Der Mainzer Verein
zum Schutze deutscher Einwanderer in Texas.
Von allen Gesellschaften, welche sich in der neuesten Zeit
der Auswanderer angenommen haben, ist die Mainzer gewiß die,
welche das meiste Aufsehen gemacht hat; erstens wegen der Groß-
artigkeit des Unternehmens, welches sich gleich auf Ansiedlung von
6000 Familien erstreckte; ferner, weil Namen an der Spitze stehen,
denen man weder eine gemeine kaufmännische Speculation zu-
trauen, noch bei der Liebe zur Sache an eine Unterbrechung des
Unternehmens wegen mangelnder Geldmittel denken könnte.
Es sind aber drei Jahre, seitdem der Verein seine öffent-
liche Thätigkeit begonnen; die Kolonie ist begründet, sie gedeiht,
Neubraunfels ist die erste, schon jetzt bedeutende Stadt, und der
Verein kann uns die Früchte bringen, die so oft, wenn von Aus-
wanderung die Rede ist, als Motive erwähnt werden, wegen deren
endlich die Regierungen thätig in das Auswanderungswesen ein-
greifen möchten.
Es hat mir geschienen, als wenn eine Opposition gegen den
Verein auch in diesen Blättern sich geltend machte; und ganz un-
recht kann man den Opponenten nicht geben, da der Verein mit
einer merkwürdigen Unkenntniß vieler nothwendigen Dinge, selbst
ohne Grund und Boden sein Unternehmen begann, so eine Menge
von Täuschungen erlebte und seine Einwanderer täuschen mußte,
und seine Verpflichtungen bis heute noch nicht erfüllte. Aber daß es
dem Vereine bei den besten Mitteln nicht möglich war, seine Ver-
sprechungen zu erfüllen, ist auch nicht in Abrede zu stellen. Jch
für meine Person habe die Ueberzeugung und spreche sie gern
aus, daß jedes Versprechen, sobald es die Umstände nur irgend
erlauben, sicher erfüllt werden wird. Die sich stets wiederholende
Klage: der Verein hätte die versprochene Ackerzahl noch nicht über-
wiesen, lag in der Unmöglichkeit, bei der großen Entfernung vom
Meere ohne Wege, ohne Lebensmittel, ohne Verbindung mit an-
deren Städten eine Menge Menschen auf ihren Grant zu führen,
die auch dort wieder hätten vereinzelt werden müssen, und so allen
üblen Einflüssen ausgesetzt gewesen wären, die zu beseitigen der
Verein sich möglichst angelegen sein läßtAuch den Klagen über die bisherige Vertretung des Vereins in Teras
ist nunmehr dadurch begegnet, daß er eine förmliche Umgestaltung seines
ganzen bisherigen Geschäftsganges vorgenommen hat. Zum Generalagenten
für Galveston ist der Dr. med. Herff, und Hr. Wilh. Settegast
( von Coblenz ) zu Bieberich zum Generalagenten für Deutschland ernannt
worden. ( Anm. d. Red. )
. Die Art und Weise
des langsamen Vorschreitens verdient jede Billigung und die Zweck-
mäßigkeit der Anlagepunkte der gegründeten Städte beweist sich
durch ihr rasches Wachsthum, wozu besonders Amerikaner beitra-
gen. Eine zweite Klage ist der traurige Zustand, worin so Viele
im vorigen Jahre erlegen, die nicht von der ungesunden Küste
nach dem gesunden Hügellande gebracht werden konnten. Aber
Regen, Austreten der Flüsse, Unfahrbarkeit der Wege und Krieg,
dieß waren die unbezwinglichen Hindernisse, die dem Verein sicher
Schmerz genug gemacht haben. Daß die in Europa herrschende
Geldklemme auf die Kolonie, die noch fast bloß von deutschem
Gelde lebt, einen drückenden Einfluß geübt, indem versprochene
und erwartete Nachsendungen ausblieben, läßt sich annehmen.
Die hierher gelangten Klagen über Krankheiten und Sterbe-
fälle haben ebenfalls ihren Eindruck nicht verfehlt, und das Land,
das kurz vorher zu den gesundesten der Welt gehörte ( die Küste
einstimmig ausgenommen ) , kommt in den Verdacht, die Wiege
aller verderblichen Seuchen zu sein. Wodurch aber wurden die
Krankheiten bedingt? Vor Allem war es die üble Witterung, die
in Teras eben so regnerisch wie hier trocken war, somit die Wege
unfahrbar machte, wodurch sowohl die Zufuhr guter Nahrungs-
mittel als die Entfernung von der ungesunden Küste unmöglich
wurden, somit ungewohnte Nahrungsmittel, schlechtes Trinkwasser,
Mangel an Reinlichkeit, Wohnungen, die gegen derartig anhal-
tendes Regenwetter nicht hinlänglich schützen, Körperabspannung
nach der Seereise, Unthätigkeit und geistige Niedergeschlagenheit.
Ferner bei Vielen Neigung zum Trunk und Ansteckung durch Krank-
heiten, die erst durch das Zusammenleben so vieler Schwacher
einen so hohen Grad erreicht hatte.
Daß auch der Krieg gegen Meriko, die durchziehenden Trup-
pen eine Veranlassung zur Verbreitung von Krankheiten gegeben
haben, ist nicht zu bezweifeln. Das Klima in Teras ist mit
Ausnahme der Küste und der hie und da sumpfigen Flußniede-
rungen sehr gesund, und beziehe ich mich auf Hrn. v. Roß und
besonders meinen lieben Freund, Hrn. Dr. de Witt, der Jahre
lang dort lebte und in der Zeit Jemanden weder an Rheumatis-
mus leiden sah, noch Jemand husten oder räuspern hörte, der
von Lungenkrankheiten, die bei uns so Vielen den Tod geben,
keine Spur fand.
Viele Klagen, die aus Teras über den Verein hierher kom-
men, sind von Leuten, die nicht zum Verein gehören, und da
man in Teras keinen Adel kennt, so sieht man den Verein mit
großem Mißtrauen an, und bei der Bedeutung, die seine Kolonie
dort erreichen wird, mag manches Wort des Neides und der
Mißgunst mit unterlaufen; aber diese Mißgunst wird den Strom
der Deutschen nicht aufhalten, es wird Teras ein Land werden,
wo deutsche Sitte und Gewohnheiten, deutsche Sprache und Recht-
lichkeit ihren Sitz aufschlagen, wozu in der neuern Zeit schon da-
durch ein bedeutender Schritt geschehen ist, daß durch Beschluß
des Congresses das Vereinsgebiet zur County d. h. Provinz
erhoben und in Neubraunfels ein Gerichtshof eingesetzt worden
ist, der fast aus lauter Deutschen besteht und wo die
Verhandlungen in deutscher Sprache gepflogen werden.
( Das bis jetzt einzige Beispiel in den Vereinigten Staaten. )
Jch lasse die Namen der am 13. Juli 1846 Gewählten folgen,
da es Manchem von Jnteresse. Der Oberrichter: Dooley aus
Pennsilvanien, wo fast lauter Deutsche; Vormundschaftsrichter:
Ervendberg. Cantons = Commissaire: Klein, Kreuz aus
Röttgen bei Aachen, Sacherer und Bewenrott. Canton-
schreiber: Seubaug, pennsilvanischer Deutscher. Districtgerichts-
schreiber: Seele und Bracht aus Düsseldorf. Cheriff: Heinr.
Gervin aus dem Arensbergischen. Friedensrichter: Lehrer Wen-
zel und Rennert. Constabler: Mellmer und Luck. Land-
vermesser: Lieut. Willke aus Berlin. Leichenbeschauer: Dr. Remer.
So wäre denn der Anfang gemacht, die Deutschen in Nord-
amerika deutsch bleiben zu lassen. Möge es noch lange das Ziel
der unaufhaltsamen Auswanderung bleiben; mögen die dortigen
deutschen Brüder am Missisippi, Ohio, Missouri und Teras
sich vereinigen, und dem deutschen Element auch in Washington
die Geltung verschaffen, die ihm zukömmt; möge der Verein, dieses
Ziel im Auge, sich stets weiter ausdehnen und segensreiche Früchte
bringen auch für unser Vaterland!
Dieß wünscht
Gerhardy. Fragmente aus Briefen.
Galveston, den 27. Septbr. 1846.
Lieber Schwager und Schwester!
Meinen Brief ab Houston, worin ich Euch unsere glückliche
Ankunft meldete, werdet Jhr über Saarbrücken richtig empfangen
haben. -- Wir reisten da von Houston mit einer größern Gesell-
schaft zu Pferde ins Jnnere des Landes ab, und erreichten am 3ten
Tage nach einem forcirten Marsch von 100 engl. Meilen die Farm
des Herrn Fertsch, bei welchem Franz und Hofmann zurückblieben.
weil Hofmann, des Reitens ungewohnt, nicht im Stande war, weiter
mitzureisen. Jch ging mit mehreren Deutschen über Lagrange auf
die deutsche Kolonie los, um eine gesunde schöne Gegend für uns
aufzusuchen. Wir kamen indessen nur 6 Meilen über den Colorado
bei Lagrange, weil wir hörten, daß die Gegend weiter gegen Westen
durch die berüchtigten Comanches-Jndianer ziemlich unsicher sei,
und wir zu Dritt nur mit einer Büchse waren. Die Gegend um Lagrange,
die Hauptstadt von Fayette County, gefiel uns sehr, weil da
Berge mit Thälern abwechseln, die Luft rein und gesund ist, und es
da auch gar keine oder doch nur wenige Musquitos gibt. Rohes
Land urbar zu machen fühlten wir uns nicht gewachsen, da es eine
schwere Aufgabe für den neuen Ankömmling ist; wir wollten deshalb
einige bereits eingerichtete Farmen kaufen; der Preis, den man dafür
forderte, ist in dieser Gegend schon 4 -- 5 Dollar der Acre, also
ziemlich hoch; der Deutsche ist indessen nur zum Anbau des Maiskorn
fähig; die Behandlung, welche Baumwolle, Zucker, Tabak ec., die
da herrlich gedeihen, erfordern, sind nur für Neger, die zwischen 5
bis 600 Dollars der Mann kosten. Mais wird deßhalb so viel erzeugt,
daß der Bushel für 2 -- 3 Picts == 37 -- 56 Xr. zu kaufen ist,
was nicht rentirte.
Nach 4 wöchentlichem Herumziehen, wobei uns die Karte, welche
dem in Bremen erschienenen „Auswanderer nach Teras“ beigegeben ist,
gute Dienste leistete, fanden wir und hörten es auch von allen Deutschen,
die schon länger im Lande sind, bestätigt, daß der Farmer, wenn er
ohne Neger arbeitet, bei wenig Arbeit, wenn er seine Farm einmal
im Stande hat, sein reichliches Auskommen findet, was seinen Lebens-
unterhalt betrifft; aber baares Geld für seine Artikel zu machen ist
er nicht im Stande, weil dieses besonders im Jnnern des Landes,
wie überhaupt in jedem neuen Lande, noch fehlt; denn alle Arbeiten
werden größtentheils nur mit Vieh oder Producten bezahlt und selbst
die Kaufmannsgeschäfte größtentheils mit Tauschhandel betrieben. Um
vorwärts zu kommen, ist für jetzt in Teras allein durch Handel und
Tausch und zwar nur im Jnnern etwas zu machen. Der geringste
Gewinn bei den gangbarsten Artikeln, wie Whisky, Caffee, Zucker
und Tabak ist da noch 100$%$, gewöhnlich auch mehre Hundert; allein
man muß dann durchaus die Sprache und Gebräuche des Landes kennen.
Jch bin deshalb hierher gekommen, um mir zur Anlegung eines kleinen
Crorerie oder Store, auf deutsch Ladens, die nöthigen Waaren zu
holen, und in Lagrange ( Stadt mit 150 H. ) ein Geschäft zu beginnen.
Jch habe mir zu diesem Behufe einen Laden gemiethet, der 8 -- 10
Doll. des Monats Miethe kostet; kochen werde ich mir einstweilen
selbst, da ich mich vorerst nur an Caffee und Maisbrod, womit man
hier recht gut leben kann, halten werde. Jch beabsichtige hauptsächlich
Spirituosen flaschenweise und auch im Kleinen zu verkaufen, das zwar
beschwerlich ist, aber seine 4 -- 500$%$ abwirft; dabei führe ich auch
die gangbarsten Crorerien, wie Caffee, Zucker, Gewürze, Seife und
Tabak, bereite Jngber = Bier, das da über alle Maßen stark getrunken
wird, wovon mich die Flasche1 1 / 2 bis 2 Cents kommt und die mit
10 1 / 2 -- 12 Cents bezahlt wird, mache meine Cigarren, täglich 1 - 300
Stück, selbst, wovon mich das Hundert auf ca. 20 Cents zu stehen
kommt, und die ich das Hundert mit 1 Dollar, im Kleinen 6 Stück
für 10 C. abgebe. Vorerst habe ich mir zugelegt: 1 Faß Whisky
ca. 40 Gallonen haltend ( die Gallone gibt 5 Flaschen, die Flasche
kostet mich hier nicht ganz 5 Cents und wird im Jnnern mit 40 bis
50 C. verkauft ) , 2 Dutzend Flaschen rothen Wein, 2 Dutzend weißen
Wein, 2 Dutzend Broody oder starken Branntwein, 1 Dutzend Cognac,
3 Fässer Mehl, 1 Ballen Caffee, 1 Faß Zucker, 1 Kiste feinen und
1 Kiste ord. Kautabak, 1 Kiste Seife, 1 Kiste Stärke, 1 Kiste Thee,
1 Kiste ganzen Jngber und 1 Faß Malars oder Syrup, beide Artikel
zur Bereitung des Jngber = Bier, Zimmet, Pfeffer, Piement, Nelken,
Pottasche, 2 Säcke Salz, 1 box Käs, 1 gros Rauchtabak, 5 Gal-
lonen Spiritus zur Bereitung der feinen Liqueure, wozu ich mir die
verschiedenen Oele gekauft, 1 Assortiment Wein=, Bier= und Liqueur=Glä-
ser, 1 Wage. Dies ist vorerst mein Lager, das mich im Ganzen hier
150 D. kostet, wozu noch ca. 50 D. Fracht bis Lagrange kommen,
im Ganzen also 200 Dollar. Das Einzige, was mir fehlt, ist ge-
naue Kenntniß der Sprache, da besonders in Lagrange nur wenig
Deutsche leben; ich kann mich zwar schon ziemlich verständlich machen,
und ebenso auch wieder verstehen, doch denke ich, daß ich in wenigen
Monaten ziemlich fertig durch den häufigen Umgang mit Amerikanern
rede. Wenn ich später der Sprache besser mächtig, beabsichtige ich,
mit mehr Fonds in Händen, größere Tauschgeschäfte in Häuten und
Baumwolle, wobei auch verdient werden kann, zu machen. Will Franz
meinem Rathe folgen, so kauft er sich bei Lagrange einige Acres
Gartenland und baut Gemüse, die den ganzen Winter gezogen werden
und wofür viel Geld zu machen ist. Eine Hand voll grüner Erbsen
oder Bohnen kostet 1 Picts oder 1 / 8 Dollar, eine Wassermelone, die
wild wachsen und nur bei der geringsten Behandlung zu 100 zu er-
zeugen sind, 2--3 Picts; Pfirsiche, womit auf dem Lande die Schweine
gefüttert werden, kosten in den Städten der Bushel 2 -- 3 Dollar
und können auf dem Acker 100 und mehr Bushel gewonnen werden.
Nun zu einer Hauptfrage! -- Was ist Teras? ist es wirklich
das Eldorado, wie man es in allen Büchern beschrieben findet? Jch
antworte Nein! Gehet her und sehet all das Elend an, wie ich es
gesehen, und Viele würden gleich andern Vielen sagen: Teras ist
das schlechteste Land von Amerika. Der vierte Theil von allen bis
jetzt nach Teras Gekommenen ist todt, ein anderes Viertheil, und mehr
noch, sind weder todt noch lebendig, sie schleichen sich mit dem Klima-
Fieber umher und wünschen sich den Tod, oder zurück nach Deutsch-
land. Das dritte Viertel geht von Texas nach New=Orleans oder
in die nördlichen Staaten und nur 1 Viertel von allen denen, die
mit großen Hoffnungen nach Texas gegangen, um Gluck und Reich-
thum zu ernten, fühlen sich glücklich und reich und sind es auch.
Und dennoch sage ich nach Allem, was ich bisher gehört, gesehen und
erfahren habe: in Texas ist es gut sein und bei wenig Arbeit besser
zu leben als in Deutschland; nur muß man das feine Leben, wie es
dort in, nicht darunter verstehen. -- Bälle, Concerte, Theater ec.
gibt es nicht, demnach keine großen Gesellschaften; wer sich aber in
dem kleinen Kreise achtbarer Leute gern bewegt und wohl befindet,
mehr ein Freund der Natur als großer Gesellschaften ist, gern, aber
doch auch nicht zu viel arbeitet, mit einem einfachen gesunden Tisch
vorlieb nimmt, nicht plötzlich, aber nach und nach und viel schneller
als in Deutschland vorwärts kommen will, dem wird Texas gefallen
und er wird gleich mir sagen: hier ist gut sein. Aber warum gehen
so viele zu Grunde, da es doch gut dort sein soll? werdet Jhr fragen!
Meine Antwort darauf: Der größte Theil ist selbst schuld daran,
und nur Wenige gibt es, bei denen dieß nicht der Fall ist. Viele,
nachdem sie die mit so vielen Entbehrungen verbundene Seereise über-
standen haben, wollen sich bei der Ankunft hier nun dafür entschädigen,
bedenken nicht, daß sie nicht mehr in Deutschland, sondern 20 -- 25
Grad südlicher sind, überfüllen den Magen mit frischem Fleisch, weil
es nur 2 Cents das P kostet, und hitzigen Getränken, setzen sich
der ungewohnten Mittagssonne aus und büßen es in wenigen Minuten
mit dem Leben. Andere wieder, besonders Leute, welche sich dem
Mainzer Adelsvereine angeschlossen haben, kommen hierher, müssen aus
unverzeihlicher Nachlässigkeit ihrer Directoren 1 -- 10 Mt. in elenden
Baracken, gepreßt wie Häringe, bei schlechter Kost, jeder Witterung
preisgegeben, hier oder in Jndian Point liegen bleiben, wo dann
Fieber nicht ausbleiben können, und werden dann aufgerieben. Wieder
Andere, die noch etwas Mittel haben, bleiben, so lange solche reichen,
in den Küstenstädten liegen und mögen nichts arbeiten, und dann ist
Elend und Noth ganz natürlich. -- Jch will Niemandem, sei es wer
es will, zur Auswanderung nach Texas rathen; doch wird der, welcher
einige Mittel, besonders baares Geld, nur so wenig wie möglich Waaren,
mit hierher bringt, ( denn die findet man alle besser und billiger aus
den Vereinigten Staaten hier ) , und nicht Monate lang herumzieht,
sondern sich schnell zu etwas entschließt, gewiß es nie bereuen, Teras,
besonders das Jnnere zu seinem Vaterlande gewählt zu haben. Ohne
1000 Dollar baar Geld, oder 2500 fl. sollte keine Familie, und ohne
mindesteus 100 D. kein einzelner Mensch hierher kommen, wenn er
nicht eine harte Schule durchmachen will. Hat eine Familie z. B.
1000 D. baar bei ihrer Ankunft, so kann sie damit ein Leben hier
führen, wie es dort nicht 20000 fl. zu thun vermögen. Sie kauft sich
200 Acres des besten Landes à 2 Dollar.. | 400 Dollar |
Zur Einzäunung des Landes, Erbauung des Hauses
und 1 Paar Ochsen....... | 150 „ |
Zum Ankauf der Lebensmittel auf 1 / 2 Jahr.. | 50 „ |
Für 20 Kühe mit Kälbern 200; 2 Pferde 40
bis 60; 1 Wagen, Pflug, Geschirr ec. 140
bis 160........... | 400 „ |
1000 Dollar. |
Hat Jemand weniger, so muß er sich, wenigstens für die ersten
2 Jahre, auch viel Ungemach und Arbeit gefallen lassen.
Die Küstengegenden von Texas, wozu also auch Galveston und noch
Houston gehören, sind ganz flach, und für Deutsche meistens ungesund,
obgleich 2 / 3 der Bevölkerung von Galveston deutsch ist; 100 Meilen
weiter ins Jnnere ist es Hügelland, für den Deutschen weit zuträglicher.
Jn dem Küstenland halten sich die Musquitos auf, die schon allein
Jemand dazu bestimmen könnten, das Jnnere, wo diese schlimmen
Gäste nicht sind, aufzusuchen. Giftige Schlangen und sonstige den
Menschen gefährliche Ungeheuer, sind äußerst selten und mir bis jetzt
bei meinen nicht unbedeutenden Reisen noch gar nicht zu Gesicht ge-
kommen, obgleich es da und dort welche geben soll. Die stärkste Hitze,
welche im Monat September fällt, weil da keine Winde wehen, ist
selten über 100 Grad Fahrenheit, gewöhnlich zwischen 95 und 98°.
Schnee gibt es im Winter gar keinen; Eis nur ganz selten, und da
nur bis Sonnenaufgang; die Kälte soll selten über 6 Grad, aber
da schon bei dem dünnen Blut sehr empfindlich sein. Gemüse gibt
es am besten den Winter hindurch und werden eben gepflanzt, Wein-
trauben und Kartoffeln gibt es 2 mal des Jahres.
Wenn Jemand baar Geld mit nach Texas nehmen will, soll er
Holl. 10 und 5 fl. Stücke einwechseln; erstere gelten hier 4, letztere
2 Dollars, während ich für meinen Wechsel 2 fl. 38 Xr. den Dollar
begeben mußte und dann, wie schon gesagt, gar keine Waare, sondern
ein Köfferchen mit Leibwäsche und baar Geld; denn für 5 Dollars
kann man sich in jedem Store von Kopf bis zu Fuß à la Gentleman
kleiden. Wir haben mit unseren Waaren viel Schleppens gehabt,
mußten Zoll bezahlen und können hier nun Alles besser und billiger haben.
Ueber meinen Freund R., der vor 2 Jahren hierher gegangen,
kann ich keine genaue Auskunft geben. Er ist vor 1 / 2 Jahre mit seinen
Maulthieren zur Armee am Riogrande nach Meriko gegangen und
man kann daher nicht sagen, ob er todt oder lebendig ist. Philipp
möge dieß seinem Bruder nach Bamberg mittheilen! Sobald ich mich
in Lagrange in Ordnung befinde, werde ich einen ausführlicheren und
besser geschriebenen Bericht folgen lassen. Franz, Hofmann und auch
ich befinden uns ganz wohl; ich glaube mich, ungeachtet aller Strapazen,
besser als dort zu fühlen. Allen die herzlichsten Grüße von Eurem
Ernst Wolf. Nachrichten aus Australien.
Jm Sommer 1845 kamen die ersten Berichte von dem, wegen
seiner Glaubensansichten aus Deutschland übersiedelten, Pastor
Kawel nach Westphalen, und erregten bei einem hiesigen
Landwirthe, Johann Friedrich Borgelt zu Melle, ein derartig
großes Jnteresse, daß er den Entschluß faßte, mit den Seinigen
nach Australien auszuwandern. Er war ein sehr rechtschaffener
Mann, voll Eifer für Recht und Glauben, dabei aber entschieden
der Richtung, welche man hier in der Gegend mit dem Worte
Pietismus bezeichnet, und der Eifer für seine religiösen Ansichten
riß ihn derartig mit sich fort, daß er seine Zeit mehr seinen Re-
ligionsansichten, als seiner Ackerwirthschaft widmete. Mit einer
seltenen Kraft der Rede begabt, überzeugte er bald verschiedene
Umwohner von den Glückseligkeiten des neuen Landes, und im
Herbst 1845 schiffte er sich mit 236 Passagieren, von Bremen
aus nach Australien ein, und gegenwärtig langt von ihm der
erste Brief, aus diesem seltenen Lande an, den wir hier um so
eher uns mitzutheilen veranlaßt fühlen, da uns die strenge Wahr-
heitsliebe und die Zuverlässigkeit jenes Mannes auf das Genauste
bekannt sind.
Ebewelle, den 25. Juni 1846.
Vielgeliebte Freunde und Angehörige!
Gegenwärtig bin ich im Stande, Euch etwas Gründliches aus
diesem gesegneten Lande mitzutheilen; aus diesem Lande, wo jeder
seinen Lebensunterhalt reichlich findet, der den Grundsatz hat: bete
und arbeite! Es bedarf hier zum Fortkommen nicht der übernatür-
lichen Kraftanstrengung, wie in Deutschland; wer aber mit einer
Familie hierher kommt, der findet auch das Sprüchwort wahr: Aller
Anfang ist schwer! -- indem auch hier allerlei Menschen wohnen,
die hinderlich in den Weg treten, und welchen man nicht vertrauen
darf. Ja, viele Deutsche haben hier einen schlechten Charakter ange-
nommen, und namentlich sieht es mit ihrem Christenthume traurig
aus. Mir schadet dieß, Gott sei Dank, nicht, indem es mich behut-
sam macht und ich mich von ihnen zurückziehe; doch möchte ich nichts
mehr wünschen, als in diesem reichlich gesegneten Lande die wahre
christlich lutherische Kirche aufgerichtet zu sehen.
Dieses Land ist vom Himmel reichlich bedacht; der Grund und
Boden ist gut, und es wachsen hier alle Arten von Getreide und
Gemüse, vorzüglich aber Weizen und Gerste; auch die verschiedensten
Gewächse der feinsten Gattung sieht man hier. Der Viehstand ist
hier ebenfalls gut, und macht wenig Sorge, indem es für denselben
eine reichliche Weide gibt. Durch die Schifffahrt welche diesem Lande
von dem größten Nutzen ist, hat bei guten Preisen jedes Erzeugniß
seinen schönen Absatz. Die Bergwerke geben eine vortreffliche Aus-
beute, beschäftigen sehr viele Menschen bei hohem Taglohne, und
liefern eine bedeutende Ausfuhr. Der Hafen befindet sich zwei Stunden
von Adelaide; die Stadt selbst ist in einem blühenden Zustande
und wächst derartig sichtbarlich heran, daß sie einstens in die Reihe
der großen Handelsstädte gewiß treten wird, indem ihre Ausfuhr stets
im Wachsen ist und viel Geld von außen hereinkommt. Sobald aber
sich hier erst Fabriken aufthun, wird sich alles noch sehr verbessern.
Jch könnte nun noch sehr viel Anlockendes über das hiesige Land
und dessen Zustände mittheilen, jedoch mag ich Euch in der Heimath
das Herz nicht schwer machen und nicht den Saamen der Unzufrieden-
heit ausstreuen. Dafür will ich Euch lieber mittheilen, wie es mit
der hiesigen Ruhe und Sicherheit beschaffen ist. Dieses Land hat eine
ebenso gute Ordnung durch seine Obrigkeit, wie bei Euch, und wir
leben unter dem Schutze der hiesigen Behörden ganz sicher. Was nun
die Eingebornen dieses Landes betrifft, so gehen diese Leute zerstreut
im Lande umher und legen sich aufs Betteln und man hat nichts
Besonderes von ihnen zu fürchten, denn sie stehen so unter der Polizei,
daß sie keinem frech ins Haus kommen dürfen. Der Stamm von
Wilden, welcher hier in der Umgegend wohnt, steht auf einer traurigen
Stufe, so daß man das tiefste Mitleiden mit ihnen haben muß, und
mein sehnlichster Wunsch ist, daß sie von der Finsterniß bald erlöst,
und bei ihnen die Banden des Unglaubens bald zerstört werden mögen.
Die Missionäre haben bis jetzt noch wenig unter ihnen ausrichten
können; daher wünsche ich von ganzem Herzen, bald der englischen
Sprache mächtig zu sein, um diesen armen Menschen das große Heil,
welches im Evangelio Christi liegt, anpreisen zu können.
Euch nun, die Jhr entschlossen seid, Australien zum neuen Vater-
lande zu wählen, theile ich nun noch Folgendes mit. Wer hier den
Ackerbau treiben will, findet Gelegenheit genug zum Ankaufe und zur
Pachtung von Grund und Boden. Die englische Regierung verkauft
das Land in Abtheilungen von 80 Ackern, welche 80 Pfd. Sterling
kosten. Der Acker enthält 150 Ruthen und 1 Pf. Sterl. kann man
auf 6 Thl. 16 gr. rechnen. Eine solche Abtheilung zu pachten, kostet
jährlich 15 -- 20 Pf. St. Jeder Acker trägt etwa 20 Bushel Weizen,
den Bushel zu 60 P gerechnet, welcher augenblicklich 6 englische
Schillinge, oder nach Eurem Gelde 2 Thlr. kostet. Als wir hier
landeten, kostete ein solcher Bushel nur 3 Schilling oder 1 Thlr. Die
Gerste bringt auf jeden Acker 40 Bushel, und kostet gegenwärtig 4
Schilling oder 1 Thl. 8 gr. Für das P Butter gibt man 10 gr.
und für 1 Dutzend Eier 10 -- 12 Pens oder 10 -- 12 Mgr. Hier-
aus könnt Jhr Euch leicht den Schluß machen, welche Erträge hier
zu erzielen sind.
Ein Mann, der sich auf den Ackerbau legt, kann mit 2 guten
Pferden seine Arbeit vollkommen ausrichten, und lebt um so freier,
da es bis jetzt hier gar keine Abgaben gibt; will aber jemand hierher
kommen, und von der Landwirthschaft leben, der bringe sich einen
leichten zweispännigen Wagen mit, einen guten Pflug und Pferde-
Geschirr, vergesse aber das Hintergeschirr nicht, indem es hier auch
Berge gibt. Solche Gegenstände sind hier sehr theuer, indem ein
Wagen nach Eurem Gelde, etwa 130 Thlr., und ein Pflug ohngefähr
33 Thlr. kosten. Natürlicher Weise stehen auch andere ähnliche Geräth-
schaften hier in hohen Preisen, und ich rathe jedem, sich bei seiner
Uebersiedelung hierher in Deutschland schon mit dem nöthigen Geräthe
der Haushaltung zu versehen, und selbst Wagenketten und Sattel und
ähnliche Dinge mitzubringen; aber packet Alles fest in tannene Kisten,
damit es auf dem Schiffe keinen großen Platz einnimmt, und vergesset nicht,
die Mitnahme dieser Kisten im Contracte mit dem Schiffsherrn zu
erwähnen, damit Jhr unterwegs keine Unannehmlichkeit weiter habt.
Alle Handwerker, als Schuhmacher, Schneider, Schmiede, besonders
aber diejenigen, welche mit der Verarbeitung von Hölzern sich beschäf-
tigen, als Wagenmacher, Tischler, Böttcher, sogar die Frauenzimmer,
welche gut nähen können, finden hier einen reichlichen Unterhalt und
vielen Geld = Verdienst. Ledige Personen, wenn sie auch unbemittelt
hier eintreffen, brauchen um ihren Lebensunterhalt nicht besorgt zu
sein, sie finden Arbeit und Verdienst, und können, wenn sie fleißig
und sparsam sind, sich in wenigen Jahren ein gutes Vermögen erwerben.
Jedem, der Geld mit herüber nehmen will, rathe ich, bei Hrn.
Oelrichs in Bremen dafür einen Wechsel zu nehmen, oder englisch
Geld einzuwechseln, da kein anderes, selbst nicht einmal Euer Gold,
hier gangbar ist. Auf das Schiff nehmet mit Schinken, Zwieback
und Syrup, auch Wein, Essig und Rum; der Gebrauch der Betten
wird auf dem Schiffe zugelassen. Jnsbesondere rathe ich Euch
mit dem Schiffe Washington von Bremen zu reisen, der
Herr Capitain Probst führt dasselbe. Das Schiff ist sehr gut; der
Capitain ist ein erfahrener Schiffer und überaus vorsichtig, und auch
der Obersteuermann ist ein sachkundiger Mann; dieses darf ich der
Wahrheit gemäß versichern.
Bei der Ueberfahrt hatten wir zum Theil sehr schlechte Lebens-
mittel und viel schlechtes Wasser auf dem Schiffe, und für die Kranken
sah es zum Theil sehr schlecht aus mit der Beköstigung; jedoch der
Doctor hat die Kranken gut und christlich behandelt, und da die Hülfe
Gottes mit uns war und sichtbarlich über unsere Fahrt waltete, so
haben wir weiter keine Todesfälle gehabt als den Verlust eines kleinen
Kindes. Jn großer Noth und Gefahr sind wir gar nicht gewesen;
Stürme und Ungewitter haben wir gar nicht gehabt, und unter der
Sonnenlinie war die Luft so erquickend, daß uns die Strahlen der
gefürchteten brennenden Sonne nichts thaten; ja ich möchte sogar be-
haupten, daß ich niemals eine reinere, belebendere Luft eingeathmet habe.
Das Leben auf dem Schiffe aber war sehr häufig roh und gott-
los, so daß ich oft ein Strafgericht Gottes befürchtete, und manche
Bessere waren davon so ergriffen, daß sie glaubten, bei solch' einem
wüsten Leben müsse das Schiff untergehen, und ich hatte genug zu
thun, die Meinigen aufzurichten, damit ihr Glaube nicht wankend
werde. Jch entschloß mich, zweimal des Tages eine Erbauungsstunde
zu halten, nahm dann biblische Erklärungen vor, fühlte mich selbst
ermuthigt und fand viel Theilnahme, und dieses machte einen solchen
Eindruck auf dem Schiffe, daß ich mit Freudigkeit in dieser Sache
fortfuhr, zumal wir keinen Pfarrer auf demselben hatten.
Hierüber könnte ich Euch noch recht Vieles mittheilen, wie sich
diese Sache machte, aber dieß würde zu weit führen, und ich will
Euch blos sagen, was hieraus hervorgegangen ist: Eine Gesellschaft
Mecklenburger nämlich, welche mit uns auf dem Schiffe war, hat
Klemzig gepachtet, wo sonst die Kawel 'sche Gemeinde wohnte, die
nun 20 Stunden weiter, nach Bethanegel gezogen ist, hat mich
erwählt, für sie Gottesdienst zu halten, und ihnen die Kinder zu
unterrichten. Lange stand ich hierüber in Bedenken, dann habe ich
mich in Gottes Willen gegeben, mich dem Dienste des Herrn zu
widmen in diesem Lande, er wird meiner Schwachheit mächtig sein.
Hier erfolgt nun meine Bitte: daß der Herr Pastor Biermann
von der Bibelgesellschaft für die hiesigen deutschen Brüder eine Anzahl
Bibeln herübersenden möge. Da nun auch die Eingebornen meine
Freundlichkeit gegen sie sehen und Zutrauen zu mir fassen, und ich
Mitleiden mit ihrem Zustande hege, so werde ich auch ihnen suchen
zu dienen. Den entfernteren Deutschen kann ich nicht immer nahe
sein, indem ich auch der Schule vorzustehen habe, und aus dem Schul-
gelde einigermaßen meine Lebensbedürfnisse bestreiten muß. Jch habe
60 Kinder in der Schule, und bekomme von jedem wöchentlich 4 gr.
Meine Ländereien habe ich meiner Tochter und meinem Schwieger-
sohne übergeben. Das Land ist gut und braucht nicht gedüngt zu
werden. Sie besitzen 3 Kühe und 3 Zugochsen und allerlei andere
Hausthiere; Pferde werden sie sich erst nächstens anschaffen, indem
solche gleich zu bekommen nicht gut angeht, da ein gutes Pferd etwa
200 Thl. zu stehen kommt. Jn der Nähe ihrer landwirthschaftlichen
Wohnung ist viel Waldung; jedoch Eichen und Buchen wie in Deutsch-
land, findet man dort nicht. Für ihre Landabtheilung von 80 Ackern,
zahlen sie 11 Pf. St., etwa 75 Thlr. 8 gr. Pacht, und haben auf
derselben ein hübsches Wohnhaus und ein Nebengebäude, einen schönen
Garten mit allerlei Obstbäumen und Wein. Roggen findet man nicht
in Australien.
Die Hitze ist recht gut auszuhalten; von den Betten kann man
wohl Gebrauch machen. Ein Dienstmädchen verdient wöchentlich 6
Schill., also 2 Thlr.; ein Hausknecht 10 -- 12 Schill.; ein Schäfer
12 -- 14 Schilling. Ein Paar Schuhe kosten 12 Schilling, also 4
Thlr.; ein Paar Stiefel 1 Pf. Sterl. Ein Taglöhner verdient für
den Tag 3 Schill. oder 1 Thlr. Alles ist hier sehr theuer, aber
auch wieder sehr vieles zu verdienen, und keiner von uns wünscht
sich wieder nach Deutschland zurück.
Mein Schwiegersohn und meine Tochter wohnen 3 Stunden von
der Stadt Adelaide, der Ort heißt Hebiweli und liegt rings von
Gebirgen umgeben. Jhre Nachbarn sind Engländer. Sie haben jetzt
auf ihren Feldern 11 Acker mit Weizen besäet, und wenn jeder Acker
20 Bushel bringt, der Bushel zu dem Preise von 2 Thlr., so ist
dieß ein Ertrag von 440 Thlr. allein vom Weizen, eine Einnahme,
auf die sie in Deutschland wohl nie hätten hoffen dürfen.
Jch bemerke noch, daß der junge Bursch Caspar Boers, den
ich als meinen Pupillen mitgenommen habe, sich nie wieder nach seinem
Hofe, zu Schlochtern bei Melle, sehnt, indem er jetzt schon jährlich
200 Thlr. verdient. Ueberhaupt alle Uebrigen, die mit mir gegangen
sind, haben hier ihr reichliches Auskommen.
Und so grüße ich Euch denn Alle, meine Freunde in der ganzen
Gemeinde Melle, worin ich so lange Jahre gelebt habe, von denen
ich aber durch Gottes Fügung, der mir einen andern Wirkungskreis
angewiesen hat, so weit entfernt bin. Jch danke nochmals Allen denen,
die mir Gutes bewiesen und auch gewünscht haben. Meine lieben
Freunde! Euer Segenswunsch ist reichlich an mir in Erfüllung ge-
gangen.
Lebet alle recht wohl.
Johann Friedr. Borgelt.
Soweit unser Berichterstatter, der die Bahn gebrochen hat,
von Westphalen zuerst nach Australien sich, die Seinigen
und seine Freunde zu übersiedeln. Alle diejenigen, welche mit
ihm gingen, waren aus der Gegend zwischen Osnabrück und
Bielefeld, aus dem fruchtbarsten Theile Westphalens, reich an
Bodenertrag und Naturschönheiten, und sehr bevölkert; dennoch
stimmen auch andere Briefe dieser Auswanderer alle dahin überein,
daß sie sich nicht wieder nach Deutschland zurückwünschen. Die eng-
lische Sprache dort zu lernen, wird diesen einfachen Landleuten, die
jedoch alle schon in ihrer Jugend in tüchtigen Dorfschulen gut
unterrichtet waren, gewiß nur leicht fallen, indem gerade die hiesige
niedersächsische Mundart so nahe mit der englischen Sprache ver-
wandt ist, weil diese zum Theil aus jener entstanden, durch die
Einwanderung der Ungarn und Sachsen, welche unter Hengist
und Horsa, gerade aus dieser Gegend des alten Sachsenlandes,
nach Britannien auswanderten. Viele englische Edelmannsfami-
lien tragen noch jetzt dieselbigen Namen, wie hiesige große Bauern-
gehöfte, und der Gedanke ist wahrhaft erhaben, daß aus England
und Norddeutschland die altsächsischen Stämme sich einigen, um
das ferne Australien anzubauen.
Jm Jahre 1846 schifften sich, auf drei Bremer Fahrzeugen,
636 deutsche Answanderer nach Adelaide ein, und erfolgen noch
mehrere günstige Briefe, wie der mitgetheilte, so ist es voraus-
zusehn, daß diese Zahl bald riesenhaft wachsen werde. Aus dieser
Gegend nach Amerika zu wandern, hat schon seit 10 Jahren sehr
viel stattgefunden; eröffnet sich nun aber noch der milde Himmel
von Australien den manchen Heimaths = Müden, so läßt sich mit
Zuversicht erwarten, daß die Ufer des Golfes von St. Vincent
bald von deutschen Stämmen angebaut werden. Ja manche Hof-
besitzer, die hier ein gutes Auskommen haben, rüsten sich schon
zur demnächstigen Uebersiedelung nach Australien, angelockt von
solchen Briefen, wie der vorstehende, der in hundert Abschriften
bereits die Umgegend durchkreuzt. Leichter und lustiger schürzen
ihre Habe junge Bursche und Mädchen zusammen, um jenseits
des weiten Weltmeers einen reicheren Lebensunterhalt zu finden,
der ihnen in dem mangelnden deutschen Verdienste mehr und mehr
versagt wird, zumal hier in Westphalen, wo sonst Garn und
Leinwand den Landleuten ein reichliches Auskommen sicherten, diese
schönen Quellen aber durch Albions Baumwollen = Manufactur
zu versiegen drohen.
So zufrieden und glücklich die Briefe aus Australien hierher
lauten, unter denen mir auch noch ein anderer, von einem Land-
wirthe Sabbert aus Neuenkirchen, einem sehr braven, wahr-
heitsliebenden Manne, zu Gesichte gekommen ist, der hier sein
Geschäft verkaufte, um mit Borgelt fortzureisen; -- so zufrieden
sie alle schreiben, um wie vieles glücklicher würden sich noch diese
Australischen Einwanderer jetzt fühlen, wenn sie wüßten, welche
Noth die Mißernte von Kartoffeln und Roggen in ihrem deutschen
Vaterlande hervorbringe, wie viele bleiche Gesichter arbeitslos
und hungernd von Haus zu Haus wandern, und welche Kraft-
anstrengungen jede Gemeinde ihrer frühern Heimath zu machen
habe, um die geringere Klasse der deutschen Mitbrüder vor Mangel
zu schützen! Ein großer Theil der nach Australien Ausgewanderten
ist uns persönlich bekannt gewesen, und wir haben alle Ursache,
jenen guten Menschen dort von ganzem Herzen ein dauerndes
Glück zu wünschen, und freuen uns, daß Gottes Erde wieder
einen neuen Fleck zeigt, wo eine reichere Natur den Auswandern-
den deutschen Brüdern Lebensunterhalt und Zufriedenheit verspricht,
welches beides die Heimath leider zu versagen beginnt!
Fritz von Walde. Beachtenswerthes Anerbieten
für unbemittelte Auswanderungslustige.
Hamilton auf Bermuda Die zu Nordamerika gehörigen Bermudas- oder Sommers- Jnseln
liegen dem Staate Columbia gegenüber zwischen 23° 14 -- 21 / N. Br. und
64° 40 -- 42 / W. L. Nur fünf derselben sind bewohnt: die St. Davids-
und St. Georgsinsel, Bermuda, Somerset und Jreland. 17. Dec. 1846.
Hiermit behändige ich Jhnen das Verzeichniß der Arbeits-
löhne, Rationen an Lebensmitteln u. s. w., welche ich den hiesi-
gen Landbesitzern vorschlug, als die Regierung die 500 Pfund
Sterl. zur Bestreitung der Ueberfahrt einer Anzahl Auswanderer
bewilligte. Einige Landbesitzer werden vielleicht vorziehen, die aus-
wandernden Arbeiterfamilien in ihren eigenen Häusern zu beher-
bergen und mit Nahrung zu versehen; dieß muß indessen der gegen-
seitigen Uebereinkunft nach der Ansiedelung überlassen bleiben.
Es fragt sich nun zunächst, wie viel Familien man für die
erwähnten 500 Pfund St. herüberschaffen könnte, worüber das
Allg. Auswanderungsbureau in Rudolstadt Anträge entgegen neh-
men und das Weitere vermitteln wird.
Die Auswanderer können im Laufe des nächsten Sommers
abgehen.John Bluck.
Verzeichniß
der Arbeitslöhne u. s. w., welche deutschen Auswanderer = Familien
auf den Bermudasinseln gewährt werden sollen.
Der Familienvater erhält das erste Jahr | 10 Pfund Sterl. |
„ 2te „ | 15 „ |
„ 3te „ | 20 „ |
Söhne über 18 Jahr alt das erste Jahr | 6 Pfund Sterl. |
„ 2te „ | 10 „ |
„ 3te „ | 17 „ |
Söhne über 15 Jahr alt das erste | „ 4 „ |
„ 2te „ | 6 „ |
„ 3te „ | 10 „ |
Dergleichen unter 15 Jahr alt erhalten Nahrung, Kleidung und
Wohnung.
Die Frau, wenn sie arbeitet, erhält 8 Pence täglich, nebst
Frühstück und Mittagessen, oder 1 Schilling ohne Nahrung.
Töchter, 16 Jahr alt, wenn sie zur Arbeit im Hause verwendet
werden, 8 Schillinge monatlich und Nahrung; -- wenn sie im Felde
arbeiten, 6 Pence täglich, nebst Frühstück und Mittagessen, oder 10 Pence
ohne Nahrung.
Dergleichen unter 16 Jahren, wenn sie zur Arbeit im Hause
verwendet werden, erhalten Nahrung, Kleidung und Wohnung.
Handwerker, wenn sie als solche verwendet werden, erhalten von
obigen Sätzen die Hälfte mehr.
Ferner erhält jede Familie eine Wohnung das erste Jahr pachtfrei;
das zweite Jahr, wenn sämmtliche Familienglieder arbeiten, gegen
3 Pfd. St. Miethzins; wenn 2 Kinder noch nicht arbeiten können,
gegen 2 Pfd. St. Miethzins;
das dritte Jahr, wenn Alle arbeiten, gegen 5 Pfund; wenn
2 Kinder noch nicht arbeiten können, gegen 3 Pfund.
Dabei wird jedoch nur der Stand der Familie bei der Ankunft,
und nicht die spätere Vermehrung berücksichtiget.
Ferner erhält jede Familie monatlich:
24 P. Roggen= oder Maismehl,
9 „ gesalzenes Rind= oder Schweinefleisch,
12 „ frischen oder 8 P. gesalzenen Fisch,
5 „ Zucker,
3 / 4 „ schwarzen Thee oder 3 P. Kaffe,
4 „ Salz,
4 „ Reis,
-
2 „ Seife.
Korn oder Erbsen können an die Stelle von einem Theil des
Mehles treten.
Jm ersten Monat, wenn die Familie noch keine Arbeit hat, er-
halten
die Erwachsenen... | 3 / 4 ) obiger Rationen. |
Kinder unter 13 Jahren | 1 / 2 ) obiger Rationen. |
Kinder unter 6 Jahren | 1 / 4 ) obiger Rationen. |
Werden die Einwanderer von ihren Arbeitgebenden selbst bekö-
stigt, so erhalten sie natürlich auch frisches Fleisch. -- Uebrigens ist
der Preis für frisches Rind=, Schöpsen= und Kalbfleisch:
für gewählte Stücken | 7 Pence, |
für geringere.. | 3 „ |
Schweinefleisch.. | 6 „ das Pfund. |
Der Contract mit den Auswanderern wird auf 3 Jahre abge-
schlossen. Sind dieselben sehr arm, so werden ihnen kleine Vorschüsse
zur Anschaffung des Nothwendigsten gewährt und nach und nach von
dem Gehalt der ersten 9 Monate wieder abgezogen.
Die Löhne werden monatlich ausgezahlt; Tagearbeiter aber wö-
chentlich.
Aerztliche Behandlung für den Familienvater unentgeltlich.
Diejenigen Personen, welche zur Abwartung des Viehes, der
Pferde ec. verwendet werden, haben dasselbe auch Sonntags zu füttern,
zu tränken u. s. w., werden jedoch an diesem Tage zu Feldarbeiten ec.
nicht genöthigt. Die jüngeren, zur Hausarbeit gebrauchten Familien-
glieder können, wenn sie oder die Aeltern es wünschen, abwechselnd
den Gottesdienst besuchen. Zwang findet hierbei nicht Statt.
Die Kinder genießen den Vortheil, Frei= und Sonntagsschulen
besuchen zu dürfen.
Gesetze und Verordnungen.
Koblenz, 25. Febr. Der Oberpräsident der Rheinprovinz
hat folgende Bekanntmachung erlassen: Nach einer soeben mir zuge-
kommenen Mittheilung hat die kön. belgische Regierung, nach dem
Vorgange der kön. französischen, die Anordnung getroffen, forthin nur
solche Auswanderer, welche mit dem nöthigen Reisegelde zur Ueber-
fahrt nach Amerika versehen sind, über die belgische Grenze zuzu-
lassen. Die Summe, über deren Besitz die Auswanderer an der Grenze
sich auszuweisen haben, ist für jede Person über 15 Jahre auf 53
Thlr. 10 Sgr. und für jede Person mindern Alters auf 40 Thlr.
festgesetzt worden. Jndem ich diese Bestimmungen hiermit veröffentliche,
verpflichte ich zugleich die Polizeibehörden der Rheinprovinz, von allen
Personen, welche über die belgische Grenze nach Amerika auszuwan-
dern beabsichtigen, vor der Aushändigung der Entlassungs = Urkunde
und des Reisepasses den Besitz der vorerwähnten Reisemittel, mit Jn-
begriff der zur Reise bis an die belgische Grenze erforderlichen, sich
nachweisen zu lassen.