Deutsche Auswanderung.
( Schluß. )
II. Der Vorschlag einer deutschen Versammlung zur wissenschaft-
lichen Erörterung der Auswanderungs= und Colonisationsfragen.
Unsere Leser werden sich einer Aufforderung zu einer allge-
meinen Versammlung deutscher Männer zur Berathung über die
Auswanderungsfrage erinnern. Sie wurde in No. 28 dieser Blät-
ter aus der Weserzeitung aufgenommen und ohne allen Commen-
tar begleitet, weil wir eine ausführliche Besprechung derselben
später liefern wollten. Jn dem 2. Theile des Sturz' schen Vor-
trags, der obige Aufschrift führt, erfahren wir nun gleich zu
Anfang desselben, daß Herr General = Consul Sturz der Urheber
und Verfasser jener Aufforderung ist, und finden die nähere Mo-
tivirung derselben, da sie nicht unbeachtet geblieben, vielmehr in
die bedeutendsten Zeitschriften Deutschlands übergegangen und von
mehreren beifällig besprochen und die Verwirklichung des Vor-
schlags befürwortet worden ist.
Die Jdee des Hrn. General = Consuls ist folgende:
Es sollen Alle, welche irgend Sitz und Stimme bei der Aus-
wanderungsfrage in Anspruch nehmen können, Menschenfreunde,
Staatsmänner, im Fremdhandel wohl erfahrene Kaufleute, Geo-
graphen, Aerzte, Naturkundige, in den zu Zielpunkten vorgeschla-
genen Ländern durch eigene Anschauung wohl vertraute Männer,
dort Ansässige oder von dorther Zurückgekehrte, natürlich Solche
nicht ausgeschlossen, die in unzufriedener Stimmung wiederge-
kommen sind -- zu einer großen Versammlung zusammen-
treten, und ihre Meinungen und Erfahrungen aussprechen. Die
Presse soll die Discossion ergänzen. Dann, meint Hr. Sturz,
wird unfehlbar die volle Wahrheit über Alles ermittelt werden, und
das Ergebniß wird ein hohes allgemein gültiges Grundprinzip sein,
auf welchem alsdann ein System der Auswanderung und Kolonisa-
tion erbaut werden wird. Aus dem klar herausgestellten, zum vollen
Bewußtsein von Zweck und Mitteln ausgebildeten Verständniß wird
eine energische, planmäßige Wirksamkeit hervorgehen, auf allen Punk-
ten des Vaterlandes werden, in Folge der Bestimmung, vereinbarte
Kräfte sich darbieten, und diese werden im Hinstreben auf ein einiges
Ziel als konsolidirte Kraft zusammenwirken; es werden fortan Mittel
und Wege zur Erzielung großer, schöner und wohlthätiger Resultate nicht
mehr mangeln. Solle aber ein folgenreiches, das ganze Emigrations-
und Kolonisationswesen umfassendes Resultat erzielt werden, so
müsse ganz Deutschland die Sache wirklich als eine National-
Angelegenheit auffassen und in thatkräftiger Uebereinstimmung
als solche behandeln. Um dahin zu gelangen, scheint dem Hrn.
Sturz der von ihm bezeichnete Richtweg ein rechter, unter den
obwaltenden socialen und politischen Umständen vielleicht der einzig
rechte zu sein.
Zunächst komme es, um die Jdee zu verwirklichen, auf Ver-
einbarung über den Ort der vorgeschlagenen Versammlung oder
Conferenz an. Dieser Beschluß könne nur im Gefolge vielfacher
Besprechungen in den Zeitschriften zu Stande kommen, und diese
Besprechung werde füglich in der erfolgreichsten Weise und am
schnellsten dadurch veranlaßt werden, wenn besonders an den Orten,
welche ein specielles Jnteresse dabei haben, daß die Zusammen-
kunft in ihren Mauern stattfinde, und auch anderwärts, wo Theil-
nahme für den menschenfreundlichen Zweck rege sei, zunächst Local-
Vereine sich bilden, welche das erste Erforderniß, einige Geld-
mittel zur Bestreitung der Kosten der Besprechung in den Blättern
aufbringen; denn gewisse vielverbreitete, daher nicht zu umgehende
Journale öffneten leider nur für Geld ihre Columnen, sollte es
sich auch um die wichtigsten allgemeinen oder das Wohl vieler
tausend Jndividuen berührenden Angelegenheiten handeln; manche
Zeitschriften allerdings zeichneten sich durch Bereitwilligkeit zur
Mitwirkung für gemeinnützige Zwecke aus, was zur Steuer der
Wahrheit nicht unerwähnt bleiben dürfe. Wir haben in einer
anderen großen Angelegenheit dieselbe Erfahrung gemacht.
Habe nun die Besprechung in den Zeitungen endlich zu einer
Vereinbarung über den Ort der Zusammenkunft geführt, so würde
es zur weiteren Förderung der Sache ersprießlich und zum Theil
nothwendig sein, daß aus den alsdann verbliebenen Beständen
der einzelnen Vereine durch Zusammenwerfen ein Fonds gebildet
würde, aus dem die weiter nothwendig werdenden Ausgaben für
Publicationen, Localitäten ec. bestritten werden könnten. Sturz's
Ansicht nach, sollte das Mitgefühl in dieser Sache von Jedem,
der es vermag, nach Vermögen durch einen Geldbeitrag bethätigt
werden, indem es ihm scheinen will, daß aus Mangel an reellen
Beiträgen in Deutschland gar manches Gemeinnützige nur un-
vollkommen oder gar nicht hat ins Leben treten können.
Der Vorschlag ist von der höchsten Wichtigkeit, denn er be-
trifft das Wohl von Millionen, und wir werden ihn mit aller
Kraft unterstützen, so viele Schwierigkeiten sich auch der Aus-
führung desselben in den Weg stellen, wenn unsere Hoffnung
getäuscht werden sollte, daß die deutschen Regierungen sich
vereinigen, um die Auswanderung so viel als möglich
zu organisiren, zu leiten und zu schützen und dadurch
auch deutschen Jnteressen im Auslande einen mächtigen
Halt zu schaffen. Wir können uns nun einmal von der An-
sicht nicht frei machen, werden vielmehr von Tag zu Tag in ihr
bestärkt, daß die Auswanderungs = Angelegenheit jetzt Angelegen-
heit der Regierungen geworden ist, daß diese also sich ihrer mit
allen Kräften annehmen müssen, und daß es die höchste Zeit ist,
dieses zu thun. Vertrauensvoll blicken wir daher auf Preußen,
Würtemberg und Baiern, daß sie bei dem Bundestage diese wich-
tigste aller wichtigen Angelegenheiten zur Sprache bringen, ver-
trauensvoll auf den Bund, daß er die Angelegenheit der reif-
lichsten Erwägung würdige und geeignete Maßregeln ergreife,
die Auswanderung, welche eine Wohlthat für Deutschland ist
und nicht mehr aufgehalten werden kann, so zu leiten, daß sie
zum Wohle der Scheidenden sowie der Daheimbleibenden aus-
schlage. Die Spalten dieser Zeitung sind der Besprechung des
Sturz'schen Vorschlags geöffnet, und wir laden alle ein, welche
Beruf und Lust in sich spüren, darüber ihre Meinung abzugeben,
ihre Aufsätze an die Redaction einzusenden, die sie mit Dank
entgegennehmen wird.
Am Schlusse des Vortrags hat der Hr. General = Consul
Sturz sich noch einige Andeutungen erlaubt, welche, wie er
wünscht und auch hofft, dazu beitragen werden, die an manchen
Orten sichtbar gewordene Antipathie gegen die Auswanderung
mit derselben zu versöhnen. Die Andeutungen sind ganz richtig
und auch wir hoffen, daß durch das Lesen derselben mancher von
denen, welche Auswanderung als eine Calamität ansehen, an-
derer Meinung werden wird. Sie lauten also:
„ Bei dem jetzt erweiterten Gesichtskreise der Ansichten in Bezug
auf Handel wird es wohl überflüssig sein, die Meinung widerlegen
zu wollen, daß durch die von den Emigranten mitgeführten Capita-
lien dem Vaterlande ein wesentlicher nachhaltiger Verlust entstehe; da
man schon zu der Ueberzeugung gekommen ist, daß baares Geld be-
ziehungsweise nicht ein selbstständiger Werth, sondern nur Werthzeichen,
also durch vervielfältigte Arbeit und Production ersetzbar ist, wo-
bei nicht zu übersehen ist, daß unter ungünstigen Verhältnissen der
Mensch nicht den vollen in seiner Capacität schlummernden Werth
durch Arbeit darstellen kann, unter Umständen es daher für das Va-
terland sogar ein Gewinn sein kann, wenn durch die Ableitung der
Ueberfüllung auf vorher den obwaltenden Verhältnissen nach zu dicht
besetzten Stellen freierer Raum geschaffen wird, auf dem die Hinter-
bliebenen jetzt weniger behindert sich bewegen, ihre Arbeit und Pro-
duction höher verwerthen, also das National = Vermögen vermehren
und so den Verlust des ausgeführten Baar = Capitals ersetzen.
Ferner ist wohl zu berücksichtigen, daß selbst ein und zwar sehr
namhafter Theil der Capitalien der Auswanderer ( durchschnittlich wohl
3 / 5 ) baar im Vaterlande zurückbleibt für Zehrung auf der Reise im
Lande selbst, Beschaffung der Artikel, mit denen sie sich für das Aus-
land versehen, vornehmlich aber für Passage, welche der vaterländi-
schen Rhederei zu gute kommt. Endlich, und das ist das Wichtigste,
die Transportschiffe nehmen als Rückfracht Waaren der Länder, wohin die
Auswanderung gegangen, zurück; sie führen also dem Vaterlande Werthe
zu, Handel und Rhederei werden belebt, und unter keiner Bedingung
kann geleugnet werden, daß die Auswanderung zu einträglichen mer-
kantilischen Anknüpfungen Anlaß gegeben und überhaupt einen lebhaf-
teren, nachhaltigen Verkehr mit den transatlantischen Ländern ver-
mittelt hat und ferner in einem unabsehbar größeren Maßstabe zu
vermitteln berufen ist.
Was den seiner Zeit so sehr hervorgehobenen Verlust an Men-
schen betrifft, so wird jede Besorgniß eines nachtheiligen Einflusses
der Auswanderung auf Zunahme der Population durch Hinblick auf
die Zahl der Auswandernden und den Ueberfluß der Geburten über die
Todesfälle widerlegt. -- Jn Ansehung des scheinbar gewichtigeren
Bedenkens, daß ein übergroßes Maß von Jntelligenz und Arbeits-
kraft dem Vaterlande entführt werde, so ist vor allen Dingen zu er-
wägen, daß der Abfluß dieser Kräfte unmöglich dem Gemein wesen
schädlich sein kann, weil dieser Abfluß der sichere Beweis vom Ueber-
flusse ist; der Abgang dieser tüchtigen Menschen, für die das Feld
ihrer Thätigkeit zu beschränkt war, wird sofort ersetzt durch nicht
minder Tüchtige.
Jn weitere Einzelnheiten einzugehen, würde für den gegenwär-
tigen Zweck nicht am Orte sein; ich kann nur nicht unterlassen, die
freudige Erwartung auszusprechen, daß in nicht gar langer Frist der
Auswanderungsfrage alle Seiten abgewonnen sein werden. Die lite-
rarische und publizistische Besprechung hat diesen Gegenstand bereits
nach vielen Richtungen hin beleuchtet, und es ist als ein Zeichen der
Zeit zu erachten, daß auf der ersten der deutschen Universitäten schon
ein Cursus „über Auswanderung“ angekündigt ist, und zwar von
einem berühmten Gelehrten, welcher zugleich Chef des Preuß. Staats-
Jnstituts für Statistik ist, für dessen von hohem umfassenden Stand-
punkte aus aufgenommen Ansichten bereits von ihm ein Pfand gege-
ben worden ist in einer tief in den Stoff eindringenden Schrift,
welche um so erfreulicheren Eindruck hervorruft, als darin Belege
dafür gegeben werden, daß die Auswanderung namentlich für den
preußischen Staat, der bis zum Jahre 1846 dieselbe ignorirt hat,
in national = ökonomischer Hinsicht nicht nachtheilig, beziehungsweise
unter Umständen sogar wohlthätig sein könne.“
Dr. Büttner. Noch etwas
über den sogenannten Herrenstand
in Amerika.
( Bemerkungen zu Hrn. Kraffts Entgegnung in Nr. 22. d. Bl. )
Gibt es wohl auch in unserem deutschen Vaterlande einen
Stand, welcher schwerer und später einen nährenden Beruf im
Leben findet, als den Stand des blos wissenschaftlich Gebildeten?
Größtentheils zum Dienste des Staates erzogen, welcher viel von
Denen fordert, die er als Lehrer des Volkes oder als Handhaber
der Gesetze gebrauchen will; erforderte ihr Studium der hierzu
nöthigen Kenntnisse ein reichliches Viertheil eines ganzen Erden-
lebens, und wie viele schmachten noch ein zweites Viertheil des-
selben dahin, ehe sie zu nährendem Brod gelangen. Zwar sind
sie dann größtentheils gesichert für den Nest ihres Lebens; aber
wie elend wird auch derjenige, welcher vermögenslos seinen Posten
verliert. Jndessen hat der Staat, in welchem man geboren ward,
eine Verpflichtung, für denjenigen zu sorgen, welcher ihm sein
Jugendleben, sein Vermögen opferte, um sich seinem Dienste zu
widmen; aber diese Verpflichtung hat kein fremder Staat, hat
auch Amerika nicht. Es hat wohl eben so wenig Mangel an
wissenschaftlich gebildeten Männern, als Deutschland, und wo
deren für den Staatsdienst gebraucht werden, muß natürlich der
einheimische Bürger dem fremden vorgezogen werden; und noch
mehr dort als irgend sonst, da, wo kein Machtwort eine Aenderung
in diese ganz natürliche Ordnung zu bringen vermag.
Es ist wahr, Amerika bedarf noch Millionen von Menschen,
aber wenigstens vor der Hand noch kann es einen neuen Zuwachs
von wissenschaftlich Gebildeten ganz entbehren. Wo noch, wie
dort, das materielle Jnteresse vorherrscht, muß das Geistige in den
Hintergrund treten, und seine eigenen Collegien, Akademien und
Universitäten sind hinreichend für diesen dort weniger gefühlten
Mangel. Ein rüstiger Arm und ein Sack voll Geld gilt dort
weit mehr und bringt oft weit mehr ein, als die Gelehrsamkeit.
Da, wo noch Wüsten bewohnbar zu machen, der Erde noch ver-
borgene Schätze abzugewinnen sind, wird nicht leicht derjenige
geehrt und genährt, dessen Hand nur die Feder zu führen weiß,
und dessen Körper zu schwach ist, um Art, Spaten und Dresch-
flegel zu handbaben.
Jch will warnen, ich will Diesen oder Jenen auf das auf-
merksam machen, was ihm dort begegnen könne, damit es ihm
nicht unerwartet komme, und ihn vielleicht zu Boden drücke. Aber
ich will auch der Wahrheit die Ehre geben, ich will gern be-
kennen, daß die aufgestellte Regel gar viele Ausnahmen hat.
Jch habe deutsche Aerzte in den größern Städten kennen gelernt,
welche schöne Praris hatten und in reichen Umständen waren,
und ich zweifle nicht, daß es einem Arzte oder Chirurgen nicht
schwer werden wird, auch im Busche ein zwar sehr beschwerliches,
aber gutes Brod zu finden. Die zwei lutherischen deutschen Pre-
diger in Philadelphia, wovon der eine früher Jurist, der andere
Katholik war, waren Deutsche, hochgeehrt und reich besoldet,
und wie ich bereits in jenem Aufsatze erwähnt habe, wurden
noch bei meiner Anwesenheit einige meiner Bekannten aus nie-
drigen oder ganz entgegengesetzten Geschäften als Seelsorger zu
Landgemeinden berufen. Uebrigens schändet Arbeit dort nicht.
Keine Gemeinde wird einen Anstoß daran finden, ihren Geist-
lichen von der Straßenarbeit weg anzustellen, wenn dieser nur
sonst sein Amt verrichten kann und als ein braver Mann bekannt
ist. Ob übrigens das Amt eines Geistlichen immer ein sehr be-
neidenswerthes Loos ist, darüber wage ich keine Meinung aus-
zusprechen, da ein verehrungswerther Mitarbeiter an diesem Blatte
dieses weit besser als ich, beurtheilen kann.
Nur so viel will ich bekräftigen und behaupten, daß fast
alle aus dem sogenannten Herrenstande, wenn sie nicht dorthin
berufen oder durch hinreichendes Vermögen auf längere Zeit für
Nahrungssorgen gesichert sind, eine schwere Schule durchzumachen
haben, in welcher Viele unterliegen. Herr Krafft wird sich,
wenn er selbst dorthin geht, durch den Augenschein überzeugen,
ob ich gelogen, ob ich übertrieben habe.
Jch wünsche ihm übrigens zu seinem Unternehmen von ganzer
Seele Glück; möchte alles das Ungemach, von welchem ich ohne
Rücksicht auf ihn gesprochen habe, ihm fern bleiben!
G. F. Streckfuß. Correspondenz.
Weinheim, den 3. Mai 1847.
Eine Begebenheit, die der Auswanderung wahrscheinlich
eine neue Richtung geben wird und für den Augenblick eine
große Verwirrung in derselben hervorgebracht hat, ist das Ver-
bot der amerikanischen Regierung oder vielmehr die Bekannt-
machung der Bedingungen, unter welchen die Einwanderung in
den Ver. Staaten gestattet ist. Wenn nun aber einerseits in
allen Auswanderungsprojecten hierdurch eine Störung entstanden
ist, so könnte es vielleicht auf der andern Seite nicht ohne Nutzen
sein, daß die Auswanderer einige Zeit bedenken können, auf
welche Art sie die Reise wohlfeiler machen und sich dadurch der
Habsucht der Agenten und Schiffsrheder entziehen können. --
Ob nun auch sonst diese Bekanntmachung der nordamerika-
nischen Regierung noch andere Folgen haben wird, steht zu er-
warten; was wir derselben aber jetzt entnehmen, ist das frei-
müthige Geständniß der egoistischen Kaufmannsseele: „ wir
können eure Menschenlieferungen für den Augen-
blick nicht brauchen, weil wir mit dieser Waare über-
führt und nicht geneigt sind, dieselbe aus unsern
Mitteln ins Junere des Landes zu spediren. “ -- Und
doch sind es die Männer und Söhne dieser deutschen Auswan-
derer, auf die sich das Kriegsglück der Ver. Staaten stützt; die
sich als Freiwillige, auf eigene Kosten bewaffnet, zur Armee be-
geben und deren Muth und Thaten die nationale Eigenliebe der
Anglo = Amerikaner nicht leugnen noch verschweigen kann! Und
diese muthigen deutschen Kämpfer sollten nicht das Recht haben
zu sagen: „was wir für euch thun, das vergeltet unsern armen
Landsleuten, die aus Europa ankommen und die vielleicht nicht
Geld genug mitbringen, um euren Anforderungen an dieselben
Genüge zu leisten?“ --
Andererseits drängt sich aber auch bei jedem die Frage auf:
was werden die deutschen Regierungen thun, um ihre Auswan-
derer gegen diese schmachvolle Zurückweisung ihrer braven Mit-
bürger in Schutz zu nehmen und denselben eine Genugthuung
zu verschaffen? oder will man vielleicht den Augenblick erwarten,
wo es der amerikanischen Regierung beliebt, neue Transporte
von Menschenlieferungen zu erlauben, und was wird bis dahin
mit den vielen Hunderten von Familien geschehen, die jetzt schon
alles verkauft und sich reisefertig gemacht hatten? Soll denn
diese einseitige und parteiische Beurtheilung der südamerikanischen
Verhältnisse noch immer fortdauern und vergißt man denn ab-
sichtlich, von Ländern zu sprechen und deren Namen zu erwähnen,
die eben so groß als die Ver. Staaten sind, wo die Ankommen-
den keine Abgaben für fremde Armenhäuser und Hospitäler zu
erstatten haben, und wo sie nicht vor ungesunden Gegenden und
Spitzbuben aller Art gewarnt werden müssen? Es ist ja niemals
zu spät, eine irrige Ansicht zu verbessern, vorzüglich wenn viel-
leicht dadurch das Glück so vieler Menschen entspringen kann,
und es ist gewiß kein Grund dazu, ein schönes Land zu ignoriren,
wenn ein paar Hamburger oder Bremer Schiffsrheder erklären,
daß sie mit jenem Land in keinem Handelsverkehr stehen, weil sie
für ihre Schiffe nicht die nöthige Rückfracht dort vorfinden. Für
ein Handelshaus mag dieses wohl ein Grund sein, ob aber die
Regierungen und die Vereine, die durch viele und schöne Worte
und Versprechungen, sich für die Beschützer und Beförderer der
deutschen Auswanderung auszugeben bemüht sind, oder ob, ehe
man eine Entscheidung nimmt, man erst die Berichte aus Teras
erwarten will und so die Auswanderer noch ein Jahr in Angst
und Ungewißheit läßt, dieses wird uns die nächste Zeit wohl
lehren; mir scheint es aber dem deutschen Nationalgefühl enteh-
rend und kränkend, daß ein Staat, der sein Aufblühen und seinen
Wohlstand gerade diesen Deutschen größtentheils zu verdanken
hat, die demselben ihr Blut und Vermögen opferten, sich auf
einmal beikommen läßt, durch willkürliche Verordnungen das Un-
glück so mancher Familie zu veranlassen, als wenn er der einzige
wäre, in welchem man durch Fleiß und Beharrlichkeit sein Glück
machen könne.
Das heißt denn doch wirklich die deutsche Langmuth und Geduld
auf eine harte Probe stellen und es wäre wol zu versuchen, ob denn
niemand den Muth habe, den Egoismus dieser Kaufleute dadurch
zu bestrafen, daß die deutsche Auswanderung sich von ihren Ver-
ordnungen unabhängig mache und derselben eine andere Richtung
gegeben würde. Wir werden sehen, ob die Lenker und Rathge-
ber der deutschen Auswanderungsangelegenheit derselben Ansicht
sind, und ob sie die Nothwendigkeit des augenblicklichen Einschrei-
tens und der Abhülfe der bedrängten Lage so vieler Familien
erkennen werden.
Unterdeß haben unsere Agenturen am Rheine schon herrliche
Geschäfte gemacht; sie lassen sich für die Reise nach New = York
90 bis 109 Fl. pr. Kopf ohne Kost bezahlen, und da die Le-
bensmittel sehr theuer sind, so ist es einleuchtend, daß nur sehr
bemittelte Familien an der bisherigen Auswanderung Theil neh-
men konnten. Jm vorigen Jahre zahlte man 70 bis 80 Fl. mit
Kost; dem Laien bleibt die Ursache der Höhe dieser Preise un-
erklärbar; viele denken aber an das Sprichwort: „ Man muß
das Eisen schmieden so lang es heiß ist. “
Nachschrift. Es ist sehr möglich, daß ich meine Correspondenz mit Jhrer
geehrten Zeitschrift auf lange Zeit unterbreche, denn da Niemand meine Ansichten
in der deutschen Auswanderungssache theilt, so bin ich der Ansicht jenes badischen
Deputirten, der erklärte: daß man am besten thäte, sich von einer Sache zurück-
zuziehen, in der man doch nichts Gutes stiften könne. --