Wien, 13. October. Der auf der Universität in Verwahrung befindliche Exministerpräsident, Baron Recsey hat im Studentenausschusse folgende Erklärungen abgegeben:
1) Am 3. October wurde ich in den Ministerrath in die Staatskanzelei berufen, wo sie, außer dem Finanzminister Krauß, versammelt waren, nachdem ich zwei Tage früher die Stelle des Esterhazy zurückgewiesen hatte, weil es der Bathyany nicht contrasigniren wollte, so wie auch die Stelle des Kriegsministers. Als ich am 3. October eingeladen wurde in der Staatskanzelei in dem Ministerrathe zu erscheinen, wurde mir bekannt gemacht, daß Sr. Majestät mich zum Ministerpräsidenten von Ungarn ernenne wozu Se. Majestät berechtigt sind bis der Baron Vay beauftragt ist, ein Ministeristerium zusammenzusetzen, damit die Geschäfte nicht in Stockung gerathen. Ich erklärte in dem Augenblicke, daß ich mich auf keinen Fall für länger zu diesem Geschäfte werde verwenden lassen. Gleich wie ich das Unangenehme dieses Manifestes erfuhr, habe ich um meine Enthebung gebeten. Ich mußte aber unterschreiben, weil ich die Stelle angenommen hatte. Ich erklärte, daß ich mit der Unterschrift meine Exilirung aus meinem Vaterlande unterschreibe. Indessen wenn man so lange Militär ist, ist man das Gehorchen gewöhnt. Nach der Contrasignirung des Manifestes schickte ich einen eigenen Boten zu Sr. Majestät, um meine Demission einzureichen. Ich erhielt die gnädige Antwort, von meinem Posten enthoben zu sein, aber noch so lange die Geschäfte fortzuführen, bis der Baron Vay zurückgekehrt sei. Ich wiederhole, von Jugend auf an Subordination gewohnt, glaubte ich Sr. Majestät dieses nicht verweigern zu dürfen. Sobald ich aber die mißbilligenden Aeußerungen über das Manifest vernahm, habe ich nicht nur sogleich um meine Demission gebeten, sondern auch gebeten, Sr. Majestät geruht, das Manifest zu widerrufen. ‒ Uebrigens erkläre ich, daß ich mit keiner Partei vom Hofe einverstanden bin. Ich bin in keiner Verbindung mit dem Erzherzog Franz Carl, und der Erzherzogin Sophie gewesen und ihnen nicht vorgestellt worden bei dieser Gelegenheit.
Ich bin mit dem Staatsrathe nicht in Berührung gekommen.
Ich habe das Concept, worin ich um die Zurücknahme des Manifestes bat, dem Parlament in Pesth zugesandt.
Ich habe zufällig erfahren, daß Jellachich in der Nähe von Wien sei, habe ihn also bloß aus Neigung besucht, weil ich ihn schon seit dem Jahre 1827 sehr gut kenne. Ich war nur 10 Minuten bei ihm, in dem Hause der Ritter.
Recsey m: p.
2) Ich erkläre hiermit frei und ungezwungen, bloß dem einzigen Schreiber dieses gegenüber, daß ich am 6. October 1848 von 10 1/2 Uhr bis 12 Uhr Vormistag in dem Kriegsgebäude bei dem versammelten vollzähligen Ministerrathe war.
Bald nach meiner Ankunft kam eine Deputation, Baron Pillersdorf an der Spitze. Während diese Deputation auf die Ankunft der andern Deputation, die sich zum Baron Wessenberg begeben hatte, weil sie ihn in seiner Wohnung glaubte, wartend, sich in ein Nebenzimmer verfügte, gab mir Latour zwei Briefe von Jellachich, der eine war Privatbrief und gab Nachricht von dem Gefecht bei Valenca. Jellachich schrieb, daß die Ungarn sich nach Marton Basar zurückgezogen, daß er eine Linksschwenkung gemacht habe, bis nach Raab gezogen sei und dasselbe besetzt habe, mit dem Gros zwischen Wieselburg und Altenburg gezogen sei, um der Residenz näher zu sein, um leichter Hilfe zu bekommen.
Der andere Brief war Dienstbrief.
Er begehrte darin vorzüglich Kavallerie soviel als möglich und wenn es sein kann auch Linieninfanterie, weil er einige Tausend Mann von denen, die in der Hausmontour sind, nach Croatien sende, er spreche also auch die Garde an, diese über Wien auf der Gloknitzer Eisenbahn weiter zu befördern.
Ich blieb in Wien den 6., 7. und 8. d. M. bis um 5 Uhr Nachmittag. Um 1 1/2 Uhr erhielt ich durch die Hand des Grafen Menzdorf meine Enthebung bis der Graf Vay zurückgekehrt, und mündlich den Auftrag im Hoflager nach Krems am 9. einzutreffen, um die Befehle Sr. Majestät zu contrasigniren. Ich traf daselbst am 9., 2 Stunden über Krems um 3 Uhr ein. Seine Majestät reiste nämlich mit Bedeckung von 6000 Mann in der Mitte der Truppen. Ich speiste um 3/4 4 Uhr an der kaiserlichen Tafel, wo auch Minister Hornbostel war. Seine Majestät war erfreut, daß ich eingetroffen und die Einladung zur Tafel geschah durch den Fürsten Lobkowitz. Nach Tische äußerte der Erzherzog Franz Carl zu mir, er wünsche, daß Minister Bach im Amte bleibe, er sei ein braver Mensch. Ich zweifle, daß er es annehmen werde, weil er keine Popularität besitze. Um 7 Uhr hatte ich Audienz beim Erzherzog Franz Carl, gerade nach der Audienz des Hrn. Minister Hornbostel daselbst. Er dankte mir fürs Eintreffen, wünschte daß ich bleibe; auf meine Erklärung, den Beamten präveniren zu müssen, entließ er mich mit dem Auftrage, sicher in Olmütz einzutreffen. Ich verließ am 10. dieses um 3/4 auf 6 Uhr Morgens das Hoflager, und langte um 4 Uhr Nachmittags in Wien an. Ohne allen Auftrag verfügte ich mich um 4 1/2 Uhr ins Lager zu Auersperg. Ich traf sie bei Tische, setzte mich nicht einmal, und blieb kaum 10 Minuten. Auersperg sagte mir: Du kannst den Jellachich grüßen. Der Fürst Jablonski, der im Bahnhof der Glognitzer Bahn commandirt, wird dir sagen, wo er ist. Ich fuhr in einem Fiaker ab. Jablonski sagte mir, Jellachich wäre in der Nähe (ich, Unterzeichneter weiß den Ort nicht) beim Herrn von Ritter. Ich begrüßte ihn daselbst in Gegenwart des Herrn von Ritter, seiner Frau und einer alten Frau. Die Frauen baten mich, nach Wien nicht zurück zu kehren. Auf Einladung genoß ich einige Bissen und ein Glas Wein. Ich sprach mit Jellachich kein Wort von Politik, kein Wort von Krieg. Jellachich nahm auch ein Glas Wein und sagte: Auf die Gesundheit meines Freundes v. Recken, und wir tranken. Nach einem Aufenthalt von höchstens 1/4 Stunde begleitete mich General Major Zeisberg wieder zum Fiaker. Er wollte mir Einen zur Sicherung mitgeben. Ich lehnte es ab, und langte schon um 6 Uhr wieder in der Stadt an, höchstens um 6 1/4 Uhr. Das Uebrige ist bekannt. Ich versichere noch einmal bei meiner Ehre und Seligkeit, daß ich weder im mündlichen noch schriftlichen Auftrage gehandelt habe, als ich mich zu Auersperg und Jellachich verfügte; was auch die kurze Zeit bestätigt, und selbst im Hoflager wußten sie nichts von dem Aufenthaltsorte Jellachichs, wenigstens bis 10 Uhr Abends, denn so lange war ich beim Fürsten Lobkowitz.
Wien, den 11. October 1848.
Reesy.
Wien. (Sitzung des constituirenden Reichstags vom 13. October.)
Die Sitzung wird um 11 Uhr Vormittags eröffnet.
Pillersdorff verlangt in einer dringenden Angelegenheit das Wort. Er liest aus dem „Constitutionellen Blatte in Böhmen die Aufforderung von 20 czechischen Deputirten, Palatzki und Rieger an der Spitze, sich am 20. Oktober in Brünn einzufinden, um über einen Reichstag sich zu besprechen. Er bringt im Namen vieler Deputirten einen energischen Protest ein, stellt die Ungesetzlichkeit dieses Schrittes dar und macht die Urheber für alle Folgen verantwortlich.
Lebhafte Acclamation. Der Protest wird einstimmig und durch Acclamation angenommen.
Sehr merkwürdig ist dieses Thun der czechischen Deputirten, wenn man ihre Aussage am 6. Oktober: wir wollen bleiben bis auf den letzten Mann, entgegenhält. Und vom 6. Oktober bis zur obigen Aufforderung sind nur sehr wenige Tage!!
Oeffnet das von seinen Deputirten geblendete Prag denn nicht die Augen? Hat die „Slovanska Lipa“ vergessen, daß sie ein Mißtrauensvotum an die czechische Rechte einbringen wollte? Ist das Demokratie, wenn man absolute Manifeste billigt, indem man das Volk, das sich dagegen erhebt und sein Leben opfert, frohlockend seinen Mördern überläßt?
Erinnern sich die czechischen Deputirten nicht, daß sie sagten. „wenn Jellachich Beweise liefern wird, daß er gegen die Freiheit ist, dann werden wir ihn zerschmettern! Das haben sie gesagt; jetzt will Jellachich Wien und mit demselben die Freiheit vernichten, er desavouirt den souveränen Reichstag, der auf die legalste Weise seine Beschlüsse faßt; und die czechischen Deputirten lassen Jellachich walten, und das Wien, das sie mit so über Munde gelobt, in Stich?.
Armes geblendetes Prag und Böhmen, bist du nicht stark genug, um ein Lügengewebe zu zerreißen und auf den Grund zu sehen?
Die Freiheit, die Demokratie hofft auf Böhmen, möge es sich seiner selbst würdig ermannen, und die Hoffnung erfüllen!
Cavalkabo und Gleispach verlesen gestrige Protokolle, welche nach einigen Verbesserungen angenommen werden.
Die Wahl der beiden Vicepräsidenten erfolgt. Das Skrutinium für den ersten Vicepräsidenten ergibt bei 203 Stimmen, 108 für Brestel. Dieser ist also zum ersten Vicepräsidenten ernannt Nebstdem haben erhalten: Pillersdorf 57, Schuselka 22, Lusser 10. Die Wahl für den zweiten Vicepräsidenten ergibt keine Majorität, sie wird daher auf Abend verschoben.
Schuselka erstattet Bericht vom Ausschusse. Böswillige Gerüchte in den Provinzialblättern, es herrsche hier nämlich Mord, Brand, veranlassen den Ausschuß offen entgegen zu treten. Es ist hier sehr leicht gelungen, Ordnung und Sicherheit zu erhalten, weil das treffliche Volk von Wien sein eigener Wächter ist. Man wagt das bewaffnete Proletarial zu verdächtigen, und doch herrscht jetzt faktisch mehr Sicherheit, als in den größten Städten in den ruhigsten Zeiten. Es ist ein edles Volk das Wiener, es verdient die Waffen für die Freiheit zu tragen. Es werden alle öffentlichen Institute unter dessen Schutz gestellt. Als Anerkennung hat der Ausschuß beschlossen, 200,000 Gulden von den bewilligten Millionen unter die Bewaffneten zu vertheilen. Es ist dieß gewiß im Sinne des ersten Beschlusses; denn der arme Gewerbsmann steht unter Waffen und opfert Alles auf. Der Finanzminister ist ganz einverstanden.
Eine Schwierigkeit ergibt sich; die Kampfeslustigen fordern laut, sie zum Angriffe zu führen. Der Ausschuß ist in der schwierigsten Lage, indem er mit Sr. Maj. immer Frieden vermitteln will. Er will nicht nach alter Regierungsweise Angriffe und Blut, und will diese Zurückhaltung von dem Volke mit seinem Leben verantworten. Sollte einmal ein Angriff nothwendig sein, so wird geschehen, was da muß, jetzt ist es nicht rathsam
Aus dem entfernten Salzburg sind 36 Studenten mit zwei Professoren angelangt. Acclamation.
Aus Steiermark sind abermals 500 bewaffnete Studenten Garden und Arbeiter herangekommen. Sie hatten mit Schwierigkeiten zu kämpfen, denn die Bahn ist mit Militair besetzt. Sie geben die Versicherung, daß noch viele ihnen folgen. (Acclamation.) Eine Deputation aus Olmütz erklärt das vollständige Einverständniß mit Wien. Die Deputation theilt zugleich eine, Wien verdächtigende im Auftrag der wendischen Krätze. Prelamation mit Das Kreisamt zeigt an, daß der Kaiser Olmütz (wohin Wendische Grätz marschiert, und wo er am 13. wahrscheinlich schon angelangt war,) sein Hoflager aufschlagen werde.
Wien. (Abendsitzung des konstituirenden Reichstags vom 13. Oktober. Eröffnung 5 Uhr.)
Die Wahl des zweiten Vicepräsidenten findet Statt, es ergibt sich abermals keine absolute Majorität, die Wahl schwankt zwischen Pillersdorff und Ambrosch. Ein zweites Scrutinium, bei dem 202 stimmen, ergibt 159 für Pillersdorff. Er ist mithin Vicepräsident und verspricht in einer kurzen Rede Alles für die Volksfreiheit zu thun.
Schuselka berichtet vom Ausschusse. Vom Abgeordneten Löhner ist eine telegraphische Depesche angelangt. Er ist gestern 10 Uhr Nachts nach Selowitz gereist, aber man wollte daselbst den Erzherzog Franz Karl nicht wecken, indem man sagte, es sei ihm schon Alles bekannt. Des Morgens kam er vor den Kaiser, der eine schriftliche Antwort, deren Inhalt gleich dem nicht kontrasignirten Manifeste aus Schönbrunn. Fürst Lobkowitz gab zweimal mündliche Auskunft. Auersperg und Jellachich werden nicht angreifen, sondern sich blos vertheidigen. Ueber Jellachich, der blos wegen Ungarn da sei, werde weiteres verfügt werden. Schriftliche Erklärung wurde verweigert.
Eine telegraphische Depesche ist angelangt, daß Windischgrätz heranrücke.
Vom Ban Jellachich ist ein Offizier angelangt. Er hoffe durch seinen frühern Brief beruhigend gewirkt zu haben. Er ist nur für die Freiheit da, und sein Wirken in Ungarn zeige, daß er für die Gleichberechtigung aller Nationen kämpfe. Er werde sich zur Bekämpfung der Anarchie jede gesetzliche Macht zur Verfügung stellen. Er würde es bedauern, wenn bei Wien ein croatisch-ungarischer Kriegsschauplatz entstünde.
Der Ausschuß antwortet hierauf, daß in Wien weder Anarchie noch Ungesetzlichkeit herrsche, und in Abwesenheit des Kaisers der Ausschuß die Ordnung aufrecht erhalte, welche vom Volke kräftig unterstützt wird. Der außerordentliche Zustand ist nur der, daß das Volk unter Waffen ist, weil eben zwei Heere vor seinen Mauern stehen. Um diesen außerordentlichen Zustand zu heben, bedarf es nichts, als daß der Banus sich wegbegebe, denn der ihm verhaßte Zustand ist nur hervorgerufen, weil der Ban gegenwärtig ist. Auch der Reichstag will keinen croatisch-ungarischen Kriegsschauplatz, und darum ersucht er den Ban, mit seinen Truppen wegzuziehen.
Goldmark will, daß man den Ban noch aufmerksam mache, daß sein Gedächtniß kurz sei. Auf der einen Seite spricht er von der Volksfreiheit und von Freundschaft, und im selben Momente tritt er gegen die Volksfreiheit auf, indem er die Garde der Umgegend ohne Grund entwaffnet. Eben so sich eine Art Brandschatzung erlaubt, indem er Einquartirungen befiehlt etc, und in eben diesem Augenblicke abermals ein Angriff auf die St. Marxerlinie geschieht. Er wünscht dies in würdiger Sprach noch hinzugesetzt.
Schuselka ist gegen die Aufnahme des Entwaffnungspunktes, weil es immer Gründe gibt, die sich bei dem Marsche einer Armee vorschützen lassen. ‒ Allerdings ist es wahr, daß eben Angriffe auf mehrere Punkte der Linie geschehen, aber sie sind hervorgerufen durch die Kampfeslust der daselbst aufgestellten Bewaffneten. Der Ausschuß, im Vereine mit der besonnenen Legion, hat alles Mögliche gethan, um davon abzuhalten, aber derlei Vorpostengefechte kommen in allen feindlichen Lagern vor, und das edle Blut ist nur zu bedauern.
Das Antwortschreiben, sowie Goldmarks Zusatz werden angenommen.
Borrosch verliest die von ihm beantragte und ihm zur Verfassung übertragene Adresse an den Kaiser, Betreffs des Völkerkongresses. Sie ist etwas lang und weniger markig, als wir sie erwartet haben. In solcher Zeit handelt es sich darum, kurz aber inhaltsreich zu sein.
Nach einiger Debatte wird die Adresse angenommen.
Es wird hierauf über die Art der Absendung debattirt.
Einige wollen Borrosch, Andere 3, wieder Andere 5 Mitglieder senden, Gschnitzer will alle Nationalitäten vertreten haben. Pienkovski spricht es aus, daß Borrosch in Wien jetzt unentbehrlich sei. Es werden endlich 5 Mitglieder zur Deputation bestimmt. Dem Präsidium ist die Ernennung der Mitglieder überlassen.
Es bestimmt: Fischer, Vierzchlejski, Hagenauer, Herzog, Turko.
Hierauf wird die Wahl des Sekretärs vorgenommen. Die Stimmzettel werden abgegeben und das Präsidium wird die Zählung übernehmen.
Die Sitzung ist aufgehoben, 8 Uhr; Eröffnung morgen 10 Uhr früh.
!!! Frankfurt, 16. Oktober. 97. Sitzung der National-Versammlung. Präsident v. Gagern.
Tagesordnung.
1. Berathung des vom Abgeordneten v. Lindenau, Namens des Ausschusses für Geschäftsordnung, erstatteten Berichts über die vom Abgeordneten Schaffrath und Genossen gegen den Vicepräsidenten v. Soiron, als Vorsitzenden der National-Versammlung in den Sitzungen vom 7. und 8. August d. J, angebrachten Beschwerden.
2. Berathung des vom Abgeordneten v. Langerfeldt, Namens des Ausschusses für Prüfung der wider mehrere Mitglieder der National-Versammlung beantragten gerichtlichen Untersuchung, beziehentlich Verhaftung, erstatteten Berichts.
3. Berathung des vom Abgeordneten v. Breuning erstatteten Berichts, Namens des Ausschusses für Beurtheilung des von dem Abgeordneten Schmidt aus Schlesien und Wiesner gemeinschaftlich in der Sitzung vom 5. Oktober 1848 gestellten Antrages, des dadurch hervorgerufenen Antrages des Abgeordneten Hrn. v. Gagern und des Verhaltens des Vorsitzenden, Vice-Präsidenten Simson.
4. Berathung über den vom Abgeordneten Dröge, Namens des volkswirthschaftlichen Ausschusses, erstatteten Bericht über die von den Vorstehern der Kaufmannschaft in Stettin, Stolp etc. eingegangenen Petitionen.
5. Berathung über den vom Abgeordneten v. Buttel, Namens des Prioritäts- und Petitionsausschusses, erstatteten Bericht über den Antrag des Abgeordneten Bresgen, die Stellung der Abgeordneten betreffend.
6. Berathung über den vom Abgeordneten Adams, Namens des Prioritäts- und Petitions-Ausschusses, erstatteten Bericht über eingekommene Adressen, die Beschlüsse der Reichsversammlung betreffend.
7. Berathung über den Bericht des Ausschusses für die Geschäftsordnung, die Abstimmung der Mitglieder betreffend.
8. Berathung über den vom Abgeordneten Rödinger, Namens des Prioritäts- und Petitions-Ausschusses, erstatteten Bericht, wegen der Staatsschuld des ehemaligen Königreichs Westphalen.
Vor der Tagesordnung.
Compes tritt aus der Versammlung. (Erstaunen).
Schmerling zeigt an, daß das Reichsministerium den Belagerungszustand von Frankfurt an dem Tage aufhebt, an welchem das Gesetz zum Schutze der Reichsversammlung emanirt wird. Uebrigens bleiben die Maßregeln, welche das Ministerium zum Schutze der Stadt etc. für nöthig erachtet, beim Alten. (Tiefe Stille.)
Folgen Beiträge zur deutschen Flotte.
Neue Interpellationen. 1. Förster von Hünfeld: a. welche Anordnungen sind betreffs der österreichischen Truppen und der deutschen Reichstruppen in den Beziehungen zu den Wiener Verhältnissen getroffen? b. Was wird das Ministerium in Betreff Ungarns und der Wallachei thun? (Der Interpellant liest sehr undeutlich, so viel ich klar verstehen kann, interpellirt derselbe zu Gunsten Wiens und Ungarns. Man schreit: Laut, laut!)
2. Detmold von Hannover interpellirt wegen des Meuchelmords am Kriegsminister Latour etc. etc. (Gelächter und Zischen).
3. Schmidt aus Löwenberg: ob es wahr sei, daß das Reichsministerium die bekannten „Flugblätter“ mit Begleitschreiben vertheilt und unempfolen habe?
4. v. Reden interpellirt wegen neuer Zollvereinbarung der deutschen Staaten.
Schmerling beantwortet verschiedene Interpellationen:
1. Bezüglich des Verhaltens der deutschen Centralgewalt zur Schweiz. (Von Vogt, Wichmann und Venedey). Wenn alle Verhandlungen mit der Schweiz geschlossen und die hierher bezüglichen Papiere geordnet sein werden, wird das Ministerium antworten. Schon jetzt aber müsse er (Schmerling) aussprechen, daß er auf die Vogtsche Interpellation, weil sie nicht im parlamentarischen Tone gehalten, nicht antworten werde.
2. In Betreff der Moldau und Wallachei. (Interpellirt von Schulz und Förster.) Die Wichtigkeit der Donaufürstenthümer in ihren Beziehungen zu Deutschland habe das Ministerium hinlänglich erkannt, und wird seiner Zeit das Nöthige geschehen.
3. Wegen Ungarn. (Försters Interpellation.) Das Reichsministerium habe die lebendigsten Sympathien für Ungarn. Diplomatischer Verkehr sei jetzt nicht möglich.
4. In Betreff Oesterreichs zu Ungarn und der Wiener Verhältnisse. (Interpellation von Schoder, Marek, Eisenmann, Förster) Als die Wiener Ereignisse dem Ministerium zuerst bekannt wurden, beschloß dasselbe, zur Verhütung des traurigen Bürgerkrieges, dessen Folgen sich noch nicht bestimmen lassen, jede Rücksicht zu nehmen. Die erste Aufgabe sei, den Bürgerkrieg sobald als möglich zu Ende zu bringen. Zwei Reichskommissäre, deren einer der Abgeordnete Welcker, sind mit ausgedehnten Vollmachten nach Wien geschickt. Diese sollen sich mit den verantwortlichen Räthen der österreichischen Krone und nach Verhältniß mit dem Reichstage, so wie mit den Civil- und Militairbehörden in Verbindung setzen. Reichstruppen seien nicht nach Wien beordert. Die Kommissäre sollen erst berichten, ob dies nöthig.
5. Auf eine Interpellation von Simon aus Trier, betreffend die Wahl des Dr. Würth zum Abgeordneten: Das Reichsministerium nimmt erst dann Rücksicht auf Wahlangelegenheiten, wenn die Versammlung durch das Präsidium Anträge stellt.
6. Eine Interpellation Wesendonks, „ob es wahr, daß das Reichsministerium der baierischen Regierung die Zusicherung ertheilt habe, daß das konstitutionell-monarchische Prinzip in den Einzelstaaten immer solle gewahrt werden?“ beantwortet Schmerling unter Beifall der Centren dahin, daß eine ähnliche Erklärung an das baierische Ministerium in ganz anderm Sinne und völlig gerechtfertigt abgegeben worden sei.
7. Auf eine Interpellation von Schmidt aus Löwenberg (s. oben; bezüglich der Flugblätter) würde das Reichsministerium gleichfalls gar nicht antworten. Er (Schmerling) für seine Person glaubt, daß eine solche Interpellation höchstens an oder von einem Polizei-Direktor unter dem gestürzten Metternich hätte stattfinden können. (Bravo rechts und Centren).
8. Jahn's Interpellation, betreffend die ungeheuren Demokraten-Verschwörungen. (Gelächter.) Der Minister verliest einen Aufruf des demokratischen Centralausschusses in Berlin an das deutsche Volk, welcher unter größter Mißbilligung der jetzigen National-Versammlung und ihrer Wirksamkeit, auf den 26. d. M. eine Versammlung aller Demokraten Deutschlands nach Berlin zusammenberuft, um eine neue National-Versammlung nach neuen direkten Wahlen zu beschließen. Das Reichsministerium hat die preußische Regierung aufmerksam gemacht, jedem ungesetzliche Schritte in dieser Beziehung vorzubeugen und geschehenden Falls zu strafen. Hiermit sei wohl Jahn's Interpellation genügend beantwortet. (Bravo und Zischen).
Vogt protestirt feierlichst und mit tiefster Entrüstung gegen jeden Eingriff des Ministers Schmerling in die Rechte des Präsidiums und der National-Versammlung. Nur diesen stünde die Unzulässigkeit einer Interpellation zu beurtheilen zu. (Bravo!) Sie den Minister (sagt Vogt) fordere ich auf, künftighin solche Streiche zu unterlassen. (Tumultuöses Bravo.) Vogt spricht nun durch mehrere dringliche Anträge die Unzufriedenheit der Beantwortung des Ministers über die Verhältnisse zur Schweiz aus.
Die Anträge werden nicht als dringlich erkannt.
Ebenso stellen, in Folge der unbefriedigenden Antworten des Ministers auf die Interpellationen, Venedey, Wesendonk, Schmidt aus Löwenberg, Schaffrath und Marek dringliche Anträge.
Die Mehrheit der Versammlung erkennt keinen davon als dringlich an.
Schneer beantragt Tagesordnung, da es bereits 11 Uhr sei. ‒ (Tagesordnung!)
Wiegard dagegen. ‒
Minister Mohl: beantragt eine Interpellation von Detmold wegen der Ermordung des Ministers Latour. Offiziell sei noch keine Anzeige deshalb gekommen, aber es sei bei dem Wiener Justizministerium deshalb angefragt. [Fortsetzung]
‒ In die Amnestie der bei der letzten Wiener Revolution betheiligten, werde das Reichsministerium sich nicht mischen, wohl aber einen Unterschied verlangen, zwischen politischen Verbrechen und Mord. ‒
Der Präsident zeigt an daß noch drei dringliche Anträge vorliegen, die Versammlung beschließt aber Tagesordnung. ‒
Reh beantragt über Punkt I und III der heutigen Tagesordnung, (S. oben dieselbe.) mit Rücksicht daß dergleichen Dinge nicht mehr vorkommen werden, zur ferneren Tagesordnung überzugehen. Die Dringlichkeit des Antrags zu begründen wird Herrn Reh mit schwacher Majorität zugestanden.
Reh In Erwägung daß durch eine Diskussion über I und III die Fakta nicht ungeschehen gemacht werden, in Erwägung daß damals Leidenschaftlichkeit vorgewaltet hat, bitte ich Sie, diese beiden Punkte mit Stillschweigen zu übergehen. Jeder über diese Punkte gefaßte Antrag wird nichts bezwecken. Ich apellire an Ihr Gefühl für Humanität und Anstand (Bravo! bravo! Abstimmen.)
Der Antrag von Reh (S. oben.) wird fast einstimmig angenommen. (Lauter Beifall.)
Der Ausschuß für Geschäftsordnung beantragt:
1. Dem Präsidenten steht das Recht des Ordnungsrufes ohne Diskussion zu.
2. Der Ordnungsruf muß unmittelbar erfolgen.
3. Von demselben findet eine Apellation statt.
Zu diesen Anträgen über die Art und Weise des Ordnungsrufes wird ein Antrag von Fischer aus Jena, diese Anträge bis zur Berathung über die Disciplinarordnung ruhen zu lassen, angenommen.
Nro 2 der Tagesordnung (S. oben.) Wie Sie durch die Sitzung vom Freitag schon wissen, beantragt in der bekannten Angelegenheit der Ausschuß:
Die hohe Nationalversammlung wolle beschließen: die von dem Oberappellationsgerichte, als Criminalgericht der freien Stadt Frankfurt, in dem an das Reichsministerium der Justiz unter dem 4. d. M. gerichteten Schreiben beantragte Zustimmung zur Einleitung der Untersuchung gegen die Abgeordneten Zitz, Schlöffel und Simon von Trier zu ertheilen;
dagegen den von dem gedachten Gerichte nur vorsorglich gestellten Antrag: die Zustimmung zu der Verhaftung der genannten Abgeordneten, wenn solche im Laufe der Untersuchung nöthig werden könnte, schon jetzt zu ertheilen, abzulehnen.
Als Redner haben sich einschreiben lassen.
Gegen Zimmermann. Vogt, Joseph, Leue, Wiegardt, Reinhard, Wesendonk, Schaffrath.
Für Basserman, Beckerath, Reh.
Zimmermann aus Stuttgart. Wir seien soweit gekommen, daß man Anträge auf Verhaftungen, Untersuchungen ja Ausschließung einer ganzen Parthei gestellt. ‒ Er verspricht die Anschuldigungen zurückzuweisen, die heutigen Angeklagten kurz zu vertheidigen. Die Partheileidenschaft hat sich der vorliegenden Gegenstände über die Maaßen hinaus bemächtigt. ‒ Die Geschichte wird anders urtheilen. Man hat eine Hetzjagd auf moralische Beweise angestellt. ‒ Zweierlei müssen die Partheien lernen: „Erkenntniß und Versöhnlichkeit! Man ist soweit gegangen der äußerten Linken vorzuwerfen, sie hätte Mörder gedungen. ‒ Auf Zeitungsgeschrei brauchen wir (wenn die Versammlung in's Spiel kommt) nicht zu antworten; aber die Stimmen die sich im Hause selbst vernehmen lassen, müssen wir berücksichtigen. Ich hätte Vieles auf dem Herzen, aber ich will es unterdrücken, weil ja hier nur von der Reichstagszeitung gesprochen werden darf.
Präsident. Herr Zimmermann ich muß Ihnen bemerken, daß ich hier nie von der Reichstagszeitung gesprochen, obschon ich am Gründlichsten darin angegriffen bin. (Links: Aber Stavenhagen! ‒ Und Dahlmann! ‒ Schaffrath Stavenhagen hat über eine viertel Stunde von der Reichstagszeitung gesprochen.)
Zur Sache selbst, beantragt Zimmermann: „Die Versammlung soll beschließen, daß eine einfache Vernehmung genüge, zur gerichtlichen Untersuchung aber hinreichender Grund nicht vorliegt. Zum Schluß meint Zimmermann, die Zeit erheischt es, mehr auf Stimmen und Stimmung des Volks zu achten. Ich bitte Sie Maaß zu halten und gerecht zu sein.
Plathner aus Halberstadt. Es handelt sich nicht um eine Parthei, nur einfach darum, ob gegen die drei Abgeordneten Untersuchung einzuleiten sei. ‒ Ob der Thatbestand eines Verbrechens vorliegt, ist Sache des Richters. ‒ Aber den Betheiligten selbst muß daran liegen, daß sie in dieser Sache ein freisprechendes Urtheil erlangen. Deshalb muß die Untersuchung vorangehen. Der Ausschuß ist einstimmig darin einverstanden, daß der Richter nur der Gerechtigkeit ihr Recht zu verschaffen beabsichtigt, keineswegs an einen Tendenzprozeß denkt. (Bravo!)
Vogt. Von zwei Standpunkten können wir in dieser Sache ausgehen. Vom juristischen und politischen. ‒ Mit dem ersteren Standpunkt mögen sich andere beschäftigen. Es kommt mir fast vor als ob nach dem Vorüberrauschen eines großen Sturmes, man jede einzelne Welle des erregten Sees fragen wollte, wer hat dich aufgeregt? ‒ Die Aufregung in politischen Sachen ist sehr subjektiv. ‒ Auf mich z. B. haben Reden von rother Republik etc. lange nicht den Eindruck gemacht als das Benehmen eines Ministeriums, welches dem Verlangen des Volks allezeit mit höhnischer Gleichgültigkeit gegenüber getreten. ‒ Verstehen sie mich nicht falsch, ich meine (wenn ich recht verstanden sagte Vogt, „verstehen sie mich recht, ich meine dies Ministerium.“ ‒ Andere wollen gehört haben: Guizots Ministerium?) dies Ministerium. (Gelächter. Bravo!) Waren es die Mirabeau, Danton etc. die die französische Revolution gemacht, oder war es das Hofgeschmeiß und die Unterdrücker des Volks? (Lautes Bravo!) Und zu den jetzigen Wiener Verhältnißen, wer hat dazu aufgeregt. ‒ Jellachich etc. oder die Aula? (Bravo!) ‒ Ich bin erhaben über die Angriffe meiner Parthei und Person. ‒ Z. B. hat man mich der revolutionären Absichten beschuldigt, weil ich von Convent gesprochen, m. H. ich weiß sehr wohl, daß aus dieser Versammlung kein Convent hervorgehen wird! (Große Heiterkeit. Bravo.)
Auch ich war im Vorparlament; damals als ein frischer Hauch der Freiheit über Deutschland ging, damals haben die Herren ihr Haupt sehr gebückt getragen, die es jetzt wieder stolz erheben. (Bravo) Anlangend die Wiener Revolution, wird vielleicht, so fürchte ich, wenn ich auch das Entgegengesetzte hoffe, diese wiederum vernichtet werden, und verloren sein, aber dann meine Herren (das bin ich überzeugt) wird eine zweite kommen, welche die zu verantworten haben werden, welche die jetzige verloren gehen lassen. ‒ Ich habe im Vorparlament andere Reden gehört als auf der Pfingstweide. Warum hat man damals von Seiten des Gerichts nicht eingeschritten? ‒ (Bravo und Heiterkeit.) Darum meine Herren weil man sich bei diesen Reden nicht auf den juristischen, sondern den politischen Standpunkt gestellt hat, und so muß es auch sein. ‒ (Bravo! Sehr wahr!) ‒ Woher kommen die Brutalitäten in den untersten Volksschichten? Von den Aufwieglern zur Ruhe und Ordnung kommen sie, denen auch jedes Mittel zur Erreichung ihres Zieles recht ist. ‒ Das Volk nimmt sich ein Beispiel daran, und macht es im umgekehrten Verhältniße auf seine Weise ebenso. (Donnernder Beifall. Gelächter)
Im vorliegenden Falle will ich nicht auf die Jämmerlichkeit der Beweise und der Zeugen eingehen. ‒ Wenn ich wüßte, ob der Ausschuß mit seinem Antrag auf Untersuchung die General- oder Special-Untersuchung verlangt, würde ich ihm (nämlich im ersteren Falle) vollkommen beistimmen. Eine allgemeine Vernehmung mag stattfinden, damit die angeklagten Abgeordneten sich rechtfertigen können. ‒ Im Interesse der Würde der Nationalversammlung lassen Sie nicht politische Gründe und Ueberzeugungen auf Ihren Beschluß influiren. (Anhaltender Beifall.)
Bassermann: Ob es keine Aufreizung zur Aufregung wenn Vogt sagt: „aus dieser Versammlung werde kein Convent entstehen!“ (Gelächter links und Gallerien.) Dies Gelächter charakterisire die Linke. ‒ Unterbrechungen aller Art. ‒
Präsident: man möchte Herrn Bassermann ruhig anhören, wie man Vogt gehört hat.
Der Unterstaats-Sekretär spricht sich natürlich für die Anträge des Ausschusses aus. Wir lassen uns, sagt er u. a., nicht irre machen durch die Worte „Reaktion! Cammarilla etc.! (Gelächter) In gewissem Sinne würde er auf den Namen „Reaktionär“ Ansprüche machen (Wird ihm Niemand nehmen!) Herr Bassermann gibt aber zu, daß wie Vogt sagt, es bald so weit gekommen ist, daß man die Freiheit nicht mehr sieht.
Ad rem: Die Gründe des Gerichtes zu prüfen sei keineswegs Sache der Versammlung. Die Gleichheit vor dem Gesetze erheische den Fortgang der Untersuchung. Die Mitglieder der Linken, die gegen die Unverantwortlichkeit des Reichsverwesers gewesen, wollen jetzt selbst diese Unverantwortlichkeit. (Gelächter!)
Zum Schluß spricht Herr Bassermann viel und oft von den Banden, die sich gegen das souveräne Volk (d. h. dessen Vertreter) selbst aufgelehnt, von Rohheit, von der sogenannten Freiheit etc. (Bemerkungen links werden gewaltsam zurückgedrückt). Herr Bassermann schließt mit einer rührenden Apostrophe: (und fast erstickter Stimme) man möchte es doch in Deutschland nicht soweit treiben, daß aus der ganzen Revolution nichts hervorgeht, als ein zertrümmertes armes Vaterland. (Bravo rechts und Centrum. Zischen auf den Gallerien.
Schaffrath gibt zuerst eine moralische Rechtfertigung seiner Ansichten von Freiheit. Ich könnte die ganze Rede des vorigen Redners mit wenig Abänderungen gegen ihn selbst und seine Partei kehren. Mit demselben Rechte wie Bassermann sagt, er sei erstaunt, daß Jemand gegen den Antrag auf Untersuchung spräche, sei er erstaunt, daß Jemand dafür spräche. (Bravo). Schaffrath widerlegt die einzelnen Punkte der Bassermann'schen Rede, wo durch der Unterstaats-Sekretär dermaßen in Zorn geräht, daß er Schaffrath einen Nachfolger der rothen Fahne nennt.
Schaffrath weißt Bassermann gehörig zurecht. Unter Anderm sag er: Es wäre die größte Tyrannei, wenn unsere Wähler erklärten, wir hätten ihr Vertrauen verloren, und wir blieben dennoch hier. (Furchtbares Bravo Gallerien und links.) Die Majorität hier ist nicht immer die Majorität im Volk. (Bravo).
Zur Sache selbst gehörig, ist er der Ansicht als Richter, daß keine Untersuchung eingeleitet werden dürfe. Der Schluß der Debatte wird verlangt und abgelehnt.
Edel (aus Würzburg) für den Ausschußantrag.
Zitz: Wenn ich spreche, so geschieht es nicht um mich zu vertheidigen, denn ich brauche keine Vertheidigung; sondern nur der Stellung wegen auf die mich meine Wähler gestellt haben. Ob wir dadurch, daß wir dem Gerichte überliefert werden, später unsere Freisprechung erlangen, darum handelt es sich nicht, ‒ es handelt sich darum, ob sie es bestätigen durch Ihren heutigen Beschluß, daß Grund genug vorliegt, durch unsere Reden und die gegen uns vorgebrachten Verdächtigungen, um überhaupt die Untersuchung zu beginnen. Zitz geht näher auf die Zeugenaussagen ein, und weis't deren Unhaltbarkeit und das Widersprechende darin nach. Der Schluß seiner Rede, in welchem er durch sein früheres Leben und seine Prinzipien, die Verdächtigungen die man auf ihn gewälzt hat, abzustreifen sucht, ist überzeugend und verfehlt nicht Eindruck zu machen. Nicht die Motive des Richters sollen Sie bewegen, sagt Zitz, unsere Untersuchung zu verhängen, ‒ sie sollen prüfen, ob die Motive richtig sind.
Schlöffel. Ich lehne jede Verdächtigung ab, die man meiner Rede auf der Pfingstweide in den Blättern und Zeitschriften und sonstwo unterlegt. Ich meine mit Herrn Edel, daß ich auf die Großmuth der Versammlung in unseren Angelegenheiten verzichte. Mir ist nichts verhaßter als Gnade. Früher, vor dem März, war es ein Verbrechen, schwarz-roth-gelb zu erscheinen. Jetzt bezeichnet man unsere Parthe mit rothen Strichen; und dies ist nach der jetzigen Sachlage Verbrechen.
Schlöffel spricht vom alten Staat, den er wie alle Anwesenden mißbilligen muß.
Die Majorität und Minerität, die sich in diesem Hause finden, finden sich auch außer demselben, nur im umgekehrten Verhältniß. (Heiterkeit). ‒ Die eine Partei will den rückwärtsschreitenden Fortschritt, die andere den vorwärtsschreitenden Fortschritt. (Heiterkeit, links Bravo.) Ich bekenne mich zu dem neuen guten Staat.
Uebrigens, meine Herren! wenn ich mich bei der Revolution betheiligen will, so werde ich es so einrichten, daß Sie mich nicht richten können (Bravo ‒ Lachen ‒ Aufregung). Meine Herren! Sie werden mir wenigstens zugeben, daß ich nicht um Ihre Gunst buhle, oder mich von den Erfindungen, Verläumdungen etc. zu rechtfertigen suche, weil ich Furcht habe, ich möchte der Strafe eines Systems verfallen, das ich mißbillige.
Schlöffel widerlegt die einzelnen Zeugenaussagen gegen ihn. (Heiterkeit und Erstaunen über die Haltlosigkeit der Zeugenaussagen geben sich kund). Mit äußerstem Scharfsinn und vielem Humor, zu allgemeiner Freude aller Hörer, unter tiefer Stille der Versammlung, geht Schlöffel die 12 Zeugendepositionen gegen ihn durch und verweis't mit Ironie und Hohn deren Richtigkeit. Die freisprechenden Depositionen seien in dem Bericht nicht aufgenommen worden. Ich überlasse Ihnen, über uns zu beschließen, was Ihnen gut dünkt, ich halte es für angemessen, Sie schließlich auf eine Aeußerung von Schmerling's aufmerksam zu machen, die er that, als Schmidt von Löwenberg die Tribüne betrat. Er sagte: „Das ist auch so eine Canaille, die wir heraus haben müssen. ‒ Man schreit entrüstet: „Pfui!“ Tumult. ‒ Man fordert Beweise. ‒ Schlöffel wird sie liefern.
Simon von Trier hält gleichfalls eine lange und glänzende Vertheidigungsrede, die allgemeinen stürmischen Beifall der Linken und der überfüllten Gallerien findet und bei dem gleichwohl schon sehr ermüdeten Hause, gespannte Aufmerksamkeit erregt. ‒ Die Rede von Simon aus Trier dauert fast 3/4 Stunden, und wird, obschon es gegen 4 Uhr ist, ohne Schlußruf angehört. Simon wünscht die Untersuchung. Er weis't die Widersprüche der Zeugenaussagen mit juristischer Schärfe nach, nicht um einen Antrag auf Nicht-Untersuchung zu begründen, sondern um sich vor dem Volk, von dem er gewählt, hier offen zu vertheidigen, was ihm vielleicht im Verlauf der geheimen Untersuchung unmöglich sein möchte. Es möchte wohl nicht die Göttin der Gerechtigkeit, (sagt er) sondern die Reaktion sein, die sich verfolgend an unsere Versen heftet.
Was Schmerling's Aeußerung betrifft, die von dem Stenographen bewiesen werden wird, giebt sie ein Zeugniß, wie weit der Terrorismus von oben geht. (Furchtbare Entrüstung und Mißbilligung). Was Schmerling anbelangt, seine Thaten werden ihm folgen.
Simon schließt ungefähr: „Was Freiheit, Gefährdung und Verfolgung meiner geringen Person anbelangt, so sind dieselben nicht in die Wagschale zu legen, gegen die Bedrückungen und Gefahr des ganzen armen deutschen Volkes. Meine politische Ehre aber, und um diese handelt es sich für mich allein, werden sie mir nicht nehmen können. (Langdauernder und außerordentlicher Beifall).
Der Berichterstatter Langenfeldt spricht für die Anträge des Ausschusses. (S. oben).
Zwei Anträge liegen vor: 1. der Antrag des Ausschusses und 2. der von Zimmermann aus Stuttgart. (S. oben).
Zimmermann zieht seinen Antrag zurück.
Zell nimmt ihn auf.
Die namentliche Abstimmung über den Antrag des Ausschusses soll stattfinden.
Es erhebt sich Streit darüber, ob der Antrag des Ausschusses getrennt oder zusammen zur Abstimmung kommen soll.
Nach der Zählung entscheidet man sich für Zusammen-Abstimmung mit 189 Stimmen gegen 187.
Es erhebt sich ferner Streit darüber, ob man zuerst den Antrag des Ausschusses, oder den von Zimmermann aus Stuttgart abstimmen soll.
Mit 216 Stimmen gegen 162 beschließt man zuerst den Ausschußantrag abzustimmen.
Endlich erfolgt die namentliche Abstimmung. Der Antrag des Ausschusses wird mit 245 Stimmen gegen 140 angenommen.
Schlöffel, Simon (Trier) und Zitz stimmten nicht mit.
Morgen um 9 Uhr Sitzung.
Schluß der Sitzung um 5 Uhr.
Es ist ganz finster in der Kirche. Um die Tribüne sind Lichter aufgestellt, was den Eindruck eines Katafalks macht.