Telegraphische Berichte.
* Paris, 14 März. Die „Amtszeitung“ zeigt an daß der Mini-
ster des Aeußern sich am Sonnabend, begleitet von Delegirten der Eisen-
bahngesellschaften, dem Director der Telegraphenverwaltung und dem Ge-
neralintendanten, nach Ferrières begeben habe, um mit General v. Fa-
brice betreffs der Benutzung der Eisenbahnen=, Post= und Telegraphen-
linien, sowie über die Verpflegung der deutschen Truppen zu verhandeln.
„Jeder dieser Punkte ist Gegenstand einer Uebereinkunft nach welcher die
Eisenbahnen den Betrieb wieder aufnehmen unter der Verpflichtung die
von den deutschen Behörden verlangten Züge zu stellen. Die Post= und
Telegraphenverwaltung wird uns zurückgegeben. Die Jntendantur ist
mit der Verpflegung der deutschen Truppen beauftragt. Die Commandan-
ten der deutschen Truppen stellen die Requisitionen ein. Noch rückständige
Steuern können nicht von den deutschen Behörden eingezogen werden,
sollen vielmehr von beiden Regierungen verrechnet werden. Die Civil-
verwaltung sämmtlicher Departements wird französischen Behörden
übertragen. Der Finanzminister und eine Commission des Ministers
des Aeußern hat sich gestern nach Rouen begeben um mit dem Civil-
commissär, welcher von General v. Fabrice bezeichnet ist, das nähere dieser
Uebereinkunft festzusetzen. Der Wortlaut derselben wird alsdann in der
„Amtszeitung“ veröffentlicht werden.“ -- Das amtliche Blatt sagt weiter-
hin: „Die Bespannung welche gestern nach Montmartre geschickt worden
ist, hat die Kanonen noch nicht zurückgeschafft, die Nationalgarde hat ihre
Meinung geändert und sich dahin entschieden: jedem Bataillone die Kanonen
welche ihm gehörten gegen Quittung zurückzugeben.“
* Bordeaux, 15 März. Thiers, Simon und Lavertujon sind nach
Paris abgereist. Fast alle Beamten der Regierung haben Bordeaux
verlassen.
* Frankfurt a. M., 14 März. Abend=Effectensocietät: 1882er Amerikaner
96 1 / 2; 1885er --; Silberrente --; 1860er L. --; 1864er L. --; Creditactien
247; Lombarden169 1 / 4; Staatsbahn376 3 / 4; Galizier 240; Elisabeth --; 3proc.
span. ausl. Schuld29 13 / 16. Tendenz: matt.
* London, 14 März. Schlußcurse: 3proc. Consols91 13 / 16; 1882er
Amerikaner91 7 / 8; Türken 42 5 / 8.
⁑ Liverpool, 14 März. Baumwollenbericht. Tagesumfatz 12,000 B.,
zur Ausfuhr verkauft 2000 B. Stimmung fest. Orleans7 7 / 16, Middling7 3 / 16,
fair Dhollerah5 7 / 8 --6, middl. fair Dhollerah5 1 / 8, good middl. Dhollerah4 1 / 2,
fair Bengal5 3 / 8, fair Oomra6 1 / 4, good fair Oomra6 5 / 8, Pernam7 5 / 8, Smyrne
7, Egyptian7 3 / 4. Tagesimport 50 000 B. amerikanische.
* Paris, 14 März. Eröffnungscurse. Rente 51.20; Jtaliener 54.05.
⁑ Amsterdam, 14 März. Börse. Wechsel auf London 11.84 G.; 3proc.
Spanier29 13 / 16; 1882er Amerikaner96 3 / 8; 5proc. Papierrente 7 / 8 } ; 5proc Silber-
rente 53 3 / 8; 5proc. Türken40 3 / 16 ( ? ) ; 5proc. Russen v. 185576 3 / 8.
⁑ Amsterdam, 14 März. Productenbörse. Roggen per März 211 fl.,
per Mai 215 fl., per October 218 fl. -- Octobersamen 82.
* New=York, 14 März. Goldagio111 3 / 8; Wechsel in Gold109 7 / 8;
1882er Bonds112 1 / 2; 1885er112 1 / 8; 1904er 109; Baumwolle14 7 / 8; Petro-
leum in Philadelphia 24.
Ein weiteres Telegramm siehe letzte Seite.
Zur Friedensfeier.
pl. Aus Württemberg, im März. Je mehr das was wir in diesen
Tagen feiern einzig in unserer Geschichte dasteht, desto mehr gilt es sich
die wahre Bedeutung davon deutlich zu machen, und nicht in der mächtigen
Erregung des Augenblicks sie zu verkennen. Noch niemals in der tausend-
jährigen Geschichte unseres Volkes haben wir so wie jetzt eine wirklich
nationale Einheit und Macht gehabt. Was einst in den Anfängen, im
neunten und zehnten Jahrhundert, die Stämme unseres Volkes zusammen-
hielt, das war das neue und gemeinsame Gefühl christlicher Gesittung
gegenüber den wilden heidnischen Feinden ( Slaven, Ungarn, Normannen )
die sie umgaben. Und ebenso war das was unserem Kaiserthum seinen
Ursprung gab und Jahrhunderte hindurch unser Volk dafür begeisterte,
der Gedanke einer allgemein christlichen und der kirchlichen Einheit ent-
sprechenden Ordnung. Denn als ein menschlich einigendes und bildendes
Centrum ist unser Volk in die Mitte Europa's und der übrigen Volksgei-
ster gesetzt, und ein weltbürgerliches Volk sind wir darum so lange Zeit
im Unterschied von allen andern geblieben, das den religiösen und allge-
mein geistigen Jnteressen lange genug sein nationales zum Opfer gebracht
hat. Jst nun aber auch dieses Ziel, das von Anfang uns Deutschen
gegenüber allen andern Völkern gesetzt war, jetzt schon erreicht? Oder
gibt uns nicht unmittelbar schon der jetzige Augenblick die Antwort wie
ganz anders es damit noch steht, jetzt wo wir rings um uns nur erst der
Eifersucht und dem feindlichen Mißtrauen begegnen, und zum Beginn un-
seres neuen Reichs den Anstoß gegeben haben zur furchtbarsten allgemeinen
Bewaffnung?
Allein daß wir das jetzt hinter uns haben was Jahrhunderte lang
uns der nationalen Einheit und Würde beraubte, das ist uns doch eine
Bürgschaft daß endlich die Reifezeit unserer Geschichte im Anbruch ist, daß
auch jener innerste geistige Kern zum Durchbruche strebt der durch Voll-
endung und Wiedergeburt des ganzen Rechtsbewußtseins und Bürger-
thums auch dem eigenen Volksdasein erst seine letzte menschliche Weihe
gibt, und der die naturgemäße Bedingung alles Erwerbs, die Arbeit für
einen wesentlichen Zweck der Gemeinschaft, in gegliederter rechtlicher Be-
rufsarbeit und Berufsgenossenschaft erst zur gesicherten Verwirklichung
bringt, für die Nationen wie für den einzelnen Bürger -- während jetzt
der bloße Erwerbs= und Nationalgeist nach unzähligen Seiten hin durch
zweckwidrigste Ueberhäufung in einzelnen Arbeitszweigen, durch unge-
nügenden und von der Zeit überholten Charakter der eignen Erwerbsform,
durch die sich selbst überlassene Unkenntniß des wahren Marktbedarfs und
der allgemeinen wie der örtlichen Productionsverhältnisse jenes natürliche
Gesetz immer wieder zu nichte macht, und anstatt seiner organischen Ord-
nung die spröde und selbstische Entzweiung der Jnteressen setzt.
Wie kein anderes Volk der Erde, macht die deutsche Geschichte jenen
Kreislauf alles Lebens durch welcher aus der Höhe= und Glanzzeit der
Sonne durch winterlichen Niedergang und Erstarrung hindurch zu erneu-
tem Aufsteigen und neuer Blüthe hinführt. Damals, als noch die Sonne
römisch=kirchlicher Einheit hoch im Mittag stand und in Römerzug und
Pilgerfahrt unser Volk über die Berge zog, da war die erste glänzende
Jugendzeit unseres Volkes, wo es neben die eine christlich=kirchliche Ord-
nung ihr gleich allgemeines weltliches Abbild, die des Kaiserthums, zu
setzen bestrebt war. Doch als diese Sonne des Südens verblich, als aus
der bunten und sinnenfälligen Aeußerlichkeit dieser alten Kirche der reli-
giöse Ernst und die Jnnerlichkeit deutschen Wesens immer mehr sich zurück-
zog und tiefer in das eigene Jnnere einkehrte, und als gleichzeitig die
nüchterne Thätigkeit des bürgerlichen Lebens in allen Theilen begann, da
starb auch jene äußere Einheit immer mehr ab, die bis dahin unser Volk
zusammengehalten, und mit den einbrechenden religiösen Kämpfen und
Stürmen brach die lange Winterzeit unseres Volkes herein, die endlich in
dreißigjährigem Rasen seinen Stamm vollends entlaubt hat. Aber tief
aus dem Kerne christlich=menschlicher Bildungs= und Geistesarbeit, in wel-
chen jetzt die innerste Kraft unseres Volkes sich zurückgezogen hatte, erhob
sich von neuem die schaffende Macht, die belebend nach außen drang, die
im prophetischen Aufschwung unserer Dichtung, unserer Kunst und Wissen-
schaft zuerst und dann im mächtigen Aufstreben des nationalen Geistes sich
gezeigt hat.
Doch umgekehrt gegen früher, und zum erstenmal in unserer Ge-
schichte, muß jetzt über diesem äußeren Kämpfen und Streben die letzte
und höchste Bestimmung unseres Volks noch zurückstehen. Einem glän-
zenden kantigen Krystall gleich hat unsere Nation jetzt unter der preu-
ßischen Führung sich gegen außen zusammengefaßt. Aber der Leben wir-
kende und lebendig quellende Mittelpunkt, der organisch beseelend nach
außen dringen und in immer weiterem Kreise die Welt um sich her zu ge-
gliederter und friedlicher Berufsgemeinschaft umschaffen soll, er ist jetzt
unter der starren nationalen Rinde, unter dem verständig äußerlichen und
empiristischen Streben der Zeit, noch zurückgedrängt. Und doch wird
mit seinem Erwachen erst das sich erfüllen was einst im Jugendtraum un-
seres Kaiserthums unserem Volke vorgeschwebt hat, wird mit ihm erst
neugeboren aus der unerschöpflichen Kraft deutschen Geistes und in frei
menschlicher und bürgerlicher Form jene Einheit und jenes Gemeinbewußt-
sein wieder erstehen das einst als unfreie kirchliche Macht in der Höhe-
zeit des Mittelalters die Völker zusammenhielt, und das unserer vom
Streite der Meinungen und der nationalen Jnteressen zersplitterten Zeit
längst entschwunden ist.
Das Gericht über die einseitig nationale Entwicklung der Volksgei-
ster ( wie sie seit den Endzeiten des Mittelalters sich immer stärker ausge-
bildet hat ) , das ist es was in diesen großen Tagen begonnen hat. Denn
was anderes hat Frankreichs Sturz jetzt herbeigeführt als daß es immer
tiefer in die gleißende und verführende Aeußerlichkeit seiner nationalen
Geistesrichtung und Bildungsform versunken war? Wie könnten wir
Deutschen, die wir das Werkzeug dieses Gerichtes gewesen sind, glauben daß
wir jetzt mit unserem eigenen nationalen Ziele schon das Letzte erreicht haben?
Wie sollten wir nicht uns erinnern daß auch im Alterthum schon die letzte
Steigerung nationalen Geistes ( in der römischen Weltmacht ) nur der Vor-
läufer einer neuen und universellen Ordnung war? Und wie sollten
wir nicht im Jnnersten fühlen daß auch diese schneidige Rüstung des Na-
tionalstaats, in der wir jetzt allen andern Völkern vorangehen, nur der
Vorbote eines ganz Andern und Größeren ist, daß hinter dieser Gegen-
wart erst das Ewige und echt Deutsche liegt, das kommende und bleibende
Friedens= und Berufsreich deutscher Nation?
Auf der Rückkehr aus dem Felde.
H. St. Gratien, 10 März, Abends. Jch schreibe Jhnen diese
Zeilen von St. Gratien, am Ufer des Sees von Enghien. Das Haupt-
quartier der III. Armee hat heute Morgens halb 9 Uhr Versailles ver-
lassen, nachdem das große Hauptquartier schon am Tage der Revue von
Villiers, 7 März, zugleich mit dem Kaiser dort aufgebrochen war. Seit
dem 19 Sept. hatten wir in der Residenz Ludwigs XIV gelegen, 131
Tage der Belagerung von Paris bis zur Convention des 28 Jan.,
40 Tage des Waffenstillstandes, der Präliminarien und des Friedens-
zustandes bis zum heutigen Datum. Ueber Sèvres, an St. Cloud vor-
bei, noch einmal am Fuße des Mont Valérien entlang, zogen wir, Neuilly
und Argenteuil passirend, hieher. Auf allen Straßen begegneten uns
entlassene Mobilgarden von Paris, die in ihre Heimath zurückkehren, zum
Theil in phantastischem Costüm, in welchem sich schon halb das Civil mit
dem Militär vermischt. Meistens den Wanderstab in der Hand, gehen sie
ruhig ihre Straße; wenn die deutschen Truppen vorüberkommen, bleiben
sie stehen, lassen dieselben vorüberziehen und schauen ihnen sinnend nach,
ohne irgendeine unziemliche Bemerkung, während die Civilbevölkerung
beim Vorübermarsch der Truppen nicht selten durch übermüthige Scherze
den deutschen Gleichmuth auf die Probe stellt. Der Stab der III. Armee,
dessen Führung in Abwesenheit des Kronprinzen dem Generallieutenant
v. Blumenthal obliegt, bewohnt, für den einen Tag den wir in St. Gra-
tien verweilen, das Schloß der Prinzessin Mathilde. Da die Räumlich-
keiten nicht ausreichen, sind viele der Officiere in einzelnen umliegenden
Villen und in den höchst bescheidenen Häusern des Dorfes untergebracht.
Die Begleiter der Colonnen welche uns den Proviant und die
Fourrage für die Pferde nachfahren, biwakiren, wie mitten im
Kriege, an mächtigen Wachtfeuern auf dem Platze vor der Kirche,
inmitten des Dorfes. Jch hatte mit einem Hauptmann und einem
Feldjägerlieutenant in einem prächtigen Landhaus am See, das Hrn.
Charles Quertier, dem Generalsecretär Crémieux ' während der Zeit der
Delegation von Bordeaux, gehört, Quartier genommen. Da der See
einige hundert Schritte vom Dorfe St. Gratien entfernt ist, beschlossen
wir mit den Ordonnanzen für unsere Bedienung eine Colonne zu bilden
und für uns selbst Menage zu machen. Zwar ist es lange her daß wir
das Lagerleben in seiner eigentlichen Form, wo jeder auf seine praktische
Umsicht angewiesen ist, durchgemacht haben, allein man kehrt rasch zu den
alten Gewohnheiten zurück. Einige wohlweislich mitgenommene Vor-
räthe wurden den Burschen zur Bereitung der Abendmahlzeit in die Küche
geliefert; es war die nicht ungewöhnliche Erbswurst und das noch gewöhn-
lichere Hammelfleisch. Jn dem großen Speisesaale des Hrn. Quertier, wo
leicht eine Gesellschaft von 40 Personen Raum finden würde, wurde be-
reits der Tisch für uns hergerichtet, und einige Weine zur Würze der fru-
galen Speisen sollten eben entkorkt werden, als plötzlich die Officiere welche
gerade zum Fourieren an der Reihe waren, den Befehl bekamen sofort drei
Meilen weiter nach Vert=Galant zu reiten, und hier für das Obercom-
mando auf morgen die Quartiere zu bestellen. So hat auch das Leben
des heimziehenden Kriegers seine unerwarteten Zwischenfälle. Unsere
Wirthschaft wurde schonungslos auseinandergerissen, und da ich meinem
Pferde nicht zumuthen wollte diesen Abend noch die weite Strecke zurück-
zulegen, blieb ich allein in den unbewohnten Räumen dieses verwunschenen
Schlosses. An Glanz fehlte es freilich nicht, desto mehr an Behaglichkeit
im deutschen Sinne. Prachtvolle Velour=Tapeten, kostbare Vasen, glän-
zende Gemälde, werthvolle Boulemöbel, ein Bett mit bronzenem Gestell,
aber auch nicht eine Spur von Linnenzeug, kein Kopfkissen, keine Decke;
„denn“ -- so erzählt die einzige Jnsassin des Hauses, eine alte Wirthschaf-
terin -- „dieß alles ist von französischen Marodeuren gestohlen worden.
Jch bin nicht einmal im Stand Jhnen ein Handtuch zu geben.“
Versailles hatte nach dem Abrücken des großen Hauptquartieres allen
Glanz verloren. Bei unserer Rückkehr von der großen Parade bei Vil-
liers erkannten wir die sonst während der Zeit des Feldlagers so lebhafte
Stadt kaum wieder. Der überwiegend preußische Charakter den sie an
sich getragen war abgestreift, und sie war wieder französisch geworden;
auch sah man auf den Straßen zuletzt schon einige französische Soldaten.
Die Präfectur hatte, sogleich nachdem der Kaiser sie verlassen, ihr goldenes
Gitter und ihre sämmtlichen Pforten geschlossen, nur noch die beiden preu-
ßischen Schilderhäuser standen leer vor dem Hauptportal. Als wir am
nächsten Tage, zu einigen Aufzeichnungen über die Oertlichkeiten die der
Schauplatz so hochwichtiger Berathungen und welthistorischer Staatsacte
gewesen sind, noch einmal Einlaß begehrten, zögerte der Thürwärter an
der Avenue de Paris, nicht aus Ungefälligkeit, sondern weil, wie er uns
mittheilte, die Arbeiter bereits in den Zimmern seien, um einige Verände-
rungen an der Decoration vorzunehmen. Als er auf mein Zureden den-
noch nachgab, fand ich in den Gartenzimmern des Parterreraumes die von
Flügeladjutanten des Kaisers bewohnt waren, Delegirte aus Bordeaux,
die hier mit Baumeistern der Stadt Versailles und Beamten des Schlosses
wegen der Jnstallation der National = Versammlung, die demnächst im
Theater Ludwigs XIV tagen wird, verhandelten. Jch erfuhr daß der
Chef der französischen Executivgewalt, Hr. Thiers, des Kaisers Nachfolger
in den Gemächern der Präfectur sein wird. Als Kaiser Wilhelm im
December 1870 die Reichstagsdeputation in feierlicher Audienz empfieng,
wurde nicht die geringste Veränderung in den Gesellschaftsräumen des
französischen Präfectenhauses vorgenommen; alles überhaupt blieb, in den
5 Monaten welche der oberste Feldherr der deutschen Heere hier Hof hielt,
beim alten. Jetzt wird dem nicht so sein. Jn dem Festsaale befinden sich
als Ornament in der reichen Stuckbekleidung des Plafonds an den vier
Ecken mächtige Kaiseradler mit ausgebreiteten Flügeln. Hr. Thiers läßt
sie entfernen, denn die Republik nimmt Anstoß an diesen Attributen der
alten Kaiserglorie.
Der Grundton in den Empfindungen mit denen die Bürger von
Versailles den letzten deutschen Mann abziehen sehen, ist der daß die deutsche
Occupation für sie ein überaus lucratives Geschäft war. Magazine die
sonst kaum 8000 Francs das Jahr einnahmen, verdienten in den 6 Mo-
naten des Kriegslagers mindestens das vierfache; von einigen Gasthofs-
besitzern und Restaurateuren weiß die ganze Stadt daß sie durch die
Preußen und ihre Bundesgenossen reich geworden sind. Jn den letzten
Tagen, wo jeder seine Einkäufe machte, um Erinnerungen mit nach Deutsch-
land zu nehmen, konnten die Besitzer der Geschäftslocale nicht rasch genug
nach Paris gehen, von wo sie alles mögliche an Kunst= und Luxusgegen-
ständen herbeischafften. Man hört nicht daß die Pariser den Verkauf ver-
weigert hätten. Die Versailler aber werden die erlangten Vortheile mit
Ruhe genießen können, denn sollte hier ein Strafgericht an denen vollzogen
werden, die mit den Preußen in Verbindung traten, so müßte die ganze
Bürgerschaft sich unter einander zerfleischen; jeder wollte verdienen, und
jeder wußte zu verdienen.
Während der Stunden in denen der Kaiser die Württemberger, die
Sachsen und einen Theil der Bayern auf der Ebene vor Villiers Revue
passiren ließ, wurden die auf dem linken Seine=Ufer gelegenen Südforts
von den Deutschen geräumt. Bei der Wiederbesetzung des Forts Jssy durch
die Franzosen ereigneten sich einige charakteristische Scenen. Um 10 Uhr
Vormittags sollte die Uebergabe erfolgen. Die preußischen Truppen, welche
die Besatzung bildeten, ein Bataillon des 87. ( 1. hess. ) Regimentes, standen
Punkt 10 Uhr marschbereit auf ihrem Posten, an der Spitze der Batail-
lonscommandant Major v. Basse und Hauptmann Müller von der 5.
Compagnie, welcher die mündlichen Verhandlungen mit den Franzosen zu
übernehmen hatte. Gleichwohl war zur festgesetzten Stunde vor Jssy noch
nichts zu sehen als ein Pariser Fiaker, der am Eingang hielt -- in ihm
sitzend eine -- Dame, die allerhand Utensilien zur häuslichen Einrichtung
mitbrachte. Eine halbe Stunde später kamen 5 oder 6 Feldgendarmen,
und in einiger Entfernung sah man einen französischen Stabsofficier mit
mehreren Begleitern. Die Officiere die zum Empfange der Franzosen vor
dem Fort standen, forderten den einen der Gendarmen auf den französischen
Officieren mitzutheilen daß alles zum Abmarsch der Deutschen bereit sei.
Der französische Officier wandte sein Pferd und ritt bis vor das Fort, be-
sann sich dann aber anders und wartete bis um 11 Uhr die Truppen aus
Paris herbeikamen. Jetzt erst hielt der Stab der neuen Besatzung seinen
Einzug. Beim Act der Uebergabe wurden die französischen Officiere auf-
merksam auf einige neue Batteriebauten, welche die Unsrigen hier zum
Schutze der Casematten vor diesen, in der Kehle des Festungswerkes, aufge-
worfen hatten. Diese Erdarbeiten waren natürlich, da es an Muße zu ihrer
Vollendung nicht gefehlt, im höchsten Maße kunstgerecht; sie hatten den
Zweck den Eingang des Forts gegen einen Angriff zu vertheidigen. Bei
ihrem Anblick sagte einer der französischen Genieofficiere in spöttischem
Tone: „Es scheint mir als ob die Preußen sich gut zu decken wissen.“
„Gewiß,“ antwortete ihm Hauptmann Müller, „auch wir haben nur eine
Haut zu verkaufen, und sollen wir sie verkaufen, so setzen wir eine Ehre
darein daß es um möglichst hohen Preis geschehe.“ Der kleine Zwischen-
fall that übrigens dem zuvorkommenden Benehmen der Preußen keinen
Abbruch. Sie bestiegen ihre Pferde und verabschiedeten sich in der höflich-
sten Form. Kaum waren sie einige Schritte geritten, so rief ihnen einer
der Franzosen im Uebermuth nach: „ Peut~être à revoir, Messieurs.“
Hauptmann Müller warf sein Pferd auf die Seite und antwortete mit
Ruhe: „ Messieurs, nous en serons ravis.“
Deutsches Reich.
Karlsruhe, 13 März. Neben den als Mitgliedern des deutschen
Bundesraths fungirenden Chefs des großh. Staatsministeriums und des
Ministeriums des Auswärtigen ist noch der Vorstand des Finanzministe-
riums, Präsident Ellstätter, zum Bevollmächtigten beim Bundesrath des
Deutschen Reichs ernannt worden. Gleichzeitig wurde für den Fall der
Verhinderung dieses Bevollmächtigten Ministerialrath W. Eisenlohr zu
dessen Stellvertreter ernannt. -- Die Verfügungen welche seinerzeit wegen
des Kriegsausbruchs den Vollzug des außerordentlichen Budgets sistirt
und namentlich auch die Eisenbahn=Bauarbeiten auf das gebotene Maß
eingeschränkt haben, sind durch das großh. Staatsministerium wiederum
außer Wirksamkeit gesetzt worden. ( K. Z. )
† * Berlin, 13 März. Allerdings soll mit den im Vertrag vom
26 Febr. ausbedungenen 5 Milliarden Fr. oder 1333.3 Millionen Thlrn.
Kriegscontribution den Franzosen eine fühlbare Strafe für den muthwillig
begonnenen und frevelhaft fortgesetzten Krieg auferlegt werden. Sie sollen
an der Abzahlung dieser Summe, wofür ihnen eine Frist von drei Jahren
gegeben ist, wirklich zu tragen haben, und werden sich unterdeß ein deut-
sches Occupationsheer als mahnenden Gast gefallen lassen, da der Vor-
schlag des Hrn. Crémieux, die ganze Summe durch eine freiwillige Anleihe
alsbald aufzubringen, sich der nicht übertriebenen Opferlust und der Er-
schöpsung des Landes gegenüber doch als unausführbar erweisen möchte.
Das hochmüthige, nach kaum erlangtem Frieden schon wieder von Rache
sprechende, Frankreich muß fühlen daß die mißlungene Promenade nach
Berlin, das vergebliche Massenaufgebot Gambetta's doch zu kostspielige
Unternehmungen waren, als daß sie so bald wiederholt werden dürften.
Wenn wir jedoch die ungeheuren Unkosten überschlagen welche der eben
beendigte Krieg Deutschland verursachte, so möchte nach ihrem Abzug kein
so bedeutender Ueberschuß verbleiben, um den Festungsbauten, für welche
Frankreich 1814 ausdrücklich, aber viel zu schonend, in Anspruch genom-
men wurde, und welche an unserer neuen Gränze unerläßlich sein werden,
eine wesentliche Hülfe zu bieten. Der genau genommen kaum vierzehn-
tägige Krieg von 1866 kostete Preußen an rein militärischen Ausgaben,
wie die noch wenig Landwehr in Anspruch nehmende Mobilmachung, die
Vergütung für Militärleistungen der Kreise, für Telegraphenleitung nach
dem Kriegsschauplatz, 132 Millionen Thaler. Wie ungleich umfassender
war die vorjährige Mobilmachung ganz Deutschlands mit ihrem fortwäh-
renden Nachschub an Reserven und Landwehr. Der französische Krieg hat
vierzehnmal so lange gedauert als der böhmische. Außer der Million
Krieger war für den Eisenbahn=, Post= und Telegraphen=Dienst auf fran-
zösischem Boden so viel Personal aufgewendet, daß der heimische Verkehr
darum beträchtlich beschränkt werden mußte. Die Ausrüstung war un-
gleich umfassender, die Entfernung des Kriegsschauplatzes viel größer, und
die Transporte an Mannschaften, Pferden, Geschützen, Wagen, Munition
und Proviant waren ungleich umfangreicher und kostspieliger. Jm böhmi-
schen Feldzug gab es keine Festungen zu belagern; gegenwärtig sind ihrer 26
eingenommen worden. Die Belagerung Straßburgs allein hat 2 Millio-
nen Thaler gekostet. 193,000 Geschosse aller Art, 50pfündige, 25pfün-
dige Bomben, Shrapnels, Langgeschosse sind dort zur Verwendung ge-
kommen, und die gewöhnliche Feldgranate kostet4 2 / 3 Thaler, die schwerere
10 und 20 Thaler. Bedeutende Kosten haben die Vorkehrungen für Ver-
wundete und Kranke verursacht. Den Aerzten und Wärtern mußten mög-
lichst günstige Bedingungen für ihren schweren Beruf gestellt werden. La-
zarethe waren in Frankreich und Deutschland zu errichten und zu unter-
halten. Für den Rücktransport der Leidenden wurden zum Theil ganz
neue Sanitätszüge gebaut. Wir haben 90,000 Verwundete gehabt. Viel
hat die freiwillige Pflege für sie gethan; aber meist mußte der Staat auch
in den Privathospitälern so zu sagen die Stammkosten tragen. Nicht we-
niger als 374,000 Franzosen, darunter 11,160 Officiere, sind als Kriegs-
gefangene nach Deutschland befördert worden. Auch unter ihnen gab es
viele Verwundete und Kranke, die nicht vernachlässigt werden durften.
Häufig mußten erst Baulichkeiten hergestellt werden um die Menschen-
menge unter Dach zu bringen. Jhre Beköstigung und Kleidung stieg im
Verlaufe der Zeit zu hohen Summen auf. Die untersten Officiersgrade
bekamen monatlich 12 Thlr. ausgezahlt, und Graf Chaudordy hat nicht
unterlassen hervorzuheben daß gefangene deutsche Officiere in Frankreich
mehr erhielten; allein die Franzosen konnten diesen Aufwand bei der ge-
ringen Anzahl ihrer Gefangenen leicht tragen. Während unsere Reserve-
und Landwehr=Männer im Felde standen, mußte für ihre Frauen und
Kinder gesorgt werden. Viel geschah durch Privatwohlthätigkeit; allein
der Staat mußte die gesetzlichen Monatsgaben verabreichen. Von 15,000
Todten haben ziemlich viele Wittwen und Waisen hinterlassen, die zu ver-
sorgen sind. Die Wittwe des Landwehrmannes erhält 50 Thlr. jährlicher
Pension, für jedes Kind 30 Thlr. bis zum 15. Lebensjahr. Officiers-
wittwen erhalten 200 bis 400 Thlr., jedes Kind 40 und 50 Thlr. Er-
werbsunfähige Mannschaften erhalten ihre Pension. Dem invaliden
Lieutenant stehen 240 Thlr. zu; verlor er ein Glied, erhält er 420, ver-
lor er zwei Glieder 620 Thlr., und das steigt in den höchsten Graden bis
zu 2400, 2600 und 2800 Thlrn. Da diese Männer, übrigens gesund,
meist in den besten Jahren stehen, so wird die Pension eine geraume Zeit
an sie bezahlt werden müssen. Dazu kommt daß in Straßburg und, wenn
wir nicht irren, in andern bei Deutschland bleibenden Festungen von den
diesseitigen Behörden Anmeldungen des durch die Beschießung erlittenen
Privatschadens angenommen wurden, woraus eine Anwartschaft auf Er-
satz erwuchs. Ebenso machen sich Tausende der aus Frankreich vertriebe-
nen Deutschen Hoffnung auf Entschädigung. Es wird sich zeigen ob ihnen
genügt werden kann. Hr. Thiers hatte, da die Friedensunterhandlungen
einmal in Gang gekommen waren, allen Grund dieselben rasch zum Schluß
zu bringen, und Graf Bismarck keinen sich zögernd und völlig unnach-
giebig zu beweisen. So ist Frankreich von der ursprünglichen Forderung
eine ganze Milliarde Fr. erlassen worden, und von den zu entrichtenden
5 Milliarden wird schließlich die repartirte Staatsschuld der abgetretenen
Gebietstheile abgezogen werden. Alles in Bausch und Bogen. Wäre es
zu einer specificirten Abrechnung gekommen, so hätte es bei den ursprüng-
lich geforderten 6 Milliarden Fr. wahrscheinlich vollauf verbleiben müssen.
▽ Köln, 13 März. Nachdem die Angelegenheit mit den Bon-
ner Professoren der Theologie, Hilgers, Langen und Reusch, so lange ge-
ruht, konnte es den Anschein gewinnen als ob der hiesige Erzbischof mit
seinen unberechtigten Gewaltmaßregeln gegen diese Herren doch nicht bis
zum Aeußersten schreiten werde. Allein trotz der „schmachvollen Gefan-
genschaft “ in welcher sich der heiligste Vater befinden soll, muß wohl, wie
nach München, so auch hier nach Köln, von Rom aus, außer einigen Ab-
laßbriefen und dergleichen Liebesgaben jüngst die strengste Ordre einge-
laufen sein gegen die renitenten Professoren rücksichtslos vorzugehen.
Jedenfalls sind, wie ich Jhnen aus zuverlässiger Quelle mittheilen kann,
vor einigen Tagen an die obengenannten Herren seitens des Hrn. Erz-
bischofs gleichlautende Schreiben eingelaufen, in welchen denselben ange-
kündigt wird daß, wofern sie nicht bis zum 1 April stch unterworfen hät-
ten, ipso facto die Suspension über sie verhängt sein würde. Jch glaube
hinzusetzen zu dürfen daß die Herren auch darauf vollständig gefaßt sind.
Dresden, 13 März. Am gestrigen Sonntag ist Se. kgl. Hoheit
unser Kronprinz, nach fast achtmonatlicher Abwesenheit und ruhmreichster
Theilnahme an den Kämpfen und Siegen der deutschen Heere in Frankreich als
Führer der Sachsen und als Höchstcommandirender der Maas Armee, aus dem
Felde zum erstenmal in die Residenz zurückgekehrt. Von einem officiellen
Empfange durch die Behörden und die Garnison war abgesehen worden;
einen um so wärmeren wahrhaft herzlichen Empfang hat die gesammte
Bevölkerung der Residenz Sr. königl. Hoheit fast ohne alle äußere Anre-
gung aus eigenem freien Antriebe bereitet. Auf dem Perron des festlich
decorirten und mit einer Ehrenpforte gezierten Leipziger Bahnhofes waren
zur Begrüßung die HH. Staatsminister Dr. Frhr. v. Falkenstein, Frhr. v.
Friesen, Dr. Schneider, v. Nostitz=Wallwitz und der Vorstand des Kriegs-
ministeriums Generalmajor v. Brandenstein, sowie die am hiesigen Hof
accreditirten HH. Gesandten anwesend; ferner der Stadtcommandant
Generallieutenant v. Hausen mit den HH. Generalen a. D. und dem
Officiercorps, mehrere hier lebende Generale und zahlreiche höhere Officiere
der k. preußischen Armee, Hr. Kreisdirector v. Könneritz und die Spitzen
der übrigen königl. Behörden, der Stadtrath und die Stadtverordneten in
corpore, Vertreter hiesiger Corporationen und eine Deputation der Stadt
Chemnitz. Jn der Ankunftshalle des Bahnhofes hatte ein Kreis zahlreicher
Damen der höchsten und höhern Stände, die größtentheils während des
Krieges als Mitglieder des Albertvereins im Maxpalais für die Verwun-
deten thätig gewesen, sich eingefunden, und vor dem Bahnhof, umgeben
von einem zahllosen Publicum und einer großen Anzahl Equipagen,
der Militärverein, die Turner=Feuerwehr ec. Aufstellung genommen. Die
Ankunft erfolgte kurz vor 1 Uhr. Se. Maj. der König, welcher mit der
Frau Prinzessin Georg dem Kronprinzen bis Riesa entgegengefahren war,
verließ mit J. k. Hoh. den Zug noch vor der Einfahrt in den Perron, und
begab sich ohne weitern Aufenthalt über die neue Brücke nach dem könig-
lichen Schlosse. Bei der Einfahrt in den Bahnhof wurde der Kronprinz
von der „Dresdner Liedertafel“ mit dem Gesange des Liedes „Hörst du
das mächtige Klingen“ ( von Marschner ) und von den gesammten Anwesen-
den mit einem donnernden Hoch empfangen. Nachdem Se. k. H. den
Wagen verlassen, und die Frau Kronprinzessin zur Seite, auf dem Perron
erschien, richtete Hr. Oberbürgermeister Pfotenhauer eine Ansprache an
denselben, deren Schlußworte lauteten: „Hoch lebe der deutsche Feldherr
Albert der Siegreiche und seine tapfern Heerschaaren; Se. königliche Hoheit
Kronprinz Albert von Sachsen Hoch!“ Als der Jubel, mit welchem die
Versammlung in dieses Hoch einstimmte, geendet, ergriff Se. k. Hoh. der
Kronprinz das Wort, um seinen Dank für diese Huldigung auszusprechen:
die Gefühle welche ihn bei diesem Empfang an dieser Stelle bewegten, ver-
möge er nicht in Worte zu fassen; er halte es aber auch nicht für nöthig diesel-
ben noch besonders auszusprechen, da er überzeugt sei daß er auch ohne weitere
Worte verstanden werde. Man erweise ihm aber heute zu viel Ehre; diese
gebühre vielmehr der bewundernswerthen Tapferkeit, Hingebung und Aus-
dauer unserer wackern Armee. Er habe seine Sachsen gekannt; man
brauche eben nur voranzugehen, und könne dann sicher sein daß sie alle nach-
folgten. ( Beifall. ) Auch der Opferfreudigkeit der Sachsen in der Heimath
gedachte Se. königliche Hoheit dabei in der anerkennendsten Weise. --
Se. k. Hoh. trat sodann in die Ankunftshalle, wo ihm von den daselbst an-
wesenden Damen so reiche Spenden von Lorbeerkränzen, Bouquets ec. dar-
gebracht wurden, daß der kronprinzliche Wagen später sie kaum zu fassen
vermochte. Sichtlich erfreut, geruhte der Kronprinz -- dessen gesundes und
munteres Aussehen allgemeine Freude erregte -- in diesem Raume sich
mit vielen der Anwesenden in huldvollster Weise einige Zeit zu unterhal-
ten, und bestieg sodann -- beim Erscheinen vor dem Bahnhof von den dort
harrenden Tausenden mit stürmischen Hochrufen begrüßt -- unter den
Klängen der aufgestellten Musikchöre mit J. k. H. der Frau Kronprinzessin
einen zweispännigen offenen Hofwagen, um sich nach der Altstadt und
zwar zunächst in das k. Residenzschloß zu J. M. der Königin zu begeben.
Der Zug vom Bahnhofe nach dem k. Schlosse war für die Bevölkerung
Dresdens ein Festzug im vollsten Sinne des Worts. Ununterbrochene
Hochrufe begleiteten denselben. Noch lange umwogte die Menge das kgl.
Schloß, und durchzog sodann die festlich beflaggten und geschmückten Haupt-
straßen der Stadt, in denen Abends zahlreiche Häuser glänzend beleuchtet
waren, wie denn auch zu Ehren des Tages die großartige Jllumination
des Altstädter Rathhauses wiederholt wurde. Kein Mißton hat die schöne
Feier getrübt. -- Wir knüpfen hieran noch die Mittheilung daß Se. k. H.
der Kronprinz noch im Laufe dieser Woche ( wahrscheinlich am Donnerstag )
zur Armee nach Frankreich zurückkehren und seinen Sitz in Compiègne
nehmen wird. Wie wir vernehmen, wird J. k. H. die Frau Kronprinzessin
denselben dorthin begleiten. ( Dr. J. )
sym2 Straßburg, 13 März. Es ist begreiflich daß die Meldungen
verschiedener Blätter, und namentlich die eines officiellen Organs, in Bezug
auf Annexion eines Theils des Elsaßes an die bayerische Pfalz großes
Aufsehen bei uns erregt haben. Der Widerruf derselben hat den festen
Glauben nicht erschüttert daß, wenn auch keine definitive Abmachung, doch
wenigstens ganz ernste Unterhandlungen über diese wichtige Frage statt-
gefunden haben. Jn letzter Jnstanz wird übrigens der Reichstag entscheiden.
Sollten Bayern Zugeständnisse gemacht werden, so wird doch hoffentlich
die sich hie und da laut werdende Befürchtung von „Zerstückelung“ des
Elsaßes eine ungegründete sein. Bei unsern provisorischen Zuständen, wo
Besorgnisse und Hoffnungen flüchtig mit einander abwechseln, sind offi-
cielle beruhigende Erklärungen sehr nothwendig. Was unsere industriellen
Beziehungen zu Frankreich betrifft, so hofft man daß in der nächsten Zeit
noch Differentialzölle zu Gunsten des Elsaßes bewilligt werden. Daß die
deutsche Centralregierung unsere Jnteressen wahren und wo möglich uns
unmittelbar in den Zollverein aufnehmen werde, das wünscht man und
steht auch wahrscheinlich zu erwarten. -- Seit einigen Tagen wimmelt
unsere Stadt von zurückkehrenden französischen Gefangenen. Andererseits
kommen jetzt auch allmählich deutsche Truppen aus dem Jnnern und werden
hier und in der Umgegend einquartiert. Der regelmäßige Eisenbahn= und
Postverkehr leidet dadurch zuweilen.
Oesterreichisch=ungarische Monarchie.
* Wien, 14 März. Die Antwort welche Graf Hohenwart auf die
Jnterpellation wegen des Verbots der deutschen Siegesfeierlichkeiten in
der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses ertheilte, lauter wörtlich:
„Jn der Sitzung des hohen Abgeordnetenhauses vom 7 d. M. haben die
HH. Fux und Consorten aus Anlaß des Verbots einer öffentlichen deut-
schen Siegesfeier das Gesammtministerium interpellirt und drei Fragen an
dasselbe gestellt. Die erste Frage lautet: „Beruht die Untersagung der
Siegesfeier auf einer speciellen Anordnung des hohen Gesammtministe-
riums oder des betreffenden Ministers?“ Auf diese Frage theile ich mit
daß diese Untersagung von mir im Einverständniß mit dem Gesammt-
ministerium für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder
ausgieng. Die zweite Frage lautet: „Auf welche gesetzliche Bestimmung
gründet sich diese Untersagung?“ Auf diese Frage bemerke ich daß diese
Untersagung auf die allgemeine Verpflichtung der politischen und Sicher-
heitsbehörde, für Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung zu sorgen, auf
die dießfalls bestehenden Polizeivorschriften, speciell auch noch auf das Ge-
setz vom 15 Nov. 1867 über das Versammlungsrecht §. 3 Alinea 3 sich
gründet, wonach öffentliche Aufzüge der Genehmigung der Behörden be-
dürfen. Jm vorliegenden Fall mußte sich die Regierung um so mehr auf-
gefordert sehen von diesem Untersagungsrecht Gebrauch zu machen, als sich
die öffentliche Meinung nicht nur in der Presse, sondern auch in der Be-
völkerung bereits sehr entschieden gegen eine solche öffentliche Feier ausge-
sprochen hatte, Gegendemonstrationen nicht nur zu besorgen, sondern be-
reits angekündigt waren, ihr endlich genügende und nichts weniger als einla-
dende Erfahrungen vorlagen wohin derlei nationale Kundgebungen in unse-
rem von so verschiedenen Volksstämmen bewohnten Staate führen. Uebrigens
hat es die Regierung bereits als eine ihrer vorzüglichsten Aufgaben er-
klärt das österreichische Bewußtsein in der Bevölkerung möglichst zu kräf-
tigen und zu beleben, sie wird daher mit allen ihr gesetzlich zustehenden
Mitteln jedem Versuch entgegentreten die öffentliche Meinung künstlich in
eine diesem Grundgedanken entgegengesetzte Richtung zu leiten. ( Bravo!
rechts. ) Die dritte Frage lautet: „Wie wird die Untersagung der deut-
schen Siegesfeier in Einklang gebracht mit den in der bewußten Note der
österreichischen Reichskanzlei zu Gunsten der deutschen Sache ausgespro-
chenen Sympathien und Wünschen?“ Jn Beantwortung dieser Frage hebe
ich vor allem hervor daß die Deutung welche die HH. Jnterpellanten der
Depesche vom 26 Dec. v. J. geben eine ganz unrichtige ist. Jch habe mich
dießfalls mit dem Hrn. Minister des Aeußern ins Einvernehmen gesetzt,
und erwiedere hierauf daß die Neutralität welche von der k. und k. Regie-
rung während des Kriegs zwischen Frankreich und Preußen beobachtet
wurde, nur dann inneren Werth behaupten und auf eine volle Würdigung
der rückhaltlosen Loyalität Anspruch erheben darf wenn ihr eine gewisse
Stetigkeit auch über die Dauer des Kriegs hinaus verliehen wird. Jn
diesem Sinne stand die Depesche vom 26 Dec. v. J., an deren Grundsätzen
festzuhalten man vollkommen entschlossen ist, weder im Widerspruch noch
im Zusammenhang mit der von Oesterreich eingehaltenen Neutralitäts-
politik, sondern gab dem Gedanken Ausdruck: das Selbstbestimmungs-
recht Deutschlands bezüglich seiner Neugestaltung anzuerkennen und mit
dem deutschen Kaiserreich die besten und freundschaftlichsten Beziehungen
anzubahnen und zu befestigen. Diese Beziehungen können die gewissen-
haften Pflichten der staatlichen Jndividualität beider Theile nicht nur nicht
stören, sie heischen sie sogar, und was insbesondere Oesterreich=Ungarn
anbelangt, so fordern sie die zarteste und sorgfältigste Auffassung
des Nationalitätenprincips, eine Auffassung die allein im Stande sein kann
dem Streite zu wehren und Einigung an die Stelle des politischen Wider-
spruches zu setzen. Nach dieser Zurückführung der Depesche vom 26 Dec.
v. Js. auf ihre wahre Bedeutung bemerke ich: daß sich die Regierung, als
sie das Verbot erließ, lediglich von der Pflicht der Fürforge für die Ord-
nung und den Frieden im Jnnern der diesseitigen Reichshälfte leiten ließ,
daß sie daher durchaus die Befürchtung der HH. Jnterpellanten, daß
diese Untersagung Zweifel in die Aufrichtigkeit der österreichischen Ver-
sicherungen erregen könnte, nicht theilen kann, vielmehr der vollen Ueber-
zeugung ist daß die Regierung des Deutschen Reichs einen weit höheren
Werth der Freundschaft eines Staates beilegen dürfte der sich selbst zu
achten und die Ordnung im Jnnern aufrecht zu halten weiß, als den
Sympathien einer Regierung die sich selbst den fernsten Aufgaben gegen-
über zu schwach erweisen wird.“
sym13 Wien, 14 März. Der Kaiser und die Kaiserin gehen morgen
nach Ungarn. -- Man mag gegen das Ministerium Hohenwart was
immer einzuwenden haben, aber man wird nicht läugnen können daß die
Verfassungspartei ihm gegenüber wieder vollständig kopflos vorgeht. Es han-
delt sich gegenwärtig um die Recrutenbewilligung. Die Ziffer der jährlichen
Stellung wird von den Delegationen festgesetzt, und sie ist für die nächsten
zehn Jahre von diesen unabänderlich bemessen; Reichsrath und ungarischer
Landtag haben nur die Vertheilung der Recrutenzahl auf die einzelnen
Provinzen zu überwachen. Dieser klaren Sachlage gegenüber hat der be-
treffende Reichsrathsausschuß dießmal 1400 Recruten weniger zu be-
willigen beschlossen; die Regierung aber macht ihm unbedingt das Recht
streitig auch nur einen einzigen Mann weniger einzustellen, weil jede
Weniger=Einstellung eine Verletzung des Pactes mit Ungarn in sich schließe.
Das ist der Conflict. Man beschuldigt die Regierung diesen Conflict zu
wollen um eine Handhabe für die Auflösung des Reichsraths zu haben.
Angenommen, aber nicht zugegeben, daß dem so sei, so sollte man denken
die allergewöhnlichste Klugheit hätte dem Reichsrath anrathen müssen der
Regierung diese Handhabe nicht dort zu bieten wo sie mit der klarsten Ge-
setzesbestimmung sich zu waffnen vermag, und noch dazu auf einem Gebiet
auf welchem der Großstaat erfahrungsmäßig am empfindlichsten ist.
** Wien, 14 März. Graf Szécsen, welcher dieser Tage von London
zurückkehrt, soll als Botschafter ( die Verhandlungen behufs Erhebung der
beiderseitigen Vertretungen zu Botschaften sind im Zuge ) nach Berlin aus-
ersehen sein an Stelle des Grafen Wimpffen, welcher eine anderweitige
Verwendung wünscht und möglicherweise den St. Petersburger Posten
erhält. Es ist nämlich trotz der Abläugnung der „W. Abendpost“ noch
immer die Rede davon daß Graf Chotek Statthalter von Böhmen wird. --
Fürst Metternich hat neue Accreditive erhalten auf besondern Wunsch des
Hrn. Thiers.
- d - Salzburg, 15 März. Die Stadt Salzburg steht nicht nur
nicht zurück hinter anderen deutsch=österreichischen Städten an Kundgebung
von Theilnahme und Mitfreude an den deutschen Errungenschaften, son-
dern die Gemeindevertretung selbst stellte sich an die Spitze, um der Frie-
densfeier das Gepräge der allgemeinen Antheilnahme der ganzen Bevölke-
rung zu verleihen. Salzburg ist von allen Kronländern Oesterreichs das
einzige welches bis zu den Kriegen des ersten Napoleon durch eine tausend-
jährige Geschichte dem deutschen Reich unmittelbar angehörte, dem alten
bayerischen Jnnkreise einverleibt, in seinem Verbande einst reiche Land-
schaften und freundliche Städte zählend, wie Laufen, Tittmoning, Mühl-
dorf, deren Söhne nun im bayerischen Heer auch mitgeblutet haben für
die Wiedergeburt Deutschlands. Kann es da wundernehmen wenn die Lan-
deshauptstadt Salzburg unter den Städten Deutsch= Oesterreichs das leb-
hafteste Jnteresse hat an den Geschicken der deutschen Stammesgenossen?
Leider hat das Ministerium auch in Salzburg die Abhaltung einer öffent-
lichen Friedens=Feier untersagt, wogegen der Gemeinderath übrigens
eine motivirte Vorstellung einzureichen beschloß; umsomehr möge es ge-
stattet sein in der Presse die deutschfreundlichen Sympathien Salzburgs
zu bezeugen, die sich in der Begeisterung offenbarten mit welcher die Vereine
ihre Mitwirkung bei der vorbereiteten Festfeier zusagten.
Großbritannien.
London, 13 März.
Jn der Sitzung des Unterhauses vom 10 d. fragte zunächst
Hr. Birley: ob die Regierung beabsichtige eine Vorlage einzu-
bringen durch welche der Verkauf und Export von Waffen für Krieg-
führende untersagt werde. Der Premier erwiederte: daß die Regierung
gegenwärtig keinerlei Absicht habe eine neue Vorlage einzubringen oder
Amendirung bestehender Gesetze über den Export von Waffen und Muni-
tion nach kriegführenden Staaten vorzuschlagen, und daß keine weitere
Correspondenz zwischen J. M. Regierung und den Vertretern auswärtiger
Mächte über diesen Gegenstand verliege, die nicht bereits auf den Tisch des
Hauses gelegt worden wäre. -- Mit Beziehung auf den bevorstehenden
Einzug der preußischen Truppen in Berlin erkundigte sich Hr. W. Lowther
ob nicht General ( damals Oberst ) Walker im Jahre 1866 bei dem Einzuge
der Truppen nach Beendigung des Krieges mit Oesterreich zugegen gewesen
sei, und ob der General hinsichtlich seines Verfahrens Jnstructionen erhal-
ten werde. Lord Enfield, der Unterstaatssecretär im Ausw. Amte, bemerkte
hierauf: General Walker sei allerdings im Jahre 1866 bei dem Einzug in
Berlin zugegen gewesen. Von den übrigen Anfragen war nur diejenige
des früheren Unterstaatssecretärs im auswärtigen Amte, Otway, von
Jnteresse. Derselbe wünschte Aufklärung darüber ob auf Veranlassung des
französischen Botschafters am 25 Lord A. Loftus in Berlin den Auftrag:
die guten Dienste der englischen Regierung anzubieten, in einer Depesche
erhalten habe, welche unmöglich vor dem 27 in seinen Händen sein konnte,
während der Waffenstillstand am 26 ablief. Warum ferner die Jnstructionen
jener Depesche nicht in einer chiffrirten Depesche am 24 telegraphisch
an Lord A. Loftus übermittelt worden seien; ob sodann Hr. Odo Russell, dem
am 24 telegraphisch die eben erwähnte Depesche in Versailles zur Kennt-
niß gebracht wurde, instruirt worden sei dem Grafen Bismarck die guten
Dienste der britischen Regierung anzubieten, und welche Antwort auf dieses
Anerbieten ertheilt worden sei. Darauf ertheilte Lord Enfield folgende
Antwort: J. M. Regierung wurde erst am 24 ult. mit den Wünschen der
französischen Regierung bekannt gemacht. Die an demselben Tag an
Lord A. Loftus gerichtete Depesche wurde dem Grafen Vernstorff mit dem
Ersuchen mitgetheilt den Jnhalt derselben unverzüglich an den Grafen
Bismarck zu telegraphiren. J. M. Regierung hat Grund zu glauben daß Graf
Bismarck das Anerbieten ihrer guten Dienste am 25 Morgens erhielt, in-
dessen ist eine amtliche Antwort auf ihre Depesche noch nicht eingelaufen.
Jn der Abschrift wurde dieselbe Depesche auch an Herrn Odo Russell
telegraphirt, damit er über die von der Regierung gethanen Schritte
im klaren sein möge. Dieses Telegramm kam jedoch erst um
11 Uhr Abends am 25 an seine Adresse. J. M. Regierung war der Ansicht
daß sie den besten und sichersten Weg wähle ihre Ansichten zur Kenntniß
des deutschen Kanzlers zu bringen, indem sie sich an den Grafen Bernstorff
wende. Es ist kaum nöthig zu bemerken daß es viel umständlicher gewesen
wäre erst an Lord Loftus zu telegraphiren, damit dieser den Hrn. v. Thile
ersuchen möge an den Grafen Bismarck zu telegraphiren.“ Mit diesem
Bescheide war der Fragesteller nicht zufrieden, sondern er bemerkte aber-
mals: „Der edle Lord hat nicht die Frage beantwortet auf welche ich am
meisten Gewicht lege, nämlich: ob Hr. Odo Russell, dem die erwähnte De-
pesche abschriftlich zutelegraphirt wurde, als er bei dem Grafen Bismarck
in Versailles war, auch die Jnstruction erhielt ihm die guten Dienste von
J. M. Regierung anzubieten.“ Lord Enfield: „Das Telegramm welches
an Hrn. Odo Russell am Abend des 24 ergieng, enthielt den wesentlichen
Jnhalt der an Lord A. Loftus gesandten Depesche, und es wurde Hrn. Odo
Russell anheimgestellt nach seinem eigenen Ermessen in dieser Angelegenheit
zu handeln.“ Hr. Otway: „Dann wurden ihm aber keine Jnstructionen
zugesandt?“ Lord Enfield: „Nein, allerdings nicht.“ -- Jm weiteren Ver-
laufe der Sitzung ward eine Jnterpellation in Betreff eines Gesandten
des Fürsten Kassa von Abessinien, der auf seinem Wege hieher mit Ge-
schenken für die Königin in Alexandria drei Monate hingehalten wurde,
und dann den Rath erhielt wieder ruhig heimzukehren, von dem Unter-
staatssecretär im indischen Amte mit dem Bemerken erwiedert: die Regie-
rung bedaure den Vorfall, allein das indische Amt habe kein Geld für die
Reisekosten dieses Gesandten gehabt, und das Schatzamt sei nicht geneigt
gewesen etwas dafür herzugeben. Uebrigens solle ein passender Dankbrief
mit Geschenken an den Fürsten Kassa übermittelt werden.
Eine beachtenswerthe Flugschrift „über den französisch=preußischen Krieg,“
geschrieben im Januar 1871, in London bei William Ridgeway erschienen,
hat einen englischen Officier zum Verfasser, Grantley F. Berkeley, der sie
„dem kaiserlichen Kronprinzen von Deutschland“ gewidmet hat. Es ist eine
einfache, offenbar von innigster Ueberzeugung eingegebene Schrift, die sich,
ohne feindselig gegen Frankreich aufzutreten, für die volle Gerechtigkeit der
deutschen Sache und die ebenso tapfere als humane Kriegführung ausspricht.
Zugleich rügt sie mit Schärfe das Verhalten der englischen Correspondenten,
welche in französischem Sinne die deutsche Tüchtigkeit und Wahrhaftigkeit
schmähen, dagegen die Lügenberichte eines Gambetta verbreiten. Der Ver-
fasser warnt vor denen welche sich die Mühe geben England in unfreund-
liche Stimmung gegen Deutschland zu versetzen. „Jch stehe, sagt er, ganz
auf der Seite der Deutschen, worin mich die hohe und erhabene Bescheiden-
heit derselben, sowie die falsche Lüge und der Wortbruch der republicanischen
Partei bestärken, doch wünsche ich von Herzen daß die wahren Feinde des
schönen Frankreichs, die Gambetta=Clique, gestürzt werden. Möge England
von den Lehren Nutzen ziehen welche der jetzige große Krieg bietet, den die
Franzosen gesucht haben, und der vom König von Preußen -- jetzt glücklicher-
weise deutscher Kaiser -- so tapfer durchgefochten worden ist. Vom Anfange der
Herausforderung bis zur Niederlage des Kaisers der Franzosen, bei den
außerordentlichen Siegen welche von den verbündeten Heeren errungen
worden sind, ist mir keine Thatsache bekannt welche mir in Bezug auf das
Verhalten der Sieger ein Bedauern einflößt. Ueberall ist ihr Betragen
fürstlich, human, tapfer gewesen; sie haben vor der Welt den Beweis ge-
liefert welche vergeblichen Bemühungen eine nicht disciplinirte Masse macht,
die von eigennützigen Menschen geleitet wird, welche nur ihre eigenen Jn-
teressen im Auge behalten, nicht das Wohl der bürgerlichen Gesellschaft.“
Oberst Fielding von den Coldstream Garden, der englische Militär-
commissär bei der französischen Armee, welcher vor einigen Wochen nach
England berufen worden war um beim auswärtigen Amt Aufschlüsse über
gewisse Punkte abzugeben, ist nunmehr nach Frankreich zurückgekehrt, um
das noch fehlende Material für seinen officiellen Bericht zu sammeln.
Obwohl in Abrede gestellt worden ist -- schreibt der „Globe“ --
daß die Uebertragung des Suez=Canals an englische Capitalisten wahr-
scheinlich sei, haben wir doch Grund zu der Annahme daß demnachst Un-
terhandlungen zu diesem Zwecke beginnen werden. Der Herzog v. Su-
therland, Lord Stafford, Hr. Pender und einige andere Herren haben
während ihrer Anwesenheit im Lande dem Vicekönig einen Besuch in
Kairo gemacht, und die Officiere der Yacht des Herzog v. Sutherland ha-
ben während der Durchfahrt durch den Canal Vermessungen angestellt.
Kaiser Napoleon ist noch nicht in Chiselhurst eingetroffen, und wie
verlautet, wird er vor Donnerstag keinesfalls erwartet.
Mit Hrn. Lewis Doxat ist wohl der Nestor der europäischen Jour-
nalistik gestorben. Jm Anfang dieses Jahrhunderts war er Redacteur
des „Morning Chronicle,“ darauf 50 Jahre lang Redacteur des „ Ob-
server.“ Er starb vor wenigen Tagen 98 Jahre alt.
Frankreich.
Paris, 9 März.
Die „Amtszeitung“ meldet daß der Chef der executiven Gewalt den
bisherigen Gesandten Frankreichs in Athen, Hrn. Baude, den General
Caill é, den Abg. de Goulard und endlich Hrn. Declerc, welcher ebenfalls
den Rang eines Gesandten besitzt, zu Bevollmächtigten für die in Brüssel
zu eröffnenden Friedensunterhandlungen ernannt, und daß der Minister
des Aeußern diese Wahlen dem deutschen Reichskanzler mit der Bitte mit-
getheilt hat auch seinerseits die deutschen Bevollmächtigten zu ernennen,
und in möglichster Kürze den Tag der Eröffnung der Unterhandlungen zu
bestimmen.
Das amtliche Blatt veröffentlicht folgenden telegraphisch erwähnten
Artikel: „Jn dem Augenblick da die Eröffnung der Unterhandlungen be-
vorsteht welche uns zu dem Abschluß eines definitiven Friedensvertrags
führen sollen, muß ein jeder von uns sich von dem Ernst unserer traurigen
Lage und von der capitalen Wichtigkeit der peinlichen Pflichten durchdrin-
gen die sie uns auferlegt. Wir schreiten durch eine der härtesten Prüfungen
welche über eine Nation verhängt werden können. Wir können uns nur
durch gesunden Sinn und durch den festen Willen retten mit den Schwach-
heiten und Chimären ein Ende zu machen. Nachdem Frankreich thörichter-
weise zu Gunsten einer in sich selbst vernarrten Regierung abgedankt hatte,
erkannte es zu spät daß es an einen Abgrund geführt worden ist; nun es
in denselben hineingestürzt, muß es nur in sich selbst die Kraft suchen sich
wieder herauszuziehen. Auch hat es sich vor allen Dingen als Republik
constituirt, weil die Republik allein, d. h. die Regierung aller durch alle
und für alle, die Gemüther vereinigen und zu den nöthigen Opfern vorbe-
reiten kann. Es wäre also ein Verbrechen gegen das Land sie durch Jntri-
guen oder Gewaltthätigkeiten anzugreifen, welche den Sieg einer monarchi-
schen oder dictatorischen Minderheit zum Zweck hätten. Es wäre kein ge-
ringeres Verbrechen Zwiespalt zu säen, Unruhen zu stiften, Aufregungen
zum Vortheil einiger Ehrgeizigen herbeizuführen. Wir leben in einer
Stunde da der größte Patriotismus darin besteht sich der gesellschaftlichen
Disciplin zu unterwerfen und den Gesetzen zu gehorchen. Wer sich ein
Spiel daraus macht die letzteren zu überschreiten wird ein Feind des
Staats, und verdient alle Ahndungen der öffentlichen Meinung und der
Gerichte. Wer dagegen die Aufrechterhaltung der Republik und die Wie-
derkehr des Wohlstands will, der will schon damit auch die regelmäßige
Arbeit, die Ordnung in der Straße, den Gehorsam gegen die rechtmäßigen
Führer, die Achtung vor dem Recht eines jeden. Mißachtung der Gesetze
dagegen zu predigen und zu üben, die Presse durch Beschimpfungen und
Verleumdungen zu entehren, geheime Regierungen an Stelle der recht-
mäßigen Autoritäten zu setzen, heißt das Werk eines schlechten Bürgers
verrichten, heißt die Republik zerstören und den Despotismus zurückführen.
Ja, noch schlimmer, es heißt den Abzug des Fremden verzögern, und uns
vielleicht einer noch vollständigern und schrecklichern Occupation aussetzen.
Lernen wir in der That unsere Lage ohne Selbsttäuschung ins Auge fassen.
Wir sind besiegt worden. Fast die Hälfte unseres Landes stand in der Ge-
walt einer Million Deutscher, sie haben uns die erdrückende Last einer
Entschädigung von 5 Milliarden auferlegt, sie werden ihr Pfand nicht aus
den Händen lassen solange sie nicht bezahlt sind. Nun können wir aber
Hülfsquellen nur im Credit finden, und Credit wiederum nur durch Spar-
samkeit, Mäßigung und gute Aufführung erhalten. Wir haben keine Mi-
nute zu verlieren um uns wieder an die Arbeit zu machen, welche unser
einziges Heil ist, und in diesem entscheidenden Augenblick hätten wir die
klägliche Thorheit uns bürgerlichen Zerwürfnissen zu überlassen! Wir
könnten dulden daß einige Menschen, die nicht einmal sagen können was
sie wollen, die Stadt durch verbrecherische Anschläge beunruhigten! Wir
appelliren an die Vernunft unserer Mitbürger, und sind gewiß daß sie
solche Anschläge unmöglich machen werden. Unsere Unterhändler werden
ernste, schwierige, traurige Fragen zu erörtern haben. Mit welcher Auto-
rität werden sie das thun können wenn unsere Gegner immer wieder ihren
alten Einwand erheben: ihr seid keine Regierung; man beschimpft euch,
man verweigert euch den Gehorsam, man hält euch im Schach; ihr könnt
keine ernstliche Garantie für euren Bestand bieten. Wenn unsere Unter-
händler, während sie zur Conferenz zusammentreten, wieder Aufstände zu
befürchten haben, so werden sie scheitern, wie am 31 Oct., da die Emeute
vom Stadthause den Feind bestimmte uns den Waffenstillstand zu verwei-
gern welcher uns hätte retten können. Heute wiederum bedürfen wir un-
sere ganze Kraft um gegen einen geschickten und siegreichen Gegner zu
kämpfen; diese Kraft werden wir hauptsächlich in dem Urtheil der Welt
schöpfen, welches uns nur dann günstig sein wird wenn wir es durch unsere
Einigkeit, unsere Mäßigung, unsere Würde im Unglück zu gewinnen wis-
sen. Niemals hatte ein Volk ein directeres Jnteresse die wahren Bürger-
tugenden zu üben. Weil wir es vergaßen, darum leiden wir jetzt, und an
der Größe des auf uns lastenden Unglücks sollten wir erkennen wie absolut
nothwendig es ist die Lehre zu beherzigen, und in der Würdigung und
Achtung unserer Pflicht eine Zukunft zu suchen. Die Regierung setzt ihre
Ehre darein die Republik zu gründen. Sie wird dieselbe energisch verthei-
digen, mit dem festen Vorhaben ihr zur Grundlage den Credit zu geben,
ohne welchen der öffentliche Wohlstand nicht wieder aufleben kann, die
Aufrechthaltung der Ordnung und die Ausführung der Gesetze, welche ihr
allein gestatten werden eine Aera der Wiederherstellung und des Friedens
einzuleiten.“
Nach dem „J. des Débats “ gehören die Kanonen deren sich einige
Nationalgarden am Tage vor dem Einzuge der Preußen in Paris bemächtigt
haben, zu jenen, welche während der Belagerung von der Privatindustrie
mit Hülfe von Fonds die theils vom Staat, theils von öffentlichen
Sammlungen herrührten, gefertigt worden sind. Dieses Material wurde
für die Nationalgarde bestimmt, welche ein Effectiv von 350,000 Mann
bildet und auf 875 Geschütze Anspruch hat. Was von diesem Material
fertig war, wurde daher allmählich an die Nationalgarde abgeliefert und in
der Avenue Wagram vereinigt. Jn diesem verschlossenen und von der
Legion der Nationalgarde bewachten Depot mußten am 28 Februar vor-
handen sein: 7=Pfünder in Erz oder in Kupfer 170, deßgl. gebohrte 12,
deßgl. von verschiedenen Kalibern 10, 15pfündige Mörser 50, Berghau-
bitzen 3 -- zusammen 245. Dazu treten dann noch Artillerievorräthe,
Schmieden, Laffetten, Munitionswagen u. s. w., deren Zahl noch nicht in
dem rechten Verhältnisse zu der der Geschütze stand, aber doch schon für die
vollständige Ausrüstung von 20 Batterien genügte. Jm ganzen sollte das
Material für die Artillerie der Nationalgarde bestehen aus 400 Geschützen,
wovon 256, dann 202 Mitrailleusen, wovon 80 fertig sind; ferner aus
50 Mörsern, 3 Berghaubitzen und aus Geschirr im Werthe von 700,000 Frcs.
-- das Ganze auf 14 bis 15 Millionen geschätzt. „Dazu ist zur Steuer der
Wahrheit noch zu bemerken daß die Nationalgarde unter ihrer Verant-
wortlichkeit nur das in der Avenue Wagram vereinigte Material ohne
Munitionen und sonstiges Zugehör hatte. Nun gestehen wir allerdings
nicht errathen zu können was aus diesem Depot von den Nationalgarden
entführt, und nach Montmartre, Montrouge, auf die Place des Vosges
oder anderswohin gebracht worden ist. So viel ist aber gewiß daß, wenn
die entführten Geschütze noch einige Zeit in den Händen ihrer jetzigen Jn-
haber bleiben, dieser bedeutende Theil des Materials auf das schwerste ge-
fährdet ist, und daß die Herren von den Faubourgs einen argen Verlust
unserem unglücklichen Frankreich zufügen, welches nicht reich genug ist um
ihren Ruhm zu bezahlen.“
Als Beweis was für Schandthaten nach dem Abzug der Deutschen
diesen zur Last gelegt werden, kann die Bekanntmachung dienen welche der
Maire von Bagneux am 12 d. erlassen hat. Jn derselben wird mitgetheilt
daß in seiner Commune eine ungeheure Masse von Möbeln, welche die
Deutschen gestohlen hätten, wegen Mangels an Transportmitteln zurück-
gelassen worden sei, und er ladet die Einwohner ein das ihrige zu
reclamiren.
Die französische Artillerieschule welche sich bisher in Metz befand
wird nach Bourges verlegt, wo bekanntlich die französischen Kanonen-
gießereien sind.
Aus Epernay, 6 März, wird dem „Frkf. J.“ mitgetheilt daß es
gelungen ist wenigstens einen Theil der Francs=Tireurs, deren Handstreich
kürzlich gemeldet wurde, gefangen zu nehmen. Unter den Gefangenen,
fünf an der Zahl, befand sich auch der Anführer des Corps. Ein Mann
der sich vertheidigen wollte wurde sofort erschossen. Das Geld soll jedoch
nicht wieder erlangt sein. Jrrthümlich war gesagt daß 20er Jäger zur
Verfolgung ausgerückt seien. Es mußte heißen 20er Landwehr.
Die algierischen Blätter berichten näheres über die am 1 März in
der Stadt Algier vorgefallenen Unruhen. Die Excesse begannen um 4
Uhr Nachmittags. Mehrere tausend Eingeborne plünderten zahlreiche
Kaufläden, insbesondere solche welche Juden gehörten, und suchten sich
einiger öffentlichen Gebäude zu bemächtigen. Namentlich die Straße Bab
Axon und der Theaterplatz waren der Schauplatz vieler Gewaltthätig-
keiten aller Art. Unmittelbar nach dem Beginn der Unruhen wurde Ge-
neralmarsch geschlagen. Die Truppen sammelten sich rasch beim Stadthaus
und begaben sich von da in kleineren Abtheilungen nach allen bedrohten
Punkten. Viele Verhaftungen fanden statt. Gefeuert wurde jedoch nur
an einzelnen Stellen, und zwar ohne Commando. Um 7 Uhr war die
Ruhe in der unteren Stadt wiederhergestellt, aber die Läden blieben noch
geschlossen. Die Zahl der Todten und Verwundeten, welche ziemlich be-
deutend ist, läßt sich noch nicht genau bestimmen. Wie es scheint, lag dieser
Ruhestörung ein seit längerer Zeit vorbereiteter Aufstandsversuch der Ein-
geborenen gegen die französische Herrschaft zu Grunde.
Die Verhaftungen in Algier in Folge der Unruhen betrugen schon
am 1 März Abends mehr als 250; in einem andern Bericht vom 2 März
waren bereits über 500 genannt, lauter Araber. Verwundete waren,
so viel aus den vorliegenden Berichten hervorgeht, ziemlich viele, in
einer einzigen Ambulanz allein 20. Die Haupturheber waren die Barrani,
d. h. die nicht in Algier ansässige bewegliche Araber=Bevölkerung, die sich
in den arabischen Kaffeehäusern Fonduks, u. s. w. umhertreibt; der Aus-
bruch des Kampfes erfolgte bei einem Streite der jüdischen Tirailleurs mit
Barranis in der Rue d'Jsly; der Muselman fand die Bewaffnung der Juden
schon an sich anstößig und wollte sich von ihnen nichts gefallen lassen. Nach
den Unruhen hat die Behörde das Bataillon der jüdischen Tirailleurs auf-
gelöst, um den Rechtgläubigen keine weitere Gelegenheit zum Fanatismus
zu geben.
Jtalien.
sym7 Florenz, 11 März. Der General Menabrea hat im Namen
der Commission des Senats einen langen Bericht erstattet über die Vor-
schläge bezüglich der Reorganisation der Armee. Der Bericht beginnt mit
der ebenso unentbehrlichen als banalen Phrase: daß das „furchtbare Drama“
des deutsch = französischen Kriegs die Völker mehr denn je überzeugt habe
daß es nicht genüge fortzuschreiten in Wissenschaft, Kunst und Gesittung,
sondern daß die Staaten vor allem gegen die traurigen Möglichkeiten
eines Kriegs gesichert sein müssen, „in welchem nicht allein Hab und Gut,
sondern auch Unabhängigkeit und Nationalität noch immer verschwinden
können wie in den Zeiten der Vergangenheit, da die brutale Gewalt das
einzige Gesetz in der Welt war.“ Darauf folgt die übliche Belobung der
preußischen Armee=Organisation, deren Nachahmung in Jtalien jedoch nicht
völlig möglich sei. Die Grundlage der preußischen Einrichtung bestehe in
dem territorialen Charakter der Armeecorps, Divisionen und Regimenter,
während die einzelnen tactischen Körper des italienischen Heers sich unter-
schiedslos aus Elementen aller Provinzen des Staats zusammensetzten.
Dieses letztere System müsse auch fernerhin beibehalten werden, schon
darum weil es zur Unification des Landes mächtig beigetragen habe.
Hieraus geht offenbar hervor daß dem General Menabrea ( und wie er denken
über diesen Punkt so ziemlich alle italienischen Politiker ) die Unification
Jtaliens noch nicht so fertig erscheint als wünschenswerth wäre; denn
sonst würde er nicht die Beibehaltung der gegenwärtigen der Unification
förderlichen Art der Zusammensetzung der Armeetheile für nöthig erachten.
Die italienischen Politiker haben sicher ganz Recht. Doch dürfte es vielleicht
nicht schaden wenn die Publicisten der „Opinione“ und der „Perseveranza,“
welche in den letzten Monaten ihren Lesern so oft erzählt haben daß, wäh-
rend die italienische Einheit auf dem Wege der Freiheit, vermöge der frei-
willigen Zustimmung der Bevölkerung, zu Stande gekommen sei, die deut-
sche Einheit durch Gewalt und Eroberung, durch Blut und Eisen geschaf-
fen werde -- es würde, meine ich, nicht schaden wenn diese über die deut-
sche Politik der rohen Gewalt jammerden Publicisten einmal die Frage
untersuchen wollten: wie es kommt daß man nicht wagen darf in dem durch
freie Plebiscite geeinigten Jtalien eine Zusammensetzung der Armee aus
territorialen Truppenkörpern herzustellen, wie sie in dem durch Blut und
Eisen zusammengeschweißten Deutschland besteht, ohne irgendeine Gefahr
für die Einheit und Sicherheit des Reichs? Daß Preußen in jeder ein-
zelnen der kaum annectirten Provinzen deren eigenes Armeecorps belassen,
daß es hannoverische und schleswig = holsteinische Regimenter dem Feind
entgegenführen darf, während das seit zehn Jahren geeinigte Jtalien noch
heute nicht wagen kann ein Regiment bloß aus Neapolitanern oder bloß
aus Romagnolen zu bilden, geschweige denn solchen Regimentern den
Schutz der öffentlichen Sicherheit in der heimathlichen Provinz anzuver-
trauen, das scheint mir eine Thatsache welche der weisen Betrachtung libera-
ler, mit der nährenden Milch der Plebiscite großgezogener Publicisten
wohl würdig wäre. Der Entwurf des Kriegsministers Ricotti für die Re-
organisation der italienischen Armee sieht also ab von der territorialen
Grundlage der preußischen Heereseinrichtung. Aber er führt auch nicht
das preußische System der allgemeinen Wehrpflicht ein, oder doch nur in
derart verdünnter Form, daß man, würde es einem nicht ausdrücklich ge-
sagt, nicht merkte daß noch etwas davon da sei. Wie bisher, so sollen
auch fortan die Dienstpflichtigen durch das Loos in zwei Kategorien unter-
schieden werden; es soll zwar nicht mehr möglich sein sich durch Loskauf
völlig vom Militärdienst zu befreien, wohl aber sich aus der ersten in die
zweite Kategorie versetzen zu lassen. Die Dienstzeit der ersten Kategorie
soll zwölf Jahre betragen ( bisher elf ) , darunter drei bis vier Jahre unter
den Waffen; das gilt für Jnfanterie, Genie und Artillerie. Die Dienst-
zeit der Cavallerie wird zehn Jahre betragen, wovon fünf unter den Waf-
fen. Die Leute der zweiten Kategorie werden nur einmal auf fünf Mo-
nate einberufen, um den ersten militärischen Unterricht zu erhalten; ihre
Dienstzeit soll fortan neun Jahre dauern ( statt fünf ) , für die ersten drei
Jahre gehören sie dem activen Heer an, welchem sie indessen nur im Kriegs-
fall einverleibt werden. Jn Friedenszeiten setzt sich das active Heer aus
drei bis vier Classen der ersten Kategorie zusammen in einer Gesammt-
stärke von 184,500 Mann. Jn Kriegszeiten erhöht es sich, die Reserve
inbegriffen, auf 420,000 Mann. Neben dem activen Heer sollen Bezirks-
milizen gebildet werden, welche im Gegensatz zu dem für jenes beibehalte-
nen nicht provinciellen Charakter sich aus provinciellen Elementen zusam-
mensetzen; und zwar sollen diese Milizen bestehen zum Theil aus Solda-
ten der letzten drei Jahresclassen der ersten Kategorie, zum andern Theil
aus den Dienstpflichtigen der letzten sechs Jahresclassen der zweiten Kate-
gorie. Die Gesammtstärke der Bezirksmilizen soll 330,000 Mann betra-
gen, so daß also Jtalien für den Kriegsfall über 750,000 Mann verfügte.
Rumanien.
♋ Bukarest, 9 März. Die staatliche Existenz Rumäniens er-
scheint aufs neue in bedenklicher Weise gefährdet. Dieselbe wird zwar im
Augenblick weder durch einen auswärtigen Krieg noch durch eine Revolu-
tion bedroht; aber sie muß an den finanziellen Zuständen zu Grunde
gehen. Schon in zahlreichen Berichten habe ich von der Finanznoth ge-
sprochen, und hervorgehoben daß Rumänien einer finanziellen Katastrophe
nur durch eine rasch bewilligte und ins Werk gesetzte Anleihe entgehen
könne. Aber trotz allen Drängens sowohl von Seite des früheren als
des gegenwärtigen Ministeriums wurde das Anleihegesetz von der Kam-
mer stets auf die lange Bank geschoben, und ist bis heute nicht zum Be-
schluß erhoben. Natürlich ist mit jedem Tage die Finanznoth größer ge-
worden, während die Schwierigkeit eine Anleihe zu machen sich für Ru-
mänien seit dem deutsch=französischen Friedensschluß sehr gesteigert hat, da
in Folge der großen Kriegsentschädigung das Geld auf den europäischen
Märkten selten geworden ist. Die Bewegung der Staatsmaschine wäre
bereits ins Stocken gerathen wenn die „ Banque de Roumanie “ ( ein Consor-
tium englischer und französischer Capitalisten ) der Regierung nicht kürzlich
1 1 / 2 Millionen Fr. gegen hohe Zinsen geliehen hätte, wofür die Raten-
briefe der verkauften, aber erst mit einer oder der zweiten Rate bezahlten
Staatsgüter verpfändet wurden. Trotzdem hat ein großer Theil der Be-
amten und Pensionisten schon seit 3 bis 6 Monaten nicht mehr ihre Ge-
halte oder Pensionen bekommen. Was die Schwierigkeit eine rumänische
Anleihe zu bewerkstelligen erhöht, sind die Streitigkeiten mit Strousberg
und die Nichtzahlung des Januar=Coupons für die rumänischen Eisen-
bahn=Obligationen. Diese Händel werden seit gestern in der Kammer
verhandelt. Der Antrag der Commission lautet ungefähr dahin: alles
was in Eisenbahnsachen geschehen ist, möge die Kammer nicht anerkennen.
Sie möge die Ernennung des Hrn. Hambron zum rumänischen Eisenbahn-
Commissarius für verfassungswidrig erklären, die Ausfertigung der Obli-
gationen für concessionswidrig, ebenso die Ausgabe der Obligationen
und die Verausgabung des erhöhten Geldes. Ferner möge sie erklären
daß auch der Nachfolger Hambrons, Hr. Steege, seine Vollmachten über-
schritten habe. Endlich möge die Kammer erklären daß der rumänische
Staat gar keine directe Verbindlichkeit den Besitzern der Eisenbahn=Obli-
gationen gegenüber habe. Der Sinn des Commissionsberichts ist unge-
fähr der: daß die Rumänen sich von deutschem Gelde, deutschen Unter-
nehmern und Jngenieuren Eisenbahnen bauen lassen und dieselben hin-
terher nicht bezahlen sollen. Sollte die Kammer sich die Ansichten des
Commissionsberichts aneignen, so würde dieß der großen Menge der Be-
völkerung allerdings sehr gefallen und die Eisenbahn=Obligationen wür-
den ganz werthlos werden -- wenn nicht Deutschland und die übrigen
europäischen Staaten, deren Unterthanen die Obligationen zufolge der
Garantie Rumäniens gekauft haben, auch ein Wort mitsprechen wollten.
Daraus werden sich natürlich schlimme Verwickelungen ergeben; aber das
allerschlimmste ist daß das schon sehr geschwächte Vertrauen des europäi-
schen Capitals in rumänische Zustände ganz verloren gehen und daß es
der Regierung unmöglich wird die ihr so nothwendige Anleihe zu machen.
Kann die Regierung aber keine Anleihe machen, so kann sie ihre Beamten
nicht zahlen, sie kann ihre Wechsel ( die Staatsbons ) nicht einlösen, und sie
kann auch die Zinsen für die Anleihe Oppenheim und die Anleihe Stern
nicht zahlen; ebensowenig die garantirten Zinsen für die Czernowitz=Jassyer
Eisenbahn. Damit hört nicht allein der letzte Rest von Gesetzlichkeit im
Land auf, sondern es werden wiederum zahlreiche Unterthanen der garan-
tirenden Mächte geschädigt, welchen letzteren nichts weiter übrig bleibt
als der rumänischen Wirthschaft ein Ende zu machen.
Jndustrie, Handel und Verkehr.
Verkehrsbeschränkung. Auf der Route Augsburg werden in den näch-
sten Tagen Verkehrsbeschränkungen eintreten, in Folge des Transports der fran-
zösischen Gefangenen, welche zu ihrer Heimkehr meist den Weg über Lindau, Kon-
stanz, Basel nehmen.
Berlin, 13 März. Die Börse war im gestrigen Privatverkehr belebt, die
Cursbewegung steigend, besonders für Franzosen, Westbahn und Rumänier. Auch
heute war die Haltung gut, namentlich im Anfang, und Franzosen, Lombarden,
Credit waren ziemlich belebt. Das Hauptgeschäft aber, welches eine Zeitlang die
ganze Thätigkeit der Börse absorbirte, fand in den heut an den Markt gebrachten
Actien der „Deutschen Unionsbank“ statt, welche acht Tage nach Erscheinen mit
104 1 / 4 bis 3 / 4 lebhaft gehandelt wurden. Realisationen drückten später etwas auf
die Curse, doch befestigten sie sich bald wieder; Galizier, Nordwestbahn, Westbahn
waren belebt. Eisenbahnen fest bei im ganzen gutem Verkehr; Bergisch märkische
wurden ziemlich viel gehandelt. Von Banken waren preußische Central Boden-
credit belebt. Jnländische und deutsche Fonds waren fest, besonders Bundes-
Anleihe; Oldenburger37 3 / 8 Geld; inländische Prioritäten fest, 5procentige belebt;
österreichische zum Theil höher in ziemlich gutem Verkehr; russische matter, ameri-
kanische sehr belebt und steigend, namentlich Chicago, Oregon, Nockford und Kansas,
Eutiner 99 bez u. G. Von russischen Fonds waren nur 1870er, 1871er Eng-
lische, letztere zu82 5 / 8, wozu sie bezahlt blieben, und alte Prämien=Anleihe belebt.
Einer von dem Minister des Junern veröffentlichten Nachweisung über den
Geschäftsbetrieb und die Resultate der Sparcassen in den preußischen Staa-
ten zufolge existirten im Jahr 1869 458 städtische und 350 Kreis=Sparcassen.
Ende 1868 betrugen die Einlagen 143,555,412 Thlr., im Jahr 1869 betrug der
Zuwachs an Einlagen 53,319,844 Thlr., an Zinsen 3,782,938 Thlr., die Summe
der zurückgezogenen Einlagen betrug dagegen 43,600,328 Thlr., so daß das Jahr
1869 mit einer Einlagesumme von 157,057,896 Thlr. abschloß, welche sich auf
1,358,392 Sparcassenbücher vertheilte. Der Bestand des Separat= oder Spar-
fonds der Cassen bezifferte sich Ende 1869 auf 2,163,811 Thlr., der des Reserve-
fonds auf 9,112,221 Thlr. Von der Gesammtsumme waren 160,742,850 Thlr.
zinstragend angelegt.
Frankfurt a. M., 14 März. Württ. 5proc. Oblig.99 7 / 8 bez.;4 1 / 2 proc.
94 1 / 2 bez.; 4proc.86 3 / 4 G.;3 1 / 2 proc.84 1 / 2 G.; bad. 5proc. Obl.99 7 / 8 bez.;
4 1 / 2 proc.94 1 / 2 bez.; 4proc. 88 bez.;3 1 / 2 proc.83 1 / 2 G.; pfälz. Max=B.112 1 / 4 bez.;
4proc. hess. Ludwigs=B. 141 G.; bad. 35fl.=L. 60 bez.; kurh. 40Thlr.=L.64 1 / 2 P.;
nass. 25fl.=L.37 1 / 2 G.; gr. hess. 50fl=L.169 1 / 2 P.; 25fl.=L. 49 P.; Ansbach-
Gunzenh. 7fl=L.12 1 / 8 G.; Pistolen fl 9 44--46; doppelte fl. 9.45--47; preuß.
Friedrichsd'or fl. 9 58--59; holl. 10fl.=St. fl 9.54--56; Ducaten fl. 5 36--38;
Ducaten al marco fl. 5 37--39; Napoleonsd'or fl. 926 1 / 2 --27 1 / 2; engl. Sover.
fl. 11.55--57. ( Cursbl. d. Ver. Frkf. Ztgen. )
Französisches Wechselmoratorium in Bezug auf Elsaß=Lothrin-
gen. Besondere Schwierigkeiten entstehen auch für Elsaß=Lothringen. Die „Straßb.
Ztg.“ bemerkt in Betreff der abermaligen Verlängerung des Moratoriums: Die
Regelung der hiesigen Wechselverhältnisse bietet in jedem Fall große Schwierig-
keiten, namentlich wenn man voraussetzt daß die Wechsel sämmtlich in einer kurzen
Frist präsentirt, resp. protestirt werden sollen. Vor einigen Tagen fand hier eine
Versammlung der Huissiers zur Berathung dieses wichtigen Gegenstandes statt,
und es ergab sich nach dem Ueberschlage kundiger Geschäftsleute daß die Zahl der
eventuell zu präsentirenden Wechsel für Straßburg etwa 20,000 beträgt, von
denen sich 12,000 im Portefeuille der Bank befinden. Wenn für den größeren
Theil dieser Wechsel Protest zu erheben ist, so würden die Huissiers für dieses
Geschäft wenigstens einen Monat bedürfen. Die Einhaltung der gewöhnlichen
Frist ist also thatsächlich unmöglich, und es zeigt sich in diesem Fall daß die Ver-
hältnisse mächtiger werden können als die Gesetze. Die Spannung hinsichtlich der
Art wie eine Milderung oder Beseitigung dieser Schwierigkeiten herbeigeführt
werden könne, ist in den betheiligten Kreisen sehr groß.
** Triest, 12 März. ( Zum Umbau des Triester Bahnhofs. ) Am
16 l. M. soll bei der hiesigen Statthalterei unter dem Vorsitz ihres neuen Chefs,
des Frhrn. v. Pretis, das von der Südbahn=Direction für diesen Umbau ausgearbeitete
neue Project vor der speciell hiezu eingesetzten gemischten Commission zur Verhand-
lung kommen. Nicht bloß Triest, sondern die gesammte Monarchie muß lebhaft
wünschen daß diese Commissionsverhandlung ein erfolgreicheres Ergebniß liefere
als jene ähnliche frühere Verhandlung, die zu einem gleichen Zweck und ebenfalls
im Beisein und unter Mitwirkung des Frhrn. v. Pretis bereits im Jahr 1865
in Triest stattfand, aber leider den doch mit jedem Tage dringender sich heraus-
stellenden radicalen Umbau des bekanntlich ebenso fehlerhaft angelegten als räumlich
ungenügenden jetzigen Triester Bahnhofs abermals durch volle 6 Jahre, zum schweren
Nachtheil unseres dadurch in seiner Entwicklung wesentlich gehemmten überseeischen Ein=,
Aus= und Durchfuhrhandels, und zwar hauptsächlich deßhalb unerledigt gelassen hat,
weil man sowohl im Jahr 1865 als auch später, bis in die neueste Zeit, an der
maßgebenden Stelle unsers Handelsamts nicht zu der fachmännisch doch so klar
am Tage liegenden Erkenntniß gelangen konnte daß eine vollständig entsprechende
Reform des fraglichen, in jeder Beziehung mangelhaften, Bahnhofs schlechterdings
nicht durchführbar ist ohne Erfüllung der hiezu unerläßlichen Vorbedingung, näm-
lich der gänzlichen und gleichförmigen Erniederung bis zur Fahrstraße nach Prosecco
und Miramar, und bis auf das Niveau des Stadtpflasters -- sowohl des ge-
sammten schon beim ursprünglichen Bau des Bahnhofs fehlerhaft 24 Fuß über
dem vorerwähnten Nivean angelegten obern Betriebsplatteau's als auch aller auf
letzterem hergestellten Hochbauten -- und weil nebstbei noch an jener maßgeben-
den Stelle die ebenso irrthümliche als deren ersprießliche Einwirkung auf die Süd-
bahngesellschaft in dieser Sache hemmende Ansicht vorwaltete, daß der Umbau dieses
Bahnhofs, trotzdem daß letzterer den wichtigsten Knotenpunkt des maritimen Han
delsverkehrs Oesterreichs bildet, dennoch bloß als eine innere Verwaltungsangelegen
heit ( ! ) der Südbbahngesellschaft betrachtet werden müsse, und demzufolge auch die
endgültige Entscheidung nicht bloß über die secundären, sondern auch über alle
Hauptmodalitäten dieses Umbaues ausschlaggebend in die rechtliche und sachliche
Competenz jener Gesellschaft und nicht in die der Staatsregierung falle, welche
demnach deßfalls bloß Wünsche und Rathschläge aussprechen, aber keine unbedingt
zu befolgenden Befehle ertheilen könne ( ! ) . Wir wollen indessen hoffen daß über
diese beiden vitalen Punkte der Reformfrage des Triester Bahnhofs nunmehr aller-
seits klarere und richtigere Anschauungen zum Durchbruch gekommen seien, und
daß durch die schwierige und vollständig entsprechende Ausführung dieser Reform
wenigstens für die Zukunft das bisher Versäumte wieder gutgemacht werde.
§ Paris, 10 März. Das Geschäft schien im Anfang einen Anlauf zum
Bessern nehmen zu wollen; eine Kaufordre von 45.000 Fr. Rente hob die 3pro-
centige auf 51.10; doch trat bald die alte Geschäftslosigkeit wieder ein. Nur
Jtaliener hoben sich durch Deckungskäufe auf 53.90, und Autrichiens in Folge
auswärtiger Kaufordres auf 785. Die übrigen Curse waren ziemlich stationär:
Foncier 945, Lombarden 352, Nord 950, Cr é dit mobilier 141. Belustigende
Sensation machte ein Börsenbesucher welcher zum Schutz seiner Person eine Karte
auf seinen Hut geheftet hatte mit der Jnschrift: Autrichien.