* Einer Originalcorrespondenz der „N. Z. Z.“ aus Versailles vom
9 Febr. sind einige interessante Einzelheiten zu entnehmen. Nachdem der
Berichterstatter seine Fahrt von Versailles nach der Octroi=Linie in ziem-
lich schlechtem Lohnfuhrwerk geschildert, und erwähnt hat wie er, vor der
Barrière de Neuilly abgesetzt, zu Fuß sich um einen neuen Wagen um-
sehen mußte, fährt er fort: „Von Neuilly bis zur Avenue de la grande
Armée wußte ich vornherein daß ich keinen erhalten werde; aber ich wurde noch
weiter getäuscht, passirte den Arc de l'Etoile, die Champs Elysées, ohne auch
nur im entferntesten ein Fuhrwerk wahrzunehmen. Die elyseischen Felder
vom Arc de Triomphe an waren so verlassen, daß man nicht glaubte in
den Nachmittagsstunden zu sein. Auf meinem ganzen Weg fand ich
viele Häuser gänzlich geschlossen, darunter auch viele Wirthslocalitäten,
die sonst immer des Tags gefüllt von Gästen waren. Die italienische
Gesandtschaft am Rondpoint hatte ihr eisernes Thor geschlossen; die rei-
zenden Anlagen der Champs Elysées fand ich zerstört. Pferde und Wagen
welche dagestanden müssen diese Verwüstungen angerichtet haben. Bäume
waren verschwunden, die Brücke abgerissen, die vielen, vielen Stühle ab-
handen gekommen. Auch die reizenden Anlagen vor den Cafés Chantants
waren geschlossen, und ein tiefer Schmutz lag vor den Eingängen, als wenn
sie schon seit Jahren nicht geöffnet gewesen wären. Auf der Place de la
Concorde mußte ich etwas ausruhen; endlich in der Rue royale nach de
Madeleine sah ich einen Wagen; er war mir schon etwas merkwürdiges.
Alle Privatequipagen waren verschwunden, auch den Flaneur konnte mein
forschendes Auge nicht entdecken; dagegen bemerkte ich eine Unmasse Mo-
bilgardisten, Nationalgarden, Francs=Tireurs und sonstige Waffengattun-
gen; alle trieben sich verstimmt, die Hände in den Taschen, einen Pfeifen-
stummel rauchend, umher. An der Ecke des Boulevard de la Madeleine be-
findet sich das berühmte Restaurant Durand, bei welchem ich einen Halt
machte. Kaffee war zu erhalten, aber nicht zu trinken; die Bummler des
Boulevard, welche sich hier aufhielten, waren verschwunden, und statt
des Demi=Monde begegneten mir Frauen mit Körben, in welchen sie Ge-
müse oder sonstige Victualien zur Stadt gebracht hatten, um sich nach
Hause zu begeben. Es fieng inzwischen zu dämmern an; aber weder Pe-
troleum, noch Oel, noch sonstige Lichter wurden angezündet. Es blieb
alles finster, was einen unheimlichen Eindruck hervorrief. Wer in Paris
lebte, und lange, lange Jahre seinen Lichtglanz kennen lernte, kann sich
von diesem Zustande, Paris ohne Licht, keinen Begriff machen. Von all
den schönen Flammen auf dem March é aux Fleurs de la Madeleine, die
selbst im Winter da standen und sich reizend ausnahmen, war keine Spur
mehr zu entdecken. Hie und da gewahrte ich einige von den deutschen
Granaten, wie es schien, zerstörte Häuser; denn dieselben waren völlig
ausgebrannt, und der Schutt lag weit umher; ich eilte, wie so mancher
andere, schnell an diesen Stätten der Trauer vorüber. Ehe ich zu meiner
Wohnung gelangte, suchte ich mich über die Stimmung der Bevölkerung
zu informiren, und erhielt zur Antwort: Dieu merci, l'agonie est sur-
montee . An meine Behausung gekommen, fand ich keinen Concierge mehr
vor, die Stiegen nicht gereinigt und die Zimmer der untern Etage von
Militär besetzt, den Hof und die obern Stockwerke mit Sandsäcken ange-
füllt. Die ganze Wohnung war verwüstet, alles lag darunter und dar-
über. Kleider und Wäsche fand ich nicht mehr; was noch vorhanden, war
von andern gebraucht und zerrissen. Ungeziefer in Masse, was mir sol-
chen Ekel erregte daß ich meine Wohnung alsbald wieder verließ, um mich
nach einem Nachtquartier umzusehen. Jch begab mich in die nächste
Maison Meublée, dann zum Grand Hôtel. Aber wen sah ich hier? Da
wo sonst die Elite des Boulevard sich bewegte, in dem Conversationssaal,
waren alle Räume voll von Verwundeten und Kranken, meist nur Offi-
ciere, so daß ich auch hier meine Schritte rückwärts lenken mußte. Jm
Hôtel Laffitte fand ich ein Zimmer, das, wie man mir versicherte, seit
14 Tagen nicht mehr bewohnt war; dasselbe war schmutzig und ungeheizt, da
es an Holz und Brennmaterial fehlt; theilweise fand ich sogar bei einem Besuch
in dem Haus eines Bekannten den Fußboden zu Feuerungszwecken benutzt!
Die Beleuchtung welche mir in dem Hôtel zutheil wurde, bestand aus zwei
Talglichtern. Die Suppe welche ich mir bestellte war, vielleicht in Folge
des vielen Gewürzes, genießbar; das „Roastbeef“ aber welches ich ver-
langte, und wovon ichauch sehr viel bekam, war ein veritables „Roßbeef.“
Am Abend gieng ich auf den Boulevard Montmartre. Wie gewöhnlich stan-
den viele Leute da; es war zur Zeit der kleinen Börse, und die Rente
wurde offerirt zu 50.51. Man sprach von Bismarck in der merkwür-
digsten Weise und erzählte sich allerlei Enten von ihm. Jn der
Mairie an der Rue Drouot versah die Nationalgarde den Wachtdienst.
Eine Unzahl Menschen stand daselbst um neues zu erfahren, nicht etwa um ein
Kriegsbulletin oder eine Taubendepesche verlesen zu hören, sondern das Er-
gebniß der Wahlen. Die Agitation war eine ganz ungeheure; aber niemand
wußte wohin sich die Zunge der Wage neige. Von da begab ich mich nach
der Salle Valentino in der Rue St. Honor é, wo eben eine Wahlversamm-
lung stattfand; Weiber, Männer, Greise, Wohl= und Nichtwohlgekleidete
waren da; doch herrschte die Blouse vor. Jeder wollte das Wort haben
und sprechen, so daß ein Chaos entstand. Sergents de Ville waren keine
da, weil sie abgeschafft sind; dagegen eine Wache de sûreté publique.
Da ich unmöglich spät Abends meine Freunde, die sehr entfernt von einan-
der wohnen, aufsuchen konnte, so mußte ich Abends 9 Uhr nach der Rue
Laffitte zurück. Die Zeitungskioske waren offen und von einer großen
Masse Menschen umstanden, welche auf die Ausgabe der Abendzeitungen
warteten, wobei jeder mit seinem Nachbar sich politisch unterhielt. Trotz
alledem soll bei der ganzen Wahlagitation, wie man mir erzählt, nicht ein
einziger Exceß vorgekommen sein. Die Stimmung gegen die Deutschen,
das kann ich Jhnen versichern ist eine sehr erbitterte. Die Luxusgewölbe
stehen da wie früher, sie besitzen noch ihr volles Lager, nur sieht man den
Mustern an daß sie veralteter Mode angehören; Delicatessen=Handlungen
dagegen, Kaffeehäuser die nicht zum ersten Rang gehören, und selbst Re-
staurants zweiten und dritten Rangs sind geschlossen. Die Etablissements
der „Bouillons Duval,“ wo früher die ärmere Classe ganz gut für 1 Fr.
essen konnte, fand ich offen; aber sie haben ihre Preise verdoppelt, ja ver-
dreifacht. La Maison d'Or, Caf é Anglais, Caf é Riche stehen unversehrt
da. Angebettelt wurde ich überall, und merkwürdigerweise fand ich noch
einige Pifferari, welche die Belagerung ausgehalten hatten. Obschon in
diesen Tagen sehr viele Lebensmittel in die Stadt kommen, klagt man doch
sehr lebhaft über die Vertheilung, und beschuldigt die damit beauftragte
Commission der Parteilichkeit. Nebenbei klagt man auch über Jules Favre,
von dem man verlangt daß er ein Plebiscit in Paris hätte bewerkstelligen
sollen, bevor er einen Waffenstillstand abgeschlossen; andere klagen daß
er sich nicht mit Gambetta ins Einvernehmen gesetzt habe. Auch über
Trochu, Ducrot, Lefl ô und Vinoy beschwert man sich. Kurz, man klagt
über alle. Dem Chefredacteur des „Pariser Journals“ begegnete ich im
Caf é Riche; er erzählte mir eine Masse Episoden aus den letzten Monaten,
welche ich Jhnen zu einer gelegeneren Zeit mittheilen werde. „Paris,
meinte er, wird sich erholen; aber die Provinz so bald nicht.“ Was die
Regierung anlangt, bemerkte er, so sind für die Napoleoniden keine Sym-
pathien da, die Orleans sind in aller Mund. Am andern Morgen, nach
ziemlich schlecht verbrachter Nacht, gelangte ich mit denselben Schwierig-
keiten wieder nach Versailles.“
* Hans Wachenhusen faßt in der „Köln. Ztg.“ die Eindrücke die er
während eines Besuches in Paris empfangen in folgenden Worten zu-
sammen: „Paris ist ruhig; seine einzige Hoffnung ist die daß die Sieger
nicht einmarschiren werden. Die besseren Journale reden alle dem Frie-
den das Wort; selbst diejenigen die am unbesiegbarsten schrieben, erklä-
ren: wir sind besiegt und müssen uns fügen. Aber Schandthaten erzäh-
len sie alle uns Deutschen nach, die uns zum Abscheu gegen uns selber
bringen könnten, wenn wir uns nicht besser kennten. Alle die Städte
und Dörfer im Schußbereich der Forts, welche von diesen in Schutthau-
fen verwandelt worden, haben wir zerstört; alle Häuser haben wir ge-
plündert, alle silbernen Löffel haben wir gestohlen, alle Geldschränke wir
erbrochen. Dazwischen werden Beispiele von erstaunlichem Heldenmuth,
namentlich der Francs=Tireurs, erzählt, wie sie in diesem und jenem Dorfe
eine preußische Uebermacht bis auf den letzten Mann in einer ganzen
Feldschlacht hingemordet, wie die Frauen mit dem Muthe der Löwinnen
ihren Männern beigestanden, ja sogar Kinder die Waffen ergriffen um
die verhaßten Feinde in die Flucht zu schlagen. Kaum wird Paris wie-
der frei athmen dürfen, so fliegt der gallische Hahn auf alle Zäune und
kräht in die Welt hinein: es sei gar nicht wahr daß er besiegt worden!“
Die mehr als dreimonatliche Periode der Cernirung, Beschießung und
förmlichen Belagerung der Festung Belfort bildet einen selbständigen
und nicht unwesentlichen Abschnitt des Kriegs. Die Cernirung der Fe-
stung begann am 3 Nov. durch Truppentheile der in Stettin formirten
1. Landwehrdivision unter dem General v. Tresckow, nachdem dieselbe in
der Gegend zwischen Colmar und Belfort die dort umherstreifenden Francs-
Tireurs vertrieben, in mehreren kleineren Gefechten bei les Errues, Rouge-
mont und Petit=Magny Mobilgarden geschlagen und so die Verbindung
mit dem Corps des Generals v. Werder wiederhergestellt hatte. Jn diese
erste Periode, während deren das Hauptquartier des Generals v. Tresckow
anfangs in les Errues, dann in la Chapelle gewesen und endlich nach Fon-
taine verlegt worden war, fällt ein am 16 Nov. mit drei Bataillonen und
sechs Geschützen unternommener Ausfall aus der Festung gegen das eine
Meile östlich derselben gelegene Dorf Bischingen ( Bessoncourt ) , sowie ein
späterer am 23 Nov. Beide Ausfälle wurden von den Belagerungstruppen
abgeschlagen, ersterer mit einem Verlust des Feindes von 200 Todten und
Verwundeten und 58 Gefangenen, letzterer sogar unter Verlust einiger
Belfort nahe gelegenen Positionen der eingeschlossenen Truppen. So
konnte denn die Cernirung der Festung, die bis dahin eine weitere gewesen
war, zu einer engeren werden; am 23 war Valdoie, am 24 Cravanche be-
setzt worden; Offemont und Vetringe wurden ebenfalls vom Feinde gesäu-
bert, so daß der Cernirungsgürtel um die Festung sich immer mehr schloß.
Nachdem die nöthigen Positionen genommen, mit großer Tapferkeit ver-
theidigt und fortificatorisch eingerichtet waren, begann am 3. Dec. der Bau
der Batterien und die Aushebung der Transcheen für die Deckungstruppen,
und so die zweite Periode der Velagerung, die Beschießung des Platzes.
Dieselbe geschah zuerst von Westen her, von den Höhen zwischen Essert
und Bavillier; dieß aber führte nicht zum Ziele; man sah ein daß man
sich der Bergkuppen bemächtigen müsse welche, die Perches genannt, etwa
1800 Schritte südöstlich der Citadelle ( Schloß ) von Belfort gelegen sind.
Um sich diesen Kuppen nähern und die diesseitigen Laufgräben gegen die
getrennten Schanzen Hautes=Perches und Basses=Perches eröffnen zu kön-
nen, war ein allmähliches Vorgehen nothwendig. Zunächst eröffneten 28
Geschütze ihr Feuer aus den deutschen Batterien gegen den Platz; ein klei-
nerer Ausfall der Garnison am 11 Dec. wurde abgewiesen, dem Feinde
40 Gefangene abgenommen, Lünette Nr. 18 nach und nach völlig zerstört,
und die Beschießung von Stadt und Festung in den Monaten December
und Januar ohne Unterbrechung fortgesetzt. Jn ersterer feuerte der Prä-
fect Grosseau die Bevölkerung zu energischem Widerstand an, die Festung
vertheidigte Oberst Denfert mit Energie. Jn der Nacht vom 7 auf den
8 Jan. erfolgte die Erstürmung von Danjoutin, bei welcher außer sonsti-
gen bedeutenden Verlusten dem Feinde 2 Stabsofficiere, 16 Officiere und
mehr als 700 unverwundete Gefangene vom Belagerer abgenommen wur-
den; am 20 Jan. wurde das Dorf Pérouse gestürmt. Die Wegnahme
dieser Positionen ermöglichte die Eröffnung der Laufgräben gegen die
Perches in der Linie von Danjoutin bis Pérouse in der Nacht vom 21 auf
den 22 Jan. Hiemit beginnt die dritte Periode vor Belfort, die des
förmlichen Angriffs gegen die Festung. Das rauhe Klima, zumal
dieses Winters, in den Vogesenabhängen erschwerte die Aufgaben des Be-
lagerungscorps ungemein; die Laufgräben mußten zum Theil in Felsen
gesprengt werden, und standen bei Thauwetter dann unter Wasser. Ein
erster Angriff auf die beiden Perches am 27 Jan. führte nicht zum Ziel;
am 8 Febr. aber wurden beide in Felsen erbaute Forts genommen. Die
Hineinziehung dieser beiden festen Werke in die Stellung der Belagerungs-
batterien ist ein wesentlicher Vortheil, durch welchen es ermöglicht wird
das Schloß zu beschießen -- die Citadelle, den eigentlichen Schlüssel der
Festung -- welches durch seine Höhe, 80 Fuß über der Stadt, allein schon
eine sehr starke Vertheidigungsfähigkeit besitzt, sowie die Stadtenceinte
und das große neue Fort des Barres, welches auf dem rechten Ufer der
Savoureuse gelegen ist; auch die Forts la Miotte und la Justice werden
nunmehr einer unmittelbareren Beschießung mit schwerem Geschütz aus-
gesetzt sein. ( St.=Anz. )
Aus Méroux ( vor Belfort ) , 9 Febr., wird der „Köln. Ztg.“ ge-
schrieben: „Der erste Erfolg! Seit drei Monaten liegen unsere Belage-
rungstruppen vor dieser Festung, die freilich der Sachverständige, der Jn-
genieur, nie für schnell einnehmbar gehalten hat, und endlich ist der erste
durchschlagende Erfolg errungen. Dorf für Dorf, Wald für Wald mußte
dem vorzüglichen Vertheidiger, dem alle Achtung gebührt, mit großen Ver-
lusten abgerungen werden, bis man endlich daran gehen konnte ein Festungs-
werk anzugreifen, bis man endlich die Forts vor sich hatte. Und von An-
fang an hat der tapfere Commandant auf jede Angriffsdisposition mit der
richtigen, wohldurchdachten Gegenmaßregel zu antworten gewußt. Nach-
dem in der Nacht vom 7 zum 8 Januar durch den vorzüglichen Angriff
des Hauptmanns v. Manstein ( 14. Regiment, Bataillon Schneidemühl )
das Dorf Danjoutin, das nächste der Festung in der Thalniederung, ge-
nommen war, konnte man hier in größerer Nähe Batterien gegen die Feld-
schanze Ferme eröffnen, und in der Nacht vom 21 zum 22 Januar wurde
der förmliche Angriff gegen die beiden Perchen begonnen, zwei im provi-
sorischen Charakter ausgeführte Forts auf dem Höhenzuge nordöstlich von
Danjoutin, die südlichen Forts der Festung. 180 Fuß unter der Höhe
wurde der Angriff begonnen und die steile Höhe hinangearbeitet in steini-
gem, felsigem Boden, erst gefroren auf mehrere Fuß tief, bedeckt mit
Schnee, dann durchweicht von Quellen und geschmolzenem Schnee und
Regen. Es sind die schönsten Abwässerungsgräben für den Abhang, diese
Transcheen, unten bis zur Kante voll lehmigen Schlammes, aber abwech-
selnd zwischen fußtiefen Wasserlöchern Felsadern, welche dem Angriff
der Kreuzhacke unüberwindlichen Widerstand entgegensetzen. Jch übergehe
die unglückliche Nacht vom 26 zum 27 Januar mit dem Sturm auf beide
Perchen, der uns ungefähr 400 Mann, meist Gefangene, gekostet hat. Der
Oberst Denfert hatte seine Dispositionen gut getroffen, seine Reserven
standen hinter dem Berg, und seine anfangs so unzuverlässigen Soldaten
hatte er verstanden zu Soldaten heranzubilden, die, wachsam und energisch,
sich nicht überrumpeln ließen. Nun sind sie ja unser, die beiden schönen
Werke, wahrlich schön, wenn auch zerschossene Erd = und Steinhaufen nur
die Brustwehren sind, wenn auch die Gräben wie das Jnnen ein Conglo-
merat von Steingeröll und Lehmsuppe ist, sie sind schön angelegt und --
was sind sie uns jetzt werth? Wir waren hinaufgekommen, ein tüchtiges
Stück Arbeit, den Berg hinauf bis nahe an den Grabenrand, wir sehen
den in Fels gehauenen Graben vor uns, und der Sturm war vorbereitet.
Gestern Nachmittags sollten die beiden Pioniercompagnien welche am 26
den unglücklichen Sturm mitgemacht hatten, auch das Glück haben Re-
vanche nehmen und am hellen Tage die Werke wegnehmen zu dürfen. Die
Compagnie Röse rechts nahm die Haute=Perche, die Compagnie Mentzel
unter Leitung des Premierlieutenants v. Weltzien links die Basse=Perche
im Sturm. Jch kann bloß von der letzteren speciell berichten. Nachdem
Hauptmann Röse die Haute=Perche genommen und über 20 Mann dabei
Gefangene gemacht hatte, traf um halb 3 Uhr Nachmittags auf dem linken
Flügel diese Nachricht ein, und Weltzien beschloß in Folge dessen, im Ein-
verständniß mit Hauptmann Pflaume, dem Transchee=Officier, die Basse-
Perche ebenfalls zu attakiren. Aus der Sappe gieng's mit ein paar Pio-
nieren schnell heraus, hinab in den Graben, und mit Hacke und Spaten ward
ein Aufgang am jenseitigen Grabenrande zur Brustwehr hinauf hergestellt.
Andere Pioniere arbeiteten aus der Sappe heraus einen Zugang zum
Graben. Zwar feuerte die Besatzung von einer flankirenden Linie aus,
aber nun wurde Mannschaft vom Bataillon Oels ( 50 ) und Hirschberg ( 47 )
herbeigeblasen, sie sammeln sich im Graben und auf der Ferme. Mit 50
bis 60 Mann stürzt sich Weltzien und der Vicefeldwebel Liebeskind, hoch
den Säbel geschwungen, mit lautem Hurrahruf in das Werk. Die Fran-
zosen stürzen hinaus und entkommen glücklich, aber nun beginnt das Schloß,
die Citadelle der Festung, aus ungefähr 20 Geschützen ein wüthendes Feuer
gegen das Jnnere des Forts, dessen Hof sich nach der Festung zuneigt, und
nirgends Deckung bietet als hinter dem Steingeröll des niedrigen, dürf-
tigen, stark zerschossenen Kehlwalles. Es war keine Zeit für die kühnen
Eindringlinge die schöne Aussicht zu genießen, hinter jedem Steinhaufen
müssen sie Deckung suchen gegen die Vollkugeln, die Shrapnels, die Gra-
naten, die über die Hofsohle fegen und prasselnd in die Steine und Lenden-
schüttung der Brustwehr einschlagen. Und doch, wie schön ist dieser Blick,
wie stolz und drohend liegt drüben über der Thalsenkung das Schloß mit
seinen steil aufsteigenden vier Terrassen, mit seinem mächtigen ummantelten
Casernement auf dem Gipfel! Rechts erhebt sich noch höher das Fort Ju-
stice und zwischen beiden weiter zurück Fort Miotte mit dem hohen, alten
Wartthurm, während links in der wasserreichen Niederung idyllisch die
Vorstadt die Gruppen ihrer Häuser ausbreitet, theilweise freilich nur noch
Trümmer, alles todt und leer, kein Mensch in den Straßen. Die Erdwerke
Des Barnes und Ferme lagern sich breit davor, und im malerischen Kranze
steigen, das ganze Bild umrahmend, die bewaldeten und schneebedeckten
Höhenzüge als Coulissen und Hintergrund empor. Nun Geschütze herauf!
Freilich eine schwere Arbeit, aber es muß sein! Und dann -- welche wun-
dervolle Position, welche Wirkung von hier aus!“