Deutschland.
München, 31. März. Jhre Majestät die
Kaiserin Mutter von Oesterreich hat an einige
hiesige, sehr bedürftige Arme 6000 fl. ausgetheilt.
München, 1. April. Die neueste Num-
mer der Leuchtkugeln ist mit Beschlag belegt und
der Verleger in Untersuchung genommen worden.
Frankfurt, 23. März. Hannovers Beitritt
zum großdeutschen Bunde wird, nach der Ansicht
von Personen, welche dem hannöverischen Mini-
sterium sehr nahe stehen, in ganz kurzer Zeit er-
folgen; durch den Beitritt Oesterreichs sind die
Anstände, welche man sowohl hier, als an der
Leine, gegen ein sofortiges Unterzeichnen der Ue-
bereinkunft vom 27. Februar erheben zu müssen
glaubte, beseitigt worden. Legationsrath Det-
mold, der mit Stüve in ununterbrochenem Brief-
wechsel stehen soll, hat seit dem Bekanntwerden
der einzelnen Artikel dieser Uebereinkunft eine an-
dere, und zwar bessere Meinung von dem neuen
Verfassungswerk gewonnen, als er sie aus vorher
ihm zugekommeuen, theilweise unrichtigen Notitzen
hatte schöpfen können; er wird, da die Sache in
Hannover so gut als entschieden ist, nun nicht --
wie gemeldet war -- dorthin abreisen, sondern
den weitern Verlauf der Dinge hier abwarten.
-- Von einer Verlängerung des Jnterim hört
man hier wenig, im Gegentheil glaubt man, daß
Oesterreich das Recht des Vorsitzes im deutschen
Bunde jetzt wieder thatsächlich zur Geltung brin-
gen werde, indem es den neuen Verfassungsent-
wurf nicht nur allen Bundesgliedern vorzulegen,
was bereits geschehen, sondern bei letzteren auch
das Gewicht seines ganzen Einflusses für dessen
Annahme in die Wagschale zu werfen entschlossen
sei. Ein anderer Weg, um zu einem endlichen
Ergebnisse zu gelangen, möchte bei der Zwiespäl-
tigkeit der Zusammensetzung der jetzigen Bundes-
Commission, und bei der Hartnäckigkeit Preußens
ohnehin kaum denkbar sein. Die neueste Wen-
dung der Schleswig = Holstein'schen Angelegenheit
scheint dieser Annahme zu Hilfe zu kommen; es
wird nicht leicht möglich werden, den übertriebe-
nen Forderungen derjenigen Partei in den Herzog-
thümern, welche dieselben förmlich und vollständig
von Dänemark losreißen will, um sie, wie kein
Hehl gemacht wird, dem preußischen Bundesstaat
einzuverleiben, fernhin Vorschub zu leisten, wenig-
stens nicht von großdeutscher Seite. Der König
von Dänemark ist und bleibt Herzog von Schles-
wig=Holstein, und als solcher Mitglied des deut-
schen Bundes, so lange der Mannsstamm noch
nicht ausgestorben ist; tritt aber dieser Fall ein,
dann erst wird die Frage entschieden werden müs-
sen, wer mit seiner Behauptung im Rechte sei,
die schleswig = holstein'sche Sonderpartei, oder die
dänische, welche -- sei es durch diese oder jene
Verfassungsform -- die Monarchie in ihrem bis-
herigen Territorialbestande erhalten wissen will.
Dänemark hat auf seiner Seite Bundesgenossen,
deren Worte Bedeutung haben, und welche schlimm-
sten Falls durch eine keineswegs zu verachtende
Heeresmacht ihrer Ansicht Geltung zu verschaffen
sich versucht fühlen könnten. Es ware darum --
so däucht uns -- wohl zu überlegen, ob denn
Deutschland wirklich ein so großes Jnteresse habe,
gegen Dänemark in Waffen zu treten, es auf
ewig von dem gemeinsamen Mutterlande, der al-
ten Germania, abzulösen, und vielleicht gegen
Willen zum Vasallen Rußlands oder Englands
zu machen. Das Vorwalten deutschen Einflusses
in Kopenhagen, vermittelt durch den Verband der
Herzogthümer sowohl mit Deutschland, als mit
Dänemark, und gesetzlich normirt durch das alte,
von ganz Europa sanctionirte Bundesrecht, möchte
wahrlich dem Jnteresse Deutschlands näher liegen,
als die Durchführung einer erst seit wenigen Jah-
ren in Kiel aufgestellten, und mit der ganzen
Halsstarrigkeit des niedersächsischen Professoren-
thums verfochtenen Trennungspolitik, welche, im
Falle ihres Gelingens, innerhalb Deutschland die
Partei der Zwietracht stärken, und jenseits der
Königsau russischem oder englischem Einflusse zur
Herrschaft verhelfen wird. Man hat sich abge-
müht, für Deutschland eine Flotte zu schaffen,
mit etwas mehr Besonnenheit und weniger Vor-
urtheil, als von den gelehrten Herren in der
Paulskirche ihrerzeit entwickelt wurde, könnte man
vielleicht zu einer solchen Flotte ohne große Ko-
sten gelangen; man ziehe ganz Dänemark und
nicht blos die beiden Herzogthümer in den deut-
schen Bund, dann wird man eine solche erhalten,
ohne sie erst bauen zu müssen. Die Veranlas-
sung hierzu scheint dermalen günstiger, als je;
Oesterreich ist mit Magyaren und Lombarden dem
großdeutschen Bunde beigetreten, warum sollten
uns die Dänen weniger willkommen sein? Ge-
hören sie doch einem ächtgermanischen Stamme an,
dem gothischen, aus dessen Blut sogar ein guter
Theil des jetzigen Bayervolks entsprungen ist, was
man -- abgesehen von wohlbegründeten, geschicht-
lichen Nachweisen -- noch heute an so manchem
der beiden Völker gemeinsamen Charakterzuge er-
kennen kann. Der Ausdruck Jüten, Joten und
Gothen ist ohnehin ein und dasselbe Wort, nur
nach Verschiedenheit der Mundart anders ausge-
sprochen. Wer uns einwenden wollte, daß der
Däne auf dem deutschen Reichstage deutschfeind-
liche Richtungen verfolgen werde, der vergißt, daß
die Erde den Mond anzieht und nicht der Mond
die Erde, und daß, wenn bisher der Einfluß
Deutschlands in allen unsern Vor= und Neben-
landen ein verhältnißmäßig sehr geringer war,
dies daher kommt, daß seit zwei Jahrhunderten
der Geist unseres Volks auf Kirchenhader und
Schulgezänk, nicht aber auf Erkenntniß und Wah-
rung unserer nationalen Jnteressen gerichtet war.
F* Karlsruhe, 30. März. Der Kriegsmi-
nister der provisorischen Regierung, Major May-
erhofer ist zu 16 Jahr Zuchthaus verurtheilt
worden. Der Lehrer und Literat Degen in Mann-
heim erhielt eine Zuchthausstrafe von 8 Jahren.
× Stuttgart, 29. März. Die Landesver-
sammlung ist vertagt, die Abgeordneten sind in
ihre Heimath abgereist, auch die, welche als Aus-
schußmitglieder und in den Kommissionen zu ar-
beiten haben, um wenigstens die Feiertage zu
Hause zu genießen, und so ist es denn bei wie-
der eingetretener Ruhe und Stille uns vergönnt,
einige Rückblicke in unsere Lage und Verhältnisse
zu werfen, was ich heute und in nachfolgenden
Artikeln mit größtmöglichster Unbefangenheit und
Unparteilichkeit thue. Jch habe Jhnen in einem
meiner früheren Briefe die Aussicht ausgesprochen,
daß Regierung u. Volksvertretung sich, so weit auch
ihre Grundsätze im Allgemeinen auseinandergehen,
doch einigen werden. Wenn ich jedoch diese Aus-
sicht eröffnete, so geschah das keineswegs durch
eine Verkennung der Verhältnisse oder indem ich
mir selbst verborgen hatte, daß auch ein äußer-
liches Uebereinkommen, die im Jnnern, im Wesen
bestehende Kluft zwischen Beiden nicht auszufüllen
vermöge. Wenn diese Einigung zu Stande
kommt, so wird damit noch lange keine Freund-
schaft geschlossen, sondern die politische Nothwen-
digkeit führt nur eine Art Waffenstillstand herbei.
Daß kein Theil mehr beabsichtigte, geht z. B.
einestheils aus der Sprache des Staats - Anzei-
gers, aus der fortwährenden Strenge gegen die
Presse, andererseits aus dem Votum in Betreff
der Steuerhebung, aus der Wahl der 6 Com-
missäre zu den vertraulichen Conferenzen über die
Verfassungsrevision hervor. Unter diesen 6 Com-
missären sind drei ganz entschiedene Demokraten
der äußersten Färbung ( Mohl, Rödinger, Fetzer ) ,
zwei nicht minder Entschiedene in den Grundsätzen,
nur vielleicht milder in der Form und unter ge-
wissen Umständen wohl eher zu Transaktionen
geneigt ( A. Seeger, Pfeifer ) , und einer vom
rechten Centrum, der zwar nicht demokratische
Grundsätze hegt und nicht gerade auf das allge-
meine Stimmrecht versessen ist, wie die andern
fünf, der aber in der deutschen Frage es mit
Erfurt hält und über die Thronrede in dieser
Hinsicht sich so stark aussprach, wie keiner von
der äußersten Linken, das ist Reyscher. Ueb-
rigens wird doch versichert, es könne über den zu-
nächst zur Verhandlung kommenden Abschnitt der
Verfassung insofern möglicherweise eine Einigung
zu Stande kommen, als nach der Aeußerung eines
hohen und dem Könige sehr nahestehenden Staats-
manns ( man nennt den Frhrn. v. Linden ) die
Regierung geneigt sein solle, unter der Voraus-
setzung, das Wahlgesetz vom 1. Juli 1849 für
die II. Kammer bestehen zu lassen, wenn dagegen
die Landesversammlung eine 1. Kammer mit ent-
sprechendem Census zugestehe. Jndeß haben bis
jetzt solche Conferenzen noch nicht stattgefunden
Aber außer der Verfassungsrevision gibt es noch
eine große Menge Differenzpunkte zwischen der
demokratischen Mehrheit der Landesversammlung
und der Regierung, worüber uns schon ein flüch-
tiger Blick in den Rechenschafs = Bericht des
Ausschusses der Landesversammlung über seine
Amtsverwaltung in der Periode vom 22. Dez.
1849 bis zur Eröffnung der 2 verfassungsbera-
thenden Landesversammlung von 1850 belehrt,
worüber mein Nächstes das Nähere enthalten
soll. Die ultraconservative Partei zeigt sich indeß
fortwährend sehr unzufrieden über das, was sie
die größte Nachsicht mit der demokratischen Partei
nennt und herrscht darum auch ein merkliches
Schwanken in den höheren Regionen.
== Wiesbaden, 31. März. Der Herzog ist
aus Wien wieder hier eingetroffen.
□ Weimar, 30. März. Am 1. Juni wird
die neue Gemeinde = Ordnung, das Werk des
Staatsministers v. Watzdorff, im ganzen Groß-
herzogthum in's Leben treten. Dieselbe ist basirt
auf dem Prinzipe der Selbstregierung und stellt
die Schule unabhängig von der Kirche hin. Die
in ihrer Zahl beschränkten Gerichte haben fortan
nur die Jurisdiktion auszuüben, alle Verwaltungs-
geschäfte derselben gehen auf die Gemeinde=Vor-
stände über. Man versichert, daß in Folge dieser
Gemeindeordnung an 50 Beamte entbehrlich wer-
den würden. Diese neue Gemeinde=Ordnung wird
in allen thüringischen Staaten, mit Ausnahme
von Altenburg, eingeführt werden.
== Gotha, 29. März. Der Landtag ist bis
zum 1. Mai vertagt worden, einestheils um den
Erfurter Reichstag erst vorübergehen zu lassen,
anderntheils um die Vorlagen über Vereinigung
der beiden Landestheile Koburg und Gotha
bearbeiten zu können.
Berlin, 29. März. Eine Depesche, welche
Hrn. von Meyendorff gestern dem hiesigen Ka-
binet übergeben hat, betrifft die deutsche Frage,
und ist in versöhnlichem Sinne abgefaßt. Sie
beschränkt sich darauf, auf die Nothwendigkeit ei-
ner Einigung zwischen den beiden deutschen Groß-
mächten hinzuweisen, und räth hier, wie in Wien,
zur Verständigung.
Berlin, 30. März. Die „Deutsche Reform“
meldet: „Heute Mittag hat in Bellevue bei Sr.
Majestät ein Ministerrath im Beisein des
Generallientenants von Radowitz stattgefunden.
Es sind dabei definitive Beschlüsse über
das weitere Verhalten der Regierung in Bezug
auf die Behandlung der Verfassungsfrage in Er-
furt gefaßt worden. Der Minister des Jnnern ist
gleich darauf auf ein Landgut in der Lausitz ab-
gereist. Hr. v. Radowitz wird morgen Abend wie-
der nach Erfurt abgehen.“
sjplus Erfurt, 28. März. Die erste Hauptfrage,
welche sich dem Parlament darbietet und deren
Lösung die Basis für dessen ganzes weiteres Vor-
schreiten bedingt -- die Frage der Blocannahme --
war in ein Stadium getreten, welches dem Ver-
waltungsrathe eine passive Haltung nicht länger
gestattete. Wenn die Erwartung, ihn in dieser
Beziehung von vorn herein eine bestimmte Jni-
tiative ergreifen zu sehen, getäuscht worden war,
so mußte doch jetzt zu den in den Ausschüssen
hervortretenden Anträgen eine feste Stellung von
ihm eingenommen werden. Die Commissarien des
Verwaltungsraths haben demnach gestern Nachmit-
tag den Verfassungs = Ausschüssen beider Häuser
Mittheilungen in der betreffenden Angelegenheit
gemacht. Jn dem Ausschusse des Staatenhauses
machte Hr. v. Carlowitz zunächst darauf aufmerk-
sam, wie der Natur der Sache nach der Verwal-
tungsrath, der so verschiedene Regierungen vertrete,
nicht leicht ohne dringende Veranlassung zu Be-
schlüssen gelange. Jn der vorliegenden Frage sei
er jedoch jetzt instruirt, bestimmt zu erklären, daß
der Verwaltungsrath eine Blocannahme der Ver-
fassung nur dann genehmigen werde, wenn 1 ) die
Grundrechte von ihr ausgeschlossen bleiben, und
2 ) für die spätere Revision die einfache Majo-
rität der Stimmen ausdrücklich vorbehalten werde.
Es sei conditio sine qua non. daß in beiden
Häusern hierauf gerichtete Anträge als untrenn-
bares Ganzes mit dem auf Blocannahme der
Verfassung verbunden würden. Lehne das Par-
lament diesen Weg ab, so werde der Verwal-
tungs = Rath eine der Annahme der Verfassung
vorangehende Revision aller ihrer Theile vorzie-
hen. Jn Betreff der Ausschließung der Grund-
rechte bemerkte Hr. v. Carlowitz noch besonders,
daß dieselbe hauptsächlich von der preuß. Regie-
rung verlangt werde, um Aenderungen der so
eben in Berlin festgestellten Verfassung zu ver-
meiden. Für die kleineren Staaten könne es
aber ebenfalls nur beruhigend sein, wenn für
jetzt keine Modification der von ihnen angenom-
menen Frankfurter Grundrechte in Aussicht gestellt
werde. Die Eröffnungen des Hrn. v. Carlowitz
riefen von Seiten der großen Majorität des Aus-
schusses sehr lebhaften Widerspruch hervor. Man
wiederholte nicht nur die materiellen Gründe für
die Blocannahme ohne Vorbehalt, sondern man
bestritt den Regierungen auch das formelle Recht,
dem Parlament jetzt neue Bedingungen vorzuschrei-
ben, unter denen es allein die von ihnen selbst vor-
gelegte Verfassung annehmen dürfe. Es liege hier
ein einfaches Contractsverhältniß vor. Die Regie-
rungen seien durch den von ihnen der Nation dar-
gebotenen Entwurf gebunden, und nur dem Par-
lament stehe es zu, einfach anzunehmen oder die
Annahme an gewisse Vorbehalte zu knüpfen. Man
erinnerte an die ernsten Worte, in denen so eben
erst der Vorsitzende des Verwaltungsraths in öf-
fentlicher Sitzung den Bruch der Nation gegen-
über eingegangenen Verpflichtungen durch einige
der verbündeten Regierungen gestraft habe. Man
erwarte von dem Commissarius bestimmte Erklä-
rungen, ob -- wenn man auf die Ansicht des
Verwaltungs=Raths eingehe -- wenigstens dann
sofort die Einsetzung einer Unionsregierung er-
folgen werde. Hr. v. Carlowitz war jedoch in
dieser Beziehung nicht mit Jnstructionen verse-
hen, und behielt sich weitere Mittheilungen vor.
Der Ausschuß erwählte zuletzt die HH. v. Pa-
tow, v. Sybel und Camphausen für eine Unter-
Commission, um in der nächsten Sitzung, welche
auf Sonnabend angesetzt wurde, weitere Vor-
schläge über das bei dem gegenwärtigen Stande
der Verhältnisse einzuschlagende Verfahren zu
machen. Jm Verfassungs=Ausschusse des Volks-
hauses machte Hr. v. Radowitz ganz dieselben
Mittheilungen, und sie wurden hier von der
Majorität mit gleicher Ungunst aufgenommen.
Hr. v. Radowitz beharrte jedoch darauf, daß
der von ihm bezeichnete Weg der einzig mög-
liche sei, und malte die Folgen einer Ableh-
nung desselben mit sehr düstern Farben aus.
Die Discussion war auch hier eine sehr leb-
hafte. Hr. Camphausen ( Köln ) , welcher Refe-
rent dieses Ausschusses ist behielt bei der geän-
derten Lage seinen Bericht vor. Die Eröffnun-
gen der Commissarien wurden heute hier überall
lebhaft besprochen, und es ist durch dieselben
unläugbar bei der Mehrheit der Abgeordneten
nicht geringe Unruhe und Mißstimmung hervor-
gerufen. Diese ist überzeugt, daß, wenn nicht
alle Grundlagen des Bündnisses vom 26. Mai
von vorn herein in ihrer vollen Jntegrität an-
erkannt und festgehalten werden, das ganze hier
zu wollende Werk in der Luft steht, und daß
das Erreichen eines Ziels unmöglich ist, wenn
sogleich am Anfang des Wegs mit Bedingun-
gen und Clauseln begonnen wird. Von wohl-
unterrichteter Seite wird jedoch versichert, daß
Hr. v. Radowitz in Betreff der angeregten Frage
noch gar keine speziellen Jnstructionen der preuß.
Regierung, sondern nur den allgemeinen Auftrag
gehabt habe, bei einer etwa beabsichtigten An-
nahme en bloc bestimmte Garantieen zu for-
dern. Er habe nach seinem eigenen Ermessen
jenem Auftrag eine Fassung gegeben, für welche
er eine größere Zustimmung zu finden gehofft
habe, denn er sei mit der Zusammensetzung der
Versammlung und der Ausschüsse nicht hinreichend
bekannt gewesen. Ueberdies habe die Form seines
Vortrags im Ausschusse dessen Jnhalt schroffer er-
scheinen lassen, als derselbe gemeint gewesen. We-
nigstens werde selbst von Mitgliedern des Verwal-
tungsraths das Kategorische der Beschlüsse bestrit-
ten. Man erwartet daher, daß von Berlin aus
in geeigneter Weise die eingetretene Mißstimmung
werde beseitigt werden. -- Der Verfassungs - Aus-
schuß des Volkshauses hielt diesen Morgen eine
neue Sitzung, in welcher Hr. v. Radowitz jedoch
nicht erschien. Wir haben bereits erwähnt, daß aus
dem Ausschusse für den die Grundrechte betreffen-
den Theil der Verfassung zwei Referenten ge-
wählt sind. Er ernannte deren auch heute für
einige andere Theile, namentlich für den das
Fürstencollegium betreffenden Abschnitt, um vor-
läufig überall wenigstens im Allgemeinen die
Hauptpunkte zu bezeichnen, in denen eine Modi-
fication empfehlenswerth scheint. Der Ausschuß
arbeitet sehr angestrengt, und hält auch diesen
Nachmittag wieder Sitzung. -- Hr. v. Hassenpflug
ist gestern in der Eigenschaft eines ersten Bevoll-
mächtigten für Kurhessen in den Verwaltungsrath
eingetreten, und hat in der gestrigen wichtigen Si-
tzung sofort in sehr energischer Weise das Wort
für eine der Annahme der Verfassung vorange-
hende Revision ergriffen. Es ist jedoch gewiß,
daß die kurhessische Regierung einen unmittelba-
ren Rücktritt vom Bündnisse vom 26. Mai nach
dem Beispiel Hannover's nicht beabsichtigt. Viel-
mehr wird Prof. Wetzel als zweiter Bevollmäch-
tigter fortwährend fungiren, während bei wichti-
geren Angelegenheiten Hr. v. Hassenpflug selbst
den Verhandlungen des Verwaltungsraths bei-
wohnen wird, da Erfurt von Kassel aus ver-
mittelst der Eisenbahn in wenigen Stunden zu
erreichen ist.
+ Wien, 26. März. Jm Ministerium des Jn-
nern arbeitet eine Kommission an dem Entwurfe
des Landesstatuts für die italienischen Provinzen.
Mitglieder dieser Kommission sind unter Anderen
der frühere Gouverneur von Triest, Graf Salm,
und Baron Andriani, der die inneren Verhältnisse
und Zustände der lombardisch=venetianischen Pro-
vinz von seiner früheren Dienstleistung her gründ-
lich kennt. Auch der Graf Montekukoli wurde
herberufen und ist bereits gestern angekommen. --
Neuerdings ist das Gerücht verbreitet, daß FML.
Hrabowsky zum Tode verurtheilt ist und schon
übermorgen hingerichtet werden soll. Wir können
aber noch immer nicht glauben, daß man einen
alten 70jährigen Veteranen, Ritter von 22 Orden,
welchem die Regierung selbst im Jahre 1848 die
unregelmäßige Stellung eines Kommandanten in
Ungarn übertragen hat, welcher dem damaligen
magyarischen Ministerium gehorchen mußte, zum
Tode verdammen wolle, weil er nicht genug Ener-
gie entfaltet hat, und leider als geborener Magyare
manchmal vergaß, was er als österreichischer Ge-
neral zu thun verpflichtet war. Seit dem Dezem-
ber 1848 bereits steht er in Untersuchung, im
eigentlichen Revolutionsdrama ist er nicht bethei-
ligt gewesen, und wir glauben nicht, daß er ge-
rechterweise des Hochverraths beschuldigt werden
kann. ( Nach sicheren Berichten ist Hrabowsky zu
10jährigem Festungsarrest verurtheilt. ) -- Nach
den letzten so eben eingelangten Nachrichten aus
Bosnien vernehmen wir, daß die krainaer Jnsur-
genten dem Vezir von Travnik, wegen der Unge-
rechtigkeiten und Vexationen, die sie vom Pascha
von Bihaks erleiden müssen, eine Klage einreichten;
zugleich erklärten sie, daß, im Falle sie nicht er-
hört würden, sie alle Mittel anwenden werden, die
anderen Orte Bosniens zu ihrer Seite zu ziehen,
da sie ohnedies auch mit ihm sympathisiren und
ihre Sache zu befördern trachten. -- Die theolo-
gische Fakultät der Pesther Universität hat gegen
die Verlegung der letztern nach Ofen einen aus-
führlichen Protest eingelegt. -- Die österreichische
Nationalbank hat dem Pesther Handelsstande den
früher bewilligten Kredit von 450,000 Gulden
prolongirt und einen neuen Kredit von 550,000
Gulden eröffnet. Die Ofener Filialbank wurde
zur Auszahlung des letzteren angewiesen. -- Die
„Agramer Zeitung“ meldet in einer ihrer jüngsten
Nummern: Die Auflehnung der Bauern in Za-
gorien sei dem Umstande zuzuschreiben, daß die
Eigenthümer der dem Zinse und dem Bergrechte
unterliegenden Gründe von den Bauern die Ab-
gaben fordern, ohne daß die letzteren, wegen Man-
gel an Arbeitskräften und an Wirthschaftsvieh jene
Gründe bearbeitet hätten. -- Es läuft die Nach-
richt ein, daß von Seiten der königlich baierischen
Regierung die Entwaffnung der Gemeinde Laken-
haus, deren Bewohner im Febr. l. J. das mör-
derische Gefecht mit der k. k. Finanz=Wachmann-
schaft an der böhmisch=baierischen Grenze bestanden
haben und überhaupt durch ihren Hang zum Schmug-
gel und zu Exzessen berüchtigt sind, angeordnet,
diese Gemeinde mit einer Exekution von 40 Mann
des königlich baierischen 8. Jnfanterie=Regiments
belegt und eine Anzahl von 20 dortigen Jnsassen
vorläufig verhaftet worden ist. -- FML. Wohl-
gemuth, FZM. Heß, FML. Wimpfen und
General Schlick von der Kavallerie haben den
Maria=Theresia=Orden erhalten.
+ Wien, 27. März. Die heutigen offiziellen
Blätter enthalten gegen 30 kriegsrechtliche Urtheile
über ehemalige österreichische Subalternoffiziere,
davon 16 auf Tod lautende, aber auf Festungs-
strafe gemilderte. -- Ein in österreichischen Blät-
tern veröffentlichter Brief des Generals Buturlin,
Generalstabschefs des Fürsten Paskewitsch, läug-
net, mit Bezug auf die Beschuldigung, Haynau
verletze durch seine Hinrichtungen die Arader Ca-
pitulation, daß die ungarische Besatzung capitulirt
habe; sie habe sich ohne Bedingungen ergeben. --
Heute Nachmittags fand die Leichenfeierlichkeit zu
Ehren des letzthin verstorbenen Prinzen von Nas-
sau statt, wozu sich sein Bruder, der regierende
Herzog von Nassau, eingefunden hatte. Der Ver-
blichene war erst 30 Jahre alt und diente in der
k. k. Armee als Oberst des Husarenregiments
Fürst Liechtenstein; sein Vetter, der Erzherzog
Albrecht, hatte ihm das Palais auf der Bastei
eingeräumt, wo er auch verschied. Unter militä-
risch=kirchlicher Ceremonie wurde der Leichnam auf
den Nordbahnhof geführt, um sodann weiter fort
in die herzogliche Familiengruft zu Usingen ge-
schafft zu werden. -- Am 23. März erschien der
Bauer Kainz aus Parsdorf, Verfasser einer unter
dem Titel „Antichrist“ erschienenen Broschüre, in
der Hofburg und verlangte mit dem Kaiser zu
sprechen, vorgebend, er sei ein Prophet und ge-
sonnen, dem Kaiser die Ereignisse des Jahres
1850 wahrzusagen. Man fand sich veranlaßt,
den Geisteszustand des angeblichen Propheten zu
untersuchen, in Folge dessen er sogleich in das
Jrrenhaus gedracht wurde.
Wien, 28. März. Man berichtet aus Mai-
land folgenden edlen Zug des kommandirenden
Fürsten v. Schwarzenberg. Graf Arena, der als
Flüchtling in der Schweiz lebte, hatte sich an den
Fürsten Schwarzenberg mit der Bitte gewendet,
seinen todtkranken Vater nur auf drei Tage sehen
zu dürfen. Er verpflichtete sich dabei, Niemand
zu besuchen, und wollte sich sogar unter militä-
rische Aufsicht stellen. Der edle Fürst gewährte
ihm nicht blos diese Bitte, sondern gab ihm so-
gar die Erlaubniß, sich in voller Freiheit zwei
Monate in Mailand aufzuhalten.
Wien, 28. März. Dieser Tage wurden wie-
der verschiedene politische Gefangene nach dem
Spielberg abgeführt. -- Die österreichische Welt-
umseglungsexpedition wird endlich doch stattfinden,
und ist nur einige Zeit verschoben worden. --
Möchte die Finanzkommission sich doch beeilen
ihre Berathungen zu veröffentlichen, damit man
endlich erfahre, woran man ist. Die Ungewißheit,
in der man das Publikum über das Schicksal der
Bank läßt, erregt wahrlich keine geringe Besorg-
niß, und es ist hohe Zeit, daß der Finanzminister
etwas entscheidendes thue.
( Allg. Z. )
+ Wien, 29. März. Die Organisation des
Kriegsministeriums ist bis zur Rückkehr des Kriegs-
ministers verschoben. F.=M.=L. Degenfeld zeichnet
die Erlasse und der Ministerpräsident die Vorträge
dieses Ministeriums. -- Das Hauptquartier des
Feldmarschall=Lieut. Erzherzog Albrecht, Komman-
danten des Observations=Corps in Böhmen, wird
von Theresienstadt nach Töplitz verlegt werden. --
Der Debit der bei Hrn. J. Reck in Heften er-
scheinenden Zeitung: „Jllustrirtes März = Album,“
ist hohen Orts eingestellt worden. -- Dieser Tage
wurde der bekannte Tänzer Vester Sandor in
Ketten nach Wien gebracht. Er soll im Dienste
Pulsky's besonders im Oktober 1848 gestanden
sein. Sandor war es, der bei dem Anmarsche
der Ungarn am 30. Okt. aus Varga's Händen
die Signalraketen erhielt und damit zum Ste-
phansthurm eilte. Er entkam am 6. Nov. aus
Wien, war aber so unbesonnen, noch in demsel-
ben Monat in einem Pesther deutschen Blatte
sein ganzes Thun und Lassen in der Residenz
zu veröffentlichen. -- Aus dem ehemal. Tapo-
rer Kreise wird gemeldet: daß bedeutende Auf-
lehnungen, sogar Erzesse, gegen die dort wir-
kenden Grundentlastungs=Bezirkscommissionen vor-
gefallen sind.
Wien, 29. März. Mit dem gestrigen Post-
zuge ist Frhr. v. Vrints, k. k. außerordentl. Ge-
sandter am dänischen Hofe, mit dringenden Depe-
schen hier angekommen.
Triest, 29. März. Aus Bosnien sind Nach-
richten vom 25. d. eingelaufen, wornach die dor-
tige Revolte sowohl an Ausdehnung als Gefähr-
lichkeit fortwährend zunimmt. Die Bevölkerung
von Banjaluka hat 2000 türkische Soldaten ver-
trieben. Der Vesir von Travnik ließ eine Auf-
forderung zur Beihilfe ergeben, die jedoch von
den Pascha's unbefolgt blieb.
Frankreich.
C Paris, 28. März. Die gerichtliche Ver-
folgung gegen Hrn. Vancorbeil wegen seiner Bro-
schüre über die Revision der Verfassung ist be-
gonnen. Gestern war derselbe neuerdings vor
dem Untersuchungsrichter. -- Sämmtliche Mit-
glieder der Preßgesetzkommission, mit Ausnahme
des Hrn. Mol é haben sich gegen Erhöhung der
Caution ausgesprochen. -- Noch immer beschäftigt
sich die öffentlich Meinung mit dem Antrage
Larochejacquelin's. Man ist einstimmig darüber,
daß sowohl die republikanische als die royalistische
Partei sich nicht mit der Offenheit und Ehrlichkeit
benommen haben, welche der Gegenstand erfor-
derte. Man glaubt ferner, daß Larochejacquelin
bloß aus eigenem Antrieb den Antrag gestellt
habe und daß derselbe mindestens eben so stark
gegen die Orleanisten, als gegen die Republik ge-
richtet gewesen sei. Man hat es der Linken sehr
übel genommen, daß sie den Fehdehandschuh nicht
aufgehoben; die Mitglieder der Montagne ent-
schuldigen sich, daß sie der Regierung keine Ge-
legenheit verschaffen wollten, sich in Zukunft bei
einem inconstitutionellen Antrage auf einen Prä-
cedenzfall berufen zu können. Am meisten hat der
Antrag die Bonapartisten in Wuth gebracht. Die
Wirkung im Elysee soll eine peinliche gewesen
sein. Man will sogar behaupten, es sei im gestri-
gen Ministerrathe die Meinung laut geworden,
einen energischen Tadel gegen den Antragsteller
auszusprechen. Nur zwei Minister sollen dagegen
gewesen sein. Jedenfalls ist die Tragweite und
Wirkung des Antrags bedeutend und man hört
vielfach die Ansicht aussprechen, derselbe sei nur
als ein Vorbote anderer zu betrachten. -- Die
Journale fahren heute in ihrer Kritik des La-
rochejacquelin 'schen Antrages fort. Der Consti-
tutionel äußert sich folgender Maßen: Ohne uns
bei der Frage der Jnconstitutionalität, welche die
Versammlung bereits entschieden hat, länger auf-
zuhalten, fragen wir Hrn. L. ob er wohl alles
Ernstes glaube, das vorgeschlagene Mittel werde
der Ungewißheit, die es vernichten soll, ein Ende
machen. Was verlangt er? Die Wähler sollen
Republik oder Monarchie auf die Stimmzettel
schreiben und die Regierungsform der Majorität
soll gelten. Diese Lösung wäre, gerade heraus
gesagt, keine. Wenn nun die Monarchie siegt,
welche ist es denn? Jst es das legitime König-
thum, die Julimonarchie, das Kaiserreich oder eine
neue Dynastie. Auf der Kehrseite, wenn die Re-
publik siegt, dieselbe Verlegenheit, denn wir haben
heute zu Tage so viele Republiken, als Monar-
chien. Jst es die Gegenwärtige, die demokratische
und sociale, die Louis Blanc's, Considerants oder
Proudhon's, die alle unter einander größere Ab-
stände zeigen, als den einer gewissen Repu-
blik von der constitutionellen Monarchie.
Der Aufruf an's Volk besitzt also die Heilkraft
nicht, welche Hr. Larochejacquelin ihm zuschreibt.
Diese Abstimmung würde nur neue, noch furcht-
barere Fragen herbeiführen, die weit entfernt, den
Bürgerkrieg zu verhindern, denselben beschleunigen
und erbittern würden. Hrn. L. Absicht war gut,
aber sein Mittel ist abscheulich. Sein Antrag
wäre gegen seine und seiner Partei Zweck ausge-
fallen, hätte man ihn angenommen. Jn der That,
er will den Spaltungen ein Ende machen und
was hat er anders bewirkt, als den Bruch zwi-
schen den alten Parteien, die sich versöhnen soll-
ten, noch weiter zu treiben. -- Gestern hat im
Gehölz von Vincennes in Folge eines politischen
Streites eine Duell zwischen Hrn. Lirense, Redak-
teur des Constitutionel und Hrn. Weill, Redak-
teur der Gazette de france Statt gefunden. Kei-
ner wurde verwundet. -- Das Comite der Be-
sitzer, Fabrikanten Handelsleute und Arbeiter für
die letzten Wahlen hatte Hrn. Croce Spinelie
zum Vorsitzer. Derselbe sammelt nun Unterschriften
zu einer Petition an die Nationalversammlung,
um 1 ) Abschaffung der Getränkesteuer vom 1.
Juli 1850. 2 ) Besteuerung der Hypotekar= und
Staats = Renten und Aktienkäufe mit 1$%$. 3 )
5$%$ Verminderung aller Beamtengehalte über
2000 Fres. 4 ) Gründliche Revision des Pa-
tentgesetzes. -- Er will dadurch eine jährliche Er-
sparung von 700 Millionen bezwecken. -- Vor
dem gestrigen Assisenhofe der Seinededepartements
wurde die bekannte Affaire der Rue Rumfort ver-
handelt. Alle Angeklagten sind gegenwärtig. Es
sind 15, darunter 1 ehemaliger Leibgardist, 1 Be-
amter und 1 Priester. Sie gehören alle der
Huberts=Legion an. Jhr Alter ist von 40 bis
57 Jahren. Unter ihren Vertheidigern bemerkt man
keine Nationalität. Der Anklageakte entnehmen
wir Folgendes: Jm November 1847 constituiren
sich eine legitimistische geheime Gesellschaft unter
dem Namen Huberts=Legion. Jhr Wappen und
Vereinigungszeichen sind ein Eberkopf. Sie sollte
in Bataillons zu 10 Compagnien: jede von 100
Mann, Officiere und Unterofficiere nicht mitbe-
griffen, zerfallen. Das erste Bataillon stand un-
ter dem Commando des Exleibgardisten Patras
de Campaigno. Jn dessen Wohnung wurde am
26. November die Gesellschaft, welche früher schon
mehrere Sitzungen gehalten hatte, von den Poli-
zeiagenten aufgehoboen. Jn den Aktenstücken findet
sich folgende Eidesformel: Wir schwören, unsere
Leben unsern legitimen Könige Heinrich v. Bour-
bon zur Verfügung zu stellen und lieber zu ster-
ben, als unsern Schwur zu verrathen. Nach den
Aussagen der Angeklagten selbst, war der Zweck
der Gesellschaft, in einem vorkommenden Falle
die Ansprüche des Grafen Chambord auf den
französischen Thron zu unterstützen. Patras ant-
wortet mit großer Zuversicht. Ein Angeklagter,
Hauptmann der Legion, war Lakai Carls X., ein
anderer wegen grober Majestätsbeleidigung unter
Carl X. dreimal verurtheilt. Die Sitzung wurde
um 5 Uhr vertagt. -- Der französische Gesandte
in London, Dronin de Lhays, ist zum Mitglied
des englischen Comite für die Londoner Ausstel-
lung ernannt worden. Dagegen enthält heute der
Moniteur die Ernennung des hiesigen englischen
Gesandten, Lord Normanby, zum Mitgliede des
französischen Comite für dieselbe Ausstellung.
C Paris, 29. März. Diesen Morgen fand im
Elysee ein Ministerrath Statt, welchem alle Mi-
nister beiwohnten. Nach demselben hatte der Prä-
sident der Republik eine lange Unterredung mit
Baroche. -- Der Beschluß der Kommission über
das Preßgesetz, nächsten Montag eine Deputation
der Journalisten zu empfangen, hat einen sehr gün-
stigen Eindruck gemacht. Die Sitzung, welche sie
zu diesem Behufe angeordnet hat, wird um 11 Uhr
Statt finden. Uebrigens wurde ein ähnlicher Be-
schluß schon unter der Konstituante, damals auf
Antrag des Hrn. Crespel de Latouche gefaßt, mit
der Ausnahme, daß damals die Departemental-
presse nicht inbegriffen war. -- Die ganze De-
partementalpresse ist entschlossen, nicht nur die Kau-
tionserhöhung, sondern auch den Stempel zurück
zu weisen. Die französische Nation hängt so sehr
an dem Besitze ihrer Presse, daß die öffentliche
Meinung ohne Unterschied der Parteien den Ent-
wurf zurückweist. -- Die Presse liefert schander-
hafte Details über den Zustand der Gefängnisse
im Mont=St.=Michel, bekanntlich ein Felsen im
Meere. Ein Brief, der ihr aus der Citadelle ge-
schrieben wurde, meldete, daß ein Gefangener we-
gen der qualvollen Marter in seinem Kerker sich
erhängte. Die Presse fordert strenge Untersuchung
und Absetzung des Direktors dieses Staatsgefäng-
nisses. -- L'Union meldet, daß gestern fünf Sol-
daten, welche an der Julisäule Kränze niederleg-
ten, verhaftet wurden. -- Gestern Abend hielten die
Repräsentanten der Rechten eine wichtige Sitzung in
der rue Rivali. Es handelte sich natürlich um
den Antrag Larochejacquelin's. Bechard und Favreau
erklärten, sie bedauerten, daß Hr. von Larochejac-
quelin sich nicht mit Andern verständigt habe,
doch seien sie der Ansicht man müsse in diesem
Sinne wirken. Berryer und Vatismeneil sprachen
nur gegen die Form, welche das Prinzip der Le-
gitimität gefährden könnte und es den Zufälligkei-
ten einer Wahl Preis gäbe, die Majorität be-
schloß daher, man werde auf seiner Hut sein und
abwarten. -- Wir lesen im heutigen Moniteur,
daß in Zukunft die in Algier verwendeten Trup-
pen anstatt ihrer Fleischration ein Geldrelutum
erhalten. Eben so haben sie sich mit dem übrigen
Mundvorrath, Salz, Reis, Gemüse ec. selbst zu
versehen. Die Armee in Algier ist daher mit je-
ner in Frankreich vollkommen gleich gestellt. Jn
Handel kommen dadurch circa 4 Mill. Fr. per Jahr.
-- Gestern Morgens 7 Uhr 55 Minuten wurde
Bartholomäus Roulette, unterm 8. Februar vom
Assisenhof der Seine wegen Raubmords zum Tode
verurtheilt, an der Barriere St. Jaques guillo-
tinirt. Erst vorgestern in später Abendstunde war
der Polizeipräfektur die nöthige Weisung zuge-
kommen. Der Verurtheilte war darauf nicht ge-
faßt. Er sank zusammen, als man ihm verkün-
digte, seine Appellation sei verworfen, er müsse
sterben. Auf das Schaffot mußte er, da er ganz
bewußtlos war, getragen werden. Er hatte einen
Kameraden, welcher eine Baarschaft von 88 Frc.
bei sich trug, nachdem er mit ihm in mehreren
Weinkneipen gewesen, auf der Straße von Cha-
tillon mit Kieselsteinen erschlagen. Er hatte fort-
während die That geläugnet, bis er den Wagen
bestieg, der ihn zur Richtstätte führte.
C Paris, 30. März. Der geistvolle Dich-
ter Moritz Hartmann, welcher sich seit Kurzem
hier befindet, fand in den besten Kreisen freund-
liche Aufnahme. Sein neuer Roman „Der Kampf
um den Wald“ ist in's Französische übersetzt worden
und wird demnächst bei einem hiesigen Buchhänd-
ler erschienen. Von hier gedenkt Hartmann sich
nach London zu begeben. -- Der Minister der
öffentlichen Arbeiten hat die unmittelbare Errich-
tung eines elektrischen Telegraphen auf der Eisen-
bahnlinie von Paris nach Orleans, Vierzon, Cha-
teauroux und Bourges befohlen. Derselbe soll
vom 1. August an funktioniren. -- Die Einwei-
hung des Erzbischofs von Moulins wird am zwei-
ten Sonntag nach Ostern in Paris statt finden.
Der apostolische Nuntius wird die Einweihung
vornehmen. Der Erzbischof war früher General-
Vikar der Pariser Diözese. -- Der Korsaire will
wissen, daß Hr. Thiers jeden, der ihn noch ferner
einen „Burggrafen“ nennen würde, fordern will.
Diese Majestätsbeleidigung ging, wenn wir nicht
irren, zuerst von dem Schalk in der rue du Crois-
saul, dem Charivari, aus, welcher die respektabeln
Führer der Majorität mit diesem Namen belegte,
der seitdem in die großen politischen Blätter und
in's Publikum übergegangen ist.