauben!
Zu diesen sinnlichen Empfindungen, gegen die ihr täglich recht strenge zu seyn euch üben müßt, gehört auch ganz vorzüglich die Gewohnheit,
leckerhafte Speisen und Getränke zu genießen. Der Mensch wird dadurch nicht allein immer sinnlicher und weichlicher, sondern auch würklich ungesund. Süße und gewürzte Speisen geben dem Geblüt viele Schärfe, woraus hitzige Krankheiten entstehen. Fette und sehr nahrhafte Fleischspeisen sind schwer zu verdauen, und was nicht gehörig verdaut wird, geht in Fäulniß über, woraus wiederum böse Fieber entstehen. Zuletzt wird der Körper mit unreinen Säften ganz angefüllt, und nun ist ein ganzes Heer von Krankheiten da. Starke Getränke, als Wein, Kaffee, Chokolade sind der Jugend ganz schädlich, weil sie ebenfalls das Geblüt erhitzen. Alle warmen Getränke hingegen machen schlaff, träge und hindern die Verdauung. Gewöhnt euch also immer an leichte und einfache Speisen. Brod, Gemüse, Grütze, Milch, wenig Fleisch; euer Trank sey Milch oder Wasser oder dünnes Bier. Habt ihr nur Hunger und Durst, und das wird euch Arbeit verschaffen, so sind diese Speisen und Getränke euch so angenehm, daß ihr nichts weiters wünschen werdet, und ihr kommt nicht leicht in Gefahr, im Genuß derselben zu viel zu thun. Durch diese Genügsamkeit und Mäßigkeit werdet ihr
euren Körper gesund, eure Seele munter und euer Herz von bösen Leidenschaften frei erhalten. Belohnung genug, meine jungen Freunde, für eine kleine Ueberwindung!
Mir ist nun nichts weiter übrig, als alles bisher Gesagte eurer fleißigen Erinnerung und eigenem ernsthaften Nachdenken zu empfehlen. Merkt euch daher nochmals
1. Die Abscheulichkeit der Selbstschwächung und die Gründe, die daraus herfließen, sie zu meiden.
Sie ist ein Laster, eine Sünde, weil sie den Endzwecken Gottes zur Vermehrung und Beglückung des menschlichen Geschlechts gerade entgegen ist. Durch dies Laster werden Triebe gemißbraucht, die der nachkommenden Welt Leben und Daseyn geben sollen. Gottes weise Absichten hindern, ist Sünde. Als Sünde und Laster macht auch die Selbstschändung zeitlich und ewig unglücklich. Sie schwächt alle Kräfte des Geistes und Körpers, macht also zu dem Genuß aller Freuden, wozu Verstand, Gefühl und ein gesunder Körper gehört, unfähig. Auch zu dem Vergnügen, andern Gutes zu erweisen und ihnen durch seine Kräfte zu nützen, macht sie ungeschickt.
So wie sie Freude und Glückseeligkeit raubt, so setzt sie Mißvergnügen und Elend an die Stelle. Unzählige Gebrechen und Qualen verursacht sie dem Körper. Das Gewissen füllt sie mit Beängstigungen; Schrecken erregt sie bei dem Gedanken an Gott. Eltern, Lehrer, Freunde, werden tief bekümmert, wenn sie an Kindern diese Schande erleben. Frohe und glückliche Ehen werden gehindert, wenn der Jüngling durch Selbstschwächung sich entnervt. Der Vater, der ein lasterhafter Jüngling war, kann keine Kinder zeugen, oder doch höchstens nur gebrechliche elende Kinder, denen es an jeder Kraft zum Guten mangelt und die daher nur lasterhaft und unglücklich werden können. Gott wird diese Sünde einst in jener Welt als ein gerechter Richter strenge bestrafen. Lauter unabsehbares Elend!
Merkt euch
2. Die leichten Veranlassungen dazu.
Jeder müßige Zustand. Jede unschaamhafte Vorstellung. Jede, auch die zufälligste Berührung oder Beschauung der Schaamtheile. Jedes verführende Beispiel von andern. Jede Weichlichkeit gegen den Körper. Jedes Uebermaaß in Essen, Trinken und Schlafen. Jede
Versäumniß der Sorge für die Gesundheit durch körperliche Arbeit.
Merkt euch
3. Die Verwahrungsmittel vor allen Reizen zu dieser unnatürlichen Sünde.
Oftmalige und zur Geläufigkeit gewordene Vorstellungen von Gott, seiner Weisheit und Güte, die uns in der ganzen Natur so sichtbar geoffenbart ist, daß jede Sache, worauf wir mit unseren Sinnen gerathen und bei der wir uns nur etwas verweilen wollen, uns den Gedanken einflößt: Gott ist weise und gütig. Würkt dieser Gedanke nicht innerliche Abneigung gegen alles, was böse, unweise und zweckwidrig ist, und befördert er nicht Wünschen, Wollen und Bemühen, selbst weise und gut zu werden? Nächstdem Anwendung aller Kräfte zu allen möglichen nützlichen Arbeiten, mit der die Lust und Fähigkeit zu steter Beschäftigung immer mehr zunimmt und der Hang zur müßigen Einsamkeit, dieser gefährlichen Klippe der Unschuld, immer mehr abnimmt. Vermeidung böser Gesellschaft, hingegen Umgang mit einsichtsvollen tugendhaften Personen, die Verstand und Herz bilden. Schaamhaftigkeit gegen andere und gegen sich selbst.
Abwendung der Augen, Ohren und des ganzen Gemüths von allem, was zu leichtsinnigen Begriffen über den Zeugungstrieb, über die Zeugungstheile und alles, was dahin gehört, Gelegenheit giebt, es sey durch Reden, oder Mienen, oder unsittliche Gebehrden oder Berührungen, oder unbedachtsame Entblößungen. Entwöhnung von aller Weichlichkeit in Kleidung, Kost, Ruhe und Bewegung; hingegen Angewöhnung an alles, was unangenehme Empfindungen verursacht, was mühsam ist, was Anstrengung erfodert.
Merkt euch
4. Die großen Vortheile einer reinen unschuldigen Jugend.
Der Gedanke, Gott und allen Menschen werth zu seyn, muß doch das Herz sehr froh machen. Eine blühende Gesundheit und Vermögen, die Kräfte, die in uns liegen, zu unserem und anderer Nutzen und Vergnügen gebrauchen zu können; empfänglich gegen die vielen Schönheiten der Natur zu seyn; Hoffnung zu haben, einst bei reifen Jahren alle Pflichten als Mensch, Ehegatte, Vater und Freund erfüllen zu können.
Kann man sich größere Ermunterungsgründe denken?
Erwäget, meine Lieben, dies oft und ernstlich, und gebt dabei zugleich Acht auf eure besondern Neigungen und Fähigkeiten und auf die Umstände, worin ihr euch befindet. Jhr werdet dann einsehen, was ihr vornemlich nach eurer Lage zu thun oder zu meiden habt. Es ist sehr nöthig, daß man sich frühe selbst kennen lerne, damit man wisse, zu welchen Fehlern man vorzüglich geneigt ist; welches Gute einem vorzüglich schwer wird. Man weiß sonst ja nicht, was man an sich bessern soll. Hat man sich aufrichtig selbst geprüft, und nun gefunden, wo ein Fehler, eine schädliche Lieblingsgewohnheit steckt, so weiß man, worauf man vorzüglich zu arbeiten hat, und dann lernt man auch, alle Mittel dabei für sich aufs beste einzurichten. Jch muß bei dieser meiner Belehrung, wo ich für euch alle nicht ausführlich genug seyn kann, darauf rechnen, daß ihr zu eurer Wohlfahrt selbst gern alles beitragen wollt, und bei diesem guten Willen werdet ihr leicht von dem Gesagten die beste Anwendung auf euch machen und euch zudem noch manchen guten Rath selbst ertheilen können.
6. Mitleidiger Zuruf und väterlicher Rath für den unglücklichen Knaben oder Jüngling, der den Weg, der zum Verderben führt, schon betreten hat.
Armer Knabe oder Jüngling, der du hier das Selbstgeständniß dir ablegen mußt, du gehörest in die Zahl der Unglücklichen, die sich mit der schrecklichen Selbstschwächung befleckt haben; Mitleid, Unruhe und Bekümmerniß erfüllt mein Herz, wenn ich an dich denke! Und was fühlst du selbst in dir, wenn du aus allem, was du bisher hier gelesen hast, dich überzeugen mußt, du seyst der Lasterhafte, der seinem eigenen Verderben entgegen eilt, der nun vielleicht bald mit Schande und Schmerz überhäuft, andern ein warnendes Beispiel seyn soll? Was fühlst du bei der Vorstellung, daß du eine Sünde verübt hast, die Gott einst richten wird und deren Folgen hier auf der Welt schon so schrecklich sind? Jch hoffe, auch Unruhe, Bekümmerniß und Mitleid gegen dich selbst. O, mögtest du das noch fühlen, so wäre dies ein Beweis, daß du nicht lange, nicht vorsätzlich gesündigt hättest,
daß du ferner nicht sündigen wollest, und dann wäre noch Rettung für dich!
Bei der innigsten Reue über ein Vergehen, das du vielleicht nicht kanntest, und bei einer gänzlichen Vermeidung dieses und ähnlicher Laster für dein ganzes künftiges Leben wird Gott dir verzeihen. Und bei diesem ernstlichen Vorsatz, die Sünde nie wieder zu begehen, wirst du auch gern alles anwenden, was zu deiner Besserung nöthig ist, und mit welcher Freudigkeit werde ich dir dann meinen Rath mittheilen! Könnte ich um und bei dir seyn, so würde ich dich nicht von meiner Seite lassen. Täglich wollte ich dich erinnern, warnen, leiten und trösten, damit du im Geschäft deiner Besserung nicht ermüdetest. Täglich würde ich dich in tausend Gegenständen der Natur den weisen gütigen Schöpfer sehen lassen, damit deine Seele von dem großen Gedanken an ihn erfüllt, dein Herz edlen Empfindungen geöfnet und deine Einbildungskraft von unreinen Bildern entwöhnt würde. Täglich würde ich zu nützlicher Arbeit dich ermuntern und sie dir durch meine Theilnehmung versüßen. Nie sollte deine Hand, dein Auge, dein Ohr müßig seyn, damit du nicht in dem müßigen Augenblick von deiner Sünde übereilt würdest. Leidende Menschen solltest
du sehen, die unter den Folgen verübter Laster seufzen. Frohe glückliche Menschen solltest du sehen, um den großen Lohn einer reinen unbefleckten Jugend fühlen zu können. An deinem Bette wäre ich dein Schuzengel, damit du nie als ein Verbrecher einschliefest. Frühe würde ich dich deinem verführerischen Lager entreißen, und die reine Luft sollte deine schwachen Nerven stärken. Mit jedem Tage, den du in Unschuld zubrächtest, würde ich mich mit dir freuen. Jetzt, armer Jüngling! bin ich von dir entfernt, und kann dir nicht so thätig nützen als ich es wünsche. Jch kann dir nur rathen. Merke dir doch also folgendes:
1) Hast du einen Vater, einen Lehrer oder Freund, gegen den du Zutrauen hast, und von dem du überzeugt bist, ein reuvolles Geständniß deines Vergehens werde sein Mitleiden erregen und du könnest von ihm Rath und Beistand erwarten: so entdecke dich ihm. Du wirst dich in deinen Entschließungen dadurch gestärkt fühlen. Du wirst in seiner täglichen Theilnehmung eine große Ermunterung finden, dein Aeusserstes zu thun. Sehr viel wird er auch möglich machen können, was zu deiner Besserung nöthig ist. Besonders, wenn diese unglückliche Gewohnheit schon eine Herrschaft über dich erlangt hasthat, hast du Ursache gegen dich selbst mistrauisch zu seyn, und es auf
deine eigenen Kräfte, die immer in einem gewissen Grade geschwächt sind, nicht ankommen zu lassen. Auch wird er dir rathen oder durch erfahrne Aerzte rathen lassen, was du zu thun und zu gebrauchen habest, um die schrecklichen Folgen des verübten Lasters, wo nicht ganz zu hemmen, doch zu mildern. O wie glücklich wollte ich dich schätzen, wenn du einen solchen täglichen Führer und Rathgeber fändest! Mit aller Offenherzigkeit müßtest du dich aber ihm ganz entdecken und ihm nichts verschweigen! Du müßtest ihm sagen, wann und wie du zu dieser Gewohnheit gekommen und wie lange du ihr ergeben gewesen wärest. Mit seiner vereinigten Hülfe würdest du sie gewiß überwinden. Solltest du einen solchen Freund nicht finden, so verdopple dein eigenes Bestreben. Sey selbst dir Freund und Rathgeber und untersuche
2) Welche Handgriffe und Gebehrden dir bei Begehung dieses Lasters vorzüglich geläufig geworden sind, und wende nur so viele Aufmerksamkeit auf dich selbst, daß du diese Handgriffe, Gebehrden, Lage und Stellung nicht wider Wissen annehmest. Präge dir dies nur recht fest ein: diese und jene Gebehrde will ich durchaus nicht annehmen. Uebertritst du ohne Wissen
dein Gesetz, so lege dir selbst allerlei Strafen auf. Verursache dir freiwillig einen Schmerz, damit du nur von der Fertigkeit los kommest, wider dein Bewußtseyn eine gefährliche Stellung anzunehmen. Gewiß war es nicht immer dein Vorsatz: “nun will ich meine schändliche Gewohnheit ausüben,„ sondern durch angewöhnte Gebehrden kamst du unvermerkt darauf. Bringst du es erst so weit, daß du keine Gebehrde annimmst, ohne es dir bewust zu seyn, daß du sie annimmst: so darfst du nicht fürchten, daß deine Sünde dich übereile. Aber oft würde, wenn du darauf nicht Acht hättest, auch die ernsthafteste Vorstellung bei dir zu spät kommen und ohne Würkung seyn. Wenn die Leidenschaft schon erregt und bis auf einen gewissen Grad gestiegen ist, so sind alle Vernunftgründe zu schwach. Gehe daher auf die erste Veranlassung, die meistens sehr zufällig ist, immer zurück, und da fange mit allem Ernst an, sonst wirst du immer nicht fehlen wollen und doch tausendmal fehlen.
3) Höre und ahme nach, was ein Jüngling, der mit dir in ein und eben dasselbe Unglück gerathen war, von der Art und Weise meldet, wie er sich aus demselben empor gearbeitet habe.
„Nach tausend ernsten, aber immer mißlungenen Versuchen zur Entwöhnung von jenem scheußlichen Laster, fand ich endlich fast ganz zufällig, ein Mittel, das allein Kraft hatte, mich zu retten. Nie hatte ich bis dahin — ohnstreitig aus allzugroßer UebekanntschaftUnbekanntschaft mit der Seelenlehre — daran gedacht, daß ich mich ewig nicht von dem unseeligen Laster entwöhnen würde, bevor ich nicht meine ausschweifende Phantasie überhaupt und besonders so fern Wollust ihr Gegenstand ist, gebändiget und dieselbe zu beherrschen angefangen haben würde. Jetzt strebte ich mit aller Kraft dahin, mir diese Herrschaft zu erwerben. Wahrlich, Jüngling! ein großes Unternehmen! Nicht das Werk eines Augenblicks! Aber lohnendes Selbstgefühl, Beifall des Himmels und der Erde, und ein übereicherüberreicher Schatz kostbarer Heilmittel menschlicher Schwachheiten erwarten eurer, wenn keine Schwierigkeit euch abschrecken, kein anfängliches Mislingen euch muthlos machen und kein Anblick der nach halben Jahren oft noch großen Ferne des Ziels euch im Laufe aufhalten können!“
„Die Verfahrungsart, durch welche es mir endlich gelang, meine Phantasie — die mächtigste Widersacherin bei der Entwöhnung von jenem Laster —
zu bestreiten, beruhet auf folgenden ganz einfachen Grundsätzen, denen ich aber mit ängstlicher Sorgfalt treu war und, wie ich bald sahe, treu seyn mußte, wenn ich nicht ganz für die lange Weile arbeiten wollte. Es sind folgende:
A. „Gieb der Leidenschaft, oder, welches in gewisser Hinsicht einerlei ist, der Phantasie keine neue Nahrung, keine Gelegenheit angeregt zu werden. Dazu gehören folgende Unterregeln:
a) „Vermeide, bis du Herr deiner Triebe geworden bist, jede Vertraulichkeit mit Frauenzimmern, besonders jede körperliche Berührung derselben, die auf einen schon zur Wollust verwöhnten Jüngling mit electrischer Kraft zu wirken pflegt.“
b) „Laß dir immer gegenwärtig seyn, daß es Schändung deiner Hände, wenigstens unfehlbare Veranlassung zur Wiederholung der Schandthat sey, mit ihnen ein Glied deines Leibes zu berühren, welches Schaamhaftigkeit und Gesittetheit zu verbergen gebieten; kaum den einzigen Fall ausgenommen, wenn die Natur durchs Drengen des Wassers dich dazu auffordert.“
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c) „Vermeide alles, was die Nerven reizen und schlummernde Begierden wecken kann, also besonders den Genuß geistreicher Getränke, den Anblick nackter Figuren und deines eigenen nackten Körpers, die Lesung nicht blos unzüchtiger, sondern auch solcher Bücher, welche von Liebeleien handeln und die Einbildungskraft mit wollüstigen Bildern, das Herz mit weichlichen Empfindungen erfüllen.“
B. „Hemme die Phantasie augenblicklich, sobald sie, auch ungereizt, sich deiner bemeistern will. Dazu gehören folgende Unterregeln:
a) „Denke auch den an sich unschuldigen Gedanken nicht aus, sobald du nur von fern witterst, daß sein Urenkel ein wollüstiger seyn werde, der schon einmal zu deinem Falle das Seinige mit beitrug.
b) „Noch viel weniger erlaube dir einen Gedanken, der an sich selbst schon Sandbank, oder Klippe, oder Strudel für dich ist. Zu diesen verderblichen und auf alle Weise zu vermeidenden Spielen der Phantasie gehört überhaupt jede Erinnerung an körperliche Schönheiten bei Personen des andern Geschlechts, besonders aber an irgend ein je
empfundenes wollüstiges Behagen in dem schlimmern Sinne des Worts.“
„Um aber Gedanken, die gefährlich für mich zu werden droheten, sogleich in ihrer Geburt zu ersticken, wandte ich folgende Mittel an:
a) ich veränderte alsobald den Ort, und suchte, wenn ich einsam war, Gesellschaft; oder
b) ich wählte eine ernste Beschäftigung, die alle meine Denkkräfte schnell in Thätigkeit setzte. War ich dazu eben nicht aufgelegt, so setzte ich
c) Hände und Füße so in Bewegung, sprang und tobte, in der Nacht so gut wie bei Tage, so rasend umher, daß der Phantasie darüber alle Lust vergehen mußte, ihr Spiel fortzusetzen. Versuche dieser letztern Art, mich meiner Absicht gemäß zu zerstreuen, sind mir auch nicht ein einziges mal mislungen..,
Um jede Gelegenheit, deine schon verwöhnte Phantasie von neuem anzuregen, auf das sorgfältigste zu vermeiden, untersuche
4) Den Ort und die Zeit, da du vorzüglich in diese Sünde zu verfallen pflegtest. Sind die Nerven des Körpers und die Einbildungskraft noch nicht ganz zerrüttet, so schränkt sich dies Laster meistens auf einen bestimmten Ort und eine gewisse Zeit ein. Meide diesen Ort, wenn
du kannst, wenigstens betritt ihn nie, ohne den festen Vorsatz zu haben, du wollest einzig und allein das abwarten, weswegen du da bist. Bist du etwa gewohnt, in der Schule an einem unbemerkbaren Ort zu sitzen: so wähle dir einen andern Platz, wo du leicht bemerkt werden kannst. Wirst du sitzend leicht zur Sünde versucht, so stehe mehr und umgekehrt. Halte immer ein wachsames Auge auf dich selbst. Bist du es dir bewust, auf deinem einsamen Lager dich geschändet zu haben: so steige nie ins Bett, ohne es dem allsehenden Gott und dir selbst feierlich angelobt zu haben, du wollest mit einem unbefleckten Körper und Gewissen einschlafen und aufstehen. Dann kannst du auch erwarten, daß Gott dein Beschützer seyn werde; denn der Gedanke an ihn verscheucht alles Böse. Wie froh wirst du erwachen, wenn du dein Versprechen gehalten hast; wie froh wirst du dein Gelübde erneuern, wiederum einen ganzen Tag ohne Vergehungen zuzubringen! Versäume dies nie. Alle gute und rechtschaffene Menschen fanden es nöthig und nützlich, mit jedem angefangenen und geendigten Tage ihren guten Vorsatz zu erneuren. Jm Bette halte dich schaamhaft gegen dich selbst und gieb Acht auf deine Gebehrden. Du kennest
dich selbst am besten. Mache es dir vorerst unmöglich durch allerlei Hindernisse, die du dir erwählst, diese oder jene gefährliche Lage anzunehmen. Gewöhne dich besonders die Hände nie unter, sondern über der Decke zu haben. Man kann die Arme hieran eben so gut, als das Gesicht, gewöhnen. Geh auch nie zu Bett, ehe du müde und schläfrig bist; und das wirst du zu einer bestimmten Zeit leicht werden, wenn du dich angewöhnest, frühe aufzustehen. Ehe du in diese Gewohnheit kommen kannst, mußt du dich durch andere wecken lassen. Auch wird es dir zum geschwinderen Einschlafen überaus dienlich und auch sonst für dich sehr wohlthätig seyn, wenn du dir vornimmst
5) Eine bestimmte körperliche Arbeit täglich zu verrichten. Sieh, wozu du Gelegenheit hast; etwan im Garten oder Felde anfangs eine viertel, nachher eine halbe, dann eine ganze Stunde, endlich auch mehrere Stunden dich täglich müde zu arbeiten. Auf dem Lande ist tausendfache Gelegenheit dazu; in der Stadt weniger. Doch wirst du auch da im Hause manches finden, und andere werden dir dazu behülflich seyn. Bitte deine Eltern, daß sie dir einiges Geräthe und Anweisung zum Drechseln oder Tischlern verschaffen.
Jch habe einen Knaben von 9 Jahren gesehen, der ganz brauchbare Sachen drechselte. Das Ganze ist nicht schwer und zudem sehr angenehm. Gehe viel; übe dich nach und nach im schnell Laufen, Berge zu besteigen. Schaue allenthalben um dich, und vermeide möglichst alles lange stille Sitzen. Eben so wähle dir
6) eine unterhaltende Geistesbeschäftigung. Strebe mit der Musik bekannt zu werden. Nur sehr wenige Menschen sind von Natur ungeschickt dazu. Sie gewährt auch selbst dann, wann man noch Anfänger ist, der Seele immer ein reines Vergnügen und dient nachher so oft, sich und andere froh zu machen, und manchen Gefahren, in die Langeweile und Mismüthigkeit stürzen können, auszuweichen. Ein berühmter Mann beklagte es öffentlich, daß er, bei seinen übrigens großen Beschäftigungen, mit der Tonkunst unbekannt wäre. Sollte dir hiezu alle Gelegenheit versagt seyn, so zeichne für dich selbst allerlei. Bilde mit der Bleifeder oder mit Rothstein Gegenstände aus der Natur nach. Sie werden dir immer besser gerathen. Oder nimm Kupferstiche, die du für ein weniges haben kannst, und versuche, wie gut du sie nachmachen kannst; oder Landcharten. Jn dem angeführten Beispiele von L* wirst du auch vielleicht
etwas finden, was du nachahmen kannst. Der Nutzen davon für dich ist der, daß deine Seele eine Menge angenehmer Vorstellungen bekömmt, und also weniger nach dem Genuß sinnlicher Empfindungen strebt; auch die bösen Eindrücke, die sie schon hat, nach und nach verliert. So weit du es in der Kunst bringst, dich zu beschäftigen, so weit bringst du es in deiner Besserung. Merke dir dies ja, und fliehe, so viel du kannst, auch in der Absicht
7) Alle Einsamkeit. Sey überhaupt jetzt anfangs niemals allein; auch wenn du den Vorsatz hast, dich allein zu beschäftigen. Traue dir selbst wenig zu, so lange du deine Kräfte nicht würklich fühlst. Bedenke das doppelt schwere Vergehn, wenn du jetzt wieder nur einmal in deine Sünde verfielest. Gesetzt aber auch, du sündigtest nicht in der Einsamkeit, so ist es doch zur Heilung deines Verstandes, zur Berichtigung deiner Einbildungskraft nothwendig, daß du so wenig allein seyst, als möglich. Schmiege dich, wo du kannst, an gute Menschen an. Alles was mit Menschen und menschlicher Glückseeligkeit in Verbindung steht, wird dir dadurch immer wichtiger, und das ist ein Glück für dich. Du lernst manches in der Welt besser schätzen und mancher Trieb zur Thätigkeit wird unvermerkt in dir erwachen.
8) Vermeide im Essen und Trinken alles, was die Nerven reizen und das Blut erhitzen kann. Also keine erkünstelte gewürzreiche Speisen, keine warme und geistreiche Getränke! Deine Kost sey einfach, und nichts, als Mäßigkeit und Arbeitsamkeit sey das Gewürz derselben. Mancher schon geretteter Jüngling fiel in seine vorige Schande und ins Verderben zurück, weil er durch ein Glas Wein, Punsch oder Liqueur Begierden in sich erweckte, die er schon gänzlich in sich besiegt und erstickt zu haben wähnte! Spiegle du dich an dem unglücklichen Beispiele derselben, und vermeide alles, was deiner guten Vorsätze dich vergessen machen und dich in Gefahr brigenbringen kann, sie hintan zu setzen.
9) Gewöhne dich, um dich gegen jeden Rückfall zu sichern, an mancherlei Abhärtungen deines Körpers, damit die zu große Empfindlichkeit desselben immer mehr abnehme. Versuche es daher oft, wie lange du diese oder jene unangenehme Empfindung aushalten kannst. Entwöhne dich, nicht auf einmal, aber nach und nach, von warmen Kleidern, warmen Stuben, warmen Betten, warmen Getränken, so wie von allem, was sinnlichen Gefühlen schmeichelt. Halte dich oft in freier Luft, auch wenn sie kalt und unangenehm ist.
Lerne den Hunger ertragen. Nimm oft mit einem Bissen trockenen Brods vorlieb. Die Uebung in allerlei Ungemächlichkeiten ist ein herrliches Heilmittel für dich. Jn deiner täglichen Kost und körperlichen Pflege befleißige dich der strengsten Mäßigkeit und sorge auf die Art für deine Gesundheit. Wie sehr ist dies deine Pflicht, da du als sicher annehmen kannst, daß sie auch durch die seltenste Wiederholung deines Lasters schon in einem gewissen Grade geschwächt ist, und daß du also der Zerstörer deiner Gesundheit selbst gewesen bist. Durch einfache leichte Speisen, dünne und kühle Getränke und tägliche körperliche Arbeit wirst du ihr wieder Stärke und Festigkeit geben. Solltest du indessen schon so sehr deine Gesundheit geschwächt haben, daß du selbst an dir eine Abnahme deiner Kräfte verspürst, so bleibt freilich die Unterlassung deiner Sünde das erste nothwendige Mittel, das du selbst anwenden kannst und mußt, um von den schrecklichen Folgen des verübten Lasters wenigstens zum Theil befreiet zu werden; auch bleibt die vorgeschriebene Ordnung in Bewegung und Speise und Trank überaus wichtig. Dennoch aber will und muß ich dir zu deinem eigenen Besten rathen:
10) Daß du dich einem erfahrnen Arzte entweder selbst entdeckest oder durch einen Freund entdecken lassest. Säume damit nicht, denn wie leicht kann das Uebel so gefährlich werden, daß kein Arzt dir mehr helfen kann. Laß dich durch Schaamhaftigkeit nicht abhalten. Hier würde sie dir nur schaden, denn du brauchst Hülfe. Gesteh alles offenherzig und reuevoll, so findest du Mitleiden, Hülfe und Verschwiegenheit. Würdest du aber dich niemand entdecken, so würde doch endlich dein Vergehen zu deiner Schande bekannt werden, denn auch ohne dein Geständniß würde es dir der Arzt sagen können, daß du dich mit dem schändlichsten Laster befleckt habest. Was dir zur Abwendung oder Erleichterung deines Elends verordnet wird, gebrauche mit der grösten Pünktlichkeit. Ohne deine ernstliche Mithülfe wird alle Arzenei vergebens seyn. Sey aber auch nicht muthlos, wenn die Arzenei nicht gleich anschlägt. Eine solche Zerrüttung der Gesundheit, eine solche Schwächung des Körper— und Seelenzustandes, als jenes schreckliche Laster zur Folge hat, kann nicht so geschwind gehoben werden. Thue nur das Deinige und erwarte in Geduld so viel Hülfe, als nach Beschaffenheit deines Zustandes möglich ist.
11) Solltest du aber dich in einer Lage befinden, wo es dir schlechterdings unmöglich wäre, dich der Hülfe eines Arztes zu bedienen: dann — aber auch nur für diesen Nothfall — rathe ich dir, eine Zeitlang feine Chinarinde, alle zwei Stunden einen guten Theelöffel voll zu nehmen, täglich und zwar zu einer Zeit, da der Magen leer ist, dich in freien Wasser und zwar so zu baden, daß du nicht länger als einige Minuten im Wasser bleibest, dir viel Körperbewegung in freier Luft machen, dein Gemüth, so viel dir immer möglich ist, durch Vertrauen auf Gott und durch Hoffnung aufzuheitern, und daneben zur Stärkung der am meisten geschwächten und verletzten Schaamtheile folgendes von einem Arzte empfohlene Mittel zu brauchen: wasche die geheimen Theile Morgens und Abends, durch Hülfe eines Schwamms, entweder nur mit kaltem Wasser, oder mit einem, die Stärkung noch mehr befördernden künstlichen Wasser, welches auf folgende Weise verfertiget wird. Man kauft auf der Apotheke 1 Loth Bleiextract und 2 Loth guten Kampferspiritus, gießt beides in eine Quartbouteille voll reinen Regenwassers, und schüttelt dasselbe wohl um. Dann gießt man von diesem kampforirten Bleiwasser, welches man in
einem Keller mehrere Monate lang aufbewahren kann, einen Eßlöffel voll in eine Bouteille voll ordinairen kalten Wassers, schüttelt es wohl um, und braucht es nachher, wie gesagt, zum zweimaligen täglichen Waschen der Schaamtheile, von dem Mastdarm an, durch Hülfe eines Schwamms. — Dieses Mittel soll zugleich, nach der Versicherung des Arztes, die gute Wirkung haben, daß die gar zu große Reizbarkeit jener Theile dadurch vermindert wird. Befleißige dich dabei
12) Der größten Reinlichkeit. Kleidung und Wäsche sey immer sauber. Unendlich viel trägt dies zur Gesundheit und Stärke des Körpers bei. Die tägliche Sorge dafür wird auch selbst deiner Seele eine immer größere Liebe zur Ordnung und Reinigkeit in jeglichem Sinne einflößen. Alle Unfläterei wird ihr durch den täglichen Anblick reinlicher Gegenstände immer verhaßter. Hingegen mit der Vernachläßigung der körperlichen Reinigkeit wird auch die Unschuld der Seele leicht vernachläßigt. Sey nie ungewaschen und ungekämmt. Jn deinem ganzen Anzuge herrsche Reinlichkeit und Ordnung. Auch hierzu, wie zur Stärkung deines geschwächten Körpers,
kann man dir das tägliche Bad nicht genug empfehlen.
13) Endlich will ich dir, um dich zu steter Aufmerksamkeit auf dich selbst zu gewöhnen, den Rath geben, daß du dir ein Tagebuch haltest. Schreibe darin alle Abend deine vollbrachten Taggeschäfte. Zeichne auch darin an, was du gutes gelernt und nützliches erfahren hast. Auch deine Fehler merke an; wo du etwa von deiner vorgesetzten Ordnung abwichest, oder sonst leichtsinnig handeltest. Nicht nur der Gedanke, daß du dir selbst am Abend Rechenschaft geben mußt, wird dir den Tag über Muth und Lust zur nützlichen Thätigkeit einflößen, damit du eine frohe Stunde bei deinem Tagebuche zubringen könnest; sondern du wirst auch nachher übersehen können, wie weit du in deiner Besserung fortgerückt bist. Manches wird denn zu deiner Belehrung, manches zu deiner großen Beruhigung und Freude seyn.
Hier hast du nun meine wohlgemeinten Erinnerungen, und ich wünsche und hoffe, daß sie auch deine täglichen Erinnerungen seyn werden. Wohl dir, wenn du sie treu befolgest! Aber denke dir auch jenes schreckliche Elend, von dem ich dir nur einen Theil geschildert habe, worin du unvermeidlich gerathen mußt, wenn du deine
sündliche Gewohnheit fortsetzest. Gott, der alle unsere guten Entschließungen mit Wohlgefallen sieht, und mit seinem Beistande gern uns zu Hülfe kommt, wenn wir nur selbst von unsern eigenen Kräften einen redlichen Gebrauch machen wollen, der seegne dein Bemühen, einst noch, so viel möglich ist, ein gesunder, nützlicher und froher Mann zu werden.
Hiernächst, meine jungen Freunde, ist das, was euch in eurem jetzigen frühen Alter vor dem Laster der Selbstschwächung schützt, auch das, was euch zu allen Zeiten vor jedem Laster der Unkeuschheit schützen wird. Jn euren künftigen Jahren werdet ihr noch manche Gelegenheit, ja selbst absichtliche Verführungen von andern zur Unkeuschheit zu vermeiden haben; aber wie leicht wird euch dies werden, wenn ihr jetzt schon im Stande seyd, euch zu beherrschen, wenn ihr mit den Gefahren dieses Lasters, mit den Abhaltungsgründen davon bekannt seyd, euch auch schon so gute Fertigkeiten in vielen nützlichen Dingen erworben habt. Verheelen kann ich es euch nicht, daß ihr einst, in der großen Welt, wie man sagt, viele finden werdet, die mit der unverschämtesten Frechheit Laster der Unzucht ausüben,
Personen des andern Geschlechts verführen, und darüber lachen und scherzen und sich so wenig daraus machen, als wenn sie mit ihren Füßen den Staub betreten. Jhr werdet es oft hören, daß sie diese unverschämte lasterhafte Lebensart Galanterie oder Liebeshändel nennen. Liebe, meine jungen Freunde, die sich in den erwachsenen Jahren gegen das andere Geschlecht äußert, ist eine erlaubte Zuneigung, die sich auf den Wunsch einschränkt, mit einer Person, die uns wegen mancher guten Eigenschaften vorzüglich gefällt, in eine eheliche Verbindung zu treten; also eine solche Person und uns zugleich in ihrem Besitz glücklich zu machen. Liebe hat immer den Zweck, andere glücklich zu machen. Jene unmäßige Leidenschaft hat nichts anders zum Zweck, als erhitzte Begierden zu befriedigen, oft mit dem sichtbarsten Unglück für sich selbst und andere. Sie, die so viele Jünglinge ins Grab wirft, so manches Mädchen mit Schande bedeckt, verdient nicht den Namen derjenigen Empfindung, die für zwei unschuldige Personen, eine Quelle der Freude und Glückseeligkeit wird, indem sie sie auf diejenige Vereinigung leitet, die allein die Absicht Gottes erfüllt. Wohl dem Jünglinge,
der seine Unschuld bewahrt! Nur er darf hoffen, daß dereinst reine Liebe ihn glücklich machen werde.
Jhr werdet aber nächstdem auch Menschen in der Welt finden, die sich eben nicht ihrer begangenen Laster rühmen, aber doch heimlich und unbemerkt Unzucht ausüben, wozu sie oft Personen des andern Geschlechts sehr bereitwillig finden. Verheelen kann ich euch das nicht, daß es in der Welt so tiefgesunkene elende Weibspersonen giebt, die durch Winke, Zuredungen und verführende Liebkosungen Jünglinge verleiten, sich mit ihnen in unzüchtige Vertraulichkeit einzulassen. Nicht bloßer Wollusttrieb treibt sie zu diesen Verführungen an, sondern sie haben auch die Absicht, von jedem Jüngling, der sich mit ihnen abgiebt, Geld und andere Sachen zu gewinnen oder zu entwenden, wodurch sie sich Unterhalt verschaffen können. Und weil sie dazu von unerfahrnen jungen Menschen oft Gelegenheit haben, so setzen sie diese schändliche Lebensart fort und ihre Lasterhaftigkeit giebt ihnen eine Art von täglichem Verdienst. Jn großen Städten, meine Lieben, giebt es leider viele solche Personen, die manchen unschuldigen Jüngling des Abends zu sich hereinlocken. Und wehe dem, der in ihre Wohnungen, die man Hurenhäuser oder öffentliche Unzuchtshäuser
nennt, einkehrt. Er wird seines Geldes, seiner Gesundheit, ja endlich seines Lebens durch ein verzehrendes Gift beraubt, daß diese Personen als eine natürliche Folge ihrer Ausschweifungen in ihrem Körper tragen, und das sich auf jeden fortpflanzt, der unzüchtigen Umgang mit ihnen hat. Aerzte nennen dieses Gift das venerische Uebel, das alle Theile des Körpers anfrißt, und die Säfte desselben durch und durch verdirbt, auch äußerlich durch ekelhafte Geschwüre, sogar im Gesichte selbst, sich verräth.
Wollt ihr den Greuel der Verwüstung sehen, den dieses schreckliche Gift, das Kind der Unzucht, in dem geschändeten Körper der Unzüchtigen anrichtet: so besucht, wenn ihr Gelegenheit dazu habt, diejenigen Krankenhäuser in großen Städten, in welchen dergleichen elende Menschen die Folgen ihres schändlichen Lebens unter dem Messer der Wundärzte bejammern müssen. Aber da nicht jeder von euch dies selbst zu sehen Gelegenheit haben wird: so will ich euch die kurze, eben so wahre als schauderhafte Beschreibung mittheilen, die ein würdiger Geistlicher, Herr Ulrich, Prediger an der Charite’ in Berlin, vor einigen Jahren davon bekannt gemacht hat.
„Jch kann es Jhnen, schreibt dieser würdige
Mann an einen Freund, Jn den pädagogischen Unterhandlungen. S. Zweites Jahr, erstes Quartal S. 409. nicht läugnen, daß ich bei meinen ersten Besuchen der Krankenzimmer heftig gerührt wurde, und mir viele Tränen aus den Augen rannen. Dies wird wol einem jeden begegnen, der menschliches Gefühl hat, wenn er in ein solches Zimmer tritt, wo er eine zwiefache Reihe unglücklicher, blasser, mit den schmerzhaftesten Krankheiten kämpfender und mit dem Tode ringender Menschen erblickt; wenn hier dem einen der innerliche Schmerz die Brust hoch in die Höhe treibt, dort ein anderer die fürchterlichsten Zuckungen bekömmt; wenn hier ein entseelter Leichnam in die Todtenkammer oder nach dem Anatomiehause getragen wird, und dort ein bis auf sein Knochengerippe abgezehrter Kranke, zum Erbarmen der Anwesenden, stöhnt und seinen Tod mit jedem Seufzer, den der Schmerz ihm auspreßt, herbeiruft.“
„Jn zehn Zimmern sind die sogenannten venerischen Kranken vertheilt, die durch vertraulichen Umgang mit hurischen Personen, durch Unkeuschheit und Wollust ihren Körper dergestalt verderbten, daß ihnen ganze Theile des Leibes abfaulen oder abgeschnitten werden müssen. Als ich meine
Predigerstelle in der Charite’ antrat, büßten einige sechzig Wollüstlinge die Schuld ihrer bösen Lust, fast eben so viel Jünglinge und Männer, als Mädchen und Weiber.“
„Jch ging zuerst zu dem Frauenzimmer. Scheußlich und grauenvoll war hier der Anblick. Junge Mädchen, auf deren Gesichte nur noch unkenntliche Spuren ehemaliger Munterkeit durchschimmerten, aufgeschwollene Gesichter von unnatürlicher Röthe, aus welchen die erstorbenen Augen einen matten Schein von sich warfen, bleiche Lippen, welke herabhängende Brüste mit Warzen und Ausschlag bewachsen, Eiter im Munde und ein — den ganzen Körper des gesunden Besuchers mit kaltem Schauder und Entsetzen erfüllender Geruch, eine unverständliche häßliche Sprache und ein Schnarren, das die Nerven durchdringt — das alles strömte mir auf einmal entgegen.“
„Jch ging in ein ander Zimmer, und hier boten sich mir noch schreckenvollere Auftritte dar. Jch fand nicht bloß ehelose Mädchen und Witwen, sondern auch Ehefrauen, die ihren Männern ungetreu geworden waren. Eben waren einige am Halse und an andern Theilen des Leibes geschnitten. Neben ihren Betten lagen die Messer, die man zu ihrer Rettung gebraucht hatte.“
„Mancher Anblick war dergestalt schreckhaft, daß sich alles in mir empörte, und daß ich beinahe ohnmächtig davon ward. So lag z. B. in der Ecke des Zimmers eine Frau, der die venerische Krankheit das ganze Gesicht zerfressen hatte. Keine Augen, keine Nase mehr — von der Stirn bis ans Kinn Eine Oefnung, gleich einem Abgrunde, dessen Tiefe man nicht ergründen kann.Jch habe dieses unglückliche Scheusal von Menschen noch einige Jahre nachher in der Charite’ gesehn, weil die Geschicklichkeit der Aerzte ihr elendes Leben so lange hinzuhalten gewußt hatte. Der Anblick ist so scheußlich, daß ich Leuten von empfindlichen Nerven nicht rathen mögte, denselben zu versuchen. Da ich sie sahe, waren auch Backen und Zunge bis tief in den Schlund weggefressen Die Wärterin riß ihr die Decke vom Gesicht, die sie sich aus Schaam über dasselbe gezogen hatte. Sie schrie und die Stube erschallte von dem dumpfen Tone wieder. Jch bat nur, sie in die Decke wieder einzuhüllen. Eine gräßliche Vorstellung, die ich lange mit mir herum trug! Dieses zerfleischte Opfer der schnöden Wollust hält sich schon eilf Jahr in diesem fürchterlichen Kerker auf, isset und trinkt und ihr unglückliches Leben dauert fort. Sie war ehemals die Frau eines ehrbaren Bürgers in Spandau, dem sie ihr Herz entzog und hierauf, sowol zu ihrem eigenen
unheilbaren Schaden, als auch zum Unglücke mancher unkeuschen Jünglinge und Männer, ihren Körper Preis gab.“
„Neben ihr lag eine vom venerischen Gifte inficierte Wöchnerin, die vor einigen Tagen entbunden war. Das Kind hauchte Tod und Verwesung, und doch lächelte es, wenn seine grausame Mutter es anblickte. Diese Scene war äußerst rührend. Die Mutter kämpfte mit den gewaltsamsten Schmerzen (man hatte bei der schweren Geburt Jnstrumente brauchen müssen) und schwamm in Tränen, so oft sie ihr Kind ansah. Verzweifelungsvoll rang sie die Hände empor. Jn ihren Augen war die sichtbarste Mischung von Wildheit, von nagendem Kummer und von Wuth. Gott, Gott, was hab ich gethan! rief sie einmal über das andere aus. Armes Kind — an deinem Tode bin ich Schuld!“
„Jn die sogenannte Schwitzstube zu gehn, worin durch Mercur und Salviren das venerische Gift aus den Körpern, bei asigtem Auswurf und Ausdunst getrieben wird, hielt ich nicht für rathsam.“
„Gleich niederschlagend für Gefühl und Empfindung sind die Behältnisse der unkeuschen unglücklichen Jünglinge und Männer. Beulen und Geschwüre folgen der Unkeuschheit als Begleiter
nach, auf sie kann der Unzüchtige, als auf ganz unausbleibliche Gefährten sicher rechnen.“
„Jch fand hier zwölf Jünglinge in der Blüthe ihres Alters, zwischen 17 und 20 Jahren. Einige hatten das venerische Uebel im höchsten unheilbaren, andere im geringern Grade.“
„Um einen dieser Jünglinge that es mir besonders leid. Er war nicht nur wohlgebildet, sondern seine Miene verkündigte auch noch einen grossen Theil von Herzensgüte. Jch hörte von ihm, daß eine unkeusche schändliche Magd der Herrschaft, die mit seinen Eltern in einem Hause wohnte, ihn an sich gezogen und mit ihrem Gifte angesteckt habe. Er bereuete mit vielen Tränen, daß er den abscheulichen Reizungen dieser Dirne nicht besser widerstanden hätte; und sein Versprechen, sich vor solchen unkeuschen Dirnen und Weibern künftig hüten und die Laster meiden zu wollen, denen eine so schreckliche Strafe auf dem Fuße nachfolgt, schien ganz von Herzen zu kommen.“
„Er hatte am Halse einige Beulen, die ihm aufgeschnitten und beinahe schon zugeheilt waren; aber die bleibenden Narben werden ihm Lebenslang Vorwürfe machen und niederschlagend für ihn seyn. Das Gefühl für Ordnung und Ehre schien noch stark in seinem Herzen zu wirken. Er
schämte sich besonders sehr, seinen Eltern wieder unter die Augen zu kommen.“
„Ein anderer unkeuscher Jüngling kam mir mit verstümmelter Nase entgegen. Das fressende Gift der Unzucht konnte durch kein Gegengift ganz geschwächt werden. Ein großer Theil der Nase war zerfleischt, und im Gesichte kettete sich Ein kleines Geschwür an das andere.“
„Einem andern Jünglinge, noch nicht zwanzig Jahr alt, der sich mit einer schändlichen Straßenhure abgegeben hatte, war vor einigen Tagen das Glied abgenommen, womit er gesündigt und das Gift aufgenommen hatte. Man zweifelte, ob er jemals wieder genesen würde.“
„Ein Bedienter hatte sich in den verabscheuungswürdigen Häusern hurischer Personen einen venerischen Ausschlag im Halse zugezogen und dadurch sich fast ganz um das Vermögen zu reden gebracht. Ohne große Aufmerksamkeit verstand man fast kein Wort. Er war sehr niedergeschlagen, besonders auch deswegen, weil er zweifelte, daß ihn seine ehemalige gute Herrschaft wieder in Dienst nehmen und seine Bekannte ihn unter sich wieder leiden würden.“
„Noch schreckenvoller war die Geschichte eines Vaters, welcher auch venerisch krank war. Er
hatte in der Stadt eine Frau mit sechs Kindern, und büßte hier die Wollustsünden seiner frühesten Jugend, indem ihm an den Schaamtheilen Geschwüre wieder aufbrachen, die damals nicht gehörig geheilt waren. Er hatte sich unterdessen durch Quacksalbereien zu helfen gesucht.“
„Was wird doch, liebster Freund, aus der nächsten Generation werden, wenn das Uebel so fortgeht und wenn dem reissenden Strome der unbändigen Laster, besonders der Unkeuschheit, nicht bald ein fester Damm sorgfältig vorgebaut wird? So pflanzt sich ja aus dem sündlichen verderbten Blute und Saamen der Eltern Sünde und Krankheit fort auf Kindeskind!“
„Jch habe ihnen nur von einigen wegen Unkeuschheit gestraften Menschen etwas gemeldet, die zu Einer Zeit hier waren. Sie werden sich daraus vorstellen können, was für ein Buch aus den Beschreibungen der Elenden werden könnte, die von Zeit zu Zeit, von Jahr zu Jahr hierher gebracht werden, um hier kuriert zu werden, oder hier das Ende ihres unseeligen Lebens zu finden. Jch glaube aber genug — und für Jhr Gefühl schon zu viel — gesagt zu haben, um Jhre Aufmerksamkeit von neuem auf den Verfall unserer Sitten, besonders auf die Verwüstungen zu erregen,
welche die Unkeuschheit anrichtet. Machen Sie dies zur Warnung unserer Jünglinge und Jungfrauen doch weiter bekannt; rathen Sie doch auch dazu, daß die Eltern ihren Kindern lieber die scheußlichsten Exempel der bestraften Unkeuschheit und Wollust zeigen, als ihnen die wollüstigen Romane und Gedichte unserer Zeit zum Lesen in die Hände kommen lassen, die nicht so menschenfreundlich und rechtschaffen warnen, als der liebenswürdige Gellert, wenn er sagt:
Die Wollust kürzet unsre Tage,
Sie raubt dem Körper seine Kraft,
Und Armuth, Seuchen, Schmerz und Plage
Sind Früchte dieser Leidenschaft.
Der haßt sich selber, der sie übt,
Und sich in ihre Fesseln giebt.“
Jch würde euch diese Scheusale der Menschheit nicht beschrieben haben, wenn ich nicht befürchtet hätte, es mögte sonst Niemand euch darüber belehren, und also eure Unwissenheit euch zu Verirrungen leiten. Jetzt, da ich sie euch beschrieben habe, können sie euch zugleich ein Beweis seyn, wie Unkeuschheit Menschen schändet, und wie sorgfältig man sich vor dem ersten Schritte hüten müsse,um nicht endlich in den Abgrund alles Elends zu
fallen; denn hier folgt ein Schritt dem andern schnell nach. Was kann euch denn auch nun vor dieser Gefahr schützen? Nichts, als eure früh erlangte ernste Denkart über diese Dinge; eure Hochachtung gegen die weisen Endzwecke Gottes, mit welcher Scheu und Abneigung gegen alles, was diesen zuwider ist, natürlich verbunden ist; eure öftere Erwägung alles des Unglücks, das aus der unerlaubten Befriedigung des Geschlechtstriebes entsteht, eure lebhafte Vorstellung der künftigen frohen Tage, die auf euch warten, wenn ihr eure Unschuld bewahret; und endlich der Umgang mit edeln gutgesinnten Menschen, die euch zu nützlichen Beschäftigungen Gelegenheit geben. Dies schützet euch jetzt vor jeder Verführung eurer selbst. Dies wird euch auch einst schützen vor jeder Verführung der Welt.
O, mögtet ihr alle, meine jungen Freunde, so glücklich werden, als ihr es nach dem Willen eures gütigen Schöpfers werden sollt! Mögtet ihr jetzt und ferner nach allen euren Kräften daran arbeiten! Mögte meine herzliche Belehrung euch dazu geschickter und williger gemacht haben!
Der Wollust Reiz zu widerstreben
Dies, Jugend, liebst du Glück und Leben,
Laß täglich deine Weisheit seyn.
Entflieh der schmeichelnden Begierde;
Sie raubet dir des Herzens Zierde,
Und ihre Freuden werden Pein.
Laß, ihr die Nahrung zu verwehren,
Nie Speis und Trank dein Herz beschweren,
Und sey ein Freund der Nüchternheit.
Versage dir, dich zu besiegen,
Auch öfters ein erlaubt Vergnügen,
Und steure deiner Sinnlichkeit.
Laß nicht dein Auge dir gebieten,
Und sey, die Wollust zu verhüten,
Stets schaamhaft gegen deinen Leib.
Flieh vor des Witzlings freien Scherzen,
Und such’ im Umgang edler Herzen
Dir Beispiel, Witz und Zeitvertreib.
Der Mensch, zu Fleiß und Arbeit träge,
Fällt auf des Müßigganges Wege
Leicht in das Netz des Bösewichts.
Der Unschuld Schutzwehr sind Geschäfte.
Entzieh der Wollust ihre Kräfte
Jm Schweisse deines Angesichts.
Erwacht ihr Trieb, dich zu bekämpfen,
So wach auch du, ihn früh zu dämpfen,
Eh er die Freiheit dir verwehrt.
Jhn bald in der Geburt ersticken,
Jst leicht; schwer ists ihn unterdrücken,
Wenn ihn dein Herz zuvor genährt.
Oft kleiden sich des Lasters Triebe
Jn die Gestalt erlaubter Liebe,
Und du erblickst nicht die Gefahr.
Ein langer Umgang macht dich freier;
Und oft wird ein verbotnes Feuer
Aus dem, was Anfangs Freundschaft war.
Begierden sind es, die uns schänden,
Und ohne, daß wir sie vollenden,
Verletzen wir schon unsre Pflicht.
Wenn du vor ihnen nicht erröthest,
Nicht durch den Geist die Lüste tödtest:
So rühme dich der Keuschheit nicht.
Erfülle dich, scheinst du zu wanken,
Stets mit dem mächtigen Gedanken:
Die Unschuld ist der Seele Glück.
Einmal verscherzt und aufgegeben,
Verläßt sie mich im ganzen Leben,
Und keine Reu bringt sie zurück.
Denk oft bei dir: der Wollust Bande
Sind nicht nur dem Gewissen Schande,
Sie sind auch vor der Welt ein Spott.
Und könnt ich auch in Finsternissen
Den Greul der Wollust ihr verschließen:
So sieht und findet mich doch Gott.
Die Wollust kürzt des Lebens Tage.
Und Seuchen werden ihre Plage,
Da Keuschheit Heil und Leben erbt.
Jch will mir dies ihr Glück erwerben.
Den wird Gott wiederum verderben,
Der seinen Tempel hier verdirbt.
Wie blühte nicht des Jünglings Jugend!
Doch er vergaß den Weg der Tugend,
Und seine Kräfte sind verzehrt.
Verwesung schändet sein Gesichte
Und predigt schrecklich die Geschichte
Der Lüste, die den Leib verheert.
So rächt die Wollust an den Frechen
Früh oder später die Verbrechen
Und züchtigt dich mit harter Hand.
Jhr Gift wird dein Gewissen quälen;
Sie raubet dir das Licht der Seelen,
Und lohnet dir mit Unverstand!
Sie raubt dem Herzen Muth und Stärke,
Raubt ihm den Eifer edler Werke,
Den Adel, welchen Gott ihm gab;
Und unter deiner Lüste Bürde
Sinkst du von eines Menschen Würde
Zur Niedrigkeit des Thiers hinab.
Drum fliehe vor der Wollust Pfade,
Und wach, und rufe Gott um Gnade,
Um Weisheit in Versuchung an.
Erzittre vor dem ersten Schritte;
Mit ihm sind schon die andern Tritte
Zu jedem neuen Fall gethan.