Einleitung .
Theoret. Theil A
D ie vorhandenen ſtaatswirthſchaftlichen Theorien ſind durch
untergeordnete Probleme veranlaßt worden . Es war insbe-
ſondere die große Aufgabe einer ordentlichen und gerechten
Beſteurung , welche um die Mitte des letztverfloſſenen Jahr-
hunderts , eine naͤhere Unterſuchung der Quellen des Staats-
reichthums herbey fuͤhrte . Hierauf ſind nach Maaßgabe der
einzelnen Beduͤrfniſſe , die ſich mit aͤußerer Zudringlichkeit an-
meldeten , auch die einzelnen Hauptmaterien der Wiſſenſchaft
bearbeitet worden ; ſo die Lehre vom Getreidehandel in Folge
des Mißwachſes von 1772 in Frankreich , und des großen
Mangels in Großbrittanien im Anfange dieſes Jahrhunderts ;
ſo die Lehre vom Gelde insbeſondere in Folge der durch ge-
bietheriſche Umſtaͤnde im Jahre 1797 bewirkten Reſtriction
der baaren Zahlungen an der Bank von England .
Bey allen dieſen Gelegenheiten ergaben ſich neue und glaͤn-
zende Reſultate : es war natuͤrlich , daß man eine ganz unbe-
kannte Wiſſenſchaft entdeckt zu haben glaubte . Ungluͤcklicher
Weiſe fiel dieſer Wahn in eine Zeit gaͤnzlichen Verfalls aller
geſellſchaftlichen Anſichten : die rechtlichen Grundlagen der
Staaten wurden von der oͤffentlichen Meinung in Zweifel
gezogen , und ſo konnte es nicht fehlen , daß die Verkuͤndiger
A 2
des neuen oͤkonomiſchen Lichtes alles Unheil aus den oͤkonomi-
ſchen Einrichtungen der blinden Vorfahren herleiteten . Nichts
deſto weniger hat niemand einſehen wollen , daß eine ſolche
Zeit der Zerruͤttung aller politiſchen Verhaͤltniſſe und Mei-
nungen am wenigſten zur Erfindung einer Wiſſenſchaft von
der Staatshaushaltung geeignet ſey : in der gereitzten Stim-
mung aller Gemuͤther , und bey dem Drange der Gegenwart
war eine unbefangene Wuͤrdigung des bisher Geweſenen un-
moͤglich . Dieſe politiſche Gegenwart war bloßer Zwiſchenzu-
ſtand , Uebergang aus einem Zuſtand in den andern , oder
vielmehr , wie ſich nunmehr ausgewieſen hat , Uebergang der
natuͤrlichen aber bewußtloſen oͤkonomiſchen Weisheit der
Vaͤter , durch den Vorwitz der Kinder , zu der verſtaͤndigen
Anerkennung jener Weisheit von Seiten der Enkel : und den-
noch wurden alle Vorſtellungen von den Beduͤrfniſſen und der
Beſtimmung der einzelnen Menſchen , wie der Staaten und
der ganzen Menſchheit , mit Verlaͤugnung jedes anderen Mu-
ſters , ausſchließend aus dieſer verwirrten Gegenwart herge-
nommen . Es iſt auch von andern Seiten her bekannt genug ,
wie breit ſich gerade dieſes Geſchlecht gemacht , mit welchem
Hohn es auf die Vergangenheit , mit welchem Eigenduͤnkel
es auf die Zukunft herabgeſehen ; ſo daß dann , wie es ſich
gebuͤhrt , die groͤßte Unſicherheit der Zeit mit den frechſten
Anmaßungen der Menſchen , und dem uͤbermuͤthigſten Selbſt-
vertrauen der Wiſſenſchaft zuſammen getroffen .
Demnach ſieht jedermann ein , daß von den allgemeinen
Principien der politiſchen Wiſſenſchaften dieſer letztverfloſſenen
Zeit wenig zu brauchen iſt , wie lehrreich auch die Geſchichte
dieſer hochmuͤthigen Irrthuͤmer fuͤr uns alle geweſen ſeyn
moͤchte . Wir gehen alſo in der nachfolgenden Darſtellung von
der natuͤrlichen Haushaltung der Europaͤiſchen Staaten un-
ſeren eigenen Gang , und erwarten von den Unbefangenen
der Zeitgenoſſenſchaft wie der Nachwelt das Zeugniß , daß
wir uns gehorſam gegen die wahren Lehren der Geſchichte
erwieſen , und das ewige Beduͤrfniß des Menſchen treu beach-
tet haben .
Erſtes Kapitel .
Familienvermoͤgen und Privatvermoͤgen .
D er Leſer denke ſich ein mit allen Beduͤrfniſſen und An-
nehmlichkeiten des Lebens wohlverſehenes Haus : Hausherr ,
Kinder , Dienſtbothen an ihrer natuͤrlichen Stelle . Das Ganze
macht den Eindruck der Wohlhabenheit , des Reichthums ;
jedes einzelne Glied des Hauſes , wie niedrig auch ſeine Func-
tionen ſeyn moͤgen , genießt das Selbſtgefuͤhl des Ganzen .
Setzen wir den Fall : der Hausherr ſterbe , und das ganze
bisherige Gemeinvermoͤgen werde getheilt unter Kinder und
Dienſtbothen , in eben ſo viele Vermaͤchtniſſe und Legate . Jeder
von uns wird ſich eines ſolchen Falles erinnern , und ( obgleich
die Subſtanz des bisherigen Vermoͤgens zwar getheilt , doch
dieſelbe geblieben ) dennoch das Gefuͤhl gehabt haben , als
beſaͤſſen nunmehr die einzelnen Nachgelaſſenen zuſammen ge-
nommen weniger , als alle vereinigt im Vaterhauſe beſeſſen
haben . Es wird uns vorkommen , als ſey des Reichthums
durch die Auseinanderſetzung wirklich weniger geworden ; und
unſer Gefuͤhl hat Recht . Alle Familienglieder hatten im Va-
terhauſe , außer ihrem beſondern Beſitz , noch eine Eigen-
thums-Empfindung vom Ganzen ; jetzt iſt zwar ihre beſondere
Portion vermehrt , aber das Selbſtgefuͤhl im Reichthum des
Ganzen iſt dahin ; jeder iſt der Zahl nach reicher , dem Gefuͤhl
und dem Weſen nach , aͤrmer geworden . —
Die rechten Kinder dieſer Zeit werden ſagen : dafuͤr ſeyen
auch alle dieſe einzelnen Familienglieder frey geworden , ſie
haͤtten die unbedingte Dispoſition uͤber ihr Erbtheil erhalten ;
jenes Gefuͤhl ſey ein Vorurtheil , dieſe Unabhaͤngigkeit ſey das
einzige wahre Gut . Wenn ſie alſo den in ſeiner Grundherr-
lichen Familie bisher auf aͤhnliche Weiſe geſtellten Bauer ,
aus dem Familienzuſammenhange herausreißen , oder , wie
ſie ſich ausdruͤcken , befreyen koͤnnen ; wenn ſie den in dem
großen Vaterhauſe der buͤrgerlichen Geſellſchaft bisher als
Familienglied eingeſchloſſenen Staatsbuͤrger emancipiren , und
zu einem abgeſonderten Privatetabliſſement verleiten koͤnnen ,
ſo glauben ſie das Nationalgluͤck wahrhaft befoͤrdert zu
haben .
Das nun iſt das wahre Verhaͤltniß der alten Europaͤiſchen
Staats-Haushaltung , zu der neuen , die auf allen Gaſſen
gepredigt wird . In der ehemahligen Oekonomie der Staaten
wurden alle Privathaushaltungen im Zuſammenhange ge-
dacht ; jeder Einzelne fuͤhlte ſeinen Beſitz , aber noch außer-
dem fuͤhlte er ſich theilnehmend an einem groͤßeren Beſitz ; es
war dem Einzelnen weniger zugetheilt , aber die Gemeinde
deren Glied er war , und die große Corporation aller Ge-
meinden der Staat , beſaß mehr , und da dieß Gemeinde-
vermoͤgen durch die Jahrhunderte und durch weiſe Geſetze
befeſtiget war , und da der Hausvater dieſer großen Familie
durch dieſelben Geſetze unſterblich gemacht worden , ſo verlor
die Verſchiedenheit der individuellen Gluͤcksumſtaͤnde ihre
ganze Gehaͤßigkeit ; der Einzelne war nur deßhalb mehr
beguͤnſtigt als der andere , damit der das Gemeindevermoͤgen ,
deſſen Gefuͤhl wieder dem Niedrigſten zu Gute kam , beſſer er-
halten , vermehren und vertheidigen konnte . —
Fehlt dieſes Ganze , wie die neuen Theorien wirklich dar-
auf keine Ruͤckſicht nehmen , ſo entſteht derjenige Wetteifer und
Wettlauf unter den Einzelnen , woraus , zu Folge jener Theo-
rien , ſich die hoͤchſte Wohlhabenheit aller , unſerer Anſicht
nach ſich das unvermeidlichſte Verderben aller entwickeln muß .
Keiner , wie hoch er auch ſtehe , wie ſehr er auch vom Gluͤcke
beguͤnſtigt ſeye , kann nunmehr mit dem ihm zugekommenen
Erbtheile zufrieden ſeyn ; jeder will leben wie er im Vater-
hauſe gelebt hat , desſelben Gefuͤhles theilhaftig ſeyn ; jeder
will in eigener Perſon und auf eigene Hand die Wohlhaben-
heit des Ganzen darſtellen , und ſo zerſtoͤren ſich natuͤrlich die
einzelnen Reichthuͤmer untereinander : die allgemeine Armuth
iſt nothwendiges Reſultat .
Alſo das rechte Verlangen des Menſchen , ſeinen Wir-
kungskreis durch Beſitz , durch Mittel des Lebens zu erwei-
tern , iſt doppelter Art : zuerſt will er beſonderes beſitzen ;
dann aber will er auch wenigſtens im Geiſte wieder alles
beſitzen ; er will im Einzelnen leben , und doch nur , damit
ihm das Ganze , worin er lebt , und deſſen er theilhaftig iſt ,
deſto deutlicher einleuchte . Schneidet ihr ihm das Ganze weg ,
hebt ihr den Staat auf , wenigſtens das Gemeinweſentliche
am Staate , ſo muß der Einzelne durch die Ausdehnung ſei-
ner Perſon und ſeines Beſitzes , ſich ein Surrogat fuͤr das
Ganze zu verſchaffen ſtreben , ſo entſteht eine natuͤrliche aber
menſchenfeindliche Begierde nach ausſchließendem Beſitz , die
kein Eigenthum , wie groß es auch ſey , und zuletzt auch
keine Krone befriedigen kann . Es offenbart ſich dann , wie-
wohl auf falſchem Wege , das richtige Verlangen nach dem
Ganzen ; und es iſt nichts abgeſchmackter , als wenn ein
Philoſoph die Gemeinguͤter der Menſchheit zerſtoͤren hilft ,
und hinterher uͤber den Eigennutz und Egoismus der Menſchen
klagt . —
Wenn ihr den Einzelnen aus feinem Vaterhauſe emanci-
pirt , und darauf laufen doch eure Freyheitsproclamationen
hinaus , ſo habt ihr ſein Schickſal dem Zufall anheim ge-
ſtellt , der feindſeligen Begierde die Welt preis gegeben , die
Ungleichheit aller vor dem Schickſal anſtatt der Gleichheit vor
dem Geſetze conſtituirt , und von Staatsordnung iſt nicht wei-
ter die Rede . Die Schranken , die ihr ihm hinterher durch
den Buchſtaben eines Geſetzes ſtellt , habt ihr im Voraus
durch den Widerſpruch ſchon aufgehoben , daß ihr ihm erlaubt ,
nach allem Beſitze uͤberhaupt zu ſtreben . Wenn der vater-
haͤusliche Geiſt verſchwunden , der befriedigend in die ge-
heimſten Falten des Herzens drang , dann wollen wir ſehen ,
wie weit ihr mit eurem Privatrecht und euren Polizeygeſetzen
kommt , die an der Außenſeite des Menſchen umherſpielen ,
und die er , der Einzelne auch wieder ſpielend abzufertigen
wiſſen wird . Wenn der Einzelne erſt die gehoͤrige Macht er-
reicht hat , ſo wird er alle privatrechtlichen Schranken zu
ſchonen , und dennoch alle eure Beſitzthuͤmer ſich anzueignen
wiſſen .
Der Unterſchied groͤßerer und geringerer Gluͤcksumſtaͤnde ,
groͤßeren und geringeren Privatreichthums iſt nothwendig ,
wenn eine buͤrgerliche Ordnung , eine Disciplin und Subordi-
nation moͤglich ſeyn ſoll . Dieſe Disciplin nun unter den
einzelnen Reichthuͤmern macht es moͤglich , daß alle oͤkonomi-
ſchen Functionen der buͤrgerlichen Geſellſchaft , zuſammen-
haͤngend , eine die andere unterſtuͤtzend vor ſich gehen koͤnnen .
Dieſe Ungleichheit und daraus conſtruirte Disciplin muß
dauerhaft ſeyn , weil das Geſchick zur Verwaltung des groͤ-
ßeren wie des geringeren Vermoͤgens , der auf allgemeine wie
auf beſondere , gemeinnuͤtzige Geſchaͤfte gewendeten Kraft ,
Zeit braucht , um erlangt zu werden , und weil die meiſten
beſonderen Kraͤfte innerhalb des Staates ſich nur erſt im
Fortgang langer Jahre in ihrer vollen Wirkſamkeit bewieſen .
Wenn eine ſolche Disciplin alſo moͤglich ſeyn ſoll , ſo muß
jeder Einzelne in ſeiner Station , und wenn es auch der Aermſte
waͤre , fuͤr die Dauer befriedigt werden koͤnnen : die jedem
Einzelnen angeborne Begierde das Ganze zu umfaſſen , muß
im Voraus fuͤr immer bedacht ſeyn .
Nun aber zeigt ſich , daß , wer zum Beyſpiel , die Luft
ſich ausſchließend aneignen wollte , in ſie zerfließen muͤßte ,
und doch nichts beſitzen wuͤrde ; wer hingegen ſie als Ge-
meingut an ſeinem beſondern Ort , und mit ſeinem beſondern
Organe gebrauchte und athmete , auch aller Wohlthaten und
Segnungen dieſes Elements theilhaftig werden wuͤrde . So
auch , wer ſich an ſeinem beſondern Ort und in ſeinem beſon-
dern Geſchaͤft eines gewiſſen ewigen Eigenthums nicht der
einzelnen Dinge , aber des Ganzen , welches ſie durch die
buͤrgerliche Ordnung mit einander ausmachen , bewußt waͤre ,
und mit jedem Athemzuge dieſes geiſtige Element empfaͤnde ,
der wuͤrde durch den wirklichen Beſitz aller Dinge im Umkreiſe
des Staates nicht fuͤr den Verluſt dieſes Elementes entſchaͤdigt
werden koͤnnen ; denn er muͤßte ja erſt die beſonderen durch
Geburt , Gewohnheit , Erziehung entwickelten Organe auf-
geben , um den neuen Beſitz zu empfinden . In ſolche Lage
werden die Menſchen durch unvernuͤnftige Emancipationen
und Freyheitsproclamationen verſetzt ; man nimmt ihnen das
Gluͤck , wofuͤr ſie Organe haben , und erweckt die Begierde
nach einem andern , wofuͤr die Organe fehlen .
Jeder alſo braucht beſondere Organe , beſonderes Eigen-
thum , beſonderes Gluͤck , um des Allgemeinen theilhaftig zu
werden ; aber nur dadurch , daß er des Allgemeinen wirklich
theilhaftig wird , kann er ſich bey ſeinem beſondern Gluͤck
dauerhaft beruhigen . Wer alſo das Gefuͤhl des Ganzen ,
welches alle einzelnen Beſitzthuͤmer in ſich ſchließt , dem Ein-
zelnen verſagt , der entzieht dem Einzelnen zugleich auch ſei-
nen beſondern Beſitz , und jede Erweiterung dieſes Beſitzes
iſt ſchon im Weſen verloren , ehe ſie noch dieſem Einzelnen
ſcheinbar zu Theil wird .
Es iſt alſo klar , daß alle einzelnen Buͤrger im Staat
nur in ſo fern viel haben , beſitzen , ruhig und dauerhaft
produciren koͤnnen , in wie fern ſie mit einander ein großes ,
wohlhabendes und ſicheres Haus ausmachen , das heißt : in
wie fern jeder als unzertrennliches Glied des Ganzen , ein un-
wandelbares Gefuͤhl von der dauerhaften Wohlhabenheit des
auch ihm zugehoͤrigen Ganzen hat . Stirbt der Hausherr ,
geht das alte Gemeinweſen und das lebendige Geſetz desſelben
unter , ſo muͤſſen alle Einzelnen , und wenn ſie vor der Hand
auch allen beſondern Beſitz behielten , und wenn auch das
ganze Staatsvermoͤgen verhaͤltnißmaͤßig getheilt wuͤrde , und
jedem einzelne Beſitze zuwuͤchſen , ſich aͤrmer fuͤhlen , weil die
Buͤrgſchaft fehlt fuͤr die Dauer und fuͤr das Recht , weil der
Einzelne nichts Allgemeines empfindet , weil die Luft fehlt ,
die allen Lebensgenuß anfriſchte und belebte , weil Jeder nun-
mehr nur das ſieht was ihm fehlt , nicht mehr das , was er
beſitzt . —
Der Reichthum eines Staates iſt alſo unendlich mehr , als
die Summe der einzelnen Reichthuͤmer im Staate ; es iſt ein
großes Weſen darin , welches ſich durchaus nicht in Zahlen
beſtimmen laͤßt , durch deſſen Mangel alle Zahlen zu Nichte
werden , und durch deſſen Hinzukunft alle Zahlen wachſen .
Koͤnnt ihr bey den Vorſtellungen des Reichthums und der
Oekonomie durchaus nicht die Zahlen entbehren , ſo merkt
euch , daß es eine Rechenkunſt gibt , nach der 1 und 1 , auf
lebendige Weiſe zuſammen geſetzt , 3 und mehr als 3 , auf
todte Weiſe zuſammen geſetzt , nur 2 und weniger als 1 geben .
Verbindet ihr 1 und 1 auf productive Weiſe , wie Mann und
Frau in der Ehe , wie eure Arbeitskraft mit dem Capital in
jedem moͤglichen Gewerbe , ſo koͤmmt zu den beyden bleiben-
den Weſen ein Drittes dazu . Soll aber ein ſolches Drittes
hinzu kommen , ſo muͤſſen 1 und 1 auf dauerhafte Weiſe ver-
bunden ſeyn , denn alle Production braucht Zeit . Es muß
alſo außer den beyden producirenden Weſen noch eine Kraft
geben , welche ihre Verbindung verbuͤrgt . Da nun aber auch
im Großen das Weſen der buͤrgerlichen Geſellſchaft darin be-
ſteht , daß ſie wachſe , daß allenthalben aus 1 und 1 drey
wurde , ſo muß in der buͤrgerlichen Geſellſchaft eine die
Summe aller einzelnen Kraͤfte uͤberwiegende Kraft vorhanden
ſeyn , welche , da ſie die productiven Verbindungen aller Ein-
zelnen verbuͤrgt , und ſie alſo erſt productiv macht , durch ihr
Vorhandenſeyn alle Werthe erhoͤht , durch ihre Abweſenheit
alle Werthe vernichtet .
Wenn ich die in einer wahren und ordentlichen , vater-
haͤuslichen Staatswirthſchaft enthaltenen ſaͤmmtlichen beſon-
deren Reichthuͤmer addire , ſo hat dieſe Summe freylich eine
wahre Bedeutung , weil in den gleichfoͤrmigen Preiſen
aller Dinge innerhalb ſolcher Haushaltung die Werthe , welche
die allgemeine Staatskraft hinzu thut , ſchon enthalten ſind .
Fehlt hingegen die gemeinſchaftliche Kraft , ſo ſchwanken und
ſinken alle Werthe ; die Zahlenbeſtimmungen , die wie Traum-
bilder wechſeln , geben durchaus kein Reſultat , und waͤre die
Summe der Privatreichthuͤmer in ſolchem Zuſtande der Ge-
ſellſchaft noch ſehr betraͤchtlich , ſo ließe ſich daraus nur der
Schluß ziehen , daß dieſe Reichthuͤmer ſich unter einander um
ſo lebhafter verzehren , und , da ſie eine um ſo groͤßere Lockung
fuͤr den auswaͤrtigen Feind ſeyn moͤchten , auch um ſo unver-
meidlicher untergehen wuͤrden .
Aller Reichthum , oder da dieſer Ausdruck vielen Miß-
verſtaͤndniſſen unterworfen ſeyn moͤchte , alles Vermoͤgen hat
nothwendiger Weiſe zwey Elemente : die Kraft des Einzelnen
und die Kraft des Staates : ich nenne dieſe beyden Kraͤfte
Elemente , weil eine ohne die andere nicht beſteht , ja nicht
einmahl wirklich da iſt . Alles Einzelne im Umkreiſe eines
Staates Vorhandene , iſt nur thaͤtig und productiv vorhanden ,
in wie fern es in beſtaͤndiger Wechſelwirkung mit dem Allge-
meinen und Gemeinſchaftlichen ſteht .
Das Staatsvermoͤgen iſt alſo der geſammte Inbe-
griff derjenigen Kraͤfte , unter deren ſichtbaren ſichtbarem und unſichtbaren unſichtbarem
Einfluß des das Privatvermoͤgens Privatvermoͤgen entſteht , waͤchſt , ſich vertheidigt
und behauptet . Es beſteht alſo keineswegs allein in den Er-
traͤgniſſen des Staatseigenthums und der verſchiedenen Abga-
ben , oder in dem Capitalwerth dieſer Einkuͤnfte ; die ge-
ſammten Vertheidigungskraͤfte der Menſchen wie des Bodens ,
Armeen , Feſtungen , Waffen , die adminiſtrative Kunſt des
geſammten Civiletats , ja die Verfaſſung , die Geſetze , alle
großen Nationalerinnerungen ſind Beſtandtheile des Staats-
vermoͤgens . Ja , aus dem Standpuncte des Einzelnen muß
die Geſammtkraft aller uͤbrigen Individuen , als integriren-
der Theil des Staatsvermoͤgens angeſehen werden , denn auch
dieſe beſchraͤnkt , alſo befeſtiget und verbuͤrgt dem Einzelnen
ſeine beſondere Exiſtenz , mit allem derſelben untergeordneten
Beyweſen . Alle dieſe Dinge muͤſſen beharren und wachſen ,
wenn der Einzelne mit dem Seinigen beharren und wachſen
ſoll , und jede Veraͤnderung die ſich auf ihrer Seite zutraͤgt ,
reagirt nothwendig auf der Seite des Einzelnen .
So nun beginnt alle Einſicht in die Haushaltung einer
Nation , mit der deutlichen und ſichern Erkenntniß der von der
Vorſehung in allen menſchlichen Geſchaͤften angeordneten ,
unendlichen Gegenſeitigkeit , Bezuͤglichkeit und Bedinglichkeit .
Wer alſo uͤber die Nationalhaushaltung gruͤndlich reden ,
ſicher urtheilen , oder ſie foͤrderlich regieren will , der muß
zufoͤrderſt einſehen , daß er es uͤberall mit Verhaͤlt-
niſſen und Wechſelwirkungen zu thun hat , daß
er nichts Einzelnes thun kann , ohne zugleich das Ganze zu
officiren , daß er den ſaͤchlichen Reichthum oder den reinen
Ertrag der einzelnen Productionen nicht veraͤndern kann ,
ohne zugleich auch auf der andern Seite die perſoͤnliche und
productive Kraft des Staates zu veraͤndern ; kurz , daß er zuerſt
und vor allen Dingen ſtreben muͤſſe , nach einer beſtaͤndigen ,
umſichtigen und allſeitigen Gerechtigkeit gegen alle gleich
weſentlichen und unter einander innig verſchraͤnkten Glieder
der großen Familie .
Zweytes Kapitel .
Verhaͤltniß der Perſonen und Sachen zu einander
und zum Staat .
M an erwaͤge die Forderung , welche an die Wiſſenſchaft
der Nationaloͤkonomie gewoͤhnlich gemacht wird : ſie ſoll die
Quellen erforſchen , aus denen diejenigen Erſcheinungen her-
fließen , die man mit dem Worte Nationalreichthum zuſam-
men zu faſſen pflegt , und ihre beſte Benutzung nachweiſen .
Nationalreichthum in der allgemein angenommenen Bedeutung ,
iſt aber nicht mehr , als eine gewiſſe Fuͤlle derjenigen Mittel oder
Sachen , die zur Erhaltung , Erleichterung , Verſchoͤnerung
des aͤußeren Lebens der Menſchen weſentlich gehoͤren . Da nun
der Werth dieſer Sachen einerſeits nur relativ iſt , und durch
die Natur , wie durch das Beduͤrfniß derjenigen Menſchen be-
ſtimmt wird , die ſich derſelben bedienen ſollen ; da anderer-
ſeits die geſammte und fortgeſetzte Thaͤtigkeit aller Glieder der
buͤrgerlichen Geſellſchaft in Anſpruch genommen werden muß ,
um dieſe Sachen zu gewinnen und herbey zu ſchaffen ; da
endlich alle dieſe Thaͤtigkeiten nicht bloß durch ihre abgeſon-
derte Anſtrengung , ſondern nur durch eine gewiſſe gliederartige
Verſchraͤnkung unter einander , oder durch einen zuſammen-
haͤngenden Organismus den beabſichtigten Zweck erreichen ,
ſo ſieht man leicht ein , daß die Herbeyſchaffung der Sachen
nur der ſcheinbare Zweck der Nationaloͤkonomie ſey .
Immer wird es eben ſo ſehr darauf ankommen , daß die
gewonnenen Sachen wieder die productive Kraft der Perſonen
erhoͤhen , alſo koͤnnte man eben ſo einſeitig , jedoch mit nicht
minderem Rechte die Productionskraft der Perſonen zum
Zweck der Nationaloͤkonomie erheben . Wir wollen alſo dem
am Ende des erſten Kapitels aufgeſtellten Grundſatze gemaͤß ,
die Nationaloͤkonomie ſo definiren , daß ſie die Wiſſenſchaft
der Erhaltung , Belebung , Verinnigung , erſtlich , des Ver-
haͤltniſſes der Perſonen und Sachen zu einander , zweytens ,
des Verhaͤltniſſes der Perſonen und Sachen zu dem Staate
ſey .
Es kann nicht fehlen , daß wir wegen dieſer Erklaͤrung
den Vorwurf hoͤren werden , was wir meinten , ſey die
Staatslehre uͤberhaupt , und unſere Definition koͤnnte eben ſo
gut fuͤr die Wiſſenſchaft des Rechtes , als fuͤr die National-
oͤkonomie gelten . Darauf erwiedern wir : die Oekonomie , das
Recht , ja auch die militaͤriſche Vertheidigung des Ganzen ,
und die Religion wie die Erziehung , treffen alle in hoͤchſter
Inſtanz zuſammen . Nur in wie fern der Gelehrte oder der
Staatsmann ſich auf den Standpunct hin begibt , wo ſie
alle zuſammen treffen , und wo ſich eine abgeſonderte Defini-
tion einer von ihnen nicht weiter geben laͤßt , kann er das
oͤkonomiſche , juriſtiſche , militaͤriſche , diplomatiſche Intereſſe
des Ganzen wahrhaft uͤberſehen und beſorgen , nur in ſo fern
kann er das religioͤſe Band , welches alle dieſe Intereſſen un-
aufloͤslich verknuͤpft , feſthalten und ſchuͤtzen .
Das Recht und die Waffen , haben wir oben geſagt ,
muͤſſen als integrirende Theile des Staatsvermoͤgens angeſehen
Theoret. Theil B
werden : auch die Zeit iſt nicht mehr fern , wo man die
Religion als letzte und hoͤchſte Quelle allen Credits und aller
Macht , und als die maͤchtigſte Gewaͤhrleiſterinn alles Beſitzes
oͤffentlich anerkennen wird . Es waͤre ein ganz hoffnungsloſes
Geſchaͤft , irgend eines dieſer Intereſſen darzuſtellen oder zu
beſorgen , wenn man nicht des Beyſtandes der uͤbrigen gewiß
waͤre ; es waͤre unmoͤglich von der Staatswirthſchaft zu han-
deln , wenn es nicht erlaubt waͤre , alle Dinge innerhalb des
Staats , Perſonen und Sachen , ja den Staat ſelbſt als eben
ſo viele oͤkonomiſche Werthe zu betrachten .
Der Menſch begehrt Dinge , um ſeine Unvollkommenheit
zu ergaͤnzen , um der Vergaͤnglichkeit abzuhelfen , die er an
ſich ſpuͤrt : der roheſte Hunger und Durſt , und die ausgebil-
detſte Begierde nach dem raffinirteſten Lebensgenuß , ſind nur
Offenbarungen jenes Triebes . Er begehrt Perſonen von ent-
gegengeſetztem Geſchlecht , um die Einſeitigkeit ſeines Ge-
ſchlechts zu ergaͤnzen , um die Vorſtellung eines vollſtaͤndigen
und dauerhaften Menſchen , die er in ſeiner Seele traͤgt , zu
verwirklichen . Der Menſch von einer gewiſſen Gewerbsgattung
begehrt Menſchen von der entgegengeſetzten Gewerbsgattung ,
der Producent den Fabrikanten , der Gelehrte den Kuͤnſtler ,
jeder um ſich zu vervollſtaͤndigen , um ſich abzurunden , um
ſich zu einem Ganzen zu erheben . Er ſtrebt ſich zu verbinden
mit Perſonen und Dingen ; er ſtrebt nach Eigenthum und nach
Verpflichtungen ; um etwas Hoͤheres hervorzubringen als er
ſich ſelbſt fuͤhlt , um weiter zu ſehen , zu greifen , zu wirken ,
als ſeine iſolirten Kraͤfte reichen .
Es ſcheint freylich , daß ſich die Sachen bloß durch die
Willkuͤhr einſeitig aneignen laſſen , indeſſen gegen Perſonen ,
die ſelbſt an ſich , und dann auch zur Behauptung und Er-
haltung der Sachen unentbehrlich ſind , gilt nur Verpflich-
tung , gegenſeitige Aneignung . Wenn alſo auch nur nach dem
Eigenthume geſtrebt wuͤrde , ſo muͤßten die Menſchen ſich
deßhalb ſchon wie in ein großes Gewebe gegenſeitig ver-
ſchraͤnken ; jeder muͤßte in eine Wechſelverpflichtung zu allen
Uebrigen treten : das Eigenthum ließe ſich nicht erweitern ,
ohne dieſe perſoͤnlichen Verpflichtungen zu vermehren . Wer
dieſe Verpflichtungen zerriſſe , ſchwaͤchte auch das Eigenthum
und verurſachte eine Werthverminderung desſelben .
Geſetzt nun alſo , die Nationaloͤkonomie haͤtte es bloß mit
dem Eigenthum zu thun , und nicht mit der wechſelſeitigen
Verſchraͤnkung und Verbuͤrgung des Eigenthums , welche
durch perſoͤnliche Verpflichtungen vollzogen wird , ſo wuͤrde
ſie eben ſo wenig von der oͤkonomiſchen Erweiterung des
Eigenthums Rechenſchaft geben koͤnnen , als eine Rechtslehre ,
die nur von den perſoͤnlichen Verpflichtungen handelte , aber
die Realrechte verſaͤumte , uͤber die juriſtiſche Sicherſtellung
der Contracte Rechenſchaft geben koͤnnte . Wie alſo die Juris-
prudenz Perſonen und Sachen als Subjecte des Rechts be-
handelt , ſo ſoll die Staatswirthſchaft Perſonen und Sachen
als oͤkonomiſche Objecte betrachten . Der erſte Zweck der
Nationaloͤkonomie iſt alſo Erhaltung , Bele-
hung , Vereinigung des Verhaͤltniſſes der
Perſonen und Sachen zu einander .
B 2
Wenn nun alſo Perſonen und Sachen beyde als oͤkono-
miſche Werthe ſich in einander gewoben , und durch einander
verbuͤrgt haben , ſo entſteht die Fuͤlle , die Ganzheit , der
dauerhafte und vollſtaͤndige Menſch , wornach alle Einzelnen
geſtrebt haben . Alle muͤſſen zuſammen treten , zuſammen wir-
ken , ſich zuſammen verpflichten , damit er fuͤr jeden Einzelnen
wirklich werde . Dieſer vollſtaͤndige Menſch , an dem ſich alle
Einzelnen erheben , durch den ſich alle Einzelne vervollſtaͤndi-
gen , iſt der Staat , iſt dasjenige , was wir oben unter dem
Bilde des Vaterhauſes dargeſtellt . So waͤre nun die Vorſtel-
lung von einem vollſtaͤndigen und unvergaͤnglichen Menſchen ,
welche die Seele mit ſich umher trug , realiſirt . Aber wie
kann man dieſes Weſen , welches immer außerhalb des Men-
ſchen bleibt , und das er ſich nie vollſtaͤndig anzueignen ver-
mag , eine Verwirklichung ſeines Ideals nennen ? Ich antworte :
alles was der Menſch ſich aneignet , iſt nur in ſo fern ſein
eigen , als er ſelbſt dafuͤr Verpflichtungen eingegangen , als er
durch Verpflichtungen gegen Perſonen ſein Eigenthum ſelbſtthaͤ-
tig verbuͤrgt hat . Der Staat , dieſe groͤßte unter allen Sachen
und zugleich dieſe groͤßte unter allen Perſonen , iſt als Sache in
ſo fern wirklich ſein eigen , als er ſich ihm in ſeiner perſoͤnli-
chen Qualitaͤt perſoͤnlich und ſelbſtthaͤtig verpflichtet hat . Der
andere Zweck der Nationaloͤkonomie iſt dem-
nach , da der Staat unaufhoͤrlich die oͤkonomi-
ſche Exiſtenz des Einzelnen garantirt , in wie
fern der Einzelne fuͤr die oͤkonomiſche Erhaltung
des Ganzen lebt , die Belebung des Verhaͤltniſ-
ſes der Perſonen und Sachen zum Staate .
Da nun aus dem Verhaͤltniſſe des Menſchen zu den
Sachen , ſich die zu den Perſonen , und die zum Staate
ganz von ſelbſt und nothwendig ergeben : da der Menſch an
allen Orten und zu allen Zeiten in oͤkonomiſcher Ruͤckſicht zu
den Sachen in dreyfacher Relation ſteht , zuerſt um ihrer
ſelbſt Willen , dann um der Perſonen , und endlich um des
Staates Willen , wie er in juriſtiſcher Ruͤckſicht in dreyfachem
Verhaͤltniß zu den Perſonen ſteht , zuerſt um der Perſonen Wil-
len ( in dem jure personarum ) dann um der Sache Willen
( in dem jure rerum im weiteſten Sinne des Wortes , wohin
dann das jus obligationum und actionum gleichfalls ge-
hoͤrt ) und endlich um des Staates Willen ( in dem jure
publico ) — ſo entſtehen drey große Grundformen des Eigen-
thums , die allenthalben , wenn der natuͤrliche Zuſtand der
Dinge keine Stoͤrung erlitten , auf der gleichen Stufe der
Ausbildung ſtehen werden , weil ſie ſich alle unter einander
verbuͤrgen : zufoͤrderſt reines Privateigenthum oder
Verhaͤltniß des Menſchen zu den Sachen um ihrentwillen ,
dann corporatives Eigenthum , da der Menſch ver-
mittelſt perſoͤnlicher Verpflichtungen in einem Verhaͤltniſſe
zu den Sachen ſteht , wohin alle Arten des Familien- und
Gemeinde-Eigenthums , und das Fideicommiſſariſche , das
Lehen , kurz alle die Formen des Eigenthums gehoͤren , die
von perſoͤnlichen und Dienſt-Verpflichtungen unzertrennlich
ſind , endlich Staatseigenthum , da der Menſch im
Verhaͤltniß zu den Sachen um der Erhaltung des Ganzen
Willen ſteht .
Wenn wir die Sache wiſſenſchaftlich ſtreng nehmen , ſo
tritt dieſe dreyfache Relation bey jedem einzelnen Eigenthume
ein , und da ſich alle drey unter einander verbuͤrgen und be-
dingen , ſo hat der Einzelne uͤberhaupt nur ein Eigenthum ,
in wie fern er das Object desſelben zugleich als Privateigen-
thum , als corporatives und als Staatseigenthum betrachtet
und behandelt , mit andern Worten , in wie fern er die ihm
eigenthuͤmliche Sache mit den Perſonen zu theilen , und dem
Staate hinzugeben , allezeit bereit iſt . In dieſem Sinne nur
hat er auch das Eigenthum ſeiner eigenen Perſon , und das
fuͤhrt ſeine ganze Stellung als Glied eines großen Ganzen
unaufhoͤrlich mit ſich , daß er ſeine ſaͤchliche und perſoͤnliche
Eigenthuͤmlichkeit zu theilen und aufzuopfern an allen Orten
bereit ſey . Das wird das Kennzeichen ſeyn , ob er ſich jenes
Ideal eines vollſtaͤndigen und dauerhaften Menſchen , das er
in ſich trug , und das nur die Geſellſchaft im Ganzen reali-
ſiren kann , tuͤchtig und innig angeeignet hat ; ob ſein Stre-
ben nach Fuͤlle und Unvergaͤnglichkeit , worin ſein menſchlicher
Charakter und ſeine Vernunft ſich offenbart , wirklich befrie-
digt iſt ; und ob er das einzig ſichere Eigenthum erlangt hat ,
zu dem er nur herangelockt wurde , durch den vergaͤnglichen
Schein des Privateigenthums , wie er uͤberhaupt zu allen
hoͤheren Befriedigungen ſeines Daſeyns , durch den gemeinen
Hunger und Durſt herangewoͤhnt worden iſt .
Dem gemeinen Auge erſcheint nur da , wo ihm Privat-
eigenthum zugeſtanden wird , wirkliche Befriedigung ; wo es
theilen muß , oder mit dem Ganzen beſitzt , ſieht es nur Nieß-
brauch — gerade wie dem kindiſchen Auge die Erde zu ruhen ,
und der Himmel ſich zu bewegen ſcheint . Dringt aber dieſes
Auge in die Weſenheit der Verhaͤltniſſe , ſo ſieht es das wirk-
liche Eigenthum nur in dem gemeinſchaftlichen Beſitz , und in
allem Privateigenthume nur Nießbrauch und Vergaͤnglichkeit ,
obwohl einen fuͤr das Ganze ſehr weſentlichen Nießbrauch ,
und eine unentbehrliche Vergaͤnglichkeit , weil das hoͤhere
wirkliche und dauerhafte Eigenthum dadurch erſt moͤglich und
ſichtbar wird . Nun iſt es entdeckt , daß der Himmel ruhe ,
und ſich die Erde bewege , daß das wahre Eigenthum des
nach Sicherheit und Ruhe ſtrebenden Geiſtes dort hinuͤber
fallen muͤſſe , und nicht hierher , und daß durch den fruͤheren
Schein einer ruhenden Erde , die Seele nur an ein Beduͤrfniß
der Ruhe herangewoͤhnt werden ſollte , welches aber die Erde
allein nicht befriedigen konnte .
Vielleicht gibt es noch eine hoͤhere Stufe des Eigenthums ,
wo , wenn die bewegte Erde in ihrem Verhaͤltniß zu dem ruhen-
den Himmel , der vergaͤngliche Einzelne in ſeinem Verhaͤlt-
niſſe zu dem bleibenden Staate lange betrachtet worden , nun
auch die Bewegung des Himmels wie die des Staates wahr-
genommen wird , und die mit dem Beduͤrfniß der Ruhe und
des ſicheren Eigenthums nun ganz verwachſene Seele , ein
ganz unbedingtes Eigenthum und eine ganz ungeſtoͤrte Ruhe
entdeckt . — Hier iſt nur eine Andeutung moͤglich , aber eine
zur Vollſtaͤndigkeit meiner Darſtellung ſehr weſentliche An-
deutung : denn das iſt die Gruͤndlichkeit der Behandlung eines
ſolchen Gegenſtandes , daß er an alle hoͤheren Beduͤrfniſſe des
Menſchen , an ſeine vollſtaͤndige Natur angeknuͤpft werde ,
und nicht bloß durch ſeine innere Fuͤlle und Ordnung gelte ,
die , wie die Unzugaͤnglichkeit der bisherigen vorwitzig abge-
ſchloſſenen Theorie zeigt , auch nur in Verbindung mit der
uͤbrigen aͤußeren Weltordnung zu zeigen iſt .
Ich kann nicht , wie es bisher geſchehen , in der National-
oͤkonomie die Sachen und ihre Herbeyſchaffung von den Per-
ſonen trennen ; denn das ganze Leben der Sachen , ihr ſich
vermaͤhlen unter einander und produciren , koͤmmt ja aus den
Perſonen : deßhalb muß ich ſo gut wie der Juriſt vor allen
Dingen vom Eigenthum handeln ; er betrachtet das Eigen-
thum vielmehr wie es durch den Willen der Menſchen iſt ,
der Oekonom vielmehr , wie es durch die Natur der Sache
und der Verhaͤltniſſe wird . Der ganze Nationalreichthum
aber iſt in letzter Inſtanz nur in ſo fern etwas werth , als
er einer beſtimmten Nation natuͤrlich und ſicher und unauf-
loͤslich angeeignet iſt , wie auch von ihr behauptet werden
koͤnne : da nun der gegenwaͤrtige Juriſt nur nach dem Willen
fragt , der das Geſetz gegeben , und das Eigenthum conſti-
tuirt hat ; die Macht hingegen , welche die Geſetze ausfuͤhrt ,
und das Eigenthum behauptet , nur praͤſumirt , ſo begreift
ein Kind , daß die ſichere Aneignung , von der alle Werthe
unſeres Reichthums , und alle Buͤrgſchaft unſeres oͤkonomi-
ſchen Erwerbes abhaͤngen , nicht von der dermahligen Rechts-
lehre garantirt werden koͤnne . Demnach muͤſſen wir uns
dieſe Garantie ſelbſt ſchaffen , und unſern Reichthum ſo
entſtehen und wachſen laſſen , daß er ſich ſelbſt behaupten
koͤnne .
Es kommt eine Zeit , und ſie iſt nicht entfernt , denn der
Motive ihre Ankunft zu beſchleunigen gibt es unzaͤhlige , wo
auch die Rechtslehre ſich mit einer bloßen Praͤſumtion der
Macht , oder mit einem bloß idealiſchen Rechte nicht mehr
begnuͤgen , und wo ſie , wie wir , einſehen wird , daß ſie nur
beſtehen koͤnne , in wie fern ſie ſich mit uns in den Mittel-
punct alles politiſchen Lebens begibt .
Indeß merke der Leſer wohl die bedeutende Abweichung
unſerer Lehre von der des Locke , Hume , Adam Smith und
der Oekonomiſten , daß wir naͤhmlich vor allen Dingen von
der Idee des Eigenthums ausgehen , die bey jenen Autoren
ohne weiteren Anſpruch der Jurisprudenz hoͤflichſt uͤberlaſſen
worden iſt .
Drittes Kapitel .
Feod und Allod .
D ie Inſtitutionen des Mittelalters bezeugen alle , daß man
in jenen Zeiten zwey Hauptgattungen des Eigenthums aner-
kannte , das Feod und Allod , unbeſchraͤnktes und auf Tren Treu
und Glauben uͤberlaſſenes Eigenthum . Das Feod hat nach
aller Geſchichte und allen Rechtsanſichten jener Zeit die
Prioritaͤt , die ihm von wegen Gott und der Natur der Dinge
an allen Orten zukommt ; das Allod kennt man nur als er-
wachſend aus dem ſparſamen Nießbrauch des Feod , und von
allen Seiten bedingt und beſchraͤnkt durch dieſes . Das lau-
fende Jahrhundert erklaͤrt hingegen , daß es dem Feod , dem
Eigenthum , welches auf die Bedingungen dafuͤr zu leiſtender
Dienſte und eventuellen Heimfalls uͤberlaſſen wurde , und ,
welches in der Kindheit der Staaten zur Befeſtigung der-
ſelben beygetragen haben moͤge , nunmehr entwachſen ſey ;
daß es die reichen und in alles politiſche Leben ( wie alle
Jugendeindruͤcke ) tief verwachſenen Spuren des Feod , oder
den ſogenannten Feudalismus , verfolge und zerſtoͤre wo es
koͤnne ; daß es nur Eine Form des Eigenthums , naͤhmlich
das nach Maaßgabe des Roͤmiſchen Privatrechts umgeformte
Allod anerkenne , und , weil die Kunſt , vermittelſt einer bloßen
Subordination der Individuen , einer Concentrirung der
Macht , und der trefflichen Erfindungen des Pulvers und der
ſtehenden Heere , alles Privateigenthum zu beſchuͤtzen und in
ſeinen Schranken zu erhalten , von den Fortſchritten der Zeit
herbeygefuͤhrt worden , nun auch die Sanktion des Glaubens
oder einer gegenſeitigen Dienſtverpflichtung nicht weiter von-
noͤthen ſey . —
Es folgt aus meiner ganzen obigen Darſtellung , daß ,
wenn alles Eigenthum einſeitiger Natur iſt , wenn es gar
keine Beziehung von Wechſelverhaͤltniſſen und Wechſelverpflich-
tungen der Perſonen auf Sachen gibt ( wie ſolche zwiſchen
dem Lehnsherrn und ſeinen Vaſallen mit Beziehung auf das
verliehene Grundſtuͤck exiſtirt ) auch keine Wechſelverpflichtung
zwiſchen den Regierenden und Unterthanen , mit Beziehung
auf das große gemeinſchaftliche Eigenthum , welches Staat
heißt , Statt finden koͤnne .
Wie vieles waͤre gewonnen , wenn diejenigen , welche ſich
in dieſen Tagen der Zerruͤttung , zu den ſogenannten guten
Grundſaͤtzen , oder den Grundſaͤtzen der Ordnung und des
Rechts bekennen , einſehen moͤchten , daß ſie mit den beſten
Abſichten doch nur an der Oberflaͤche verweilen , ſo lange ,
bis ihnen der Grundſatz , daß es nur eine Art des Eigen-
thums , naͤhmlich das ganz unbedingte Privateigenthum geben
koͤnne , als der oberſte oder innerſte Grundſatz der Zerſtoͤrung
einleuchtet . Gibt es nur Privateigenthum , ſieht alles Eigen-
thum abgeſondert fuͤr ſich um den iſolirten Eigenthuͤmer her ,
ſo kann die Regierung , wie liberal und wohlmeinend ſie
auch ſey , ihre Beſtimmung , Eigenthum und Eigenthuͤmer zu
ſchuͤtzen , nur durch Zwang , durch ein eiſernes Band er-
reichen , welches ſie um das Buͤndel iſolirter Eigenthuͤmer ,
die durch keine gegenſeitigen Verpflichtungen in einander ge-
wachſen ſind , umher wirft .
Alle Staatslehren unſerer Tage , haben ſich bewußtlos an
ſolche Roͤmiſche Rechtsbegriffe von der Alleinherrſchaft des
Privateigenthums angeſchloſſen , und ſie beſtaͤtigen die Wahr-
heit meiner Folgerung , indem ſie kein Mittel der Regierung
anerkennen , als den Zwang , und ſomit eingeſtehen , daß
die Perſonen in den Haͤnden der Staatsgewalt nichts anderes
ſind , als ihren juriſtiſchen Lehrern zu Folge , die Sachen in
den Haͤnden der Perſon , naͤhmlich Privateigenthum . Sie
conſtituiren die Staatsgewalt zum unbedingten Despotismus .
Daß ſie das Recht erzwungen , und nach dem Geſetze die
Perſonen gezwungen wiſſen wollen , aͤndert die Sache nicht :
denn , wenn man eine geraume Zeit hindurch zwingen will ,
ſo muß man wohl nach einer gewiſſen Regel zwingen .
Die freye Anerkennung aller macht erſt das Geſetz zum
Geſetz ; dieſe freye Anerkennung offenbart ſich aber nicht durch
eine Stimmenſammlung , der gerade in dieſem Augenblicke
dem Zwange des Geſetzes unterworfenen , ſondern in dem Ur-
ſprung des Geſetzes aus dem Contrakte , nicht aus dem ein
fuͤr allemahl abgeſchloſſenen Contrat social , ſondern aus
dem freyen und unendlichen Contrahiren und Wechſelverpflich-
ten der Perſonen unter ſich , und mit dem Staate und ſeinen
Repraͤſentanten , welches ich oben beſchrieben , wovon in der
ganzen Weltgeſchichte nur die Staaten der neuern , der chriſt-
lichen Zeit ein Beyſpiel geben . Dieß heißt : freye Anerkennung
des Geſetzes ; ſo wird erſt das Geſetz zum Rechte : und
dieſes Recht mag dann auch immerhin rechtlich erzwungen
werden . —
Die einzige Staatsform , welche die curſirenden Staats-
lehren ſtatuiren , iſt der Despotismus , wie ſehr ſie ihn auch
daͤmpfen wollen , dadurch , daß ſie die geſetzgebende Macht
und ihre Mittel , die Rede- und Preßfreyheit , dem Volke
anvertrauen , und ſomit die ganze Staatsgewalt wieder als
ein idealiſches Privateigenthum dem Volke unterwerfen .
Koͤnnte ſich das Volk auch wirklich als oberſter Privateigen-
thuͤmer der Staatsgewalt , und dadurch ſeiner ſelbſt conſtitui-
ren , ſo haͤtten wir nur die alte Fabel : ein Rieſe traͤgt die
Erde , der Elephant den Rieſen , den Elephanten eine Schild-
kroͤte u. ſ. f. und beym Despotismus bliebe es : wer ihn
ausuͤbte , waͤre gleichguͤltig .
Die Freyheit iſt alſo nur , wo Wechſelverpflichtungen ſind ;
wo mehrere Arten des Eigenthums ſich unter einander zugleich
daͤmpfen und verbuͤrgen ; wo das Privatrecht an allen Stellen
durch einen echten Feudalismus gemaͤßigt iſt . Denn geſetzt
auch , eine milde und menſchliche , aber auf Roͤmiſchen Princi-
pien beruhende Staatsgewalt , wuͤßte innerhalb des eiſernen
Bandes , allen Zwang ſo zu vermenſchlichen , daß das Leben
wirklich nach Freyheit ſchmeckte , ſo bleibt dieſe Freyheit vor
dem Geſetz , wenn ſie auf dem unbedingten Privateigenthum
errichtet wird , doch nur ein voruͤbergehender Euphemismus ;
bey dem erſten Stoß eines auswaͤrtigen Siegers wird die Ge-
brechlichkeit der Sache weltkundig werden , und man wird
das Kind bey ſeinem wahren Nahmen nennen .
Was man dem Staat an aͤußerer Macht durch ſtehende
Armeen , Feſtungen , durch eine weiſe Subordination und
durch Zwang hinzu thut , iſt ſehr wichtig ; aber es iſt ſehr
unbedeutend gegen die uralte , durch die Beduͤrfniſſe langer
Jahrhunderte befeſtigte innere Bindung des Staats , durch ein
uͤber ſeine ganze Oberflaͤche hin gewachſenes Netz von Wechſel-
verpflichtungen und gegenſeitigen Verbuͤrgungen , zumahl ,
wenn dieſe Verpflichtungen uͤber das Eigenthum aller Eigen-
thume , uͤber die Erhaltung des Staates ſelbſt , oder doch uͤber
das Grundeigenthum , wie beydes in dem verrufenen Verhaͤlt-
niſſe des Lehnsherrn zum Vaſallen , und in dem Verhaͤltniß
des Grundherrn zu ſeinem pflichtigen Bauer der Fall iſt ,
eingegangen worden ſind . Es bedarf ein Jahrhundert , um
ſolche feudaliſtiſche Bande zu zerſtoͤren , und den darauf ge-
gruͤndeten eigentlichen Freyſtaat zu unterjochen ; eine kurze
Zeit gehoͤrt hingegen dazu , um die in dem Roͤmiſchen
Zwangsſtaat ſchon hinreichend iſolirten Privateigenthuͤmer
vollends aus einander zu ſetzen , oder zu ſprengen . —
Auch ich weiß es und erkenne es an , daß in unſern Tagen
an unzaͤhligen Stellen die feudaliſtiſchen Bande druͤcken , wie
eiſerne Roͤmiſche : aber die feudaliſtiſchen Eigenthuͤmer , die den
Fluch der Zeit theilen , die den Glauben brechen , dem ſie ihr
Eigenthum verdanken , die ihre Vaſallen und Dienſtleute und
das Grundſtuͤck dazu , wie Roͤmiſches Privateigenthum behan-
deln , die von keiner Gegenſeitigkeit , ſondern nur von Roͤmi-
ſcher Einſeitigkeit des Beſitzes wiſſen , beweiſen nichts , als
was wir ſo oft erfahren , daß das Herrlichſte durch den Miß-
brauch zum Verworfenſten , und das Beſte in der Entartung
zum Schlechteſten wird . Wiſſenſchaft und Geſetzgebung muͤſ-
ſen um ſo feſter an den gemißbrauchten Inſtitutionen halten ,
das verblendete Geſchlecht uͤber den alten Geiſt derſelben er-
leuchten ; zeigen , daß alle Rettung und alle Zukunft davon
abhaͤngt ihn zu behaupten ; thaͤtig angreifen , um ihn zuruͤck
zu fuͤhren , und die unmittelbaren Spuren die er hinterlaſſen ,
aufrecht erhalten , wo ſie ſich vorfinden moͤgen , bis , wie es
in einem Europaͤiſchen Lande der Fall iſt , der Geiſt der
Wechſelverbuͤrgung ſich in alle geheimſten Adern des Staates
verfloͤßt hat , und dann die aͤußeren urſpruͤnglichen Formen
dieſes Geiſtes weniger nothwendig ſind .
Wenn wir nunmehr die oͤkonomiſchen Angelegenheiten der
Voͤlker naͤher ins Auge faſſen , ſo ergibt ſich , daß nur der
kleinſte Theil aller oͤkonomiſchen Geſchaͤfte privative und mit
iſolirten Kraͤften getrieben werden koͤnne . Die Meiſter der
oͤkonomiſchen Schulen haben uns ſelbſt von dem ungeheuren
Wachsthum der Wirkung unterrichtet , die durch Theilung
der Arbeit , das heißt : durch die Verbindung mehrerer zu
einem Geſchaͤfte erreicht werden kann : ferner iſt , wie allge-
mein bekannt , auch die Europaͤiſche Oekonomie dahin gedie-
hen , daß alle fuͤr den Einzelnen , der Einzelne fuͤr alle ar-
beitet , das heißt : daß alle ſich fuͤr das Geſchaͤft der oͤkonomi-
ſchen Verſorgung des Einzelnen verbinden muͤſſen , und , wenn
der Einzelne ſein beſonderes Geſchaͤft ſoll mit Erfolg treiben
koͤnnen , ſich auch die Beduͤrfniſſe aller auf dem Markte
vereinigen muͤſſen .
Dieſe Vereinigung vieler Producenten fuͤr die Befriedi-
gung eines einzelnen Beduͤrfniſſes , und vieler Beduͤrfenden
um den Productionen eines einzelnen Producenten zu genuͤ-
gen , iſt freylich nur eine ganz mechaniſche Vereinigung , und
auf dem erſten Blick ſcheint ſie auf dem bloßen Privateigen-
thum zu beruhen . Der einzelne Arbeiter traͤgt das Privat-
eigenthum ſeiner mehrſtuͤndigen Kraft taͤglich in die Manu-
factur , und erhaͤlt dafuͤr ein gleichgeltendes Privateigenthum
an Tag- oder Wochenlohn zuruͤck : er bleibt in allen dem ,
was er außer dem Privateigenthum ſeiner Kraft noch hat oder
iſt , unbeſchraͤnkter Gebieter uͤber ſeine eigene Perſon . Eben
ſo der Unternehmer der Manufactur , ohne ſich zu einer wei-
teren perſoͤnlichen Sorge fuͤr ſeinen Arbeiter in Faͤllen von
Krankheit , Ungluͤck , Alter zu verpflichten , gibt das Privat-
eigenthum ſeiner Vorſchuͤſſe , Auslagen , Abloͤhnungen fuͤr das
andere Privateigenthum des fabricirten Productes hin . Kurz
wir ſehen nur Tauſche des Privateigenthums gegen einander :
die Perſoͤnlichkeit der Tauſchenden bleibt faſt ganz außer dem
Spiel , außer der Verpflichtung .
Eben ſo , ohne weitere perſoͤnliche Verbindung der Kaͤu-
fer , verſammelt der Kaufmann die verſchiedenartig Be-
duͤrfenden ( wie der Fabrikant die verſchiedenartig Arbeitenden )
vertheilt unter ihnen das Privateigenthum der verſchiedenen
Waaren , und erhaͤlt dafuͤr von ihnen das , der verſchiedenen
Preiſe , Auslagen , Unkoſten , Zinſen ꝛc. ohne daß weiter
irgend eine perſoͤnliche Verpflichtung entſtuͤnde . — Es ſollte
alſo ſcheinen , es ſey im ganzen Gebiete der ſtaͤdtiſchen Ge-
werbe und Manufactur von nichts als Privateigenthum die
Rede , und hier koͤnne alle weitere perſoͤnliche Gemeinſchaft
mit Beziehung auf die Sachen entbehrt werden ?
Aber ſo iſt es nicht : das ganze Geheimniß ſteckt im Gelde .
Im Gelde , in einer allgemein guͤltigen , jedem annehmlichen
Waare verbirgt ſich die geſammte Perſoͤnlichkeit , verbirgt
ſich das perſoͤnliche Band , welches dieſe Arbeiter und dieſe
Beduͤrfenden unter einander verknuͤpfte . Der beſte Beweis ,
daß nur das Geld ſie verbunden hat , iſt , daß das Band zer-
reißt , ſo bald das Geld fehlt , daß der Arbeiter alsbald ſei-
nen Principal , der Kaufmann ſeinen Kunden fahren laͤßt —
oder , daß unmittelbar eine perſoͤnliche Verpflichtung an
die Stelle des Geldes tritt : ein Wort , ein Wechſel , eine
Schuld — woraus unmittelbar folgt , daß das Band der
Manufactur und des Marktes , eigentlich ein perſoͤnliches iſt ,
wie auch das Geld , welches nur circulirend , von einem zum
andern uͤbergehend , und zwiſchen zwey Perſonen vermittelnd
zu denken iſt , niemahls ein Gegenſtand des unbedingten Privat-
eigenthums ſeyn kann . — So offenbart ſich dann die un-
gluͤckliche Richtung aller unſerer Arbeit auf das Privateigen-
thum , und die Reaction des verſaͤumten Feod auf das Allod ,
theils in den Stockungen des Marktes der Arbeit und der
Waaren , theils in dem ſteigenden Schuldenweſen des Staats
und der Privaten . —
Adam Smith geſteht ein , daß die Theilung der Arbeit
ohne Dazwiſchenkunft des Geldes nicht vollfuͤhrt werden koͤn-
ne : ſehr wahr , wegen der Unendlichkeit von Crediten , die
zugeſtanden werden muͤſſen . Aber die Sache liegt noch etwas
tiefer : durch die Theilung der Arbeit entſtehen verfeinerte
Gegenſtaͤnde des Privateigenthums ; aber in den Anfaͤngen
der buͤrgerlichen Geſellſchaft gibt es , wie ſchon oben bemerkt ,
Theoret. Theil C
meiſtentheils nur Feod , nur perſoͤnliche Verpflichtungen der
Menſchen mit Beziehung auf Sachen : die Arbeit theilt ſich
auch nicht , weil niemand des Produktes dieſer getheilten Ar-
beit bedarf . So bald ſich aber aus und neben dem Feod ein
Allod entwickelt hat , das heißt : aus und neben dem Ge-
meindeeigenthum ein Privateigenthum , eben ſo bald iſt auch
ein Beduͤrfniß da , das Gemeindeeigenthum in das Privat-
eigenthum umzuſetzen und umgekehrt . Dieſer Umſatz geſchieht
entweder vermittelſt eines perſoͤnlichen Mittels : des
Wortes oder des Credits , das heißt : vermittelſt des perſoͤn-
lichen Glaubens oder der perſoͤnlichen Allgemeinguͤltigkeit , die
ſich ein Menſch zu verſchaffen gewußt — oder vermittelſt eines
ſaͤchlichen Mittels : einer allgemein guͤltigen Waare .
Dieſes Mittel , es ſey perſoͤnlicher oder ſaͤchlicher Natur , oder
beydes , welches man mit dem alle dieſe verſchiedenen Natu-
ren umfaſſenden Nahmen : Geld belegt , iſt im Grunde nur
ein Subſtitut des Staates oder der buͤrgerlichen Geſellſchaft
ſelbſt . Etwas in gewiſſem Sinne Allgegenwaͤrtiges ſagt fuͤr
unſere kuͤnftigen Beduͤrfniſſe , fuͤr die nicht gerade zur Stelle
anweſenden Waaren , die wir brauchen , gut : wer kann dieß
anders , als der an allen Orten innerhalb ſeines Bezirks ,
und bey allen Geſchlechtern innerhalb ſeiner Zeitdauer , gegen-
waͤrtige Staat .
Die Macht der Waare , die um des Beyeinanderſeyns
Willen mit Allen von Allen geſucht wird , die Macht des
Wortes oder des Glaubens , worin ſich viele oder alle Mit-
glieder der buͤrgerlichen Geſellſchaft vereinigen : beyde Maͤchte
ſind nur Offenbarungen des Beduͤrfniſſes aller bey einander
zu ſeyn , oder ſich doch ohne Ende auf perſoͤnlichem oder
ſaͤchlichem Wege zu beruͤhren ; alſo der Geſellſchaft , alſo des
Staates . Das Geld demnach , wo es erſcheint , und wie es
erſcheint , ob als Wort oder als Metall iſt nur Geld , in wie
fern es kein Privateigenthum , ſondern in wie fern es wie der
Staat ſelbſt , Gemeindeeigenthum moͤglichſt vieler , ja aller iſt .
Denn noch einmahl : nur im Moment des Umſatzes oder der
Circulation ſind die Subſtanzen des Geldes wirklich Geld :
und in dieſem Moment ſind ſie Feod . —
Mehrerley bisher verbundene Arbeit kann ſich alſo nur
theilen , in wie fern Privateigenthum moͤglich iſt , aber Pri-
vateigenthum iſt nur moͤglich , in wie fern der Staat ſelbſt ,
oder das Beduͤrfniß der perſoͤnlichen und ſaͤchlichen Gemein-
ſchaft ſchon maͤchtig genug iſt , um die verſchiedenen Gegen-
ſtaͤnde desſelben perſoͤnlich , in der Geſtalt des Geldes unter
einander zu vermitteln . — So wuͤrde ich die Vorſtellung des
Adam Smith von dem Verhaͤltniß des Geldes zur Theilung
der Arbeit periphraſiren .
Zugleich haͤtten wir nunmehr gezeigt , daß die drey gleich
nothwendigen Formen des Eigenthums , Privateigenthum
( Allod ) Gemeindeeigenthum ( Feod ) und das beyde umfaſſende
Staatseigenthum , ſich nothwendig aus einander oͤkonomiſch
entwickeln , und einander fortgehend bedingen ; ferner , daß es
eine bloße Taͤuſchung ſey , wenn man waͤhnt , daß irgend ein
oͤkonomiſches Geſchaͤft , zum Beyſpiel : das ſtaͤdtiſche Ge-
werbe , auf einer Baſis von bloßem und abſolutem Privateigen-
thume vor ſich gehen koͤnne ; endlich , daß , wenn man bey
ſolchem Gewerbe , verfuͤhrt durch den Umſtand , daß das Geld
C 2
auch eine Waare , und , wenn es ruht , Gegenſtand des
Privateigenthums iſt , allen perſoͤnlichen und feudalen Ver-
pflichtungen ausweicht , und ſich bloß auf das abſolute Pri-
vateigenthum ſtuͤtzt , wie es zum Beyſpiel geſchieht , wenn
man in unſeren Theorien das Manufacturſyſtem durchaus an
die Stelle des Zunft- und Innungsſyſtems ſetzt — dieſes Ge-
werbe in ein allgemeines Schuldenweſen , und in die Brot-
loſigkeit der Arbeiter ausgehen , alſo verderben muͤſſe .
Jedermann wird mir nach dieſen Betrachtungen einraͤu-
men , daß , wenn alles feudaliſtiſche Weſen aufgehoben waͤre ,
auch das prahleriſche Syſtem unſerer Induſtrie nothwendig
zuſammenſinken muͤßte . Schon in dem gegenwaͤrtigen Zu-
ſtand der Dinge , wo doch noch die meiſten unſerer buͤrger-
lichen Einrichtungen im Zuſammenhange mit ihrer feudaliſti-
ſchen Quelle ſtehen , und eigentlich erſt in wenigen einzelnen
Faͤllen die alten perſoͤnlichen Verpflichtungen in Geldpraͤſta-
tionen und privatrechtliches Eigenthum verwandelt worden ,
iſt ein viel druͤckenderes perſoͤnliches Verhaͤltniß an die Stelle
der aufgehobenen getreten : das Staats- und Privatſchulden-
weſen . Keine Dienſtpflichtigkeit der Welt , weder des Vaſallen
gegen ſeinen Lehnherrn , noch des Unterthanen gegen ſeinen
Grundherrn , noch des Geſellen gegen ſeinen Meiſter u. ſ. f.
wie dieſe Dienſtverhaͤltniſſe auch von dem alten Charakter der
Gegenſeitigkeit abgefallen ſeyn mochten , iſt wohl an inner-
licher Schmach und Demuͤthigung mit dem Verhaͤltniß des
Schuldners gegen ſeinen Glaͤubiger zu vergleichen : und ſo iſt
die Welt auf der einen Seite dem Druck natuͤrlicher Ver-
pflichtungen entlaufen , um ſich auf der andern Seite nur deſto
tiefer in ein ganzes Netz ſolcher Verpflichtungen kuͤnſtlich zu
verſtricken .
Die Macht des Geldes liegt darin , daß es zwiſchen dem
Privateigenthum und dem perſoͤnlichen Verhaͤltniſſe ( zwiſchen
Sachen und Perſonen ) zu vermitteln im Stande iſt : je leb-
hafter die Wechſelwirkung zwiſchen dieſen beyden gleich noth-
wendigen Elementen alles Verkehrs iſt , um ſo mehr hat das
Geld zu vermitteln , und um ſo leichter geht dieſe Function des
Geldes von ſtatten . So bald aber die Zeit , in ungluͤcklicher
Verblendung , gegen eines dieſer beyden Elemente des politi-
ſchen Lebens zu wuͤthen anfaͤngt , und es ihr , ſelbiges zwar
nicht zu vertilgen , doch zu ſchwaͤchen gelingt , ſo laͤßt die
Wechſelwirkung , alſo die Gewalt des Geldes nothwendig nach :
das Privateigenthum , die Waaren , die Sachen , fangen einer-
ſeits an ſich zu haͤufen , und die Arbeiten theilen ſich im
Wege des Privatrechts ins Unendliche ; aber da andererſeits
die perſoͤnliche Kraft unterdruͤckt , und die große Wechſelge-
meinſchaft unter den Perſonen und Sachen aufgehoben wird ,
durch die , wie oben erwieſen , erſt die Theilung der Arbeit
raͤthlich und moͤglich wird , ſo muß der Markt in ſeinen
Waaren erſticken , die getheilte Arbeit an allen Enden uͤber-
fluͤſſig werden , unzaͤhlige Contrakte muͤſſen unſaldirt bleiben ,
Schulden ſich uͤber Schulden haͤufen , und das Geld in ſei-
nem Werthe mehr und mehr ſinken ( oder die Theurung zu-
nehmen , wie man ſich im gemeinen Leben ausdruͤckt ) ſchon
weil die Perſoͤnlichkeit im Gelde , der ſich darin offenbarende
Staat nicht mehr , und weil es nur als eine Waare unter
vielen Waaren geachtet wird .
Anſtatt des natuͤrlichen Glaubens an die Kraft der buͤr-
gerlichen Geſellſchaft im Ganzen , und an die Dauer aller
der einzelnen perſoͤnlichen Wechſelverpflichtungen , auf denen ſie
beruht , haͤtten wir nunmehr unſer kuͤnſtliches Creditweſen ,
das ſich nur auf die alberne Hoffnung moͤglicher , kuͤnftiger ,
beſſerer Zeiten , und auf nichts Gedenkbares anderes ſtuͤtzt .
Die Zahlungsunfaͤhigkeit muß weiter um ſich greifen , in
dem Maaße , wie die Macht des Geldes abnimmt ; die Macht
des Geldes muß nachlaſſen , in dem Maaße als die Wechſel-
wirkung der politiſchen Elemente durch die Unterdruͤckung
eines dieſer Elemente , nachlaͤßt ; denn der Staat iſt dieſe
Wechſelwirkung und die ganze Macht des Geldes von ihm
abgeleitet .
Die Raſerey , die auch das Grundeigenthum im Allge-
meinen zum Gegenſtande des abſoluten Privateigenthum ma-
chen will , und alle perſoͤnlichen daraus erwachſenen Wech-
ſelverpflichtungen abzuſtreifen unternimmt , habe ich bereits
an einem anderen Orte in ihr gehoͤriges Licht geſtellt . Die
Familie endlich , ſollte man glauben , waͤre doch eine Zuflucht
fuͤr den Feudalismus , aus der er von keiner Macht der Erde
verdraͤngt werden koͤnnte ; mit Beziehung auf die Familien-
glieder muͤſſe das Gemeineigenthum und ein perſoͤnliches Wech-
ſelverhaͤltniß aufrecht erhalten werden , wenn auch in allen
andern Ruͤckſichten das Privateigenthum die Oberhand be-
hielte . Sicherlich iſt die chriſtliche Vorſtellung von der Ehe
eine Hauptquelle des Feudalismus , und ihre Natuͤrlichkeit
und Unzerſtoͤrbarkeit die ſicherſte Buͤrgſchaft fuͤr die Fortdauer
desſelben . Aber auch hier hat die moderne Theorie der
Geſetzgebung ſchon privatiſirt und das Intereſſe iſolirt , wo
ſie gekonnt hat : die Erfolgloſigkeit dieſer Verſuche leuchtet
nicht deutlicher ein , als wenn man ſich mit den unendlichen
Schwierigkeiten der Geſindepolizey unſerer Zeit naͤher bekannt
macht .
Viertes Kapitel .
Die Ehe und die Familie , als Schema aller
Haushaltung .
D ie Vorſtellungen , welche von der Theilung und Privati-
ſirung aller oͤkonomiſchen Geſchaͤfte dermahlen in Umlauf ſind ,
ſtehen mit der Realitaͤt dieſer Functionen in einem ſchneidenden
Widerſpruch . Ich habe bereits in meinen Elementen der
Staatskunſt gezeigt , daß die weſentliche Bedingung aller
Produktion in der Wechſelwirkung zweyer Kraͤfte liege : Werk-
zeug und Material , die Kraft des Bodens und der Arbeit
muͤſſen in ein Verhaͤltniß lebhafter Gegenſeitigkeit treten ,
wenn ein Produkt erfolgen ſoll , und der Prozeß der Erzeu-
gung des Menſchen iſt das einzige vollſtaͤndige und allumfaſ-
ſende Schema jeder gedenkbaren Produktion . Aber ſolche ent-
gegengeſetzte Kraͤfte muͤſſen in eine dauerhafte und gewiſſer-
maßen ausſchließende Wechſelverbindung treten , wenn die
Produktion einen gewiſſen Grad der Vollkommenheit erreichen
ſoll : auch von dieſer Seite iſt die Ehe nach chriſtlichen Vor-
ſtellungen das genuͤgendſte Schema fuͤr alle oͤkonomiſchen
Zuſtaͤnde und Functionen . Hierin wenigſtens wird uns die
Induſtrie-Philoſophie unſerer Zeit beypflichten : auch ſie ver-
langt , daß ſich der Producent auf eine beſtimmte oͤkonomiſche
Function ausſchließlich und fuͤr die Dauer beſchraͤnke , oder in
einer Art von Monogamie mit ſeinem Gewerbe lebe .
Erwaͤgen wir aber , daß das Weſen der Ehe nicht in dem
mechaniſchen Beyeinanderſeyn und Aneinanderhalten beruhe ,
daß vielmehr beyde verbundene Kraͤfte entgegengeſetzter Art
ſich lebendig durchdringen , beyde , die Eine hoͤhere Kraft ,
die ſie durch ihre Wechſeldurchdringung formiren , gruͤndlich
empfinden muͤſſen , wenn etwas Menſchliches nicht bloß pro-
ducirt , aber auch ausgebildet werden ſoll , ſo ergibt ſich ,
daß die bloß mechaniſche oder thieriſche Vereinigung , der
mechaniſch oder thieriſch getheilten Kraͤfte zur Vollſtaͤndigkeit
des Produkts keineswegs hinreiche . Es kommt naͤhmlich dar-
auf an , daß das Produkt auch ſelbſt wieder eine dauer-
hafte und fruchtbare Verbindung ( eine Ehe ) ſchließen koͤnne ;
kurz es koͤmmt darauf an , etwas Produktives zu produ-
ciren . —
Die geſammten Functionen , aus welchen die Haushal-
tung eines Staates beſteht , muͤſſen allerdings getheilt wer-
den , und in gewiſſem Sinne ohne Ende getheilt werden ;
aber es iſt weſentlich nothwendig , daß ſie alle in einer eben
ſo unendlichen Wechſelverbindung bleiben . Dieſer unendliche
Zuſammenhang aller oͤkonomiſchen Functionen , dieſe Durch-
drungenheit Aller von Allen , iſt dasjenige , was wir die
Haushaltung des Staats nennen . Wenn die Theilung der
Kraͤfte zunimmt , muß die Macht der Vereinigung gleichfoͤr-
mig wachſen , und da keine Sache , wie allgemein beliebt ſie
auch ſey , da nur die Lebenskraft , da nur der Geiſt dieſe
Vereinigung vollziehen kann , dieſe Lebenskraft des Geiſtes
aber nur in der Fuͤlle der menſchlichen Perſoͤnlichkeit zu finden
iſt , ſo kann die Theilung der Kraͤfte nur fortſchreiten , in
wie fern die Perſoͤnlichkeit des Menſchen , und alle die
lebendigen feudaliſtiſchen Verbindungen , von denen ſie ſich
naͤhrt , immer deutlicher und kraͤftiger heraustreten . So weit
war unſere Darſtellung ſchon im vorigen Kapitel gelangt .
Die richtige , von keiner vorwitzigen Theorie geſtoͤrte An-
ſicht unſerer Vorfahren von der weſentlichen Geſtalt des
politiſchen Lebens zeigt ſich insbeſondere noch darin , daß ſie
unter aller Theilung der buͤrgerlichen Gewerbe fuͤr eine kraͤf-
tige Vereinigung derſelben allenthalben ſorgten . Die Kuͤnſte ,
die Wiſſenſchaften ſonderten ſich von einander ab , aber nur
in wie fern ſie ſich in eine deſto engere Corporation zunft-
maͤßig verbanden . Je mehr ſich die Functionen eines buͤrger-
lichen Geſchaͤftes unter verſchiedene Haͤnde vertheilten , um ſo
kraͤftiger griff der Meiſter die zertrennten Faͤden wieder in ein
Ganzes zuſammen ; aber er ſelbſt , der Meiſter ſtand wieder
als Geſelle , als einzelner Arbeiter in dem Koͤrper der Zunft ;
die einzelne Zunft lebte wieder in einer Art von Ehe mit
der Corporation der buͤrgerlichen Gewerbe ; das buͤrgerliche
Gewerbe ſtrebte wieder nach einer Wechſeldurchdringung mit
dem laͤndlichen Geſchaͤft , welches der Adel repraͤſentirte , und ,
wenn auch dieſes hoͤchſte Verhaͤltniß der oͤkonomiſchen Gegen-
ſeitigkeit im Staate , nirgends ganz und vollkommen erreicht
wurde , ſo finden wir doch alle oͤkonomiſchen Functionen in
einer entſchiedenen Richtung dahin begriffen .
So nun iſt es auch in der ewigen Natur der Dinge be-
gruͤndet : wie jeder einzelne Arbeiter im Kleinen ſeine Arbeit
und ſein Material durch fortgeſetzte Kunſtuͤbung zu einer
immer innigeren Durchbringung bringt , damit ſie ſtreitend
und nachgebend , ſowohl durch ihre Trennung als durch ihre
Vereinigung , mit einander ein wahrhaftes und durch ſeine
Lebendigkeit anſprechendes Produkt erzeugen , ſo im Großen
iſt der Staat ſelbſt der Meiſter , welcher das ſtaͤdtiſche Ge-
ſchaͤft und das laͤndliche im Ganzen , ſeine Arbeit und ſein
Material in eine ewige unendliche produktive Wechſelwirkung
bringt , die gleichfalls von der Ehe ihr hoͤchſtes und vollkom-
menſtes Schema erhalten wird .
Wie nun die geheimſten Fugen des ganzen Staatsver-
bandes in der Ehe liegen ; wie die geſetzliche und ſittliche
Behandlung der Ehe das ſicherſte Kennzeichen von der tuͤch-
tigen Ausbildung aller geſellſchaftlichen Verhaͤltniſſe eines
gegebenen Staates darbiethet ; wie der Hausvater , der
Meiſter der Familie , auf der einen Seite die ganze Fami-
lienvereinigung , die ganze Ehe repraͤſentirt , und auf der
anderen Seite wieder als Glied einer hoͤheren Familie , als
dienender Ehegatte in einer hoͤheren Ehe mit dem Allgemei-
nen , mit dem Staate lebt ; und wie alle Perſonen im Staate
durch eine wunderbar verſchraͤnkte Gegenſeitigkeit ihr beſon-
deres Hausweſen herrſchend repraͤſentiren , waͤhrend ſie wie-
der dem andern groͤßeren Hausweſen als dienende Glieder
unterworfen ſind — ſo coordiniren ſich auch wieder alle Ge-
ſchaͤfte im Umkreiſe des Staates ( ja das geſammte Staats-
geſchaͤft ſelbſt nicht ausgeſchloſſen ) in wie fern ſie ſich ſubor-
diniren , und eben ſo wird man ſie auch nie fuͤr den Zweck
einer gemeinſchaftlichen Wirkung ſubordiniren koͤnnen ( worin
ja das ganze Problem der Staatskunſt liegt ) ohne ſie einan-
der nach dem Geſetz einer innerlichen Gegenſeitigkeit , deren
einzig richtiges Schema die Ehe darbiethet , wieder zu
coordiniren . Darin daß man , ſtatt dieſes reineren Schema ,
das der vaͤterlichen Gewalt aus dem Roͤmiſchen Rechte ent-
nommen , mit andern Worten , darin , daß man die Subor-
dination durch die Subordination hat erreichen wollen , waͤh-
rend ſie nur durch die Coordination bewirkt und garantirt
werden kann , darin liegen alle Irrthuͤmer , alles Umher-
ſchweifen der heutigen Staatskunſt .
Die Wahrheit des Grundſatzes , den wir am Schluſſe des
erſten Kapitels aufſtellten , daß es naͤhmlich der Staatswirth
insbeſondere mit Verhaͤltniſſen zu thun habe , und , daß eine
unbefangene , gerechte Wuͤrdigung derſelben die Bedingung
aller weitern oͤkonomiſchen Einſicht und Thaͤtigkeit ſey , wird
nunmehr heller einleuchten , nachdem gezeigt worden , daß
jedes oͤkonomiſche Geſchaͤft aus einem Verhaͤltniß zweyer wech-
ſelwirkenden Elemente beſtehe , ferner , daß ſaͤmmtliche oͤkono-
miſche Geſchaͤfte wieder in ſolchem Verhaͤltniſſe zu einander
ſtehen , und , daß die Staatshaushaltung im Ganzen alle
dieſe nach der Ordnung der Familien lebendig zuſammengrei-
fende Wechſelwirkungen , die ſich zuletzt in das große einfache
Verhaͤltniß der ſtaͤdtiſchen und laͤndlichen Wirthſchaft auf-
loͤſen , umfaſſe .
Alle dieſe Verhaͤltniſſe erfordern , wenn ſie produktiv ſeyn
ſollen , einen gewiſſen Grad der Dauerhaftigkeit ; je mehr
Kraͤfte zuſammengreifen , um ſo mehr brauchen ſie Zeit ſich
unter einander zu fuͤgen , und im Zuſammenhange zu ent-
wickeln ; je dauerhafter das Produkt ſeyn ſoll , um ſo ſicherer
und beſtaͤndiger muß die Verbindung , die Ehe ſeyn , aus der
es hervorgeht . So nun ſchließt ſich das vergaͤnglichere an
das bleibendere Verhaͤltniß , und dieſes wieder an die ewi-
ge Wechſelwirkung des laͤndlichen und ſtaͤdtiſchen Gewerbes ,
alles verwebt ſich in einander und verbuͤrgt einander ſeine
Dauer , ſo wie die große Ehe des Staates alle die kleineren
Ehen im Staate traͤgt , und von ihnen getragen wird ;
und dieſe Wechſelverbuͤrgung aller Geſchaͤfte mit einander
und aller Perſonen mit einander verwaͤchſt im Laufe der
Jahrhunderte in ſich und mit dem Boden , der ſie alle traͤgt .
Die ſo entſtandene Bindung iſt die Baſis aller politiſchen
Macht .
Man ſieht nunmehr was man von den oͤkonomiſchen Leh-
ren zu halten hat , die unter Nationalreichthum nicht mehr
meinen , als den Inbegriff einer Fuͤlle von Objecten des Pri-
vateigenthums . Setzen wir den Fall , die Maſſe dieſer Objecte
vermehrte ſich uͤber die in unſerem Staate obwaltenden Ver-
haͤltniſſe hinaus , und wir vernachlaͤßigten uͤber das Streben
nach den Sachen die perſoͤnliche Kraft , ja wir zerſtoͤrten ,
um vorgeblich den einzelnen Privatarbeitern fuͤr ihre iſolirten
Arbeiten Luft zu verſchaffen , alle die unzaͤhligen Wechſelver-
pflichtungen , unter deren vereinigten Schutz und Schirm ,
und durch deren Gegengewicht die Abſonderung und Iſolirung
unzaͤhliger oͤkonomiſcher Functionen erſt moͤglich geworden —
ſo wird uns vielleicht anfaͤnglich der Welthandel taͤuſchen ,
wir werden uns einſtweilen mit dem Ueberfluſſe unſerer Pro-
duktion an die Perſoͤnlichkeit der Nachbarſtaaten anſchließen ,
und ein Schein uͤppigen Fortſchreitens wird uns eine Zeit
lang blenden ; aber die Schwankungen des Welthandels ,
die ewigen Wechſel der aͤußeren politiſchen Verhaͤltniſſe
werden uns bald belehren , daß wir mehr verloren als
gewonnen , daß wir nie ein Gut eintauſchen koͤnnen , wel-
ches uns fuͤr den Verluſt unſeres inneren Gleichgewichts
entſchaͤdige .
Je gewinnreicher unſer Handel iſt , je mehr und je viel-
faͤltigere Gegenſtaͤnde des Privateigenthums wir uns dadurch
aneignen , um ſo unſicherer und augenblicklicher wird unſer
Beſitz , weil er immer mehr außer Verhaͤltniß tritt , zu der
Perſoͤnlichkeit die ihn traͤgt . Der active Sechandel allein
hat die gluͤckliche Eigenſchaft , daß dort die Gefahren des
Elements den Lebensmuth um ſo viel ſteigern , als die Pri-
vatgenuͤſſe die er verſchafft , ihn ſchwaͤchen wuͤrden . Auch
liegt England ganz außer dem Umkreiſe unſerer Betrachtung ,
wenn nicht gerade die ungeheure tauſendjaͤhrige unverletzte ,
alle Inſtitutionen und Geſetze , ja alle einzelne Buͤrger durch-
dringende Perſoͤnlichkeit ſeiner Verfaſſung , mit deren Huͤlfe
es die Laſt des Welthandels auf leichten Schultern traͤgt ,
das lehrreichſte Beyſpiel fuͤr die Wahrheit unſers Syſtems
darboͤthe , wenn nicht gerade die politiſchen Verhaͤlt-
niſſe ausgebildeter , und die Wechſelwirkung nach allen
Richtungen der menſchlichen Thaͤtigkeit hin lebendiger waͤre
in England , als irgend wo ſonſt . —
Aber alle dieſe Theorien haben die Vorſtellung deſſen ,
was dem Staate ſeine Haltung gibt , ſo ganz verloren , daß
ſie dem großen Waarenlager ihres Staates nur noch ein
großes Comptoir fuͤr den Welthandel hinzuzufuͤgen brauchen ,
um ihr ganzes Geſchaͤft zu vollenden . Freylich kann das große
Waarenlager die kleinen , das große Comptoir die kleinen ,
die es umſchließt , weder beſchuͤtzen noch verbuͤrgen . Dieſe
Sorge wird den Gerichtshoͤfen , wird der Polizey , und zu-
mahl den Armeen zugewieſen . Die militaͤriſche Macht insbe-
ſondere ſoll dann dieſes ſchwankende , zerriſſene , ſich nach außen
hinausſehnende , nach innen unbefeſtigte , fliegende , vergaͤngliche
Weſen vertheidigen , nachdem der Stoff , welcher das Heer
bildet , ſelbſt entartet , von allen maͤnnlichen Gefuͤhlen abge-
wendet , in wucheriſchen Friedensfaulheiten erzogen worden ,
und kein hoͤherer Antrieb in den Herzen zuruͤck geblieben ,
als die kluͤgelnde Begeiſterung , welche Waarenlager und
Comptoirs einfloͤßen koͤnnen .
Entwoͤhnt euch zufoͤrderſt , den Reichthum nach bloßen
Maſſen und Summen und Zahlen zu ſchaͤtzen ! Erwaͤgt wie
unendlich gerecht ſich dieſe Maſſen vertheilen muͤſſen , damit
jeder Einzelne zu rechter Stunde , an ſeinem Ort , ſo viel
und von der Art hat als er braucht ! Erwaͤgt , daß ſchon die
gerechte Vertheilung , und um wie viel mehr , was wir erwie-
ſen , der weiſe Erwerb dieſes Nationalreichthums unzaͤhlige
perſoͤnliche und kriegeriſche Kraͤfte in Anſpruch nimmt ;
wie unzaͤhlige perſoͤnliche Verhaͤltniſſe ſich fuͤgen und ordnen ,
wie die Jahrhunderte ſtill mitwirken mußten , damit das
Fundament von Ruhe und Macht ſich aufbauen konnte , wor-
auf ihr jetzt in euren merkantiliſchen Traͤumen gefuͤhllos ſchwaͤr-
met , und das ihr aufreißen moͤchtet , um Raum fuͤr neue
Vorraͤthe zu gewinnen ! —
Fuͤnftes Kapitel .
Die Oekonomie in der Bewegung betrachtet .
W er uͤber die Oekonomie eines Staates zu reden , oder auf
ſie zu wirken unternimmt , der muß die vielfaͤltigen oͤkonomi-
ſchen Gebiete und Geſchaͤfte im Umkreiſe dieſes Staates wie
mit einem Blicke umfaſſen . Kaͤme es bloß auf den iſolirten
Werth und die abgeſonderte Bedeutung jedes Einzelnen von
ihnen an , ſo waͤre kein Bild davon aufzufaſſen , ſondern
hoͤchſtens eine ſummariſche Recapitalation des Ganzen in
Zahlen feſt zu halten : es wuͤrde ſich bey der ganzen Opera-
tion eigentlich nichts Hoͤheres ergeben , als ein mehr oder
weniger , ein Hinzufuͤgen , ein Erweitern ; kurz , ein Plus-
machen waͤre das ganze Object der finanziellen Wirkſamkeit .
So bald aber die Verhaͤltniſſe der Dinge unter einander
betrachtet werden , und dieſe Verhaͤltniſſe ſich gleichfalls unter
einander wieder zu groͤßeren Verhaͤltniſſen gruppiren und
fuͤgen , gliederweis ſich wie die Organe des menſchlichen Koͤr-
pers vor den Augen des Zeichners ordnen , und ſich zuletzt
eine unendliche Symmetrie , ein gluͤckliches Gleichgewicht in
allen Theilen offenbart , dann iſt ein deutliches Bild des Gan-
zen moͤglich , ein Bild , wo man mit den groͤßeren Umriſſen
zugleich alle die unzaͤhligen Organe wahrnimmt , aus denen
ſie geformt werden .
Theoret. Theil D
So bald man ein ſolches umfaſſendes Bild von der Haus-
haltung eines Staates vor der Seele entworfen hat , ſo hat
man vieles gewonnen , aber das Schwerſte iſt noch zuruͤck :
um von dem Leben dieſes großen Koͤrpers Rechenſchaft geben ,
um das gymnaſtiſch und mediciniſch ihm Raͤthliche und Er-
ſprießliche zeigen zu koͤnnen , muß man ihn in der Bewegung ,
in vielerley Stellungen und Zuſtaͤnden geſehen haben . Seine
Organe , ſeine Muskeln , ſeine Umriſſe , werden noch eine viel
tiefere Bedeutung erhalten , wir werden noch ein ganz anderes
Bild vor unſerer Seele erhalten , wenn wir ihm im Laufe
durch lange Jahre gefolgt ſind . Dieß iſt ſo ſchwer als uner-
laͤßlich : die Geſchichte ſchweigt uͤber die oͤkonomiſchen Be-
wegungen der Voͤlker , oder gibt uns wenige , unzuſammen-
haͤngende Fragamente Fragmente . Was ſie indeß gibt , muß mit Gehor-
ſam und Hingebung gebraucht werden . Das Allerweſentlichſte
aber kann die Seele des Betrachters , aus ſich ſelbſt , aus
ihrer eigenen Haushaltung , aus der umgebenden Welt her-
nehmen , die beſonders in unſern Tagen oͤkonomiſche Revolu-
tionen von allen Formen und Farben darbiethet .
Es kommt alſo nicht bloß darauf an , die oͤkonomiſchen
Gebiete und Geſchaͤfte unſeres Staates in ihren wahren Ver-
haͤltniſſen , neben einander ſymmetriſch zu uͤberſehen ; wir
koͤnnen uns durch das Raͤumliche nicht zufrieden ſtellen
laſſen , ſondern wir muͤſſen , weil die oͤkonomiſchen Opera-
tionen Zeit brauchen , ſich zu entwickeln , weil es in der
Oekonomie vielfaͤltiges ſcheinbares Gleichgewicht gibt , deſſen
Weſenloſigkeit ſich nur im Fortgange der Zeit ausweiſt ,
kurz , weil die Dauer die Probe aller oͤkonomiſchen Werthe iſt ,
noch mehr die Zeit beachten ; wir muͤſſen das oͤkonomiſche
Leben in der Bewegung ſelbſt wahrnehmen .
Es waͤre ſchon viel gewonnen , wenn man den Gegen-
ſtand der Nationaloͤkonomie ſtatt des mißverſtaͤndlichen Wor-
tes Nationalreichthum , mit dem Worte Nationalberei-
cherung bezeichnete . Man ſucht den Stein der Weiſen oder
die Quadratur des Cirkels , ſo bald man in den Spekula-
tionen uͤber den Staat nach der vollſtaͤndigen abgeſchloſſenen
Einheit der Kraͤfte oder nach einem ein fuͤr allemahl voll-
zogenen ewigen Frieden ſtrebt : da doch einmahl von der
Vorſehung der irrdiſchen Dinge die Eigenſchaft der Bewe-
gung oder des Lebens in der Zeit gegeben iſt , ſo kann der
dieſen allgemeinen Geſetze folgende , ſich ſelbſt bewegende
Denker , wohl keine Befriedigung von irgend einem ſtillſte-
henden Zuſtande , wie vollkommen dieſer auch fuͤr den Augen-
blick ſey , erwarten . Die Vollkommenheit des Staats nun ,
die den Denker , den Buͤrger , den Staatsmann befriedigen
ſoll , muß ſich bewegen und wachſen , wie er ſelbſt ſich bewegt
und waͤchſt . Wir druͤcken uns alſo richtiger aus , wenn wir
ſagen : alles Leben und Denken fuͤr den Staat ſtrebt nach
ewiger Vereinigung der Kraͤfte , und nach ewiger Be-
friedigung der Verhaͤltniſſe . Der im Staate ewig ſich
erneuernde Zwieſpalt der Kraͤfte , die nothwendig immer wie-
derkehrende Zerruͤttung der Verhaͤltniſſe , deren wir nie
maͤchtig werden konnten , ſo lange wir den Frieden und die
Einheit handgreiflich erreichen wollten , werden nun eine
Bedingung der immer gruͤndlicheren Einheit , des immer inni-
geren Friedens ; ja ſie moͤgen zunehmen : unſere Kraft wird
D 2
wachſen mit der Laſt die ſie zu tragen hat . Ferner kommt
es im buͤrgerlichen Leben nicht ſowohl auf Gleichheit , als
auf die Moͤglichkeit einer unendlichen Ausgleichung , nicht
auf die Freyheit an ſich , ſondern vielmehr auf eine ewige
Befreyung , ein ununterbrochenes Freyerwerden an . Eben
ſo iſt es nicht ſowohl um das Recht ſelbſt , als um die ewige
Berichtigung und Rechtfertigung zu thun : das
abſolut fixirte Recht waͤre das hoͤchſte Unrecht ( summum jus ,
summa injuria ) der abſolut fixirte Friede wuͤrde unmittel-
bar zum abſoluten Kriege , die abſolut fixirte Einheit zum
abſoluten Chaos , und was aus den abſolut fixirten Begrif-
fen der Freyheit und der Gleichheit wird , hat die Welt
geſehen .
Alſo durch die Umwandlung in das Wort : Bereicherung ,
wollten wir dem Reichthum eine Seele einhauchen ; wir woll-
ten dieſem verfuͤhreriſch beſtimmten Worte , das eben durch
den Schein der Beſtimmtheit uns mit ſo ungluͤcklichen Er-
folgen bedroht , als einſt die allzubeſtimmten Begriffe der
Freyheit und Gleichheit nach ſich zogen , die Beweglichkeit
mittheilen , durch die es erſt recht beſtimmt wird . Das ge-
meine von den Irrthuͤmern der Zeit befangene Auge mag den
aufgeſtapelten Nationalreichthum Englands bewundern ; wir
halten nichts bewundernswuͤrdig , was ſich bloß in Zahlen
ausdruͤcken laͤßt ; auch verbuͤrgt dieſer Nationalreichthum der
Brittiſchen Nation ihre Exiſtenz fuͤr keinen einzigen Tag :
der ungluͤckliche Wahn dieſer calculatoriſchen Zeit , daß , wer
den letzten Thaler in der Taſche haben werde , den Sieg er-
ringen muͤſſe , iſt von den Weltereigniſſen gluͤcklich widerlegt ;
merkwuͤrdig aber und unendlich lehrreich finden wir , wie die
Nationalhaushaltung von Großbritannien ſich durch die ver-
ſchiedenartigſten und ſchrecklichſten Criſen hindurch gerettet ,
und wie ſie bis jetzt aus dem Zwieſpalt der Kraͤfte immer
einfacher , aus der Zerruͤttung der Verhaͤltniſſe immer befrie-
digter hervorgegangen iſt .
Wir betreten eine neue Bahn , oder vielmehr wir kehren
nach langer Verirrung auf die Bahn der Natur und der
Geſchichte zuruͤck , indem wir die erhabenen Gegenſtaͤnde der
Staatswiſſenſchaft nicht bloß ſo darſtellen , wie ſie ſind , ſon-
dern darauf dringen , daß allenthalben darauf geachtet werde ,
wie ſie es geworden ſind : das haben wir in einem fruͤheren
Werke genannt : ſie in der Bewegung , im Fluge , oder zu-
gleich mit dem Geſetze ihrer Bewegung auffaſſen ; die Dinge
allenthalben darſtellen , wie ſie in der Zeit ſind ; dazu gehoͤrt
nichts als ein bewegliches Auge , eine bewegliche Seele , ohne
die aber uͤberhaupt kein richtiges wiſſenſchaftliches oder prak-
tiſches Streben zu denken iſt . Das was wir verlangen , haben
große Staatsmaͤnner in ihrem Leben bewußtlos ausgeuͤbt ,
auch wohl Staatsgelehrte ſtellenweis , beſonders wo ſie von
der Gewalt des praktiſchen Gegenſtandes , den ſie behandel-
ten , gelegentlich uͤberkommen waren , bethaͤtigt . Die Har-
monie der Theorie und der Praxis in Staatsſachen kann auch
nicht hergeſtellt werden , als in wie fern die Beweglichkeit
des praktiſchen Lebens der Wiſſenſchaft mitgetheilt wird .
Wir wollen zuſammenhaͤngend und gruͤndlich wiſſen , wie die
inneren Staatsverhaͤltniſſe geworden ſind , damit wir anzu-
geben wiſſen mit einer hoͤheren Beſtimmtheit , was ſie fuͤr
die Dauer ſind , und was ſie weiter werden koͤnnen und ſollen .
Man verwechsle mit meiner Forderung nicht die gewoͤhnliche
Vorſchrift , daß ſich der Staatsgelehrte an die Geſchichte
halten ſolle : dieſe Vorſchrift ſagt weniger als ich verlange ,
wenn ſie nicht vielmehr die hiſtoriſche , das heißt : die kuͤnſt-
leriſche Dispoſition meint , in die ſich die Seele verſetzen
ſoll , als die eigentlichen niedergeſchriebenen Geſchichten . In
dieſem hoͤheren Sinn freylich , kann ich es mir gefallen laſſen ,
wenn man mein ganzes Streben ſo erklaͤrt , als wollte ich
die hoͤchſte geſchlechtsartige und produktive Durchdringung der
Politik und Geſchichte , gerade ſo , wie ich oben von dem
Meiſter einer Kunſt die hoͤchſte Durchdringung ſeiner mit den
Werkzeugen bewaffneten Arbeit mit dem Material ver-
langte .
Wie alſo eine Welt von wunderbar verſchlungenen und
concentrirten , ſich gegenſeitig bedingenden und verbuͤrgenden
oͤkonomiſchen Verhaͤltniſſen , durch alle Stuͤrme und Wechſel
der Zeiten hindurch lebe ; wie ſie ſich ſelbſt unter mancherley
voruͤbergehenden Geſchlechtern in ihrem Zuſammenhang er-
halte , indem ſie ſich nach einem ſtetigen und natuͤrlichen Ge-
ſetze ewig erneuert , verjuͤngt und kraͤftiger befeſtigt ; wie ſie
dem voruͤbergehenden Zeugen und Theilnehmer das Schauſpiel
einer fortſchreitenden Bereicherung darbiethet , welches aber
nur die Außenſeite des großen Gegenſtandes iſt , indem der
wahre und innerliche Gewinn dieſer Fortſchritte die tiefere
Verſchlungenheit , und die lebhaftere Wechſelwirkung aller
Verhaͤltniſſe iſt , aus denen ſie beſteht — dieß iſt der Gegen-
ſtand aller Unterſuchungen der Nationaloͤkonomie .
Wir haben uns an die ſummirende Veranſchlagung
auch des Privatreichthums ſo gewoͤhnt , ferner ſpielt die
Umſetzbarkeit des Reichthums in Geld oder der Markt bey
allen unſern Vermoͤgensabſchaͤtzungen , wegen der Unſicher-
heit , Veraͤnderlichkeit und Launenhaftigkeit dieſer Zeit , eine
ſo ungebuͤhrlich große Rolle , daß heut zu Tag keine Vor-
urtheile ſchwerer zu bekaͤmpfen ſind , als die oͤkonomiſchen .
Indeß die vielen Erfahrungen des Entſtehens und Verſchwin-
dens von Privatreichthum ſelbſt an denen Stellen wo wir
mit den Vermoͤgensumſtaͤnden des Beſitzers , in ſo weit Zah-
len zur Beſtimmung derſelben ausreichten , vollſtaͤndig be-
kannt waren und alſo um ſo empfindlicher in unſerer Anſicht
der Sache getaͤuſcht wurden , muͤſſen der Verbreitung beſſerer
Taxations-Grundſaͤtze zu Huͤlfe kommen .
Daß insbeſondere beym Grundeigenthum , welches man
bisher insgemein fuͤr den ſicherſten Werth gehalten hat , die
Taxation dieſes Werthes in Zahlen die allerunſicherſte iſt ,
wird ziemlich allgemein erkannt . Keine Art des Eigenthum s
iſt ihrer Natur nach ſo wenig geeignet , Object des Privat-
eigenthums zu werden ; an keine Art der Guͤter hat der
Staat ſelbſt einen ſo unmittelbaren Antheil als an dieſe ;
und ſo veranlaſſen die aͤußeren politiſchen Verhaͤltniſſe und
die Veraͤnderungen in der innern Conſiſtenz des Staates be-
ſtaͤndige unſichtbare Schwankungen in dem Werthe der lie-
genden Gruͤnde , worauf keine der bisherigen Veranſchla-
gungsmethoden Ruͤckſicht nimmt , auch nicht Ruͤckſicht neh-
men kann , ſo lange bloß in Zahlen taxirt wird ; ferner ſteht
das Grundeigenthum allen andern beweglichen Guͤtern im
Staate eben wegen ſeines bleibenden Charakters ſo direkt
und ſo geſchlechtsartig entgegen , daß alle die ganz unbere-
chenbaren Schwankungen und Stroͤmungen unter den be-
weglichen Guͤtern , welche Markt und Welthandel veranlaſ-
ſen , unmittelbar auf den andern Arm des Hebels empfunden
werden ; die leiſeſte Veraͤnderung im Zinsfuße , da dieſer die
Zahl hergeben muß , womit wir die Ertraͤgniſſe des Ackers
zum Capital erheben , alle Veraͤnderungen in dem hoͤchſt be-
weglichen Verhaͤltniſſe zwiſchen Geld und Waaren oder in
den Preiſen der Dinge , reagiren gewaltig auf den Werth
des Grundeigenthums , und alle dieſe Veraͤnderungen verber-
gen ſich nun noch hinter den ungeheuren Differenzen der
Produktion der laͤndlichen Induſtrie ein Jahr unter den an-
dern betrachtet ; endlich aber iſt uͤberhaupt an keiner andern
Stelle ſo viel unſichtbarer , außer aller Zahlbeſtimmung lie-
gender Werth , und andererſeits wieder ſo viel ganz weſen-
loſer Zahlenſchein , als im Grundeigenthume .
Ein unnatuͤrlicher Friedensſtand , eine zufaͤllige Beguͤnſti-
gung des Welthandels oder aͤußerer politiſchen Conjuncturen
kann alle dieſe Umſtaͤnde fuͤr eine geraume Zeit verſchleyern :
mit um ſo furchtbareren Symptomen aber werden ſie zum
Vorſchein kommen , wenn , wie dieſer Fall nothwendig ein-
treten muß , jene aͤußern Bedingungen ploͤtzlich verſchwinden .
Dann wird einleuchten , daß dieſe große Waare uͤberhaupt
nicht fuͤr den Markt gehoͤrt ; daß der Markt , der im Durch-
ſchnitt den Werth aller andern Waaren erhoͤht , den Werth
des Grundeigenthums zerſtoͤrt ; und daß keine Waare in ſo
hohem Grade vielmehr durch dasjenige gilt , was ſie im
Laufe ganzer Jahrhunderte wird , als durch das , was ſie
in einzelnen vergaͤnglichen Augenblicken iſt , daß folglich die
Zahlenveranſchlagung des augenblicklichen Reichthums eines
Landwirthes , dem Werthe den ſein Vermoͤgen in der Bewe-
gung , im Fortgange der Wirthſchaft oder der Bereicherung
hat , faſt durchgaͤngig widerſpricht . —
Deſſen ungeachtet iſt der Werth des Grundeigenthums ,
nach den Principien einer hoͤheren Veranſchlagung , der
ſicherſte von allen , und es hat alſo der Inſtinkt des großen
Haufens Recht , wiewohl deſſen Gruͤnde nicht viel verfangen
wollen . Es iſt der ſicherſte , weil ein Mißbrauch dieſes Wer-
thes fuͤr die Dauer nicht zu denken iſt , weil alle adminiſtra-
tiven Verirrungen und alle ungluͤcklichen Erfahrungen , welche
der Staat im Ganzen nur irgend machen kann , nothwendig
auf eine gerechtere Wuͤrdigung des Grundeigenthums zuruͤck
fuͤhren muͤſſen , und weil an allen anderen Stellen eine vor-
eilige Theorie lange und ungeſtoͤrt ihr Weſen treiben kann ,
hier aber nothwendig die Natur , die Gewohnheit , die Zeit ,
ihre Rechte behaupten muͤſſen . Es iſt der ſicherſte Werth noch
ganz beſonders deßhalb , weil die Bewirthſchaftung des
Grundeigenthums ohne alle Dazwiſchenkunft des circulirenden
Geldes , und der damit verbundenen Taͤuſchungen und Irr-
thuͤmer vor ſich gehen kann , weil der Landwirth ſo geſtellt iſt ,
daß er allenthalben Verhaͤltniſſe regieren , geſchlechtsartig ge-
theilte Arbeit in Wechſelwirkung fuͤhren , die Zeit aber und
ihre wechſelnden Einfluͤſſe unaufhoͤrlich beachten , und ſeinen
Reichthum nothwendig allezeit in der Bewegung anſchauen
muß ; weil er unter beſtaͤndiger und gleichwiegender Direktion
der Natur und des Staates ſteht ; kurz , weil er von den
oben entwickelten erſten Grundſaͤtzen aller Wirthſchaft nicht
ungeſtraft abfallen kann .
Faſſen wir alle dieſe Umſtaͤnde zuſammen , ſo ergibt ſich
die Eigenthuͤmlichkeit des Grund und Bodens , daß er unter
allen Guͤtern beſonders eine Buͤrgſchaft ſeines gerechten Ge-
brauches mit ſich fuͤhrt , daß man bey dieſem Geſchaͤft nicht
wohl fuͤr die Dauer von dem Geſetze des Staates , und von
ſeinem dringendſten Intereſſe abweichen kann , ohne den Werth
ſeines Eigenthums zu zerſtoͤren .
Nichts deſto weniger belehren uns die gegenwaͤrtigen
Weltumſtaͤnde , daß alle dieſe wichtigen Ruͤckſichten auf eine
Zeitlang vergeſſen werden koͤnnen , daß ein Geſchlecht , ge-
blendet durch den Reitz vergaͤnglicher Guͤter , die Natur des
Grundeigenthums verlaͤugnen kann , und , daß alle Theorien
der Geſetzgebung ſich ausſchließend auf das abſolute Privat-
eigenthum werfen , und im Gebiete der Landwirthſchaft alles
Gemeinde- oder Familieneigenthum aufopfern wollen koͤnnen ,
durch deſſen kraͤftige und perſoͤnliche Gegenwirkung , meiner
Darſtellung nach , doch erſt ein geſichertes Privateigenthum
moͤglich wird . Daß ein ſolcher Irrthum ein ganzes Zeitalter
ergreifen , und wenigſtens in den Koͤpfen der Philoſophen auch
fortdauern kann , erklaͤrt ſich nur dadurch , daß das Geſetz der
Natur und der buͤrgerlichen Ordnung , gleichguͤltig gegen die
Gedanken der Menſchen ungebethen und unerfleht ſein ſegenreiches
Regiment fortfuͤhrt , daß die Staatstheorien , da ſie nur die
Oberflaͤche der Dinge erkennen , auch nur an der Oberflaͤche
zu zerſtoͤren wiſſen , und , daß der natuͤrliche und gerechte Fleiß
der vergangenen Jahrhunderte ſo tiefe Wirkungen , ſo vielen
unſichtbaren Reichthum hinterlaſſen hat , daß keine einzelne
Generation ihn verſchwelgen oder verſchwaͤrmen kann .
Wenn man nun dieſen Charakter des Grundeigenthums
im Ganzen erwaͤgt , ſo muß man einſehen , daß , wiewohl es
ſchon durch ſeine bloße Natur ſich als liegend , bleibend und
dauernd ankuͤndigt , dieſe Eigenſchaft der Zuverlaͤßigkeit doch
erſt im fortgeſetzten Gebrauch recht klar wird . Es iſt ihm die
andere Eigenſchaft eines gewiſſen ruhigen Fortſchreitens , einer
ſtillen Bewegung beygegeben , ein dauerhafter Gang , ein
Bleiben in der Zeit , wodurch es erſt recht feſt wird . Darin
ſind Grundeigenthum und Landwirthſchaft die deutlichſten
Muſter der Staatshaushaltung ſelbſt : auch hier kommt alles
darauf an , der Bewegung eine Gemeſſenheit , einen Rythmus
mitzutheilen , und , weit die Wandelbarkeit der Dinge ſich
nicht nur nicht aufheben laͤßt , ſondern weſentlich nothwendig
iſt , um ihr Bleiben zu erreichen , die Ruhe durch die Bewe-
gung und dieſe durch jene zu garantiren .
Der Menſch kann von den Geſetzen ſeines iſolirten wie
ſeines buͤrgerlichen Daſeyns nicht ganz abfallen ; auch ſeine
Irrthuͤmer , ſeine Krankheiten muͤſſen ſich unter einander
balanciren und zerſtoͤren . So nun wird , daß Ruhe und
Bewegung die beyden Elemente der politiſchen Haushaltung ,
und beyde gleich nothwendig ſind , dadurch erwieſen , daß
unſere Zeit einerſeits eine abſolute Feſtigkeit will , indem ſie
das abſolute Privateigenthum zur Bedingung aller Haus-
haltung macht , andererſeits aber auch eine Fabel von vor-
geblich reißenden Fortſchritten der Menſchheit mit ſich
umhertraͤgt und glaubt . Von dieſen beyden Weſen aber denkt ſie
jedes fuͤr ſich in ſeiner beſonderen Roheit und Wildheit , waͤh-
rend ſie nur ſich gegenſeitig ſanft beſchraͤnkend , bedingend
und durchdringend exiſtiren ; daher glaubt ſie die Feſtigkeit ,
da , wo die abſolute Unſicherheit und Veraͤnderlichkeit , das
Fortſchreiten , da , wo ein beruhigtes Auge , wenn uͤber-
haupt eine Bewegung , doch nur eine ruͤckſchreitende wahr-
nimmt .
Bey der Befeſtigung des Einzelnen durch das Privat-
eigenthum , indem man Perſon und Sache wie an einander
nagelt und kreuziget , bliebe immer die Frage : Wozu ? bey
den reißenden Fortſchritten des Ganzen , auch , wenn ſie wirk-
lich neben jener rohen Befeſtigung moͤglich waͤren , die Frage :
Wohin ? unbeantwortet . Alles aber wird klar , ſo bald man
beyde gleich weſentliche und noch unter allen Irrthuͤmern
ſich offenbarende Verlangen , das nach dem Bleiben und
das nach der Bewegung , in der Verbindung , in der Durch-
drungenheit denkt , und , wenn nunmehr der ruhig bewegte
Menſch , einen ruhig bewegten Zuſtand der Dinge begehrt .
Wenn man das Verſtaͤndniß dieſer großen Aufgabe auf kei-
nem anderen Wege zu gewinnen weiß , wenn in der Zer-
ruͤttung der irrdiſchen Dinge das Maaß und Geſetz dieſer
hoͤchſt natuͤrlichen Ordnung nicht zu finden iſt , ſo wende man
ſich an das große Schema , welches die Geſtirne und die
Erde , welche unſere ganze Haushaltung traͤgt , taͤglich be-
ſchreiben . Dadurch , daß alle Bewegung unſeres Lebens auf
einen ruhigen Mittelpunct bezogen wird , dadurch beruhigt
ſich das Ganze , ohne daß irgend eine Bewegung aufgeopfert
wird Auf gleiche Weiſe wird die Ruhe erſt wahrhaftig
ruhig , durch die Bewegung . So bedarf die friſche und
natuͤrliche Ruhe des Kindes der Wiege . : jeder Punct verfolgt frey ſeine eigenthuͤmliche
Bahn , und doch ſind ſie alle einem ſo gewaltigen als leichten
Geſetze untergeordnet .
Ich bediene mich dieſes Bildes , nicht bloß Gleichnißweiſe ,
ſondern weil dasſelbe Geſetz , welches alle Kraͤfte der Natur
uͤberhaupt , auch wieder die menſchliche Haushaltung ordnet .
Aber auch als bloßes Bild waͤre es ſchon nothwendig , weil
es darauf ankommt , ein anderes und falſches , in den Koͤpfen
der heutigen Menſchen vorwaltendes Bild zu zerſtoͤren : es
iſt eben jenes Fortſchreiten , jener Wettlauf nach einem un-
bekannten Wohin ? nach einem Ziele , welches ſich in dem
Maaße entfernt , als man ſich ihm zu naͤhern glaubt , womit
alſo die ewige Unruhe gegeben iſt .
Alle Geſchaͤfte des buͤrgerlichen Lebens , jedes an ſeinem
beſonderen Orte , alſo in ſeiner eigenthuͤmlichen Kreisbahn ,
laufen um die dauerhafte Bewirthſchaftung des Grundeigen-
thums her , wie alles vergaͤngliche Weſen an der Oberflaͤche
der Erde um den großen gemeinſchaftlichen Traͤger : alle
ſtehen in ununterbrochener Beziehung auf dieſes mittelſte Ge-
ſchaͤft , fuͤgen und ordnen ſich nach ihm ; ſie koͤnnen ſich aus
dieſer einzig weſentlichen Wechſelwirkung nicht etwa hinaus-
heben oder hinausſchwaͤrmen ; ſie werden allenthalben mit
ſtarkem Arme feſtgehalten , und muͤſſen uͤber kurz oder lang
in ihr angewieſenes Bette zuruͤck kehren . Aber gemeinſchaftlich
mit ihrem großen Traͤger beſchreiben ſie eine hoͤhere Kreis-
bahn um einen Mittelpunct hoͤherer Ordnung , und ſie wer-
den demnach durch ein noch dauerhafteres Geſetz verbuͤrgt .
In der Ruhe , die das Grundeigenthum , und der darauf an
allen Stellen bezogenen Bewegung , die das vergaͤngliche
Eigenthum offenbart , erzeugt ſich und waltet eine Ruhe
hoͤherer Ordnung : — die Nationalkraft ſelbſt , welche
nun Licht und Waͤrme uͤber alle dieſe Sphaͤren unterge-
ordneter Thaͤtigkeit verbreitet . Wer kann aus dieſer Ord-
nung der Dinge die Ruhe oder die Bewegung einzeln her-
ausſcheiden ? Wo iſt hier irgend etwas feſt , durch ſich
ſelbſt und außer der Bewegung und anders als durch die
Bewegung ?
Das heißt nun die Zeit und die Bewegung in den oͤkonomi-
ſchen Calcuͤl mit aufnehmen , und ein vollſtaͤndiges lebendiges
Bild der Staatswirthſchaft an die Stelle der ſummariſchen
Anſchauungen ſetzen , mit denen ſich bisher die Theorie begnuͤgt
hat . Glaube niemand irgend eine Bewegung im Staate ,
zum Beyſpiel : die Circulation des Geldes zu verſtehen , der
nicht zugleich das Bleibende und Ruhende darin nach dem
hier angedeuteten Geſetze erkannt hat . Eben ſo gibt es an-
dererſeits in der ganzen Nationaloͤkonomie nichts Unbeweg-
liches : waͤre das Grundeigenthum unbeweglich , wie man es
bisher genannt , ſo wuͤrde es ſich mit dem uͤbrigen beweg-
lichen Beſitz ewig nicht vertragen koͤnnen . Aber es iſt , wie
ich gezeigt , beweglich in ſich ; es iſt bleibendes Vermoͤgen
mit Ruͤckſicht auf das bewegliche Vermoͤgen , das es traͤgt ,
und das darauf unaufhoͤrlich bezogen wird . Wir werden es
daher durch den ganzen Verlauf unſerer Darſtellung , zur
Vermeidung aller Mißverſtaͤndniſſe , bleibendes und nicht
unbewegliches Eigenthum nennen .
Sechstes Kapitel .
Von dem Werthe , den die oͤkonomiſche Kraft durch ihre
Richtung erhaͤlt .
D ie bisherige Theorie der Nationaloͤkonomie war eine ziem-
lich willkuͤhrliche Miſchung mathematiſcher und hiſtoriſcher
Beſtandtheile , daher waren es auch , nach der Faͤcherabthei-
lung , die bisher auf dem Felde der deutſchen Gelehrſamkeit
beliebt worden , meiſtentheils Mathematiker oder Geſchichts-
forſcher von Profeſſion , welche die Staatswirthſchaft zu foͤr-
dern unternahmen . Es gab in unſerer Wiſſenſchaft unzaͤhlige
Groͤßenanſchauungen , welche mehr in das Gebiet der Mathe-
matik hinuͤberzufallen ſchienen ; daß aber auch die hiſtoriſchen
Bedingungen , die Localumſtaͤnde , kurz die Qualitaͤten neben
den Quantitaͤten der Dinge nicht verſaͤumt werden durften ,
fiel leicht in die Augen . Da es aber unter den Wiſſenſchaften
der Mathematik und der Geſchichte , welche , die gleichweſent-
lichen hiſtoriſchen und mathematiſchen Elemente der Staats-
wirthſchaft in Verbindung zu ſetzen , unternahmen , ſelbſt
keine Art von Beruͤhrungspunct gab ; da die mathematiſche
und die geſchichtliche Wahrheit in einem Zuſtande offener
Feindſeligkeiten lebten , ſo durfte man von den Verarbeitun-
gen einer dritten Wiſſenſchaft , welche von einer Einzelnen
unter jenen beyden Wiſſenſchaften unternommen wurden , ſich
eben nicht bedeutende Erfolge verſprochen .
Es wuͤrde zu weit von dem ſpeziellen Gegenſtande unſerer
gegenwaͤrtigen Unterſuchungen abfuͤhren , wenn wir hier zu
zeigen unternaͤhmen , was an einem anderen Worte auf eine
befriedigende Weiſe geſchehen ſoll , daß wir naͤhmlich dieſe
Praͤliminarverhandlung , dieſe Ausgleichung aller Differenzen
zwiſchen der mathematiſchen und hiſtoriſchen Wahrheit vollzo-
gen , und beyde an die Eine ewige Quelle aller menſchlichen
Erkenntniß zuruͤckgefuͤhrt haben . Es ſoll damit nicht etwas
Großes , oder Neues , oder Außerordentliches , ſondern nur das
Natuͤrliche geſchehen , und der Weisheit fruͤherer Jahrhunderte
die ihr gebuͤhrende Rechtfertigung wiederfahren .
Fuͤr jetzt aber genuͤgt es mir , daß diejenigen unter mei-
nen Zeitgenoſſen , die auf denſelbigen Schlußſtein aller Wiſſen-
ſchaft wie alles praktiſchen Lebens geſtoßen ſind , und deren
es mehrere geben muß , da dieſelbigen Nothwendigkeiten auf
andere wie auf mich einwirkten , es meiner Darſtellung an-
ſehen muͤſſen , daß ſie eine bereits vollzogene Verſoͤhnung und
Durchdringung der mathematiſchen und hiſtoriſchen Erkenntniß
vorausſetzt . — So iſt dann das ganz Eigenthuͤmliche meiner
bisherigen Behandlung der Staatswirthſchaft , daß ich neben
den Groͤßen , den Maſſen , den Summen , nicht etwa bloß
gemeine Reſultate der hiſtoriſchen Erfahrung geltend gemacht ,
was viele gethan , und deßhalb eben ſo einſeitig am letzten
Orte doch nur das Mehr oder Weniger , und die Quanti-
taͤten des oͤkonomiſchen Ertrages und der oͤkonomiſchen Pro-
duktion beachtet haben , ſondern , daß ich die Qualitaͤten der
Theoret. Theil E
Dinge , ihr Geſchlechtsverhaͤltniß , ihre Wechſelwirkung unter
einander vindicirt , und dadurch die Exiſtenz einer feſten und
dauerhaften oͤkonomiſchen Groͤße , erſt als moͤglich erwieſen
habe .
Wie naͤhmlich in der Geometrie , die in neuerer Zeit mit
großer Blindheit behandelt , und als Magd zu bloß arith-
metiſchen Zwecken gemißbraucht worden , eine ganz andere
Idee einheimiſch iſt als die Groͤße , und wie die Mathematik ,
in ſo fern ſie die Geometrie in ſich begreift , unendlich mehr
iſt , als bloße Groͤßenlehre ; wie das Verhaͤltniß und das Zu-
ſammentreten zweyer verſchiedenartig gerichteten Linien , oder
der Winkel , urſpruͤnglich nichts mit der Groͤße zu ſchaffen
hat — ſo haben auch die verſchiedenen , alle nach einer Ver-
einigung ſtrebenden und ſie vollziehenden Richtungen der
menſchlichen Thaͤtigkeit , an und fuͤr ſich nichts mit
der Groͤße oder der quantitativen Extenſion dieſer Richtungen
zu ſchaffen . Ihr Verhaͤltniß unter einander iſt etwas von der
Groͤße durchaus Unabhaͤngiges . Die Landwirthſchaft und die
Stadtwirthſchaft koͤnnen auf einem ſehr kleinen Gebiete in
gerechtem Verhaͤltniſſe ſtehen , waͤhrend auf einem unendlich
groͤßeren Gebiete jene dieſe , wie im ehemahligen Polen , oder
dieſe jene , wie im ehemahligen Hamburg , bey weitem uͤber-
wiegt . Da nun in dieſen drey Faͤllen die Frage nicht ſeyn
kann , wo der dauerhaftere Nationalreichthum und die bedeu-
tendſten oͤkonomiſchen Werthe werden gefunden werden , und
da , bey der Entſcheidung dieſer Frage die Richtung der Kraͤfte
vielmehr in Anregung kommt , als die Groͤße derſelben , ſo
fuͤhlt man das voͤllig Ungenuͤgende einer ſtaatswirthſchaftlichen
Anſicht , bey der die Lehre von den Richtungen oder den
Verhaͤltniſſen der oͤkonomiſchen Kraͤfte nur ſubſidiariſch um
der Groͤße Willen , nur als Magd wie die Geometrie in der
bisherigen Mathematik auftritt . Dieſe Lehre von der Rich-
tung der Kraͤfte zur Wuͤrde der Hausfrau , neben die Lehre
von der Groͤße der oͤkonomiſchen Kraͤfte ( die bisher allein
und ausſchließend das Regiment im Hauſe gefuͤhrt hat )
zu erheben , iſt der Zweck meines gegenwaͤrtigen Werkes ,
wie ich ſpaͤterhin der Geometrie denſelben Dienſt zu erzeigen
hoffe . —
Dasjenige was bisher mit hoͤchſter Unbeſtimmtheit Werth
genannt worden , wollen wir durch den ganzen Fortgang
unſerer Unterſuchungen von dem was Preis heißt , aufs
ſtrengſte unterſchieden wiſſen . Der Werth einer Sache iſt die
Bedeutung , welche ſie durch die groͤßere oder geringere Ge-
rechtigkeit des Verhaͤltniſſes , aus dem ſie hervorgegangen ,
oder worin ſie ſelbſt zu den uͤbrigen Sachen ſteht , erhaͤlt . Die
Gerechtigkeit dieſer Verhaͤltniſſe iſt die Bedingung ihrer
Dauer , und die Werthe der Dinge ſollen nur durch die Dauer
beſtimmt werden . Der Preis einer Sache iſt die ſum-
mariſche Groͤße , die Maſſe von Kraft die ſich fuͤr den
Augenblick darin verbirgt , und die ſie fuͤr den Augenblick
auszuuͤben im Stande iſt . Da nun alle Verhaͤltniſſe der oͤkono-
miſchen Objecte untereinander , wie oben gezeigt wor-
den , ſich mit einander , wie die verſchiedenen Familien ,
nothwendig verſchraͤnken und verketten , und zuletzt ein gro-
ßes Hauptverhaͤltniß bilden , welches der Staat ſelbſt regiert ,
und worin er ſelbſt immerdar verjuͤngt wieder ausgeboren
E 2
wird ; ſo folgt daraus , daß , in wie fern die Bedeutung ei-
nes oͤkonomiſchen Objectes mit Ruͤckſicht auf ein Verhaͤltniß ,
oder den Werth desſelben richtig beſtimmt wird , auch zugleich
die Bedeutung dieſes Objects mit Ruͤckſicht auf alle dieſe
Verhaͤltniſſe , oder den Staat ſelbſt abgeſchaͤtzt werde . Der
Werth einer Sache iſt alſo die Bedeutung derſelben im
Staat und fuͤr die ewige Verjuͤngung des Staates . —
Wird der Werth eines oͤkonomiſchen Objects beſtimmt ,
ſo denken wir uns ſelbiges lebendig , perſoͤnlich und produc-
tiv ; wir denken uns eigentlich nur das in dem Object ver-
borgene , ewige Leben , die darin verborgene Kraftrichtung ,
das heißt : das Verhaͤltniß zu andern Kraftrichtungen , und
da alle dieſe Richtungen nach der Vereinigung ſtreben , die
Richtung nach dem Mittelpunct . — An dem unendlich ſym-
boliſchen Schema der Kugel wird ſich die Sache am be-
ſten verdeutlichen laſſen . Denken wir uns alle oͤkonomiſchen
Thaͤtigkeiten als Linien , die bekanntlich weder breit , noch
dick , ſondern nur lang ſind . Wir wiſſen daß je zwey oͤkono-
miſche Thaͤtigkeiten zuſammen ſtreben muͤſſen , wenn nicht
nur ein Produkt herauskommen , ſondern wenn ſie uͤberhaupt
nur fortdauern ſollen . In dem Material eines Handwerkes ,
zum Beyſpiel : in dem Leder das der Schuhmacher gebraucht ,
iſt die Anlage zu einer oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit ; in ſeinem
mit Werkzeugen bewaffneten Haͤnden ſchlummert gleichſam
die andere oͤkonomiſche Thaͤtigkeit . Noch arbeitet er nicht ;
actu ſind die beyden oͤkonomiſchen Thaͤtigkeiten noch nicht
vorhanden . Man uͤberſehe nicht daß das Leder , wenn die
Arbeit anfangen wird , ſich wehren wird , gegen die
Angriffe des Pfriemens , daß es ſeine eigenthuͤmliche Kraft
hat , die nachgiebig behandelt , ja ſogar geſchont werden
muß , wenn der Schuh zu Stande kommen ſoll ; kurz die
nicht etwa roh zu erzwingen iſt , wie ja auch dieß beſtimmte
Leder durch anderweite vorhergehende Arbeit erſt herbeyge-
reitzt werden mußte . Jeder tuͤchtige Meiſter dieſer edeln Kunſt
wuͤrde mich verſtehen ; denn er zeigt ſchon durch die wach-
ſende Liebe , die er zu dem Materiale traͤgt , daß mit demſel-
ben eine andere Kraft der Kraft ſeiner Haͤnde und Werk-
zeuge ( die ja nichts anders ſind als die kuͤnſtlich zugerichtete
und erweiterte Hand ) huͤlfreich entgegen kommt . Die Arbeit
faͤngt alſo an , ſobald die Kraft der bewaffneten Hand und
die andere Kraft des Materials ſich einander entgegen nei-
gen . Dieſe Convergenz der beyden Kraͤfte aͤußert ſich darin ,
daß ein Schuh entſteht , zufoͤrderſt ein ſehr unvollkommener
Schuh , aber in der fortgehenden Verbeſſerung des Produktes
zeigt ſich , daß ſich die beyden Kraftrichtungen mehr und
mehr ihrem Vereinigungspuncte naͤhern . —
Kurz die Bedingung der fortgehenden Schuhmacher-Pro-
duktion und jedes moͤglichen gedenkbaren Gewerbes einzeln
genommen , iſt die fortgehende Convergenz zweyer entgegen-
geſetzter Thaͤtigkeiten . Da nun aber jedes einzelne Gewerbe
nicht bloß aus zwey convergirenden Kraftrichtungen beſteht
und entſteht , ſondern auch wieder der beſtaͤndigen huͤlfreichen
Entgegenkunft anderer Gewerbe , anderer Kraftrichtungen be-
darf ; ja , da es den Beyſtand aller uͤbrigen vorausſetzt —
ſo ſind alle dieſe verſchiedenen Kraftrichtungen nur zu den-
ken , in wie fern ſie von allen verſchiedenen Seiten her nach
einem gemeinſchaftlichen Mittelpunct convergiren Eine gerade Linie individualiſirt ſich , wird zur be-
ſtimmten Linie , nur durch eine andere auf ſie in Beziehung
geſetzte , das heißt : mit ihr in der Verlaͤngerung convergi-
rende Linie .
Meiſtentheils vergeſſen wir , daß der Rand der Tafel oder
des Papiers , worauf wir unſere Linie verzeichnen , dieſe
Linie ſchon individualiſirt , oder die Antilinie darbiethet ,
durch die ſie erſt zu einer Linie wird , und ſo uͤberſehen wir
den wichtigſten Umſtand in der Geometrie , daß es naͤhmlich
zwey Linien geben muͤſſe , damit eine . Daher die Unmoͤglichkeit
die Parallellinien auf dem gewoͤhnlichen Wege zu demonſtri-
ren . Es ſind identiſche Linien , wie ſich ausweiſt , wenn ſie ,
wie beym Euklides geſchehen , durch eine dritte convergirende
Linie individualiſirt werden . . Derge-
ſtalt werden nun alle dieſe verſchiedenen Linien zu den Ra-
dien einer Kugel , welche die Haushaltung eines Staates
unter allen gedenkbaren Figuren am richtigſten abbildet .
Wenn es dagegen erlaubt iſt , den Theorien unſerer Zeit ,
die in ihren durcheinander ſchwelgenden Widerſpruͤchen ei-
gentlich kein einziges bleibendes und feſtzuhaltendes Kenn-
zeichen aufkommen laſſen , ein mathematiſches Schema un-
terzulegen , ſo moͤchte ich in ihren vorwalteten Grundſaͤtzen
uͤber die Richtungen der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeiten die Pa-
rallellinien des Euklides wieder erkennen : die Kraͤfte koͤnnten
nach ihnen in alle Ewigkeit neben einander fortlaufen und
wettlaufen , ohne ſich je zu beruͤhren oder in dem praͤſumirten
Ziele zuſammen zu treffen .
Jedermann ſteht hierbey ein , daß die Groͤße und die
Menge der Thaͤtigkeiten gar nicht in Betracht kam . Sind die
Richtungen aller in einander greifender oͤkonomiſchen Kraͤfte
wirklich convergirend , ſo wird ſich die Groͤße aller dieſer
Kraͤfte von ſelbſt ſchon verhaͤltnißmaͤßig , und ſo , daß die
geſammten Richtungen der Thaͤtigkeiten dabey beſtehen koͤn-
nen , ergeben . Hingegen folgt umgekehrt aus der augenblick-
lichen Groͤße der einzelnen Kraͤfte die gerechte und convergi-
rende Richtung derſelben noch nicht . Die einzelne Kraft kann
heraustreten aus dem concentriſchen Vereine , in dem ſie ſich
entwickelte , ſie kann in Beziehung treten auf einen Mittel-
punct der außerhalb dieſes Vereines , oder des Staates liegt ,
und augenblickliche große Wirkungen hervorbringen , wie die-
jenigen Kraͤfte eines Staates , die an dem Welthandel Theil
nehmen : wer moͤchte aber aus der Groͤße dieſer Wirkungen
einen Schluß auf die dauerhafte Richtung ſolcher oͤkonomi-
ſcher Thaͤtigkeit ziehen . Was aber waͤre von einem Ge-
ſchlecht zu halten , das , berauſcht durch den augenblicklichen
Glanz dieſer Wirkungen , den beſtimmten vaterlaͤndiſchen Mit-
telpunct ganz außer Acht ließe , die Erhaltung der alten
concentriſchen Richtungen der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit ( ich
darf mich jetzt des Ausdrucks bedienen ) des geometriſchen
Verhaͤltniſſes der Kraͤfte unter einander fuͤr unweſentlich
hielte , oder die Bedeutung dieſer Richtungen nur anerkennen
wollte , in wie fern ſie einem ſolchen divergenten Streben
nach dem Weltmarkt hinderlich waͤren . — Dieß iſt der
innerſte Sinn der Klagen uͤber den Feudalismus und der
Verfolgungen desſelben : es war allerdings in allen oͤkono-
miſchen Kraͤften des Mittelalters eine gewiſſe innere Rich-
tung nach einem Mittelpunct , nach einer von allen Einzelnen
empfundenen hoͤchſten Kraft , nach einem hoͤchſten Gute ; aller-
dings widerſtrebt dieſe Richtung hartnaͤckig und dauerhaft
jenem leichtfertigen Umherſchweifen nach augenblicklicher
Groͤße und vergaͤnglichem Glanze , und die hoͤhere bewaͤhr-
tere Macht wird den Sieg davon tragen , wie auch dieſer
Augenblick widerſprechen mag , eben weil er Augenblick
iſt . —
So wenig ſich aus der Groͤße einer oͤkonomiſchen Thaͤ-
tigkeit der Schluß ziehen laͤßt , daß auch die Richtung der-
ſelben die natuͤrliche und gemeinweſentliche ſey , ſo wenig
laͤßt ſich aus den Preiſen der Dinge auf ihre Werthe ſchlie-
ßen . Vielmehr , wie eine augenblickliche jaͤhe Steigerung der
oͤkonomiſchen Kraͤfte bey einer Verwirrung aller Richtungen
der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit ſehr wohl moͤglich iſt , ſo kann
auch eine Steigerung aller Preiſe ſehr wohl mit einem Sin-
ken aller Werthe zuſammen treffen .
Dieſe Werthe nun , die Bedeutungen der Dinge , in wie
fern ſie leben und Leben erzeugen , in wie fern ſie ſich durch
eine Wechſelverbuͤrgung der Ewigkeit des Staates theil-
haftig machen , ſind es , welche der vollſtaͤndige Menſch , oder
auch nur der Inſtinkt eines vollſtaͤndigen Menſchen , den jeder
Einzelne mit ſich umher traͤgt , begehrt . Wenn ein oͤkonomi-
ſches Object in dem Organismus des Staates durch wirkliche
Wechſelwirkung eintritt , und nunmehr beſtimmt wird , was
es , als mehr oder minder weſentliches Organ des Ganzen
fuͤr das Beſtehen , und die hoͤhere Belebung dieſes Organis-
mus gilt , ſo wird ſein Werth beſtimmt . Da begreift nun
jeder , daß eine gemeinweſentliche Sache in ſehr vielen Faͤllen
unendlich mehr werth ſeyn kann , als eine egoiſtiſche Perſon ;
und , daß den Staatswirth dieſe Werthe der Dinge vielmehr
als die Preiſe , und , daß eigentlich nur allein ſie ihn intereſ-
ſiren koͤnnen .
Siebentes Kapitel .
Produktion und Conſumtion .
A lle oͤkonomiſche Produktion zerfaͤllt in zwey Theile : in
die Produktion des zur Conſumtion beſtimmten , und in die
andere , des zur Fortpflanzung der oͤkonomiſchen Produktion ,
oder zu weiterer Produktion beſtimmten . Die Kornproduktion
eines Gutes theilt ſich in Wirthſchaftskorn und Saatkorn :
das Wirthſchaftskorn nehme ich in dem weiteren Sinne des
Worts , nach welchem nicht bloß das in der Wirthſchaft con-
ſumirte Korn , ſondern auch das fuͤr die Anſchaffung von
anderweiten wirthſchaftlichen Conſumtibilien verkaufte Korn ,
dahin gerechnet wird : eben ſo Saatkorn in dem umfaſſenderen
Sinne , da alles zu Ameliorations- oder anderen productiven
Zwecken verkaufte Korn dem Saatkorne beygezaͤhlt wird .
Mit andern Worten : ein Theil der Produktion wird fuͤr die
Beduͤrfniſſe des Augenblicks angewendet , der andere Theil fuͤr
die bleibende Erhaltung und das Wachsthum der Wirthſchaft
ſelbſt , oder fuͤr die Fortdauer der Produktion uͤberhaupt .
Man verſteht aber dieſe Eintheilung nur , in wie fern
man auch wieder alles Producirte , einmahl als Gegenſtand der
Conſumtion , und dann als Producirendes zu betrachten im
Stande iſt . In dieſem Verſtande der Sache wird zuerſt
alles , was die Produktion erzeugt hat , im Laufe der Zeit
conſumirt , und dieſe conſumtiblen Produkte ſind nur ver-
ſchieden nach den laͤngeren und kuͤrzeren Zeitraͤumen , in
denen ſie verzehrt werden . Ob der Magen der Producirenden
und der Kaͤufer des Wirthſchaftkorns , oder ob die Erde und
der Magen der Kaͤufer des Saatskorns die Conſumtion
vollzieht , iſt aus dieſem Standpuncte gleichguͤltig ; eben ſo
gleichguͤltig iſt es , ob die Conſumtion unmittelbar wie bey
den meiſten Nahrungsmitteln , oder ob ſie im lange fortge-
ſetzten Gebrauch allmaͤhlich vollzogen wird , wie Kleidungs-
ſtuͤcke , Mobilien u. ſ. f. Kurz die geſammte oͤkonomiſche
Thaͤtigkeit der Geſellſchaft kann zuerſt gedacht werden , als
ein Allverzehrendes , als eine unendliche Conſumtion . Dann
aber kann auch alles von der Produktion Erzeugte gedacht
werden , als ein weiter Producirendes , und dann ſind alle
dieſe produktiven Produkte nur verſchieden , je nachdem ſie
unmittelbar produktiv wieder eingreifen in den allgemeinen
Erzeugungsprozeß , oder mittelbar dasſelbe bewirken , indem
ſie durch die Conſumtion neue Produktion und Reproduktion
der oͤkonomiſchen Kraͤfte veranlaſſen , oder uͤberhaupt auch
nur moͤglich machen . So wuͤrde dann die geſammte oͤkono-
miſche Thaͤtigkeit andererſeits als ein Allerzeugendes erſchei-
nen . Es kaͤme bloß auf eine leichte Veraͤnderung des Stand-
punctes an , ſo wuͤrde das vorherige Reich des Todes ſich
als ein allgemeines Reich des Lebens darſtellen . Jede Con-
ſumtion , ſelbſt die luxurioͤſeſte waͤre eine Steigerung der
produktiven Lebenskraft , wie in der vorherigen Anſicht jede
neue Produktion dem verzehrenden Feuer der buͤrgerlichen
Geſellſchaft nur neue Nahrung geben wuͤrde . —
Wie nun der aufmerkſame Forſcher der Natur durch alle
Erſcheinungen , die ſich ihm darbiethen , auf einen Doppel-
geſichtspunct geleitet wird , und ihm , wenn er ſein Urtheil
frey und unbefangen erhaͤlt , bald eine allgemeine Wechſel-
wirkung , ein unendliches gegenſeitiges Sichbedingen des Ver-
zehrens und des Erzeugens , des Lebens und des Todes ein-
leuchten muß ; wie er allenthalben im Tode die hoͤchſten und
lebhafteſten Vorbereitungen neuen Lebens wahrnehmen ,
und wie ſich gerade in den bluͤhendſten uͤppigſten Lebenser-
ſcheinungen ihm die unmittelbare Nachbarſchaft des Todes
aufdringen muß — ſo wird der Oekonom in aͤhnlicher Unter-
ſuchung auf dieſelbe Wechſelwirkung auch der oͤkonomiſchen
Kraͤfte geleitet werden , und er wird die beyden entgegen-
geſetzten Offenbarungen derſelben Erſcheinung zufoͤrderſt mit
Ruhe erwaͤgen lernen , da ſie beyde ſich mit gleicher Noth-
wendigkeit bedingen . Er wird einſehen , daß , da das Ver-
zehren und Erzeugen in einer Wechſelabhaͤngigkeit ſtehe , und
ſich wie Avers und Revers derſelben Muͤnze verhalte , das
Reſultat der Oekonomie durchaus nicht durch ein bloßes
Vermeiden und Beſchraͤnken des Verzehrens zu foͤrdern ; eben
ſo , daß ein bloßes Antreiben und Ermuntern und Befoͤrdern
des Erzeugens gleichfalls unzulaͤnglich ſey .
Nun aber ſind die beyden Hauptoperationen aller bisherigen
Syſteme der Oekonomie : Verminderung der Conſumtion ( Spar-
ſamkeit ) und Vermehrung der Produktion ( Induſtrie )
es zeigt ſich alſo auch hier , daß man nur mit Zahlbegriffen ,
mit Summen , mit Maſſen , mit dem Mehr und Weniger zu
handthieren gewußt , dagegen die Qualitaͤten und Verhaͤltniſſe
der Dinge durchaus verſaͤumt hat . Der Erfolg mußte unge-
faͤhr derſelbe ſeyn , als wenn man in der Naturforſchung dem
Zwecke der Natur durch ein bloßes Ausdemwegegehen des
Todes , und durch ein Haͤufen der Lebenserſcheinungen haͤtte
auf die Spur kommen wollen ; wie ſolches dann , da die
Corruption einer Wiſſenſchaft allezeit auch in die uͤbrigen
Wiſſenſchaften einzugreifen pflegt , mit der Naturforſchung
des vorigen Jahrhunderts wirklich der Fall geweſen iſt .
Dem Leſer koͤnnte nunmehr die unendliche Bedinglichkeit
der Conſumtion und Produktion , und die Unzulaͤnglichkeit der
Theorien , welche in dieſem erhabenen Verhaͤltniß nur mit
gemeiner Addition , oder Subtraktion zu manoͤvriren wiſ-
ſen , klar ſeyn , und doch die Frage aufſtoßen : was denn ,
wenn in letzter Inſtanz alle Produktion und Conſumtion ein-
ander aufheben , und , wenn nichts dem allgemeinen Schick-
ſal der Conſumtion entgehe , zuletzt fuͤr ein Reſultat der
ganzen Haushaltung uͤbrig bleibe ? — Die gewoͤhnliche
Theorie , conſequent in der Inconſequenz , haͤtte darauf etwa
folgende Antwort : es ſey von der Natur eine gewiſſe Ueber-
legenheit der Produktionsfaͤhigkeit des oͤkonomiſchen Staats ,
uͤber ſeine Conſumtionsfaͤhigkeit , wenn beyde auf gleiche
Hoͤhe getrieben waͤre , angeordnet ; dieſe Ueberlegenheit zeige
ſich dann in der jaͤhrlichen Entſtehung und Vermehrung der
Capitalien : der oͤkonomiſche Staat wachſe , wenn dieſes
Naturgeſetz befolgt werde , wenn die Produktion fortgehend
die Conſumtion uͤberſteige , alſo die Capitalien , die Be-
dingungen weiterer Vervielfaͤltigung der Produktion zunaͤh-
men ; der oͤkonomiſche Staat verfalle hingegen , wenn die
menſchliche Willkuͤhr an die Stelle jenes Geſetzes treke , wenn
die Conſumtion die Produktion uͤberſteige , alſo die Capitalien
erſt zu Conſumtionszwecken gemißbraucht , und dann gaͤnzlich
verzehrt wuͤrden . —
Zufoͤrderſt aber iſt dieſe Ueberlegenheit der Produktion an
und fuͤr ſich , uͤber die Conſumtion nur ſcheinbar : denn , wenn
fuͤr einen kurzen Zeitraum die Produktion auch die Conſumtion
merklich zu uͤberſchreiten im Stande waͤre , ſo wuͤrde die Erwaͤ-
gung laͤngerer Zeitraͤume offenbar das Gegentheil ausweiſen ,
alſo die Sache wieder ins Gleichgewicht kommen . Es gibt
aus dem gewoͤhnlichen und natuͤrlichen Standpunct der oͤko-
nomiſchen Betrachtung , wenn man die Conſumtion ſowohl ,
als die Produktion im Ganzen und in ihren tauſendfaͤltigen ,
oft ſehr verdeckten Erſcheinungen betrachtet , kein gedenkbares
Motiv der Produktion als die Conſumtion : die Gewalt des
Todes muß wachſen , wenn das Leben ſich erhalten und zu-
nehmen ſoll ; denn ohne Feind kein Sieger , ohne Krieg keine
Kraft . — Betrachten wir bloß einerſeits das aͤußerliche
Produkt , und die mit Induſtrie , Capital , Maſchinen ,
geſegnete Produktion , andererſeits die Conſumtion als
bloße Erſcheinung , woruͤber ſich doch die Anſicht unſerer
oͤkonomiſchen Theorien niemahls erhebt , ſo erſcheinen ſie
beyde in einem voͤllig todten Gleichgewicht , und das hoͤchſte
Reſultat iſt die bloße Lebensfriſtung . Waͤre ferner die ge-
ſammte Induſtrie wirklich im Stande , die geſammte Con-
ſumtion zu uͤberfliegen , waͤre das Capital ein wirklich ſelbſt-
ſtaͤndiger Ueberſchuß der Produktion , ſo muͤßte bey nachlaſſen-
der Conſumtion die Induſtrie zu wachſen , oder doch ſich zu
erhalten vermoͤgen , das Capital hingegen ſich auch ohne die
Conſumtion in ſeinem Weſen zu behaupten vermoͤgen , was
niemand behaupten wird .
Verſuchen wir eine beſſere und gruͤndlichere Antwort :
Wie in der Seele des Naturforſchers unter den wechſelnden
Erſcheinungen des aͤußeren Lebens wie des aͤußerlichen Todes ,
daferne nur beyde Erſcheinungen mit gleicher Gerechtigkeit
von ihm behandelt werden , und mit gleicher Staͤrke auf ihn
wirken , ſich ein ſteigendes Gefuͤhl eines gewiſſen hoͤheren
Lebens entwickeln muß , eines Lebens , welches beydes , jenes
aͤußere zuerſt beobachtete Leben , und den aͤußeren Tod unter
ſich begreift , und welches aus jedem neuen Conflict der
Lebens- und der Todeserſcheinung , die ſich dem Beobachter
darſtellt , in ſeiner Seele reiner und deutlicher ausgeboren
wird — ſo waͤchſt und belebt ſich , vor den Augen aller ein-
zelnen Zeugen der großen Wechſelwirkung des Lebens- und
Todesprozeſſes in unſerer Nationalhaushaltung , ein hoͤheres
Produkt , welches jene Wechſelwirkung zwiſchen den gemeinen
Produkten und der gemeinen Conſumtion regiert , umfaßt und
garantirt , auch bey jedem neuen Conflict der Produktion und
der Conſumtion , wieder reiner und deutlicher geboren wird ,
es iſt der Credit , der Nationalcredit , die Nationalmacht ,
es iſt der Glaube an den Staat , alſo der Staat ſelbſt .
Wenn dieſes Reſultat , das einzige gedenkbare und wuͤr-
dige , welches ſich aus dem ungeheuren Gewuͤhl der oͤkono-
miſchen Geſchaͤfte ergibt , den Predigern der Sparſamkeit
und Induſtrie allzu idealiſch erſcheinen ſollte , ſo liegt dieß
vorlaͤufig in ihrer Unfaͤhigkeit , es kriegeriſch im Kampfe
gegen das Geſpenſt der Conſumtion , und gegen den Goͤtzen
der Produktion zu erwerben , zu erobern ; es liegt in ihrer
ſehr natuͤrlichen Ohnmacht , das Weſen der Produktion uͤber-
haupt zu begreifen , in der Unnatur ihrer Stellung gegen die
Welt wie gegen die Wiſſenſchaften . Daß ihre Sparpfennige
ihnen unter ihren Haͤnden zerfließen , ihre Waarenlager ihnen
unter ihren Schloͤßern und Riegeln verderben , ohne dieſes
idealiſche Weſen , kurz die gewaltige Realitaͤt desſel-
ben ſoll in dieſem Buche offenbar werden .
Wenn man , habe ich eben geſagt , alles Produkt zuerſt
als Gegenſtand der Conſumtion ; dann aber auch dasſelbige
Produkt wieder als weiter Producirendes zu begreifen im
Stande iſt : dann hat man das eigentliche Weſen des Pro-
dukts erkannt , eben ſo wie man in den Nachforſchungen der
Natur das Weſen des Lebendigen erkannt hat , und fortge-
hend immer reiner erkannt , wenn man dasſelbe Leben-
dige ſowohl als Lebenserſcheinung , als auch als Todeser-
ſcheinung aufzufaſſen — eben ſo wie man ferner das Weſen
der Empfindung erkannt , ſo bald man ſie gleich ruhig als
Freudens- und als Schmerzenserſcheinung anzuerkennen vermag .
Man hat das Weſen der Empfindung erkannt , heißt , man
hat eine uͤber Freude und Schmerz erhabene und beyde um-
faſſende Luſt erkannt , die nun bey jedem neuen Conflict der
Freude und des Schmerzens reiner und dauerhafter ausge-
boren wird . Es iſt die eigentliche Luſt , die aus ſolchen
wechſelwirkenden Elementen entſteht , das eigentliche Leben ,
welches in ſolcher Naturforſchung erkannt und erlebt wird ;
es iſt das eigentliche Produkt , welches in ſolcher Wechſel-
betrachtung des Verzehrens und des Erzeugens , vor unſerer
Seele entſteht . —
Wenn auch der Einzelne von ſeiner Natur abgefallene
Menſch immer von neuem wieder verſuchen ſollte , aus einem
Zuſammengeitzen der Luſt und einem Vermeiden des Schmer-
zes , die Luſt ſelbſt ; aus einem Haͤufen der Lebenserſcheinungen
und einem Ausweichen der Todeserſcheinung , das Leben ; aus
einer Verminderung der Conſumtion und einer Vermehrung
der Produktion , ſein Produkt zu extrahiren — ſo wird doch
die vollſtaͤndige geſunde Natur , auch ohne es zu wiſſen oder
nachweiſen zu koͤnnen , an den Werth und an die Dauerhaf-
tigkeit nur derjenigen Luſt , desjenigen Lebens und eines
ſolchen Produktes glauben , welche auf dem von mir nach-
gewieſenen Wege entſtanden ſind . — Jedermann wird viel-
leicht taͤglich die untergeordnete Luſt , mit der aus Freude
und Schmerz erzeugten hoͤheren Luſt , das außer dem Tode
geſtellten Leben , mit dem uͤber den Tod erhabenen Leben ,
das gemeine Produkt mit dem hoͤheren unter allem Erzeugen
und Verzehren ſich entwickelnden Produkt verwechſeln , aber
glauben , Credit geben , wird er nur dem hoͤheren Pro-
dukt , dem Produkte des Produkts , dem Leben des Lebens ,
der Luſt in und uͤber der Luſt .
Wer nunmehr , meine ich , dieſe innere goͤttliche Ordnung
aller Haushaltung anerkannt und ausgeuͤbt ( und der Glaube
daran iſt ſchon Ausuͤbung ) — dem mag man auch immerhin
das aͤußere Ebenbild dieſer Ordnung im augenſcheinlichen und
handgreiflichen Gange unſerer irrdiſchen Haushaltung zeigen .
Ein ſolcher wird , wenn ich ihm ſage , wie im Anfang dieſes
Theoret. Theil F
Kapitels , daß alle Produkte in einen weiter producirenden
und in einen zur Conſumtion beſtimmten Theil , daß das
producirte Korn in Wirthſchafts- und in Saatkorn zerfalle ,
einſehen , daß dieſe Theile nur die augenblicklichen Bilder
jener ewigen Elemente ſind ; er wird alſo deßhalb , weil ihm
zur weiteren Produktion augenblicklich mehr uͤbrig bleibt ,
als die augenblickliche Conſumtion hinweg nimmt , noch
nicht glauben , daß er etwas gewonnen , ſondern nur in wie
fern die Wechſelwirkung zwiſchen ſeiner Produktion und ſeiner
Conſumtion uͤberhaupt lebhafter wird , wird er an das Heil
ſeiner Wirthſchaft glauben — weil die augenblickliche Ordnung
ſeiner Haushaltung nunmehr dem ewigen Geſetz aller Oeko-
nomie mehr entſpricht , weil das Reſultat jener Wechſelwir-
kungen , ein ſteigendes Kraftgefuͤhl , mit dem hoͤhe-
ren Reſultate aller Wechſelwirkungen uͤberhaupt , welches
der Gegenſtand alles ſeines Glaubens iſt , uͤbereintrifft und
ſich daran ſchließt , ſich dadurch verbuͤrgt . —
Dieſes Produkt aller Produkte in der kleinen wie in der
großen Haushaltung , wie in der Ordnung der Weltgeſchaͤfte
ſelbſt iſt der Credit : die groͤßere Zuverlaͤßigkeit , die groͤ-
ßere Sicherheit des oͤkonomiſchen Daſeyns wird producirt ,
und mit ihr faͤllt uns die groͤßere Fuͤlle der Guͤter von ſelbſt
zu . Aber dieſe Fuͤlle der Guͤter an ſich beweiſt nichts und
befriedigt niemand : der Credit iſt es , wornach , vornaͤhmlich
jetzt , ſich jedermann ſehnt , er iſt der nackte Sinn aller der
vielfaͤltig verkleideten oͤkonomiſchen Klagen , die unſere Zeit
vernehmen laͤßt .
Wie aber entſteht der Irrthum , daß der Produktions-
uͤberſchuß eigentlicher Zweck aller Wirthſchaft ſey , aus dem
ſich dann der „ heitere Lebensgenuß ” des Grafen Soden ,
und „ die erſehnten beſſern Tage ” des Profeſſor Luͤder er-
geben ſollen ? — daß alle dieſe Herrlichkeiten nur duͤrre
Lebensfriſtung und uͤbrigens voͤllig weſenlos ſind , habe ich
ſchon erwieſen , aber es iſt noch dem Irrenden die Moͤglich-
keit ſeines Irrthums zu erweiſen , wenn er gruͤndlich bekehrt
werden ſoll . —
Es iſt denen , welche an die Wunder der Arbeitstheilung
glauben , laͤngſt bekannt , daß ſo lange jeder fuͤr ſich produ-
cirt , und das Producirte ſelbſt conſumirt , und nur produ-
cirt , was er zu eigener Conſumtion bedarf , die Wirthſchaft
ſelbſt nicht fortſchreitet . So bald ſich die Arbeit theilt , ſo
bald der Einzelne fuͤr die Conſumtion der Uebrigen zu pro-
duciren , und von ihrer Produktion zu conſumiren anfaͤngt ,
ſo erweitert ſich die Wirthſchaft . Bis hierher iſt in der Dar-
ſtellung des Adam Smith ein richtiges Schema von Wechſel-
wirkung , alſo koͤnnen wir auch ſo weit mit ihm einverſtan-
den ſeyn . Nun aber bleibt er bey dem groͤßeren Produkte ,
daß dieſe fortſchreitende Wirthſchaft nachher abſetzt , ſtehen ,
und nimmt fuͤr ein Reſultat , was doch nicht mehr als ein
Symptom iſt . Er muß zugeben , daß genau , wie das Pro-
dukt waͤchſt , ſich auch der Markt , der Abſatz , kurz die Con-
ſumtion erweitern muß , daß alſo nur , in wie fern man den
Augenblick und den einzelnen Producenten betrachtet , ein
ſcheinbarer Ueberſchuß Staat finden kann , der aber wieder
verſchwindet , wenn man ihn in Beziehung auf den ganzen
F 2
Umfang und die ganze Dauer der buͤrgerlichen Geſellſchaft
bringt . Der Irrthum liegt alſo zufoͤrderſt darin , daß man
das Verhaͤltniß der Privathaushaltung zur Staatshaushal-
tung nicht verſteht , und eine Erſcheinung auf die National-
oͤkonomie uͤbertraͤgt , die durch den Staat nur moͤglich , aber ,
wenn man den Staat dabey fortdauernd im Auge behaͤlt ,
auch unmittelbar wieder aufgehoben wird .
Denn auch in der Privatoͤkonomie findet eigentlich kein
Ueberſchuß Statt : das uͤber die Conſumtion Erworbene oder
Erſparte , muß von der Geſellſchaft conſumit conſumirt werden , oder
in einer erweiterten Produktion des Erwerbers angelegt ,
das heißt : von dieſer Produktion verzehrt werden ; was dieſe
erweiterte Produktion ergibt , eben ſowohl als der dabey
angewendete Ueberſchuß muß weiter conſumirt werden , und
die umfaſſendſte Produktion dieſer Art waͤre vergeblich , wenn
ſie uͤber die Conſumtion oder den Abſatz oder das Beduͤrfniß
hinausſchritten . Alſo ſtoßen wir nirgends auf einen abſoluten
an ſich ſelbſt geltenden Ueberſchuß , und ſo lange wir bey
den aͤußeren Erſcheinungen ſtehen bleiben , hat die geſammte
Oekonomie gar kein Reſultat .
Die Lage der Sache aber aͤndert ſich von Grund aus ,
wenn wir auf jenes innerliche , unſichtbare und dennoch hoͤchſt
vernehmliche Produkt Ruͤckſicht nehmen , welches durch alle
Produktion hindurchlaͤuft , und ſich unter allen Erzeugungen
und unter allem Verzehren befeſtigt und waͤchſt , wie der
Baum unter beſtaͤndiger Wiederkehr einer Zeit der Bluͤthe ,
der Frucht und der Entblaͤtterung : die buͤrgerliche Geſell-
ſchaft , die anerkannte , der Glaube an ſie , an die Sicherheit
und Zuverlaͤßigkeit des geſammten Beyeinanderſeyns und Mit-
einanderwirkens , kurz der Credit .
Der Irrthum eines bloß koͤrperlichen und handgreiflichen
Ueberſchuſſes bey Adam Smith und allen Theorien entſteht ,
und wird erklaͤrlich auf dieſelbe Weiſe , wie der Irrthum des
abſoluten Privateigenthums , zu Folge meiner fruͤheren Aus-
einanderſetzung ; naͤhmlich durch das Geld . Die Ueberſchuͤſſe
der Produktion , werden auf Metall reducirt , und darin um-
geſetzt ; unter allen koͤrperlichen Waaren ſind es die Metalle ,
deren Conſumtion am langſamſten und unmerklichſten von
Statten geht , und ſo ſind ſie es auch die am meiſten den
Wahn beguͤnſtigen , als gebe es wirklich etwas von der Con-
ſumtion Eximirtes , weßhalb die Merkantiliſten denn auch
ihre Acquiſition fuͤr den Hauptzweck aller Haushaltung hiel-
ten : es ſcheint nun etwas uͤber die Conſumtion Erhabenes ,
dem oͤkonomiſchen Tode Entzogenes vorhanden zu ſeyn ,
welches Capital genannt wird . Dennoch aber muß auch
dieſes Capital wieder angelegt werden , wenn die Welt es
nicht ſelbſt todtes Capital nennen ſoll : es kehrt alſo zur
Conſumtion zuruͤck , es kann alſo nur dadurch lebendig er-
halten werden , daß es wieder verzehrt wird ; wenn es dem
Verzehren , das heißt : dem Tode abgegeitzt oder entzogen
wuͤrde , ſo waͤre es erſt dadurch recht todt .
Aber , wirft man mir ein , das Capital verbleibt doch
nun dem , der es angelegt hat . Was verbleibt ? der Eigen-
thuͤmer , wenn er es bey einem Einzelnen , oder bey einer
Corporation , oder bey dem Staate , oder in der Erweiterung
ſeines eigenen Gewerbes angelegt hat , erhaͤlt dafuͤr einen
Credit bey der buͤrgerlichen Geſellſchaft . Was er von ſeinen
Einkuͤnften nicht ſelbſt conſumirt , muß immer wieder bey
der buͤrgerlichen Geſellſchaft angelegt , das heißt : von ihr
conſumirt werden . Es ergibt ſich alſo fuͤr den Eigenthuͤmer
nie und an keiner Stelle ein abſoluter Ueberſchuß , welcher
Gegenſtand des ausſchließenden Privateigenthums fuͤr ihn
werden koͤnnte : es ergibt ſich fuͤr ihn nichts , als ein unſicht-
bares aber immer feſteres zuverlaͤßigeres Band an die buͤr-
gerliche Geſellſchaft . Anſtatt des vermeintlichen Ueberſchuſſes
wird er nur tiefer und tiefer in die Haushaltung , und zu-
gleich in die Geſetze der buͤrgerlichen Geſellſchaft verwoben ,
und weil er in groͤßere Wechſelwirkung mit dem Ganzen
tritt , und den Credit des Ganzen mehr empfindet und deut-
licher repraͤſentirt , als die Uebrigen — fuͤhlt er ſich reicher ,
nennen wir ihn reicher als die Uebrigen .
Dem aufmerkſamen Leſer kann es unmoͤglich entgangen
ſeyn , daß wir , indem durch das Bisherige der Wahn eines
abſoluten handgreiflichen Ueberſchuſſes der Produktion uͤber
die Conſumtion , des Ertrages uͤber den Aufwand zerſtoͤrt
worden , zugleich in einer ganz andern Manier , als es in
einem fruͤheren Kapitel geſchehen , die Unmoͤglichkeit eines
abſoluten Privateigenthums erwieſen haben : denn nur das
der Conſumtion der buͤrgerlichen Geſellſchaft oder ihrem Mit-
genuß Entzogene ; das in dem Staat , in der Gemeinſchaft
mit den Uebrigen Erworbene , hernach aber aus dem Staat
Herausgeſtellte , waͤre wahrhaftiges Object des abſoluten und
ausſchließenden Privateigenthums . Da aber , wie hinreichend
erwieſen , was aus der großen Wechſelwirkung der Produktion
und der Conſumtion ( oder des lebenserzeugenden Todes und
zum Tode ſtrebenden Lebens ) innerhalb des Staates , heraus-
tritt , nunmehr und deßhalb fuͤr voͤllig und abſolut todt zu
achten iſt , ſo kann erſtens die geſammte Haushaltung keinen
anderen und geringeren Zweck haben , als den Nationalcredit
oder den Glauben an den Staat , und zweytens kann kein
abſolut abgeſondertes Privateigenthum Statt finden .
Der Einzelne kann nur Eigenthuͤmer ſeyn , in wie fern
er ſelbſt wieder mit allem was zu ihm gehoͤrt , Eigenthum
des Staats iſt , beſitzt nur , in wie fern er ſelbſt wieder be-
ſeſſen wird , und wird alſo genau auf dieſelbe Weiſe wieder
beſeſſen vom Staate , als in der er ſelbſt ſein Vermoͤgen be-
ſitzt . Beſitzt er alſo dieß Vermoͤgen auf natuͤrliche und ge-
rechte Art , als Feod , als ein Credit , das die buͤrgerliche
Geſellſchaft an ihm hat , ſo wird er es an einem innern
Kraftgefuͤhle , an einem Selbſtbewußtſeyn ſeines Reichthums ,
an dem Vertrauen , an der Sicherheit , die ſich in ihm feſt-
ſetzen , merken , daß die buͤrgerliche Geſellſchaft auch ihm ein
gleichgeltendes Credit zugeſteht , daß ſie ſeine wirkliche und
ſolvente Schuldnerinn iſt in hoͤheren Dingen , als die ihm
jemahls wirklich und handgreiflich ausgezahlt werden koͤnn-
ten , daß ſie auch ihn wieder als Feod beſitzt , das heißt : mit
der Schonung und Milde , die ein auf hoͤherem Glauben ,
anvertrautes Gut verdient .
Achtes Kapitel .
Von der Welthaushaltung und den edeln Metallen .
W enn alſo die Guͤter des Lebens an und fuͤr ſich nichts ſind ,
wenn ſie nur durch einen gewiſſen ſymboliſchen Gebrauch
Etwas werden , wenn eine beſtimmte oͤkonomiſche Thaͤtigkeit
deßwegen , weil ſie das handgreifliche Produkt der Oekono-
miſten oder des Adam Smith veranlaßt , noch nicht produktiv
zu heißen verdient , wenn erſt durch die Richtung der Kraft ,
das heißt : durch das Verhaͤltniß dieſer Richtung zu allen
uͤbrigen Kraͤften und dem gemeinſchaftlichen Vereinigungs-
punct , oder dem Staat , ein beſtimmter und realer oͤkono-
miſcher Werth entſteht — ſo wird man mir einwerfen , es
gaͤbe de facto mehrere ſolche Vereinigungspuncte der oͤkono-
miſchen Kraft , oder Staaten , oder Staatshaushaltungen
an der Oberflaͤche der Erde ; ja man koͤnnte ſich darauf be-
rufen , daß ich an einem andern Orte Elemente der Staatskunſt. I. Theil . ſelbſt behauptet
haͤtte , der Staat damit er zu einer vollſtaͤndigen und abge-
ſchloſſenen Selbſterkenntniß gelangen koͤnnte , beduͤrfe ſeines
Gleichen ſo gut als der einzelne Menſch ; es muͤſſe demnach
mehrere , ihrer ſelbſt bewußte Staaten geben , wenn es uͤber-
haupt Einen ſolchen geben ſolle : aus dieſer Mehrheit der
Staaten folge nunmehr , daß der einzelne Staat ſich un-
moͤglich bey einem ſolchen in ihm ſelbſt ruhenden Credite ,
bey einem ſolchen bloßen Glauben an ſich ſelbſt beruhigen
koͤnnte , als , meiner Darſtellung nach , das Reſultat der ge-
ſammten Staatshaushaltung ſey ; es muͤſſe doch , bloß um
die Unkoſten der ſehr beſchwerlichen Nachbarſchaft anderer
Staaten zu decken , ſich aus der innern Haushaltung ein
Ueberſchuß ergeben , der , wenn man ſich ihn auch nur unter
dem Bilde ſolcher auf der ganzen bewohnten Erde geltenden
Waaren , wie die edeln Metalle und das Eiſen , denke , den-
noch den geſammten inneren Staatscredit erſt vollſtaͤndig
verbuͤrge .
Wenn ich ihn nicht vollſtaͤndig zu widerlegen im Stande
waͤre , ſo wuͤrde ich keinen Einwurf ehren wie dieſen ; denn
mir ſind die regierenden praktiſchen Merkantiliſten , welche
wenigſtens uͤberall die Nothwendigkeit eines beſonderen Staa-
tes unter den Staaten dadurch anerkennen , daß ſie ſeine
Beſonderheit , ſeine eigenthuͤmliche Exiſtenz , wie es allein
moͤglich iſt , durch etwas Allgemeinguͤltiges , und ſollte es
auch nur das Metallgeld ſeyn , vor allen Dingen garantiren
zu muͤſſen glauben , unendlich ehrwuͤrdiger , und ſie erſcheinen
mir ohne Vergleich natuͤrlicher und gerechter , als die theore-
tiſchen Oekonomiſten und Induſtriephiloſophen , die ſich vom
Gelde emancipiren wollen , dafuͤr aber auch das im Gelde
liegende große geſellſchaftliche Verpflichtungs- oder Glaubens-
band fahren laſſen , und um die Profite der buͤrgerlichen
Geſellſchaft recht ſicher zu gewinnen , alle Schranken , ſogar
die Schranke , welche den Staat von ſeinem Nachbarſtaat
trennt , einreiſſen , und ſich dafuͤr allen Winden und Stroͤ-
mungen des Welthandels , und aller Sklaverey des Univerſal-
ſtaates preis geben .
Weit davon entfernt meine Unterſuchungen der Staatswirth-
ſchaft mit der modiſchen Geldverfolgung anzufangen , habe ich
vielmehr einſtweilen die vorhandenen Vorſtellungen vom Gelde ,
und ſogar die Vorliebe fuͤr das Metallgeld noch fortwalten
laſſen , ohne ſie einer Kritik zu unterwerfen , bis meine Argu-
mentation ſtark genug geworden ſeyn wird , um alle Unwe-
ſentlichkeiten , daran haftenden Vorurtheile und Mißbraͤuche
abzuſchuͤtteln , und dennoch die Kette der Geſellſchaft , welche
ſich in dieſen abgoͤttiſchen Zeiten ganz in das Geld zuruͤck-
gezogen und verborgen hat , mit ſtarkem Arme feſtzuhalten . —
Jetzt ſind wir ſo weit gediehen , und die naͤhere Erwaͤgung
des Verhaͤltniſſes der Haushaltung des einzelnen Staates
zur Welthaushaltung , biethet uns dazu die beſte Gelegen-
heit dar .
Es ſollte eine Welthaushaltung , eine große oͤkonomiſche
Gemeinſchaft der Staaten dieſer Erde geben , denn es iſt
ihnen ein Glauben dargebothen worden an ihre Gemeinſchaft
unter einander , und es iſt in Folge dieſes Glaubens eine
Erkenntniß ſolcher Gemeinſchaft moͤglich geworden , in der
ſich jeder Nationalglaube ſeinem ganzen weſentlichen Gehalte
nach wieder finden wird — wieder finden muß : denn alle
die großen Verhaͤltniſſe der Gegenſeitigkeit und Wechſelwir-
kung , aus denen allein , wie ich hinlaͤnglich gezeigt , ein
Nationalglaube , ein Nationalcredit , das heißt : ein realer
Staat , hervorgehen kann , und die das Alterthum bis auf
Rom hinab nicht gekannt , weßhalb es ſich dann , ſtatt des
Nationalglaubens , mit dem Wahne des Privateigenthums ,
allerhand irrdiſcher Ueberſchuͤſſe , „ heitern Lebensgenuſſes ”
und der „ Sehnſucht nach beſſern Tagen ” , hat begnuͤgen
muͤſſen — ſind erſt aus der Idee der Menſchheit als einer
großen Familie , aus der Idee ihres Wohnplatzes , als eines
großen Vaterhauſes hergefloßen .
So lange jedes einzelne Volk noch ſeinen beſondern Guͤ-
tern und Goͤttern nachging , war es wohl vergeblich , ſie un-
ter einander verbinden zu wollen : wo wir im Alterthum ein-
zelne kleine Voͤlkerſchaften und Staͤmme unter einander im
Bunde finden , da zeigen ſich reinere Nationalvorſtellungen
von den goͤttlichen Dingen , als die einzigen Gewaͤhrleiſterin-
nen ſolchen Bundes ; auch wuͤrden wir demjenigen alles hiſto-
riſche Urtheil unbedingt abſprechen , der die Vergaͤnglichkeit
ſolcher Buͤndniſſe aus irgend einer gemeineren Urſache hin-
leiten wollte , als aus der Beſchraͤnktheit und Unzulaͤnglichkeit
der religioͤſen Vorſtellungen , welche den Bund verbuͤrgten .
Vor allen Dingen zerfielen ſie , weil das den Bund beſchir-
mende Goͤttliche , wie ein ausſchließendes und abſolutes
Privateigenthum einer ſolchen Gemeinſchaft angeſehen wurde .
Die chriſtliche Religion zerſtoͤrte dieſen verderblichſten
Wahn von einem ausſchließenden Privateigenthume des hoͤch-
ſten Gutes , und ſo mußten alle geringeren Guͤter der Erde
die Wohlthat dieſer Befreyung theilen . Sie zerſtoͤrte den
Wahn des Privateigenthums , aber nicht etwa Eigenthum
und Eigenthuͤmliches uͤberhaupt : vielmehr erhaͤlt nun erſt
das hoͤchſte Gut , erhalten nun erſt mit ihm alle geringeren
Guͤter eine beſtimmte unveraͤnderliche kanoniſche Form , naͤhm-
lich einen bleibenden Zuſammenhang ; das Geſetz der Haus-
haltung wird nun erſt recht maͤchtig , da es auf der Idee
der wahren Freyheit begruͤndet wird ; die Richtung aller
Guͤter auf das mittlere hoͤchſte Gut beſtimmt nun ihren
Werth ; die Bereitſchaft jedes beſtimmte Gut dem gerechten
Verhaͤltniſſe zu den uͤbrigen Guͤtern unterzuordnen , und es
fuͤr das hoͤchſte Gut freudig aufzuopfern , erzeugt Sicherheit
und Vertrauen , ſomit das Gefuͤhl eines hoͤheren Eigenthums ;
die Gewohnheit uͤber den Schein der Conſumtion und der
Vergaͤnglichkeit , uͤber ein allgegenwaͤrtiges Bild des Todes
muthig hinweg zu ſteigen zu den Erzeugniſſen des weſent-
lichen Lebens , befeſtigt das Daſeyn des Einzelnen in einer
unendlich großen Gemeinſchaft , in einer hoͤheren Ordnung
der Dinge .
Wir ſehen im Mittelalter , nicht etwa nach Maaßgabe
des Planes irgend eines Geſetzgebers , oder einzelnen Exekuto-
ren des nunmehr kundgewordenen goͤttlichen und allernatuͤr-
lichſten Willens , ſondern vielmehr durch ein wahrhaft repub-
likaniſches Zuſammenwirken der Glaͤubigen , an tauſend Stel-
len , und unter den verſchiedenartigſten Formen , Sitten und
Sprachen , dieſe ganz neue und lebendige Ordnung der Dinge
ſich ausbilden : ich moͤchte ſagen , wir ſehen das Wort zum
Fleiſche auch der Staaten werden . Die Verhaͤltniſſe des
Einzelnen zu ſeinem Beſitze , des Buͤrgers zum Mitbuͤrger ,
des Individuums zu der Corporation oder Gemeinde , der
Gemeinde zum Staate , des Staates wieder zum Einzelnen ,
aber auch des Staates zu ſeinem Nachbarſtaate ordnen ſich
nach dem heiligen Geſetze der Gegenſeitigkeit : es iſt , als
kehrte , was bisher willkuͤhrlich durch einander und ausein-
ander ſchweifte , nunmehr ruhig in ſich ſelbſt zuruͤck ; als
haͤtte jeder nunmehr in ſich ſelbſt gefunden , was bisher
unſtaͤt in der aͤußeren Welt geſucht worden ; und als waͤre
das , lange Jahrhunderte hindurch , entfernt Geglaubte un-
vermuthet in der freundlichſten Naͤhe entdeckt . Das Reſultat
der Verhaͤltniſſe aller verſchiedenen politiſchen Thaͤtigkeiten un-
ter einander , iſt nun nicht mehr ein Ueberſchuß von handgreif-
licher Maſſenkraft und von ausſchließendem Eigenthum , und
von ausſchließenden Goͤttern und Guͤtern , ſondern vielmehr
derſelbige Glaube , unter deſſen Einfluß ſich alle jene Ver-
haͤltniſſe beſſer und fruchtbarer angeordnet .
Was einzelne Staaten einander abgewinnen , der Ueber-
ſchuß ihres Erwerbes hat nur Werth , in wie fern die große
Gemeinſchaft der Staaten es wieder conſumirt ; alſo aus-
ſchließend Eigenthuͤmliches , etwas unabhaͤngig von dem Leben
der uͤbrigen Staaten Beſtehendes hat auch der Staat nicht .
Auch von den großen Werthen , welche das Geſammtſtreben
jedes einzelnen Staates bildet , gilt was von den kleinen
Werthen , die das Geſammtſtreben jeder einzelnen Haushal-
tung im Staate erzeugt : auch dieſe großen Werthe gelten
nur durch ihre Richtung auf einen gemeinſamen Mittelpunct
unter den Staaten . Sie muͤſſen ſich unter einander nach
demſelben Geſetze der Kugel ordnen , das , wie oben erwie-
ſen , ein dauerhaftes Nebeneinanderbeſtehen der einzelnen
menſchlichen Kraͤfte erſt moͤglich machte . Alle ſollen in Bezie-
hung und Wechſelwirkung ſtehen mit Allen ; jeder Einzelne
ſoll fuͤr alle uͤbrigen leben und arbeiten , alle uͤbrigen ſollen
wieder das Daſeyn des Einzelnen verbuͤrgen ; die Gegenwart
ſoll fuͤr alle folgenden Geſchlechter ſorgen , wie die vorange-
gangenen Geſchlechter fuͤr die Gegenwart geſorgt . — Wie
ließe ſich dieſes große Problem der buͤrgerlichen Geſellſchaft
ſowohl durch den Gedanken , als durch die That loͤſen , wenn
kein Mittelpunct , kein mittelſtes Gut , kein Mittler zwiſchen
allen Geſchlechtern , Voͤlkern und Einzelnen , zwiſchen Vor-
zeit , Zukunft und Gegenwart ſich angekuͤndigt haͤtte .
Wenn nun ſchon das Centrum , darum ſich die einzelne
einfache Haushaltung bewegt , und wornach ſie ſtrebt , kein
Privateigenthum , kein handgreifliches ſondern nur ein un-
ſichtbares , bloß empfundenes Weſen ſeyn kann , das durch
den Hausvater nur repraͤſentirt wird ; wenn der Mittelpunct
des Staates noch weniger ein ausſchließendes Nationaleigen-
thum , ein von der Geſammtheit erworbener Ueberſchuß von
Maſſenkraft ſeyn kann , wenn nur der Nationalcredit ſelbſt
ſich dazu eignet , und um dieſen den Sinnen darzuſtellen ,
wir eine ewige regierende Perſon vermittelſt der Erbfolge
und der Primogenitur , oder einer immer von neuem ſich re-
producirenden Rathsverſammlung kuͤnſtlich conſtruiren muͤſſen :
um ſo viel weniger koͤnnte der Mittelpunct des Staatenver-
eines von einer vergaͤnglichen handgreiflichen Sache , von
einem Univerſalmonarchen oder einem Voͤlkerrathe dargeſtellt
werden . Hier gibt es weiter keine Repraͤſentation ; hier
muß der Glaube an den Mittelpunct , an die unendliche
Vermittelung ( mediation ) oder an den Mittler , ſelbſt zum
Mittelpuncte werden . Hier muß Gott ſelbſt ſeiner Menſchheit
unmittelbar zu Huͤlfe kommen , denn die irrdiſchen Huͤlfsmit-
tel der Repraͤſentation reichen hier nicht mehr aus .
Wenn aber durch wirkliche Offenbarung dieſes Mittelſte
gegeben iſt , ein fuͤr allemahl , und die Weſentlichkeiten der
menſchlichen Natur , unter allen Formen und fuͤr alle Zeiten
umfaſſend , dem reichſten Verhaͤltniß wie dem aͤrmſten an-
gemeſſen , dem Einzelnen und Allen , wie auch dem Zuſam-
menhange aller vollſtaͤndig genuͤgend — ſo iſt nunmehr nicht
bloß eine Staats- , ſondern auch eine Welthaushaltung moͤg-
lich . Alle kriegeriſchen und verzehrenden Elemente , und alle
friedlichen , erzeugenden dieſes großen Geſammtlebens , die
Weltproduktion und die Weltconſumtion , koͤnnen ſich unter
Vermittelung jenes Geoffenbarten zu einem hoͤheren , uͤber
den Schein des Lebens wie des Todes erhabenen und beyde
umfaſſenden Leben verbinden . Der Glaube , der Stifter die-
ſer unendlichen Gemeinſchaft , wird nunmehr auch zum ein-
zigen Reſultat derſelben ; der Vater in dieſem großen Hauſe
iſt zugleich der Sohn , das Erzeugte zugleich das Erzeugende
in dieſer Haushaltung ; der Prieſter zugleich das Opfer in
dieſem Heiligthum .
Es koͤnnte alſo eine Welthaushaltung geben , ſage ich ; die
Elemente dazu ſind in den Menſchen und in den Staaten vor-
handen , und die ewige Ordnung , das unvergaͤngliche Geſetz
ihrer Vereinigung iſt gegeben . — Statt dieſer Welthaushal-
tung aber zeigen ſich die Elemente derſelben abgeſondert ,
entbunden von den wohlthaͤtigen Schranken des Lebens ,
als elementariſche Gewalten , als Weltkrieg und Welthandel
im Zwieſpalt , und das Geſchlecht der Menſchen , das durch
ihre gegenſeitige Durchdringung begluͤckt werden ſollte , ihnen
zur Beute gegeben ; waͤhrend der friedenſtiftende Glaube ,
dem die Weltherrſchaft gebuͤhrt , arm und verkannt und ver-
bannt , ohne bleibende Staͤtte umherirrt .
Aber wie ein und dasſelbe Geſetz die groͤßte wie die
kleinſte Haushaltung ordnet , ſo zeigt ſich auch uͤberall in
der kleinſten wie in der groͤßten Haushaltung die Verſaͤumniß
des Geſetzes , unter derſelben Geſtalt und mit denſelben Symp-
tomen : in der kleinſten Privathaushaltung ein geheimer
Krieg Aller gegen Alle einerſeits , und ein kalter Handels-
verkehr mit den rohen Beduͤrfniſſen des aͤußeren Lebens an-
dererſeits ; und ſo bildet ſich denn jene vorgeblich cosmopoli-
tiſche Denkungsart , wo man einerſeits alle aͤußeren Schran-
ken durchbrechen will , damit dieſer kleine Kram ſich nur un-
gebunden an den Univerſalkram des Welthandels anſchließen
koͤnne , waͤhrend andererſeits die innere Feindſeligkeit der Ge-
muͤther recht cosmopolitiſch uͤbertritt , in den großen Welt-
krieg Aller gegen Alle , der die traurigen Bande , die der Han-
del geknuͤpft hat , wieder zerſtoͤrt , ſo , daß das geſammte Ge-
ſchlecht nur wieder eingefangen werden muß in Ketten und
Mauern ( anſtatt der umgeſtuͤrzten Schranken ) , damit wenig-
ſtens ſein Daſeyn gefriſtet werde .
Da wo das Auge die Welthaushaltung , das Weltgeſetz
in ſeinen ganz großen Zuͤgen ſucht ; im Voͤlkerverkehr , wo
kein irrdiſcher Arm das Geſetz mehr aufrecht erhalten kann ,
und wo es ſich ſelbſt durch ſein unendliches Mittlerthum
behaupten muß — zeigen ſich Maſſen des Todes , uͤberein-
ander gehaͤufte Bilder des Untergangs , und wie jene un-
gluͤcklichen Naturforſcher , die den Tod nicht zu beſiegen wuß-
ten , alſo die Lebenserſcheinungen zuſammen draͤngten , um
das immer mehr entweichende Leben zu greifen und zu faſſen ,
ſo irren die Vereinzelten , aus dem Zuſammenhang ihrer
Geſchaͤfte herausgeriſſenen Menſchen umher ; ohne Rath gegen
den Untergang , halten ſie ſich an den einzelnen Planken des
zerſcheiterten Lebens ; ſammeln und haͤufen die einzelnen Guͤ-
ter , die vom Geiſte der Geſellſchaft entbloͤßt , alſo werthlos
geworden ſind ; ſtreben alſo vor allen Dingen nach jener
Waare die an Expanſion und Contraktion , an Beweglichkeit
und Dauerhaftigkeit , dem hoͤheren Gute , welches ſie verloren
haben , am aͤhnlichſten iſt , naͤhmlich dem edeln Metalle .
Sie ſuchen Surrogate nicht bloß fuͤr den verlornen Ver-
kehr mit dem Indien , ſondern auch fuͤr den verlornen natuͤr-
lichen Verkehr unter einander , und ſehr ſchicklich faͤllt ihre
Wahl auf die edeln Metalle . Denn die edeln Metalle haben
unter allen Waaren den groͤßten kosmopolitiſchen Charakter ,
koͤnnen ferner am ſchaͤrfſten in die verlangten Theile abge-
ſondert und auseinander geſetzt werden , ihre Subſtanz endlich
iſt in allen Formen und Portionen die gleichfoͤrmigſte : ſo
entſprechen ſie ſehr genau den drey Haupttendenzen dieſes
zerſprengten Geſchlechts : nach dem ſchrankenloſen Univerſum
der allgemeinen Concurrenz , nach dem ſtreng abgeſonderten
und auseinander geſetzten Privateigenthum , und nach einem
bloßen Zahlen- , Summen- und Maſſenleben .
Theoret. Theil G
Da alſo alle hoͤheren Ruͤckſichten fuͤr die Werthbeſtim-
mung der Dinge verſchwunden , da in dieſem Chaos durch-
einander ſchweifender oͤkonomiſcher Atome von einer Richtung ,
von einem lebendigen Verhaͤltniß der oͤkonomiſchen Kraft nicht
weiter die Rede ſeyn kann , ſo gibt es nur augenblickliche
Beſtimmungen gewiſſer Scheinwerthe , oder Preiſe , deren
Schwanken und unverhaͤltnißmaͤßiges Steigen ſchon dar-
thut , daß ſie mit dem natuͤrlichen Gange der oͤkonomiſchen
Geſchaͤfte nichts zu ſchaffen haben , ſondern daß ſie von der
ungewiſſen Ebbe und Fluth eines eingebildeten Weltmarkts
abhangen .
Denn , daß zu aller Werthbeſtimmung ein Mittelpunct
gehoͤre , kann der Inſtinkt ſelbſt nicht verlaͤugnen , wenn auch
die Einſicht in das Centrum aller Mittelpuncte und aller
Kraftrichtungen laͤngſt verloren waͤre : man imaginirt ſich
einen Mittelpunct , und ſollte er auch wie der ſogenannte
Weltmarkt uͤberall und nirgends ſeyn .
Die Metalle ſollte es ſcheinen , muͤßten in dieſem Zuſtande
der Dinge , da ſie mit der Neigung aller Kraͤfte ſo genau
zuſammenhaͤngen , in einer unendlich beſchleunigten Progreſſion
koſtbarer werden , auch klagt das ganze Geſchlecht wie mit
einem Munde uͤber ihren Mangel ; aber ſo gerecht , ſo ſym-
metriſch offenbart ſich die Natur , der nunmehr allein das Regi-
ment uͤberlaſſen worden , auch in den Krankheiten der buͤrger-
lichen Geſellſchaft : die einzelnen Nothwendigkeiten des augen-
blicklichen Lebens , werden , da die gegenſeitige perſoͤnliche Huͤlfe
mehr und mehr nachlaͤßt , noch viel dringender als die Noth-
wendigkeit ſich in den Beſitz des hoͤchſten Gutes dieſer Zeit ,
naͤhmlich der edeln Metalle , zu ſetzen ; die Preiſe der Waaren
ſteigen in noch viel beſchleunigteren Verhaͤltniſſen , als die
Preiſe der Metalle .
Von den dermahligen Zuſtaͤnden des Preiſes der Dinge hat
man uͤberhaupt ganz falſche Vorſtellungen . Es ſcheint zwar ,
als ſtehen Waaren und Geld mit einander nur im umgekehr-
ten Verhaͤltniſſe , und ſo muͤßten dann in der gegenwaͤrtigen
Lage der Dinge die Preiſe der Metalle fallen , weil die Preiſe
der uͤbrigen Waaren ſteigen . Aber ich ſage die Preiſe der
Metalle ſteigen auch , und zwar fortgeſetzt , nur werden ſie
von den Preiſen der Waaren eben ſo fortgeſetzt uͤberſtiegen .
Sie ſteigen beyde , naͤhmlich mit Beziehung auf ein anderes
nicht zu verſaͤumendes Weſen , welches ſinkt .
Metall und Waare ſtehen unter einander in einer Art
von Wechſelverhaͤltniß ( umgekehrten Verhaͤltniß ) nur in
einem untergeordenten : Dieſes Verhaͤltniß eben weil
es ein bloßes Zahlenverhaͤltniß iſt , ſteht ſelbſt
wieder in einem hoͤheren Verhaͤltniß zu den
( geometriſchen ) geſellſchaftlichen Richtungen
der Kraft .
Das Verhaͤltniß der Waaren zu dem gemeinen Gelde wird
ausgedruͤckt durch eine Zahl , und dieſe Zahl nennen wir den
Preis , das geometriſche Verhaͤltniß der Kraftrichtung zu
ihrem Vereinigungspunct haben wir den Werth genannt ,
der eigentlich , wie oben gezeigt , nur durch eine Figur , durch
die Kugel ausgedruͤckt werden kann , und nur ſubſidiariſch durch
eine Zahl bezeichnet wird . Der große Wagebalken , woran
der Staatsmann und der Staatsgelehrte darauf zu achten
G 2
haben , daß das Zuͤnglein wohl einſtehe , iſt alſo nicht das
Verhaͤltniß , Geld und Waare , vielmehr iſt dieſes ganze Ver-
haͤltniß mit ſeinen beyden Gliedern nur der eine Arm des
Wagebalkens : der andere Arm iſt das Verhaͤltniß , iſt die oͤko-
nomiſche Richtung zum Mittelpunct ; dieß iſt der Arm , welcher
das Gewicht traͤgt , das heißt : den Werth .
Das allgemeine und unverhaͤltnißmaͤßige Steigen der
Preiſe an dem einen Arme des Wagebalkens beweiſt , wie es
auch wirklich der Fall iſt , daß der andere Arm desſelben , der
die Werthe traͤgt , ſinkt . — Das iſt der eigentliche Sinn der
gegruͤndeten Klage uͤber die Preisſteigerung aller Dinge , und
darum haben , ſo lange die Theorie das Verhaͤltniß Geld und
Waare allein betrachtete , die Perioden der Zufluͤſſe aus den
Minen , waͤhrend der drey letzten Jahrhunderte , niemahls ,
auch wenn man dem neuen Verhaͤltniſſe Zeit gab , ſich zu ent-
wickeln , mit den Perioden der erheblichſten Preisſteigerungen
uͤbereintreffen wollen . Waͤhrend dieſer letzten drey Jahrhun-
derte aber iſt die oͤkonomiſche Richtung der Kraͤfte von jedem
folgenden Geſchlechte , das durch immer groͤßere Maſſen von
Produkten geblendet wurde , immer mehr hintan geſetzt wor-
den , darum ſind die Preiſe der Dinge ſo vernehmlich geſtie-
gen , und die Werthe ſo vernehmlich geſunken . — Das Bild
von der Wage druͤckt die Sache ſehr wohl aus ; das Steigen
druͤckt ein Ungenuͤgen , ein zu leicht erfunden werden , und
das iſt auch die eigentliche Bedeutung aller allgemeinen und
empfindlichen Preisſteigerung .
Weil das Verhaͤltniß des gemeinen Geldes zu den Waa-
ren , oder der Preis , an und fuͤr ſich nichts Beſtimmtes iſt , ſo
iſt auch der Markt an und fuͤr ſich , ſo iſt der Weltmarkt ein
voͤllig unbeſtimmtes Weſen . So bald aber das Verhaͤltniß
der Richtungen unter einander , und zum Mittelpunct an der
groͤßten wie an der kleinſten Stelle mit in Betracht kommt ,
ſo bald die Preiſe und die Werthe einander reguliren , dann
entſtehen wirkliche Haushaltungen , die ſich unter einander in
lebendigen Zuſammenhang ſetzen , und zuletzt die große be-
ſtimmte Welthaushaltung bilden , die auf jedes einzelne Haus-
weſen ſo ſegensreich , als der eingebildete Weltmarkt verderb-
lich zuruͤckwirkt . Die letzte und hoͤchſte Bedingung dieſes
geordneten Zuſtandes wird aber allezeit ſeyn , daß ein unzer-
ſtoͤrbarer Weltglaube , das heißt : ein goͤttlicher Vermittler
aller irrdiſchen Geſchaͤfte da ſey .
Alſo auch mit Ruͤckſicht auf ſein Verhaͤltniß zu anderen
Staaten , iſt es nicht ein Ueberſchuß in der Maſſe der Pro-
duktion , der die Geſammtexiſtenz des Staates an ſeinem
Orte verbuͤrgt . Die Nationaloͤkonomie wird allerdings ſolchen
Ueberſchuß abwerfen , aber dieſer wird nie abſolute , und an
ſich fuͤr ein Mittel der Behauptung im Staatenvereine ange-
ſehen werden koͤnnen .
Dieſer Ueberſchuß wird entweder zur Bewaffnung und zu
Vorbereitungen der Vertheidigung angewendet , und in ſo fern
iſt es gar kein Ueberſchuß ; er iſt ein bloßes Werkzeug , das
der Staat kraft ſeiner Ganzheit und der Nachbarſchaft
anderer Staaten ſo nothwendig gebr au cht , um ſich fortdau-
ernd in ein productives Verhaͤltniß zu ihnen zu ſetzen , um
ſie mit ſich im wechſelwirkenden Streben nach dem gemein-
ſchaftlichen Mittelpunct des ganzen Staatenvereines zu
erhalten , als der Handwerker mancherley Werkgeraͤth braucht ,
um mit ſeinem geliebten Materiale ein Produkt zu gewinnen ,
welches gegen den mittelſten Staatszweck hin in unendlicher
Annaͤherung begriffen iſt . Wie bey dem unſcheinbarſten Hand-
werk eine kunſtreiche , halb zwingende , halb reitzende Behand-
lung des Arbeiters dazu gehoͤrt , um ſeine Produktivitaͤt zu
behaupten , ſo muß eine gleichfalls halb zwingende , halb
reitzende , halb militaͤriſche , halb diplomatiſch- merkantiliſche
Behandlung der Nachbarſtaaten es ausweiſen , ob ſich der
Staat bey ſeinem produktiven Leben und bey ſeiner Ganzheit
behauptet .
Wird jener Ueberſchuß im auswaͤrtigen Handelsverkehr
aufgewendet , und werden dafuͤr im Auslande Aequivalente
in Waaren eingetauſcht , ſo muß innerhalb unſers Staates ein
Beduͤrfniß nach dieſen eingetauſchten Objecten Statt gefun-
den haben ; unſere Conſumtion iſt alſo nicht durch die Pro-
duktion gedeckt geweſen , und der Ueberſchuß war nur ſchein-
bar . Haben wir edle Metalle oder Geld dafuͤr eingetauſcht ,
ſo muß , wenn das Geld ſeinen Werth behalten ſoll , entweder
die innere Conſumtion ſchon darauf warten , oder ſie muß der
Waaren beduͤrfen , die in anderen Gegenden des Auslandes
fuͤr das Geld eingetauſcht werden ; in beyden Faͤllen iſt der
Ueberſchuß gleichfalls nur ſcheinbar geweſen . Dasſelbe gilt
dann auch von den Waaren , die zur Reexportation einge-
fuͤhrt werden .
Was alſo der Staat im Ganzen werth ſey , offenbart
ſich nicht in Maſſenuͤberſchuͤſſen , ſondern in der Richtung ſei-
ner Geſammtkraft auf den ewigen Mittelpunct des Glaubens ,
der das ganze oͤkonomiſche Geſchaͤft dieſer Erde in ſeinen
Fugen erhaͤlt ; und , um dieſes Mittelpuncts Willen , in dem
gerechten und ſchoͤnen Verhaͤltniß ſeiner Kraftrichtung zu den
Kraftrichtungen der uͤbrigen Staaten .
So wie nun eine einzelne Linie durch eine nach ihr hin
convergirende andere Linie erſt zur beſtimmten Linie wird ,
ſo bedeutet auch die Kraftrichtung eines einzelnen Staates
an und fuͤr ſich allein noch nichts ; ſie muß erſt durch eine
zweyte convergirende Kraftrichtung eines anderes Staates
eine beſtimmte Bedeutung , einen beſtimmten Werth erhalten .
So wenig der einzelne Arbeiter im Staate ſich des wech-
ſelwirkenden Entgegenkommens der Arbeit ſeines Nachbars
uͤberheben kann ; ſo gewiß durch die convergirende Richtung
der Arbeit dieſes Nachbars erſt die eigene Arbeit Werth er-
haͤlt , und die groͤßten Ueberſchuͤße , wenn ſie moͤglich waͤren ,
der Arbeiter ſich aber iſolirte , und aus dem Verhaͤltniß der
nachbarlichen Kraftrichtungen heraustraͤte , voͤllig werthlos
werden muͤßten — ſo gewiß kann der Schein von Kraftuͤber-
ſchuͤßen eines einzelnen iſolirten Staates den Kenner uͤber
ſeinen wahren Werth nicht taͤuſchen . Erſt in der Richtung
gegen die Kraftrichtungen der Nachbarn , muß ſich der Werth
der Nationalmacht eines Staates ergeben . Alſo erſt muß der
Staat das ganze reale Streben ſeiner Nachbarſtaaten mit
gerechter Nachgiebigkeit ſtatuiren und beguͤnſtigen , er muß
ſeine Nebenſtaaten als ſeines Gleichen um des Glaubens ,
um des Staatenvereins , um der Chriſtenheit Willen ( welche
die einzig gedenkbare Form eines ſolchen Staatenvereines iſt )
frey anerkennen , wenn ihm ſelbſt und allem , was er enthaͤlt ,
und was ſeinen untergeordneten Werth wieder von dem
Werthe des Staates ableitet , ein ſolcher Werth zugeſchrieben
werden ſoll . —
So haͤtte ſich denn nun die Sache ſonderbar gewendet :
der aus der Mehrheit der Staaten hergenommene Einwurf
gegen meine Anſicht der Haushaltung waͤre dadurch wider-
legt , daß ich gezeigt habe , wie dieſe ganze Anſicht nur bey
der Mehrheit der Staaten , und durch die Idee einer Welt-
haushaltung beſtehen koͤnne .
Neuntes Kapitel .
Vom Beduͤrfniß .
D as , was wir in unſerer bisherigen Darſtellung Conſumtion
genannt haben , und was zur Produktion in demſelben Ver-
haͤltniß ſteht , wie der Tod zu Geburt , erſcheint , wenn wir
von der Produktion abſehn , als Lebensgenuß ; und in wiefern
wir uns die Conſumtion als den Antreiber aller Produktion
denken , ſo nennen wir ſie Beduͤrfniß . Wenn aber die Pro-
duktion vom Beduͤrfniß regiert wird — befruchtet wird , moͤchte
ich ſagen— und ſie auch nichts anderes erzeugen ſoll , als etwas
beſtimmt Verlangtes , Begehrtes , ein Beduͤrfniß , im objec-
tiven Sinne des Wortes , ſo verſteht es ſich wohl von ſelbſt ,
daß es der Staatswirth nie und nirgends mit der Produktion
an ſich zu thun haben kann , ſondern immer nur mit dem
Verhaͤltniß der Produktion zum Beduͤrfniß oder mit der Pro-
duktion inwiefern dieſe durch das Beduͤrfniß eine beſtimmte
Richtung erhalten hat .
Alle einzelnen Beduͤrfniſſe laſſen ſich , wie ich ſchon oben
gezeigt , auf ein einziges Hauptbeduͤrfniß reduciren : der Menſch
will ſich vervollſtaͤndigen , verewigen ; er will ſich uͤber die ei-
gene Gebrechlichkeit , Unvollſtaͤndigkeit , Vergaͤnglichkeit zur
Geſundheit , Fuͤlle und Dauerhaftigkeit des ganzen Geſchlechtes
erheben , in welchem er lebt , ſich ſelbſt erkannt hat , ſeiner
ſelbſt bewußt worden iſt ; darum bedarf er der Speiſe und des
Trankes , er bedarf ſeines Gleichen , er bedarf der Perſonen
entgegengeſetzten Geſchlechts , er bedarf des Staates , ja er be-
darf des Staatenvereines in einem weltumfaſſenden Glauben
d. h. der Kirche .
Kurz , er bedarf Homogenes und Heterogenes . Wollte er
die ganze Welt als Homogenes ſich aneignen , verſpeiſen , ſich
als Privateigenthum unterwerfen , ſo waͤre dieß freylich , falls
es gelingen koͤnnte , ein Weg der Vervollſtaͤndigung : die Fuͤlle
des Raums wuͤrde er ſich aneignen , aber die Zeit , welche er
verſaͤumt haͤtte , wuͤrde ſich an ihn raͤchen ; das eben ſo leb-
hafte Verlangen nach Dauer und Ewigkeit bliebe nicht bloß
unbefriedigt : je mehr er ſich durch die Eroberung des Raumes
an Umfang erweiterte , je mehr ( wenn ich mich ſo ausdruͤcken
darf ) Vergaͤnglichkeiten er ſich aneignete , in ſo viel Bildern
mehr ſaͤhe er den Untergang der einzelnen Dinge vor Augen ,
um ſo mehr haͤtte er ſein Daſeyn verkuͤrzt . Anſtatt ſich an ein
dauerhafteres Ganze anzuſchließen , und ſeine Vergaͤnglichkeit
durch die Ewigkeit dieſes Ganzen aufzuheben , haͤtte er es un-
ternommen , die Beſtandtheile dieſes Ganzen in die Sphaͤre
ſeiner Vergaͤnglichkeit hinuͤberzureißen .
Um die Welt zu erobern , muß er ſie vereinzeln , in ihre
Beſtandtheile zerlegen ; er muß ſie theilen , um ſie zu beſitzen
( divide et impera ) ; er muß ihre Ganzheit aufheben , um
ſie ausſchließend zu beherrſchen ; ſie gewaͤhrt ihm alſo auf die-
ſem Wege gerade das nicht , was er verlangt und bedarf .
Nichts deſtoweniger kann dieſes Beduͤrfniß der Fuͤlle , und
dieſer Drang nach der Ewigkeit befriedigt werden ; es gibt
nur einen Weg dazu , der zugleich der allernatuͤrlichſte
iſt , der aber fruͤh verloren gegangen , und nur durch ein
goͤttliches Licht hat wieder gefunden werden koͤnnen , und von
den Weiſen der Erde doch wieder vergeſſen worden iſt . Er
heißt : Liebe Gott uͤber alles und deinen Naͤchſten als dich ſelbſt
und um dieß hoͤchſt dunkle und myſtiſche Wort den Philoſophen
und Oekonomen dieſer Tage zu uͤberſetzen : Erfuͤlle dich ganz
von der innerſten Eigenheit deiner Natur , von dem Drange
nach der Ganzheit , die den Raum und die Zeit , die jene Voll-
ſtaͤndigkeit und Ewigkeit , welche du begehrſt , umfaßt , und
dann um dieſer Ganzheit willen erkenne außer dir deines
Gleichen an , erkenne daß er außer dir unerobert , unuͤber-
windlich bleiben muß , damit deine Innerlichkeit einen Gegen-
ſtand unendlicher Aneignung , d. h. der Liebe habe .
Alſo , damit das Beduͤrfniß aller Beduͤrfniſſe befriedigt
werden koͤnne , muß der Menſch ein unendliches Verlangen
der Aneignung empfinden : Hunger und Durſt und tauſend-
faͤltige Maͤngel pflegen und beſtaͤrken dieſes Verlangen ; aber
damit dieſes Verlangen nicht unabhaͤngig fuͤr ſich , ohne ein
anderes beſchraͤnkendes und daͤmpfendes Element , wie ein ſich
ſelbſt uͤberlaſſenes , verzehrendes Feuer raſe , muß es gehemmt
werden durch ſeinen Gegenſtand , — muß ihm ein unendliches
Verſagen zur Seite gehn . —
Die Sachen ſcheinen dieſem verzehrenden Verlangen un-
bedingt unterworfen ; aber da ſich , nach der Einrichtung die-
ſer Welt , die Sachen nicht aneignen laſſen , als vermittelſt der
Perſonen , da bald die Perſonen ſelbſt zum Gegenſtande des
allerungeſtuͤmſten Verlangens werden , dieſes Verlangen aber
nur deßhalb ſo ungeſtuͤm iſt , weil es nichts Aeußeres an den
Perſonen , ſondern ihre innere Perſoͤnlichkeit ſelbſt begehrt ,
dieſe Perſoͤnlichkeit aber nur begehrt werden kann , inwiefern
ſie das Bleibende iſt , unter allem vergaͤnglichen Auſſenweſen ,
alſo begehrt wird , und doch zugleich ewig unerreichbar iſt fuͤr
alles Begehren , — ſo muß der Menſch aus dieſem Wider-
ſpruch zuruͤckkehren , mit dem Bewußtſeyn eines Doppelverlan-
gens : er muß anerkennen , daß in ſeinem Drange nach der
Aneignung zugleich das andere Verlangen verborgen liegt , daß
die Dinge beharren moͤchten in ihrer Eigenheit , damit eine
unendliche Aneignung moͤglich ſey : dieſe unendliche Aneignung
nennt die Religion : Liebe , und befiehlt : Gott ſelbſt anzuſchauen
als dieſe Liebe .
Das Beduͤrfniß aller Beduͤrfniſſe , das Beduͤrfniß nach der
Ganzheit und Ewigkeit , wird alſo befriedigt durch die Erkennt-
niß der Vereinigung des Ganzen in der Liebe , und durch die
unendliche Ausuͤbung der Liebe , indem die Eigenheit und Un-
uͤberwindlichkeit aller Gegenſtaͤnde der Liebe anerkannt wird .
Kein Beduͤrfniß des Lebens wird auf eine andere Weiſe be-
friedigt : mit jedem Biſſen fuͤr unſern Hunger , mit jedem
Tropfen fuͤr unſern Durſt wollen wir zugleich die Beruhigung
ſpeiſen und trinken , daß wir dieſe Begierden immer werden
befriedigen koͤnnen , daß alle anderen Bedingungen dieſer Be-
friedigung dauern werden , daß auch der Naͤchſte , deſſen liebe-
vollen Beyſtand wir brauchen um dieſes Brotes und dieſes
Weines willen , ſich derſelbigen Befriedigung erfreue , daß alſo
das Band fortdaure , welches die Tage untereinander , die Ge-
ſchoͤpfe der Tage unter einander und dieſe regelmaͤßig mit jenen
verbindet .
Kann es nun , frage ich , ein groͤßeres Zeichen der Zerruͤt-
tung aller geſellſchaftlichen Anſichten und Verhaͤltniſſe geben ,
als daß eine Theorie der Haushaltung erfunden , und fuͤr
eine Wiſſenſchaft anerkannt werden kann , in der von jenem
Beduͤrfniß aller Beduͤrfniſſe nicht die Rede iſt , in der die Din-
ge fuͤr ſich , abgeſondert von jenem Geiſt , von jenem Verhaͤlt-
niſſe zu einander , von jenen Neigungen und Kraftrichtungen ,
in denen ſich ihr eigentliches Leben offenbart , abgeſondert von
jenem Mittelpunct , welches die Liebe iſt , betrachtet werden ;
eine Lehre die von dem , was in der Speiſe eigentlich den Hunger ,
was in dem Trunk eigentlich den Durſt loͤſcht , nichts weiß ;
eine Lehre , welche die Menſchen aus der Welt heraus produci-
ren , ſie mit Produkten herausdraͤngen will , und welche das
Geheimniß der Produktion auch des geringfuͤgigſten Handwerks
nicht kennt , kaum danach fragt ; die dem Menſchen zeigen will ,
wie er die Welt durch eine kuͤmmerliche Induſtrieliſt erobern ,
und ſich als Privateigenthum unterwerfen kann , waͤhrend ſie
ihm das unſcheinbarſte Eigenthum auch nicht auf einen Tag
zu garantiren vermag ; eine Lehre die ſtatt aller Principien von
der einen großen Thatſache der menſchlichen Gefraͤßigkeit aus-
geht , und , wie das unvermeidliche Gefreſſenwerden zu verhuͤ-
then ſey , an keiner Stelle nachweiſet : kurz eine Lehre vom
Reichthum , die von dem Werth der Dinge keine Rechenſchaft
zu geben weiß .
Da alle Beduͤrfniſſe zuletzt auf das eine Hauptbeduͤrfniß
der buͤrgerlichen und menſchlichen Geſellſchaft zuruͤckkehren ,
welches , wie ich hinlaͤnglich erwieſen , nur durch und mit
Gott zu befriedigen iſt ; da alle Produktion , wie ich gleichfalls
gezeigt , eigentlich keinen Ueberſchuß in Sachen , ſondern nur
den hoͤhern Credit , den hoͤheren Glauben an die buͤrgerliche
Geſellſchaft , und ſomit in letzter Inſtanz den hoͤhern Glauben
an die goͤttliche Idee , wodurch die buͤrgerliche Geſellſchaft zu
einem Ganzen wird , bezweckt — ſo muß uns der bloße , ge-
woͤhnliche , widerſpruchsſcheue Verſtand zugeben , daß eine
genuͤgende Anſicht der Staatswirthſchaft ſo lange unmoͤglich
war , als man bey den mechaniſchen Umtriebe der aͤußeren
producirenden Kraͤfte allein verweilte , als man nur den hand-
greiflichen Dingen ein oͤkonomiſches Gewicht zugeſtehn wollte ,
und die unſichtbare Macht , welche dem menſchlichen Beduͤrfniß
ſeine Richtung , und ſomit aller Produktion ihre Form gibt , durch-
aus nicht als oͤkonomiſches Moment anerkennen wollte . Fuͤr
das Verzehren , meinte man , laßt die Natur ſorgen ( d. h.
die rohe , wilde Natur , die der buͤrgerlichen Ordnung gegenuͤber
billig Zufall genannt werden muß ) — ihr habt nur ſo viel als
moͤglich zu produciren , damit allezeit mehr vorhanden ſey ,
als conſumirt werden kann . —
Was Wunder , daß die Menſchheit in aller ihrer Produkten-
fuͤlle zu verſchmachten Gefahr lief ! Auf die hoͤheren Beduͤrf-
niſſe , auf das Beduͤrfniß aller Beduͤrfniſſe , auf den Frieden
der jedem Dinge inwohnen muß , damit es befriedigen kann ,
war keine Ruͤckſicht genommen ; die ganze Produktion hatte fuͤr
ein fabelhaftes Zwittergeſchlecht gearbeitet , fuͤr ein Buͤndel
iſolirter , gebildeter , eleganter , ſich unabhaͤngig waͤhnender
Sklaven , die weder Gottes noch der Geſellſchaft beduͤrften :
indeſſen ſehnte ſich und rang das wirkliche Geſchlecht noch im-
mer , wie vor Alters , nur unbeſtimmter , unbefriedigter und
ungluͤcklicher nach der Vereinigung , nach jenem unſchaͤtzbaren
Beyſchmack der Sicherheit und des Glaubens in allem Genuſſe ,
nach der Gemeinſchaft mit allen , in der genoßen werden muß ,
wenn der Genuß von ihr verbuͤrgt werden ſoll . — Maſſen ,
Summen und Zahlen koͤnnen den eigentlichen Durſt nicht ſtillen ;
der zerruͤttete Markt kann das Beduͤrfniß nicht befriedigen :
nur die Allgegenwart des Credits kann es . —
Der Staatswirth alſo vermag die Produktion nicht zu
treiben , als durch das Beduͤrfniß ; durch das Beduͤrfniß des
einzelnen Augenblicks kann er ſie aber nicht treiben wollen , weil
das Beduͤrfniß des folgenden Augenblicks alle ſeine Muͤhe wie-
der aufheben wuͤrde ; er fraͤgt alſo nach dem dauernden Beduͤrf-
niß , d. h. wohin das Beduͤrfniß der Geſellſchaft und jedes
Einzelnen fuͤr die Dauer gerichtet ſey : er fraͤgt zufoͤrderſt nach
Linien und nicht nach Zahlen , denn durch die Zahlen eines
Etats wuͤrde er nur erfahren koͤnnen , wie ſtark das Beduͤrfniß ,
aber nicht welcher Art es ſey . Seine Beſtimmung aber iſt nicht ,
jedes einzelne Beduͤrfniß fuͤr ſich abzufinden in ſeiner Quantitaͤt ,
ſondern er hat fuͤr ein gerechtes Verhaͤltniß der Beduͤrfniſſe
untereinander zu ſorgen , damit eine verhaͤltnißmaͤßige und ge-
rechte Befriedigung derſelben moͤglich ſey . Wenn ein gerechtes
Verhaͤltniß unter allen Beduͤrfniſſen und Neigungen Statt finden
ſoll , ſo muͤſſen dieſe Beduͤrfniſſe nach einem Mittelpunct hin
convergiren , das Beſtehen des Ganzen , das Heil der Geſell-
ſchaft ſelbſt muß dieſer Mittelpunct ſeyn ; kurz allen einzelnen
Beduͤrfniſſen und Neigungen muß eine nationale Neigung
einwohnen , alle einzelnen Beduͤrfniſſe muͤſſen auf das Beduͤrf-
niß aller Beduͤrfniſſe gerichtet ſeyn .
Alle Staatswirthſchaft hat alſo die Beſtimmung zwiſchen
dem Beduͤrfniß und der Produktion zu vermitteln , d. h. da
das ewige Beduͤrfniß die Werthe , die augenblickliche Produk-
tion aber die Preiſe beſtimmt , zwiſchen den Werthen und
Preiſen zu vermitteln ; beyde , und mit ihnen Zeit und Ewig-
keit ſeiner Haushaltung im Gleichgewicht zu erhalten .
Jedermann gibt mir zu , daß die Finanzen eines Staates
nicht dirigirt werden koͤnnen , ohne einen Etat , der ſo weit
als moͤglich alle zukuͤnftigen Beduͤrfniſſe umfaßt ; aber mit
der Erkenntniß der Etatsſumme iſt noch nichts erreicht , man
muß kennen die Art wie , die Perioden wann dieſe Beduͤrfniſſe
eintreten werden , und da ſich weder das Beduͤrfniß eines
Staates , noch die Befriedigung desſelben genau vorher berechnen
oder unthaͤtig abwarten laͤßt , ſo muß der Finanzminiſter Ein-
fluß auf die Leitung dieſer Beduͤrfniſſe erhalten ; er muß
Macht uͤber die Beduͤrfniſſe haben , ganz in demſelben Grade ,
als er uͤber ihre Befriedigung hat . Aber es ſind nicht bloß
die Beſtimmungen der auswaͤrtigen Politik , der Krieg ,
die Bewaffnung , die Diplomatie , der Welthandel welche die
Natur der Staatsbeduͤrfniſſe gewaltig veraͤndern : dieſe Ver-
aͤnderungen ſind voruͤbergehender Art gegen die tiefergreifenden
Revolutionen der inneren Haushaltung ; ein einziges Roͤmiſches
Geſetz , welches das abſolute Privateigenthum befoͤrdert , eine
einzige Verordnung , welche alte angeborne und angeerbte
Unterthaͤnigkeitsverhaͤltniſſe aufhebt , vermag die Richtung aller
Beduͤrfniſſe auf den Staatszweck mehr zu zerſtoͤren , als alle
Kriege nicht koͤnnen : der Finanzminiſter iſt alſo auch ohne
Einfluß auf die geſammte Privatgeſetzgebung nicht zu denken .
In der Praxis , welche nie ſolcher Ausſchweifungen faͤhig iſt
als die Theorie , iſt dieß haͤufig anerkannt worden .
Wenn nun tauſenderley Beſchraͤnkungen und Ausfuhr- und
Einfuhrverbothe angeordnet werden muͤſſen , um die eigennuͤ-
tzige und weltbuͤrgerliche Neigung der Unterthanen in die noth-
wendige Richtung auf den Staatszweck hineinzuzwingen , ſo
ſchreyt die Theorie uͤber Tyranney und Druck , weil das geliebte
Privateigenthum angegriffen , weil dem Privatleben verſagt
wird , was es nicht auf nationale Weiſe und mit nationaler
Maͤßigung zu gebrauchen verſteht ; dann ſollen gewiſſe einfache
Grundſaͤtze der allgemeinen Concurrenz und der ſogenannten
Freyheit verletzt ſeyn , die Produktion ſoll leiden u. ſ. f. —
Ich habe die Fabel vom Weltmarkt , und jener Freyheit bereits
hinreichend widerlegt : ich citire den ebenerwaͤhnten Fall nur um
zu zeigen , wie dieſe Theorie aus einem natuͤrlichen Inſtinkt
uͤberall da etwas Unheimliches wittert , wo die Richtungen
der Kraͤfte angetaſtet werden : und man darf nicht uͤberſehn ,
daß es einer ihrer oberſten Grundſaͤtze iſt , daß dieſe Richtungen
der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit uͤberall der freyen Willkuͤhr uͤber-
laſſen werden muͤßten .
Daß ungeachtet allen Geſchreys der Theorie , ungeachtet
aller ihrer wiederhohlten Appellation an die Humanitaͤt des
Jahrhunderts , dieſe Richtungen der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit ,
anſtatt eigenem Belieben uͤberlaſſen werden zu koͤnnen , immer
mehr haben beſchraͤnkt und bezwungen werden muͤſſen , daruͤber
werden ſich die Theorien mit ihrer eigenen Weisheit und mit
Theoret. Theil. H
der Ueberzeugung von der Kurzſichtigkeit der Regierungen zu
troͤſten wiſſen , wiewohl in den Augen jedes unbefangenen Be-
obachters dieſe Eine Erfahrung ſie vollſtaͤndig zu Boden ſchlaͤgt .
Wie ſehr man auch an vielen Stellen in Europa mit Ruͤckſicht
auf die innre Adminiſtration leider dem Drange der Zeiten und
der Theorien , und der unmittelbaren Geldbeduͤrfniſſe nachgege-
ben hat , wie unverhaͤltnißmaͤßig man auch die Induſtrie , den
Markt , die Mobiliſation alles Eigenthums u. ſ. f. beguͤnſtigt ,
die Landwirthſchaft ſelbſt in das Gebiet der uͤbrigen Augen-
blicklichkeiten und Veraͤußerlichkeiten hinuͤbergezogen , und die
Richtungen der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit im Innern des Staa-
tes der Willkuͤhr des Augenblicks preis gegeben hat , ſo war
das Beduͤrfniß ein politiſches Ganzes , einen abgeſonderten
Staat zu bilden , doch allenthalben zu groß , als daß man
nicht das Hinuͤberſchweifen der oͤkonomiſchen Kraftrichtungen
uͤber die Grenzen der Staaten aus allen Kraͤften haͤtte verhin-
dern ſollen . Je mehr alſo im Innern der Willkuͤhr des Privat-
mannes uͤberlaſſen worden war , um ſo ſtrenger , um ſo druͤcken-
der mußten die Schranken um das Ganze werden ; je fluͤßiger
und kernloſer die Frucht , deſto dichter und haͤrter die Schale , waͤh-
rend eine leichte zarte Haut dicht und kernicht organiſirte Fruͤchte
bey einander erhaͤlt : fuͤr jedes im Binnenlande freygegebene
Gewerbe , mußte das Nationalgewerbe im Ganzen enger ein-
geſpannt werden ; und wurde alle oͤkonomiſche Thaͤtigkeit uͤber-
haupt der Willkuͤhr und dem augenblicklichen Leichtſinn der
Induſtriemaͤnner dieſes Augenblicks preis gegeben , ſo haͤtte es
Noth gethan , daß man den Staat an ſeinem Umkreiſe haͤtte
hermetiſch verſiegeln koͤnnen , um wenigſtens die Atome des
Nationalgluͤcks bey einander zu halten . In Staaten hingegen ,
wo man die alten Schranken der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit , wo
man die feudaliſtiſchen Formen der Haushaltung und Dienſt-
verhaͤltniſſe geſchont hat , ſo viel es die Umſtaͤnde erlauben woll-
ten , wo man dem Vorwitz angeblicher Culturfortſchritte we-
niger nachgeſehn , wo man die Frucht in ihrer alten , orga-
niſchen und kernigen Natur erhalten hat , wie in Oeſterreich ,
da haben auch die groͤßten Beſchraͤnkungen der Induſtrie , und
des auswaͤrtigen Handels unverhaͤltnißmaͤßig weniger gedruͤckt .
Anſtatt demnach jene Richtungen des Beduͤrfniſſes und alſo
der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit , jenes heilige Skelett der geſamm-
ten Staatshaushaltung , das ſich im Laufe der Jahrhunderte
zu dem eigentlichen Stamm und Traͤger aller politiſchen Or-
gane befeſtiget hat , der Willkuͤhr einer , von aller geſellſchaft-
lichen Tugend abgewendeten Generation zu uͤberlaſſen , verlan-
ge ich vielmehr , daß alle Produktion des Augenblicks oder des
einzelnen Jahres ihr untergeordnet werden ſoll . Hat der Staats-
wirth in dem Verhaͤltniß : Beduͤrfniß und Produktion , das
eigentlich im Gleichgewichte ſchwebend vor ſeiner Seele ſtehen
ſoll , irgend etwas zu beguͤnſtigen , ſo iſt es das Beduͤrfniß ,
das ewige Geſammtbeduͤrfniß ſeines Staates , denn dieſes
muß ihm lehren , was die natuͤrliche , angeſtammte , und mit
der uͤbrigen Haltung und Erhaltung des Staates vereinbare
Produktion ſey . Dieſes eigentliche Stammvermoͤgen , dieſes
erprobte Capital , das , wie man mir endlich wohl ohne fer-
neren Beweis einraͤumen wird , vielmehr in der Zaͤhigkeit der
Beduͤrfniß- und Kraftrichtungen , und in ihrem feſten Verhaͤlt-
niß zu einander , als in der Groͤße der darin ſich bewegenden
H 2
Kraͤfte und Maſſen beſteht , zu ſchonen und zu erhalten , iſt
des Staatswirths erſte Ruͤckſicht : iſt dieſe beachtet , dann
moͤgen die Beduͤrfniſſe und die Produktion des Augenblicks an
die Reihe kommen , dann moͤgen die aͤußeren Umriſſe des hei-
ligen Koͤrpers geſchmuͤckt werden , dann moͤge man ſeine Mus-
keln uͤben , ſeine Bruſt ſtaͤhlen , und ihn mit allen Aeußerlich-
keiten , die der Augenblick verlangt , bewaffnen und begaben .
Ueberlaͤßt man hingegen das Beduͤrfniß der Menſchen ſich
ſelbſt und der willkuͤhrlichen Richtung , welche die Theorien
verlangen , ſo hat man damit nichts Geringeres gethan , als
das abſolute Privateigenthum zur einzigen Form aller An-
eignung erklaͤrt , man hat die Anrechte des Staates auf alles
Eigenthum in ſeinem Umkreiſe aufgegeben , denn durch die ge-
wohnten Kraftrichtungen alles Einzelnen auf das Ganze allein
war der Staat in Stand geſetzt , ſeine Anſpruͤche an alles
Einzelne in jedem Augenblick zu realiſiren . Hat man alſo das
Beduͤrfniß der Menſchen , das lange Jahrhunderte hindurch
in allen weſentlichen Ruͤckſichten eins war mit dem National-
beduͤrfniß und unzertrennlich von ihm , von Grundaus priva-
tiſirt , und alſo die Sklaverey des Privateigenthums zur ein-
zigen Richtſchnur alles menſchlichen Beduͤrfniſſes und aller
menſchlichen Produktion erklaͤrt , nur Verhaͤltniſſe zwiſchen
Perſonen und Sachen geſetzlich anerkannt , dagegen alle Bande
zwiſchen den Perſonen zerſchnitten — dann nehme die Regie-
rung ihre Zwangsmittel wohl in Acht , dann ziehe ſie das ei-
ſerne Band ihrer Armeen feſter und feſter , greife alle die ihr
verbliebenen Zuͤgel wohl zuſammen , und vergeſſe nicht , daß
ſie ein unbedingtes und unbegrenztes Privateigenthum uͤber
dieſe ganze Horde von Privateigenthuͤmern ausuͤben muß ,
wie ihr nunmehr auch das Recht dazu zuſteht ; denn alle
innere bindende heilige Kraft der Zeit , die das Widerſtrebende
ſtill und ohne weitere aͤußere Antriebe verſoͤhnt , alles was
in den buͤrgerlichen Verhaͤltniſſen der Wandelbarkeit der
Dinge trotzte , was kein Feind von außen nieder zu werfen
vermochte , und was der Menſch nur durch eigenen Frevel
verſcherzen konnte , kurz alle goͤttliche Huͤlfe entweicht , wenn
die goͤttlichen Bande der Dinge muthwillig zerriſſen ſind ,
wenn nur das Beduͤrfniß des Augenblicks , aber nicht mehr
das ewige Beduͤrfniß aller Geſchlechter im Regimente der
Voͤlker geachtet wird . Die irrdiſchen Huͤlfsmittel muͤſſen nun
allein herhalten ; jeden Moment muß die ganze Generation
von neuem bezwungen werden , weil keine unſichtbare Hand
wehr auf die menſchlichen Anordnungen ihr Siegel druͤckt . —
Zehntes Kapitel .
Von den Geſetzen , als einzigem und hoͤchſtem Reſultat
aller Oekonomie .
D ie Richtungen der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit , und die Ver-
haͤltniſſe derſelben untereiander untereinander und zum Ganzen der oͤkono-
nomiſchen oͤkono-
miſchen Kraft eines Staates , ſtellen ſich aͤußerlich dar
in den Geſetzen dieſes Staates . — Um dieſe
Wahrheit in ihrem ganzen Umfange zu erkennen , ſehe man
ganz von den Vorſtellungen ab , die ein verkehrter Gang
der politiſchen Erziehung in uns allzuſehr befeſtigt hat .
Die erſte ausgebildete Vorſtellung von dem Weſen des
Geſetzes erhalten wir meiſtentheils von Lehrern des Roͤmiſchen
Rechts und ohne gruͤndliche Hiſtorie ſeiner Entwickelung ,
ohne Bezeichnung der Stelle , welche Rom unter den Staa-
ten , die ſich einer umfaſſenden Geſetzgebung erfreut , einge-
nommen haben moͤchte . Da nun , abgeriſſen von der Geſchichte
der allmaͤhligen Entwickelung des Weltreiches , die Roͤmiſche
Geſetzgebung außer allem Zuſammenhang mit den goͤttlichen
Geſetzen zu ſtehen , und ein Werk der gemeinen rechnenden
Vernunft zu ſeyn ſcheint , ſo wohnet ſich ſehr leicht der Irr-
thum bey uns ein , die Geſetzgebung ſey ein Werk des welt-
lichen Calcuͤls , eine Aufgabe fuͤr den ſcharfſinnigen Kopf ,
die im Grunde und ihren weſentlichen Stuͤcken ein fuͤr alle-
mahl geloͤst worden ſey .
Dieſer große Irrthum und mit ihm die Popularitaͤt der
Roͤmiſchen Geſetzgebung hat in den Weltumſtaͤnden der drey
letzten Jahrhunderte eine große Beguͤnſtigung gefunden . Die
ploͤtzliche und ungeheure Erweiterung des Geſichtskreiſes der
Europaͤiſchen Voͤlker im Anfange des ſechszehnten Jahrhun-
derts , nachdem dieſe Voͤlker bisher in den ſtilleren Schran-
ken des vaͤterlichen Hauſes verweilt , veranlaßte die Ketze-
reyen jener Zeit , den Abfall des Nordens von der Idee des
Glaubens , welche bisher die goͤttlichen und menſchlichen Ge-
ſetze der Europaͤiſchen Voͤlker durcheinander verbuͤrgt hatte ,
und den einſtweiligen Verſuch , ob vielleicht der Begriff die-
ſes Glaubens eine aͤhnliche Vereinigung bewirken koͤnnte .
Die Kirche hatte gegen die Einfluͤſſe des alten Roms nicht
die gehoͤrige Quarantaine verordnet , ſie hatte ſich , wenn
man ihr einen Vorwurf machen kann , nicht der weltlichen
Dinge gehoͤrig bemeiſtert , ſie war uneingedenk geweſen der
Vorſchrift des Apoſtels : omnia instaurare in Jesum
Christum quae in coelis et quae in terra sunt ;
dem Mammon , der nicht in den Reichthuͤmern dieſer Erde ,
ſondern in dem Streben nach ausſchließenden Beſitz , nach
abſolutem Privateigenthum ſeinen Sitz hat , iſt allzuviel
Raum gelaſſen worden ; die Roͤmiſchen Doctoren in Bologna
ind nicht verketzert , der lebendige Zuſammenhang der feo-
d alen Verfaſſungen des Mittelalters mit der Kirche iſt nicht
guͤndlich genug anerkannt worden : kurz , wiewohl die inne-
r e Kirche vollſtaͤndig rein und untruͤglich geblieben , ſo iſt
doch im aͤußern Regiment derſelben etwas Weſentliches ver-
ſaͤunt worden .
Die vielgeprieſenen Erfindungen des funfzehnten Jahr-
hunderts haben das Ihrige mitgewirkt , und es wohl verdient ,
daß der Geiſt der letztverfloſſenen Zeit mit ihnen ſeine gan-
ze Zeitrechnung angefangen . Die Chimaͤre des Privat-
lebens iſt aufgekommen : Die um alle Indien und um das
ganze heidniſche Alterthum erweiterte Welt ſchien groß ge-
nug , um jedem Einzelnen ein genuͤgendes Privateigenthum
ausſchließend anzuweiſen , der Buchdruck einerſeits , der
Ueberfluß an Geldzeichen andererſeits kamen wie gerufen um
die große Repartition zu bewerkſtelligen , und um alle die-
ſe Bezirke des Privatlebens polizeylich zuſammen zu ſpannen
und mechaniſch anzuordnen , war das Pulver bereits erfun-
den , und die Roͤmiſche Rechtsform im Voraus verbreitet
worden .
An den großen und frommen Fuͤrſten und Menſchen der drey
letzten Jahrhunderte nehmen wir es wahr , wie ſie verdammt
waren zweyen Herren zu dienen , Gott und den alten Glau-
bensinſtitutionen einerſeits , und dem Mammon des Privat-
lebens andererſeits : darin , und in nichts Geringerem lag
ihre Gebrechlichkeit .
Niemand alſo iſt , als Kind ſeines Jahrhunderts , rein
von den Roͤmiſchen Rechtsbegriffen ; und ſie , ſelbſt in Zah-
len lebend , ſind die eigentlichen natuͤrlichen Alliirten jener
Staatswirthſchaft der Zahlen , der Summen , der Maſſen
der Handgreiflichkeiten , gegen die ich die ſtaatswirthſchaft
liche Weisheit der fruͤheren Vorfahren habe vindiciren muͤſ -
ſen. Sich uͤber den Einfluß dieſer Begriffe und ihres Cer-
tralbegriffs vom abſoluten Privateigenthum zu erhebe ,
war die Hauptforderung , die ich durch den ganzen bisheri-
gen Lauf meiner Darſtellung an meinen Leſer machte .
Um ſo vielmehr muß man ſich ihrer und aller Vorſtel-
lungen des Geſetzes , die daran haͤngen , entſchlagen , wenn
man die , alle meine bisherigen Saͤtze verbindende und um-
faſſende Behauptung verſtehen will , daß naͤhmlich die Ge-
ſetzgebung eines chriſtlichen Staates der einzig weſentliche
Reichthum dieſes Staates , und daß die Geſetze dieſes Staa-
tes mit den bleibenden Richtungen der oͤkonomiſchen Thaͤ-
tigkeit , welche die verblendeten Theorien uͤber die handgreif-
lichen Produkte dieſer Thaͤtigkeit vergeſſen haben , eins und
dasſelbe ſind .
Es mag wenige Rechtslehrer geben in der heutigen
Welt , welche die urſpruͤngliche Nationalgeſetzgebung auszu-
ſcheiden wiſſen , von den Roͤmiſchen Beyſaͤtzen und Verdre-
hungen : die Fortſchritte des Privatlebens auf Unkoſten des
oͤffentlichen , die Fortſchritte des merkantiliſchen Verkehrs auf
Unkoſten der bleibenden Guͤter , kurz die Neigungen , die Roͤ-
miſchen Geſinnungen der Voͤlker ſelbſt haben dieſe Corrup-
tion der Geſetzgebung wirkſamer herbeygerufen , als es die
Philoſophen und Juriſten dieſes Jahrhunderts je vermochten .
England , tief empfindend , was kein einzelner Britte empfand ,
daß man ſich gegen die Roͤmiſche Geſetzgebung ſperren muͤſſe ,
biethet das einzige genuͤgende Beyſpiel dar . Das Brittiſche
Nationalvermoͤgen ſtuͤtzt ſich nicht etwa auf , ſondern beſteht
in der Geſetzgebung dieſes Reiches ; darin liegt ſeine Capital-
kraft : alle Summen , alle Zahlen , alles , womit Brittiſche
Speicher und Schiffe erfuͤllt ſind , alle aͤußere Wohlhabenheit
des Brittiſchen Privat- und Nationallebens — ſind nur ver-
gaͤngliche und veraͤnderliche Bekleidungen des gewaltigen
Knochenbaues ſeiner Verfaſſung . Alle politiſche Tugend und
Weisheit beſteht darin , dieß an dem Beyſpiele von England ,
und wo es ſchwerer iſt , weil verwickelter und gemiſchter , an
der Verfaſſung der Continentalſtaaten einzuſehen und zu
empfinden .
Die einzelnen Geſchlechter der Erde gehen ſpurlos dahin ;
daß ſie einen handgreiflichen Ueberſchuß ihrer Kraft und
Arbeit zuruͤck ließen , iſt nur Taͤuſchung : ein ſolcher Ueber-
ſchuß iſt nur , in wie fern die verzehrende Kraft der Natur
und der buͤrgerlichen Geſellſchaft ſchon bereit ſteht ihn zu er-
greifen , in wie fern er alſo im Weſen nicht mehr iſt ; das
gemeine handgreifliche Produkt hoͤrt auf , ſobald das Wech-
ſelleben der Produktion ſtill ſteht . Die Produktion theilte dem
Produkt den Anſtoß , die Seele mit , die ſie ſelbſt von einer
hoͤheren Produktion , von einem Geſetze , und zuletzt von einem
Weltgeſetz derſelben erhielt .
Dieſe lebendige Einheit des Producenten und des Pro-
dukts , des Erzeugers und des Erzeugten , die Rom nicht
anders als durch Ketten zu bewirken weiß ; dieſer innerliche
Zuſammenhang der kleinſten wie der groͤßten That , der reich-
ſten wie der aͤrmſten Haushaltung , der dauerhafteſten wie
der vergaͤnglichſten Arbeit durch ein und dasſelbe große Wech-
ſelgeſetz des buͤrgerlichen Lebens — dieß und nichts anderes
verdient an allen Orten und zu allen Zeiten Nationalvermoͤ-
gen zu heißen : große gleichwiegende Zahlen , Maſſen von
Guͤtern , gleichfoͤrmig verbreitete Mittel des Lebensgenuſſes
koͤnnen es ahnden , koͤnnen es errathen laſſen ; aber gefunden ,
erwieſen , uͤber allen Zweifel erhoben wird es nur durch geo-
metriſche Anſchauungen , durch Linien , Lebensrichtungen —
und wie nennen wir ſeit Jahrtauſenden , ihre Weſentlichkeit
wohl empfindend , ohne ſie deutlich zu erkennen , dieſe Richtun-
gen der buͤrgerlichen Geſellſchaft nach ihrem Mittelpunct an-
ders als Geſetze ? — Daß kugelaͤhnlich dieſe Richtungen
ſich unter einander ordnen , nach allen Dimenſionen einander
entgegen wirken , daß keine Richtung des Sinnes , des Ge-
fuͤhls , der Arbeit , ohne einen wohlthaͤtigen befruchtenden
Gegner iſt , daß ein edler Oppoſitionsgeiſt nicht bloß in den
parliamentariſchen Verhandlungen , nicht bloß in allen Ver-
handlungen uͤberhaupt , ſondern auch in allen Gewerben be-
ſteht , daß er anerkannt und legaliſirt iſt , daß alſo jede ab-
weichende Eigenthuͤmlichkeit , jede beſondere Geſinnung , jede
Gewerbsform ihre vorbereitete Stelle findet , ſich in ihrer
ganzen Eigenheit anerkannt , ihren Weg zum Mittelpunct des
Staates , und ſomit zur innigſten Beruͤhrung mit allen an-
dern ſchon gebahnt findet , kurz , daß die Richtungen der
Thaͤtigkeit nicht der Willkuͤhr des Einzelnen uͤberlaſſen , daß
ſie vielmehr ſo unabaͤnderlich angeordnet ſind , daß der Ein-
zelne nichts Unnationales thun kann — das iſt die Subſtanz
des Brittiſchen Nationalvermoͤgens .
Und wir ſollen uns von den Anglomanen des Continents
belehren laſſen , daß die dem Einzelnen uͤberlaſſene Willkuͤhr ,
ſeine Kraft zu wenden , worauf er wolle , das Geheimniß des
Reichthums jenes Landes ausmache ? Freylich , wenn das
Eiſen den Mann anzieht , wenn die geſammten Functionen
des Nationallebens ſo vollſtaͤndig und ſicher geordnet , ſo ge-
waltig geworden ſind durch die Zeit , dann iſt eine zwingende
Polizeyverordnung , die dafuͤr ſorge , daß jeder einzelnen die-
ſer Functionen die gehoͤrigen individuellen Kraͤfte zugewendet
werden , nicht weiter vonnoͤthen . Aber heißt das die Willkuͤhr
proklamiren , wenn die Adminiſtration , die Verwalterinn der
Gegenwart ſich ihrer Eingriffe , ihres Zwanges begibt , weil
die vergangenen Jahrhunderte , das heißt : die lebendigen Ge-
ſetze und der ganze lange vorbereitete Zuſtand der Dinge ,
ſchon von ſelbſt alle Kraͤfte an ihren wahren Ort ſtellen ? Heißt
es die Willkuͤhr proklamiren , wenn die Gewerbe frey gegeben
werden , dann , wenn es unmoͤglich geworden iſt , ſie zu miß-
brauchen , und etwas anderes als das , in oͤkonomiſcher und
uͤberhaupt gemeinweſentlicher Ruͤckſicht etwas anderes , als
das Rechte zu thun ? — Und ſo frage ich weiter : ruht das
Brittiſche Nationalcapital in dem Waarenlager oder in der
maͤchtigen Gerechtigkeit des ganzen Zuſtandes der Dinge ,
das heißt : in den Geſetzen ? Und haͤtten ſich nicht unſere poli-
tiſchen Oekonomen etwas mehr um die Verfaſſung von Eng-
land uͤberhaupt , insbeſondere aber um die Verfaſſung des
Eigenthums in jenem Lande bekuͤmmern ſollen ?
Nichts iſt alſo bodenloſer als dieſe Anglomanie , die fuͤr
ihre Maͤhrchen von der freyen Concurrenz und vom Welt-
markte ein Beyſpiel mißbraucht , vor deſſen vollſtaͤndiger Er-
waͤgung alle ſtaatswirthſchaftlichen Theorien , die es je ge-
wagt haben , den unter allen Umſtaͤnden weiſeren Staatsad-
miniſtrationen in die Zuͤgel zu fallen , in Dunſt zergehen .
Aber , wenn ſich die Oekonomie erſt einmahl unterfangen vom
Rechte abzuſehen ; von Produkten zu reden , aber des Eigen-
thums nicht zu gedenken — dann muß es auch wohl einen
Reichthum geben , der uͤberhaupt alle Geſetze uͤberfluͤſſig fin-
det , und einen Kraͤmercredit , der die große Quelle alles
Glaubens und aller Geſetze verſpottet .
Wenn in den vergangenen Blaͤttern auch manches tauben
Ohren gepredigt worden waͤre , wenn auch mancher Leſer an
manchen Stellen die Welt und ihre Geſetze nicht ſogleich bey
der Hand gehabt haͤtte , um zu entſcheiden , ob es trotz den
ſchoͤnen Worten nicht endlich doch noch einmahl darauf her-
aus kommen koͤnne , daß die Welt fuͤr immer dem Teufel ,
oder dem abſoluten Privateigenthume gehoͤre , ſo wird ſich
der Autor dadurch nicht ſchrecken laſſen , denn er ſtuͤtzt ſich
auf den hoͤheren Autor , von dem er unverdienter Weiſe alles
hat , was er gibt . Auch bey dieſer Art von Geiſteswerken ,
wie bey allen Arbeiten der buͤrgerlichen Geſellſchaft , will das
Produkt ſelbſt , der armſelige Ueberſchuß von Gedanken und
Redensarten , den es darbiethet , an und fuͤr ſich nichts be-
deuten . Ob ſie mit dem großen Mittelpunct alles Glaubens
und aller Wahrheit , genealogiſch , wie durch das Blut zu-
ſammen haͤngen ; ob ſie die Richtung , die ſie empfangen ha-
ben , weiter geben koͤnnen , und ob dieſe Richtung mit
allen Richtungen der echten Wahrheitskraft , die ſich je
kund gethan , im gerechten Verhaͤltniſſe ſtehe — das iſt die
Frage .
Derſelbe oft geruͤgte Wahn des abſoluten Privateigen-
thums hat ſich auch uͤber die Ideen , uͤber die Werke des
Geiſtes erſtreckt , und leider haben wir alle in unſerer ver-
brecheriſchen Jugend die Waarenlager der Ideen durchſucht ,
lange , ehe wir nur ahndeten , daß es einen Mittelpunct aller
Ideen gaͤbe , und , daß in der Richtung dahin und von dort-
her die Weſentlichkeit , die innere Realitaͤt aller Ideen liege .
Beruͤhmte Nahmen , klaſſiſche Autoren , und mancherley reiche
und große Herren der Literatur haben wir abgeſchaͤtzt , lange
vorher , ehe wir nur nach dem Nahmen aller Nahmen , nach
der Autoritaͤt aller Autoritaͤten verlangten . Auch die Preiſe
der Geiſteswerke haben wir auf dem zerruͤtteten Markt unſers
Jahrhunderts kennen gelernt , und uns oft beklagt uͤber ihr
unbarmherziges Schwanken , und , daß das geſtern ſo Hoch-
geachtete , heute ſo wohlfeil geworden war . Wie vieles haben
wir erfahren muͤſſen , um einſehen , daß es außer dieſen au-
genblicklichen Preiſen der Ideen und Geiſteswerke nun auch
ewige Werthe derſelben gibt .
Eine ſolche Zeit der Revolutionen , des Wechſels , des
Untergangs und des Aufgangs , wie die jetzige , entbindet an
allen Orten und in allen Koͤpfen unerhoͤrte Gedanken : mich
duͤnkt , man brauche nur zu athmen um gedankenreich zu
ſeyn , wie es der Poͤbel nennt , der ja nirgends etwas anderes
bewundert und anerkennet , als den handgreiflichen Reich-
thum . Wer alſo Gedanken beſitzt , waͤhrend ein großes Jahr-
hundert in allen Wegen mit ihm denkt , der wenigſtens kann
kein ausſchließendes Eigenthum , keinen abgeſonderten Genuß
oder Ruhm davon erwarten : Hier ſpringt der Gemeinbeſitz
und die Gemeinproduktion allzuſehr in die Augen .
Es iſt ferner nicht etwa der bloße gute Wille , oder die
unbeſtimmte genialiſche Tendenz , ſondern die einzig be-
ſtimmte Richtung eines Werks nach dem allerhoͤchſten oder
vielmehr allermittelſten Gute , welches ihm Werth gibt . Es
hat alſo nur Werth , in wie fern dieſer in jeder Ruͤckſicht ein
abgeleiteter iſt , in wie fern alſo keine Art von eigenem Ver-
dienſt dabey in Anſchlag kommt , ſondern nur das davon
ſchlicht und unruhmredig zu ſagen iſt , daß es im Dienſte
der Wahrheit geſchrieben iſt .
Wir haben in dieſen einleitenden Betrachtungen die
Unzulaͤnglichkeit der vorhandenen Theorien zu zeigen verſucht ;
wir haben deßhalb viele nachbarliche Gebiete beruͤhren , und
ihr Verhaͤltniß zu unſerm Gegenſtande aufklaͤren , auch den
Mittelpunct aller Wiſſenſchaft und alles Lebens andeuten
muͤſſen , weil wir uͤberhaupt nichts anderes Sichtbares und
Wirkliches in dem ganzen , uns wohlbekannten Getriebe der
buͤrgerlichen Geſellſchaft anzuerkennen vermochten , als die
Strahlen die von dort ausſtroͤmen , und die Kraͤfte die dahin
zuruͤck draͤngen . Jetzt gehen wir zu beſonderen Darſtellungen
unſerer Wiſſenſchaft fort , und bitten den wohlmeinenden Leſer
nur folgende weſentliche Reſultate des bisher Geſagten feſt
zu halten :
1 ) Daß der Staatsmann , der Staatswirth , der ge-
lehrte Oekonom , wie jeder Arbeiter in jedem gedenkbaren
Stoffe , eigentlich nur mit Verhaͤltniſſen und Wech-
ſelwirkungen zu thun hat , und nur producirt , in wie fern
er unter den Elementen ſeiner Arbeit , und zwiſchen ſeiner
und aller uͤbrigen Arbeit eine gewiſſe Gegenſeitigkeit hervor
zu bringen und zu erhalten weiß ; ferner , daß es nur Eine
Art von unproduktiver Arbeit gibt , die naͤhmlich , welche
aus dieſen Verhaͤltniſſen heraus tritt und ſich iſolirt , pri-
vatiſirt .
2 ) Daß dem zu Folge in aller Produktion die Rich-
tung der Thaͤtigkeit , und ihr Verhaͤltniß zu allen uͤbri-
gen Richtungen , und zum Mittelpuncte aller Thaͤtigkeit
wichtiger iſt , als die abgeſonderte handgreifliche Bedeutung
des Produkts ; daß dieſe Richtung das eigentlich Produktive
in der Produktion iſt .
3 ) Daß die im Producenten wie im Produkte ſich
offenbarende Kraftrichtung ihr eigentlicher und ewiger Werth
ſey , der mit dem augenblicklichen Preiſe in einer Wechſel-
wirkung , oder vielmehr in umgekehrtem Verhaͤltniſſe ſtehe ;
daß Zahlen dieſen Werth der Dinge nur ahnden laſſen , und
ſehr unſichere Maaßſtaͤbe desſelben ſind , daß die bisherige
Theorie der Staatswirthſchaft von allem andern eher Aus-
kunft gibt , als von dem Werthe der Dinge , und , daß dieſer
Werth nur denen einleuchten koͤnne , welche die oͤkonomiſchen
Objecte echthiſtoriſch und vollſtaͤndig mathematiſch in der
Bewegung aufzufaſſen verſtehen .
4 ) Daß die bisherige einſeitige Maſſentheorie der
Staatswirthſchaft , mit einem eigenen vorgeblichen Rechts-
ſyſteme in Uebereinſtimmung ſey , worin als oberſter Grund-
ſatz die unbedingte ausſchließende Aneignung der oͤkonomiſchen
Objecte , ihre Iſolirung , ihre Abſonderung von allen ver-
knuͤpfenden Verhaͤltniſſen unter dem Nahmen des Privat -
eigenthums hervorrage ; daß dieſes in Verbindung mit
dem oberſten oͤkonomiſchen Grundſatze der freyen Concurrenz ,
und mit den Chimaͤren des Weltmarkts und des Geiſtes der
Zeit , den gebildeten und eleganten Privatmaͤnnern unſerer
Tage fuͤr die Summe alles Glaubens , aller Religion , aller
Wiſſenſchaft und Politik gelte ; endlich
5 ) Daß , wie ſogar aus der Symmetrie dieſer Irr-
thuͤmer zu entnehmen , der erſte Schritt zur Beſſerung der
ſey , daß man die Nationaloͤkonomie und die Na-
tionalgeſetze zu der alten und urſpruͤnglichen Einheit
zuruͤck fuͤhre , aus der ſie gekommen : dieß aber in einer ſo
gruͤndlichen Manier , daß man vor allen Dingen einſehe ,
daß das Reſultat aller Nationaloͤkonomie nichts anderes ſeyn
koͤnne , als die Verfaſſung oder das Geſetz ; daß der Staat ,
ſo gut als der einzelne Menſch unter allem unendlichen Beſitz
nichts weiter gewinne , als jene Conſtitution der Leibes- und
Seelenkraͤfte , die er frey und von allen Beſitzthuͤmern unab-
haͤngig mit ſich ſelbſt umhertraͤgt ; daß aber auch dieſes Ver-
moͤgen zerſtiebt , und der Wandelbarkeit aller Dinge folgt ,
wenn es nicht von einem Geſetz aller Geſetze , von einem
unvergaͤnglichen Glauben , das heißt : von Gott ſelbſt getra-
gen wird .
Es iſt freylich in allen oͤkonomiſchen Verwirrungen und
Verlegenheiten etwas ſo unmittelbar Draͤngendes , und augen-
blickliche Huͤlfeforderndes , daß ſich eine Theorie der Staats-
wirthſchaft , die ſoweit ausholt , wenige Popularitaͤt ver-
ſprechen darf . Wenn man aber erwaͤgt , wie durch alle Pal-
liativen und unmittelbare Huͤlfen das Ungluͤck nur groͤßer
Theoret. Theil J
werden kann , und wie die vorliegende Theorie keine unmittel-
bare Huͤlfe ausſchließt , ſondern nur auf den Geiſt hinarbeitet ,
kraft deſſen das Augenblickliche allenthalben mit Ruͤckſicht
auf das Ewige gethan werden ſoll , ſo kann man ihr dafuͤr
eine deſto laͤngere Dauer verſprechen .
Ob eine einzelne Maaßregel gut oder ſchlecht ſey , iſt
in oͤkonomiſchen wie in mediciniſchen Angelegenheiten ſchwer
zu beurtheilen : nur der Sinn , worin ſie angerathen
wird , entſcheidet ; und fuͤr den Sinn gibt es nur die Eine
große Probe der Zeit . Das aber iſt die große Aufgabe der
Wiſſenſchaft : den Sinn zu befeſtigen ; die Zeit , ja die Ewig-
keit zu unmittelbaren , gegenwaͤrtigen Zeugen des Augenblicks
zu machen wo gerathen , wo geholfen werden ſoll .
Iſt denn die Welt ſchon , nur uͤber das Wuͤnſchenswuͤr-
dige , uͤber den Zweck aller oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit einver-
ſtanden ? und entſcheidet nicht dieſer Zweck wieder uͤber die
geringfuͤgigſte Maaßregel ? Iſt demnach nicht die Tiefe der
Corruption aller oͤkonomiſchen Anſichten ſchon hinreichendes
Motiv fuͤr die Hoͤhe des Standpuncts , den die Theorie
ergreifen muß ?
Grundlegungen
einer
neuen
Theorie des Geldes .
Erſtes Kapitel .
Von dem einzelnen Menſchen , als Vorbilde der
Staatshaushaltung .
D ie unendlichen Gewerbe , Geſchaͤfte und Handthierungen
des Menſchen , ſowohl geiſtiger als koͤrperlicher Art , dar-
unter jede Einzelne wir heutiges Tages einem einzelnen
Menſchen uͤbertragen ſehen , wuͤrden den Staat in eine tod-
te Maſchine verwandeln , wenn nicht jeder Arbeiter unge-
achtet des ganz einſeitigen Geſchaͤftes , welches er treibt ,
ein vollſtaͤndiger Menſch zu bleiben vermoͤchte . Wie einfoͤr-
mig , wie abſorbirend das Geſchaͤft des Buͤrgers auch ſey ,
die Forderung wird immer ſeyn , daß Er es treibe ,
und nicht bloß einſeitig von dem Geſchaͤfte getrieben
werde .
Sollten aber je dieſe einzelnen Geſchaͤfte der buͤrgerlichen
Geſellſchaft in bloße Gewerbe ausarten , ſollte je der ein-
zelne Arbeiter dahin kommen , daß er nichts anders waͤre als
Rad oder Kamm , oder einzelner Zahn eines Rades in dem
großen Mechanismus , den in letzter Inſtanz das Gewicht
der edeln Metalle regierte , kurz ſollte je das Ideal der
Induſtrieſyſteme erreicht werden , ſo wuͤrde ſich ergeben , daß ,
weil der Menſch außer ſeiner mechaniſchen Kraft noch die
hoͤhere des Geiſtes beſitzt , und auf dieſe in jener Maſchine
keine Ruͤckſicht genommen waͤre , dieſe Kraft des Geiſtes
aber , ſobald ſie abgeſondert von den koͤrperlichen Kraͤf-
ten , auch unmittelbar die entſchiedenſte Feindinn derſel-
ben wird , — das Ganze nothwendig zerſtoͤrt werden
muͤßte .
Wenn die Natur zwey Dinge fuͤr einander beſtimmt hat ,
und mit einander gruͤndlich , und fuͤr die Dauer verbunden
ſehen will , ſo gibt ſie ſolchen eine recht große Verſchieden-
heit , eine ſo beſtimmte Anlage zu einer unendlichen Feind-
ſeligkeit , daß ihnen Beyden nichts uͤbrig bleibt , als ſich
auf Tod und Leben zu verbinden . Deßhalb anſtatt Einzelne
Geſchoͤpfe vollſtaͤndig hinzuſtellen , hat ſie nur Zweyheiten
erſchaffen , in dieſe Zweyheiten aber eine ſo vollſtaͤndige
Entzweyung gelegt , daß den entzweyten Weſen keine andere
Zuflucht bleibt , als in dem unendlichen Sichvereinigen :
ſie wollte die Einheit , alſo ordnete ſie die Zweyheit ,
die Spaltung aller Creaturen in zwey Geſchlechter an ,
in denen die unendliche und vollſtaͤndige Feindſeligkeit
eine unendliche Vereinigung und Befriedigung veranlaſſen
mußte .
In dieſem feindſelig-freundlichen Geſchlechtsverhaͤltniß
ſtehen nicht bloß die ſo genannten Naturgegenſtaͤnde , ſon-
dern der Menſch iſt nur Ebenbild Gottes , weil ihm kein-
anderes Kunſtgeſchaͤft zuſteht , als was in jener goͤttlichen
Manier getrieben wird , wobey der Zweck Einheit iſt ,
lebendige und dauernde Einheit , alſo Vereinigung ; das Mit-
tel hingegen : die Anordnung von vollſtaͤndigen Feindſeligkei-
ten oder von Geſchlechtsverhaͤltniſſen . Es gibt keine andern
menſchlichen Werke , keine andern Werke der Kunſt , als die
mit den Werken der Natur nach einem und demſelben Geſetze
von Statten gehen . Alle praktiſche Verruͤckung des Menſchen
wird ſich daher auf eine einzige große Hauptformel redu-
c iren laſſen : er wird , was er getrennt aus den Haͤn-
den der Natur empfaͤngt , anſtatt es zu vereinigen , noch
weiter trennen , und was er einfach aus den Haͤnden der
Natur , alſo mit der Aufgabe es gehoͤrig zu trennen erhaͤlt ,
als abſolute Einheit feſthalten und ausſchließend beſitzen
wollen .
Daß dieß wirklich die Doppelrichtung der ſtaatswirth-
ſchaftlichen Theorien unſerer Zeit ſey , habe ich ſchon in
der Einleitung gezeigt : das abſolute Privatleben iſt nichts
anders als eine Verlaͤugnung und Aufloͤſung aller unter
den buͤrgerlichen Geſchaͤften von der Natur angeordneten
Geſchlechtsverhaͤltniſſe ; indem man aus ihrer Geſammtheit
herauszutreten ſtrebt , zerſchneidet man ſie alle : das abſo-
lute Privateigenthum iſt nichts als ein krampfhaftes Feſt-
halten der Einzelnheit der Dinge , welche uns die Natur
uͤbergeben hat , um ſie zu trennen und zu theilen , und in
Geſchlechtsverhaͤltniſſe zu fuͤhren .
Wenn alſo nun Geiſt und Koͤrper in demſelben Geſchlechts-
verhaͤltniſſe zu einander ſtehen — eine ſo gerecht und vollſtaͤn-
dig angeordnete Feindſeligkeit , daß ihr nicht zu entgehen waͤre
als durch die Vereinigung — und wir unternaͤhmen es
anſtatt beyde an allen Stellen in einander zu wirken , ſie noch
weiter zu trennen , indem wir die koͤrperlichen Beduͤrfniſſe
und Kraͤfte der Menſchen in eine beſondere Maſchine zuſam-
men bauten , dagegen dem Geiſte uͤberließen desgleichen zu
thun oder ganz zwecklos umherzuirren , ſo muͤßte nunmehr
die freundliche Feindſeligkeit zwiſchen Geiſt uud und Koͤrper in
eine zerſtoͤrende uͤbergehen . Europa hat es bewieſen : die koͤr-
perliche Maſchinerie der Staaten hat den Seelenmechanis-
mus der Aufklaͤrung zur Seite gehabt ; zur rechten Hand
hat man ſich den Menſchen gedacht , als habe er nur
koͤrperliche , rohe , handgreifliche Beduͤrfniſſe , und ihn nach
dieſem Grundſatze regiert wiſſen wollen ; zur linken hat
man denſelbigen Menſchen wieder uͤber alle Gebuͤhr und
Schranken hinaus geiſtig aufzuklaͤren unternommen : derge-
ſtalt hat man denn wie der Erfolg gezeigt , die Zuͤchtigung
fuͤr die eigene Suͤndhaftigkeit unmittelbar an ſich ſelbſt voll-
zogen .
Daß alſo uͤberall wo Koͤrper iſt auch der dazu gehoͤrige
und ihm anvermaͤhlte Geiſt bleibe , iſt die erſte Bedingung
einer gut eingerichteten buͤrgerlichen Geſellſchaft : kurz , daß
der Buͤrger nicht aufhoͤre vollſtaͤndiger Menſch zu ſeyn , weil
er ein einzelnes Geſchaͤft treibt . Kann er , nunmehr einer
einzelnen Thaͤtigkeit hingegeben , nicht mehr zuruͤck kehren in
die Fuͤlle der Anlagen zu den verſchiedenartigſten Thaͤtigkei-
ten , an die Quelle aller — zu ſich ſelbſt ; oder vielmehr
kann er beym einzelnen Geſchaͤfte nicht im Bewußtſeyn der
Anlagen zu allen uͤbrigen verbleiben ; mit andern Worten ,
kann er den Zuſammenhang ſeines beſondern Geſchaͤftes mit
dem großen menſchlichen Geſchaͤfte , davon das Seinige nur
ein Theil iſt , oder mit dem Staate nicht mehr empfin-
den — ſo wird die hintangeſetzte Selbſtheit als dumpfes ,
wildes , thieriſches Verlangen nach Willkuͤhr nunmehr raͤu-
beriſch einbrechen in die Haushaltung , aus der ſie verbannt
worden .
Es gibt kein ſo abgeſondertes Geſchaͤft in der buͤrger-
lichen Geſellſchaft , es iſt keines denkbar , um deſſentwillen
an ſich der Menſch ſich ſelbſt vergeſſen muͤßte ; alle dieſe
Geſchaͤfte fließen aus einer Quelle her , und dafern die Un-
vernunft ſie nur nicht abdaͤmmet und durchſchneidet , ſo muß
jeder Tropfen des entfernteſten Waſſers auch nach der Quelle
ſchmecken .
Im Anfange der Geſellſchaft zeigt der Menſch ſich noch
in ſeiner ganzen vereinigten Kraftfuͤlle ; alle jene unendli-
chen beſonderen Functionen , die ſich ſpaͤter nach allen Seiten
aus einander wickeln und blaͤttern , liegen im Keime bey einan-
der : es gibt noch keinen Landbau , aber der Menſch kann den
Saamen ausſtreuen ; kein Handwerk , aber er kann das na-
tuͤrliche Produkt ſchon ordnen und vermenſchlichen ; keinen
Kaufmann , aber er kann das Natuͤrliche und das erſte Kuͤnſt-
liche vertauſchen , das Letztere wieder hingeben um das Er-
ſtere zu erlangen ; keine Geiſtlichkeit , aber er kann ſich zum
Himmel erheben : kurz der ganze Staat iſt noch einzelner
Menſch , aber der einzelne Menſch iſt deßhalb um nichts
weniger Staat . Alle , die nach ihm kommen , ſollen nichts
anderes , als unaufhoͤrlich zu ihm als zu ihrer Quelle
zuruͤck kehren , und ſich unter einander zu einen einzigen
großen Menſchen zuſammen bauen , in welchem die ver-
ſchiedenen Geſchaͤfte des Lebens ſo natuͤrlich , vertraͤglich und
im Gleichgewicht bey einander ſind , als ſie es bey ihm
waren .
Indem alſo die buͤrgerliche Geſellſchaft entſteht , ſo geht im
Grunde nur jener erſte Menſch nach allen Richtungen aus
einander ; ſein Koͤrper erweitert ſich ; die alten Verhaͤltniſſe ,
der alte Zuſammenhang , der Geiſt muß bleiben , die Func-
tion des Landbaues , des Handwerks u. ſ. f. moͤgen ſich unter
mehrere einzelne Verwalter vertheilt haben , oder ſie moͤgen
in Einem einzigen bey einander ſeyn . Dieſe Function konnte
ein Einziger in ſeiner Perſon nur deßhalb vereinigen , weil
er ſie durch die Einheit ſeiner Perſon unter einem vollſtaͤn-
digen Zuſammenhange begriff , und ihre Verhaͤltniſſe unter
einander regierte . Hoͤrte je dieſes Regieren der Verhaͤlt-
niſſe auf ; haͤtte er ſich je in ein einzelnes ſeiner Geſchaͤfte ,
zum Beyſpiel : in das Samenſtreuen vertiefen wollen , und
ſeine Huͤtte , ſeine Kleidung daruͤber vergeſſen , alſo das
Verhaͤltniß dieſer Functionen unter einander
verſaͤumt , ſo haͤtte er als eine Perſon zu exiſtiren auf-
gehoͤrt .
Die Functionen der buͤrgerlichen Geſellſchaft , je mehr ſie
ſich vervielfaͤltigen und erweitern , koͤnnen alſo abgeſondert
fuͤr ſich , abſolut getrennt von dem großen Menſchen , den
ſie mit einander ausmachen ſollen , oder was , wie
meine Darſtellung ausweiſt , dasſelbe iſt , abgeſondert von
dem einfachen Menſchen , aus dem ſie wie von einem Mittel-
puncte alle ausgegangen ſind Oder , was dasſelbe ſagt , abgeſondert von dem gro-
ßen und vollſtaͤndigen Menſchen , zu welchem ſich ihre Ge-
brechlichkeit und Vergaͤnglichkeit , durch alle Produktion nur
erheben will . , abſolut getrennt von dem
Keim , aus dem ſie ſich alle entwickelt haben , nie betrachtet
werden .
Adam Smith nennt die Zerlegung der Functionen der
buͤrgerlichen Geſellſchaft , Theilung der Arbeit , und macht
die Vermehrung des Produkts zum Zweck und zum Grunde
dieſer Theilung — muß aber doch geſchwind das Geld er-
finden laſſen , um dieſe Theilung zu realiſiren : ſein Geld
indeß iſt nichts anderes , als ein Surrogat jenes Zuſammen-
hanges , jener perſoͤnlichen vereinigenden Kraft , welche der
Menſch , ehe die Arbeit getheilt wurde , in eigener Perſon
auszuuͤben genoͤthiget war .
Die Theilung der Arbeit oder der einzelnen Functionen
der buͤrgerlichen Geſellſchaft iſt alſo nur dadurch moͤglich ,
daß ein perſoͤnlicher Zuſammenhang zwiſchen den Verwal-
tern eintrete , daß ſie durch ihre Verbindung mit einander
eine große und vollſtaͤndige Perſon darſtellen , und daß
demnach keiner abſolut getrennt fuͤr ſich , ſondern nur als
Glied , als Organ der groͤßeren Perſon agire . Es iſt klar ,
daß die koͤrperliche Organiſation des einzelnen Menſchen ,
naͤhmlich , wie ſolche ſich der lebendigen Erkenntniß zeigt ,
oder , was dasſelbe ſagt , wie ſie iſt , wenn ſie von der
Erkenntniß oder vom Geiſte durchdrungen wird , ſich im
Ganzen des Staates wieder finden muͤſſe , und unter allen
gedenkbaren Figuren ſich vorbildlich fuͤr die Haushaltung
des Staates am beſten eigne , wie denn auch gleichfalls der
Arzt wieder den Staat bey ſeinen Unterſuchungen des
menſchlichen Koͤrpers mit gluͤcklichſtem Erfolge benutzen
koͤnnte ; denn , was ſich ſeiner Betrachtung hier innerlich
verbirgt , und nur im Stillſtande oder Tode vollſtaͤndig
betrachtet werden kann , das ſtellt ſich dort aͤußerlich dar ,
und kann nur in der Bewegung und im Leben zur Anſchauung
kommen .
Von jenem Roͤmer der ſo ſinnvoll den Staatsprozeß
mit dem Streit des Magens und der Glieder verglich , bis
auf unſere Zeit herab , die nicht aufhoͤrt , neben ihren
Summen und Maſſen , auch von Circulation des Geldes ,
von Staatskoͤrper , von politiſcher Arzeney , von Conſtitu-
tionen und Organiſationen zu ſprechen , ohne zu wiſſen ,
welche große Sachen ſie damit ausſpricht , ſchwebt dieſe
Wechſelvorbildlichkeit des Staats und des menſchlichen Koͤr-
pers , wenigſtens daͤmmernd vor den Augen aller .
Indeß wollen wir vor der Hand durch ein drittes noch
einfacheres Schema die große Gemeinſchaftlichkeit dieſer
beyden Bilder ausdruͤcken , bis wir es wagen koͤnnen , das
complieirtere aber deßhalb auch erfreulichere Bild des menſch-
lichen Koͤrpers anzuwenden . —
Man will noch immer nicht einſehen , wie der Menſch
nicht bloße Hauptgedanken , ſondern auch Hauptbilder vor
der Seele hat , wenn er ſich zum Handeln anſchickt , ferner ,
wie ganze Geſchlechter von einem falſchen Bilde beherrſcht
werden koͤnnen . Welches Unheil hat das nunmehr ſchon
bis auf ſeine letzten Faͤden abgenutzte Gleichniß von einem
baufaͤlligen Hauſe bey den Gutdenkenden , bey den Leuten
von ſo genanntem geſunden Menſchenverſtande in den letzver-
floſſenen Revolutionszeiten angerichtet ? und wie viel kommt
alſo darauf an , die ewigen Bilder der Dinge zu finden und
zu zeigen , welche nur aus den Normalgeſtalten der Mathe-
matik zu ſchoͤpfen ſind ?
Das große Schema aller menſchlichen Angelegenheiten
iſt , wie ſchon oben angezeigt worden , die Kugel , die
Geſtalt des großen Koͤrpers , der alle dieſe menſchlichen
Angelegenheiten traͤgt und haͤlt . Mit der bloßen Betrach-
tung der Kugel iſt die unendliche Bewegung gegeben : die
Betrachtung muß von dem aͤußeren Flaͤchenraum unauf-
hoͤrlich nach dem Mittelpunct hinein und wieder heraus
ſteigen , kurz , in ewiger Bewegung bleiben , wenn die
Vorſtellung der Kugel vollſtaͤndig bleiben ſoll ; daher iſt
auch hier nur von einer freyſchwebenden , ſich bewegenden ,
das heißt : ſich allein auf ihren Mittelpunct beziehenden
Kugel die Rede , wie denn auch alle irrdiſchen Kugeln die-
ſes dadurch bethaͤtigen , daß ſie die große Kugel , in deren
Abhaͤngigkeit ſie ſtehen — die Erdkugel nur in einem ein-
zigen Puncte beruͤhren . Alſo denke man ſich lieber die
großen ſchwebenden und ſich bewegenden Kugeln der Ge-
ſtirne . Man begnuͤge ſich vorlaͤufig mit dieſem einfachen
mathematiſchen Apparat , der nur fuͤr den gerade vorlie-
genden Zweck , fuͤrs Haus , wie man zu ſagen pflegt , ange-
ordnet worden , bis die Mathematik ſelbſt an die Reihe
kommen kann Da wie in einer fruͤheren Anmerkung gezeigt , jede
beſtimmte Linie eine andere convergirende oder divergirende
Linie vorausſetzt , damit ſie uͤberhaupt als Linie angeſchauet
werden koͤnne , ſo denke man ſich eine ſolche gerade Linie ,
durch alle die unendlichen anderen gleich großen geraden
Linien , die von allen Seiten her nach demſelben Vereini-
gungspunct moͤglich ſind , beſtimmt , ſo hat man zugleich das
Skelett der Kugel . Hierdurch iſt nun auch die beſagte gerade
Linie befriedigend beſtimmt . Man ſetze auf den einen End-
punct einer geraden Linie den Accent der Ruhe , auf den
andern die unendliche Bewegung , ſo erhaͤlt man gleichfalls
das Schema der Kugel .
Ein großer ahndungsvoller Autor , dem wir unzaͤhlige
Berichtungen unſerer Anſicht verdanken , der verſtorbene
Friedrich von Hardenberg ( Novalis ) ſagt : „ jede Linie ſey
eine Weltaxe . ”
.
Zweytes Kapitel .
Von der Kugel , als oͤkonomiſches Schema .
D ie Functionen des buͤrgerlichen Lebens , die ſchon im
Keime alle bey einander waren , die der einzelne Menſch mit
ſeiner Perſoͤnlichkeit alle umfaßte , und im Zuſammenhang
erhielt , treten aus dieſer Perſoͤnlichkeit heraus : das Schmie-
dehandwerk , oder irgend ein anderes , wird abgeſondert vom
Ackerbau ; zugleich muß auch der Ackerbau heraustreten , er
muß mit weniger Kraͤften dasſelbe produciren , was vorher
da noch der Schmied den Acker mit beſtellen half . Der Schmied
trat aus dem Gleichgewichte des Ganzen heraus , ſogleich
mußte ein anderes Geſchaͤft in entgegengeſetzter Richtung aus
dieſem Gleichgewichte heraustreten , und ſo ſich das Gleichge-
wicht wieder herſtellen .
Waͤre der Landbau genau ſo verblieben wie bisher , ſo
haͤtte der Schmied ſein beſonderes Gewerbe wieder nieder-
legen , zuruͤckkehren , und ſo gar nacharbeiten muͤſſen
fuͤr die von ihm im Landbau verſaͤumte Zeit . Aber der Schmied
hat bisher nicht bloß im Landbau beygeſtanden , er hat bey
den Opfern geholfen , er hat auch kaufmaͤnniſch heruͤber und
hinuͤber getragen vom Hauſe zum Felde und ſo fort . Alle
dieſe Functionen muͤſſen von andern uͤbernommen werden ,
alſo alle muͤſſen aus dem alten handgreiflichen Verein heraus
treten , nach allen gedenkbaren Richtungen , und
gerade um ſo viel als der Schmied . Wer zu weit heraus
getreten , wer uͤber das Maaß hinaus getreten , welches alle
mit einander halten koͤnnen , muß nothwendig zuruͤck und um
ſo viel nacharbeiten , als er zu weit heraus getreten ; denn
das Ganze kann ſich nur gemeinſchaftlich erweitern , es kann
nur von Innen heraus wachſen ; die Frucht muß die Form
annehmen , welche der Kern hatte .
Da naͤhmlich jeder ſeine beſondere Function nur verfolgen
kann , in wie fern die uͤbrigen fuͤr die anderweiten Beduͤrf-
niſſe ſeiner vollſtaͤndigen Natur ſorgen , ſo wird es ihm ,
wenn er zu weit heraus getreten , an dieſen allgemeinen Be-
duͤrfniſſen mangeln , und fuͤr die beſonderen Erzeugniſſe ſeiner
Arbeit , wird ſich bey der Geſammtheit der uͤbrigen kein hin-
reichendes Beduͤrfniß vorfinden ; er wird mehr produciren , als
conſumirt werden kann , mehr conſumiren als producirt wer-
den kann ; ſeine groͤßere Fertigkeit , ſein groͤßeres Produkt
wird nichts helfen , wenn er aus dem Verhaͤltniß zu den
Uebrigen herausgetreten iſt , welches Verhaͤltniß in der Kind-
heit der Staaten den Werth faſt allein beſtimmt : denn erſt
wenn mehrere Staaten mit einander beſtehen , und wenn der
Augenblick maͤchtiger geworden , wird das Produkt durch Ver-
aͤnderung des Markts und Benutzung des Augenblicks einen
momentanen , kuͤnſtlichen Werth oder Preis erhalten , und
wird es moͤglich ſeyn , daß dieſer von dem natuͤrlichen und
ewigen Werthe empfindlich abweiche .
Unter den Waaren , wie wenige Arten derſelben es auch
in jener fruͤhern Zeit geben mag , wird doch nach Maaß-
gabe des oͤftern und dringenderen Beduͤrfniſſes eine Rang-
ordnung Statt finden : die in dieſen Beziehungen weſentlichſte
Waare wird am meiſten begehrt werden , und an ihrem Vor-
rath oder Mangel wird es der Einzelne merken koͤnnen ,
ob er noch mit allen uͤbrigen Arbeitern in der alten
Vereinigung und in dem rechten Verhaͤltniß beſteht : dieſe
Waare wird zum Verhaͤltnißmeſſer , zum Maaßſtabe , zum
Gelde .
Der Leſer muß aus dieſer Darſtellung der erſten Ent-
wickelung der Staatshaushaltung ſchon das mathematiſche
Geſetz derſelben entnommen haben . Schon ehe die aͤußere Thei-
lung der Arbeit vor ſich ging , und als der Einzelne alle
ſeine Beduͤrfniſſe noch ſelbſt beſorgte , zeigte ſich ein Stre-
ben jeder einzelnen oͤkonomiſchen Function aus dem Ganzen
dieſer Functionen heraus ; da es aber ſo viel Beduͤrfniſſe
als Functionen gab , und dieſe Beduͤrfniſſe im Laufe der Zeit
alle an die Reihe kommen , ſo mußten ſich die Functionen
ihrer Befriedigung alle ins Gleichgewicht ſetzen : keine konnte
ungebuͤhrlich thaͤtig heraustreten , weil auch fuͤr die andere
geſorgt werden mußte .
Kurz die erſte einfachſte ungetheilteſte Haushaltung formt
ſich ſchon nach dem Geſetze der Kugel . Aus einem einzelnen
Puncte treten die Functionen nach allen gedenkbaren Richtungen
wie eben ſo viele Radien der Kugel heraus , je nachdem
ſie von einzelnen Puncten der entſtehenden Oberflaͤche der
Kugel her , von der Auſſenwelt oder von dem Beduͤrfniſſe
Theoret. Theil K
hervor gereitzt werden : keine aber darf ſich von ihrem Mit-
telpuncte weiter entfernen als die andere , weil das Beyein-
anderbleiben eben ſo nothwendig iſt als das Auseinander-
ſtreben . Die Radien muͤſſen demnach als gleich gedacht wer-
den : ſomit waͤre die Kugel alſo der Ausdruck der Form jeder
natuͤrlichen und vollſtaͤndigen Haushaltung .
Im weiteren Fortgange und bey aͤußerer Theilung der
Arbeit wird ſich die Form der erweiterten Haushaltung nicht
aͤndern koͤnnen ; es bleibt bey der gleichen Nothwendigkeit des
Auseinanderſtrebens und Vereinigtſeyns ; die groͤßte Haushal-
tung hat mit der kleinſten ein und dasſelbe Geſetz , wie die
groͤßte Kugel mit der kleinſten . Die Thatſache der aͤußeren Ar-
beitstheilung kann im Weſen nichts veraͤndern ; ſie bewirkt im
Ganzen der Oekonomie nichts Neues . Die bewundernswuͤrdige
und erbauliche Maſſengroͤße des Produkts , die ſie ergeben
ſoll , iſt nur von untergeordneter Bedeutung : ſo lange die
Haushaltung bey dem innern Gleichgewichte ihrer Functionen
verharrt , ſo muß die Groͤße des Produkts von ſelbſt wach-
ſen ; aber es iſt ein augenblicklich und ſcheinbar ſehr großes
Produkt moͤglich , was jenem Gleichgewichte widerſpraͤche ,
und die Verhaͤltniſſe ſtoͤrte , alſo nicht bloß ſelbſt werthlos
waͤre , ſondern auch andere Werthe zerſtoͤren wuͤrde . Es iſt
alſo augenſcheinlich , daß die Verhaͤltniſſe noch viel mehr
Aufmerkſamkeit verdienen , als die Groͤßen .
Das Wachsthum der Oekonomie ſelbſt geht alſo nach
demſelben Geſetze vor ſich , wornach alle Produkte dieſer
Oekonomie wachſen : es iſt ein ewiges Wechſelſtreben von
Innen nach Außen , und von Außen wieder nach Innen
zuruͤck ; vom Mittelpunct zur Oberflaͤche und von der Ober-
flaͤche wieder zum Mittelpuncte . Ueberhaupt eignen ſich die
organiſchen Bildungen der Natur zu Gleichniſſen fuͤr die Gegen-
ſtaͤnde der Kunſt und der buͤrgerlichen Geſellſchaft nur ſo lange
noch nicht , als man auch dieſe natuͤrlichen Bildungen allein
nach ihren Maſſen und oberflaͤchlichen Erſcheinungen erwaͤgt :
ſo bald aber das innere mathematiſche Geſetz der Bildung
in Anregung kommt , ſo zeigt ſich dieſelbe Weſentlichkeit in allen
Werken der Natur , der Kunſt und der buͤrgerlichen Geſellſchaft .
Man koͤnnte mir den Einwurf machen , daß der Grund-
ſatz des Adam Smith von der freyen Concurrenz ja auch
zu einer ſolchen Kugel-Conſtruction fuͤhre , und daß dieſer
Schriftſteller ja auch nur verlange , daß man den oͤkonomiſchen
Objecten erlauben ſolle , ſich unter einander ſelbſt ins Gleich-
gewicht zu ſtellen , und daß keine Regierung eigenmaͤchtig oder
willkuͤhrlich der oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit eine Bahn vorſchrei-
ben ſolle , die nicht im Gange der natuͤrlichen Haushaltung
ſich ſchon von ſelbſt und ohne alles vormundſchaftliche Zu-
thun einrichtet . — Zufoͤrderſt nun ſieht jedermann , daß ich
die Willkuͤhr der Regierungen , gegen die ſich Adam Smith
erhebt , eben ſo wenig in Schutz nehme , als die Willkuͤhr der
Privaten . Es iſt aber nichts anderes als die Willkuͤhr der
Privaten und nicht etwa das Geſetz der Natur ſelbſt , wo-
mit Dr . Smith der Willkuͤhr der Staatsadminiſtrationen
entgegen arbeitet .
Er befuͤrchtet von dieſer Willkuͤhr der Privaten nichts ,
weil eine maͤchtige Nothwendigkeit jeden Einzelnen zwinge
ſein Intereſſe wahrzunehmen , weil die Beduͤrfniſſe des Men-
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ſchen , wenn ſie nur allein regieren duͤrfen , dieſer Willkuͤhr
ſchon , hinreichende Zuͤgel anlegen . Es iſt aber ſchwer einzu-
ſehn warum dieſelbe zwingende Nothwendigkeit nicht auch
uͤber die Staatsadminiſtrationen walten ſoll : auch hier kann
eine Abweichung von dem Naturgeſetz , oder von dem wah-
ren Intereſſe nur augenblicklich ſeyn ; auf die Dauer wird
jede Regierung eben ſowohl wie jeder Privatmann in die
wahren Schranken zuruͤckkehren muͤſſen . Weil aber die Re-
gierung eine andere Zeitrechnung hat als der Privatmann ,
weil aus ihrem Standpuncte die Dauer ganzer Generatio-
nen nicht viel mehr bedeutet als fuͤr den Einzelnen die Dauer
eines Jahres , weil ſie die hinterlaſſene Macht ganzer Gene-
rationen zur Ausfuͤhrung ihrer willkuͤhrlichen Anordnungen
mißbrauchen kann , waͤhrend dem Einzelnen doch im Durch-
ſchnitt nur die im Laufe weniger Jahre erworbene Kraft zur
Dispoſition ſteht , ſo ſcheint es , daß bey ihr die Augenblicke
der Verirrung , der Abweichung vom Naturgeſetz auch laͤn-
ger dauern koͤnnten , als beym Privatmann , daß alſo ihre
Willkuͤhr eine gefaͤhrlichere waͤre , als die des Privatmannes .
Wenn man ſich dagegen erinnern will , daß die Anarchie
eines einzigen Jahres mehr zu zerſtoͤren vermag , als der
Despotismus uͤber eine ganze Generation , ſo wird man ein-
ſehn , daß das Unheil , welches aus beyderley Willkuͤhr kommt ,
gleich groß iſt , und daß , wenn die Willkuͤhr der Regierungen
fuͤr den Augenblick geringeres Uebel ſtiftet , dagegen laͤnger
zu dauern vermag , die Willkuͤhr der Einzelnen zwar voruͤber-
gehend ſey , dagegen aber fuͤr den Augenblick auch deſto mehr
z erſtoͤre . Das große Geboth , die ewigen Beduͤrfniſſe der Ge-
ſellſchaft gegenwaͤrtig zu erhalten , und nach ihnen die Hand-
lung und die Arbeit des Augenblicks zu beſtimmen , wird auf
gleiche Weiſe verletzt , es moͤge nun von Einem fuͤr die Dauer
einer ganzen Generation , oder von unzaͤhlig vielen fuͤr die
Dauer eines Jahres uͤbertreten werden .
Jede Lehre , die der aͤußeren Naturnothwendigkeit die Aus-
gleichung geſellſchaftlicher Zerruͤttungen uͤberlaͤßt oder uͤber-
traͤgt , iſt revolutionaͤr ; von welcher Seite man auch
dieſe blinde Gewalt der Natur in den Staat einlaſſe , ſo er-
klaͤrt man damit doch immer den Banquerot der menſchlichen
Einrichtungen und Geſetze , oder jener ſittlichen , deutlichen
Nothwendigkeit , welche wir aus der Geſchichte der Ent-
wicklung unſers buͤrgerlichen Vereins und aus allen Spuren ,
welche die fruͤheren Schickſale und Thaten der Voͤlker hinter-
laſſen haben , entnehmen koͤnnen . Irgend eine menſchliche
Handlung ſich ſelbſt oder jener aͤußeren und blinden Noth-
wendigkeit uͤberlaſſen , heißt , alles menſchliche Geſetz uͤber-
haupt , und zugleich die Freyheit , die Selbſtbeſtimmung des
ganzen Geſchlechtes aufheben .
Jeden Einzelnen wuͤrde ſein Lokal , der beſondere Umſtand
ſeines Gewerbes und Lebens ſchon von ſelbſt antreiben , das
Raͤthlichſte und Nuͤtzlichſte zu thun , meint Dr. Smith . Daraus
folgt , wenn wir nicht zugleich , was freylich conſequenter ge-
weſen waͤre , den ganzen Staat aufheben wollen , daß auch
der Regierende von ſeinem Lokal , welches der ewige Staat
ſelbſt iſt , und von den Umſtaͤnden ſeines Geſchaͤfts , welches
doch nur die Beduͤrfniſſe der geſammten Geſellſchaft ſind ,
beſtimmt werden wird , das Raͤthlichſte und Beſte zu thun .
Wir koͤnnen alſo die Willkuͤhr der Einzelnen nicht proclami-
ren , ohne zugleich die Willkuͤhr der Regierung zu legaliſiren ,
und demnach das Remedium , was wir verordnet , ſelbſt wie-
der von Grund aus aufzuheben .
Ich habe ſchon hinreichend erwieſen , daß der Menſch um
Einem Herrn zu dienen , um einem Geſetze folgen zu koͤnnen ,
in zwey , nicht von einander abſolut getrennten , ſondern
in einer unendlichen Wechſelverbindung ſtehenden Welten leben
muͤſſe . Er lebt in gewiſſen Doppelumſtaͤnden auf einem ge-
wiſſen Doppellokal : in ſeinem Hauſe und zugleich im Staate :
mit einem beſondern Intereſſe und zugleich mit einem allge-
meinen Intereſſe . Er hat augenblickliche Beduͤrfniſſe fuͤr ſein
Haus , aber zugleich das ewige Beduͤrfniß des Staats , weil
nur der Staat ihm ſein Haus verbuͤrgen kann ; der Regierende ,
oder wer den Staat repraͤſentirt , hat Beduͤrfniſſe fuͤr die
Dauer , die Erhaltung des Staates oder doch wenigſtens ſei-
ner Stellung als Repraͤſentanten des Staates , er hat alſo
auch zugleich das beſtaͤndige Beduͤrfniß aller einzelnen Haus-
weſen , die wieder den Staat verbuͤrgen muͤſſen .
Aber beyde ſtehen unter dem maͤchtigen Einfluß der Gegen-
wart , der Irrthuͤmer des Augenblicks , und koͤnnen , ſich ſelbſt
zerſtoͤrend , einander vergeſſen . Indem ich nun erklaͤre , jeder
Einzelne moͤge nach Willkuͤhr ſein beſonderes Lokal beſorgen ;
indem ich ihm alſo auch die Befugniß ertheile , des allgemeinen
Beduͤrfniſſes zu vergeſſen , und in wie fern nicht die augenblick-
liche Erſcheinung dieſes allgemeinen Beduͤrfniſſes , oder der
Markt ihn beſchraͤnkt , alle andere Schranken und Geſetze auf-
hebe , die um des ewigen Beduͤrfniſſes willen , wieder dem
augenblicklichen Markt ſeine gehoͤrigen Grenzen anweiſen muͤſ-
ſen , hebe ich die Bezuͤglichkeit jeder einzelnen oͤkonomiſchen
Function auf die Vereinigung , davon ſie ausgegangen , und
dahin ſie immer zuruͤckkehren ſoll , auf : ich verſuche jeden
Augenblick das Ganze zur Kreisflaͤche anzuordnen , da ich aber
keinen feſten und bleibenden Mittelpunct habe , vielmehr ſtatt
deſſelben nur ein ewig veraͤnderliches Weſen , den Markt , ſo
bleibt es bey unregelmaͤßigen Wirbeln ſtatt des Kreiſes , und
an die Kugel iſt nicht zu denken .
Es ſind in der That die Concurrenz , die Freyheit , der
Markt , welche die wahren Werthe beſtimmen , welche die Pro-
duction und den Lebensgenuß aller Einzelnen nicht bloß be-
foͤrdern , ſondern erſt moͤglich machen , und welche der geſammten
Haushaltung des Staates die gerechte , ſphaͤriſche Form ge-
ben ; aber das iſt eine Concurrenz , bey der nicht die Be-
duͤrfniſſe und Erzeugniſſe dieſes Augenblicks allein , ſondern auch
die ewigen , der ganzen unſterblichen Staatsfamilie concurriren ;
eine Freyheit , mit der die Freyheit der Nachkommen beſte-
hen kann , die alſo nicht bloß durch die Freyheit der Zeitgenoſ-
ſen , ſondern auch durch die Satzungen und Beduͤrfniſſe der
Vorfahren beſchraͤnkt wird ; ein Markt , auf dem nicht bloß
die vergaͤnglichen Produkte des getheilten und iſolirten Fleißes
der Arbeiter , die gerade jetzt die Haͤnde ruͤhren , erſcheinen , ſon-
dern auch der geſammte Nachlaß der Vergangenheit an Macht ,
Credit , Weisheit und allen jenen unſichtbaren Guͤtern und
Beduͤrfniſſen , die , weil ſie nichts anderes zu produciren vermoͤ-
gen , als die Produktion ſelbſt , von der unglaͤubigen Theorie
fuͤr unproduktiv geachtet werden .
Kommen die abweſenden Zeiten und Menſchen , die unſicht-
baren Beduͤrfniſſe und Guͤter des Menſchen mit in Anſchlag
wie es ſich gebuͤhrt , ſo iſt nun ein Allgemeines da , welches die
Willkuͤhr beſchraͤnkt und zur Freyheit erhebt , ſo iſt nun jene ſitt-
liche Nothwendigkeit da , welche das beſondere Beſtreben gleich
bey ſeinem Urſprunge durchdringt , und dem man ſich mit dem
Gefuͤhle der Freyheit unterwirft , waͤhrend die rohe Natur-
nothwendigkeit erſt aus verzweifelnder Sklaverey , oder aus
der Aſche ganzer Geſchlechter eine neue Ordnung hervorzwingt ,
die auch erſt wenn ſie vom Geiſte der Freyheit anerkannt , alſo
zur ſittlichen Nothwendigkeit erhoben wird , fuͤr eine beſſere
Ordnung der Dinge zu halten iſt .
Wer nicht bloß an einzelnen Stellen die Beduͤrfniſſe des
hoͤhern Lebens uͤber die des gemeinen vergißt ; wer in der gro-
ßen Maſſe des Volkes nichts ſieht , als den gefraͤßigen Magen
und die harten ſchaffenden Haͤnde ; wer alle ſeine Vorſtellungen
der geſellſchaftlichen Thaͤtigkeit hernimmt , von der Galeeren-
ſklaverey des ſtaͤdtiſchen Tageloͤhners ; wer uͤber den Stand-
punct des verkuͤmmerten , mechaniſirten Fabrikarbeiters nie hin-
aus geht , wer in den Ketten der edeln Metalle ſo tief befan-
gen iſt , daß er von einer Wechſelwirkung perſoͤnlicher Kraͤfte ,
von gegenſeitigen Dienſtverpflichtungen ganzer Familien uͤber
den Raum der Jahrhunderte hinaus , nichts ahndet ; wer die
Wiege der europaͤiſchen Freyheit , das feudaliſtiſche Mittelalter ,
wer dieſen Quell aller ſtolzen Empfindungen nicht kennt , deren
letzter Nachklang noch heut unſer ganzes zerſchliffenes , zerbil-
detes Daſeyn troͤſtend aufrecht erhaͤlt ; kurz wer an nichts
glauben kann , als an das , was er greift , und was ihm
enge , ſtaͤdtiſche Zollhaus-Erfahrungen oder Verſuche an dem
Cadaver der Weltgeſchichte zu greifen geben — wie moͤchte
der von dem Nationalcredit , von dem Reichthum und von der
Haushaltung der Voͤlker Rechenſchaft geben koͤnnen .
Der Gegenſtand iſt zu groß , die Induſtriewuth zu allge-
mein , der Eifer der Gutgeſinnten ſelbſt , auf zu geringfuͤgige
Uebel gerichtet , als daß ich mich zu entſchuldigen brauchte
daruͤber , daß mit dieſer ganzen Schilderung der rechtſchaffene
Adam Smith gemeint iſt . Er ſelbſt wuͤrde mich , ſpraͤche ich
nachſichtiger uͤber ſeine Theorie , nicht entſchuldigen , wenn er
nur den Schluß ſeines Jahrhunderts erlebt haͤtte , oder wenn
er ſeine Tageloͤhner , welche eine goldene Zeit herbey induſtriren
ſollten , heut von der Armentaxe zehren , und millionenweis
in die Methodiſtenverſammlungen ſtroͤmen ſaͤhe , nach einem
Schimmer jener hoͤheren Guͤter , die er in ſeinem Waarenlager
und auf ſeinem Markt nicht zu brauchen wußte .
Alſo der vollſtaͤndige Menſch und alle unendliche Richtun-
gen ſeiner Natur nach ſichtbaren und unſichtbaren Beduͤrfniſ-
ſen bilden die Kugel , welche ſich nach dem Geſetze fortwachſend
zum Staate , zur Staatshaushaltung erweitert . Daß alle
dieſe Richtungen ſich unter einander bedingen , und keine des
Beyſtandes der andern entbehren kann , bringt ſie alle in einen
gemeinſchaftlichen Vereinigungspunct : beym Menſchen iſt
dieſer Vereinigungspunct das Gefuͤhl ſeiner Perſoͤnlichkeit ; an
dem Schema der Kugel iſt es das Centrum . In dem man dem
Menſchen Perſoͤnlichkeit zuſchreibt , ſo behauptet man zugleich
die Convergenz aller ſeiner Kraftrichtungen , d. h. die Con-
vergenz aller Beduͤrfniſſe , welche dieſe Kraftrichtungen hervor
reitzen , alſo eine unendliche Verhaͤltnißmaͤßigkeit unter allen
Functionen ſeiner Kraft ; da nun der Staat nichts weiter iſt ,
als der ſich auswachſende Menſch , da von ſeiner Ganzheit
der Beſtand aller ſeiner einzelnen Kraͤfte abhaͤngt , dieſe Ganz-
heit aber ebenfalls nichts iſt , als die unendliche Verhaͤltniß-
maͤßigkeit der Theile , ſo iſt die Betrachtung dieſer Verhaͤlt-
niſſe der Kraftfunctionen unter ſich das Hauptſtuͤck aller
Staatsweisheit . Zahlen reichen bey dieſer Erwaͤgung nicht aus :
nur eine Normalfigur , wie die Kugel , kann ausdruͤcken , was
gemeint wird . —
Drittes Kapitel .
Vom Gelde .
D iejenigen oͤkonomiſchen Functionen alſo , welche in dem
urſpruͤnglichen Menſchen alle vereinigt ſind , treten im Fort-
gange des geſellſchaftlichen Lebens aus einander ; indeſſen ver-
bleibt ihnen allen ein Streben nach ihrem Urſprunge , nach
ihrer Vereinigung zuruͤck . Denn wenn der Menſch auch ſein
ganzes Leben einer einzelnen oͤkonomiſchen Function hinzugeben
vermag , ſo muͤßte er erſt ſich aller andern Beduͤrfniſſe ent-
ſchlagen , und nur das Eine behalten koͤnnen , welches durch
ſeine beſondere Thaͤtigkeit befriedigt wird , um ſich von der
Geſellſchaft der uͤbrigen abſondern zu koͤnnen .
So aber behaͤlt er alle Beduͤrfniſſe des urſpruͤnglichen
Menſchen , waͤhrend er allen oͤkonomiſchen Thaͤtigkeiten des
urſpruͤnglichen Menſchen bis auf Eine entſagt : die Arbeit
theilt ſich unter die Einzelnen Haͤupter der Menſchen , die
Beduͤrfniſſe aber , welche die Arbeit beſtimmen , bleiben in
jedem Einzelnen Menſchen bey einander . Er kann alſo nur
arbeiten in wie fern die ganze Geſellſchaft fuͤr ihn arbeitet :
er bedarf die Geſammtheit der uͤbrigen und ihre Kraͤfte an
allen Orten ; kurz die Geſellſchaft , die Vereinigung aller
oͤkonomiſchen Functionen , der Staat — bleibt das Beduͤrfniß
aller Beduͤrfniſſe .
Ich habe bereits oben angedeutet , daß dieſes Beduͤrf-
niß der Vereinigung in der natuͤrlichen Ordnung der Dinge
zunehmen muͤſſe in demſelben Grade wie die Theilung der
Arbeit ; daß je mehr die Kraͤfte des Menſchen aus einander
treten , auch das Band derſelben , oder der Staat um ſo
gewaltiger werden muͤſſe . Alles dieſes ſtellt ſich den Sin-
nen dar in den Verrichtungen des Geldes : das Verlan-
gen nach dem Gelde iſt ein bloßer unvollkommener Repraͤ-
ſentant des hoͤheren Verlangens nach der Vereinigung , nach
dem Staate ; und es gilt unter allen tiefen Verwickelungen
des oͤkonomiſchen Lebens noch heut , daß , wer in dem Gelde
irgend etwas anders begehrt , als die buͤrgerliche Geſellſchaft ,
welche die Materie des Geldes nur ſymboliſch andeutet ,
oder wer dieſe Materie an ſich begehrt , nie befriedigt wer-
den koͤnne . Daher habe ich an einem andern Orte gezeigt Elemente der Staatskunſt . II. III. Theil . ,
wie das Geld eigentlich nichts anders ſey , als die Eigen-
ſchaft der Geſelligkeit , welche in groͤßerem oder geringerem
Grade allen Dingen inwohne , und daß unter den Sachen ,
beſonders die edeln Metalle , unter den Perſonen aber noch
in viel vollkommnerer Geſtalt der wahre Staatsmann dieſe
Eigenſchaft an ſich trage .
Wenn man alſo in neueren Zeiten die Sache ſo darge-
ſtellt , als ſey ein Staatspapier ein bloßes Subſtitut der
Metalle , oder als koͤnne ein Verſprechen des Staates
die Metalle nur repraͤſentiren , und als ſey ſelbiges ohne
Beziehung auf die Metalle weſenlos , ſo hat man die Ord-
nung der Dinge umgekehrt : die Metalle ſind die Repraͤſen-
tanten ; das große Beduͤrfniß des Zuſammenhaltens , welches
ſchon vor aller Theilung der Arbeit die einzelnen Organe des
Menſchen verbindet , dann ſpaͤter alle die verſchiedenen oͤko-
nomiſchen Functionen unaufhoͤrlich zu ihrem Urſprung und
zur Vereinigung zuruͤck zieht ; das , was die Metalle durch
den Stempel , wie durch eine Art von Creditiv erſt zum
Gelde erhebt , und was endlich bey weiterer Entwickelung des
buͤrgerlichen Lebens durch das Staatspapier ausgedruͤckt
wird — iſt das Principale .
Der wohldenkende Leſer wird alſo einſehen , daß , wie-
wohl ſich alles hoͤhere geſellſchaftliche Beduͤrfniß des Men-
ſchen , und die unerlaͤßliche Bedingung aller Arbeitstheilung
in dem Metallgelde verſteckt , dennoch einem Heer von Miß-
verſtaͤndniſſen Thuͤr und Thor geoͤffnet iſt , wenn man , wie
in den Unterſuchungen des Adam Smith geſchehen , von einer
beſtimmten Erfindung des Geldes redet . Nach dieſem erſten
Irrthum bleibt das Geld durch den ganzen Fortgang der
Unterſuchung ein nuͤtzliches Auskunftsmittel bey dem Tauſch
und Kram des gemeinen Lebens ; es bleibt Waare : als
Maaßſtab der geſelligen Eigenſchaft aller uͤbrigen Waaren
kann es der Autor nicht brauchen , weil er das unſichtbare
Weſen , welches im Metallgelde dieſe uͤbrigen Waaren
mißt , nicht kennt ; der Maaßſtab muß wo anders geſucht
werden , und weil ſelbſt unter den Irrthuͤmern der Men-
ſchen ein Gleichgewicht Statt findet , ſo beſtraft ſich die
allzumaterielle Vorſtellung des Geldes durch eine allzuideale
des Maaßſtabes ; der Begriff der Arbeit wird zum Maaßſtabe
erhoben .
Das Geld iſt ſo wenig als der Staat , oder die Sprache
eine Erfindung . Der Menſch , in wie fern er nur uͤberhaupt
da iſt , bedarf Perſonen und Sachen : die Sachen um der
Perſonen , die Perſonen um der Sachen Willen , beyde um
ſeiner Unvollkommenheit Willen , beyde um ſich zu ergaͤnzen ,
um ſich zu verewigen . Er bedarf alſo außer ſich ſelbſt noch
eines Bandes , das ihn mit den Perſonen und Sachen un-
aufloͤslich verbinde , und wiewohl ſein eigenes unnachlaſſen-
des Beduͤrfniß nach jener Gemeinſchaft ſchon dieſe Verbin-
dung vollzieht , ſo wird er doch derſelben ſich nur bewußt ,
in wie fern er in den Perſonen und Sachen das gleiche Be-
duͤrfniß wahrnimmt . Das , was dieſe Verbindung vollzieht ,
iſt in den ſpaͤteſten Entwickelungen der buͤrgerlichen Geſell-
ſchaft , wie in den fruͤheſten Anfaͤngen derſelben , der Staat ;
und Geld iſt nichts anders als der oͤkonomiſche Ausdruck fuͤr
dieſes Beduͤrfniß der Vereinigung oder fuͤr den Staat ; ſo
wie Geſetz der juriſtiſche Ausdruck dafuͤr iſt .
Unter den Sachen ſind es die edeln Metalle , unter den
perſoͤnlichen Kraͤften des Menſchen iſt es das Wort , von denen
jedes in ſeiner Sphaͤre die Vereinigung vollzieht , die der
Menſch unaufhoͤrlich unter allen ſeinen perſoͤnlichen und ſaͤch-
lichen Angelegenheiten zu ſtiften ſtrebt : die edeln Metalle find
das natuͤrlichſte Band unter den Sachen , das Wort iſt das
natuͤrlichſte Band unter allen perſoͤnlichen Kraͤften . Das
Wort und das edle Metall ſind alſo die beyden großen
Formen , unter denen das Geld erſcheint ; die beyden großen
Verſinnlichungen des oͤkonomiſchen Staates . Keines von bey-
den allein und fuͤr ſich druͤckt das Weſen des Geldes voll-
ſtaͤndig aus : wer alſo eine bloß materielle Anſchauung des
Geldes haͤtte , oder wer es bloß im edeln Metalle begriffe ,
haͤtte von dem Weſen des Geldes , und weiterhin von ſeinem
Leben und ſeinem Umlauf eine eben ſo falſche und todte Vor-
ſtellung , als derjenige , der eine bloß idealiſche Anſchauung
desſelben naͤhrte , das heißt : der es nur als Wort , als fixir-
tes Wort , im Muͤnzſtempel oder auf dem Papier zu begreifen
wuͤßte .
Dieſe Diſtinction iſt das A und O aller ſtaatswirthſchaft-
lichen Anſichten . Weil die letztverfloſſenen Jahrhunderte ſich
allzuſehr auf die Seite der materiellen Anſchauung des Geldes
heruͤber geneigt , weil ſie das Geld allzuausſchließend in den
Metallen geſucht und erſtrebt haben , ſo hat ſich die andere
verſaͤumte Geldform , naͤhmlich , das Wortgeld dafuͤr geraͤcht :
ungeheure Papiercirculationen ſind ungerufen in die Staaten
eingedrungen ; je mehr man ſie fuͤr ein reines Uebel gehal-
ten , je aufrichtiger man ſie verabſcheut hat , um ſo mehr hat
man dergleichen creiren muͤſſen . In dieſer Wildheit uͤber die
Staaten herſchwaͤrmend ſind dieſe Papierformen des Geldes
auch wirklich ein reines Uebel ; aber niemand hat ein Recht
ſie alſo zu nennen , der durch ſeine Parteylichkeit fuͤr die
Metalle den Zorn der verſaͤumten , und doch eben ſo noth-
wendigen andern Partey erweckt , alſo durch ſeine Ungerech-
tigkeit , ſie zu einem reinen Uebel gemacht hat . So ſind Be-
wegung und Ruhe , Krieg und Friede zwey gleich nothwendige
Formen desſelben politiſchen Lebens : ſeitdem man aber den
abſoluten Frieden fuͤr ſich hat ergreifen und darſtellen wollen ,
ſeitdem man die innere Verfaſſung der Staaten ausſchließend
fuͤr den Frieden eingerichtet hat , ſo haben die ſtehenden Ar-
meen im ſteigenden Verhaͤltniß zunehmen muͤſſen , und nun
erſt iſt der Krieg zum reinen Uebel geworden . Was zur voll-
ſtaͤndigen Natur des Menſchen gehoͤrt , wird in demſelben
Maaße , als die Menſchen ſich ſeiner zu entſchlagen ſuchen ,
ſich um ſo hartnaͤckiger , druͤckender , feindſeliger aufdringen .
Der Menſch ſteht in einem gleichweſentlichen Verhaͤltniß
zu den Perſonen und zu den Sachen , aber es iſt ſchon in
der Einleitung gezeigt worden , daß er um der Perſonen
Willen in einem Verhaͤltniß zu den Sachen , und um der
Sachen Willen in einem Verhaͤltniß zu den Perſonen ſteht ,
daß er keines dieſer beyden Verhaͤltniſſe in einer abſoluten
Abſonderung fuͤr ſich behandeln koͤnne , kurz , daß ein
abſolutes Privateigenthum , und ein abſolutes Privatleben
zu denken unmoͤglich iſt . Alſo kann er auch weder die
Geldform , welche die Sachen umfaßt ( das edle Metall )
noch die andere Geldform , welche die perſoͤnlichen Kraͤfte
umfaßt ( das Wort ) abgeſondert fuͤr ſich betrachten oder
behandeln . Es gibt demnach eben ſo wenig reines Metall-
geld als reines Papier- oder Wortgeld . Wo alſo Metall-
geld wirklich vorhanden iſt , da muß es mit dem Worte ſchon
verſetzt ſeyn : und , wo wirkliches Wortgeld ( Schrift- oder
Papiergeld ) vorhanden iſt , da muß es mit dem Metallgelde
verſetzt , und gleichſam dadurch beſtaͤtigt ſeyn . Mit andern
Worten : wenn das Metallgeld zu wirklichem Gelde werden
ſoll , ſo muß das Wort ſein Siegel , ſeinen Stempel darauf
druͤcken : es muß Muͤnze werden Die Angabe des Gewichts und der Feinheit conſti-
tuiren das Weſen der Muͤnze noch nicht . Das Wort iſt nichts
ohne die Perſon des Sprechers : jedermann wird fragen , wer
Gewicht und Feinheit auf dem Metalle angegeben . Das Bild
oder Zeichen , oder der Wahlſpruch , oder das Wappen des
praͤgenden Souveraͤns , oder der praͤgenden Commune muß
hinzugefuͤgt werden . Ferner die Beſtimmungen des Gewichts ,
der Feinheit , der Benennung der Muͤnze , ſind Einrichtun-
gen der buͤrgerlichen Geſellſchaft , ſind Sachen der Convention .
Der Inbegriff aller dieſer Dinge iſt das Wort , welches zum
Metall hinzu kommen muß , damit es zur Muͤnze werde . : andererſeits ſoll das
Wort zum wirklichen Gelde werden , ſo muß es in Beziehung
auf das Metall ſtehen , es muß durch das Metall beſtimmt
werden .
Wollte man nun aber behaupten , eines von beyden muͤſſe
dem andern unterworfen ſeyn , entweder das Papiergeld ab-
haͤngig nach Sklavenart vom Metallgelde , oder das Metall-
geld vom Papiergelde , ſo wuͤrde man in beyden Faͤllen be-
haupten , daß eines von beyden unabhaͤngig fuͤr ſich exiſtiren
koͤnnte , daß eines von beyden abſolut feſter und unveraͤnder-
licher Maaßſtab des andern waͤre , und , daß die Sachen ,
welche das eine repraͤſentirt , voͤllig unabhaͤngig waͤren von
den Perſonen und perſoͤnlichen Kraͤften , welche das andere
repraͤſentirt und umgekehrt . Eine Zeit alſo , welche das ab-
ſolute Privateigenthum und Privatleben fuͤr moͤglich haͤlt ,
wird auch eine von den beyden Geldformen , und wahrſchein-
lich die ſaͤchliche , das Metallgeld fuͤr den unbedingt feſten
Theoret. Theil L
Maaßſtab der anderen , und die andere Geldform des Wort-
( Papier- ) Geldes fuͤr den Sclaven der Erſteren halten . So iſt
es auch wirklich , und der allgemein verbreitete Grundſatz :
„ daß das Papiergeld uͤberhaupt nur als Subſtitut des Metall-
geldes zu denken ſey “ , nur ein beſonderer Ausdruck fuͤr den
noch allgemeineren , doch weniger keck ausgeſprochenen Grund-
ſatz : daß alle perſoͤnlichen Verhaͤltniſſe des Menſchen , Staat ,
Staͤnde , Corporationen u. ſ. f. nur um des ſaͤchlichen Be-
ſitzes , um der Sicherheit Willen des Privateigenthums vor-
handen waͤren , ohne daß das Privateigenthum ſeinerſeits
wieder dem Staate unterworfen waͤre Die allgemeine Befugniß : Krieg zu fuͤhren , dafern
man des Privateigenthums ſchone , zeigt deutlich genug , daß
der Staat und alle perſoͤnlichen Verhaͤltniſſe nur als Accidenz
des Privateigenthums betrachtet werden . — .
Wenn auch unter den Sachen das edle Metall , und unter
den perſoͤnlichen Kraͤften das Wort regiert , ſo ſteßt doch
nichts deſto weniger jede dieſer beyden Maͤchte in einem
veraͤnderlichen Verhaͤltniß zu dem Gebiete , worin ſie regiert ;
und da nun noch uͤberdieß die Herrſchaft der Einen unauf-
hoͤrlich in die Herrſchaft der Anderen eingreift , da jede Sache
einzeln durch perſoͤnliche Verhaͤltniſſe und jede Perſon , wie
jedes perſoͤnliche Verhaͤltniß wieder durch Sachen garantirt
werden muß , ſo koͤnnen die beyden regierenden Geldformen
ſich nur behaupten , in wie fern ſie einen unaufloͤslichen Bund
mit einander ſchließen , in wie fern ſie ſich gegenſeitig garan-
tiren , das heißt : in die oben beſchriebene Wechſelverbindung
treten .
So lange noch das Wort ſelbſt auf der Erde gegolten
hat , ſo lange noch neben dem ſparſamer verbreiteten Me-
tallgelde ein eben ſo maͤchtiger perſoͤnlicher Glaube ſtand ,
ſo lange war ein Mißbrauch des Metallgeldes unmoͤglich :
im Mittelalter war in den feudaliſtiſchen Dienſtverhaͤltniſſen
die andere Geldform vorhanden , und erhielt das Metallgeld
in ſeinen Schranken . Nachfolgende Geſchlechter ſind von dem
Glauben , von dem Worte , von der Perſoͤnlichkeit abgefal-
len : ganze Gebirge von edeln Metallen ſind ihrem Irrthume ,
ihrer Schwaͤrmerey fuͤr den ſaͤchlichen Beſitz auf halbem Wege
entgegen gekommen . Darauf hat nach dem ewigen Natur-
geſetze des Gleichgewichts , auch der Irrthuͤmer , die ver-
ſaͤumte Perſoͤnlichkeit , der vernachlaͤßigte Glaube , das zu-
ruͤckgeſetzte Wort ſich raͤchen muͤſſen : die Schuldenverhaͤltniſſe ,
die Creditſyſteme und das Papiergeld des letzten Jahrhunderts
ſind durch dieſe unvermeidliche Reaction entſtanden . Die
Welt haͤlt ſie fuͤr reine Uebel : thue ſie nur noch den einzigen
Schritt zu erkennen , daß der Mißbrauch der Menſchen dieſe
hoͤchſt natuͤrlichen Dinge erſt zu Uebeln gemacht hat . Man
unterwerfe ſich ihnen mit Freyheit , man erkenne ihre Un-
entbehrlichkeit , man verſoͤhne ſich mit ihnen , man inoculire
ſie Hat man doch die Blattern ſo bezwungen : die noth-
wendigſten Hausthiere , ſind ſolche gezaͤhmte reine Uebel .
Auch der Krieg laͤßt ſich inoculiren , indem man alle Friedens-
inſtitute des Staates mit ſeinem Geiſte durchdringt . , man zaͤhme ſie : und dieſe reinen Uebel werden die
kraͤftigſten Bindungsmittel des Staates , und die ſicherſten
Buͤrgſchaften fuͤr das Gluͤck jedes Einzelnen werden .
L 2
Alle gedenkbaren Argumente , welche man gegen das
Papiergeld aufbringen kann , treffen immer nur jene wilde
Reaction der Natur gegen die Alleinherrſchaft des Metall-
geldes : gluͤcklicher Weiſe aber hat auch ſie ſchon zu weit
um ſich gegriffen , als daß es in dem Gebiete menſchlicher
Macht laͤge , ihre Wirkungen zu vernichten ; und darin thun wir
es nun , Dank ſey es dieſer großen Erfahrung , dem Mittelalter
zuvor , daß wir die beyden ſichtbar vorhandenen Geldformen
als gleichweſentliche Elemente des Geldes mit Bewußtſeyn
anerkennen , und , indem wir unſere Metallgeldwirthſchaft
mit der Papiergeldwirthſchaft in wahre Wechſelwirkung brin-
gen , ein ſicheres , durch ſich ſelbſt verbuͤrgtes Geldſyſtem
erlangen koͤnnen .
Denn in der Wechſelwirkung der beyden Geldformen lebt
und entſteht erſt das eigentliche Geld , wie ſich uͤberhaupt
auch eine Einſicht in das Weſen des eigentlichen Geldes nicht
etwa durch eine feſt ſtehende Theorie , ſondern nur durch eine
wahrhaft hiſtoriſche , mitſchreitende , mitlebende Betrachtung
der ewigen Wechſelverbuͤrgung der Metalle durch das Wort
erlangen laͤßt .
Nicht anſchaulicher wuͤßte ich dieſen großen Prozeß der
Gelderzeugung zu machen , als indem ich zu dem Schema
der Kugel zuruͤckkehre . Metallgeld und Wortgeld ſind die bey-
den Pole der oͤkonomiſchen Sphaͤre : jede oͤkonomiſche Func-
tion , die aus der urſpruͤnglichen Vereinigung aller Functionen
in einem und demſelbigen Menſchen heraus trat , noͤthigte
eine andere entgegen geſetzte Function aus dem Mittelpuncte
heraus zu treten : ſo entwickelte ſich meiner obigen Beſchrei-
bung nach die Kugel . Aber alle die ſo entſtehenden Radien
und Diameter unter ſich , alle dieſe verſchiedenen oͤkonomiſchen
Functionen ſind wieder einem Hauptradius , einem Diameter
par excellence untergeordnet , wie alle Radien und Dia-
meter der Erdkugel einem Hauptdiameter , naͤhmlich , der
Axe untergeordnet ſind , um welche ſie ſich zunaͤchſt und dann
erſt mit ihr um den Mittelpunct der Erde bewegen .
Dieſe Hauptfunction , dieſe Axe der oͤkonomiſchen Sphaͤre
iſt die Function des Geldes . Und wenn man ſich in die
Hemisphaͤre des einen Pols alle ſaͤchlichen Functionen denkt ,
ſo werden ſich dieſe freylich zunaͤchſt um den ſaͤchlichen Pol ,
den Pol des Metallgeldes drehen , eben ſo wie die geſammten
perſoͤnlichen Functionen zunaͤchſt um den perſoͤnlichen Pol ,
um den Pol des Glaubens- Credit- Wortgeldes : indeß da
jede einzelne ſaͤchliche Function nur moͤglich wird durch eine
Art von Antipoden , das heißt : durch die Entſtehung einer
entgegen geſetzten perſoͤnlichen Function , ſo wird auch jeder
von den beyden Polen mit allen ſeinen Dependenzen in jeder
Ruͤckſicht bedingt ſeyn durch den andern ; eben ſo jede Hemis-
phaͤre durch die andere .
Beyde Pole Metallgeld und Credit- ( Papier- ) Geld wer-
den ſichtbar heraus treten , aber mit allen Welterſcheinungen ,
die davon abhaͤngen , demjenigen ewig unverſtaͤndlich bleiben ,
der die Beziehungen dieſer beyden Pole , und aller anderen
gedenkbaren Radien mit ihnen auf den unſichtbaren Mittel-
punct , auf das eigentliche Geld nicht kennt . Die Menſchen
taͤuſchen ſich uͤber die Richtungen ihrer Thaͤtigkeit ; ſie glau-
ben bald hier , bald dorthin zu wirken , ſie entſcheiden ſich
fuͤr einen der beyden Pole ausſchließlich : indeß iſt es immer
und an allen Orten nur jener Mittelpunct , jenes unſichtbare
Geld , welches ſie und all ihr Werk traͤgt , zieht , regiert .
Viertes Kapitel .
Unterſchied der Wechſelſclaverey und der freyen Wechſel-
wirkung , zwiſchen den oͤkonomiſchen Kraͤften .
W enn man die Vorſtellungen unſerer Zeitgenoſſen von dem
Verkehr , dem Tauſche , dem Handel , dem Markte bedenkt ,
ſo ergibt ſich , daß wohl empfunden wird , wie in letzter
Inſtanz die Nachfrage oder das menſchliche Beduͤrfniß , alſo
etwas hoͤchſt Perſoͤnliches alle dieſe Umſaͤtze und Uebertragungen
der Sachen regiere : indeß da man nur auf das koͤrperliche
Beduͤrfniß des Menſchen , auf das Beduͤrfniß des Menſchen
nach Sachen , nach Handgreiflichkeiten , nach Augenblicklich-
keiten Ruͤckſicht nimmt , da man die oͤkonomiſche Ordnung
der Dinge errichtet zu haben glaubt , wenn man dieſen Au-
genblicklichkeiten geſtattet , ſich frey unter einander ins Gleich-
gewicht zu ſetzen , da man durchaus keine Anſtalt trifft , die
hoͤheren moraliſchen und ewigen Beduͤrfniſſe der Menſchen ,
welche in der Sorge fuͤr den Augenblick ſo leicht verſaͤumt
werden , und ohne die demnach eine dauerhafte Befriedigung
des Augenblicks unmoͤglich iſt , mit auf den Markt zu brin-
gen — ſo iſt klar , daß man eigentlich den handgreiflichen
Sachen die Regierung der Welt uͤbergibt , und an eine ,
in den Sachen verborgene , dunkle , anordnende Gewalt viel-
mehr , als an die Perſoͤnlichkeit des Menſchen und an ſeine
Oberherrſchaft uͤber die Dinge glaubt .
Es iſt auch natuͤrlich , daß die Theorie ſich dem gemei-
nen Manne mundrecht zu erhalten ſtrebt , und kein Verlan-
gen traͤgt nach einer hoͤheren Grundlage , als der gemeinen
Denkungsart ihrer Zeit : der gemeine Mann aber glaubt
heutiges Tages nicht vielmehr als er gerade vor ſich ſieht ,
und , da in den Perſonen allezeit etwas Geheimes und Un-
ſichtbares zuruͤck bleibt , das alle Rechnung ſtoͤren kann , ſo
haͤlt er ſich viel lieber an den handgreiflichen Sachen , ſo meint
er durch dieſe ſein Daſeyn ſicher zu ſtellen , ſo arbeitet er
fuͤr nichts als fuͤr ihren Beſitz , und vertraut dem letzten
Reſte dieſes taͤglich von neuem verkuͤmmerten Beſitzes noch
mehr , als aller perſoͤnlichen Kraft , die ihm zu Huͤlfe kom-
men koͤnnte .
Zur Unterhaltung der Lebensflamme gehoͤren taͤglich gewiſſe
Brennmaterialien : es iſt Brot von Noͤthen oder ein Aequi-
valent von Brot ; es ſind Sachen von Noͤthen die alle Men-
ſchen , einer wie der andere , taͤglich begehren : wir halten
uns an dieſen nothwendigſten Sachen , die darin regirende
Nothwendigkeit , der darin verborgene Gott wird den Nach-
bar ſchon zwingen , das heraus zu geben , was er hat , und
was uns fehlt . Man glaubt alſo nicht bloß an den Sachen ,
ſondern an eine gewiſſe Ausgleichung unter den Sachen ,
woruͤber der veraͤnderliche Wille des Menſchen nichts ver-
moͤge , die alſo eigentlich das Weltgeſetz ſey . Es iſt dieſes
der Staat und die Religion des unvernuͤnftigen Thieres ,
das zwar nicht eigentlich tauſcht und commerziret , aber
nicht leben koͤnnte ohne einen gewiſſen dunkeln Glauben
an die uͤberſchwengliche Nothwendigkeit und Ewigkeit des
Futters .
Der auf die große Thatſache des taͤglich wiederkehren-
den Hungers ſich ſtuͤtzende Glaube des Menſchen hat allen
anderen Glauben und jede hoͤhere Neigung dergeſtalt ver-
zehrt , daß es wirklich , zumahl , wenn man die darauf er-
richteten oͤkonomiſchen Theorien betrachtet , das Anſehen hat ,
als waͤre das Verlangen der Sachen nach den Menſchen viel
groͤßer , als das der Menſchen nach den Sachen , und als
verſpeiſten eigentlich die Sachen den Menſchen , und nicht
dieſer jene .
Aber von allen dieſen Verirrungen eines tief geſunkenen
Geſchlechts abgeſehen : es iſt wirklich ein Geiſt , ein gewalti-
ger Geiſt in den Sachen , den ſie in der buͤrgerlichen Ge-
ſellſchaft und durch dieſelbe erlangen . Dadurch , daß die ganze
buͤrgerliche Geſellſchaft eine ſolche Sache begehrt , wird ſie
erſt fuͤr den Einzelnen ſo wichtig und ſo furchtbar , und ſo
iſt denn der Irrthum begreiflich , daß , lange nachdem die
letzten Gefuͤhle fuͤr das Gemeinweſen in dem Einzelnen er-
ſtorben ſind , er noch ein Geſpenſt desſelben in den Sachen
ehren , fuͤrchten und ſchonen muß .
So offenbart ſich denn auch hier das große , oft erwaͤhnte
Gleichgewicht der menſchlichen Irrthuͤmer : einerſeits
werden die Sachen zu Goͤtzen , zu Tyrannen des Menſchen
erhoben ; die Neigung des Poͤbels und die fataliſtiſchen
Theorien der Staatswirthſchaft wenden ſich zur Abgoͤtterey
der Sachen , und zu ſclaviſcher Unterwuͤrfigkeit unter ihr
vorgebliches Geſetz : man laſſe , heißt es , den Menſchen nur
frey von allen perſoͤnlichen Schranken , man laſſe die Sachen
nur gewaͤhren , nur walten uͤber ihn , man laſſe die Ballen
der Waaren nur ſich unter einander ins Geichgewicht ſetzen ,
und den Menchanismus der Gewerbe in ſich ſelbſt forttreiben ,
ſo wird der Menſch ſchon folgen muͤſſen ; andererſeits
werden dieſelben Sachen wieder abſolut privateigenthuͤmlich
der willkuͤhrlichen Dispoſition des Einzelnen uͤberlaſſen , er
erhaͤlt das Recht der Veraͤußerung alles Beſitzes , ein Recht
uͤber Leben und Tod derſelben Sachen , die ihn beherrſchen
ſollen ; kurz der Sclav wird wieder Tyrann ſeines Tyrannen ,
und der Tyrann Sclav ſeines Sclaven .
Es war eben die Haupt- und Grundthorheit in der vielgeprie-
ſenen Weisheit der heidniſchen Alten , daß ihnen das Leben
als ein Tummelplatz der Willkuͤhr erſchien , daß ſie die
Guͤter der Erde nicht anders zu denken wußten , als in blin-
der Unterworfenheit unter eine gewiſſe bald verfeinerte , bald
heroiſche Laune , und daß ihre geſammte Haushaltung nichts
Hoͤheres verlangte , als kecke Unterwerfung und kluͤgelnde
liſtige Bewirthſchaftung des ausſchließenden Eigenthums .
Sie waͤhnten die Welt zu unterjochen und wollten nicht ein-
ſehen , daß ſie eben dadurch ſelbſt Sclaven wurden , und daß
ſie die Willkuͤhr , die ſie ausuͤbten , zugleich auf den Thron
ſetzten uͤber ſich . Was war dieſes Raͤthſel des Fatums ,
das mit ſchrecklichem Muthwillen uͤber allen ihren Goͤttern
waltete , was waren die vergoͤtterten Geſpenſter der irrdiſchen
Sachen und Naturkraͤfte , was waren ſelbſt in ſpaͤteren un-
heiligeren Zeiten dieſe bewaffneten Sclavenrotten , welche die
Selbſtherrſcher umgaben , und nach Belieben uͤber ihre Krone
ſchalteten — anders , als dieſelbige Willkuͤhr , die niemand
uͤber die Dinge ausuͤben kann , ohne daß die Dinge ſie wieder
uͤber ihn ausuͤbten . —
Freyheit nannten ſie dieſes Weſen : ein Euphemismus des
ganzen heidniſchen Alterthums ; und wo ſie noch ſonſt un-
heimliche Dinge mit freundlichen Worten und ſchmeichelnden
Bildern verkleideten , waren es immer einzelne Zuͤge derſelben
ſchrecklichen Larve : Sprache , Philoſophie , Kunſt , mußten
alle ihre Zauber aufwenden , damit ſie nur ertragen werden
konnte .
So waren die Heiden ! im Laufe der letztverfloſſenen Jahr-
hunderte iſt dieſe thoͤrichte Geſinnung zuruͤck gekehrt : die
Dinge ſollen wieder privateigenthuͤmlich dem Menſchen unter-
worfen werden , und ſo iſt das alte Fatum auch unmittelbar
wieder zugegen , und der Menſch zu einem Spielzeuge in den
Haͤnden desſelben herabgeſunken : ohne Euphemismus ! der
Weltmarkt und der Weltkrieg ſind unſer Fatum ; Gold ,
Colonialwaaren und dergleichen ſind unſere Goͤtter ; und ſo
ſind es ſelbſt Sclaven ihrer Sclaven , welche die Welt be-
herrſchen .
Wahrſcheinlich wird man noch lange fortfahren , die
Quelle unſeres Elends ganz wo anders zu ſuchen , als wo ſie
liegt : ein edler Schriftſteller hat die Verruͤckung der gegen-
waͤrtigen Generation : Gottesſcheu genannt ; und wo dem
Goͤttlichen ausgewichen wird , wie moͤchte man da das Na-
tuͤrliche finden . Nur in dem goͤttlichen Verhaͤltniſſe des
Menſchen zu den Dingen liegt die Freyheit , liegt der Reich-
thum , liegt alles Eigenthum und alle Befriedigung unſeres
Daſeyns . So lange wir die Dinge an ſich zu beſitzen ſtreben ,
ſo lange wir nicht erkennen , daß es nur die geſellſchaftliche
Macht in den Dingen iſt , die uns reitzt , und daß die un-
bedeutendſte Sache erſt durch den Staat geheiligt und per-
ſonifizirt wird , daß alſo aller dieſer aͤußerliche handgreifliche
Verkehr mit den Dingen , nur um eines unſichtbaren hoͤheren
Weſens Willen Statt findet , und nur von einem ſolchen ge-
tragen werden kann — ſo lange ſind alle ſtaatswirthſchaftlichen ,
alle politiſchen Probleme unbedingt unaufloͤs-
lich : denn die reinſten Vorſtellungen vom Staate , deuten , wie
ſchon oben erwieſen , alle weiter und hoͤher , auf ein Aller-
mittelſtes ; auch dieſer Planet braucht eine Sonne die ihn
traͤgt , dieſelbe Sonne , welche die geringſte Haushaltung
waͤrmt und beſcheint , wie auch uͤberhaupt in die Verwicke-
lung der menſchlichen Angelegenheiten , erſt die Klarheit der
echten Wiſſenſchaft bringt .
Die Weisheit der Weiſeſten vermag in ſtaatswirthſchaft-
lichen Angelegenheiten nichts ohne dieſes Licht : die Zeiten der
Auskunftsmittel , der Palliativen , der Prolongationen des
endlichen Entſcheidungstermins ſind bald zu Ende ; die arm-
ſeligen Kuͤnſte des rechnenden Verſtandes ſind erſchoͤpft : wer
ſeine Wirthſchaft beſorgen und erhalten will , muß darneben
etwas Hoͤheres ins Auge faſſen , als dieſe Wirthſchaft . Nur
fuͤr diejenigen , welche fuͤhlen oder wenigſtens ahnden , daß
weder die abſolut iſolirte , noch die profane Behandlung eines
ſolchen wiſſenſchaftlichen Gegenſtandes zu irgend einer Befrie-
digung fuͤhren koͤnne , ſind die nachfolgenden Betrachtungen
uͤber Maaßſtab , Standard , Muͤnze und Circulation aufge-
ſchrieben worden .
Der Menſch braucht alſo nicht die Sachen , um ſie aus-
ſchließend in Beſitz zu nehmen , um ſie als Sklaven ſich zu
unterwerfen , ſondern als ein Band mit den Perſonen , und
um vermittelſt ihrer in Verbindung mit der buͤrgerlichen Ge-
ſellſchaft zu treten und zu bleiben ; der Menſch bedarf der
Perſonen , um vermittelſt ihrer Huͤlfe die Sachen zu erlan-
gen , durch die er ſich feſter mit den Perſonen , und dergeſtalt
inniger mit dem Ganzen der Geſellſchaft vereinigen koͤnne .
Der Menſch bedarf alſo uͤberhaupt nur , um wieder hingeben
zu koͤnnen , um das ewige Opfer bringen zu koͤnnen , welches
der Zweck ſeines ganzen Daſeyns iſt . Er arbeitet nur , um
unbezwungen von irgend einer blinden Naturkraft , ſich und
ſeinen Erwerb fuͤr die große republikaniſche Idee der Gemein-
ſchaft hingeben zu koͤnnen , und ſo jenes Zutrauen , jenes
Sicherheitsgefuͤhl zu erlangen , das ihm weder die Freund-
ſchaft der einzelnen Perſonen , noch der Beſitz irgend einer
Sache gewaͤhren kann .
Der wahre Kaufmann arbeitet nicht um Sachen zu ge-
winnen , oder um die Materie des Geldes einzufangen und
eingeſperrt zu erhalten : er arbeitet um mehr hingeben zu
koͤnnen , um die Sphaͤre ſeines Credits zu erweitern und um
mehr Credit zu erhalten ; um mehr geglaubt zu werden ,
und um dafuͤr das Gluͤck in allem Gluͤck , den eigentlichen
Beſitz in allen Beſitzthuͤmern , naͤhmlich den groͤßeren Glauben
an die Sicherheit ſeines Hauſes , wie ſeines ganzen Daſeyns
zu gewinnen . Es befriedigt ihn nicht , daß er ſelbſt Credit
habe , er muß auch Credit geben koͤnnen , alſo es muͤſſen die
andern Kaufleute , es muß der Handelsſtand im Ganzen
Credit haben . Der Handelsſtand kann nur Credit haben ,
wenn er auf die Wechſelwirkung des Beduͤrfniſſes , und der
Arbeit bey den beyden andern Staͤnden , zwiſchen denen er
vermittelt , rechnen kann , das heißt : wenn im Landbau ſo-
wohl als in der Stadtwirthſchaft nicht nach bloßem Genuß ,
nicht nach bloßen Produktenmaſſen , ſondern vielmehr nach
Credit geſtrebt wird . Nicht in der Theilung der Arbeit , nicht
in den edeln Metallen liegt das Wunder der großen und dauer-
haften Wirkungen , welche die Induſtrie hervor bringt ; nicht
in der bloßen Allianz der oͤkonomiſchen Kraͤfte , ſondern darin ,
worin alle Wunder der Erde : im Glauben an einander , im
Glauben an den Glauben . — Die drey Naͤhrſtaͤnde ſtre-
ben nach nichts anderem , und beruhen auf nichts anderem als
auf dem Credit .
Der Zweck des Wehrſtandes iſt kein anderer , als die
aͤußeren koͤrperlichen Maͤchte , welche dieſe große Glaubens-
vereinigung ſtoͤren koͤnnten , abzuwehren , und an den Glau-
ben jenen hoͤheren Lebensmuth zu knuͤpfen , der in dem fried-
lichen Umtriebe wirthſchaftender Kraͤfte verloren gehen koͤnnte ,
und der den Glauben uͤber die Gebrechlichkeit der irrdiſchen
Dinge erhebt .
Aber noch find innere Feinde die ihn ſtoͤren koͤnnten ; im
Herzen der einzelnen Menſchen walten die feindſeligſten Be-
gierden : ein unſichtbares , ſtolzes und hoffaͤrtiges Weſen darin
ſinnt auf Rebellion , auf Zerſtoͤrung der ganzen Verbindung ,
wenn es vernachlaͤßigt wird ; aber es iſt auch die ſicherſte
Buͤrgſchaft fuͤr das Beſtehen dieſer Verbindung , alſo fuͤr
den Credit ſelbſt , wenn es gezaͤhmt , und in das große Credit-
gewebe an allen Stellen verflochten wird . Der Zweck des
Lehrſtandes iſt alſo die Bedingung dieſes ſchrecklichſten Fein-
des , die Unterwerfung aller unabhaͤngigen Erkenntniß unter
den Gehorſam des Glaubens , und , da jede irrdiſche Ver-
bindung von dem Wetter der Erde , und von Umſtaͤnden und
Augenblicklichkeiten abhaͤngig bleiben wuͤrde , die Verknuͤ-
pfung des irrdiſchen Glaubens , mit dem ewigen des ganzen
Geſchlechts .
Um in irgend einem dieſer Staͤnde der buͤrgerlichen Ge-
ſellſchaft , als wahres dienendes Glied einzugreifen , und um
in irgend einem beſonderen Geſchaͤft Befriedigung zu finden ,
muß der Einzelne dieſe große Wechſelverbuͤrgung des Credits ,
bey der kein Theil entbehrt werden kann , wenigſtens fuͤhlen
oder ahnden . Auch hat es nie einen tuͤchtigen Buͤrger , Kauf-
mann , Landwirth u. ſ. f. gegeben , ohne dieß Gefuͤhl .
Selbſt unter aller mechaniſcher Zerſplitterung der Kraͤfte ,
und Verwirrung der Kraͤfte haͤtte man die rechtſchaffenen
praktiſchen Leute dieſer Zeit zuverlaͤßig fuͤr ſich , wenn man
behauptete , daß das Heil des Ganzen nur aus der lebhaf-
teſten Wechſelwirkung aller Einzelnen entſpringen koͤnne ,
daß der Verkehr befoͤrdert , daß die Beruͤhrungen unter den
Einzelnen vervielfaͤltigt werden muͤßten . Wenn dieſe ehren-
werthen Leute nur einſehen moͤchten , daß der materielle Ver-
kehr fuͤr ſich noch nicht ausreicht , daß der Markt ein ganz
anderes Leben gewinnt , wenn wir die unſichtbaren Guͤter des
Lebens hinzulaſſen , daß die Beruͤhrungen ſich noch ganz an-
ders vervielfaͤltigen , wenn wir die vergangenen Geſchlechter
und ihren Erwerb und ihre Geſetze , als waͤren ſie lebendig ,
mit eingreifen laſſen in den Verkehr . Geſetzt , die Umtriebe
des Markts , die Concurrenz unendlich vieler Producirenden ,
Beduͤrfenden , und der verſchiedenartigſten Erzeugniſſe braͤchte
die Lebenserſcheinung , und demnach das Gefuͤhl von Reich-
thum hervor , wornach die praktiſchen Leute ſtreben , ſo liegt
die Genugthuung die ſie dabey empfinden , ſicherlich nicht in
der Betrachtung des bloßen regelloſen Tumults des Marktes :
ſondern ein Gleichgewicht unter Kaͤufern und Verkaͤufern waͤre
in aller dieſer Bewegung das eigentlich Erfreuliche . Die Kaͤufer
haͤtten gefunden was ſie brauchten , die Verkaͤufer abgeſetzt
was ſie producirt : jeder waͤre in dem Glauben an das Gleich-
gewicht des Ganzen , und an die Erſprießlichkeit ſeines beſon-
dern Geſchaͤfts , wie an den Beyſtand der Uebrigen dabey be-
ſtaͤrkt ; der Credit waͤre von neuem befeſtigt , dieß waͤre das
eigentlich Erhebende an der ganzen Erſcheinung .
Wenn nun auf dieſem Markte jedem Einzelnen der Credit
zu Gute kommt , den er auf fruͤheren Maͤrkten erworben ;
wenn ferner dem ganzen Markte der gute Erfolg aller fruͤhe-
ren Maͤrkte erſt Leben gibt , und das erwuͤnſchte Gleich-
gewicht zwiſchen den Kaͤufern und Verkaͤufern erſt moͤglich
macht ; dieſe fruͤheren Maͤrkte aber den Schutz kraͤftiger Ge-
ſetze , den ruhigen Betrieb des Landbaues , die Bereitſchaft
der vaterlaͤndiſchen Waffen , und eine ruhige nationale
Bildung des Geiſtes und Herzens bedurften , um den Verkehr
dauerhaft an ſich zu ziehen , ſo frage ich , ob außer der Con-
currenz der Kaͤufer und Verkaͤufer , der Waaren und der Be-
duͤrfniſſe nicht noch ganz andere und hoͤhere Dinge , wenn auch
nur unſichtbar , concurriren muͤſſen , wenn die Erſcheinung
des Verkehrs einen rechtſchaffenen Zuſchauer befriedigen ſoll ,
und ob die Genugthuung desſelben nicht auf der Offenbarung
eines viel hoͤheren Credites beruht , als des merkantiliſchen ,
der gerade in dieſem Augenblicke auf dem Markte zur Sprache
kommt .
In der Maſſe an ſich , in der Bewegung an ſich liegt
nichts Erfreuliches ; dieſe Erſcheinungen muͤſſen erſt Symbole
des Lebens werden , ſie muͤſſen erſt auf vielfaͤltige wechſel-
wirkende Verhaͤltniſſe der Menſchen unter einander hindeuten ,
wenn ſie einen wohlthaͤtigen Eindruck machen ſollen auf das
Gemuͤth . Nichts Oederes gibt es , als einen reichverſehenen
Markt ohne Kaͤufer : die Unendlichkeit der Verhaͤltniſſe ver-
langt der Menſch : je verſchiedenartiger , je vielfaͤltiger die
Verhaͤltniſſe , um ſo wahrſcheinlicher waͤre die Stoͤrung , die
Verwickelung unter den Verhaͤltniſſen ; beſtehen ſie alſo unter
aller Vielfalt , ſo iſt das Gleichgewicht darin um ſo kraͤftiger ,
der Geiſt der Ordnung um ſo maͤchtiger . Der Glaube an das
Beſtehen dieſer Verhaͤltniſſe iſt das eigentliche Reſultat des
Verkehrs , und durch dieſen Glauben werden die Fortſchritte
des Verkehrs erſt moͤglich . Alſo verlangen die gutgeſinnten
Theoret. Theil M
Befoͤrderer des Verkehrs und Freunde der Induſtrie nur
den Credit : ſie muͤſſen die unſichtbaren Kraͤfte , das geiſtige
Vermoͤgen mit hinzulaſſen auf den Markt ; ſie muͤſſen die
Schranken der Geſetze reſpectiren , welche ſich aus dem Ver-
kehr der Vorfahren ergeben haben , wenn ſie des Credits , der
aus dem Zuſammenwirken dieſer fruͤheren Verhaͤltniſſe hervor
gegangen iſt , und ſeiner Segnungen theilhaftig werden
wollen .
Es iſt demnach nur eine Freude an dem Bewegten , um
des Bleibenden Willen ; eine Freude an dem Markt , um des
Staates Willen ; eine Freude an den Maſſen der irrdiſchen
Guͤter , um der Verhaͤltniſſe Willen , die ſie unter einander
zum Mittelpuncte der buͤrgerlichen Geſellſchaft , zum Glau-
ben , zum Credit bilden , moͤglich .
Setzen wir ſtatt der Unendlichkeit von Waaren und Kaͤu-
fern , die auf dem Markte zuſammen treffen , und ſtatt des
großen Gewerbes von Verhaͤltniſſen , das ſie mit einander bil-
den , das einfache Verhaͤltniß : Perſon und Sache . — Perſon
und Sache muͤſſen im Gleichgewichte ſeyn wie Kaͤufer und
Verkaͤufer . Was iſt es , was uns in der Verbindung der Per-
ſon oder der Sache , oder in der Vorſtellung des Eigenthums
oder des Reichthums erfreuet . Es iſt der Gebrauch , den ſie von
einander machen , ihre Wechſelwirkung unter einander ; die-
ſelbe Erſcheinung in ganz einfacher Geſtalt , die wir im Ge-
wuͤhl des Marktes Verkehr genannt haben . Eine Wechſel-
wirkung waͤre aber nicht moͤglich , wenn die Sache unbe-
dingt und privateigenthuͤmlich der Perſon unterworfen waͤre ,
das heißt : wie oben erlaͤutert , wenn die Perſon ſich unter
die Bothmaͤßigkeit der Sache ergaͤbe . Es wuͤrde ſich das
Verhaͤltniß einer heidniſchen und tuͤrkiſchen Wechſelſclaverey
ergeben , und dieſer Grundirrthum wuͤrde ſich allen Einrich-
tungen der buͤrgerlichen Geſellſchaft mittheilen : man wuͤrde
die Ueberzeugung allgemein werden ſehen , daß die ganze
Staatsverbindung keinen andern Zweck habe , als die Sicher-
heit der Sache , die Erhaltung des abſoluten Privateigen-
thums ; an die Stelle eines lebendigen Gewerbes unvergaͤng-
licher Kraͤfte , wuͤrde ein todtes Zwangs- und Kettenweſen
treten ; alles wuͤrde zur Sache werden , und das Perſoͤnliche ,
verſcheucht aus den Wohnungen der Menſchen , wuͤrde wie
heidniſches Fatum , wie tuͤrkiſche Praͤdeſtination unſichtbar
und tuͤckiſch uͤber den menſchlichen Geſchaͤften walten .
Wenn man erwaͤgt , daß dieſes wirklich die Richtung un-
ſerer Zeit iſt , und , daß wir darin wirklich mit denen , die ſonſt
fuͤr die Erbfeinde der europaͤiſchen chriſtlichen Staatenverbin-
dung gehalten wurden , uͤbereinſtimmen ; wenn man in allen
andern Buͤchern der Geſchichte vergebens nach einer Zeit
ſucht , wo dieſes Mutterverhaͤltniß aller uͤbrigen menſchlichen
Verhaͤltniſſe als wahre Wechſelwirkung behandelt worden waͤre ,
wenn man uͤberall nur eine rohere oder aͤußerlich verfeinerte Wech-
ſelſclaverey findet , ſo muß man wohl eine Vorliebe fuͤr das
Mittelalter empfinden . Dort allein iſt von einer Vereinigung
der Perſon und der Sache um eines Hoͤheren Willen ; von
einem irrdiſchen Eigenthum , das ſeinen ganzen Werth von
einem hoͤheren geiſtigen Eigenthum erhaͤlt ; von einer Sonne ,
die den Planeten zugleich mit ſeinem Trabanten ſchwebend
M 2
erhaͤlt ; von einer Wechſelwirkung zwiſchen dem Eigenthuͤmer
und dem Eigenthume um des Glaubens Willen , die Rede .
Dort wird das heilige Weſen des Credits , welches im Inner-
ſten ihres Herzens , obwohl bewußtlos , alle diejenigen mei-
nen , die ſich uͤber die Wechſelwirkung des Marktes , und der
Kaͤufer neben den Verkaͤufern freuen , in ſeiner ganzen welt-
herrſchenden Groͤße , als Mittelpunct des geſammten aͤußeren
und inneren Lebens anerkannt .
Dieſe Perle in der unſcheinbaren Schale , dieſes Princip
aller Cultur und aller wahren Erleuchtung in Zeiten , die man
finſter und barbariſch genannt hat , iſt in unſeren Tagen wie-
der gefunden worden . Der Irrthum des abſoluten Privat-
eigenthums mußte alle Koͤpfe ergreifen , alle Staatstheorien
mußten an der Conſtruction jener Wechſelſclaverey arbeiten ,
und die buͤrgerliche Geſellſchaft mußte von ihnen in ein unend-
liches labyrinthiſches Gefaͤngniß umgeformt werden , damit
einigen freyen Seelen die großen verkannten Spuren jener
freyeren Zeiten in unſeren Staaten ſichtbar werden konnten .
Germaniſchen Urſprungs — denn , was den chriſtlichen Glau-
ben in ſeiner Wurzel ergriff , war alles Germaniſch — iſt
dieſes Princip der Freyheit auch nur unter Germaniſchen
Voͤlkern wieder entdeckt worden . Edmund Burke , Friedrich
Schlegel und Friedrich von Hardenberg , haben den Zauber
eines hochmuͤthigen Unverſtandes , der die Idee aller Ideen
verhuͤllt hatte , zuerſt durchbrochen , von ganz verſchiedenen
Seiten her , jeder mit eigenthuͤmlicher Kraft . Der Erſtge-
nannte unter ihnen iſt unbeerbt geſtorben , und da kein Beſſerer
die große Erbſchaft antreten wollte , ſo hat der Verfaſſer
dieſes Buchs von der Staatshaushaltung ſich beſtrebt , in
ſeinem Sinne fortzuleben , ſein Werk zu ergaͤnzen , wo die
Schrancken der Zeit es beengt oder unterbrochen hatten .
Wir wollten das Mittelalter zuruͤck ziehen , wieder her-
ſtellen ! ſo wird die Ohnmacht , welche große Argumente kaum
anzuhoͤren , geſchweige zu erwaͤgen und anzugreifen wagt ,
noch lange von uns ſagen . Wenn aber neben dem , was uͤber
alles Zeitliche erhaben , von einer gemeinen Vergleichung der
Zeiten die Nede ſeyn kann , ſo achten wir die Gegenwart ge-
rade um ſo viel hoͤher als das Mittelalter , als das Gluͤck
des Wiederfindens das Gluͤck des Findens uͤbertrifft . So viel
als zarte Antwort auf eine rohe Beſchuldigung !
Fuͤnftes Kapitel .
Vom Maaßſtabe .
D aß ein Reich der Sachen nicht fuͤr ſich und unter der ab-
ſoluten Herrſchaft einer Sache , par excellence , wie des edeln
Metalls , beſtehen koͤnne , daß es eben ſo wenig wieder ein ab-
geſondertes Reich der perſoͤnlichen Kraͤfte gebe , daß vielmehr
ſich Perſonen und Sachen allenthalben mit beyderſeitiger Frey-
heit bedingen , daß ſie wie die zwey entgegen geſetzten Seiten
und Offenbarungen derſelben großen Grundkraft , die aus ihrer
Wechſelwirkung immer maͤchtiger hervorgeht , betrachtet wer-
den muͤſſen , und daß beyde , wenn ſie außer Beziehung auf die-
ſe große Grundkraft des Glaubens oder Credits geſtellt werden ,
einander durch wechſelſeitige Verſuche der Unterjochung noth-
wendig zerſtoͤren muͤſſen , — dieß moͤchte nun keines weiteren
Beweiſes beduͤrfen . Auf das Geſellſchaftliche , auf das Credit-
erzeugende in beyden , nicht auf die Materie , welche dieſe pro-
ductiven Kraͤfte traͤgt , kommt es an ; alſo nicht auf das was
jedes von beyden abgeſondert iſt , ſondern auf das , was beyde
im Verhaͤltniß zu einander , d. h. in Beziehung auf einen ge-
meinſchaftlichen Mittelpunct ſind , wird geachtet werden muͤſſen .
Geſetzt alſo , es gaͤbe unter den Sachen eine Sache , die gleich-
ſam das Szepter zu fuͤhren ſchiene uͤber die Sachen , wie das
edle Metall : geſetzt es gaͤbe andererſeits unter den perſoͤnlichen
Kraͤften eine hervorragende , herrſchende Kraft , wie die des
Wortes , oder auch nur der Arbeit , nach den Begriffen des
Dr. Smith ; ſo wird keine von dieſen herrſchenden Kraͤften ,
weder die ſaͤchliche des Metalls noch die perſoͤnliche des Wortes ,
oder der Arbeit abgeſondert fuͤr ſich , eben ſo wenig als irgend
eine einzelne perſoͤnliche Kraft ohne die ihr gegenuͤber ſtehende
ſaͤchliche fuͤr ein oͤkonomiſches Princip , oder fuͤr einen Maaß-
ſtab der geſammten Haushaltung , oder gar fuͤr den Mittel-
punct derſelben gelten koͤnnen . Wie jeder Punct an der Ober-
flaͤche der Kugel , dafern man ihn nur in Beziehung und Wech-
ſelwirkung , mit ſeinen Antipoden denkt , fuͤr einen Repraͤſen-
tanten des Mittelpuncts , der zwiſchen beyden liegt , gelten
kann , ſo kann man auch von den beyden Polen der oͤkonomi-
ſchen Sphaͤre , dem Metall und dem Worte ſagen , daß ſie
den Mittelpunct repraͤſentiren : Aber man darf die Functionen
des einen Pols , nie von denen des andern , und ſomit keine der
beyden Hemiſphaͤren , deren jede von einem der beyden Pole
regiert zu werden ſcheint , von der andern trennen .
Jede wahre und lebendige Wechſelwirkung zwiſchen Per-
ſon und Sache , erzeugt in ihrer Mitte den Credit , und beſteht
nur durch die Vermittlung des Credits : eben ſo die Wechſel-
wirkung zwiſchen dem Perſoͤnlichen par excellence ( dem
Worte ) und dem Saͤchlichen par excellence ( dem Metall ) :
eben ſo wie alle gedenkbaren Puncte an der Oberflaͤche der Ku-
gel paarweiſe auf denſelbigen Mittelpunct deuten , ihn erzeu-
gen , und von ihm erzeugt werden . Dieſer Credit , dieſer Mit-
telpunct der oͤkonomiſchen Sphaͤre iſt alſo das eigentliche , wahre
Geld : alle Perſonen und Sachen an der Oberflaͤche dieſer
Sphaͤre , wenn ſie in gehoͤriger ſphaͤriſcher Beziehung auf ein-
ander , und auf den Mittelpunct gedacht werden , repraͤſentiren
das Geld , und dieſe Geldeigenſchaft in ihnen , dieſes ihr Hin-
neigen zum und ihre Bezuͤglichkeit auf den Mittelpunct , for-
mirt den oͤkonomiſchen Werth .
Alle diejenigen Forderungen , welche der Cre-
dit in dieſem ausgedehnten Sinne des Wortes
erfuͤllet , macht der gemeine Mann an das Geld ;
es ſoll ihn mit allen Puncten der oͤkonomiſchen Sphaͤre in eine
leichte und natuͤrliche Beziehung ſetzen , es ſoll ihn ſicher ſtellen ,
tragen ; es ſoll aber auch alle oͤkonomiſche Functionen unter
einander ins Gleichgewicht ſetzen , ſo daß gute Zeit ſey , im
Gegenſatz der theuren Zeit . — Dieſelben Forderungen , die
nur der das Ganze umfaſſende Credit erfuͤllen kann , macht der
Staatsmann an das Geld . — Mit Ruͤckſicht auf das Prob-
lem , die Aufgabe , den Zweck ſind wir alſo alle einig : aber
daß der eine Pol , das Metall , abgeſondert fuͤr ſich , außer-
halb der oͤkonomiſchen Sphaͤre , außer den Verhaͤltniſſen der
oͤkonomiſchen Richtungen unter einander gedacht , als bloße
Quantitaͤt , als ein Mehr oder Weniger angeſchaut , dieſe Forde-
rungen erfuͤllen koͤnne , das iſt der große Irrthum des gemeinen
Mannes .
Weil es ſich in der Privathaushaltung wohl ereignet , daß
der Metallpol verſaͤumt wird , und man ſich ausſchließend auf
den Wortpol , auf Verſprechung , Schuld und Schuldverſchrei-
bung ſtellt , und nun durch eine gelegentliche Acquiſition des
Metalls die Sache , wie durch eine Wunder , in augenblickliches
Gleichgewicht geſetzt wird , ſo waͤhnt man daß auf das Mehr
oder Weniger des Metalls , und auf das Mehr oder Weniger des
Schuldpapiers alles ankomme . Wenn aber alle Verhaͤltniſſe
der Privathaushaltung unter einander zerruͤttet ſind , wenn
nicht das Perſoͤnliche und das Saͤchliche in dieſer Haushaltung ,
das Eigenthum und die Kraft es zu bewirthſchaften , uͤberall
in ſphaͤriſchem ( geometriſchem ) Gleichgewichte ſtehen , ſo iſt das
Gleichgewicht , welches die Metallmaſſe hervorbringt , nur ſchein-
bar und vergaͤnglich . Werft Millionen in den einen Pol , wenn
nicht alle Puncte der Kugel mit gleichfoͤrmiger Macht reagiren ,
d. h. wenn der Mittelpunct nicht Kraft hat , ſie zu tragen , ſo
habt ihr die Zerruͤttung des geſammten Haushalts nur um ſo
viel beſchleunigt , als die Kraft der Oekonomie von der Maſſe
des Metalls uͤbertroffen wird , die ihr aufgebuͤrdet wird .
Alſo Geldzerruͤttung , eine Krankheit , uͤber die zumahl in
unſern Tagen geklagt wird , iſt nie ein Lokaluͤbel , nie auf me-
chaniſchem Wege durch bloßes Abwaͤgen von Quantitaͤten zu
heilen , denn es hat in dem innern , geometriſchen Verhaͤltniſſe
der geſammten Oekonomie ſeinen Sitz .
Der gemeine Mann mit ſeiner beſonderen Haushaltung
verlangt im Gleichgewichte zu bleiben , mit der Geſammthaus-
haltung des Staates , und durch dieſe mit der Welthaushal-
tung , wenn es eine ſolche gaͤbe . Deßhalb verlangt er , da er
nun einmahl in der Haushaltung nichts ſo ſehr achtet , als die
dabey vorkommenden Maſſen und Summen , einen Maaßſtab ,
um ſeine Arbeit , ſein Vermoͤgen abzumeſſen , oder das quan-
titative Verhaͤltniß der Summe ſeiner Produktion , zu der
Summe der Geſammtproduktion , oder zu den Summen der
Produktion aller ſeiner Nachbarn beurtheilen zu koͤnnen . Weil
er verlangt , daß ſeine Arbeit immer denſelben oder doch regel-
maͤßig ſteigenden Genuß abwerfe , die Genußmittel aber von
allen ſeinen Mitbuͤrgern , einzeln durch Arbeit herbey geſchafft
werden , ſo ſtrebt er das Verhaͤltniß ſeiner Arbeit zur Arbeit
der uͤbrigen gleich zu erhalten . Er begehrt deßhalb in den Muͤn-
zen , Maaßen und Gewichten , einen ſichern Maaßſtab , der in
dem weitmoͤglichſten Umkreiſe , vor allen Dingen im Staate ,
wo moͤglich aber gar uͤberall auf der Erde ein und derſelbe
ſey . Er verlangt noch mehr : dieſer Maaßſtab ſoll in der laͤngſt-
moͤglichen Zeit ein und derſelbe bleiben , ſo daß die Arbeit
ſeines Vorfahrs , vor einem Jahrhundert , in ſolchem Maaß-
ſtabe ausgedruͤckt , noch heute in demſelbigen Verhaͤltniß zu
aller uͤbrigen Arbeit ſtehe , und alſo relativ eben ſo viel Genuß-
mittel gewaͤhre , als damahls . —
Nun gibt es uͤberall auch wirklich ſolchen Maaßſtab , nur
daß jedes oͤkonomiſche Gebiet , wie Nelkenbrechers Taſchenbuch
ausweist , einen verſchiedenen hat , und daß , wenn wir jeden
Einzelnen dieſer Maaßſtaͤbe im Verhaͤltniß deſſen , was damit
gemeſſen worden , durch verſchiedene Zeitraͤume betrachten , die
groͤßten Veraͤnderungen wahrgenommen werden . Wenn wir
uns bloß an die Erfahrung halten , ſo ſcheint es , als wenn
dieſes Verlangen des Menſchen nicht befriedigt werden koͤnne .
Aber unterſuchen wir die Natur dieſer Forderung , eines
dauerhaften und gleichfoͤrmigen Maaßſtabes fuͤr die Abſchaͤtzung
der oͤkonomiſchen Werthe , naͤher . Was ſoll uns ein Maaßſtab
uͤberhaupt leiſten ? — Er ſoll uns die Gleichheit zweyer Dinge
beſtimmen helfen , zweyer Laͤngen , zweyer Flaͤchen , zweyer
geometriſcher Koͤrper . Wir nehmen an , daß dieſe Dinge in
allen uͤbrigen Beziehungen gleich ſeyen , und nur in der Groͤße ,
in der raͤumlichen Ausdehnung verſchieden ſeyen . Dasjenige
was uns dieſe raͤumliche Verſchiedenheit vergleichen und aus-
gleichen hilft , nennen wir Maaßſtab . Wir koͤnnten ohne Ver-
mittlung eines Maaßſtabes die verſchiedenen Groͤßen an einan-
der ſelbſt meſſen ; um aber genau beſtimmen zu koͤnnen ,
um wie viel die eine groͤßer als die andere waͤre , muͤßten wir
jedesmahl eine von zweyen als Einheit , als Maaßſtab betrach-
ten , damit wir beſtimmt angeben koͤnnten , um wie viel ſie
von der andern uͤber- oder untertroffen wuͤrde . Jede Groͤße kann
aber wirklich als Maaßſtab der andern gleichartigen betrachtet
werden .
Da es uns aber darum zu thun iſt , nicht bloß zwey , ſondern
alle Groͤßen gleicher Art mit einander zu vergleichen ; und da
wir ſie nicht alle an einem Orte und zu einer Zeit verſammeln
koͤnnen , da ferner die Ungleichheit unter den Groͤßen zu groß
iſt , um ohne unſaͤgliche Beſchwerde jedesmahl von Neuem ge-
meſſen werden zu koͤnnen , ſo creiren wir eine beſtimmte Groͤße ,
auf die wir bey allen vorkommenden Meſſungen zuruͤckkommen-
und um das ganze Geſchaͤft der Groͤßenvergleichung moͤglichſt
zu erleichtern , ſo waͤhlen wir dazu eine ſolche , die unter den
ſaͤmmtlichen zu meſſenden Groͤßen in einer gewiſſen mittleren
Proportion ſteht , die zwiſchen den betraͤchtlichſten und kleinſten
vorkommenden Groͤßen , das Mittel haͤlt , und fuͤr die im ge-
meinen Leben am haͤufigſten erforderten Meſſungen , die geeig-
netſte iſt . — Der Maaßſtab ſoll mit moͤglichſter Leichtigkeit
vermitteln , e r ſoll allen Groͤßen , die er zu vergleichen beſtimmt
iſt , ich moͤchte ſagen , auf halbem Wege entgegen kommen :
er wird alſo den Mittelpunct einer ganzen Sphaͤre von Groͤßen
bilden .
Wie der Menſch nun uͤberhaupt in ſolcher mittleren Pro-
portion zu allen ſeinen Umgebungen ſteht , und gleichſam der
Mittelpunct einer Kugel , einer Wirkungsſphaͤre iſt , welche die
menſchlichen Dinge um ihn her formiren — ſo iſt auch ſeine
koͤrperliche Groͤße und die Laͤnge derjenigen ſeiner Glieder , wel-
che den Raum noch ganz beſonders zu durchmeſſen beſtimmt
ſind , naͤhmlich der Haͤnde und Fuͤße , der natuͤrlichſte , aͤlteſte
und mittelſte Maaßſtab . Hier , wie uͤberall , muͤſſen Globular-
anſchauungen zu Huͤlfe kommen , wenn man die Dinge in ihrem
wahren Verhaͤltniſſe erkennen will .
So kann man annehmen , daß der Menſch ſich fuͤr jede Gat-
tung von Dingen zufoͤrderſt einen Maaßſtab bildet , indem er
z. B. von Thieren , von Fruͤchten einer Art ein gewiſſes mitt-
leres Thier , eine gewiſſe mittlere Frucht dieſer Art bewußtlos
in ſeiner Seele befeſtigt ; die Groͤße dieſes mittleren Weſens
iſt der Maaßſtab der ganzen Gattung , wornach er beſtimmt ,
ob das einzelne vorkommende Individuum groß oder klein
ſey . Alle dieſe verſchiedenen aus den Gattungen gebildeten
Maaßſtaͤbe erhalten ſich in der Seele des Menſchen nicht et-
wa einzeln und abgeſondert von einander : vielmehr nach
dem großen Geſetze der Kugel , das uns bey allem unſern Den-
ken , Betrachten und Handeln unwillkuͤhrlich leitet , treten die
Maaßſtaͤbe der einzelnen Gattungen wieder unmittelbar in ein
geſellſchaftliches Verhaͤltniß , und formiren einen allermittelſten
Maaßſtab : man wird ihn ſich am deutlichſten unter dem Bilde
der Axe , des Diameters par excellence der Sphaͤre der
geſammten menſchlichen Angelegenheiten denken .
Bey Erfindung des neuen franzoͤſiſchen Maaßſtabes hat
man den Durchmeſſer der Erde , oder einen aliquoten Theil
desſelben zum Grunde gelegt , und die geſammten Maaß-
ſtabe der einzelnen Laͤnder , welche durch Tradition und uner-
funden auf uns herab gekommen ſind , ſind nichts anders als
Durchmeſſer der Sphaͤren , welche die geſammten menſchli-
chen Angelegenheiten jedes respectiven Lokals mit einander
bilden , oder aliquote Theile dieſer Durchmeſſer . Da nun
aber die koͤrperliche Groͤße des Menſchen und das Maaß
ſeiner koͤrperlichen Kraͤfte , ſchon von Natur in der Mitte
aller Groͤßen und Maaße ſteht , und es durch ſie beſtimmt
wird , mit welchen Groͤßen und mit welchen Kleinheiten ſich
der Menſch uͤberhaupt befaſſen kann , ſo folgt daraus , daß
dieſe koͤrperliche Groͤße allenthalben in einem ſehr beſtimm-
ten Verhaͤltniß zu dem Durchmeſſer jener Sphaͤre , die ſich
auf die oben beſchriebene Weiſe aus allen einzelnen menſch-
lichen Maaßſtaͤben bildet , ſtehen muͤſſe , und daß alle gedenk-
baren Maaßſtaͤbe zu den einfachen , von den menſchlichen
Gliedern hergenommenen Maaßſtaͤben wieder zuruͤckſtreben
muͤſſen .
Dieſes iſt die Geſchichte des Laͤngenmaaßſtabes ; wer ſich
von den abſtrakten und vorgeblich mathematiſchen Vorſtel-
lungen des Maaßſtabes , nicht zu dieſer lebendigen und
ſphaͤriſchen Anſchauung desſelben erheben kann , der wird
das Weſen der ſtaatswirthſchaftlichen Maaßſtaͤbe nie ergruͤn-
den lernen .
Aus allen einzelnen Menſchen , wie oben aus den Indi-
viduen jeder beſonderen Gattung formirt ſich ein mittlerer
Menſch , und die Glieder dieſes mittleren Menſchen ſind die
vollkommenen Maaßſtaͤbe : alle andern Maaßſtaͤbe ſind nur
Repraͤſentanten , Subſtituten , Andeutungen dieſer mittelſten
Maaßſtaͤbe ; alle andern ſind veraͤnderlich , dieſe ſind die moͤg-
lichſt feſten , aber unerreichbar , damit die andern ohne Ende
nach ihrer Feſtigkeit ſtreben koͤnnen . Dieſer mittlere Menſch ,
von dem die feſten Maaßſtaͤbe kommen , iſt , wie ſchon in der
Einleitung gezeigt worden , zugleich der Gegenſtand des un-
endlichen Strebens aller einzelnen Menſchen ; alle wollen ſich
zu ſeiner Fuͤlle und Vollſtaͤndigkeit erheben . Es iſt der Staat
ſelbſt .
Alſo gebe man vor allen Dingen das eitle Streben auf ,
irgend einen Maaßſtab auf dem abſtrakten und vorgeblich
mathemathiſchen Wege erfinden , und die beweglichen Welttaxen
des Lebens , mit den ſtarren Linien des abgetoͤdteten Ver-
ſtandes meſſen zu wollen .
Wie der Maaßſtab einer beſtimmten Gattung eigentlich
nichts anderes iſt , als die Axe , um die ſich die ganze Gat-
tung dreht , ſo muͤſſen auch uͤberhaupt die Begriffe des Men-
ſchen von den einzelnen Gattungen , als ſolche Axen gedacht
werden . Der Begriff Pferd iſt nicht etwa ein Convolut von
Eigenſchaften , die von allen wirklichen Pferden abgezogen
werden ; vielmehr iſt er unzertrennlich von der ganzen Gat-
tung und allen ihren Anomalien ; er lebt und webt in ihr ;
er waͤchſt , er beſtimmt ſich ſchaͤrfer mit jeder neuen hinzu-
tretenden Anomalie . —
So iſt jedes Wort nicht etwa eine bloße Schale , ein
bloßer Umſchlag , eine bloße Etikette einer Gattung von
Worten , ſondern die Axe einer ganzen Welt von Worten
oder Begriffen . Eben ſo jedes Geſetz die Axe einer ganzen
Welt von untergeordneten Geſetzen und Faͤllen , und nicht etwa
eine duͤrre Abſtraktion von denſelbigen .
Maaßſtab , Begriff , Wort , Geſetz — kurz , jede Ein-
heit , unter der ſich eine Welt von Mannigfaltigkeiten ordnet ,
iſt nie und an keiner Stelle abgeſondert fuͤr ſich gegeben ,
ſondern ſie lebt , webt und waͤchſt , und beſtimmt ſich innerhalb
dieſer Mannigfaltigkeiten und unzertrennlich von ihnen . Die
Einheit kann nur anordnen , in wie fern ſie von den ihr
untergebenen Mannigfaltigkeiten unaufhoͤrlich ſelbſt wieder
angeordnet und berichtigt wird : daher die Schwierigkeit , ja
Unmoͤglichkeit irgend einen lokalen Maaßſtab , irgend ein
lokales Geſetz direct auf ein anderes Lokal zu uͤbertragen . —
Aber wie mit der Axe einer beſtimmten Kugel zugleich dieſe
beſtimmte Kugel ſelbſt , und das eigenthuͤmliche Geſetz ihrer
Bewegung gegeben worden , ſo empfangen wir mit jedem
Geſetz und jedem Maaßſtabe zugleich die ganze Sphaͤre ,
in der ſie ſich gebildet . Der Maaßſtab mißt nur die
Sphaͤre von Groͤßen , das Geſetz richtet nur die Sphaͤre
von Faͤllen , aus der ſie hervorgegangen : in Beziehung auf
anderweiten Groͤßen und anderweite Faͤlle ſind ſie nicht
Maaßſtaͤbe , nicht Geſetze , ſo wenig die beſtimmte Axe
einer Kugel in Beziehung auf eine andere Kugel noch eine
Axe zu heißen verdient , ſo gewiß ſie in dieſer veraͤnderten
Beziehung nichts anderes iſt , als eine unbeſtimmte abſtrakte
Linie .
Vor allen Dingen muß man alſo an einen allgemeinen
oͤkonomiſchen Standard keine groͤßeren Anſpruͤche machen ,
als jeder Maaßſtab uͤberhaupt gewaͤhren kann . Der Maaßſtab
einer einzelnen Gattung oͤkonomiſcher Objecte , zum Beyſpiel :
der edeln Metalle oder die Axe dieſer beſonderen Sphaͤre ,
kann unmoͤglich , wenn wir ihn in die groͤßere Sphaͤre der
Nationaloͤkonomie uͤbertragen , noch weiter fuͤr einen Maaß-
ſtab , oder fuͤr eine Axe gelten : ſein repraͤſentativer Cha-
rakter verſchwindet durch dieſe Uebertragung ; in dieſer groͤ-
ßeren Sphaͤre kann der bisherige Maaßſtab fuͤr nichts mehr ,
als eine duͤrre abſtrakte Linie gelten . Mit anderen Worten :
keine einzelne oͤkonomiſche Sphaͤre kann den Maaßſtab her-
geben , fuͤr die große Geſammtſphaͤre der Nationaloͤkonomie ,
die aus dem Zuſammenwirken der einzelnen Sphaͤren gebil-
det wird .
Gold , Silber , uͤberhaupt kein einzelnes oͤkonomiſches Ob-
ject kann Standard fuͤr das geſammte oͤkonomiſche Gemein-
weſen werden . Der Standard einer beſtimmten National-
haushaltung kann weder abgeſondert von dieſer Haushaltung ,
noch durch etwas Einzelnes in dieſer Haushaltung ausgedruͤckt
werden , denn er iſt die Axe der Haushaltung ſelbſt und
nichts Geringeres . Eine Sache kann nicht Maaßſtab einer
Haushaltung ſeyn , da dieſe ins Unendliche aus Perſoͤnlichkeit
und Saͤchlichkeit zuſammengeſetzt iſt , und wie das Geſammt-
reſultat dieſer Haushaltung ( die eigentliche Realitaͤt in ihr ) ,
etwas Idealiſches iſt , naͤhmlich der Credit , ſo wird es nach
weiterer Erwaͤgung dieſes Gegenſtandes , auch wahrſcheinlich
darauf hinaus kommen , daß der Maaßſtab jeder beſtimmten
Nationaloͤkonomie etwas Idealiſches ſeyn muͤſſe ; daß alſo
vielleicht das idealiſche ( nicht imaginaͤre , nicht aus irgend
einer augenblicklichen Willkuͤhr , ſondern aus der recht realen
Freyheit Großbrittaniens hervor gegangene ) Pfund Sterling
ein viel feſterer Maaßſtab ſey , als der Maaßſtab eines edeln
Metalles , den man der Haushaltung jenes Landes neuer-
lich fuͤr einen Standard hat aufdringen wollen .
In der Forderung , die an den Maaßſtab gemacht wird ,
ſtimmt der gemeine Mann mit uns uͤberein , dieſe Forde-
rung aber kann nur durch etwas Idealiſches , Bewegliches ,
Wachſendes befriedigt werden , weil die große Geſammtſphaͤre ,
in welcher der Maaßſtab meſſen , in die er Einheit , Ord-
nung , Ruhe , Feſtigkeit bringen ſoll , ſelbſt ſich bewegt ,
waͤchſt , und nur in der Idee aufzufaſſen iſt . —
Die Feſtigkeit , die Ruhe des Maaßſtabes kann nur eine
relative Feſtigkeit ſeyn ; ſo bald wir uns erinnern , daß die
geſammte Nationaloͤkonomie ſich bewegt und fortſchreitet ,
ſo bald kann auch der Maaßſtab nicht mehr ſtill ſtehen . Kurz
er iſt feſt wie die Axe der Erde feſt ſteht , ſo lange wir die
Erde nur um ſich ſelbſt laufend denken , er iſt beweglich ,
ſo bald wir uns dieſe Kugel um einen hoͤheren Weltkoͤrper
laufend denken .
Da aber jede beſtimmte Haushaltung abhaͤngt von einer
hoͤheren Haushaltung , und ſich um dieſelbe bewegt , wie
die Erde um die Sonne , ſo iſt die Axe dieſer beſtimmten
Haushaltung beydes : feſt und beweglich , feſt mit Beziehung
Theoret. Theil N
auf ſich ſelbſt , beweglich mit Beziehung auf die hoͤhere Bahn ,
welche dieſe einzelne Haushaltung durchlaͤuft .
Waͤre zum Beyſpiel das Pfund Sterling der Standard
oder die Axe der brittiſchen Nationaloͤkonomie , ſo wuͤrde
dieſer Standard mit Bezug auf das Innere von England
feſt , mit Bezug auf die Welthaushaltung oder auf die aus-
waͤrtigen Verhaͤltniſſe beweglich ſeyn . Man wuͤrde das We-
ſen eines Maaßſtabes uͤberhaupt nicht verſtanden haben ,
wenn man verlangte , daß er in beyden Beziehungen feſt ,
das heißt : abſolut feſt ſeyn ſollte .
Da aber die Welthaushaltung an unzaͤhligen Stellen in
die Nationalhaushaltung eingreift , ſo wird man erwiedern ,
daß ein Maaßſtab der bloßen Nationalhaushaltung an und
fuͤr ſich nichts werth ſey , und daß wir mit unſerem idealiſchen
Pfunde Sterling nicht weit reichen .
Wohlan alſo ! auch die Welthaushaltung im Ganzen
und Großen hat ihre eigene Axe , ihren eigenen Standard ,
der durch den Goldpreis und durch den Wechſelcours ange-
deutet wird . Dieſer Weltſtandard und jener National-
ſtandard muͤſſen und werden in ewiger lebendiger Wechſel-
wirkung bleiben . Der große Kaufmann , der große Staats-
mann wird in dieſer Wechſelwirkung einen hoͤheren , beyde
umfaſſenden Maaßſtab empfinden , ſein oͤkonomiſches Verlan-
gen darnach richten und dennoch eingeſtehen , daß es nur eine
Idee , aber eine hoͤchſt reale Idee ſey .
Sechstes Kapitel .
Von der Muͤnze .
D urch eine unendliche Vermittelung aller einzelnen Laͤngen
unter einander , oder dadurch , daß alle dieſe Laͤngen in eine
Kugel zuſammen getreten waren , hat ſich eine mittlere Laͤnge
unter ihnen feſt geſetzt , und dieſe mittlere Laͤnge nennen wir
Laͤngenmaaßſtab . Wir fixiren und legaliſtren dieſen Maaßſtab :
wir erklaͤren , daß ein beſtimmter handgreiflicher Stab von
Holz oder Meſſing uͤbereinſtimme mit dem idealiſchen Maaße ,
welches ſich , zugleich mit dem Geſetze , aus dem langjaͤhrigen
Conflicte der menſchlichen Angelegenheiten als das Mittelſte
ergeben habe .
Es iſt durchaus nothwendig , daß man nie vergeſſe , wie
der Stab durch die Anerkennung von Seiten des Geſetzes , ich
moͤchte ſagen , durch ſeine Vermaͤhlung mit dem Geſetze erſt
zum Maaßſtabe werde ; durch dieſe Anerkennung des National-
geſetzes erhaͤlt er erſt den Charakter der Allgemeinheit , und
wird erſt die Hauptforderung erfuͤllt , welche jedermann an
einen Maaßſtab macht .
Es iſt keinem Zweifel unterworfen , daß man mit jedem
Stabe meſſen , mit jedem Steine waͤgen , mit jedem Gold-
barren andere Sachen — abwaͤgen und abmeſſen zugleich ,
oder wie wir uns ausdruͤcken , bezahlen kann : da uns aber
N 2
vor allen Dingen daran liegt , die Laͤnge , welche gemeſſen
werden ſoll , die Laſt , welche gewogen , und die Sache ,
welche bezahlt werden ſoll , in ihren Verhaͤltniſſen zu allen
Laͤngen , Laſten und Waaren , welche in der Sphaͤre der buͤr-
gerlichen Geſellſchaft vorkommen , und deren Gleichgewicht
unter einander uns noch vielmehr intereſſirt , als der einzelne
gerade vorliegende Handel , kennen zu lernen , ſo muß unſer
Maaß , unſer Gewicht , unſer Geldſtandard aus dem allge-
meinen Conflict der oͤkonomiſchen Intereſſen hervor gegangen
ſeyn , das heißt : die buͤrgerliche Geſellſchaft , der Staat ,
das Geſetz muß ihn beſtaͤtigt , legaliſirt , benannt , durch das
Wort fixirt haben .
Wir glauben hinreichend bewieſen zu haben , daß keine
Sache abſolut fuͤr ſich irgend eine oͤkonomiſche Function ver-
richten koͤnne , daß vielmehr erſt eine Perſon hinzutreten , in
eine Wechſelverbindung mit der Sache eingehen , ihr eine ge-
wiſſe perſoͤnliche Eigenſchaft mittheilen muͤſſe , um ſie zu
einem Gliede der Haushaltung , zu einem wirklichen Organ
derſelben zu erheben ; die edeln Metalle , die in Spanien bloße
Sachen blieben , wurden durch die lebendige Verbindung mit
der Perſoͤnlichkeit , in England und Holland ſelbſt perſoͤnlich
und demnach faͤhig , eine der wichtigſten oͤkonomiſchen Func-
tionen , naͤhmlich , die des materiellen Geldes zu verrichten .
Es muß den Sachen ein gewiſſer Geiſt des Lebens , der Liebe
mitgetheilt werden , kraft deſſen um ſie wirklich geworben
wird , und dieſes hoͤhere perſoͤnliche Verhaͤltniß artet nur erſt
ſpaͤter in das mechaniſche Gewerbe , in den gefuͤhlloſen
Erwerb aus . —
Um wie viel mehr muß dieſes allgemeine Geſetz der Oeko-
nomie von denen Sachen par excellence gelten , die wie
Maaße , Muͤnzen und Gewichte , ganze Sphaͤren von Saͤch-
lichkeiten repraͤſentiren . Die Perſon aller Perſonen , naͤhmlich ,
oder der Staat ſelbſt iſt es , der dieſe verſchiedenen Maaß-
ſtaͤbe , wenn er ſie auch koͤrperlich fertig und vollendet , ſchon
aus der Hand der Natur empfangen haͤtte , erſt beleben muß ,
damit ſie allgegenwaͤrtig und ordnend dem oͤkonomiſchen
Geſammtweſen dienen , damit ſie Axen desſelben werden
koͤnnen .
Hiernach wird es uns leicht werden , das Weſen der Muͤnze
in gehoͤriges Licht zu ſetzen . Wir haben ſchon oben bemerkt ,
daß die bloße Stempelung des Metallſtuͤcks mit Anzeige ſei-
nes Gewichts und ſeiner Feinheit noch keine Muͤnze gebe :
auch unter dieſer Stempelung bleibt das Metall etwas Her-
renloſes , Vaterlandsloſes , Geſchlechtsloſes , Unorganiſches .
Erſt durch die beſtimmte Geldbenennung , durch die Lokali-
ſirung , kurz , durch eine Art von Vermaͤhlung mit irgend
einem Nationalgeſetz wird es zur Muͤnze .
Dieß iſt der ſo natuͤrliche und von den meiſten ſtaatswirth-
ſchaftlichen Schriftſtellern uͤberſehene Umſtand , deſſen Ver-
ſaͤumniß bey der neuerlichen Eroͤrterung der großen Frage
von der Depreciation der Engliſchen Banknoten unzaͤhlige
Mißverſtaͤndniſſe veranlaßt hat . Wenn naͤhmlich ungemuͤnztes
Gold 20 bis 30 pr. Ct. theurer war als das zu Guineen
vermuͤnzte , freylich in ſehr geringen Quantitaͤten vorhandene
Gold ; Guineen , ferner , und Banknoten fuͤr gleichgeltend
betrachtet wurden ; in Banknoten aber fuͤr ungemuͤnztes Gold
20 bis 30 pr. Ct. mehr bezahlt wurde , als fuͤr in Guineen
vermuͤnztes , welche auszufuͤhren verbothen war , waͤhrend
uͤberall im freyen Welthandel gemuͤnztes Gold theurer iſt als
ungemuͤnztes — ſo glauben diejenigen , welche die Deprecia-
tion der Banknoten behaupten , aus dem einfachen Satz :
daß Gold allenthalben gleich ſey dem Golde , folgern zu koͤn-
nen , daß die Guineen keinesweges , wohl aber die Banknoten
depreciirt ſeyen , daß uͤberhaupt Gold , ſowohl gemuͤnztes als
ungemuͤnztes ſeinen Werth behauptet habe , und , daß nur
Banknoten geſunken waͤren . Durch Erfahrung laͤßt ſich die
Sache ſchwer ausmachen , weil die Guineen de Facto faſt
verſchwunden ſind : aber das Brittiſche Geſetz kennt keine
Ausfuhr , kein Einſchmelzen der Guineen , de jure alſo ſind
ſie noch vorhanden ; es kennt ferner kein Agio der Guineen ,
de jure iſt alſo eine Guinee noch immer gleich 21 Schilling
in Banknoten .
Das Brittiſche Geſetz alſo trotz den Veraͤchtern der Bank-
noten behauptet , daß Gold nicht immer gleich ſey dem Golde ,
und aus unſerer Darſtellung folgt ganz dasſelbe . Wer in der
gemuͤnzten Guinee nichts anderes ſieht , als den dermahligen
Waarenpreis des darin enthaltenen Metalls , der hat uͤber-
haupt das Weſen des Geldes noch nicht verſtanden , auch des
Staates nicht , der ſich nur durch eine beſondere Bewegung
in der allgemeinen Bewegung , nur durch ein beſonderes Geſetz
in dem allgemeinen Geſetze conſtituirt und erhaͤlt .
Die Geldanlage des edeln Metalls tritt in jedem beſon-
deren Staat auch in ein beſonderes und eigenthuͤmliches
Verhaͤltniß zu der politiſchen Perſoͤnlichkeit , zu dem National-
geſetze , das ſie dort vorfindet , es entſteht in jedem beſonderen
Staat eine beſondere Befreundung , eine beſondere Ehe des
Metalls und des Nationalcredites . Dieſe Ehe kann ihrer Na-
tur nach keine wilde , ſondern ſie muß eine geſetzliche ſeyn :
ſie muß zum Bewußtſeyn aller derer kommen , die den Staat
bilden , und die mit ihm oder mit dem Gelde verkehren ſol-
len , welches ſich aus der Vermaͤhlung erzeugen ſoll , das
heißt : ſie muß legaliſirt werden , durch Geſetz , durch den
Stempel beſtaͤtigt .
Das eigentliche Weſen des Geldes iſt , wie ſchon oben er-
wieſen , unendliche Vermittelung zwiſchen den Perſonen und
Sachen : wo alſo Perſonen und Sachen verbunden ſind , wo
alſo eine buͤrgerliche Geſellſchaft iſt , da wird es Geld geben .
Da aber in den Anfaͤngen der buͤrgerlichen Geſellſchaft bald
die eine , bald die andere gerade begehrte Sache die Functio-
nen des Geldes verrichtet ; da die Vermittelung zwiſchen den
Perſonen und Sachen zwar nach demſelben Geſetze von Stat-
ten geht , wie in den Zeiten der ſpaͤteſten Entwickelung der
Geſellſchaft , aber ein handgreiflicher Vermittler noch nicht
vorhanden iſt , ſo waͤhnt die bisherige gemeine Nationaloͤko-
nomie , als ſey uͤberhaupt noch kein Geld vorhanden .
Das urſpruͤngliche in den erſten Anfaͤngen der Geſell-
ſchaft , wie in der hoͤchſten Entwickelung derſelben vorkom-
mende Geld iſt die Idee der Aequivalenz . Zwey Sachen wer-
den gegen einander ausgetauſcht , weil ſie beyde einem Drit-
ten gleich ſind , weil ſie vor dem Richterſtuhl dieſes Dritten ,
vor dem Geſammtbeduͤrfniß der menſchlichen Natur gleich
ſind . Ob dieſes Dritte eine bloße Sache des Gefuͤhls iſt ,
oder ob es durch eine koͤrperliche Sache repraͤſentirt wird ,
die in einer unendlichen Beziehung auf alle anderen Sachen
ſteht — immer wird in letzter Inſtanz das Geſammtbeduͤrf-
niß des Menſchen ſelbſt den Tauſch oder den Handel vollzie-
hen . Daß es fuͤr die Geſammterhaltung des einzelnen Men-
ſchen , und alſo auch der Geſellſchaft , von der wieder die
Erhaltung des Einzelnen an allen Stellen abhaͤngig iſt , gleich
ſey , ob die beyden Sachen ihre Plaͤtze vertauſchten , daß ſie
alſo aus dieſer uͤberwiegenden Ruͤckſicht Aequivalente ſeyen ,
wird die Bedingung alles Umſatzes ſeyn .
Es iſt alſo unmittelbar ein idealiſches Geld im Umlauf ,
ein Wortgeld , wie wir es fruͤher genannt haben : der Glaube
an das Gemeinweſen , der Glaube , daß dieſes Gemeinweſen
unaufhoͤrlich fuͤr das Geſammtbeduͤrfniß ſorgen werde , macht
es moͤglich , daß eine Sache von einer Perſon auf die andere
uͤbertragen werden koͤnne , und , daß ſich beyde Perſonen uͤber
die Aequivalenz des gegebenen und des empfangenen vereini-
gen koͤnnen . Mit andern Worten : Werthe koͤnnen nur gegen
einander vertauſcht werden , in wie fern es einen Maaßſtab
des Werthes gibt .
Wenn jeder der beyden Tauſchenden nur in Anſchlag
braͤchte , was die Sache , die er veraͤußern will , fuͤr ihn in-
dividuell werth ſey , ſo wuͤrde der Tauſch nie zu Stande kom-
men : aber beyderley Sachen haben einen geſellſchaftlichen
Werth , ſie werden vom ganzen Gemeinweſen begehrt ; aus
dem Standpunct des Gemeinweſens koͤnnen ſie verglichen ,
und kann ihre Aequivalenz ausgemacht werden . Das Geſammt-
beduͤrfniß alſo iſt der Maaßſtab bey allem Verkehr , man
moͤge nun mit dem bloßen Glauben daran oder mit Wort-
gelde , oder man moͤge mit Sachen bezahlen , die , weil ſie
von ſehr vielen begehrt werden , wie Vieh , Salz , Naͤgel u.
ſ. f. dem Geſammtbeduͤrfniß ſelbſt ſehr aͤhnlich ſehen , ihm
ſehr nahe kommen , und es daher ſehr taͤuſchend repraͤſen-
tiren .
Ich habe ſchon fruͤher erwieſen , daß man ſich das Geld
immer einſeitig und unvollkommen denkt , wenn man etwas
Geringeres darunter verſteht , als das Beduͤrfniß der Geſell-
ſchaft ſelbſt , oder die Gegenwart des Staats bey allen ein-
zelnen Geſchaͤften des buͤrgerlichen Lebens ; nun aber haͤtte ich
noch zu zeigen , daß die beyden fruͤher erwaͤhnten Grundfor-
men des Geldes , das Wortgeld und das Sachgeld ( welches
letztere weiter ausgebildet zum Metallgelde wird ) auch in
dieſem fruͤheſten Zuſtande der Geſellſchaft ihrem Weſen nach
vorkommen muͤſſen . Denn da nach meiner Anſicht der Dinge ,
das Geld nur unter der Wechſelwirkung dieſer beyden Grund-
formen exiſtirt und erſcheint , ſo muß ich das Vorhandenſeyn
dieſer beyden Formen von Anfang der Dinge her beweiſen ,
wenn ich die Unerfundenheit und Ewigkeit des Geldes dar-
thun will .
In jenen Zeiten wo es nach der Vorausſetzung der bis-
herigen ſtaatswirthſchaftlichen Theorien nur Tauſch , aber
noch keinen Handel gegeben hat , ſind viele Tauſchumſaͤtze ,
heißt es , aus Mangel des Geldes , und wegen der Ungleich-
heit der gegen einander umzuſetzenden Objecte , wegen der
Unmoͤglichkeit ſich aus einander zu ſetzen , unterblieben . Ich
behaupte , daß , ehe es Geld gegeben , der Tauſch in den
meiſten Faͤllen nicht hat vor ſich gehen koͤnnen : in den meiſten
Faͤllen wird man Sachen begehrt haben ; 1 ) ohne gerade ein
entbehrliches Object dagegen anbiethen zu koͤnnen , oder we-
nigſtens , 2 ) ohne ein gleichgeltendes Object dafuͤr hergeben
zu koͤnnen .
Ehe ich indeß hieraus folgere , daß die Umſaͤtze der Sachen
gar nicht erfolgt ſeyen , oder mit anderen Worten , daß
in jenen Zeiten , wo die perſoͤnliche und wechſelſeitige
Huͤlfe der Menſchen einen beſonders hohen Werth hatte , ein
Beduͤrfniß nicht habe befriedigt werden koͤnnen , weil man
nicht gerade eine gleichgeltende Sache dagegen anzubiethen
gehabt habe ; kurz , ehe ich annehme , daß das hoͤchſt unna-
tuͤrliche abſolute Privateigenthum , dieſes ſich ſelbſt zerſtoͤ-
rende Raffinement ganz verderbter und abgelebter Voͤlker ,
aͤlter ſey , als das hoͤchſt natuͤrliche Geld , lieber entſchließe
ich mich doch zu der hoͤchſt natuͤrlichen Vorausſetzung , daß
in allen den Faͤllen , wo gar kein oder doch kein genuͤgendes
ſaͤchliches Aequivalent vorhanden geweſen , mit der perſoͤn-
lichen Kraft des Wortes und des Glaubens , oder doch der
Arbeit , des huͤlfreichenden Beyſtandes ſelbſt bezahlt wor-
den ſey .
Es ſind nicht die Sachen an ſich , ſondern nur die geſell-
ſchaftlichen Eigenſchaften , die geſellſchaftlichen Werthe der
Sachen , welche ich begehre und weggebe , einkaufe und ver-
kaufe : dieß haben wir ſchon fruͤher bemerkt ; der perſoͤnliche
Beyſtand der Menſchen aber hat , je weniger ſolche Sachen
exiſtiren , einen um ſo hoͤheren Werth . Die perſoͤnliche Huͤlfe
des Nachbars kann in jedes moͤgliche Beduͤrfniß umgeſetzt wer-
den , woran dem Menſchen in der Kindheit der Geſellſchaft
viel mehr liegen muß , als an dem Beſitz oder dem Einhan-
deln der Sache , die nur ein einzelnes Beduͤrfniß befriedigt .
Da man alſo eben ſo ſicher gereitzt iſt als gezwungen , in
dieſem fruͤheſten Verkehr neben den Sachen auch den per-
ſoͤnlichen Beyſtand , oder das Verſprechen desſelben , an Zah-
lungsſtatt anzunehmen , und da man den Beyſtand der gan-
zen Geſellſchaft noch unmittelbarer braucht , ſo ſind eigentlich
nicht nur beyde Geldformen , das Wortgeld und das Sach-
geld von Anfang an vorhanden , ſondern ſie ſind in einem
viel gerechteren Gleichgewichte vorhanden , als jetzt , wo in
dem Ueberfluß der Sachen ſich die Perſoͤnlichkeit des Menſchen
ganz verſteckt , und vor ihm verſchwindet ; und weil man das
Gut aller Guͤter , naͤhmlich die Geſellſchaft ſelbſt und ihren
allgegenwaͤrtigen Werth noch viel naͤher vor Augen hat , ſo
iſt das Gleichgewicht zwiſchen nuͤtzlichen Perſonen und nuͤtz-
lichen Sachen , oder zwiſchen Wortgeld und Sachgeld noch
viel lebendiger , es wird von der hoͤheren eigentlichen Geld-
macht noch vielmehr in Ordnung erhalten , das Geld ſelbſt
alſo iſt in einem viel vollkommneren Zuſtande vorhanden , als
da , wo es , wie jetzt , ſich ſchon ganz in die bloßen Sachen
eingewickelt hat .
In Summa : das Geld an ſich , die verkaͤuflichſte Sache
an ſich hat keinen Werth , und iſt abſolut nichts , ohne den
Verkehr zwiſchen Perſonen und Sachen , wie wir oben in der
naͤheren Betrachtung des Marktes geſehen haben ; aber es
gibt auch umgekehrt keinen Verkehr zwiſchen den Perſonen
und Sachen , ohne dieſes dritte hoͤhere Vermittelnde , ohne
Geld ; das heißt : es gibt keinen Tauſch der nicht zugleich
Handel waͤre . Wenn wir alſo drey Stadien der Entwickelung
der Nationaloͤkonomie annehmen , und uns bey ihrer Be-
zeichnung des hergebrachten Sprachgebrauchs bedienen , in-
dem wir das erſte Stadium als die Periode des Tauſches ,
das zweyte als die des Handels , und das dritte als die des
Credits Auch die gemeine Staatswirthſchaft wird mir zuge-
geben , daß der Schritt von dem Handel der Vorzeit zu dem
heutigen Europaͤiſchen Creditgewerbe viel groͤßer ſey , als der
Schritt von dem vorgeblichen Tauſchweſen der Antediluvianer
zum Handel ; daß ich alſo hinreichenden Grund habe , drey
ſolcher Perioden abzuſtecken . betrachten , ſo iſt das Geld , ſeinem vollen Weſen
nach , in allen dreyen vorhanden , nur im erſten ſind die bey-
den Geldformen noch Sachen und Perſonen ſelbſt , im zwey-
ten ſind es gemuͤnzte Metalle und Dienſte ( wie denn die ge-
ſammten feudaliſtiſchen Dienſte des Mittelalters neben den
Metallen wirklich die Geldfunctionen verrichten ) , und im drit-
ten ſind es Metallgeld und Papiergeld .
In dieſem ganzen Entwickelungsprozeß beſteht die Vervoll-
kommnung der Geldformen nur darin , daß ſie immer mehr
zum Bewußtſeyn des Menſchen gelangen , daß ihr Weſen
immer deutlicher ausgeſprochen wird . Fuͤr denjenigen , der
dieſen wahren und einzigen Fortſchritt des Geldweſens nicht
anerkennt , oder wohl gar das beſtimmte Heraustreten und
ſich Aufdringen der Einen Geldform , naͤhmlich des Wort-
geldes , des Papiergeldes fuͤr ein reines Uebel haͤlt , iſt das
Geldweſen aufs beſtimmteſte zuruͤck geſchritten : er verſteht
unendlich weniger vom Weſen des Geldes , als jene vermeint-
lichen ungluͤcklichen Barbaren in der Tauſchperiode , die vor
aller Geſchichte , vor allem Staate , vor allem Gelde vorher
gegangen ſeyn ſoll . Eine Zeit , wo die Sachen und das Sach-
geld allein gelten ſollen , iſt ſo oͤde und geldleer , als ein
Markt , auf dem es nur Verkaͤufer und Waaren gibt .
Wir hoͤren heutiges Tages an allen Ecken , daß das Me-
tallgeld Waare und Maaßſtab zugleich iſt , und man zerbricht
ſich den Kopf , wie eine Waare von ſo geringem Gebrauch in
der Haushaltung und in der Manufactur , ſich zu einem
Gegenſtande des aller allgemeinſten Begehrens erheben koͤnne ;
man fuͤhrt als Erklaͤrungsgruͤnde die Theilbarkeit , Selten-
heit , Transportabilitaͤt , Dauerhaftigkeit , Beweglichkeit ,
Gleichfoͤrmigkeit , und hundert andere Eigenſchaften der edeln
Metalle an , durch welche ſie ſich zu einem Maaßſtabe der
uͤbrigen Sachen , das heißt : zu einem Weſen , welches mehr
als Waare iſt , eignen ſollen . Wenn man doch erwaͤgen moͤchte ,
daß die buͤrgerliche Geſellſchaft ſelbſt alle dieſe Eigenſchaften
in einem viel hoͤheren Grade ſchon vor allem Metallgelde be-
ſitzt , daß das Metall alſo in allen dieſen Ruͤckſichten nur den
Staat ſelbſt repraͤſentirt , und daß der Staat nun noch uͤber
alles dieß dieſelben Functionen auf den geiſtigen Gebieten der
menſchlichen Wirkſamkeit ausuͤbt , wohin das Metall , trotz
aller ſeiner Vollkommenheit ewig nicht reichen wird , daß
aber dieſe geiſtigen Gebiete unmittelbar und mittelbar
allenthalben in die des koͤrperlichen Lebens eingreifen ; geiſtige ,
idealiſche , oder , wie man ſich ſehr unrichtig auszudruͤcken
pflegt , imaginaͤre Beduͤrfniſſe an allen Stellen die koͤrperlichen
Beduͤrfniſſe und ſomit das ganze geſellſchaftliche Leben hoͤchſt
weſentlich modificiren , — ſo wuͤrde man empfinden , daß der
Staat ſelbſt ( oder ſeine Axe , mit der die ganze Kugel des
Staates ) gegeben iſt , ein viel reinerer Maaßſtab aller Werthe
im Staate iſt , und daß das Metall nur Maaßſtab iſt , weil
es die Geberden und Functionen des Staates in gewiſſem Grade
nachzumachen im Stande iſt .
Die Europaͤiſchen Staaten haben dem Metalle dieſe Kuͤnſte
gelehrt , weil es eine gewiſſe Faͤhigkeit dazu , eine gewiſſe Ge-
lehrigkeit hatte ; ſie haben es dazu abgerichtet ; ſie haben ihre
Hand damit erweitert , in dem Sinne , in welchem ich das
Werkzeug des Kuͤnſtlers ſeine erweiterte Hand nannte .
Dieſer Gebrauch nun ſeit undenklichen Zeiten , der aller-
dings mit der Natur und dem Berufe der edeln Metalle ſehr
wohl uͤbereinſtimmte , die Menge der Beruͤhrungen , in welche
die Metalle mit der buͤrgerlichen Geſellſchaft gekommen ſind ,
und deren ſich keine andere Sache hat erfreuen koͤnnen , hat
ihnen die Macht gegeben , auf die buͤrgerliche Geſellſchaft ge-
waltig zu reagiren : und wie muß eine einzelne Generation ,
zumahl wenn ſie die moraliſche Macht der voran gegangenen
Geſchlechter nicht eben gegenwaͤrtig erhalten , wie ſie konnte ;
wenn ſie die große geiſtige Erbſchaft der Vorfahren nicht
ungetreten hat , ergriffen werden von einer Sache , welche
durch den Verkehr aller dieſer fruͤheren Geſchlechter gewiſſer-
maßen geheiligt worden ? Es iſt natuͤrlich , daß ſie von den
Metallen abhaͤngig geworden , und daß ſie ſelbige fuͤr das
eigentliche Geld gehalten hat , nachdem ſie das Weſen der
Geſellſchaft ſelbſt , d. h. die Geldeigenſchaft , welche alle Per-
ſonen und Sachen durch das politiſche Zuſammenwirken ge-
winnen , vergeſſen hatte ; ein handgreiflicher Repraͤſentant des
Verkehrs aller fruͤheren Generationen mußte in dem augen-
blicklichen Verkehr eines einzelnen Geſchlechtes , das der ge-
ſellſchaftlichen Majeſtaͤt , von der das Gold nur einen Ab-
glanz an ſich trug , ſich nicht mehr bewußt war , noth-
wendig eine große Rolle ſpielen : je mehr man den hoͤheren
politiſchen Maaßſtab des Rechts und der Geſetze verloren hatte ,
um ſo mehr mußte der metallene Maaßſtab , der in tauſend-
jaͤhriger Abhaͤngigkeit von jenem hoͤheren Maaßſtabe ſich ge-
bildet hatte , nun da er allein ſtand , unentbehrlich werden .
Nichts deſto weniger iſt auch in unſerer heutigen Haus-
haltung der große Umſtand nicht zu uͤberſehen , daß das Gold
nur durch die Muͤnze erſt zum Maaßſtabe wird , daß es alſo
eine unendlich ſchwankende Waare bleibt , bis ein Geſetz ,
ein Wort ihm befiehlt , daß es fuͤr ſo und ſo viel gelten ſoll .
Alles Muͤnzen der Welt ſetzt die Praͤexiſtenz eines Maaßſtabes
voraus : wer muͤnzen will , macht bekannt , daß er ein beſtimm-
tes Gewicht edeln Metalls ſo und ſo theuer bezahle , daß
er aus dieſem Gewicht ſo und ſo viel aliquote Theile eines
bereits vorhandenen Maaßſtabes ausmuͤnze , und daß dieſes
Verhaͤltniß des Gewichts der Metalle zu dem vorhandenen
Maaßſtabe bis auf weiter feſt und unveraͤndert verharren
ſoll . Wenn alſo dermahlen in Oeſtreich der Wiener Centner
Kupfer in 213 fl. 20 kr. W. W. ausgemuͤnzt wird , ſo wird
ein Maaßſtab , der bloß die Maſſenkraft des Metalls mißt ,
naͤhmlich der Centner , gleichgeſetzt mit einem anderen Maaß-
ſtabe , oder mit aliquoten Theilen dieſes Maaßſtabes , der
den Werth aller aͤußeren Lebensbeduͤrfniſſe mißt . Der Werth-
maaßſtab iſt alſo nicht etwa in dem Metalle abſolute vor-
handen , ſondern er wird erſt durch die Allianz des Geſetzes
mit dem Kupfer .
Dagegen koͤnnte man einwenden , das Metall habe ohne
Dazwiſchenkunft des Geſetzes auf dem Markte ſchon einen
Preis , d. h. es meſſe dort den Werth vieler Lebensbeduͤrfniſſe ,
und wenn jener Preis auch ſchwanke , ſo ſey er doch relativ
feſt , im Verhaͤltniß zu vielen anderen noch ſchwankenderen
Waaren .
Man uͤberſehe nicht , daß das Kupfer ungleich mehr bey
andern oͤkonomiſchen Functionen , als in der Muͤnze dient ,
daß der Geſetzgeber der Muͤnze alſo vielmehr von dem Markte
abhaͤngig bleibt , indem er den Muͤnzpreis des Kupfers an-
ſetzt , als wenn er den Muͤnzpreis des Goldes und Silbers
anſetzte , welche beyden Metalle vielmehr zur Muͤnze , als zu
anderweiten oͤkonomiſchen Zwecken dienen . Gold und Silber
koͤnnen , was beym Kupfer nicht der Fall iſt , vom inlaͤndi-
ſchen Markte ganz vertrieben werden , und behaupten ſich nur
auf dem auswaͤrtigen Markte ; aber auch hier vielmehr durch
ihre Muͤnzbeſtimmung , als durch ihren Gebrauch bey ander-
weiten oͤkonomiſchen Functionen .
Es leuchtet auf dem erſten Blick ein , daß jemehr ein
Metall in den vielfaͤltigen Geſchaͤften der Haushaltung
unmittelbar gebraucht wird , es auch um ſo weniger an ſei-
nem Preiſe fixirt werden koͤnne . Indeß was iſt denn der
Marktpreis des Kupfers anders als Vergleichung , als Allianz
des Kupfers mit einem bereits vorhandenen Maaßſtabe : jeder
Privatmann ſetzt fuͤr den Augenblick , in welchem er das
Kupfer kauft , einen Muͤnzpreis desſelben feſt ; er thut das
fuͤr ſich und fuͤr den Augenblick , was die Muͤnze fuͤr alle und
fuͤr einen laͤngeren Zeitraum thut . Wenn alſo auf dem Markte
auch nicht das Geſetz ſelbſt den Preis des Kupfers anſetzt ,
ſo ſtreben doch alle Einzelne , welche dieſen Preis anſetzen ,
ſo viel als moͤglich nach einem mittleren Preiſe , d. h. ſie ſtre-
ben dem Geſetze ſo nahe zu kommen als moͤglich .
Geſetzt der Preis des Kupfers wuͤrde auch auf dem Markte
nach Silber gemeſſen , ſo wird doch das Silber ſelbſt wieder
nach einem vorhandenen idealiſchen Maaßſtabe gemeſſen ,
der nicht im Metalle liegt , a ber nur von dem Geſetze her-
ruͤhren kann .
Wenn wir die Gleichgeltung des Gewichtes von einer
Mark Silber mit zwanzig Gulden , oder einen ſolchen Muͤnz-
preis des Silbers anſetzen , ſo erklaͤren wir damit , daß wir
bis auf weiteres fuͤr die Mark Silbers die Valuta von zwan-
zig Gulden zahlen wollen , der Marktpreis des Silbers moͤge
ſich bis dahin aͤndern wie er wolle . Die Idee eines Gulden
iſt in allen Gemuͤthern vorhanden ; es iſt dieſes ein ideali-
ſcher Maaßſtab , der aus dem Verkehr eines beſtimmten Vol-
kes durch Jahrhunderte hervor gegangen , der ſich daraus her-
ausgemittelt hat : weil ſich nun die Preiſe des Silbers auf
eine aͤhnliche , jedoch nur ſubordinirte Weiſe aus den ſaͤch-
Theoret. Theil O
lichen Beduͤrfniſſen dieſer Nation herausmitteln , wie der hoͤ-
here , allgemeinere , aber nothwendig idealiſche Maaßſtab aus
dem Geſammtbeduͤrfniß der Nation , ſo ſtreben wir dieſen
idealiſchen Maaßſtab mit jenem Silberpreiſe zu verknuͤpfen :
wir fixiren den Silberpreis um jenen idealiſchen Maaßſtab
deutlich und handgreiflich auszudruͤcken , ſo wie wir die Toͤ-
ne und Zeichen der Sprache fixiren , um die Idee auszudruͤ-
cken , obgleich dieſe Toͤne und Zeichen erſt von der Idee ihr
Maaß erhalten .
Auf die Frage : wie denn die Muͤnze ihr Silber oder Gold
bezahle , womit ſie es erkaufe ? wird man mir antworten :
ſie bezahle fuͤr das rohe Metall , Stuͤcke desſelbigen aber
ausgepraͤgten Metalls , oder ſie zahle den Werth des einen
Metalls mit dem andern . Aber das ausgepraͤgte Metall muß
ſie auch fruͤher erkauft , und das andre Metall , womit ſie
das Silber oder das Gold bezahlt , muß ſelbſt fruͤher mit
irgend einer Valuta bezahlt worden ſeyn : alſo wird durch
dieſe Antwort die Frage nur immer weiter hinaus geſchoben .
So gut wie ich auf dem Markte das Silber oder Gold mit
jeder gedenkbaren Waare kaufen kann ; ſo gut koͤnnte es auch
die Muͤnze mit jeder gedenkbaren Valuta , mit Credit , mit
Papieren , wie mit Banknoten in London , mit Einloͤſungs-
ſcheinen in Wien , kaufen : nur mit dem Unterſchiede , daß ſie
nach einem feſten , beſtimmten Verhaͤltniß des zu erkaufen-
den Metalls zu der Valuta , womit es erkauft wird , ihren
Handel ſchließt , waͤhrend auf dem Markte alle Verhaͤltniſſe
um einen unſichtbaren , und unergreiflichen Mittelpunct her
oſcilliren .
Deßhalb kann die Muͤnze das verlangte Metall nur mit
den wenigen Waaren kaufen , deren Verhaͤltniß zu dem fixir-
ten Hauptverhaͤltniß , ſelbſt wieder fixirt iſt ; wenn alſo die
Londner Muͤnze das Verhaͤltniß 1 Unze Gold : 3. l. 17. s.
10½ d. fixirt hat , womit eigentlich vollwichtiges und
vollguͤltiges Silbergeld gemeint wird , ſo kann ſie dieſe Unze
Gold freylich mit 3. l. 17. s. 10½ d. in Banknoten zahlen ,
weil dieſe als gleichgeltend mit dem darauf verzeichneten
Silberwerthe fixirt ſind ; aber ſie kann dieſe Unze Gold ſchon
nicht mit ſo viel Silberbarren kaufen als 3. l. 17. s. 10½ d.
auf dem Markte koſten wuͤrden : Denn um das Verhaͤltniß
ihrer Silbervaluta zu der Unze Gold fixiren zu koͤnnen ,
mußte ſie zuvor die Silbervaluta ſelbſt fixiren , indem ſie die
Unze Silber in ſo und ſo viel beſtimmte Theile , Schillinge
und Pence auspraͤgte .
Dieſelbe Unze Silber alſo , die auf dem Markte im Ver-
haͤltniß zu den dort umlaufenden Schillingen und Pence fort
oſcillirt , bald mehr , bald weniger derſelben Schillinge und
Pence bedeutet , wird in der Muͤnze ein fuͤr allemahl in die
immer gleiche Anzahl von Schillingen eingetheilt : in der
einen und in der andern Beziehung hat dasſelbige Silber
zwey ganz verſchiedene Bedeutungen ; Silber iſt alſo nicht
in allen Faͤllen gleich dem Silber , ſo wenig als oben Gold
gleich dem Golde .
Das ganze Muͤnzen iſt nur moͤglich dadurch , daß Gold
als ungleich geſetzt wird derſelben Materie des Goldes , und
Silber ungleich derſelben Materie des Silbers . Eine Unze
Goldes alſo , die mit Silber , das nach einem fixen Preiſe
O 2
ausgepraͤgt iſt , gekauft wird , kann nicht in demſelben Ver-
ſtande mit Silberbaaren , nach dem veraͤnderlichen Preiſe des
Marktes gekauft werden . Der Silberpreis der 3. l. 17. s.
10½ d. fuͤr die Unze Gold waͤre kein feſter Preis , kein Muͤnz-
preis , wenn man nach Belieben fuͤr dieſes fixirte Silber das
veraͤnderliche Silber des Marktes ſetzen koͤnnte .
Indem die Brittiſche Muͤnze ihren Muͤnzpreis feſtſetzt ,
ſo erklaͤrt ſie , daß ſie die Unze Goldes mit einer beſtimm-
ten Anzahl aliquoter Theile einer Unze Silbers bezahlen wol-
le , oder mit einer ſolchen Valuta , die durch die Geſetze des
Landes ( aber nicht bloß durch den Marktpreis ) als gleichgeltend
mit dieſer beſtimmten Anzahl aliquoter Theile einer Unze
Silbers angeordnet ſey : ſo wie man in St. Domingo das
Verhaͤltniß eines Pfundes Caffee zu einem Pfunde Zucker durch
das Geſetz fixiren koͤnnte , waͤhrend dieſes Verhaͤltniß auf
dem Markte beweglich und unveraͤnderlich bliebe wie bisher .
Waͤre nun in dieſem Verhaͤltniſſe Caffee oder Zucker , in jenem
Gold oder Silber der Maaßſtab ? — Keines von beyden iſt
abſoluter Maaßſtab des andern ; jedes mißt das andre .
Es iſt alſo nur Taͤuſchung , wenn man meint , das eine
Glied dieſes Verhaͤltniſſes koͤnne fixirt , das andere der Dispo-
ſition des Marktes uͤberlaſſen werden ; entweder werden bey-
de Glieder fixirt , oder es iſt uͤberhaupt kein Verhaͤltniß ,
und alſo auch kein Glied des Verhaͤltniſſes fixirt worden .
Nun fraͤgt ſich : wer fixirt das Verhaͤltniß ? — Die
Muͤnze . — Alſo der Muͤnzdirektor ſetzt das Verhaͤltniß nach
Willkuͤhr an ? — Nein , er erhaͤlt ſeine Inſtruction von der
Staatsgewalt . — Alſo die Staatsgewalt ſetzt das Verhaͤlt-
niß nach Willkuͤhr an ? — Wie koͤnnte ſie es nach Willkuͤhr
anſetzen , da ſie die Metalle ſelbſt wieder kaufen muß , und
wenn ſie die Valuta , womit ſie kauft , zu hoch anſetzte , kei-
nen finden wuͤrde , der ſie ihr mit Metallen abkaufte ; wie auch ,
wenn ſie die Valuta zu niedrig anſetzte , mit dem verlang-
ten Metalle uͤberſchwemmt werden wuͤrde . Wodurch wird al-
ſo die Staatsgewalt dirigirt , wenn ſie den Muͤnzpreis an-
ſetzt ? vielleicht durch den Marktpreis ? — Ließe ſie ſich durch
den Marktpreis beſtimmen , ſo wuͤrde ſie nie zum Muͤnzen
kommen , weil der Marktpreis ſchon , ehe ſie die erkauften
Barren eingeſchmolzen haͤtte , ein andrer ſeyn wuͤrde . — Iſt alſo
die Staatsgewalt bey der Fixirung der Muͤnzpreiſe ganz un-
abhaͤngig vom Marktpreiſe ? — Nein , ſie muß ſich in ei-
nem gewiſſen Gleichgewichte mit dem Marktpreiſe erhalten ,
weil das Metall , welches ſie empfaͤngt , vom Markte kommt ,
und die Muͤnze , welche ſie ausgibt , dahin zuruͤckkehrt , und
jenes nicht gegeben , dieſe nicht genommen werden wuͤrde ,
wenn ſie beyde vom Marktpreis allzuſehr abwichen .
Alſo weder das Gold iſt abſoluter Maaßſtab , noch das
Silber ; weder der Marktpreis noch die Staatsgewalt , un-
abhaͤngig fuͤr ſich , beſtimmt den Muͤnzpreis .
In den fruͤheſten Zeiten unſrer nationalen Haushaltung ,
waren die wenigen damahls concurrirenden Werthe oder der
Markt noch leicht zu uͤberſehn , und da dieſe Werthe in un-
mittelbarer Beruͤhrung mit einander ſtanden , konnten ſie auch
noch nicht betraͤchtlich ſchwanken . Der Werth den die ein-
zelne Waare im Verkehr des Marktes , und der andre , den
ſie durch das Geſetz hatte , fielen noch ſehr nahe zuſammen .
Das hoͤchſte Gut , die Geſammtexiſtenz , wornach ſich , wie
hinreichend erwieſen , jeder Werth beſtimmen mußte , ſtand
allen noch ſehr nahe vor Augen : und ſo war ein Wider-
ſpruch zwiſchen dem augenblicklichen Werth der Waare auf dem
Markt , und dem dauerhaften Werthe derſelben , mit Be-
ziehung auf die buͤrgerliche Geſellſchaft oder das Geſetz , eben
nicht moͤglich . Das Geſetz und der Markt waren alſo auch
uͤber den Werth des Goldes und Silbers ſehr einig . — Da-
her theilte ſich das Pfund Silber in ſeine Gewichttheile : das
Geſetz und der Markt waͤgen es mit demſelben Gewichte ab .
Aber je complicirter der Verkehr des Marktes wird , je mehr
Waaren auf den Markt und ſeine Preiſe influiren , um ſo
mehr veraͤndert ſich auch das Verhaͤltniß der Hauptwaaren
zu den uͤbrigen , oder das Verhaͤltniß der edeln Metalle zu
den Waaren ; um ſo ſchwankender wird , unter den wechſeln-
den Reitzen , das Beduͤrfniß , alſo auch der Marktpreis der
edeln Metalle . — Auf der andern Seite aber ſtrebt das
Geſetz unaufhoͤrlich nach einer Befeſtigung dieſer Werthe , und
der Markt iſt ſelbſt dabey intereſſirt , daß alle Hauptwerthe
ſo viel als moͤglich dauerhaft und uͤber die Schwankungen
des Augenblickes erhoben ſeyn moͤchten , daß es alſo Muͤnzen
gebe , die , wenigſtens ſo weit der Arm des Geſetzes reicht ,
welches ſie auspraͤgt , in einem unveraͤnderlichen Verhaͤltniß
zu den Metallen , und demnach zu allen Waaren , die wie-
der von den Metallen abhaͤngen , ſtaͤnden . Das Geſetz alſo ,
das den Markt regieren ſoll , indem es ihm nachgibt , bildet
aus den fruͤheren Marktpreiſen und dem laufenden Markt-
preiſe des edeln Metalles , einen mittleren Preis ; aus
dem ehemahligen Verhaͤltniſſe der edeln Metalle unter einan-
der und zu den Waaren , und dem jetzigen Verhaͤltniſſe ein
mittleres Verhaͤltniß : und dieſes iſt der Muͤnzpreis .
Es iſt dieſes die Geſchichte nicht bloß des Muͤnzgeſetzes ,
ſondern aller Staatsgeſetze uͤberhaupt , welche auf aͤhnliche
Weiſe fortſchreiten , um weiter befeſtigt zu werden , und deſto
ſichrer fortſchreiten zu koͤnnen . Aus den vergangenen Zeiten
bringt der Geſetzgeber fuͤr jedes Gebiet des politiſchen Le-
bens ein gewiſſes Normalverhaͤltniß oder Normalgeſetz her-
ab ; dieß ſtellt er dem anderen Verhaͤltniß gegenuͤber , wel-
ches ſich aus dem dermahligen Zuſtande jenes Gebietes er-
gibt ; aus beyden ergibt ſich ein mittleres Verhaͤltniß oder
Geſetz , welches weder aus der Vergangenheit noch aus der
Gegenwart allein herruͤhrt , ſondern nur die gerechte Modifi-
cation beyder iſt .
Da aber dieſe einzelnen Gebiete oder beſonderen Sphaͤren
des politiſchen und oͤkonomiſchen Lebens ſich alle unter ein-
ander bedingen , und uͤberhaupt nur exiſtiren , in wie fern
ſie ſich durchgaͤngig auf einen gemeinſchaftlichen Mittelpunct
beziehn , ſo wird die Geſetzgebung bey jedem einzelnen ,
neuerdings feſtzuſtellenden Verhaͤltniß , den ganzen vergange-
nen und gegenwaͤrtigen Zuſtand der Dinge vor Augen haben
muͤſſen : der Muͤnzpreis , oder das wichtige , geſetzliche Ver-
haͤltniß der edeln Metalle wird alſo nicht etwa aus dem
Durchſchnitt der vergangenen Marktpreiſe , und dem gegen-
waͤrtigen Marktpreiſe mechaniſch berechnet werden koͤnnen ,
ſondern das große oͤkonomiſche Verhaͤltniß , welches ſich im
Laufe der Zeiten aus dem oͤkonomiſchen Geſammtleben der
Nation ergeben hat , oder der Maaßſtab , der ſich in die-
ſem Geſammtleben gebildet hat , ( die Axe dieſes Geſammtle-
bens , wie wir uns fruͤher ausdruͤckten ) wird mit dem Ver-
haͤltniſſe ausgeglichen werden muͤſſen , welches ſich aus dem
einheimiſchen und auswaͤrtigen Beduͤrfniſſe und Vorrathe der
edeln Metalle wie der uͤbrigen Waaren auf dem Markte
dieſes Augenblicks ergibt .
Auf dem Markte und durch den Marktpreis ergibt ſich ,
was jedes oͤkonomiſche Object als Waare bedeute , was es
bedeute in dem Verhaͤltniß zu der Groͤße des Vorrathes und
zu der augenblicklichen Nachfrage ; im Zuſammenhange mit
der ewigen Staatsgeſellſchaft , in Beziehung auf den Mit-
telpunct derſelben oder auf das Geſetz aller Geſetze , auf den
Maaßſtab par excellence , ergibt ſich was das oͤkonomi-
ſche Object als Maaßſtab bedeute : auf dem Markte ergibt
ſich der arithmetiſche Preis dieſes Objects ; vor dem Geſetze
ergibt ſich der geometriſche Werth desſelben .
Der Maaßſtab liegt alſo in dem Geſetze ſelbſt , und in
keiner gedenkbaren Waare , als ſolcher ; dasjenige was die
Metalle unter einander , und ihren Marktpreis mit ihrem Na-
tionalwerthe vermittelt , iſt der eigentlich lebendige Maaß-
ſtab . Dieſer Maaßſtab iſt ein idealiſcher ( aber , wie ſchon bemerkt ,
kein imaginaͤrer oder auf irgend eine Weiſe willkuͤhrlicher ) .
Unter dem Vorſitz des Geſetzes haben der augenblickliche
Markt und die ewige Geſellſchaft dieſes beſonderen Staates
ſchon in fruͤheſte n Zeiten Geld gemacht : jener hat die Ma-
terie des Geldes , die edeln Metalle herbeygeſchafft , dieſe hat
den Maaßſtab des Nationalbeduͤrfniſſes hergegeben , und aus
dieſer Verbindung iſt die Muͤnze hervorgegangen , welche das
Geſetz fixirt , benannt und geſtempelt hat . Indeß iſt der Au-
genblick und der Markt mit ihm fortgeſchritten , aus den
Schranken , die ihm das Geſetz angewieſen , heraus getreten .
Das Verhaͤltniß muß von neuem feſtgeſtellt werden : Der
Markt liefert den Barren , die Staatsgeſellſchaft liefert ihre
bisherige Muͤnze , in der nun ſchon der Maaßſtab des Na-
tionalbeduͤrfniſſes enthalten iſt . Das Geſetz aber , welches
dieſen Maaßſtab lebendig und ohne materielle Vermiſchung
mit dem Metall , wie es bey der Muͤnze der Fall iſt , in ſich traͤgt ,
vermittelt wieder zwiſchen dem Barrenpreiſe und der Muͤnze .
Geſetzt nun , es ſey , als der Muͤnzpreis des Silbers = 1
geweſen , aus dem gleichen Marktpreiſe und dem damahligen Na-
tionalbeduͤrfniſſe eine Muͤnze conſtruirt worden , die ein Pfund
Sterling Silbers wog , ſo wird dieſe Muͤnze , wenn der
Marktpreis des Silbers weit unter 1 herab geſunken , eine
Veraͤnderung erleiden muͤſſen . Die Muͤnzdirektion Der Doppelſinn des Wortes Muͤnze , da es bald die
praͤgende Werkſtatt bald das ausgepraͤgte Metall , bald
mint , bald coin bedeutet , erſchwert die Darſtellung ſehr .
Ueberhaupt iſt die deutſche Sprache fuͤr Abhandlungen der
Nationaloͤkonomie noch wenig formirt . kann
fuͤr das auszumuͤnzende Pfund Silber den Muͤnzpreis : 1
nicht mehr bezahlen . — Das Pfund Sterling-Waare iſt
auf dem Markte wohlfeiler geworden ; das fixe Pfund Ster-
ling-Maaßſtab laͤßt alſo die Materie des Silbers und die
Beziehung auf das Marktpfund fahren , um nicht durch die
Schwankungen und Senkungen des Silberpreiſes ſeinen Cha-
rakter als Maaßſtab ganz zu verlieren . Durch alle Veraͤn-
derungen in den Marktpreiſen der edeln Metalle hindurch
laͤuft der alte Maaßſtab fort , wiewohl er ganz verſchie-
dene Maſſen des edeln Metalles bedeutet ; das Pfund Ster-
ling Maaßſtab wird mehr und mehr zu einem idealiſchen
Weſen , womit die Verhaͤltniſſe der Metalle vielmehr unter
einander angeſetzt und regulirt werden , als daß es durch
ausſchließende und feſte Beziehung auf ein einzelnes Metall
dieſes zum Standard erheben ſollte . Es ſchwebt vermittelnd
uͤber den Verhaͤltniſſen des Goldes , des Silbers und der uͤbri-
gen Waaren ; tritt als Wortgeld ( Schrift- oder Papiergeld )
in den Banknoten unabhaͤngig ans Licht , und kommt , da
es im Herzen der ganzen Nation lebt und faſt im Mittel-
puncte aller nationalen Werthe ſteht , dem Maaßſtabe des
Geſetzes ſelbſt ſehr nahe ; — das Geſetz bleibt freylich das
allerreinſte Geld , und behaͤlt noch immer die hoͤhere Func-
tion , zwiſchen dem Pfunde Sterling , dieſem perpetuirlichen Muͤnz-
preiſe der edeln Metalle , und dem Marktpreiſe derſelben , oder
zwiſchen dem Wortgelde und dem Metallgelde zu vermitteln .
Der Muͤnzpreis der edeln Metalle beruht auf der Vor-
ausſetzung , daß Nationalgeld und Weltgeld unter dem Vor-
ſitze des Geſetzes , ſchon wahres Geld erzeugt haben , daß
ſchon die Benennung und die Stempelung des Verhaͤltniſſes
beyder vorgenommen ſey : dieſes durch einen Nahmen z. B.
Pfund Sterling fixirte Verhaͤltniß wird mit dem veraͤnderten
Marktpreiſe von neuem verglichen , und durch Nachgiebig-
bigkeit von beyden Seiten ein neues Verhaͤltniß , ein neuer
Muͤnzpreis , und demnach ein vollkommneres Pfund Ster-
ling hervor gebracht .
Wo alſo uͤberhaupt gemuͤnzt wird , da muß es einen feſten
Muͤnzpreis der edeln Metalle geben , und einen Muͤnzpreis
kann es nur geben , in wie ferne es ſchon ein ſolches idea-
liſches Geld gibt , wie es ſpaͤterhin in weiterer Entwickelung
der Nationaloͤkonomie aufs Papier ausgedruͤckt wird . Das
eigentliche Weſen des Papiergeldes , naͤhmlich ein idealiſches
Geld iſt alſo ſchon vorhanden , in wie ferne es Muͤnze gibt ,
und iſt die unumgaͤngliche Bedingung der Moͤglichkeit einer
Muͤnze .
Muͤnzen heißt den ſchwankenden Werth der edeln Metalle
befeſtigen ; was koͤnnte ihn befeſtigen als eine Sache von
einem hoͤheren , feſteren Werthe : dieſes iſt das Geſetz : durch
das Muͤnzen wird ein untergeordnetes und augenblickliches
Verhaͤltniß , von einem hoͤheren ewigen Verhaͤltniſſe , naͤhmlich
der buͤrgerlichen Geſellſchaft ſelbſt , abhaͤngig gemacht . —
Die buͤrgerliche Geſellſchaft reducirt ſich aber in letzter In-
ſtanz , wie ſchon fruͤher gezeigt , auf das Verhaͤltniß Perſon
und Sache . Dieſes Verhaͤltniß befeſtigen , indem man es mit
dem Geiſte des Glaubens oder des Credits durchdringt , oder
belebt , heißt den Staat befeſtigen . Da nun das Metall ,
welches unter den Sachen regiert , und das Geſetz , welches
unter den perſoͤnlichen Kraͤften , beydes nur verſchiedene Aus-
druͤcke fuͤr das Verhaͤltniß Perſon und Sache ſind , ſo kann
man die Nothwendigkeit jenes Verhaͤltniß zu fixiren , nicht
laͤugnen , ohne zugleich die Feſtſtellung des letzteren zu laͤugnen ,
worin die ganze Feſtigkeit des Staates beruht .
So bald es alſo eine Muͤnze gibt , muß es einen Muͤnz-
preis geben ; gibt es einen Muͤnzpreis , ſo iſt das Weſentliche
des Papiergeldes ſchon vorhanden ; die Alleinherrſchaft des
Metalls , wenn es je eine ſolche gegeben , iſt zu Ende ; das
andere Element des Geldes iſt da , welches die Widerſacher
des Papiergeldes nur als einen Sclaven des Metalls zu be-
greifen wiſſen . Schon durch die Muͤnze geht eine wirkliche
Transſubſtantiation Wir ſagen dieß mit Bezug auf Herrn Walther Boyd ,
einen der ſcharfſinnigſten und beruͤhmteſten Gegner des Pa-
piergeldes ( letter to the r. h. William Pitt . second
edition pag. 103 ) . Alle Beobachtungen und Erfahrungen
ſeines Lebens , ſagte er , noͤthigten ihn zu behaupten , that
all the adsurdities of the doctrine of transubstantia-
tion are really nothing to the monstrous prin-
ciple , that a sterile piece of paper is
equal to gold . des Goldſtuͤcks in dem Leib des Staats
vor ſich , welche die Engliſche Verfaſſung anerkennt , indem
ſie de jure , wie ſchon bemerkt , von keinem Einſchmelzen ,
Ausfuͤhren der einmahl gepraͤgten Muͤnze , auch von keinem
weiteren Marktpreiſe derſelben weiß .
Aus allen dieſen Gruͤnden muͤſſen die conſequenten Gegner
des Papiergeldes , auch das Wunder des Muͤnzſtempels , alſo
die Autoritaͤt des Geſetzes uͤber die Haushaltung der Voͤlker
laͤugnen .
Der Menſch ſtrebt nach Einheit , aber ſo lange er un-
ter dieſer etwas Geringeres verſteht , als die unendliche Ver-
einigung , iſt er in ſeinem Thun und Denken allen Taͤuſchungen
der Welt preis gegeben . Geſetz , Maaß , Maaßſtab , Standard ,
Gewicht und Muͤnze , wie ſie gemeiniglich zur Sicherſtellung
der irrdiſchen Geſchaͤfte begehrt werden , ſind auf dem Wege
der Vereinigung nichts weiter als beſtimmte Stationen , durch
die der Weg ſelbſt zum Bewußtſeyn des Menſchen gelangt ;
die einzelnen Punete , durch welche die Linie ; das arithmeti-
ſche , wodurch das geometriſche ; das Endliche , durch welches
das Unendliche — das Wiſſen , wodurch das Glauben zur
Anſchauung kommt . In dem Verlangen nach dieſen Einhei-
ten , verſteckt ſich uͤberall das hoͤhere und unendliche Verlan-
gen nach dem Credit : es muß endliche und ſcheinbare Be-
friedigungen dieſes Verlangens geben , damit durch vielfaͤl-
tige Taͤuſchung das uͤberſchwengliche Weſen der Wahrheit
ſelbſt zum Bewußtſeyn komme .
Alle jene Einheiten ſind nichts als einzelne Glieder einer
unendlichen Progreſſion , deren zwey auf einander folgende zwar
den Exponenten ergeben , von denen aber Eines fuͤr ſich ,
oder auch der abſolute Exponent fuͤr ſich , das Geſetz des
Lebens keineswegs auszudruͤcken im Stande iſt .
Wie oft ſoll es geſagt werden , daß es ein Geſetz nur
gibt , in wie fern man einen Fall — den Exponenten nur ,
in wie fern man ein Glied der Progreſſion dazu erhaͤlt ; daß
alle Verſuche der Menſchen den Exponenten an ſich , oder
ein ewiges Geſetz , Maaß , Standard ꝛc. zu ergreifen und
feſtzuſtellen , vergeblich ſind ; daß die bloße Forderung einen
Widerſpruch enthaͤlt . Setzen wir den Exponent der Lebens-
reihe = Gott . Ihn ohne Vermenſchlichung und Perſoͤnlich-
keit zu ergreifen , iſt unmoͤglich . Kommt aber zu dem Ex-
ponenten ein Glied der Progreſſion , oder wird Gott zum
Menſchen , ſo iſt das lebendige Geſetz offenbart , welches ſich
ins Unendliche weiter offenbaren muß .
So iſt das Geſetz im engeren Sinne der Exponent des
buͤrgerlichen , der Standard der Exponent des oͤkonomiſchen
Lebens . Die edeln Metalle , bloße Glieder dieſer oͤkonomi-
ſchen Progreſſion koͤnnen mit dem Exponenten derſelben nie
abſolut identiſch zuſammen fallen . Aber der Credit als Expo-
nent , und die Waare oder das Metall als Glied der Pro-
greſſion koͤnnen mit einander verbunden das feſte Geſetz der
ganzen Reihe geben oder den Standard , der dann recht
ideal und recht real zugleich ſeyn wird .
Siebentes Kapitel .
Daß der Werthmaaßſtab nicht bloß Groͤßen , ſondern auch
Richtungen und Verhaͤltniſſe meſſen ſolle .
U nter allen vorſtehenden Betrachtungen , die ja wohl eben
ſo gut als die Unterſuchungen des Adam Smith , auf eine
geneigte Entſchuldigung ihrer Umſtaͤndlichkeit und Weitſchwei-
ſigkeit Anſpruch machen duͤrfen , wenn auch die Darſtellung
an Klarheit und Faßlichkeit hinter jenem hoͤchſt verdienſtli-
chen Werke zuruͤck bleiben ſollte , kann dem Leſer nicht ent-
gangen ſeyn , daß der Begriff des Maaßſtabes in einem viel
umfaſſenderen Sinne angewendet worden , als in den fruͤheren
Theorien . Wir hatten mehrere Dinge zu meſſen , welche bis-
her abſichtlich von dem Gebiete der Staatswirthſchaft aus-
geſchloſſen wurden — die geſammten idealiſchen Guͤter des
Lebens — andere Dinge , von welchen dieſen vorhandenen
Theorien die Vorſtellung abging , die ſie alſo uͤberhaupt we-
der der Aufnahme wuͤrdigen , noch verbannen konnten —
die naͤhmlich , welche wir Richtungen der Kraͤfte , Verhaͤltniſſe
derſelben zu einander und zum Mittelpuncte nannten .
Da nun von dieſen Richtungen der einzelnen Kraͤfte auf
den Mittelpunct , und von der Verbindung der ſichtbaren Guͤ-
ter mit den aus der Staatswirthſchaft verbannten unſicht-
baren Guͤtern , mit andern Worten da von der Vereinigung
aller ſaͤchlichen und perſoͤnlichen Kraͤfte in eine große Natio-
nalkraft — der Werth jedes einzenen Gutes abhing , ſo konn-
te ein ſolches Gut oder der Werth desſelben , hinfort ſchwerlich
mit einem Maaßſtabe genuͤgend gemeſſen werden , der nichts
weiter auswies , als die groͤßere oder geringere Handgreif-
lichkeit .
Alle bisher von der Nationaloͤkonomie beliebten Maaß-
ſtaͤbe beſtimmen nichts weiter als die Groͤße , und wenn man
den ganz unrecht gewuͤrdigten Vorzug der Anſicht des Adam
Smith ſtreng und gerecht beſtimmen will , ſo liegt er darin ,
daß dieſer Mann , ungeachtet ſeiner uͤbrigen Einſeitigkeit ,
das Unzureichende eines koͤrperlichen Maaßſtabes wenigſtens
gruͤndlich empfunden hat .
Es draͤngte ihn die koͤrperlichen Dinge mit etwas Hoͤhe-
rem und Allgemeinerem zu meſſen als mit koͤrperlichen Din-
gen ; es draͤngte ihn , obwohl er nirgends zu verſtehen gibt ,
daß es außer der Maſſengroͤße uͤberall auch auf die Dauer
ankommt , einen Maaßſtab zu erfinden , der nicht bloß das
Raͤumliche , ſondern auch zugleich die Zeit meſſe , und ſo ward
dieſer klare , praktiſche und materielle Gelehrte ſo myſtiſch ,
unpraktiſch und idealiſtiſch , daß er die Arbeit , die Gel-
tung eines Arbeitstages zum Hauptmaaßſtab aller oͤkono-
miſchen Groͤßen erklaͤrte .
Es konnte nicht fehlen , daß dieſer chimaͤriſche Maaßſtab
unter den Haͤnden des Meſſenden wieder in eine unendliche
Mannigfaltigkeit zerfloß .
Es muß auf dem erſten Blick einleuchten , daß es genau
eben ſo viele Arten von Arbeit , als es verſchiedene Gattungen
von Produkten gibt , und daß es genau eben ſo viele Abſtu-
fungen von Groͤße , Umfang , Intenſitaͤt der Arbeit als der
Produkte gibt . Unumgaͤnglich nothwendig war alſo die neue
Unterſuchung , welche Arbeit als ein Maaßſtab aller uͤbrigen
Arbeiten zu betrachten ſey . Da aber der Begriff der Arbeit
um keine Haarbreite allgemeiner aufgefaßt war oder werden
konnte , als der Begriff des Produkts , ſo blieben die geiſtigen
Arbeiten wieder außer dem Calcuͤl eben ſo gut als die geiſtigen
Produkte ; und die nationalen Richtungen der Thaͤtigkeit ,
welche durch ihre uͤberwiegende Gewalt alle Maaßſtaͤbe und
Calcuͤls der Welt zu zerſtoͤren vermoͤgen , blieben außer den
Grenzen der Vorſtellung wie bisher .
Was war aber das Impoſante , das Entdeckungsaͤhnliche
in dem Arbeitsmaaßſtabe des Adam Smith ? was hat ſo
vortreffliche Koͤpfe , die mit vollem Herzen die neue Lehre
ergriffen , blenden koͤnnen ? — Es war in den ſtarren und
mechaniſchen Umgebungen der alten Maſſenoͤkonomie ein er-
friſchender Anhauch jener lang vergeſſenen Elemente aller
Haushaltung , welche wir von der bitteren und gruͤndlicheren
Nothdurft unſerer Zeit , wieder zu gewinnen , angehalten wer-
den . Es floß in dem Jahrhundert des Adam Smith noch
mancher Tropfen Bluts bewußtlos durch das Herz des Men-
ſchen , der uns nunmehr abgezapft iſt : es konnte mancher
Irrthum gedacht und gehegt werden , deſſen unguͤnſtiger Ein-
fluß durch einen gewiſſen Reſt natuͤrlicher Geſundheit und
natuͤrlichen Gluͤckes wieder aufgehoben wurden ; zumahl in
England . Die beſten Koͤpfe jener Zeit theilten mit Adam
Smith den Abſcheu vor dem Graͤuel des rohen Merkantilis-
Theoret. Theil P
mus ; corrigirten mit ihrer bloßen praktiſchen Geſundheit
bewußtlos den Irrthum des feineren Merkantilismus , worin
ſie die Theorie dieſes Autors verſtrickte ; und freuten ſich uͤber
den Anhauch von ſo lang entbehrtem idealiſchem Weſen in
oͤkonomiſchen Dingen , den der neue Maaßſtab an ſich trug ;
wiewohl die Anſpruͤche auf Feſtigkeit und Beſtimmtheit ,
welche die alte , ſtark ins Holz geſchoſſene Vernunft zu
machen nicht aufhoͤrte , durch dieſen Maaßſtab viel weniger
befriedigt werden konnten , als durch das Metallgeld der Mer-
kantiliſten . Denn ein gewiſſes Maaß Getreide , ſo elenden
Werthmeſſer es , ungeachtet der Wichtigkeit ſeines Gehaltes ,
abgibt , war immer noch ein viel zuverlaͤßigerer Standard ,
als ein Arbeitstag des Adam Smith .
Aber nichts deſto weniger war der erſte Verſuch gemacht
worden , die Handgreiflichkeit auf etwas Unhandgreifliches ,
die Maſſen , oder das Raͤumliche auf Zeit , auf Dauer , auf
ein geiſtiges Weſen , das Produkt auf das Produciren , das
Was ? auf das Wie ? zuruͤck zu fuͤhren . Weil nun dieſes
Wie ? dieſes geiſtige Princip unmittelbar in die gehoͤrige Ver-
ſteinerung des alten Begriffs und der alten Begreiflichkeit
wieder zuruͤck ſank ; weil es ſich immerfort noch handelte ,
um den alten hartnaͤckigen Privatbeſitz , um die alten , blan-
ken , theuren Metalle ; weil man von dem alten Menſchen
nichts auszuziehen brauchte , und ſich doch ganz behaglich waͤr-
men konnte , an den neuen Lichtſtrahlen von Freyheit und
Univerſalinduſtrie ; weil es ſich ergab , daß man nur noch
viel eigennuͤtziger zu werden brauchte , um zugleich ohne alle
Muͤhe der Menſchheit noch viel mehr zu dienen ; daß man ein
großer Philanthrop und Weltbuͤrger geweſen war , ohne es
zu wiſſen ; daß man vermittelſt des puren Geitzes Allmoſen
geben koͤnnte , ohne es zu wollen — ſo iſt die Popularitaͤt
des Adam Smith wohl hoͤchſt natuͤrlich .
Und daß ſeine Theorie , ungeachtet der Klagen und Er-
mahnungen ſeiner Schule , die Regierungen ſo wenig ange-
fochten hat , beweiſt , daß eine viel ſolidere Nothwendigkeit
in dieſer hoͤheren Sphaͤre , als in der des Privatlebens
herrſcht , und daß , was ich ſchon fruͤher behauptet , die
Willkuͤhr der Regierungen viel unſchaͤdlicher iſt , als die der
gebildeten Privatmaͤnner , in der Adam Smith das Welt-
geſetz zu entdecken glaubte ; kurz , daß die bloße Stelle der
Regierungen , den Perſonen , die ſie erfuͤllen , eine gewiſſe
edle Unempfindlichkeit gegen ſolche einzelne Lichtſtrahlen ,
welche die praktiſche Nacht , die ſie umgibt , nur noch dunkler
machen koͤnnen , mittheilt .
Da nun alſo dieſer neue Maaßſtab im Weſen nichts ,
ſondern nur darin von dem alten des Metallgeldes verſchieden
iſt , daß er unbeſtimmter und chimaͤriſcher iſt als jener , da
ferner in dieſem neuen Maaßſtabe der Privatarbeit , das
Metallgeld nur noch , durch einen falſchen Exceß der Abſtrak-
tion , jener einzigen Eigenſchaft beraubt worden iſt , die ihm
Werth und Realitaͤt gegeben , naͤhmlich der Perſoͤnlichkeit ,
das heißt : der Geſellſchaftlichkeit , der Nationalitaͤt ; da alſo
durch dieſe Abſtraktion hoͤchſtens nur das zum Maaßſtabe
Abſolutunfaͤhige conſtruirt worden — ſo haͤtten wir noch
beſtimmter den Maaßſtab , den wir an die Stelle des Metall-
P 2
geldes ſetzen , und ſein Verhaͤltniß zu dem neuerlich beliebten
Maaßſtabe der Tagarbeit zu beſchreiben .
Es muß noch erwieſen werden , daß unſer Maaßſtab durch
keinerley Abſtraktion von den concreten Maaßſtaͤben entſtanden
iſt ; daß er in keiner Ruͤckſicht imaginaͤr , ſondern vielmehr
andringlich real und nothwendig iſt ; ferner , daß er eben ſo
wohl ein idealer Maaßſtab ſey , als er ein realer iſt , weil
wir die Welt des zu meſſenden , um das ganze Gebiet des
idealen Lebens und der perſoͤnlichen Kraͤfte erweitern ; end-
lich , daß er unter allen gedenkbaren Maaßſtaͤben der mittlere
ſey , oder ſich zu ihnen gerade ſo verhalte , wie jeder beſon-
dere Maaßſtab zu der kleinen Welt , darin er herrſcht . Wie
der beſondere Maaßſtab nicht durch Abſtraktion von
den zu meſſenden Dingen , das heißt : nicht nach der bisher
angenommenen Vorſtellung , ſondern aus der Vermitte-
lung dieſer zu meſſenden Dinge entſtehe , iſt ſchon oben
hinreichend beſchrieben .
Jedermann erinnert ſich aus der kleinen mathematiſchen
Vorſchule , die er in ſeiner Jugend durchgemacht , an zweyer-
ley Arten von Meſſungen , welche die Geometrie darboth :
an Laͤngenmeſſungen und Winkelmeſſungen . Der Laͤngenmaaß-
ſtab vermochte uͤber den Winkel nichts zu beſtimmen ; aus der
Laͤnge der Schenkel eines Winkels ließ ſich durchaus auf die
Natur des Winkels , oder , wie die moderne Barbarey der
Mathematik ſich ausdruͤckt , auf die Groͤße des Winkels , keine
Folgerung ziehen . Indeß hatte man fuͤr die meiſtentheils
arithmetiſchen Zwecke des gemeinen Lebens , eine Meſſung der
Winkel nach Zahlen eingefuͤhrt , deren ausſchließende Anwen-
dung nebenher die Veranlaſſung unzaͤhliger beklagenswuͤrdiger
Irrthuͤmer , und des tieferen Verfalls der Geometrie gewor-
den . Der Winkel , oder die Neigung zweyer nach einem Ver-
einigungspuncte ſtrebenden Richtungen , konnte nur in der
Totalitaͤt aller nach demſelben Puncte moͤglichen Richtungen
befriedigend beſtimmt werden , das heißt : er konnte wiſſen-
ſchaftlich angeſchauet werden , nur vermittelſt des Gegen-
winkels , den ſeine beyden Schenkel an ihrer entgegen ge-
ſetzten Seite mit einander bildeten , alſo nur in dem Kreiſe ,
der um den Vereinigungspunct her beſchrieben wurde , und
dieſer Kreis war uͤberhaupt in 360 gleiche Theile getheilt
worden .
Auf die Groͤße eines einzelnen unter dieſen gleichen Thei-
len konnte zufoͤrderſt nichts ankommen , ſo wenig als auf die
Groͤße des Kreiſes in den der Winkel gedacht wurde ; alſo
druͤckten dieſe Zahlen nur Verhaͤltniſſe und durchaus keine
Groͤßen aus , obwohl dieß auch nur approximativ und ohne
mathematiſche Beſtimmtheit . Alſo war der Kreis zwar der
Maaßſtab des Winkels , jedoch in einem andern und voͤllig
entgegen geſetzten Sinne , als in welchem man ſich eines
Laͤngenmaaßſtabes fuͤr die Meſſung der geraden Linie be-
diente .
Nach dieſen und fruͤheren Vorausſetzungen gehoͤrt zur
geometriſchen Beſtimmung der geraden Linie weſentlich noth-
wendig der Winkel , zur Beſtimmung des Winkels der Kreis .
Der Kreis aber , wie an einem andern Ort erwieſen werden
wird , iſt nur zu beſtimmen durch die Kugel . In allen dieſen
Beſtimmungen iſt die Groͤße noch nicht in Anſchlag gekom-
men , ſondern nur die Richtung oder das geometriſche Ver-
haͤltniß .
Aber die Linie iſt auch groß : ſie iſt es im Verhaͤltniß
zu andern Linien , oder was gerade dasſelbe , nur noch be-
ſtimmter ausdruckt , im Verhaͤltniß zu andern Kugeln . Bis-
her hatten wir nur den allgemeinen Charakter der Linie ,
des Kreiſes , der Kugel im Auge : jetzt erwaͤgen wir die
Linie , den Kreis , die Kugel , in ihrer Beſonderheit . Bisher
war bloß von den innern Verhaͤltniſſen der Kugel die Rede ;
jetzt erwaͤgen wir , daß ſie ein Ganzes , eine Einheit ſey ,
alſo einem andern aͤhnlichen Ganzen gegen uͤber ſtehen , kurz ,
auch auswaͤrtige Verhaͤltniſſe haben muͤſſe .
Die Anſchauung , welche ſich uns ergibt , wenn wir zwey
Weſen gleicher Art mit einander vergleichen , iſt das Verhaͤlt-
niß ihrer Groͤße : ſo iſt das , was ſich ergibt , wenn wir
zwey gleichartige Linien ( Parallellinien ) mit einander ver-
gleichen , das Verhaͤltniß der Groͤßen beyder ; eben ſo Groͤ-
ßenverhaͤltniß zweyer Kugeln , wenn wir beyde in allen Be-
ziehungen voͤllig gleichartig ſetzen . Nur gleichartige Weſen
koͤnnen in ein Groͤßenverhaͤltniß treten ; in wie fern wir ihre
Groͤße meſſen , ſetzen wir ihre Art gleich : ein bloßes Groͤßen-
maaß kann alſo nicht Groͤße und Art zugleich meſſen .
Andererſeits iſt das , was ſich ergibt , wenn wir die Groͤ-
ßen zweyer Weſen gleich ſetzen , und ſie nunmehr vergleichen ,
ihre Art , ihre Qualitaͤt , ihr qualitatives Verhaͤltniß : und
um das qualitative Verhaͤltniß zweyer Weſen zu meſſen ,
muͤſſen wir ſie als gleich groß ſetzen , zum Beyſpiel : um den
Winkel oder um das Verhaͤltniß der Art und Richtung zweyer
Linien zu meſſen , muͤſſen wir die Schenkel oder die beyden
convergirenden Linien gleich ſetzen , wir muͤſſen dieſe Linien
als Radien betrachten . Es iſt alſo nur die Idee des Kreiſes
oder der Kugel , womit wir dieſe Verhaͤltniſſe der Richtung
oder der Art zu beſtimmen im Stande ſind , wie dieß alle
Winkel-Meſſungsinſtrumente , Transporteur , Aſtrolabium ,
Bouſſole ꝛc. durch ihre kreisfoͤrmige Geſtalt andeuten : nie-
mandem aber wird es beyfallen , mit dieſen Maaßſtaͤben direkt
Laͤngen und Groͤßen meſſen zu wollen , weil ſie uͤberhaupt nur
meſſen koͤnnen , ſo lange auf die Groͤße keine Ruͤckſicht ge-
nommen , oder ſelbige als gleich geſetzt wird .
Es iſt alſo an jeder gedenkbaren Linie zweyerley zu meſ-
ſen , zuerſt die Laͤnge derſelben , und dann mit einem ganz
verſchiedenen Maaßſtabe , mit der Idee der Kugel ihre Rich-
tung . Wie nun alſo die gerade Linie , wiewohl ſie lang iſt ,
deßhalb nicht aufhoͤrt , eine beſtimmte Richtung zu haben ,
wie ſie alſo keinesweges bloß lang iſt , wenn auch alle
mathematiſchen Lehrbuͤcher der Welt nichts anderes von ihr
auszuſagen wiſſen ſollten — ſo wuͤrde auch eine beſtimmte
oͤkonomiſche Thaͤtigkeit oder Arbeit , wenn auch Adam Smith
nichts weiter von ihr auszuſagen wuͤßte , als wie lang oder
wie groß ſie ſey , nicht aufhoͤren , in einem beſtimmten Ver-
haͤltniſſe zu den uͤbrigen oͤkonomiſchen Thaͤtigkeiten zu ſtehen ;
denn zuerſt iſt jede oͤkonomiſche Thaͤtigkeit , wie ſchon fruͤher
erwieſen , ſelbſt nur anzuſchauen als Wechſelwirkung zweyer
oͤkonomiſchen Thaͤtigkeiten , einer Perſon und einer Sache ,
oder einer Arbeit und eines Materials , eben ſo wie jede Linie
nur zu beſtimmen iſt durch den Winkel .
Wie aber ferner der Winkel nur durch ſeinen Gegenwinkel ,
das heißt : durch den Kreis zu beſtimmen iſt , ſo iſt der oͤkono-
miſche Bund , die oͤkonomiſche Societaͤt der Perſon und der
Sache , oder der Arbeit und des Materials , welche nach
einem Vereinigungspunct ſtreben , worin ihre Verbindung
eben beſteht , nur anzuſchauen durch eine Erwaͤgung der Tota-
litaͤt aller uͤbrigen Richtungen , die nach demſelben Puncte
hinſtreben . Wenn uns alſo dasjenige , was wir Maaßſtab ,
Standard nennen , das Weſen einer gewiſſen oͤkonomiſchen
Thaͤtigkeit , ihre Art und Groͤße befriedigend beſtimmen ſollte ,
ſo muͤßte es aus einem Maaßſtabe beſtehen , der uns die Groͤße
dieſer Thaͤtigkeit , und aus einem andern , der uns die Rich-
tung derſelben ( oder ihre Art ) anſchaulich machte .
In der Nationaloͤkonomie koͤnnen aber die geſammten
Functionen nur gedacht werden , als nach einem Vereini-
gungspuncte ſtrebend , oder nach demjenigen Puncte unendlich
zuruͤckſtrebend , von welchem ſie ausgegangen : wenn man alſo
die Groͤße der Functionen , oder nach Adam Smith die Groͤße
der Arbeit , oder eigentlich nach ihm und allen andern die
Groͤße des Produkts zum Zwecke aller Nationaloͤkonomie er-
hebt , dieß auch dadurch bethaͤtigt , daß man ſich mit einem
bloßen Groͤßenmaaßſtabe begnuͤgt , und doch zugeben muß ,
daß dieſe Groͤße an allen Stellen bedingt ſey durch das Ver-
haͤltniß der Richtungen , das heißt : durch das Verhaͤltniß der
oͤkonomiſchen Function zu allen andern oͤkonomiſchen Functio-
nen derſelben Sphaͤre , welches Verhaͤltniß man unbeſtimmt
und ungemeſſen laͤßt , ſo kann das Reſultat um nichts rich-
tiger ſeyn , als das , welches irgend ein anderer Widerſpruch
ergibt .
Das Produkt , welches man erzeugt ſehen will , ſoll nicht
bloß groß ſeyn , ſondern in gerechtem Verhaͤltniſſe zu allen
uͤbrigen Produkten und Beduͤrfniſſen ſtehen , und die Arbeit ,
das Mittel jenen Zweck zu erreichen , ſoll bloß groß ſeyn ,
und nach einem bloßen Groͤßenmaaßſtabe beurtheilt werden ;
ja noch mehr , ein Maaßſtab , der bloß von der Groͤße
auszuſagen vermag , ſoll auf befriedigende Weiſe den
Werth des Produktes beſtimmen , der ohne die Verhaͤltniſſe
der Nationalprodukte unter einander , oder des Markts ,
die mit der Groͤße nichts zu ſchaffen haben , nicht zu den-
ken iſt .
Das iſt die große Abſurditaͤt in der Forderung , die man
bis jetzt uͤberall an einem Geld-Standard gemacht hat : er
hat nicht wie der Laͤngenmaaßſtab , oder wie das Gewicht die
bloße Groͤße , oder die bloße Schwere nachweiſen und beſtim-
men ſollen , ſondern die Groͤße , die Schwere , und alle an-
deren oͤkonomiſchen Eigenſchaften zugleich . Das Pfund Ster-
ling hat nicht bloß das Silbergewicht , ſondern zugleich das
Verhaͤltniß des Silbers zu allen andern Produkten , und mit
ihnen zu allen andern oͤkonomiſchen Functionen feſthalten ſol-
len , und dennoch hat man nie aufgehoͤrt , ſich das Pfund
Sterling als eine bloße Silbermaſſe zu denken . Es iſt gewiß
niemanden beygefallen , das alte immerfort vorhandene Pfund
Troy , wornach alles Silber abgewogen wird , einen Geld-
Standard zu nennen , und doch hat man einen Geld-Standard
begehrt , deſſen Functionen dieſes alte Schwergewicht voll-
ſtaͤndig verrichtet .
Alſo , wie man einen Transporteur conſtruirt hat , der
nicht nach den 360 Graden , ſondern nach dem Verhaͤltniß
der Sinus eingetheilt iſt , der alſo in gewiſſem Grade die
Functionen des Laͤngen- und des Winkelmaaßes zugleich ver-
richtet , ſo , in aͤhnlicher , obwohl viel umfaſſenderer Art
muͤßte der oͤkonomiſche Maaßſtab fuͤr die Meſſung beyder ,
der Verhaͤltniſſe und der Groͤßen zugleich conſtruirt ſeyn .
So muß die Aufgabe , einen Standard zu conſtruiren , ge-
dacht werden .
Der Werthmaaßſtab ſoll uns bey jedem einzelnen Ge-
brauch , eine Groͤße beſtimmen , aber außer der Groͤße auch
noch die Art . Wie nun der Laͤngenmaaßſtab uns angibt
eine Zahl , dieſe Zahl aber nichts bedeutet , wenn ſie nicht
benannt wird , als Fuß , Elle , Meile ꝛc. oder , wie man ſich
gleichfalls ausdruͤcken kann , wenn nicht die Art und Qua-
litaͤt hinzugeſetzt wird , — ſo thut der Werthmaaßſtab des-
gleichen , nur daß der Nahme , die Artbenennung , welche er
hinzuſetzt , von unendlich umfaſſenderer Bedeutung iſt als
die Laͤngenart . Wenn nun in dem Werthausdruck 20 Pfund
Sterling , der Nahme Pfund Sterling keine andere oder hoͤ-
here Art anzeigte als Pfundgewichte Silbers von einer ver-
langten Feinheit , ſo waͤre dieß offenbar nur ein Schwer-
maaßſtab : Werthmaaßſtab aber kann es nur ſeyn , wenn
der Nahme Pfund Sterling eine viel hoͤhere Qualitaͤt und
Art in ſich ſchließt , als das bloße Silbergewicht .
Offenbar denkt ſich auch jeder einzelne Englaͤnder , wenn
er die Worte Pfund Sterling ausſpricht , etwas viel Hoͤheres
als das Silbergewicht ; er denkt ſich zum Beyſpiele , nach
Maaßgabe ſeiner reicheren oder aͤrmeren Station 1∫20 ,
1∫200 , 1 ∫ 2000 deſſen , was zu ſeinem jaͤhrlichen Auskom-
men , das heißt zu ſeiner geſellſchaftlichen Exiſtenz gehoͤrt ;
er denkt ſich darunter 1 ∫4 eines Sack Mehls , und einen
Buſchel Salz , und zwey Buſchel Erbſen und 1 ∫2 Keſſel
Kohlen — kurz er bezieht das ganze , ihm gerade gegen-
waͤrtige Gebiet des oͤkonomiſch Brauchbaren und Nuͤtzlichen
darauf . Jeder Einzelne hat ſein beſonderes oͤkonomiſches Ge-
biet , und indem er dieſes beſondere Gebiet , im Verhaͤltniſſe
zu der Totalitaͤt aller oͤkonomiſchen Gebiete oder zum Na-
tionalvermoͤgen betrachtet , beſchreibt er es nach Pfunden
Sterling ; er hat dabey ſein beſonderes Bild von Gluͤck und
Wohlſtand und dennoch zugleich eine in gewiſſem Grade be-
ſtimmte Anſicht von dem Wohlſtande des Ganzen . Er hat
ſein beſonderes Pfund Sterling und dennoch wieder darin
das allen gemeinſchaftliche Geld : er ſieht ſeinen beſonderen
Regenbogen , und doch auch wieder die allen gemeinſchaft-
liche Sonne . Er ſtrebt nach ſeinem beſonderen Pfund Sterling ,
und muß doch , er mag wollen oder nicht , dabey in gewiſ-
ſem Grade das allgemeine Pfund Sterling meinen , ſo wie
bey ſeinem beſonderen Intereſſe das allemeine Intereſſe im
Auge haben .
Die meiſten nun von denen vorgeblichen Staatswirthen ,
welche ſich bis jetzt mit der Theorie des Werthmaaßſtabes
oder des Geldes befaßt , laufen dem Regenbogen nach , ohne
auf die Sonne zuruͤckzuſehn . Sie verlangen einen Maaßſtab
der alle einzelnen , ſcheinbar handgreiflichen Guͤter meſſe ,
und verſaͤumen doch die Bedingung zu machen , daß er auch
zugleich den St a at ſelbſt meſſe , naͤhmlich die Richtung , das
Verhaͤltniß zum Ganzen , die Art , die geſellſchaftliche Art
der Guͤter : ſo kommen ſie der Werthbeſtimmung nicht naͤher ,
bleiben bey der gemeinen Wagſchale , und anſtatt der Werthe
waͤgen ſie Silber und Gold ; ſtatt des Geldes erfinden ſie
Gewichte .
Was iſt nun die Art , die Qualitaͤt , welche zur Zahl
hinzukommen muß , damit der Werth beſtimmt werde ? Bey
der Laͤngenbeſtimmung iſt es eine Laͤnge ( Elle ) , bey der
Schwerbeſtimmung iſt es eine Schwere , ein Gewicht ( Pfund ) ;
daß jene Laͤnge und jenes Gewicht nicht etwa durch Spe-
culation abſtrahirt waren von allen Laͤngen und allen Ge-
wichten , daß ſie noch weniger willkuͤhrlich erfunden waren ,
ſondern daß ſie durch unendliche lebendige Vermittelung im
Laufe der Zeit , als wahre Mittler aus dem vollen praktiſchen
Leben hervor gegangen ſind , iſt oben bereits gezeigt worden .
Nun aber die Werthbeſtimmung ! ſie kann nur geſchehen durch
einen Werth aller Werthe , wie die Laͤngenbeſtimmung durch
eine Laͤnge aller Laͤngen : der Werthmaaßſtab muß alſo gleich-
falls aus allen gedenkbaren buͤrgerlichen , geſellſchaftlichen
Werthen heraus gemittelt ſeyn , im Leben , im Fortgange der
Zeiten : der Nahme , die Artbenennung , welche wir der Zahl
hinzufuͤgen , wenn wir einen Werth beſtimmen , kann alſo
nichts Geringeres bedeuten , als das oͤkonomiſche Ganze , den
Staat ſelbſt ; 20 Pfund Sterling heißt alſo nicht 400 der-
jenigen Schillinge , von denen 62 ein Pfund Troy reinen
Silbers ausmachen , ſondern 20 Theile von England , vom
Glauben an England , oder 20 Theile des Credits von
England .
Wenn die Groͤße beſtimmt werden ſolle , ſo muͤſſe die
Qualitaͤt , die Art , gleichgeſetzt werden , ſo druͤckten wir uns
oben in Uebereinſtimmung mit allen mathematiſchen Lehr-
buͤchern Wiewohl ſie leider verſaͤumt haben die Umkehrung die-
ſes Satzes , naͤhmlich , daß die Beſtimmung der Art ,
eine Gleichſetzung der Groͤßen vorausſetze , in
ihrem gehoͤrigen Umfange zu begreifen , woruͤber dann das
eigentliche geometriſche Weſen in der Geometrie abhaͤnden ge-
kommen iſt . der Welt aus . Worin koͤnnten aber die geſammten
oͤkonomiſchen Objecte gleichgeſetzt werden , als im Staate ,
und was iſt ihnen allen gemeinſchaftlich , was iſt der Gat-
tungsbegriff fuͤr alles andere , als der Staat ? —
Der Staat aber iſt nicht die chaotiſche Maſſe dieſer oͤko-
nomiſchen Objecte , ſondern er iſt die nach inneren gerechten
Verhaͤltniſſen geordnete , ſphaͤriſch geordnete Totalitaͤt der-
ſelben . Die verſchiedenen Arten und Qualitaͤten , die der ein-
zelne Menſch nach einer gewiſſen gegebenen Groͤße in ſich
vereinigte , ſind aus ihm heraus getreten ; die Art des Gan-
zen iſt dieſelbe geblieben , weil die einzelnen Qualitaͤten ( Func-
tionen ) in dem alten Verhaͤltniß der Groͤßen unter einander
verbleiben mußten , wie oben beſchrieben worden ; aber der
Menſch hat ſich uͤber ſich ſelbſt hinaus erweitert , er iſt
gewachſen ; er hat auf den verſchiedenen Stufen ſeiner Ent-
wickelung dasſelbe Verhaͤltniß ſeiner einzelnen Qualitaͤten und
Groͤßen , alſo dieſelbe Art des Ganzen dargeſtellt ; er iſt zum
Staat geworden , aber dieſer Staat iſt , wie gleichfalls hin-
reichend beſchrieben , mit dem einzelnen Menſchen an Art und
Qualitaͤt gleich , und nur an Groͤße von ihm verſchieden :
ſein Maaß iſt gewachſen , ſeine Art dieſelbe geblieben . —
Wenn dieſer ſo entſtandene Staat das eigentliche Maaß
iſt , woran alle einzelnen oͤkonomiſchen Objecte in ſeinem
Umkreiſe gemeſſen , wenn er das Geld , das tertium com-
parationis iſt , womit dieſe Objecte alle unter einander ver-
glichen werden , ſo iſt die oben aufgeſtellte Forderung erfuͤllt ,
und wir haben einen Maaßſtab , der , wie er alle Groͤßen
und Arten in ſich vereinigt , ſo auch Art und Groͤße zugleich
mißt ; einen Maaßſtab , der alle Quantitaͤten und Qualitaͤten
aufs vollſtaͤndigſte und beſtimmteſte umfaßt , ſo wie dieſes mit
der Axe der Kugel im Verhaͤltniß zu allen Groͤßen und Ver-
haͤltniſſen innerhalb der Kugel der Fall iſt . —
Jede beſondere Haushaltung iſt ganz nach demſelben Ge-
ſetze organiſirt , und bildet ſich auf gleiche Weiſe ihren Maaß-
ſtab . Der einzelne Menſch erweitert ſich zur Familie , aber
dieſe Familie bleibt in demſelben Totalverhaͤltniſſe : ſie iſt
nichts anderes als der aus einander gelegte , aus einander
gewachſene Menſch . Die bloßen , in der Gemeinſchaft erwor-
benen Guͤter , druͤcken keineswegs das Familienvermoͤgen ge-
nuͤgend aus : vielmehr die perſoͤnlichen Kraͤfte , die eben ſo
viele ſichere Andeutungen kuͤnftiger Guͤter ſind , und alles ,
was im Umkreiſe der Familie lebt und webt , muß mit einge-
ſchloſſen werden , wenn man das Vermoͤgen dieſer Familie
beurtheilen , ihr Maaß kennen will . Das Wort Credit druͤckt
dieſe Geſammtheit und das Weſen dieſes Maaßes am be-
ſten aus . —
Eben ſo lebt und entwickelt ſich ſphaͤriſch jede Wirthſchaft ,
jedes Handlungshaus , jede oͤkonomiſche Corporation u. ſ. f. :
nach demſelben Geſetze wornach ſich das Ganze ordnet , ordnet
ſich auch alles Einzelne im Bezirke des Ganzen . Daß dieſes
Geſetz der ſphaͤriſchen Bildung nicht bloß den betrachteten
Gegenſtaͤnden , ſondern auch eben ſowohl dem betrachtenden
Verſtande inwohne , und daß dieſer , naͤhmlich im Stande
der Unſchuld oder der Erloͤſung , uͤberall dieſes Geſetz des
Lebens den Dingen entgegen bringe , kurz , daß das Geſetz
der Kugel der Vermittler nicht bloß der Perſonen und der
Sachen , ſondern uͤberhaupt auch des Verſtandes und der
Dinge ſey , werde ich in einer kuͤnftigen Kritik der Mathematik
weiter ausfuͤhren .
Der Credit eines Handlungshauſes iſt nicht bloß das Ver-
trauen in deſſen Geſammtvermoͤgen , ſondern auch der Glaube ,
daß dieſes Vermoͤgen in jedem verlangten Augenblicke werde
realiſirt werden koͤnnen . Der Staat und die Richtung zum
Staate nun , iſt die eigentliche Realitaͤt in allen Dingen :
alſo meinen wir in letzter Inſtanz mit der Realiſirbarkeit des
Vermoͤgens eigentlich nichts anderes , als die beſtaͤndige Um-
ſetzbarkeit des beſondern Vermoͤgens in das Allgemeine ; des
beſondern Credits , der , wie groß er auch ſey , immer noch
einer Ergaͤnzung beduͤrfen wird , in den Allgemeinen ; des
beſonderen Geldes in das Nationalgeld , zum Beyſpiel : in
England der Privat- und Provinzialbanknoten , wie auch der
Schatzkammerſcheine , oder Regierungsnoten — in Noten der
Bank von England , oder in baares Geld .
Das Geld eines Landes , oder der Werthmaaßſtab des-
ſelben iſt , wie ich oben erwieſen habe , durch eine unendliche
Vermittelung aller beſonderen oder Privatmaaßſtaͤbe entſtan-
den , die Axe des Nationalvermoͤgens durch eine Vermittelung
aller der einzelnen Axen der Privatvermoͤgen . In England ,
wo dieſer ganze Prozeß der Geld- oder Maaßſtabserzeugung
oͤffentlicher , vollſtaͤndiger und natuͤrlicher vor ſich gegangen
iſt , als irgend wo ſonſt , zeigt es ſich deutlich genug , daß der
Werthmaaßſtab nicht bloß auf dem von mir beſchriebenen
Wege entſteht , ſondern auch nur ſichrer Maaßſtab zu ſeyn
fortdauert , in wie fern die geſammte Nation und alles
Privatvermoͤgen unaufhoͤrlich in der vermittelnden Gelder-
zeugung begriffen ſind . Jeder Provinzialbanquier ſtrebt da-
hin , ſein Privatgeld zum Nationalgelde zu erheben : er ſtrebt
nach der groͤßtmoͤglichen und moͤglichſt allgemeinen Umſetz-
barkeit ſeines Privatgeldes . Es iſt in England nicht bloß die
Regierung , welche Geld macht , ſondern die Bank von Eng-
land , jede Privatbank , ja jede einzelne Haushaltung ( ohne
gerade beſtimmte Noten auszugeben , aber , in wie fern ſie
ſich an eine beſtimmte Bank thaͤtig anſchließt ) helfen das
Geld machen . Alle aber ſtreben zugleich bey dieſem Geſchaͤft
ſo wenig als moͤglich Geldzeichen zu brauchen : und nirgend
wird mit den Geldzeichen , ſie moͤgen nun von Metall oder
Papier ſeyn , ſo oͤkonomiſirt als in England .
Es iſt im Verhaͤltniß zu den Geſchaͤften von Großbritta-
nien eine unglaublich geringe Summe von nationalem Papier
oder Metallen , welche den geſammten Commerz des Landes
traͤgt : es iſt dort nur an der Umſetzbarkeit ſelbſt , an der leben-
digen Vermittelung jedes Einzelnen mit dem Allgemeinen gele-
gen , es iſt nur um den unſichtbaren und unergreifbaren Mittel-
punct ſelbſt zu thun . Und wenn die Umſetzbarkeit des Papiers
in Metall , oder die gegenwaͤrtig ſuspendirte Convertibilitaͤt
der Banknoten in Metallgeld allgemein gewuͤnſcht wird , ſo
wird damit nichts anderes gemeint , als daß Großbrittanien
in demſelben freyen und natuͤrlichen Verhaͤltniſſe zu der Welt-
haushaltung ſtehen moͤchte , als in welchem jede einzelne
Brittiſche Haushaltung zu der Nationalwirthſchaft ſteht : es
werden nicht Maſſen von Metallgeld , ſondern es wird nur
dieſelbe , in dieſem Momente freylich unausfuͤhrbare Conver-
tibilitaͤt alles Nationalgeldes in das Weltgeld gewuͤnſcht ,
mit welcher offenbar ganz idealiſchen Kraft ſich jeder Ban-
quieur vollſtaͤndig begnuͤgen wuͤrde , ohne auf die Maſſe
und den Vorrath der Geldzeichen einen weiteren Werth zu
legen .
Dieſe Umſetzbarkeit iſt alſo die große Eigenſchaft , die aller
Privatcredit mit allem Nationalcredite gemein haben muß ,
und damit die Verſchiedenartigkeit der Groͤßen ihr kein Hin-
derniß in den Weg lege , ſo muß das quantitative Verhaͤltniß
des beſondern Credits zu dem Allgemeinen , mit einem ſichern
Maaßſtabe gemeſſen werden koͤnnen , der aber wieder von
keiner Sache , wie das Metall , und von keinem abſtrakten
Begriffe , wie die Arbeit des Adam Smith , ſondern nur aus
Theoret. Theil Q
der Totalitaͤt des geſammten Nationallebens , die ihn erzeugt
hat , hergenommen werden kann .
Je vollkommener alſo das geſammte Geldweſen eines
Landes iſt , um ſo idealiſcher wird es auch ſeyn , um ſo deut-
licher wird ſich der geſammte oͤkonomiſche Staatskoͤrper ſeiner
Seele bewußt ; um ſo unmoͤglicher wird es , daß irgend ein
einzelnes Organ , alſo irgend eine einzelne Waare ausſchlie-
ßend , die Functionen dieſer Seele oder dieſes Geldes genuͤ-
gend verrichten koͤnne .
Achtes Kapitel .
Von den beyden Elementen des Werthmaaßſtabes : dem
Metallmaaßſtabe und dem Creditmaaßſtabe .
D ie ſaͤmmtlichen bisherigen Betrachtungen haben nur da-
zu dienen ſollen , mehrere , uͤber die Natur des Standard
oder des Werthmaaßſtabes umlaufende Irrthuͤmer zu beſeiti-
tigen . Alle gedenkbaren Abſichten bey der Errichtung eines
ſolchen Maaßſtabes laufen nur darauf hinaus , das wahre
und gerechte Verhaͤltniß der verſchiedenen Werthe unter ein-
ander zu errichten , und zu erhalten , oder dieſes Verhaͤltniß ,
welches ohne Einwirkung des Staates , ein unendlich ſchwan-
kendes ſeyn wuͤrde , zu befeſtigen .
Um alſo einen Maaßſtab zu erhalten , kaͤme es vor allen
Dingen darauf an , auszumachen , welches das Hauptverhaͤlt-
niß in der Nationaloͤkonomie ſey . Es iſt die Frage , ob ſich
alle die unendlichen Verhaͤltniſſe , aus denen eine Haushal-
tung beſteht , auf ein einziges Grundverhaͤltniß reduciren
laſſen ? — Ich habe dieſe Frage bejaht und erklaͤrt , daß in
allen gedenkbaren oͤkonomiſchen Verhaͤltniſſen das Eine
Grundverhaͤltniß : Perſon und Sache wiederkehre ,
und daß die Bedingung aller richtigen oͤkonomiſchen Anſicht
die gerechte Anordnung dieſes Verhaͤltniſſes ſey ; die Perſon ,
habe ich geſagt , koͤnne nicht unbedingt von der Sache ihr
Geſetz empfangen , d. h. eine Sache , Gold oder Silber koͤnnt
Q 2
nicht der genuͤgende Standard des Werthes ſeyn ; eben ſo
wenig aber koͤnne die Sache von der unbeſchraͤnkten Will-
kuͤhr der Perſon abhangen , ein bloß perſoͤnliches Verſprechen ,
perſoͤnlicher Wille oder Meinung , muͤndlich oder ſchriftlich
ausgedruͤckt , koͤnne als Standard eben ſo wenig genuͤgen . —
Die ganze Sphaͤre des Staates habe nur entſtehen koͤnnen ,
indem Perſoͤnliches und Saͤchliches im hoͤchſten Gleichgewicht
um einen Mittelpunct her angeſchoſſen ſey , indem alſo das
Allerperſoͤnlichſte , naͤhmlich das Wort des Menſchen , und das
Allerſaͤchlichſte , das edle Metall , deren jenes im Mittelpuncte
aller Perſoͤnlichkeit , dieſes im Mittelpuncte aller Saͤchlichkeit
ſtehe , zu den beyden Polen dieſer Kugel geworden , und
nun die Linie , welche ſie beyde unter einander und mit dem
Mittelpuncte verbindet ( die Axe ) zur Regel , zum Kanon ,
zum Maaßſtab der ganzen Kugel und ihrer Bewegung er-
hoben ſey .
Die buͤrgerliche Geſellſchaft , die eigentliche Realitaͤt des
Staates ſey alſo der rechte Maaßſtab fuͤr alles Einzelne im
Staate , um ſo mehr da ſie , als die Totalitaͤt aller Groͤ-
ßen und Richtungen im Staate , allein im Stande ſey , Groͤße
und Richtung der einzelnen oͤkonomiſchen Function zugleich
zu meſſen , waͤhrend alle andere Maaßſtaͤbe entweder nur die
Groͤße , oder nur die Richtung , alſo niemahls den aus bey-
den zuſammen geſetzten Werth zu beſtimmen vermoͤchten .
Jeder einzelne Staatsbuͤrger hat bey allen ſeinen Hand-
lungen und Arbeiten offenbar zweyerley Richtſchnur : nie-
mand wird entſcheiden koͤnnen , welche von beyden die we-
ſentlichere ſey : das Recht und den Nutzen . Weil wir nun in
dem gegenwaͤrtigen Werke aus dem Standpuncte der Oeko-
nomie oder des Nutzens ſprechen , und dennoch , um uͤber
das Einzelne zu entſcheiden , das Ganze des Staates , alſo
das eben ſo weſentliche Recht nicht außer Acht laſſen koͤn-
nen , ſo wollen wir das Wort : Recht , in die Sprache der
Oekonomie uͤberſetzen , und es den dauernden Nutzen
nennen . — Wenn wir nun von einem einzelnen oͤkonomi-
ſchen Objecte ſpraͤchen , ſo waͤre vielleicht eine Erwaͤgung des
Nutzens ſchlechthin moͤglich : einen Werthmaaßſtab verlangen
wir aber um des dauernden Nutzen willen eben ſo ſehr , als
um des augenblicklichen ; er ſoll uns den Werth nicht bloß
fuͤr den Augenblick beſtimmen , ſondern auch fuͤr die Zukunft
garantiren . Eine Richtſchnur des augenblicklichen Nutzens al-
lein , oder ein feſtes Metallgeld , kann uns alſo nie die Dienſte
leiſten , die wir von einem Standard verlangen ; ſondern die
Richtſchnur des dauernden Nutzens oder des Rechts muß uns
bey der Conſtruction des Werthmaaßſtabes zu Huͤlfe kommen ,
und dieſe andere Richtſchnur nennen wir Geſetz .
Wenn wir alſo eine bloße Richtſchnur des augenblickli-
chen Nutzen feſtſetzten , mit andern Worten , wenn wir den
Metallpol unſrer Haushaltung fixirten , indem wir das Ver-
haͤltniß des Goldes und des Silbers ein fuͤr allemahl be-
ſtimmten , indem wir proclamirten , das Gold ſolle ſich zum
Silber verhalten wie 1 : , und nun zwiſchen dem
Golde und Silber eine Einheit aufſtellten , die Pfund Sterling
hieße , und nach Belieben in Pfund Troy Silbers von der
feſtgeſetzten Feinheit , oder in eines Goldſtuͤcks , das 5 dwts
9½ gr. desſelbigen Pfundes Troy in Golde von der feſtgeſetzten
Feinheit enthielte , ausgedruͤckt werden koͤnnte , ſo wuͤrde es
der groͤbſte Irrthum ſeyn , dieſe einſeitige Richtſchnur an ſich , fuͤr
einen genuͤgenden Werthmaaßſtab zu halten . Wir wuͤrden
aber ganz eben ſo einſeitig und irrig verfahren , wenn wir
den Wortpol allein fixirten , die Einheit des Pfundes Ster-
ling willkuͤhrlich und eigenmaͤchtig beſtimmten , und verlang-
ten , daß dieſe ſo deſpotiſch creirte Einheit , etwa durch die
Schrift auf einem Blatte Papier ausgedruͤckt , fuͤr einen
Werthmaaßſtab gelten ſollte . Es waͤre dieſes allerdings ein
Act der Perſoͤnlichkeit , der aber die Gegenwirkung der Sa-
chen , durch welche das Agiren der Perſonen erſt moͤglich
wird , aufhoͤbe , und alſo , da ſich dieſe Reaction der Sa-
chen einmahl nicht vernichten laͤßt , zu einem Kriege auf
Tod und Leben zwiſchen der Perſoͤnlichkeit und Saͤchlichkeit ,
oder zwiſchen dem Geſetz und den Sachen fuͤhren muͤßte .
Bey dem ewig denkwuͤrdigen Streit uͤber die Deprecia-
tion der Londer Banknoten im Jahre 1811 , einer Verhand-
lung , die an Wichtigkeit keiner Deliberation , die je auf die-
ſer Erde uͤber die Heiligthuͤmer der Menſchheit gefuͤhrt wor-
den , nachſteht , theilten ſich die beyden ſtreitenden Parteyen
in die beyden hier angegebenen , einſeitigen Anſichten des
Maaßſtabes . Die Committee des Unterhauſes hatte ſich fuͤr
den Metallpol entſchieden , und glaubte den Werthmaaßſtab
nirgends anders als in einem Pfunde Sterling von feſtgeſetztem
Gewichte Goldes oder Silbers finden zu koͤnnen . Die Gegen-
partey entſchied fuͤr den Wortpol , und wollte das Pfund Sterling
nicht anders , als wie es durch die oͤffentliche Meinung exi-
ſtirte , anerkennen . — Das Parliament oder vielmehr Groß-
brittanien ſelbſt entſchied dießmahl fuͤr den Wortpol , nicht
etwa als wenn es uͤberhaupt den Maaßſtab nur in der
oͤffentlichen Meinung anerkannte ; ſondern weil der Metall-
pol durch die Weltumſtaͤnde , Theurung des Goldes , Ungunſt
des Wechſelcurſes u. ſ. w. ſich ſchon von ſelbſt aufdraͤngte ,
ſo ſetzte das Parliament fuͤr dießmahl ſeinen Accent , ſeine
ganze Kraft auf den Wortpol .
In keinem europaͤiſchen Lande ſind die geſammten oͤko-
nomiſchen Verhaͤltniſſe auf eine ſo gerechte Weiſe angeord-
net , und darin ſo lange erhalten worden , als in Großbrit-
tanien . Deßhalb waͤre nichts ſo wichtig als die brittiſche An-
ſicht vom Werthmaaßſtabe zu kennen , und dieſen Maaßſtab
wo moͤglich ſelbſt in die Haͤnde zu bekommen .
Wir koͤnnten indeß dieſen Zweck nicht ſicherer verfehlen ,
als wenn wir den einzelnen Britten daruͤber befragten ; denn
es iſt gerade die gruͤndliche Einſeitigkeit der Anſicht des Ein-
zelnen neben der Ergebenheit und dem Gehorſam ſeines Her-
zens gegen das Ganze , welche uns berechtigt , von Großbrit-
tanien ſelbſt einen Orakelſpruch in dieſer dunkeln und doch
ſo wichtigen Angelegenheit zu erwarten . Wir verlangen ja
nur das , was ſich aus dem Conflict aller einſeitigen Anſich-
ten ergibt , und daß alle einſeitigen Anſichten nothwendig zum
Worte kommen , iſt ja eben das vortreffliche Weſen der brit-
tiſchen Verfaſſung . Den Kampf der brittiſchen Parteyen durch
den Lauf ganzer Jahrhunderte zu verfolgen , iſt gewiß die
ſicherſte und vollſtaͤndigſte Schule der Staatsweisheit , die
es uͤberhaupt gibt : aus demſelben Grunde aber iſt der ein-
zelne Britte , in wie fern man ſich an den Buchſtaben
ſeiner augenblicklichen Staatsanſicht haͤlt , der aller unzu-
verlaͤßigſte Fuͤhrer : wie wenige außer Burke und Pitt koͤnnen
dafuͤr gelten , daß ſie Großbrittanien ſelbſt repraͤſentiren ; auch
leidet es England nicht , daß je ein Einzelner ſo groß und un-
befangen werde , daß er mit dem Vaterlande verwechſelt
werden koͤnnte : er ſoll einſeitig ſeyn ; daher hat man auch
die beyden genannten : Apoſtaten geſchimpft .
Die Anſicht Großbrittaniens vom Maaßſtabe wird ſich
ergeben , wenn wir die oͤkonomiſche Geſchichte und Verfaſſung
dieſes Landes im Laufe des letzten Jahrhunderts ſelbſt be-
fragen : Wir ſehen am Schluße des ſiebzehnten Jahrhunderts
die Compagnie der Bank von England , als eine reiche und
mit mancherley Privilegien ausgeruͤſtete , uͤbrigens aber voͤllig
freye Corporation entſtehen ; ſie diskontirt mit ihren Noten ,
ſie handelt mit Gold und Silber , ſie beſorgt mancherley
Geldgeſchaͤfte fuͤr die Regierung , ſie wechſelt auf Verlangen
ihre Noten gegen baares Geld um , indeß hat ſie auf die
Beſtimmung oder Veraͤnderung des Werthmaaßſtabes keinen
weiteren Einfluß , als irgend ein anderes großes Handlungs-
haus . — Am Ende des erſten Jahrhunderts ihrer Dauer im
Jahre 1797 , befiehlt der geheime Rath daß ſie ihre Noten
in baares Geld umzuſetzen aufhoͤren ſolle ; er , und mit
ihm das Parliament erklaͤrt alſo , daß dieſe Noten , deren
Creation wie das ganze Bankgeſchaͤft uͤberhaupt fortdauerte ,
auch abgeſehen von ihrer Umſetzbarkeit in baares Geld
und von ihrer unmittelbaren Beziehung darauf zu circuliren
haͤtten , daß die Pfunde Sterling der Banknoten alſo eben ſo
wohl den vollen Werthmaaßſtab in ſich enthielten , als die
in einer Guinee oder in 20 Schillingen enthaltenen Pfun-
de Sterling .
Was noch mehr ſagen will : die ganze Nation erkennt
dieſe Unabhaͤngigkeit der Banknote und des in ihr enthalte-
nen Maaßſtabes ſo vollſtaͤndig und einmuͤthig an : daß heute ,
nachdem der Marktpreis des in einer Guinee enthaltenen
Goldes um 20 bis 30 pr. Ct. geſtiegen iſt , und eines
Pfundes Sterling in Noten einer Guinee geſetzlich gleich ge-
achtet werden , zwar das Gold verſchwunden iſt , ſich aber
keine Spur eines Disconts der Noten gezeigt hat , und ,
was das Wichtigſte iſt , die Preiſe der Dinge in Banknoten
ausgedruͤckt zwar geſtiegen ſind , aber durchaus um nichts
mehr in dieſer Creditmuͤnze geſtiegen , als in der ſeltenen
Goldmuͤnze und in der noch in hinreichender Quantitaͤt cir-
culirenden Silbermuͤnze des Landes . Dieſe Silbermuͤnze iſt ,
wohl zu bemerken , ſo ungleich zerſchliſſen und abgetragen ,
als ſie am Schluße des ſiebzehnten Jahrhunderts nur ſeyn
konnte , wo derſelbe Zuſtand eine gaͤnzliche Handlungsver-
wirrung herbeyzufuͤhren drohte , und die ungeheure , koſtſpie-
lige Operation der Ummuͤnzung alles vorhandenen Silbers
erzwang . Lord Liverpool in ſeinen vortrefflichen Briefe an
den Koͤnig uͤber die Muͤnzen des Reichs , erklaͤrt die gegen-
waͤrtige Unſchuld und Folgenloſigkeit derſelben Corruption der
Silbermuͤnze , die in den Jahren 1694 und 1695 den Handel
und Credit von England mit den ſchrecklichſten Revolutionen
bedrohte , dadurch , daß ſeitdem das Gold Standard des Wer-
thes geworden ſey , und daß das Silber , welches damahls
allen Verkehr regulirt habe , gegenwaͤrtig nur den kleinen
Verkehr und dieſen in der Dienſtbarkeit und Abhaͤngigkeit
vom Golde regulire . Es iſt wahr , die Goldmuͤnze war in je-
nen Zeiten in England ſo wenig , als noch heute in Deutſch-
land , geſetzliche Zahlung ( legal tender ) ; niemand war ge-
zwungen , ſie anders als nach einem verabredeten Werthe an-
zunehmen , bis die Proclamation vom vierten Jahre Georg
des Erſten , den Werth der Guineen auf 21 Schilling feſt-
ſetzte , und das Statut vom vierzehnten Jahre Koͤnig Georg
des Dritten anordnete , daß keine Schuld uͤber 25. l. in
Silbermuͤnze ſollte aufgedrungen werden koͤnnen , außer nach
dem Gewicht , die Unze Silbers zu 5. 3 . 2. d . — Das ge-
ſammte in den Jahren 1696—1699 neu umgepraͤgte Sil-
bergeld war verſchwunden oder corrumpirt , und ſo mochte
es wirklich ſcheinen , daß ſich in der nunmehrigen Lage Groß-
brittaniens das Gold viel mehr als das Silber zum Maaß-
ſtabe des Werthes eignete . Indeß hatte bereits im J. 1773
die Goldmuͤnze das ganze fruͤhere Schickſal der Silbermuͤnze
erlebt : in dieſem Jahre wurde eine Ummuͤnzung des ge-
ſammten Goldes nothwendig , die bis in das Jahr 1777
dauerte ; und eine der Hauptbeſchwerden in der gegenwaͤrti-
gen Lage von England iſt wieder , daß das ganze Product
dieſer und folgender Ummuͤnzungen groͤßtentheils verſchwun-
den iſt . Welche beſonderen Umſtaͤnde auch jede von dieſen beyden
Depreciationen und Ummuͤnzungen und Auswanderungen vor
den andern auszeichnen moͤgen , ſo iſt doch ſo viel gewiß , daß
weder die Corruption der Goldmuͤnze nach dem ſiebenjaͤhri-
gen Kriege bis auf 1777 , noch der gegenwaͤrtige Mangel
derſelben , der noch uͤberdieß von einer bedeutenden Corruption
der Silbermuͤnzen begleitet iſt , irgend eine ungluͤckliche Folge
fuͤr den innern Verkehr veranlaßt hat , die an Umfang mit
der Handelszerruͤttung am Schluße des ſiebenzehnten Jahr-
hunderts zu vergleichen geweſen waͤre . Und ſo moͤchten wir ,
nach der Analogie der Behauptung des Lord Liverpool , die
andere Behauptung wagen , daß die Folgenloſigkeit der Cor-
ruption und des Stillſtandes des geſammten Muͤnzweſens
nur dadurch zu erklaͤren ſey , daß Banknoten der eigentliche
Standard des Reiches geworden waͤren . Der geheime Rath
und das Parliament haben durch den Befehl der Suspenſion
der baaren Zahlungen , und durch die ſpaͤteren Prolongatio-
nen dieſes Geſetzes , ſich fuͤr dieſelbe Anſicht der Sache ent-
ſchieden .
Bey Erwaͤgung der Lage von Großbrittanien , und der
ungeheuren Progreſſion ſeines Handels und ſeiner Induſtrie im
Laufe des letzten Jahrhunderts , ſpringt es in die Augen , daß
ein ſo bedeutendes Handelsobject als die edeln Metalle , viel
weniger zum unbedingten Werthmaaßſtabe geeignet ſeyn muͤſ-
ſe , jetzt , als damahls , wo die Beſorgung des innern Ver-
kehrs noch die Hauptfunction der edeln Metalle war . Ein
Handelsſtaat von dieſem Umfange , der noch in abſoluter Ab-
haͤngigkeit von den edeln Metallen waͤre , laͤßt ſich uͤberhaupt
nicht denken : alſo die Banknoten fortgedacht , ſo haͤtte wenig-
ſtens der geſammte Verkehr mit dem hinterſten Orient , China
und Indien , ferner die ungeheure Maſſe von Induſtrie ,
welche durch die bedeutenden Korneinfuhren in den neueren
Zeiten gedeckt worden iſt , endlich der ſaͤchliche Antheil Groß-
brittaniens an den Europaͤiſchen Welthaͤndeln , der in bedeu-
tendem Grade wieder den Handel hat tragen helfen , großen-
theils unterbleiben muͤſſen .
Was iſt nun die ganze Inſtitution der Bank von England
anderes , als die freye Concentration des geſammten perſoͤn-
lichen Credites von Großbittanien Großbrittanien . Die Banknote bildet recht
eigentlich den Mittelpunct , oder den vermittelnden Punct , zu-
naͤchſt zwiſchen allen perſoͤnlichen Verpflichtungen des Volks
und der Regierung , zwiſchen allen Arten von Schatzkammer-
ſcheinen , Stocks , Wechſeln , Privat- und Provinzialbanknoten
im Umfange des Reichs , und dem zu Folge fuͤr allen perſoͤn-
lichen Verkehr , fuͤr alle Handelsgeſchaͤfte , und mittelbar durch
dieſe fuͤr alle gedenbaren gedenkbaren Werthe . Sie bildet ſehr beſtimmt
den einen Pol der Haushaltung von Großbrittanien , den ich
den Wortpol nenne : das jetzt ſuspendirte Geſetz der Umſetzbar-
keit der Banknoten in baares Geld , druͤckt auch ſehr deutlich
die Verbindung des Wortpols mit dem Metallpol , oder die
Axe der Brittiſchen Nationaloͤkonomie aus .
Die erſte Haushaltung von Europa hat alſo erwieſen ,
daß , wenn einerſeits ein unbegrenzter Verkehr mit dem Aus-
lande , welcher eine weſentliche Bedingung alles innern Wohl-
ſtandes iſt , nicht ohne Metall-Circulation zu denken iſt , dieſer
Verkehr andererſeits eben ſo nothwendig , ohne eine wahre
Papier-Circulation fuͤr die Dauer nicht vor ſich gehen koͤnne :
dem Metall fehlt die fuͤr ſo große Geſchaͤfte nothwendige
Elaſticitaͤt ; es iſt um ſo vieles wichtiger im Welthandel , als
es in dem innern Verkehr unentbehrlich iſt ; es iſt , ſo lange
es kein Papier zur Seite hat , ſo vielmehr Waare als Geld ,
und demnach ſo ſchwerfaͤllig , daß es mit der erhabenen
Verſatilitaͤt der Geſchaͤfte eines ſolchen Reiches wie Großbritta-
nien , nicht nur nicht Schritt halten kann , ſondern ſie noth-
wendig hemmen muß : kurz , das Metallgeld kann die Geld-
functionen erſt genuͤgend verrichten , wenn die Moͤglichkeit da
iſt , es auch entbehren zu koͤnnen , wie uͤberhaupt der wahre
Genuß und Gebrauch der Guͤter des Lebens nur fuͤr den moͤg-
lich iſt , der ſie auch wieder entbehren , alſo ohne Zwang ,
ohne Dependenz von ihnen , alſo mit Freyheit gebrauchen
kann .
Gerade wie die aͤußere Sprache der Rede , und die innere
Sprache der Figuren und Gedanken bey dem einzelnen Men-
ſchen ſich unter einander bedingen , und das Gleichgewicht ,
der ebenmaͤßige Fortſchritt beyder , Wechſelbedingung ſeines
ſowohl aͤußern als innern Fortſchritts iſt ; und wie die
Sprachfertigkeit an und fuͤr ſich , wie ſie bey ſo vielen Men-
ſchen unverhaͤltnißmaͤßig gegen die Denkfertigkeit ausgebildet
iſt , den ganzen hoͤheren Verkehr der Menſchen nur hemmen
kann , obgleich die Sprache das Hauptmittel dieſes Verkehrs
iſt , ſo auch das Metallgeld ohne das Papiergeld .
Durch eine der in dem Schickſale einer ſo großen Haus-
haltung , als die Brittiſche , unvermeidlichen Wendungen iſt
im Laufe der letzten funfzehn Jahre die Metall-Circulation aus
dieſem Lande großentheils verſchwunden , und ein Zuſtand der
Dinge herbey gefuͤhrt , den wir in keiner Ruͤckſicht einſeitiger
und unnatuͤrlicher finden , als den andern , deſſen Unnatuͤrlich-
keit und Einſeitigkeit man auf dem Continente von Europa noch
kaum zu ahnden anfaͤngt , den naͤhmlich , wo der geſammte
Verkehr nur von einer Metall-Circulation getragen wird .
Der freye Wille , die Meinung aller , die oͤffentliche Mei-
nung hat das große , in alle Haushaltung von Großbrittanien
verwachſene Inſtitut , welches wir heut die Bank von England
nennen , errichtet . Was urſpruͤnglich das Werk einer kleinen
Handlungsſocietaͤt war , iſt durch die Mitwirkung von ganz
England im Laufe eines Jahrhunderts zum Stuͤtz- und Anle-
gungspuncte allen Credits , zum Vermittler des Ganzen und
jedes Einzelnen , der Oekonomie , der Regierung und jeder
beſonderen Haushaltung geworden .
Jede Handelsunternehmung , alle Induſtrie , ſetzt Geld
voraus : das beſondere Vermoͤgen des Unternehmers , ſein
Privatcredit muß realiſirt , oder , damit ich mich beſtimmter
ausdruͤcke , in den Stand des Nationalgeldes erhoben werden ,
oder des Weltgeldes , wenn die Unternehmung auf das Aus-
land gerichtet iſt . Die Perſon des Kaufmanns will mit einer
beſtimmten Waare , einem ſaͤchlichen Antipoden in der Sphaͤre
der Nationaloͤkonomie , wie ic h dieß fruͤher beſchrieben , in un-
mittelbare Beziehung treten . Es iſt nicht zu berechnen , wie
groß die beſtimmte Geldkraft werde ſeyn muͤſſen , welche zur
Fortfuͤhrung und Durchfuͤhrung eines beſtimmten Geſchaͤftes
nothwendig iſt : gibt es alſo uͤberhaupt nur Metallgeld , ſo iſt
klar , daß das zu betreibende Geſchaͤfte nur durch das moͤgliche
Maximum von Vorrath des Metalls geſichert werden koͤnne .
Dieſes Maximum des Vorraths iſt bey den einzelnen Handels-
geſchaͤften nicht vorhanden : der einzelne Kaufmann oder Pri-
vatunternehmer ergaͤnzt den Mangel durch ſeinen Privatcredie ,
der ihn allerdings in den Stand ſetzt , die edeln Metalle zu
erſparen . Indeß ſo gut wie das Privatprodukt , die einzelne
Waare welche der Privatmann erzeugt oder beſitzt , und die
in ſeiner Privathaushaltung dieſelbige Geldfunction verrichtet ,
die in der Nationalhaushaltung , das edle Metall — erſt reali-
ſirt werden muß , erſt in die allgemeine Waare verwandelt
werden , wenn die Oekonomie fortruͤcken ſoll , eben ſo gut muß
auch der Privatcredit erſt realiſirt , erſt im Allgemeinen in
Nationalcredit verwandelt werden . Die allgemeine Waare ,
die Realitaͤt , in welche die Waaren umgeſetzt werden , wenn
ſie nach unſerer Benennung realiſirt werden , iſt das Metall-
geld : in Staaten , wo nur eine Metall-Circulation exiſtirt ,
wo das Metall das einzige oͤkonomiſch Allgemeine iſt , kann
auch der Privatcredit wieder in nichts anderem realiſirt wer-
den , als in Metallgeld ; es iſt alſo klar , daß in ſolchen
Staaten ( wenn ſie uͤberhaupt noch den Nahmen Staat ver-
dienen ) die Schwerfaͤlligkeit , Unnachgiebigkeit des Metalls ,
welches nur durch ſeine Maſſe gilt , ſich allen einzelnen Ge-
ſchaͤften mittheilt ; waͤhrend , wenn aller Privatcredit eben ſo
gut ſeinen eigenthuͤmlichen Mittelpunct haͤtte , als alle Pri-
vatwaaren in dem Metallgeld den ihrigen haben , die zur
Maſſenkraft des Metalls nothwendige Seltenheit desſelben
geſchont , und dennoch das Geſchaͤft durch eine Garantie ganz
anderer Art als der Maſſe , ſicher geſtellt werden koͤnnte .
Die Realitaͤt , par excellence , unter allen Realitaͤten ,
Waaren , Sachen , iſt in Großbrittanien ſo gut wie uͤberall
das edle Metall die Realitaͤt , par excellence , in die aller
Privatcredit umgeſetzt werden muß , um allgemeine Wirkun-
gen hervor zu bringen , iſt die Bank von Großbrittanien .
Die Bank von England iſt , noch richtiger ausgedruͤckt , die
Perſonalitaͤt , par excellence , unter allen Perſonalitaͤten ,
Wechſeln , Obligationen , perſoͤnlichen Verpflichtungen .
Die oͤkonomiſchen Objecte ſind , wie ſchon oben erwieſen ,
nur weſentlich verſchieden nach den Graden ihrer Allgemein-
guͤltigkeit : das Geſammtbeduͤrfniß der Nation entſcheidet ,
ſagte ich , uͤber den Werth , und deßhalb iſt der Staat ſelbſt
als das Allgemeinguͤltigſte der vollſtaͤndigſte Werthmaaßſtab .
In der Sprache der bisherigen Oekonomie wird dieß ſehr
richtig , obwohl bewußtlos bezeichnet durch das Wort : Reali-
ſiren . Durch die Allgemeinguͤltigkeit iſt das Metallgeld res
inſonderheit . Es gibt aber ſo unendlich viele Abſtufun-
gen des Credits als der Waaren , mit Ruͤckſicht auf die Allge-
meinguͤltigkeit . Grade des Credits ſind nichts anderes , als
Grade der perſoͤnlichen Bedeutung : unter dieſen tauſendfaͤlti-
gen Formen des Privatcredits und der Perſoͤnlichkeit , muß es
einen mittleren Credit , eine persona inſonderheit geben ,
und in allem beſonderen Credit ein Streben nach der Per-
ſonaliſirung , wie unter den Waaren ein Streben nach der
Realiſirung .
Da nun die Maſſe des Metalgeldes an der Oberflaͤche der
Erde gegeben , und nur in ſehr geringerem Grade von der
menſchlichen Induſtrie abhaͤngig iſt , ſo waͤre das ganze oͤkono-
miſche Leben wie eingemauert , wenn die Realiſation in dem
hier aufgeſtellten beſtimmteren Sinne des Wortes , die einzige
Bedingung aller oͤkonomiſchen Geſchaͤfte waͤre : aber da die
Realiſation an ſich noch nichts hilft , wenn man ſich nicht
vermittelſt der Perſonaliſation , außer der geſellſchaftlichen
Maſſenkraft , die in den edeln Metallen liegt , auch der
Elaſticitaͤt , ich moͤchte ſagen , der Seele bemeiſtern kann ,
die den Metallen erſt Leben und organiſches Wachsthum , und
organiſche Beweglichkeit einhaucht — ſo leuchtet hier von
neuem , und zwar durch das große Beyſpiel von Großbritta-
nien bekraͤftigt , die Nothwendigkeit ein , das eigentliche Geld
in der ewigen Vermittelung zwiſchen beyden Geldformen , der
perſoͤnlichen und der ſaͤchlichen , das heißt : wie den unſicht-
baren zwiſchen zwey Polen ſchwebenden Mittelpunct anzu-
ſchauen . Jeder Kaufmann , jeder Wirth begehrt bey ſeinem
Geſchaͤft dieſen mittleren ſchwebenden Standpunct , zwiſchen
dem allgemeinen Credit und der allgemeinen Waare zu erlan-
gen ; und der Brittiſche Kaufmann iſt , wenn er in ſeiner be-
ſonderen Haushaltung dasſelbe Gleichgewicht zwiſchen Credit
und Waare , zwiſchen dem Perſoͤnlichen und Saͤchlichen zu er-
richten und zu behaupten weiß , welches der Staat im Großen
gluͤcklich zu Stande gebracht und behauptet , in dieſer gluͤck-
lichen Lage , vor allen andern Kaufleuten der Welt .
Um alſo die große Frage zu beantworten , was der eigent-
liche Werthmaaßſtab fuͤr Großbrittanien , und aus dem Stand-
puncte der Brittiſchen Verfaſſung ſey , wird die Erwaͤgung eines
einzelnen Statutes oder Muͤnzgeſetzes ſo wenig hinreichen ,
als die Erklaͤrung eines einzelnen Englaͤnders . Wie aber die
Vorzuͤglichkeit der Brittiſchen Verfaſſung uͤberhaupt , in dem
Gleichgewichte des Perſoͤnlichen und Saͤchlichen liegt , und wie
das , durch das Parliament dargeſtellte Gleichgewicht zwiſchen
dem Geldintereſſe und dem Landintereſſe , zwiſchen dem Talent
und dem Beſitz , zwiſchen dem Seyn und dem Haben , ſich
in jeder beſondern Haushaltung wiederholt ; ja wie jeder
Theoret. Theil R
ordentliche Englaͤnder die ſaͤchliche Einſeitigkeit einer beſtimm-
ten oͤkonomiſchen Function vollſtaͤndig ausdruͤckt , und doch
wieder ein eben ſo maͤchtiges perſoͤnliches Gefuͤhl von der uͤber-
ſchwenglichen Gerechtigkeit und Allſeitigkeit des ganzen Groß-
brittaniens naͤhrt — ſo iſt es leicht begreiflich , daß uͤber-
haupt in jenem Lande ein bloß ſaͤchlicher Werthmaaßſtab nicht
Statt finden koͤnne .
Geſetzt auch in allen Statuten und Parliamentsverhand-
lungen bis auf das Jahr 1797 herab , werde unter Standard
nichts Hoͤheres gemeint , als eine beſtimmte , durch ein gewiſ-
ſes Metallgewicht ausgedruͤckte Einheit , ſo bewieſe dieß bloß ,
daß der eigentliche Werthmaaßſtab in den Parliamentsver-
handlungen bis dahin noch nicht zur Sprache gekommen , daß
man unter Standard nichts anderes verſtanden habe , als den
untergeordneten Maaßſtab der ſaͤchlichen Verhaͤltniſſe , den der
Werthmaaßſtab keineswegs ausſchließt , neben oder uͤber dem
aber , wenn auch unausgeſprochen ein eigentlicher Werthmaaß-
ſtab laͤngſt beſtehen konnte .
Wenn nun im Jahre 1797 der geheime Rath ſowohl , als
das Parliament das Papier der Bank von England fuͤr unab-
haͤngig von der Vormundſchaft des Metallgeldes erklaͤren ;
wenn ſie , obwohl mit einiger , bey einem ſo großen Schritte
ſehr natuͤrlichen Unbeſtimmtheit und Dunkelheit , jedoch im
Weſen nichts anderes verordnen , als daß die Muͤnze von Groß-
brittanien , welche bisher der Werthmaaßſtab der Banknoten
zu ſeyn ſchien , und die doch wieder in gewiſſer Hinſicht von
dem Welt- oder Marktpreiſe der edeln Metalle abhaͤngig ge-
weſen war , nunmehr von der Banknote ihren Werth ableiten ,
alſo von dieſer ihren Maaßſtab empfangen ſolle ; wenn ganz
Großbrittanien , von der unermeßlichen Wichtigkeit der Per-
ſonaliſirung alles Privatcredits , wie es ſcheint , noch viel
mehr uͤberzeugt , als von der Nothwendigkeit der Realiſ i rung
aller beſonderen Waaren , den Beſchluß der Staatsgewalt
und der Geſetzgebung einmuͤthig ſanctionirt ; wenn uͤbrigens
ein welthandelndes Volk , den Werth der Realiſation , die
Wichtigkeit des edeln Metalls , und des daran haftenden
Elementes der Sicherheit fuͤr alle merkantiliſchen Geſchaͤfte ,
durchaus , auch nicht uͤber die ſchreyendſte Nothdurft des ge-
faͤhrlichſten Augenblickes vergeſſen kann — ſo iſt klar , daß
der perſoͤnliche Werthmaaßſtab der Banknote nicht etwa im
Jahre 1797 erſt erfunden , oder errichtet worden ſeyn koͤnne ,
ſondern daß er vielmehr , ſowohl von der Geſetzgebung und
Staatsgewalt , als von der oͤffentlichen Meinung des ganzen
England laͤngſt anerkannt geweſen , und daß die Banknoten
durchaus nicht als bloße Surrogate , Subſtitute oder Noth-
zeichen des Metallgeldes , ſondern auf dem Fuße vollkom-
mener Paritaͤt mit dem Metallgelde , als wahres eben ſo
maͤchtiges und unentbehrliches Creditgeld laͤngſt betrachtet und
behandelt worden ſind .
Wenigſtens haͤtte ſich unmittelbar , nach Suspenſion der
Realiſation , ein Diskont der Banknoten aͤußern muͤſſen , ſie
haͤtten aus dem mittleren Geldſtandpuncte , den ſie unter den
geſammten Privatcreditpapieren einnehmen , unmittelbar her-
aus treten muͤſſen , wovon ſich bis jetzt kaum eine Spur ge-
zeigt hat . Aller Credit im Umfange der Reiche Großbrittanien ,
kennt auch heute nur eine einzige Art der Perſonaliſirung ,
R 2
naͤhmlich die , vermittelſt der Banknoten ; und daß dieß neben
der großen Steigerung des Goldpreiſes , und ungeachtet der
großen Ungunſt des Wechſelcourſes , das heißt : ungeachtet der
ſteigenden Wichtigkeit der Realiſation , fuͤr den vermehrten
auswaͤrtigen Kriegs- und Handelsverkehr von England , noch
heute der Fall iſt , dieß iſt ein Beweis mehr fuͤr den Satz , daß
die Banknoten ein eben ſo weſentliches Element des Werth-
maaßſtabes bilden , als die edeln Metalle .
Es bedarf wohl keines Beweiſes , daß um den Forderun-
gen , die an einen wahren Werthmaaßſtab gemacht werden ,
zu genuͤgen , es keineswegs hinreiche , daß nur die Rechnungs-
oder Zahlungseinheit des Landes , zum Beyſpiel : das Pfund
Sterling , in Silbergewicht oder durch das Wort einer ſo
maͤchtigen Corporation wie die Bank von England , gehoͤrig
und unabaͤnderlich feſtgeſetzt werde . Denn es kommt nicht dar-
auf an , daß die oͤkonomiſchen Werthe im Umfange des Lan-
des , jeder einzeln , auf die feſte Einheit eines Maaßſtabes
reducirt werden , ſondern alle dieſe oͤkonomiſchen Werthe ſol-
len vornaͤhmlich ihr Verhaͤltniß unter einander behaupten :
die Menge ſolcher Einheiten , die ich heute verleihe , ſoll noch ,
wo moͤglich , nach langen Jahren in demſelben Verhaͤltniß zu
allen weſentlichen Lebensbeduͤrfniſſen , und durch ſie mit allen
uͤbrigen minder weſentlichen ſtehen , als worin ſie heute zu
derſelben ſteht .
Dieſer Forderung kann durch die noch ſo gruͤndliche
Fixirung der Rechnungseinheit nicht genuͤgt werden : vielmehr
iſt dieſe abſolute Fixirung des Maaßſtabes , waͤhrend das
geſammte zu meſſende Weſen waͤchſt , einer voͤlligen Zerſtoͤrung
des Maaßſtabes gleich zu achten . Deßhalb verlangt man mit
Recht , daß ſich die Maſſe der Geldzeichen in demſelben Ver-
haͤltniſſe vermehren muͤſſe , als ſich die geſammte von dem
Gelde zu beherrſchende Nationaloͤkonomie ausbreitet , und daß
man fuͤr den relativ ſinkenden Werth der Geldeinheit , durch
die groͤßere Leichtigkeit ſich in Beſitz dieſer Einheiten zu ſetzen ,
entſchaͤdigt werden muͤſſe .
Wenn die Nationaloͤkonomie im Gleichgewichte iſt , wenn
ſie ſphaͤriſch ausgebildet iſt , ſo iſt das Geſetz ihrer Bildung
wie ihrer Bewegung ausgedruͤckt , durch die Axe dieſer
Sphaͤre . Dieſe Axe , habe ich geſagt , iſt ihr Werthmaaß-
ſtab . Denn da die bloße Fixirung einer Metall- Gewichts-
oder Worteinheit zu den Werthbeſtimmungen nicht hinreicht ,
indem die Vermehrung oder Verminderung der Einheiten alle
Verhaͤltniſſe ſtoͤren wuͤrde , die wir durch den Werthmaaßſtab
berichtigen oder erhalten wollen , ſo hat man uͤberhaupt nur
eine halbe Vorſtellung vom Standard , wenn man nicht we-
nigſtens eben ſo beſtimmt die ganze Summe von Einheiten
kennt , womit der Verkehr dieſes beſtimmten Landes betrie-
ben wird . Wird dieſe ſehr weſentliche Bedingung erfuͤllt , ſo
erhalten wir eine Groͤße , die nunmehr in einem ſichern Ver-
haͤltniß zu dem Geſammtverkehr der Nationalhaushaltung
ſteht , die alſo auch mit dieſem Geſammtverkehr wachſen oder
abnehmen kann .
Geſetzt ein Pfund Sterling Silberwerth ſey das Maaß
der Geſammtbeduͤrfniſſe des einzelnen Menſchen im Laufe einer
Woche , zu einer gewiſſen Zeit geweſen , und mir wuͤrde heut
geſagt , daß er uͤber zehn ſolcher Pfunde Sterling Silberwerth
woͤchentlich disponiren koͤnne , ſo weiß ich noch nicht , was
dieſer Menſch nunmehr oͤkonomiſch werth ſey , eben weil der
beſtimmteſte Silberwerth ein durchaus unvollſtaͤndiger Maaß-
ſtab war : geſetzt aber , ich wuͤßte , daß ein ſolches Pfund Ster-
ling woͤchentlich hingereicht habe , als das Geſammtbeduͤrfniß
von England woͤchentlich mit drey Millionen derſelben Pfund
Sterling beſtritten wurde , und daß das gegenwaͤrtige Ge-
ſammtbeduͤrfniß von England dreyßig Millionen derſelben
Pfund Sterling erfordert und beherrſcht , ſo kann ich nun
mit ziemlicher Beſtimmtheit behaupten , daß der einzelne
Menſch das andere Mahl gerade ſo viel werth geweſen ſey ,
als das erſte Mahl .
Es iſt oben gezeigt worden , daß dieſes bey allen gedenk-
baren Maaßſtaͤben der Fall iſt : eine Laͤngeneinheit , eine Ge-
wichtseinheit koͤnnte man nach Belieben erfinden , und durch
Kunſt befeſtigen ; aber mit ſolchen nach Willkuͤhr erfundenen
Maaßſtaͤben dringen wir nicht durch , weil der Maaßſtab in
einem mittleren Verhaͤltniß aller damit zu meſſenden Groͤßen
ſtehen muß , welches mittlere Verhaͤltniß , zum Beyſpiel : bey
den Laͤngenmaaßſtaͤben , durch die Groͤße des menſchlichen
Koͤrpers und ſeiner Glieder , zwar ſchon richtig voran gedeu-
tet wird , aber ſich erſt im Laufe der Zeiten , und im unend-
lichen Verkehr aller verſchiedenen Laͤngen unter einander
ergibt .
In noch viel hoͤherem Grade gilt dieß vom Werthmaaß-
ſtabe : die bloße Groͤßeneinheit entſcheidet uͤber den Werth
noch nichts , wie ſie auch feſtgeſtellt ſey , denn ich will nicht
die bloße Groͤße wiſſen , ſondern den Werth der , wie hinlaͤng-
lich gezeigt , aus Groͤße und Verhaͤltniß zuſammen geſetzt iſt :
der Werthmaaßſtab muß alſo aus Groͤße und Verhaͤltniß zu-
ſammen geſetzt ſeyn , ſo gut wie der zu meſſende Werth . Ein
feſter Werthmaaßſtab iſt alſo ein feſtes Verhaͤltniß zwiſchen
dem Vermoͤgen des Einzelnen im Durchſchnitt und dem Na-
tionalvermoͤgen , welches Verhaͤltniß zu beſtimmen man frey-
lich erſt beyderley Vermoͤgen auf einerley Benennung und
Einheit reduciren muß .
Es iſt alſo dringend nothwendig den Werthmaaßſtab , von
dem oͤkonomiſchen Groͤßenmaaßſtabe ſo ſtreng als moͤglich zu
unterſcheiden , und nicht Anſpruͤche an den letzteren zu machen ,
welche nur der erſtere befriedigen koͤnnte . Das Metall an und
fuͤr ſich kann nichts als einen oͤkonomiſchen Groͤßenmaaßſtab
hergeben , denn da deſſen Vermehrung oder Verminderung
nie in dem Gebiete der menſchlichen Kunſt liegt , ſo wird ſein
Totalbelauf , ſchon wegen der inwohnenden Sproͤdigkeit und
Steifheit , in beſtaͤndigem Mißverhaͤltniß zu der Welt von
Werthen ſtehen , die es meſſen ſoll . Das menſchliche Wort ,
der menſchliche Credit hingegen hat anderſeits in hohem Grade
die Fuͤglichkeit , Nachgiebigkeit und Elaſticitaͤt um das andere
Element des Werthmaaßſtabes , naͤhmlich das Verhaͤltniß
aller Werthe zum Nationalvermoͤgen auszudruͤcken .
Die Bank von England an ſich vermag freylich nicht das
beſtimmte Silber- oder Goldgewicht in dem Pfunde Sterling
feſt zu halten , daher wird ſie ohne die Bedingung der Umſetz-
barkeit ihrer Noten in Metallgeld keinen ganz vollkommenen
Werthmaaßſtab darzuſtellen im Stande ſeyn , dagegen genuͤgt
ſie deſto mehr der andern eben ſo weſentlichen Forderung an
den Werthmaaßſtab , naͤhmlich ſie kann in der Summe ihrer
Noten das Verhaͤltniß der Totalwerthe des geſammten Natio-
nalvermoͤgens in zwey verſchiedenen Zeiten deſto beſtimmter
aufrecht erhalten , wozu , wie es in der Natur der Sache
liegt , das noch ſo beſtimmt fixirte Silbergewicht des Pfundes
Sterling , voͤllig unnuͤtz iſt .
So wie nun das Metall , fuͤr die mechaniſchen Zwecke der
Circulation wegen ſeiner Sproͤdigkeit und anderer widerſtre-
benden Eigenſchaften unbrauchbar , erſt mit einem anderen
Metall verſetzt oder legirt werden muß , und das Verhaͤltniß
dieſer Legirung , der Standard der Feinheit genannt
wird ; ſo findet eine zweyte und hoͤhere Legirung Statt ,
indem das Metall zur Werthvermittelung in den Kreis der
buͤrgerlichen Geſellſchaft wirklich eintritt . Schon in der Muͤnze
wird , wie ich erwieſen habe , das Metall erſt durch das
Geſetz , durch die Anſetzung und Fixirung des Muͤnzpreiſes ,
durch die geſetzliche Benennung auf eine hoͤhere Weiſe legirt ,
und nun entſteht das , was ich den Standard der oͤko-
nomiſchen Groͤße Es wird dem aufmerkſamen Leſer nicht entgehen ,
daß , wenn meine fruͤher aufgeſtellte Diſtinction zwiſchen Werth
und Preis ſchon allgemein angenommen waͤre , ich dieſen
zweyten Standard ſehr fuͤglich und paſſend Standard des
Preiſes nennen koͤnnte . genannt habe , und was von den
ſtaatswirthſchaftlichen Schriftſtellern , zumahl von den Ver-
faſſern und Vertheidigern des Berichts der Bullion-Committee
des Brittiſchen Unterhauſes im Jahre 1810 und 1811 allzu
voreilig Standard des Werthes genannt wird .
Aus der Exiſtenz eines ſolchen ſicheren Standard der oͤko-
nomiſchen Groͤße , folgt die Gerechtigkeit des Verhaͤltniſſes der
geſammten Geldzeichen zu dem Totalwerthe des Nationalver-
moͤgens noch nicht , und da von dieſem Verhaͤltniß die Dauer
aller einzelnen Werthe abhaͤngt , ſo kann jener Standard auch
nichts uͤber die Werthe entſcheiden . Es muß erſt eine dritte
Legirung vor ſich gehen , das Metallgeld muß erſt mit wirk-
lichem Creditgelde verſetzt werden , damit es in ein feſtes Ver-
haͤltniß zu dem Geſammtwerth der Nationaloͤkonomie , und
ſo mit allen einzelnen Werthen treten koͤnne . So nun entſteht
der dritte Standard , der Standard des Werthes .
Dieſen dreyen Arten des Standard entſprechen nun genau
drey Arten der Depreciation , oder der Corruption des
Standard : die erſte , da das Verhaͤltniß des edeln Metalles
zu ſeiner Legirung von unedelm Metalle veraͤndert wird , da
man von dem Standard der Feinheit abweicht ; die andere ,
da man eine Veraͤnderung in dem Silber- oder Goldgewicht
der Muͤnze abſichtlich vornimmt oder einſchleichen laͤßt , da
man alſo den Standard der oͤkonomiſchen Groͤße verliert .
Dieſe beyden Arten der Depreciation ſind in der Europaͤiſchen
Geldgeſchichte der drey letzten Jahrhunderte die Allergewoͤhn-
lichſten . Eben weil die Nationaloͤkonomie ſich noch nicht zur
dritten Art des Standard erhoben hatte , weil die Legirung
des Metallgeldes vermittelſt des Creditgeldes noch nicht aus-
gebildet war , alſo uͤberhaupt noch kein Standard des Wer-
thes exiſtirte , ſo mußte man ſich wohl an den beyden anderen
Standards halten , und ſelbige durch eine abſichtliche Depre-
ciation und Herabſetzung ſowohl des Schwergehalts als des
Feingehalts in einer Art von Gleichgewicht mit dem Geſammt-
werth zu erhalten , und ſie fuͤr eine Beſtimmung , der ihre
innere Natur widerſtrebte , wenigſtens , ich moͤchte ſagen , zu-
recht zu ſtutzen ſuchen .
Die abnehmende Reihe von Silbergewichten , welche uns
die reſpectiven Standard des Franzoͤſiſchen Pfundes , des
Deutſchen Gulden und der Mark , und ſogar die des Pfund
Sterling im Laufe der letzten drey Jahrhunderte zeigen , be-
deutet nichts anderes als die zunehmende Reihe von Credit-
geld , die dem auf jenen Standards errichteten Metallgelde
eigentlich beſtaͤndig haͤtte zur Seite gehen , und ſelbiges im
Gleichgewichte mit dem Geſammtwerthe der Nationaloͤkono-
mie haͤtte erhalten ſollen . Und wenn das Pfund Sterling un-
ter allen Europaͤiſchen Muͤnzen ſeinem urſpruͤnglichen Standard
der Feinheit und des Schwergehalts , bey weitem am naͤchſten
geblieben , wenn es nur in dem Verhaͤltniſſe 31 : 10 von
ſeinem urſpruͤnglichen Groͤßenſtandard abgefallen iſt , und das
heutige Pfund Sterling nur etwas weniger als ein Drittel
des urſpruͤnglichen vollen Pfundes enthaͤlt , waͤhrend das
Franzoͤſiſche Livre kaum 1∫72 ſeines urſpruͤnglichen Standard
enthaͤlt , und alle andern Europaͤiſchen Muͤnzen gleichfalls in
viel bedeutenderem Verhaͤltniß depreciirt ſind , ſo iſt dieſe Er-
ſcheinung nur dadurch zu erklaͤren , daß das Creditgeld in
England ſich viel fruͤher , als in allen andern Europaͤiſchen
Reichen , ausbildete , auch ſchon vor Errichtung der Bank
dem Weſen nach , wenn auch nicht in der nachherigen Voll-
kommenheit vorhanden war , und alſo die Depreciation der
beyden erſten Standards dadurch verhindert , oder doch ge-
hemmt wurde , daß ſich ein eigentlicher Werthmaaßſtab
( standard of value ) bildete , der nun im Jahre 1797 zum
vollſtaͤndigen Bewußtſeyn erhoben , und geſetzlich anerkannt
worden iſt .
Die Geſchichte der Brittiſchen Nationaloͤkonomie beſtaͤtigt
dieſe Vermuthung auf das glaͤnzendſte ; denn wie moͤchte es
wohl ſonſt zu erklaͤren ſeyn , daß England den Standard der
Feinheit ſeiner Silbermuͤnze ſeit dem drey und vierzigſten
Jahre der Koͤniginn Eliſabeth , und den ſeiner Goldmuͤnze
ſeit dem funfzehnten Jahre der Regierung Carls des Zweyten ;
ferner den geſetzlichen Schwergehalt ſeiner Silbermuͤnze ſeit
dem drey und vierzigſten Jahre der Regierung der Koͤniginn
Eliſabeth , und den ſeiner Goldmuͤnze ebenfalls ſeit dem funf-
zehnten Jahre Koͤnig Carls des Zweyten ; endlich das Ver-
haͤltniß des Goldes zum Silber , oder den Muͤnzpreis ſeit
dem vierten Jahre Georg des Erſten , aufrecht zu erhalten im
Stande geweſen iſt ? Es war das Creditſyſtem Englands —
und niemand wird nach dem Vorausgeſetzten mich ſo miß-
verſtehen , als meinte ich unter dieſem Ausdruck das Schul-
denſyſtem in Specie — welches die gelegentliche Disharmonie
zwiſchen dieſen beyden Standard , und den allgemeinen Revo-
lutionen der Werthe gluͤcklich corrigirte . Die Elaſticitaͤt des
Credits kam der Sproͤdigkeit der edeln Metalle zu Huͤlfe ,
und ſo beſaß England einen wirklichen Werthmaaßſtab , der
ſo feſt als beweglich war , und der gerade in Folge der Be-
weglichkeit , die er durch die Concentrirung allen Credites ,
oder in letzter Inſtanz durch die Bank erhalten hatte , den in
ihm enthaltenen Groͤßenmaaßſtab um ſo unveraͤnderlicher be-
haupten konnte .
Freylich iſt auch dieſer Werthmaaßſtab einer Depreciation
unterworfen : es iſt die von den Engliſchen Schriftſtellern ſo
genannte Depreciation durch Exceß . Das Gleichgewicht der
Sache und Perſon , und ihre ebenmaͤßige Wechſelwirkung iſt
in allen Staatsangelegenheiten , zumahl in nationaloͤkonomi-
ſcher Hinſicht , das oberſte Geſetz . Es gibt eine gewiſſe unver-
kennbare , durch unzaͤhlige Symptome angedeutete Grenze ,
jenſeits der die unbedingte Herrſchaft des Credits , oder der
perſoͤnlichen Kraft aufhoͤrt , und wo die Gewalt , welche die
Natur in die Sachen legen mußte , um ein Gleichgewicht
zwiſchen ihnen und der Perſoͤnlichkeit moͤglich zu machen ,
ewig ihr Recht behaupten wird . Auf dieſes Gebiet hat der
Credit nur mittelbaren Einfluß .
Wenn die Bank von England verſuchen ſollte , ihr
Papier gegen andere als perſoͤnliche Sicherheit auszugeben ,
wenn ſie je zum Beyſpiel auf der Hypothek liegender Gruͤnde
Banknoten ausliehe , oder wenn ſie ſich zum Lombard con-
ſtituirte , und uͤber die edeln Metalle hinaus auch auf ander-
weite Realeſſecten und Mobilien borgen ſollte , kurz , wenn
ſie direkt zu perſonaliſiren unternaͤhme , was nur realiſirt
werden kann , ſo wuͤrde die Depreciation ihres Papiers , und
alſo des Werthmaaßſtabes ſelbſt eintreten .
So lange aber die Bank ſich ſtreng innerhalb derjenigen
Hemisphaͤre der Staatshaushaltung erhaͤlt , die ſie oͤkono-
miſch zu beherrſchen und zu vermitteln beſtimmt iſt , ſo
lange ſie ihre Noten gegen ſichere Wechſelbriefe ausgibt ,
derjenige Werth alſo , den ſie perſonaliſiren ſoll , indem ſie
ihn in ihr allgemeinguͤltiges Papier umſetzt , die perſoͤnlichſte
Form erhalten hat , welche die Verpflichtungen des Privat-
manns in unſern Staaten uͤberhaupt erlangen koͤnnen ; ſo
lange ſie die Zeit vollſtaͤndig in ihrer Gewalt behaͤlt , wie
dieß auch bey keiner andern Sicherheit in dem Grade als bey
Wechſelbriefen moͤglich iſt ; ſo lange ſie alſo ihre vollſtaͤndige
Elaſticitaͤt erhaͤlt , die in dem Maaße verloren gehen wuͤrde ,
als ſie ſich mit der Traͤgheit und Steifheit der Sachen be-
faßte — ſo lange hat ſie das ihr anvertraute Element des
Werthmaaßſtabes treu verwaltet , und ihr Papier iſt uͤber alle
Depreciation erhaben .
Waͤre nun durch irgend eine Fuͤgung der Weltumſtaͤnde der
andere Pol der Staatshaushaltung , naͤhmlich der Metall-
geldpol , von Metallen entbloͤßt , wie es dermahlen in England
der Fall iſt , ſo wird durch die Feſtigkeit , mit der ſich die
Bank innerhalb ihrer perſoͤnlichen Hemisphaͤre erhaͤlt , die
Gefahr , in der das Ganze ſchwebt , wirklich abgewendet wer-
den . Die Banknoten werden in der anderen Hemisphaͤre die
Functionen des Metallgeldes verrichten , immer aber ſymbo-
liſch , deutend auf die Nothwendigkeit , die Metalle bey der
erſten guͤnſtigen Gelegenheit ( die nicht fehlen kann , wenn
man nur das Beduͤrfniß nach den Metallen nicht verliert ,
das heißt : wenn man das Creditgeld nur nicht zu einem
Surrogat des Metallgeldes herabwuͤrdigt , und ſich dabey be-
gnuͤgt ) wieder in ihre alten und natuͤrlichen Rechte einzu-
ſetzen . Da die Bank ſelbſt ihre Noten nie mit dem Metallgelde
verwechſelt , da ſie fortwaͤhrend nur mit perſoͤnlichen Ver-
pflichtungen und dem Credite zu thun hat , und alle Reali-
taͤten , welche die Bank honoriren ſoll , ſich erſt in ſichere
Wechſelbriefe , in Papiere von einem kurzen und ſichern Ter-
min verwandelt haben muͤſſen , ſo concentrit ſich gleichſam in
der Bank , das allen Perſonen inwohnende dringende Ver-
langen die Sache par excellence , oder das Metall wieder
herbey zu ſchaffen , waͤhrend die Banknoten auf der Stelle
depreciirt ſeyn wuͤrden , ſo bald ſich die Bank des andern
Poles wirklich bemaͤchtigen , und ihr Creditgeld aus ſeinen
Schranken heraus , und zu einer Art von Univerſalgeld zu
erheben , unternaͤhme .
Die Guineen ſind aus der Circulation von Großbrittanien
faſt verſchwunden : das Geſetz in England kennt , wie ſchon
bemerkt , kein Einſchmelzen oder Ausfuͤhren der Guineen , und
in den letzt verfloſſenen vierzig Jahren , ſind unter Autoritaͤt
des Staates weit uͤber zwanzig Millionen ausgepraͤgt wor-
den . Durch die Reſtriction der Zahlungen der Londner Bank ,
insbeſondere aber durch die Beſtaͤtigung dieſer Maaßregel
von Seiten der oͤffentlichen Meinung , iſt die Banknote von
einem Pfunde Sterling gleichgeſetzt 20∫21 einer vollwichtigen
Guinee . —
Diejenigen nun , welche in England die Depreciation der
Banknoten behaupten , indem ſie ſich auf die große Ungunſt
des Wechſelcourſes , und auf die Theurung des Goldes beru-
fen , finden die Praͤſumtion des Geſetzes , von einer Fortexiſtenz
der Guineen im hoͤchſten Grade abſurd . Ich glaube uͤber
allen Zweifel erhoben zu haben , daß nicht bloß das Geſetz ,
ſondern auch die ganze Haushaltung von Großbrittanien ,
insbeſondere aber , worauf am meiſten ankommt , die Bank
von England ſelbſt dieſe große Praͤſumtion naͤhrt , und in
allen Stuͤcken ſo agirt , als waͤren die Guineen wirklich vor-
handen . Die Bank betraͤgt ſich wie der treue Verwalter eines
fuͤr eine Zeitlang abweſenden Koͤnigs , und deßhalb weil ſie
und die oͤffentliche Meinung ihre Noten nie mit dem Metall-
gelde eigentlich verwechſelt oder vermiſcht , ſo repraͤſentiren
die Noten ſo vollſtaͤndig die Guineen . Ich frage : iſt , was
das Geſetz , die oͤffentliche Meinung , die ganze Staatshaus-
haltung von Großbrittanien , und was die Bank von England
als vorhanden praͤſumirt , und ſo behandelt , als ſey es vor-
handen , nicht ſo gut als wirklich vorhanden ? gibt es in
dieſem Augenblick , wo das Haupt , welches die Krone von
England uͤber ein halbes Jahrhundert glorreich getragen ,
wirklich abweſend iſt , gibt es einen Koͤnig von England ? —
Wer wird es laͤugnen ? — Wer alſo kann das Geſetz
verlachen , welches die Fortexiſtenz der Guineen praͤſu-
mirt ? —
Die inneren Geldverhaͤltniſſe von Großbrittanien ſind
heute , funfzehn Jahre nach der Suspenſion der baaren Zah-
lungen der Londner Bank , noch ganz dieſelben wie vor der
Suspenſion , und bey der prompteſten Umſetzbarkeit der Bank-
noten in Guineen . Die oͤffentliche Meinung , unterſtuͤtzt vom
Geſetze , gebraucht die Noten als vollſtaͤndige Repraͤſentanten
der Guineen und zur Realiſation der Sachwerthe , ohne daß ſie
je in dem Wahn ſtaͤnde , die Guineen ganz entbehren , und
ſich der Noten als eines Surrogates der Metalle bedienen zu
koͤnnen : die oͤffentliche Meinung glaubt ſo feſt , daß das
Gold , oder die eigentliche Realitaͤt am Golde vorhanden ſey ,
als ſie glaubt , daß der Koͤnig , oder der Koͤnig im Koͤnige ,
nie abweſend ſeyn , oder ſterben koͤnne . Die Bank verhaͤlt
ſich zum Golde , wie ſich das Parliament zum Koͤnige verhaͤlt ;
und wie die Gewalt des Prinzen Regenten vom Parliamente
zur Repraͤſentation der Krone delegirt iſt , ſo iſt auch die Me-
tallgeld-repraͤſentirende Macht der Banknoten von der Bank
deligirt , ohne daß weder hier die Bank die Graͤnze der perſoͤn-
lichen , der Credit-Hemisphaͤre uͤberſchritte , noch dort das
Parliament ſich uͤber das ihm angewieſene , perſoͤnliche Theil
des Staatgeſchaͤfts oder uͤber die Geſetzgebung hinaus , in das
ſaͤchliche Theil des Staatsgeſchaͤfts oder in die eigentliche
Adminiſtration hinuͤber wagte .
Man betrachte die dermahlige wunderbare Lage von Groß-
brittanien etwas naͤher ! Waͤhrend auf dem Continent von
Europa die oͤffentliche Meinung dahin uͤberein kommt , daß
alles politiſche Heil in der Perſoͤnlichkeit des Koͤnigs , und in
dem Vorrath des Goldes , oder der edeln Metalle liegt —
fehlt in England der Koͤnig , fehlt daſelbſt das Gold , beydes in
dem Continental-Sinne des Wortes ; und dennoch haben ſich
weder Parliament und Volk der Staatsgewalt bemeiſtert ,
noch die Bank und der Credit , den ſie repraͤſentirt , die
Stelle des Goldes uſurpirt : die Realitaͤt des ſaͤchlichen Ver-
moͤgens reagirt auf die Perſoͤnlichkeit der Bank und des Cre-
dits , gerade eben ſo , als wenn das Gold in ſeiner ganzen
Macht noch wirklich vorhanden waͤre , und wie ehemahls ,
vermittelſt des Geſetzes der Convertibilitaͤt jede einzelne Bank-
note durch eine baare Guinee bekraͤftigt werden muͤßte ; an-
dererſeits reagirt die Realitaͤt der koͤniglichen Gewalt mit
derſelbigen Majeſtaͤt auf die Perſoͤnlichkeit des Parliaments ,
als wenn der Koͤnig ſelbſt in voller Jugendkraft an der Spitze
der Adminiſtration ſtaͤnde .
Dieß ſind die erhabenen Pruͤfungen , welche die Freyheit
und die Verfaſſung eines Landes vollenden . Was man von
den Miniſterialſtellen in England geſagt hat , daß ſie naͤhm-
lich das Individuum , welches ſie bekleide , wie ſeine Privat-
anſicht , ſein Privatcharakter auch beſchaffen ſeyn moͤge , zwin-
gen , im miniſteriellen Geiſte zu handeln , gilt im Grunde von
allen Stellen in England : der Thron zwingt den Koͤnig ,
was er auch uͤbrigens als Menſch ſeyn moͤge , zu koͤniglichen
Geſinnungen ; die Stelle , welche im natuͤrlichen Gange der
Dinge das Gold einnimmt , zwingt die Banknote , die das
Gold gelegentlich zu repraͤſentiren genoͤthigt wird , im Geiſte
des Goldes zu agiren . Kurz , die Perſoͤnlichkeit ſelbſt iſt ſo
maͤchtig , daß es auf die einzelne Perſon und ihre kurzen
vergaͤnglichen Eigenſchaften , die Saͤchlichkeit ſelbſt ſo maͤch-
tig , daß es auf die einzelne Sache , welche Zeit und Um-
ſtaͤnde entwenden koͤnnen , nicht weiter ankommt . —
Der Strom der Weltereigniſſe kann das Gold mit ſich
fortreiſſen , und wer iſts , der fuͤr den einzelnen Menſchen ,
und fuͤr das , was man perſoͤnliches Talent , perſoͤnliche
Klugheit , perſoͤnlichen Charakter nennt , gut zu ſagen
wagte : aber , wenn die Verhaͤltniſſe des Ganzen ſo ſicher und
harmoniſch geordnet ſind , daß das Einzelne auf nationale
Theoret. Theil S
Weiſe handeln und wirken muß , dann kann das Schickſal ſein
Recht ausuͤben ; es kann ein vermeintliches Nationalbeduͤrfniß
nach dem anderen rauben , und dennoch wird die Nation im
Entbehren erſt recht fuͤhlen lernen , daß ſie das eigentlich
Nothwendige in dem Beduͤrfniſſe behauptet , naͤhmlich die
Richtung der Kraft des Dinges oder der Perſon , die ſcheinbar
entwendet worden : es iſt nur die aͤußere Schale des Goldes ,
welche geraubt werden kann , der Kern desſelben bleibt ; es
iſt nur der vergaͤngliche Koͤnig , der verloren geht , die ewige
Krone bleibt . So iſt auch England durch den ganzen Lauf
ſeiner Geſchichte ſein Entbehren , und jede Nationalcalamitaͤt
zu Gute gekommen : es iſt uͤberall fuͤr das ſcheinbar Verlorne ,
durch die eigentliche Weſentlichkeit des verlornen Gutes ent-
ſchaͤdigt worden . So war in den Kriegen der rothen und
weißen Roſe , ich moͤchte ſagen , die gemeine Krone von Eng-
land verloren gegangen , und gerade durch dieſe Kriege und
durch den Mißbrauch ſchlechter Koͤnige , wie Heinrich des
Achten , iſt die Idee der wahren koͤniglichen Gewalt , des
Koͤnigs , who can do no wrong , und der nicht ſtirbt ,
erobert worden ; ſo ferner ging in den Zeiten der Republik
und Cromwells die gemeine Freyheit verloren , und wurde da-
fuͤr die mit jener Idee der koͤniglichen Gewalt ſehr vertraͤgliche
Idee der Freyheit erobert , welche die großen Statute der
Freyheit in dem Zeitraum von 1660 bis 1688 ausgeſprochen
haben .
Dahin habe ich mit meiner ganzen Argumentation kom-
men wollen : die Verhaͤltniſſe des Ganzen ſind ſicher und har-
moniſch geordnet , alſo alle die Zwecke , die durch den Werth-
maaßſtab erreicht werden ſollen , ſind erreicht : ein ſolcher
Standard des Werthes muß alſo vorhanden und undepreciirt
vorhanden ſeyn . Die ganze innere Wohlfahrt eines
Reiches reducirt ſich auf das Gleichgewicht zwiſchen der Per-
ſoͤnlichkeit und Saͤchlichkeit : das eigentlich Perſoͤnliche in
aller Perſoͤnlichkeit iſt oͤkonomiſch ausgedruckt der Credit , das
eigentlich Reale in aller Saͤchlichkeit iſt das edle Metall . Die
Bank von England , voͤllig unbekuͤmmert um die Realiſation
und Circulation des ſaͤchlichen Vermoͤgens , hat fortgefahren
allen ſichern Privatcredit zu perſonaliſiren , und die ganze
Nation , Koͤnig und Parliament haben die Banknoten zu einſt-
weiligen Repraͤſentanten des verſchwundenen Goldes ernannt .
Vor der Reſtriction , ſo moͤchte ich mich figuͤrlich ausdruͤcken ,
beſtand die eine Haͤlfte der Axe der Brittiſchen Nationaloͤko-
nomie , die Haͤlfte , welche in die ſaͤchliche Hemisphaͤre hinuͤber
fiel aus Gold , die andere Haͤlfte in der perſoͤnlichen Hemis-
phaͤre aus Banknoten .
Beyde , Banknoten und Gold , durch ihre beſtaͤndige Um-
wechslung , und ſo durch ihre ewige Wechſelwirkung haben
ſich gegenſeitig ihre Eigenſchaften mitgetheilt ; und dabey
uͤberſehe man nicht , daß die Banknoten nicht bloß an der
Bank in Guineen umgeſetzt worden ſind , ſondern daß in allen
Geſchaͤften ohne Unterſchied mit Banknoten Sachen erkauft
und realiſirt , und mit Guineen Wechſelbriefe und andere per-
ſoͤnliche Verpflichtungen perſonaliſirt worden ſind , daß alſo
die Banknoten allenthalben frey in die Hemisphaͤre der Saͤch-
lichkeit , die Guineen eben ſo frey in die Sphaͤre der Perſoͤn-
lichkeit hinuͤber geſpielt haben , ohne daß die Bank ihre Noten
S 2
je anders als zur Perſonaliſation des Credites angewendet und
ausgegeben haͤtte , ohne daß die Bank je bey der Creation
ihrer Noten etwa das ſo genannte Beduͤrfniß der Circulation ,
oder die Sicherheit ſaͤchlicher Unterpfaͤnder beruͤckſichtigt , ohne
daß ſie je ein anderes Geſetz dabey befolgt haͤtte , als ( Aus-
ſage der Bankdirektoren , in denen , dem Bericht der Bullion-
Committee beygefuͤgten minutes of evidence ) die Sicher-
heit der perſoͤnlichen Effecten der Regierung , oder der Priva-
ten , auf die ein Vorſchuß von ihr begehrt wurde .
Wenn das Geſetz alſo die Indentitaͤt der Banknoten und
der geſetzlichen Muͤnze des Reichs behauptet , ſo wird damit
nur ausgeſprochen , was ſich in hoͤchſter Freyheit ſelbſt ſchon
laͤngſt gemacht hat . Erwaͤgt man nun , wie in Laͤndern , wo
es nie etwas anders als eine Metall-Circulation , und in Er-
manglung einer wahren Bank , nie eine ordentliche Credit-
Circulation gegeben hat , das Metall ſeine Sproͤdigkeit und
Steifheit , und alle ſeine ſchwerfaͤlligen Eigenſchaften dem
geſammten oͤkonomiſchen Geſchaͤftsgange mittheilt ; wie der
Credit und die ſolide Unternehmung gerade dadurch gehemmt
werden , daß es nichts als Metall gibt , und ſich jeder in
deſſen rohen und handgreiflichen Beſitz zu erhalten ſtreben muß ;
wie der Beſitzer des Metalls abhaͤngig wird von dem Metall ,
und alſo das Metall vielmehr mit ihm wirthſchaftet , als er
mit dem Metall : ſo wird man mich verſtehen , wenn ich ſage ,
daß die Guineen durch den hundertjaͤhrigen Einfluß der Bank-
noten , durch den hundertjaͤhrigen genauen Umgang mit dem
Credite erſt zu wahrem Metallgelde geworden , daß ſie in dem
Umgange mit den Banknoten die Perſoͤnlichkeit ſich angeeignet
haben , wie die Banknoten umgekehrt in dieſem genauen
Verkehr die Saͤchlichkeit , die Dauerbarkeit , und alle eigen-
thuͤmlichen Eigenſchaften des Metalls . Nun koͤnnte die Axe
der Brittiſchen Nationaloͤkonomie ganz aus Banknoten beſte-
hen , wie ſie ganz aus Guineen beſtehen konnte : die Bank-
noten werden in der ſaͤchlichen Hemisphaͤre alle ſaͤchlichen
Eigenſchaften des Goldes zu repraͤſentiren im Stande ſeyn ,
und bloß durch die Stelle dazu genoͤthigt werden , eben ſo ,
wie die Guineen in der perſoͤnlichen Hemisphaͤre , in der
Hemisphaͤre des Credits alle perſoͤnlichen Eigenſchaften , und
die ganze Elaſticitaͤt , die man fruͤher nur den Banknoten zu-
getraut hat , annehmen . Ja , wenn man in Anſchlag bringt ,
daß das Gold unter allen Verhaͤltniſſen viel leichter wieder zu
gewinnen iſt , als ein hundertjaͤhriger Credit , und daß auch die
Materie des Goldes , wenn ſie einmahl verloren , nicht immer
mit bloßer Privatkraft wieder zu erſetzen iſt , ſo muͤßte man ,
wenn fuͤr die Haushaltung von Großbrittanien uͤberhaupt eine
Gefahr waͤre , eine viel groͤßere Gefahr darin finden , wenn die
Bank von England , auch ohne Bankerout , durch freyes Ein-
ziehen ihrer Noten einginge , und die Axe der Oekonomie
nunmehr bloß aus Guineen beſtaͤnde , als da , wie es jetzt der
Fall iſt , das Gold , das eben ſo leicht wiederkehrt , als ver-
ſchwindet , ſich entfernte , und Banknoten alle Creditgeld- und
Metallgeldfunctionen zugleich verrichteten .
In der gegenwaͤrtigen Lage der Sache verrichten alſo die
Banknoten zwey Functionen , die Perſonaliſirung alles Credits
als Banknoten , und die Realiſirung aller ſaͤchlichen Werthe als
Repraͤſentanten des Goldes , als currency : als Banknoten
kehren ſie zu einem gewiſſen Termin , alſo periodiſch zur Bank
zuruͤck , als vollguͤltige Repraͤſentanten des Goldes haben ſie
die entſchiedene Neigung in der Circulation zu verbleiben .
Die unbedeutende Totalſumme von ungefaͤhr 24 Millionen
Pfund Sterling , hat im Jahre 1811 fuͤr beyde Functionen
hingereicht — welche im Verhaͤltniß zu der ungeheuren Haus-
haltung Großbrittaniens hoͤchſt unbedeutende Zahl , nur
durch das erſtaunliche Gleichgewicht der inneren Thaͤtigkeit
zu erklaͤren iſt , welches die Skontrirung und Abrechnung
ſo beguͤnſtigt , daß ein großer Theil aller oͤkonomiſchen
Geſchaͤfte von Großbrittanien unmittelbar und ohne Dazwi-
ſchenkunft irgend eines Geldzeichens , und ohne direkte Ver-
mittelung des Centralcredits der Bank abgemacht werden
kann .
Die beyden Functionen der Banknoten reagiren alſo voll-
ſtaͤndig auf einander , was am beſten in die Augen faͤllt , wenn
man ſie mit der einfoͤrmigen Function eines gezwungenen
Papiergeldes vergleicht . Waͤhrend naͤhmlich die Banknoten
unaufhoͤrlich vom Centrum ausſtroͤmen , und ganz in demſel-
ben Verhaͤltniß zu dem Centrum zuruͤck ſtroͤmen , ſtroͤmt das
Papiergeld bloß vom Mittelpuncte aus , und haͤuft ſich in
der Peripherie . Auch in dem gegenwaͤrtigen Zuſtande der Bank ,
wo die Metall-Realiſation nicht Statt findet , koͤnnte man
behaupten , daß der in der Verfaſſung der Bank begruͤndete
Prozeß des regelmaͤßigen Zuruͤckſtroͤmens aller Noten , einer
beſtaͤndigen Realiſation gleich zu achten ſey , wenigſtens
in ſo weit die Noten die Functionen des Creditgeldes ver-
richten . —
In der andern Hemisphaͤre zeigt ſich nun das Beduͤrfniß
nach Metallgelde , und in Ermanglung desſelben nach Bank-
noten , als Repraͤſentanten des Sachgeldes : da aber die
Bank bey ihrem alten Creditſyſteme verharrt , und keine Noten
fuͤr das bloße Beduͤrfniß der Circulation ausgibt , ſo muß ſich
die ſaͤchliche Hemisphaͤre mit dem geſetzlichen Zeitraum begnuͤ-
gen , welcher der Banknote zu ihrer Circulation vergoͤnnt
wird . Nun freylich diskontirt die Bank nicht ruckweiſe , in
gewiſſen Terminen , ſo daß etwa zu einer geſetzlichen Zeit all
ihr Papier ausgegeben wuͤrde , und zu einer andern wieder
zuruͤck kehren muͤßte , ſondern von einem Tage zum andern ;
indeß wird die einzelne Note uͤberall von zweyerley entgegen-
geſetzten Kraͤften regiert , die eine , welche nach der Bank zu-
ruͤckſtrebt , die andere , welche abwaͤrts von der Bank nach der
Circulation hinſtrebt : beyde Kraͤfte capituliren mit einander
und reguliren ſich unter einander . Alles wahre Circulations-
beduͤrfniß wird ſich leicht in ein Creditbeduͤrfniß verwan-
deln , und von der Bank Noten extrahiren koͤnnen : aller
wahre Ueberfluß der Circulation wird ſich in ein Debet an
die Bank verwandeln , und ſich dergeſtalt ſelbſt vernichten
koͤnnen .
Kurz die Banknoten , in wie großen Maſſen ſie auch exi-
ſtirten , zerfallen in zweyerley Papier , das ſich unter einander
vollſtaͤndig beſchraͤnkt und balancirt ; je nachdem dieſelbe Bank-
note aus der einen Hemisphaͤre in die andere hinuͤber ſpielt ,
wird ſie wechſelsweis bloß durch die Stelle etwas durchaus
Entgegengeſetztes : als Repraͤſentant des Metallgeldes reagirt
und proteſtirt ſie gegen ſich in ihrer fruͤheren Qualitaͤt als
Banknote und umgekehrt . Nur in ſo fern , als die Banknote
die ihrer Natur als Creditgeld vollſtaͤndig entgegen geſetzte
Natur des Metallgeldes unparteyiſch anzunehmen weiß , iſt
ſie mehr als Surrogat , iſt ſie Repraͤſentant des Metallgeldes .
Ihre Summe iſt , ſo lange auf die inneren Verhaͤltniſſe allein
Ruͤckſicht genommen wird , immer die moͤglichſt geringe , ein
Exceß iſt nicht moͤglich , alſo eine Theurung der Lebensbeduͤrf-
niſſe kann durch ſie nicht veranlaßt werden : wird der Credit
der Bank ſelbſt , oder ihrer Schuldner nicht depreciirt , ſo iſt
keine anderweite Depreciation gedenkbar , und dann errichtet
und verwaltet und behauptet die Bank den Werthmaaßſtab
des Reichs .
Man hat in neueren Zeiten , unter mancherley dreiſten
und unbeſtimmten Grundſaͤtzen uͤber die Behandlung des
Papiergeldes auch den Satz aufgeſtellt , daß es auf die Anzahl
der Geldzeichen uͤberhaupt nicht ankomme , daß tauſend Mil-
lionen dieſelben Functionen verrichteten als hundert Millionen ,
und daß der ganze Unterſchied ſich am Ende nur auf einen
groͤßeren oder geringeren Aufwand von Muͤhe im Zaͤhlen ,
Transportiren und Berechnen der Summen reducire . Ich will
hier nicht betrachten , was der Uebergang von den kleinen
Zahlen auf die großen Zahlen in der Berechnung , auf die
Gemuͤther der Voͤlker fuͤr einen Einfluß habe , und wie viel
darauf ankomme , ſich auch in den Zahlen ſelbſt im Gleich-
gewichte mit den Nachbarſtaaten zu erhalten . Ich will nur
das Unbeſtimmte jenes Grundſatzes zeigen .
Einſichtsvolle praktiſche Staatswirthe haben die Bedin-
gung hinzugefuͤgt : die Anzahl ſey gleichguͤltig , in wie fern
ſie ſich nur nicht vermehre oder vermindere , und in wie fern
ſich nur der Werth des einzelnen unter dieſen Geldzeichen
dauerhaft fixire . Ich druͤcke ihn folgender Geſtalt aus : die
Anzahl iſt gleichguͤltig , und es laͤßt ſich aus der bloßen Zahl ,
wie groß oder wie gering ſie ſey , weder auf einen Exceß noch
auf einen Mangel der Circulation ſchließen , vorausgeſetzt ,
daß die inneren oͤkonomiſchen Verhaͤltniſſe , alle verſchiedenen
Richtungen der oͤkonomiſchen Functionen , im Gleichgewichte
ſind ; vorausgeſetzt , daß alle dieſe Verhaͤltniſſe nach dem
Schema der Kugel , das , wie ich gezeigt , auf die oͤkonomi-
ſche Verfaſſung von Großbrittanien ſehr wohl anzuwenden
iſt , gerecht , feſt , harmoniſch und unendlich auf einander
reagiren .
Ich ſage nicht : vorausgeſetzt , daß dieſe Geldzeichen
gleichfoͤrmig unter alle oͤkonomiſche Functionen vertheilt ſind ,
obgleich dieſer Ausdruck dasſelbe ſagt , ſo bald eine gewiſſe in-
nere Nothwendigkeit da iſt , daß die Gleichfoͤrmigkeit der Ver-
theilung dauerhaft ſey . Die Anzahl der Geldzeichen iſt gleich-
guͤltig , wenn die Stelle , die Hand , in der ſich das Geld-
zeichen befindet , ſolche Gewalt uͤber dasſelbe hat , daß , wie
die eine Hemisphaͤre des Staats gegen die andere , und jede
oͤkonomiſche Function gegen eine entgegen geſetzte reagirt , ſo
auch die eine Haͤlfte der Geldzeichen gegen die andere vollſtaͤn-
dig reagirt . Dieß kann nur der Fall ſeyn , wenn der Staat
uͤbrigens ein gruͤndliches Gleichgewicht ſeiner Oekonomie ſchon
erlangt hat ; die Circulation ſetzt ein vollſtaͤndiges und gerechtes
Syſtem von Circulationscanaͤlen voraus .
Die Anzahl iſt nicht gleichguͤltig , ſo bald der Doppel-
charakter , die Doppelfunction desſelben Geldzeichens mangelt ,
die ich in den Noten der Bank von England nachgewieſen
habe . Die geſammten Geldzeichen muͤſſen durch die Einrich-
tung der Nationalwirthſchaft gezwungen ſeyn , ſich unter ein-
ander in ſo vollſtaͤndige Oppoſition zu ſetzen , daß ſie ein-
ander arithmetiſch aufheben , und das arithmethiſche Reſul-
tat = o geben .
Fuͤhren die Geldzeichen nicht unter einander dieſen unend-
lichen Krieg , den die Natur dadurch angedeutet hat , daß ſie
jedem Staate , urſpruͤnglich zwey entgegen geſetzte Geldfor-
men , das Metallgeld und das Creditgeld gegeben , ſo entſtehen
jene Haͤufungen des Bluts an einzelnen Theilen des Koͤrpers ,
die von den ſchrecklichſten Folgen ſind : nun wird die Zahl fuͤr
den Staatsmann ſehr wichtig , nun erſt wird die arithmeti-
ſche Verminderung , der Aderlaß nothwendig , der aber ſo
lange eine bloße Palliative bleibt als der Organiſche , der
Conſtitutionsfehler der die einſeitige Bluthaͤufung veranlaßt ,
nicht ſelbſt durch Mittel gehoben wird , die ganz außerhalb
dem Gebiete der Zahl und der Berechnung liegen .
Iſt hingegen die geſammte Organiſation geſund ; iſt das
Syſtem von unendlichen Oppoſitionen , welches wir am
Staatskoͤrper ſowohl als am menſchlichen Koͤrper Organiſa-
tion nennen , im Gleichgewicht ; ſind , wie ich mich ausdruͤcke ,
die geometriſchen Verhaͤltniſſe der Oekonomie in gehoͤriger
ſphaͤriſcher Ordnung , dann kommt die Groͤße gar nicht in
Betracht : wohl bemerkt , in wie fern bloß von dem Innern
des menſchlichen Koͤrpers oder des Staatskoͤrpers die Rede iſt .
Wie groß die Kraft auch im Ganzen ſey , ſo muß doch jede
einzelne Function der beſonderen Kraft in dem gerechten
Verhaͤltniß zum Ganzen ſtehen , alſo genuͤgend groß ſeyn .
Die Anzahl der Geldzeichen iſt dann immer ein ſicherer
Werthmaaßſtab ; vorausgeſetzt , daß das einzelne Geld-
zeichen nur ſich ſelbſt gleich ſey , oder der in dem Werth-
maaßſtab enthaltene oͤkonomiſche Groͤßenmaaßſtab zuverlaͤ-
ßig ſey .
Nun aber iſt weder der menſchliche Koͤrper , noch der
Staatskoͤrper zu iſoliren , oder auf ſich ſelbſt zu beſchraͤnken :
der Staatskoͤrper erlangt nur vermittelſt unendlicher Beruͤh-
rungen mit der Außenwelt , mit allen anderen Staaten die
oben beſchriebene Fuͤlle der inneren Organiſation , und behaup-
tet ſich in dieſer Fuͤlle nur vermittelſt jener Beruͤhrungen .
Geſetzt auch , die Natur haͤtte den Staat mit dieſem Gleich-
gewichte der Kraͤfte urſpruͤnglich erſchaffen , wie den einzelnen
Menſchen — und daß dieſes wirklich der Fall iſt , habe ich
gezeigt — ſo helfen die Kraͤfte , und dieſes Gleichgewicht der
Kraͤfte nichts , wenn ſie nicht zum Bewußtſeyn ihres Traͤgers
kommen , dadurch , daß er ſie fuͤhlen lernt , daß er ſie aner-
kennt , das heißt : zum Geſetz , zum Staatsgeſetze erhebt ;
und wie moͤchte er ſie fuͤhlen lernen , außer in der Beruͤhrung ,
wie moͤchte er ſie erkennen lernen , außer in dem Spiegel an-
derer Staaten ?
Dasſelbige Oppoſitionsverhaͤltniß demnach , welches wir
im Innern des Staates bemerkt und beſchrieben haben , muß
ſich alſo auch wieder in allen ſeinen aͤußeren Verhaͤltniſſen
einſtellen . Oekonomiſch ausgedruͤckt : alle oͤkonomiſchen Func-
tionen des Weltverkehrs muͤſſen denſelbigen Oppoſitions-
charakter annehmen , der die innere Haushaltung des Staates
angeordnet , ſyſtematiſirt hat ; und wie im einzelnen Staate
die Groͤßen der einzelnen Kraͤfte ſo lange ſehr wichtig bleiben ,
als der Staat ſich noch zu dem Gleichgewichte der inneren
Kraͤfte aus dem Chaos empor arbeitet , und ſelbiges noch nicht
erreicht hat , wie da nur vermittelſt der Groͤßen die Gerechtig-
keit der geometriſchen Verhaͤltniſſe , vermittelſt der Ausglei-
chung der Radien die Kugel zu erreichen iſt , — ſo bleibt im
aͤußeren Staatenverkehr die Geſammtgroͤße der oͤkonomiſchen
Macht des einzelnen Staates , das heißt : die Groͤße ſeines
Werthmaaßſtabes von erheblichſter Bedeutung , bevor der Staa-
tenbund ſelbſt errichtet und ſphaͤriſch vollendet iſt . Da dieſes
aber eine unendliche Aufgabe iſt , ſo wird die Groͤße des Werth-
maaßſtabes eines beſonderen Staates , und mit ihr aller an-
dern Groͤßen im Umfange des beſondern Staates nie gleichguͤl-
tig ſeyn .
Das unendliche Beduͤrfniß der Vereinigung beherrſcht die
großen Verhaͤltniſſe unter den Staaten eben ſowohl , als alle
kleineren Verhaͤltniſſe innerhalb des einzelnen Staates : es zeigt
ſich dort in der Welthaushaltung dasſelbe nur in unendlicher
Oppoſition zu befriedigende Streben nach einem Mittelpuncte ,
oder , wie wir dieſes Streben in der Beſchreibung der Staats-
haushaltung genannt haben , nach dem eigentlichen Gelde . Das
Weltgeld nun , ſo gut als das Nationalgeld , zerfaͤllt wieder-
um in zwey einander ewig bedingende Geldformen , in Credit-
geld und Sach- ( oder Metall- ) Geld .
Die Hauptſchwierigkeit , welche die bisherigen ſtaatswirth-
ſchaftlichen Theorien in den Materien des Wechſelcurſes und
des Weltwerthſtandard , der ſich in dem Curſe und in den Gold-
und Silberpreiſen offenbaren ſollte , fanden — lag vornaͤhmlich
darin , daß man uͤberhaupt nur von Einer Form des Weltgeldes
naͤhmlich der ſaͤchlichen , der metalliſchen wiſſen wollte ; ich
habe das Pari des Wechſelcurſes ſelten anders definiren hoͤren ,
als daß es die Aequivalenz des Gold- und Silbergehaltes
und Gewichts in den metalliſchen Circulationen zweyer ver-
ſchiedener Laͤnder ſey ; und doch haͤtte das Gewicht , welches
in Welthandel auf die gemuͤnzten Metalle im Verhaͤltniß zu
den Barren gelegt wird , ſchon darauf hindeuten ſollen , daß
die Creditverhaͤltniſſe — man verſteht mich , wenn ich ſage
die perſoͤnlichen Verhaͤltniſſe — der Staaten unter einander
auf die Feſtſetzung dieſes Pari eben ſo gut Einfluß haben , als
die ſaͤchlichen metalliſchen .
In jeder Periode des Welthandels pflegt ſich in dem Mit-
telpuncte der dieſen Handel dirigirenden Staaten , und zwar
geographiſch in ihrer Mitte , eine Handelsſtadt , eine Bank zu
erheben , auf welche die geſammten Geldverhaͤltniſſe der umlie-
genden Staaten vorzugsweiſe bezogen werden . In fruͤheren
Zeiten waren Venedig und Genua ſolche Schwerpuncte des
Voͤlkerverkehrs ; in den beyden letzten Jahrhunderten waren
die Niederlaͤndiſchen und Deutſchen Kuͤſten der Nordſee , und
zumahl Amſterdam und Hamburg die dazu beſonders geeigne-
ten Stellen von Europa : auch Augsburg hatte vermoͤge ſeiner
geographiſchen Lage einen aͤhnlichen Beruf . In den neueſten
Zeiten hat Hamburg dieſe große Beſtimmung zum Vortheil
aller Nationen in bis daher unbekannter Vollkommenheit er-
fuͤllt . Offenbar aber zerfiel das Geſchaͤft von Hamburg in
zwey durchaus verſchiedene Functionen ; einerſeits vermittelte
es den Credit , andererſeits den Metallgeldverkehr der umlie-
genden Staaten . Die Wichtigkeit ſowohl des Hamburger
Wechſels , als des noch beſonders zu unterſcheidenden Bank-
geldes von Hamburg fuͤr alle Nordiſchen , ja fuͤr alle Han-
delsſtaaten , Großbrittanien nicht ausgenommen , iſt allge-
mein anerkannt und empfundem empfunden worden ; und der gewaltige
Einfluß der bloßen centralen Lage Hamburgs , ohne alle Be-
gleitung von aͤußerer politiſchen Maſſenkraft , iſt der beſte
Beweis fuͤr das Daſeyn jenes centripetalen Strebens in allen
ſtaatswirthſchaftlichen Angelegenheiten , deſſen gruͤndliche Be-
trachtung von der Wiſſenſchaft allzu lange verſaͤumt worden
iſt . — Man kann ſagen , daß , wenn es auch keine Sonne
gaͤbe , ſo muͤſſe ſich bloß durch die Beziehungen der Planeten
unter einander , da , wo jetzt die Sonne iſt , ein centraler
Weltkoͤrper bilden . Eben ſo mußte aus den Verhaͤltniſſen
Englands , Frankreichs , Rußlands , Deutſchlands ꝛc. die
commerzielle Macht Hamburgs hervor gehen .
Nichts aber kann der , unſerer gegenwaͤrtigen Darſtellung
zum Grunde gelegten Lehre von den Wechſel- oder Geſchlechts-
verhaͤltniſſen aller politiſchen Kraͤfte guͤnſtiger ſeyn , als der
Umſtand , daß in dem neueren Europa ſolche Centralpuncte
des Geſammtverkehres , wenn man auf politiſche und mili-
taͤriſche Maſſenkraft ſieht , in einer gewiſſen aͤußeren Ohn-
macht und Huͤlfloſigkeit erſchienen . Alle dieſe großmaͤchtigen
politiſchen Weltkoͤrper bewegen ſich um ein anſcheinend
ſchwaches , um ein gleichſam weibliches , welches bloß durch
ſeine Art , durch ſein Geſchlecht , durch ſeine Stellung , durch
ſein Verhaͤltniß und nicht durch ſeine Groͤße , die Wirkſamkeit
aller jener gewaltigen Maͤchte empfindlich beſchraͤnkt . Wie
viel hat die Hamburger Courszahl ausgerichtet , welche Un-
ternehmungen gehemmt , wie oft iſt ſie Richtſchnur der ge-
ſammten Finanzadminiſtration maͤchtiger Staaten geweſen ?
und doch deutet dieſe Zahl keineswegs große Waarenmaſſen ,
ſondern nur Verhaͤltniſſe an . Es iſt dieſes eine Erfahrung ,
die man im Kleinen auf der Boͤrſe jedes Landes macht : die
Zahl , welche der Courstag ergibt , leitet gleichfalls ihren ge-
bietheriſchen Einfluß keineswegs von der Maſſe der Geſchaͤfte
her ; vielmehr einige wenige Geſchaͤfte koͤnnen bloß dadurch ,
daß ſie an dieſer Centralſtelle allen Verkehrs gemacht werden ,
das Schickſal der geſammten Finanzen und unzaͤhliger anderer
viel groͤßeren Geſchaͤfte , bloß deßhalb , weil dieſe Letzteren
nicht im Mittelpuncte gemacht werden , beſtimmen .
Dieſes große , und in ſo vielen Faͤllen furchtbare Geheim-
niß des Centrums der Staatswirthſchaft , hat ſchon manchen
Staatswirth , der mit den gewoͤhnlichen oͤkonomiſchen Maſſen
wohl zu handthieren wußte , zur Verzweiflung gebracht . Mit
keinem Vorrathe von Produkten , von edeln Metallen , oder
andern beruͤhmten Werthen iſt dagegen etwas Gruͤndliches
auszurichten . Das ganze Geheimniß aber liegt nur darin ,
daß man auf die unſichtbaren Beduͤrfniſſe und Guͤter des
Menſchen keine Ruͤckſicht nimmt . Man ahndet wohl eine Ge-
walt der oͤffentlichen Meinung , aber man ſieht nicht die in
dieſer ſo genannten Meinung eingewickelte große Gewißheit
und Unwiderſprechlichkeit des accumulirten Credits , hoͤrt nicht
das in dieſem ſcheinbar oberflaͤchlichen zuſammen geſchwatzten
Weſen verborgene unwiderlegliche Orakel . So , im Mittel-
puncte aller Europaͤiſchen Macht , „ ein Knecht der Knechte ”
ſtand einſt die geiſtliche Herrſchaft , und aller irrdiſche Credit ,
durch natuͤrliche Verwandtſchaft , gruppirte ſich darum her :
und die geiſtliche Herrſchaft mußte es empfinden , als der mer-
kantiliſche Credit ſich von ihr losriß , und ſein Centrum von
den Kuͤſten des Mittellaͤndiſchen Meeres an die Kuͤſten der
Nordſee hinuͤber getragen wurde . Hier , in ſeinem neuen
Wohnſitz mußte der irrdiſche Credit nothwendig ein religioͤſes
Centrum zu errichten ſtreben : von dem Gelingen dieſes Stre-
bens hing ſeine eigene Dauer ab , und jetzt wiſſen wir , daß
es nicht gelungen iſt .
Dieſe Verwandtſchaft , oder ohne Umſtaͤnde , dieſe Unzer-
trennlichkeit , dieſe Identitaͤt des goͤttlichen und irrdiſchen Cre-
dits , welche ſehr wohl empfunden wurde damahls , als
noch Markt und Kirche die Menſchen gleichzeitig , und wie zu
einem und demſelben Zwecke zu verſammeln pflegte , gilt ge-
genwaͤrtig fuͤr eine myſtiſche Paradoxie einzelner Schwaͤrmer :
daher die unendliche Reihe von Abſurditaͤten , die uͤber Voͤl-
kerrecht , Weltmarkt und Welthandel in dem letzt verfloſſenen
merkantiliſchen und cosmopolitiſchen Jahrhundert vorgetragen
worden ſind ; und ſo kann man ſagen , daß die Welt aus
Furcht vor dem Dunkel und dem Geheimniß — in das aller-
dickſte Dunkel verfallen iſt .
Wohlan alſo : Im Verkehr der Voͤlker gilt es , eben ſo
wie im inneren Staatsverkehr , die goͤttlichen Beduͤrfniſſe um
nichts weniger als die irrdiſchen : ſie ſtreben nach einem Mit-
telpuncte , in welchem alle unſichtbare ſowohl als ſichtbare ,
alle perſoͤnliche ſowohl als alle ſaͤchliche Kraft zuſammen tref-
fen muß , und den wir eben ſowohl Weltcredit , als vollſtaͤn-
dig Deutſch , Weltglaube nennen koͤnnen . Die hoͤchſte ſaͤchliche
Kraft , naͤhmlich die des edeln Metalls , und die hoͤchſte per-
ſoͤnliche , naͤhmlich die des Wortes , welche beyde durch ihre
Wechſelwirkung der geſammten inneren Staatsorganiſation
Geſetz und Regel hergeben , treten in der Welthaushaltung
noch reiner und noch gebietheriſcher ans Licht . Da nun die
ſaͤchliche Hemisphaͤre des politiſchen Lebens in den letztver-
floſſenen Jahrhunderten allein anerkannt worden iſt , und die
verkannte perſoͤnliche Haͤlfte der Welt ihr Daſeyn in dieſem
Zeitraume nur durch ungeheure Erſchuͤtterungen und Stoͤrun-
gen jenes mechaniſchen Weſens zu erkennen geben konnte ; ſo
mußten die allein vergoͤtterten Metalle , gegen die keine Huͤlfe
war , als in den perſoͤnlichen Verhaͤltniſſen , und die nur durch
die ganz entgegengeſetzte Gewalt des Glaubens , den man
verſchmaͤhte , in ihren Schranken erhalten werden konnten ,
eine tyranniſche Bothmaͤßigkeit auch uͤber alle hoͤheren Inter-
eſſen der Menſchheit ausuͤben . Daher die gefuͤrchtete Gewalt
eines ſo unſicheren , ſchwankenden , launiſchen Regenten , als
des Marktpreiſes der edeln Metalle uͤber die Circulation , den
Handel , den Verkehr , die Finanzen aller Europaͤiſchen
Voͤlker .
Theoret. Theil T
Der Werthmaaßſtab der Welthaushaltung waͤre alſo im
natuͤrlichen Zuſtande der Dinge eben ſowohl , als der nationale
Werthmaaßſtab aus einem metalliſchen Elemente , und einem
Credit-Elemente zuſammen geſetzt : er muͤßte eben ſowohl die
Richtung aller voͤlkeroͤkonomiſchen Werthe nach dem Mittel-
punct der Welthaushaltung , als die metalliſche Groͤße dieſer
Werthe meſſen . So lange noch Hamburg ſtand , druͤckte der
dort notirte Cours zu allen Haupthandelsplaͤtzen der Welt
auch wirklich vielmehr , als das bloße Verhaͤltniß der reſpectiven
metalliſchen Circulationen zu dem fixirten Bankgelde aus , ob-
wohl das hoͤhere Glaubensband der Voͤlker mangelte , und
alſo der Cours und alle uͤbrigen Anzeichen vom Stande des
Voͤlkerverkehrs , worauf bloß merkantiliſche und weltliche
Ereigniſſe influiren konnten , dem Zufalle preis gegeben
blieben .
Wenn nun im Laufe der letzten zwanzig Jahre eine Euro-
paͤiſche Macht den Schwerpunct des Welthandels , und alſo
des aͤußeren Voͤlkerverkehrs auf ihr Gebiet heruͤber gezogen
haͤtte , und dieſe Macht zugleich in der oben beſchriebenen Art
ihre Creditverfaſſung ſo ausgebildet , ihre Perſoͤnlichkeit ſo
erhoben haͤtte , daß ihre Geſetzgebung , ihre Moral eins ge-
worden waͤre mit ihrer merkantiliſchen Verfaſſung , daß dort
dasjenige , was in dem gemeinen Weltverkehr Credit heißt ,
ſich von dem weltumfaſſenden Weſen , welches in Deutſchland
Glauben heißt , kaum mehr unterſcheiden ließe , ſo wuͤrde ein
Kanon aller Haushaltung , ſowohl der Welt- als der Natio-
naloͤkonomie vorhanden ſeyn , und der Welthandel von daher
vielmehr ſein Geſetz empfangen . Wenn man nun den augen-
blicklichen hohen Goldpreis , oder den dermahligen unguͤnſtigen
Wechſelcours fuͤr ein Kennzeichen des Verfalls der Werthe in
ſolchem Lande halten wollte , ſo wuͤrde man damit nichts
anderes behaupten , als daß der unvollſtaͤndige Werthmaaß-
ſtab , der bloße Groͤßenmaaßſtab des zerriſſenen , und ſeiner
religioͤſen Garantie beraubten , alſo ganz zufaͤlligen Welt-
marktes uͤber den Werthmaaßſtab einer vollſtaͤndigen , durch
und durch lebendigen und regelmaͤßigen Haushaltung entſchei-
den muͤßte , welches unmoͤglich iſt .
Nach allem dieſen iſt nunmehr das Weſen des Werthmaaß-
ſtabes klar ; nicht gerade klar fuͤr die rohe greifende Hand ,
aber fuͤr das Gemuͤth des vollſtaͤndigen Buͤrgers , Menſchen
und Staatsmanns . Die erſte Frage bey aller Werthbeſtimmung
iſt , in welchem Verhaͤltniß ſtehen Metall- und Creditgeld un-
ſeres Landes , und mit ihnen alle perſoͤnlichen und ſaͤchlichen
Verhaͤltniſſe : ſind dieſe im Gleichgewichte , im ſphaͤriſchen
Gleichgewichte , dann kann ſchon keine bedeutende Dispropor-
tion der Werthe Statt finden . Nun erſt kommt um des aus-
waͤrtigen Verkehrs Willen die andere Frage in Anregung :
Welches iſt die Groͤße der in Metall oder in Credit ausge-
druͤckten Einheit , womit die Groͤßen der Werthe gemeſſen wer-
den ? und in welcher Menge ſind die , ſolche Einheit aus-
druͤckenden Geldzeichen vorhanden ? — daß die aus den letzte-
ren Fragen ſich ergebenden aͤußeren Zahlenverhaͤltniſſe , nur
fuͤr den einen Werth haben , der ſie durch eine lebendige An-
ſchauung vom ganzen Staate , und durch eine bewegliche
Ruͤckſicht auf die inneren ſphaͤriſchen oder geometriſchen
T 2
Verhaͤltniſſe der geſammten Nationalhaushaltung zu ergaͤnzen
weiß , glaube ich uͤber allen Zweifel erhoben zu haben .
Der ganze vollſtaͤndige , von public spirit erfuͤllte , ſei-
nem Vaterlande hingegebene Menſch , im Gegenſatz des egoi-
ſtiſchen Arbeiters bey Adam Smith , iſt alſo der einzige ge-
nuͤgende Maaßſtab des Werthes aller Guͤter im Umkreiſe die-
ſes Vaterlandes : und wenn die oͤffentliche Meinung , ich
moͤchte ſagen , das innerſte Fleiſch der Realitaͤt des politiſchen
Lebens ergriffen hat , wie meiner obigen Beſchreibung nach
die Banknote das Weſen des Geldes , und wie die Sachen
uͤberhaupt von der Perſoͤnlichkeit ergriffen werden ſollen ,
dann ſind Wechſelcours , Marktpreis des Goldes , und alle
gemeinen Werthmeſſer des Marktes ungenuͤgend und unbe-
ſtimmt neben ihr .
Die Dauerhaftigkeit und Feſtigkeit der edeln Metalle iſt
bloßer Trug und Schein , wenn ſie nicht von ſolcher oͤffent-
licher Meinung , oder von ſolchem Nationalglauben erſt recht
befeſtigt und verewigt ſind . Iſt aber dieſes der gluͤckliche Fall ,
dann iſt die momentane Abweſenheit der Materie der edeln
Metalle auch nichts weiter als ein Beweis ihrer Entbehr-
lichkeit , und dann iſt das Problem ihrer Herbeyſchaffung
fuͤr die augenblickliche Erleichterung auswaͤrtiger Unterneh-
mungen , auch nur eine Aufgabe fuͤr die gemeine und mecha-
niſche Politik .
Neuntes Kapitel .
Vom Ueberfluß und vom Mangel des Geldes .
S eitdem die Europaͤiſchen Staaten wider ihren Willen mit
Papier-Circulationen uͤberſchwemmt worden ſind , hat man an
ſehr vielen Stellen die Klage uͤber die unverhaͤltnißmaͤßige
Menge an Geldzeichen gehoͤrt , und da dieſer Ueberfluß dem
gemeinſten Verſtande ſehr nahe zuſammen zu haͤngen ſchien
mit der Depreciation der Geldzeichen , ſo war es wohl ſehr
natuͤrlich , daß man alles Heil in die Verminderung derſelben
geſetzt hat . Wir haben indeß ſchon in dem vorſtehenden Kapi-
tel einigen Verdacht gegen alle die Schluͤſſe erregt , die man
aus der arithmetiſchen Summe dieſer Geldzeichen in einem
gegebenen Staate , ſehr voreilig zu ziehen fuͤr gut findet . Wir
haben ferner bereits fruͤher der ſonderbaren Erſcheinung er-
waͤhnt , die in neueren Zeiten an ſehr vielen Orten den Ueber-
fluß der Geldzeichen begleitet hat , naͤhmlich des empfind-
lichſten Geldmangels , ſo daß alſo das auf der einen
Seite durch den Ueberfluß depreciirte und ungebuͤhrlich wohl-
feil gewordene Geld , auf der anderen Seite wieder theurer
war , als je .
Es iſt dieſes eine alte nur etwas vergeſſene Bemerkung ,
die ſich im gemeinen Leben und bey Erwaͤgung der oͤkonomi-
ſchen Angelegcnheiten Angelegenheiten des Privatmannes , in manche ſehr be-
kannte Formeln eingekleidet hat : je mehr der Menſch hat , je
mehr will er haben , je mehr braucht er , je mehr fehlt ihm ,
oder : wer mit kleinen Summen hauszuhalten nicht verſteht ,
der wird es mit großen Summen noch viel weniger vermoͤ-
gen ; oder , im Gebiet des wiſſenſchaftlichen Lebens : je mehr
ich weiß , um ſo beſtimmter erfahre ich , daß ich wenig weiß
u. ſ. f. — Es waͤre alſo nach dieſer ſehr natuͤrlichen Analo-
gie ſehr wahrſcheinlich , daß die großen Geldmaſſen in der
Staatshaushaltung nur dazu dienten , die Maͤngel dieſer
Staatshaushaltung noch viel fuͤhlbarer , und die inneren Miß-
verhaͤltniſſe augenſcheinlicher zu machen .
Wenn zum Beyſpiel ein Theil der Nation ſo geſtellt waͤre ,
daß ihm der Erwerb des Geldes beſonders leicht , ein anderer
Theil wieder , daß ihm dieſer Erwerb beſonders ſchwer fiele ;
wenn der Naͤhrſtand auf den beſonderen Erwerb gerichtet ,
alſo beſtaͤndiger Meiſter des Geldes , der Wehr- und Lehrſtand
hingegen auf die Sorge des Ganzen gerichtet , und dabey
abhaͤngig vom Gelde waͤre , ſo koͤnnten die vermehrten Maſſen
des Geldes dieſen organiſchen Fehler des Staates nur noch
um vieles empfindlicher und gefaͤhrlicher machen . Es wuͤrde
alſo , wie ſich auch wirklich zeigt , das widerſprechende Ge-
ſchrey uͤber Mangel und Ueberfluß des Geldes zugleich ver-
nommen werden ; und ſo koͤnnten wir auch aus eben dieſer wi-
derſprechen Klage ſchließen , daß ein organiſcher Fehler vorhan-
den ſey , dem durch eine bloße Vermehrung des mangelnden ,
oder durch eine bloße Verminderung des Ueberfließenden nicht
abgeholfen werden koͤnne .
Es kann Gefahr beym Verzuge ſeyn , eine Verminderung ,
eine Reduction nothwendig , nachdem eine ploͤtzliche und will-
kuͤhrliche Vermehrung vorgenommen : aber der wahre Arzt
weiß , daß dieſe Aderlaͤße mit der eigentlichen Cur , welche
die innerliche Organiſation ergreifen muß , nichts zu thun
haben .
Wo zu viel Geldzeichen vorhanden ſind , da ſind auch
ſicherlich zu gleicher Zeit wieder zu wenig , eben ſo , wie , wo
zu viel Blut auch wieder Mangel des Bluts : das zu Viel
und zu Wenig deutet auf Haͤufungen in einzelnen Organen ,
und auf Stockungen in Andern . Obgleich nun ploͤtzliche und
willkuͤhrliche Creationen ſolcher Geldzeichen , diejenigen Ge-
werbe , Staͤnde und Organe , welche mit der Geldwirthſchaft
unmittelbar zu thun haben , zu uͤberhaͤufen , die andern hin-
gegen , welche nur mittelbar auf den Erwerb des Geldes ge-
ſtellt ſind , in relativen Mangel zu verſetzen ſtreben , und
demnach beyderley Organe in ihrer Einſeitigkeit und Kraͤnk-
lichkeit zu beſtaͤrken dienen , ſo darf man dennoch nie hoffen ,
durch die bloße Einziehung der Geldzeichen dieſe organiſchen
Fehler wieder zu heben : das verwoͤhnte und von der Har-
monie des Ganzen abtruͤnnige Organ wird ſich , ſo lange der
Arzt nicht in die inneren Verhaͤltniſſe eingreift , ſo lange er
nicht Art und Richtung dieſer ſchaͤdlichen Function zu
verbeſſern weiß , im Ueberfluß zu erhalten wiſſen .
Geſetzt ein Papier habe fuͤr eine Zeitlang das Metall wirk-
lich repraͤſentirt und ergaͤnzt , darauf ſey es durch unnatuͤrliche
Creationen ſo vermehrt worden , daß derjenige Theil der Nation ,
welcher unmittelbar mit dem Gelde hantirt , der dabey
alle Vortheile des Augenblicks benutzen kann , der alſo fuͤr
den Wucher , im weiteſten Sinne des Worts beſonders geeig-
net iſt , uͤbermaͤßig beguͤnſtigt waͤre , waͤhrend der andere
Theil der Geſellſchaft , der mit dem Grundeigenthum oder
mit dem Staate ſelbſt , als Civil- oder Militaͤrbeamter , wirth-
ſchaftet , alle dieſe Vortheile entbehren muß ; geſetzt in Folge
dieſer unnatuͤrlichen Beguͤnſtigung habe alſo das Geld ein-
mahl eine beſtimmte Richtung nach der Seite des Wuchers
hin erhalten , ſo moͤgen wir die Maſſe des Papiers vermin-
dern wie wir wollen , das beguͤnſtigte Organ oder der Wucher
wird das Vacuum unmittelbar zu erfuͤllen wiſſen ; denn wir
haben dieſes Organ nicht bloß mit Blut uͤberfuͤllt , ſondern
wir haben es auch , da das Geld einmahl in der Wechſelwir-
kung zwiſchen dem Einzelnen und dem Ganzen erzeugt wird ,
zur Bluterzeugung beſonders faͤhig gemacht ; oder wir moͤgen
die Maſſe des baaren Geldes vermehren , wie wir wollen , ſo
wird es gleichſam magnetiſch dorthin gezogen werden , wo
einmahl die groͤßte Geldkraft etablirt iſt ; das Mißverhaͤltniß
wird nur groͤßer werden durch alle dieſe mechaniſchen Opera-
tionen , alle anderen Organe werden mit dem beguͤnſtigten
Organe nun erſt recht in Kriegszuſtand gerathen : alle ander-
weiten Lebensſaͤfte werden relativ mangeln ; ein Gefuͤhl der
Unzulaͤnglichkeit , des Entbehrens — und was iſt die Stei-
gerung aller Preiſe , die Theurung aller Beduͤrfniſſe und
Lebensmittel in der Staatswirthſchaft anders — wird den
ganzen Koͤrper ergreifen .
Wie nun die Klage uͤber die unverhaͤltnißmaͤßige Menge
der Geldzeichen immer andeutet , daß auch wieder ein Man-
gel an dieſen Geldzeichen Statt findet , was ſich ſchon in dem
hohen Diskont der Wechſel aͤußert , welcher jenen Ueberfluß
allezeit zu begleiten pflegt — ſo iſt andererſeits die Klage
uͤber die unverhaͤltnißmaͤßige Theurung der Produkte und Lebens-
beduͤrfniſſe , ein Zeichen des relativen Ueberfluſſes derſelben :
waͤren Geld und Produkte gleichfoͤrmig und verhaͤltnißmaͤßig
vertheilt nach Maaßgabe des Beduͤrfniſſes , ſo wuͤrden beyder-
ley Klagen nicht Statt finden : die verhaͤltnißmaͤßige Ver-
theilung aber kann nur dauerhaft Statt finden , in wie fern
alle Kraͤfte , die arbeitenden wie die beduͤrfenden ſphaͤriſch
und harmoniſch geordnet ſind , das heißt : in wie fern alles
Einzelne in gerechter Beziehung auf das Ganze oder auf den
Mittelpunct ſteht .
Wenn nun ein und derſelbige Staatsbuͤrger mit einem
Athemzuge klagt : 1 ) uͤber den Ueberfluß des Geldes , 2 ) uͤber
den Geldmangel , 3 ) uͤber die Theurung der Produkte ,
4 ) uͤber den Vorrath der Produkte und die Ueberfuͤllung des
Marktes mit Waaren — ſo leuchtet ein , daß in den Groͤßen ,
in den Summen und Maſſen an ſich der Fehler nicht liegen
koͤnne , daß es einen tieferen Grund des Uebels geben , daß
nicht in den Sachen ſondern in den Perſonen , nicht in der
circulirenden Materie der Waaren oder des Geldes , ſondern
in dem Organismus des Traͤgers dieſer Materie , dem Grunde
der ungluͤcklichen Erſcheinung nachgeſpuͤrt werden muͤſſe . So
lange man ausſchließend das arithmetiſche Verhaͤltniß der
Waaren und Geldzeichen ins Auge faßt , und die Perſoͤnlichkeit
derer , die ſich zwiſchen dieſen Verhaͤltniſſen mit Leichtigkeit
bewegen ſollen , derer , um derentwillen dieſe Verhaͤltniſſe
uͤberhaupt angeordnet werden ſollen , das heißt : derer ,
welche die oben bezeichneten vier widerſprechenden Klagen
fuͤhren , vernachlaͤßigt , ſo lange iſt an keine Huͤlfe zu
denken .
Was iſt aber die Perſoͤnlichkeit dieſer Traͤger der ſaͤch-
lichen Verhaͤltniſſe ? was iſt das eigentlich Perſoͤnliche und
Wirkliche in aller Perſon ? — Nichts anders als die Bezie-
hung dieſer Perſoͤnlichkeit auf die Perſon Inſonderheit ,
das heißt : auf den Staat . Neben den Sachen auf die Per-
ſoͤnlichkeit Ruͤckſicht nehmen , heißt alſo , neben den Einzeln-
heiten der Dinge , die ſich Addiren , Subtrahiren , Summen-
weis , Maſſenweis anſchauen laſſen , auf die Verhaͤltniſſe ,
auf die geometriſchen ſphaͤriſchen Verhaͤltniſſe zum Ganzen ,
auf die Lebensrichtungen aller dieſer Dinge nach dem Mittel-
puncte des Lebens hin Ruͤckſicht nehmen ; und dieſes iſt die
große und doch ſo natuͤrliche Kunſt , welche unſere Theorie
nicht minder als unſere Praxis verlernt hat .
Es iſt die verderbliche Formel des abſoluten Privat-
eigenthums und Privatlebens , oder der Vereinze-
lung und der Verſaͤchlichung aller Dinge , aller Verhaͤlt-
niſſe , welche unſerer Rettung zunaͤchſt und an allen Stellen
im Wege ſteht .
Wir haben oben in der Darſtellung der Credit-Circulation
von Großbrittanien darauf aufmerkſam gemacht , daß die
Banknoten in ihrer Function als Creditgeld vollſtaͤndig rea-
giren gegen die andere Function , welche ſie als Repraͤſentanten
des Metallgeldes verrichten . Dieß iſt in jeder natuͤrlichen und
geordneten Circulation der Fall : auch abgeſehen von dem
Vorrathe der Waaren , ſetzt ſich im geſunden Zuſtande der
Haushaltung das Geld in ſich ſelbſt , bloß durch das Gleich-
gewicht der beyden Functionen die es verrichtet , oder der bey-
den Formen , unter denen es uͤberall , wie ich erwieſen , noth-
wendig erſcheint , ins Gleichgewicht : als Creditgeld ſtellt es
eine Kraft dar , welche der andern Kraft , die es als Metall-
geld darſtellt , vollſtaͤndig widerſtrebt .
Alle gedenkbaren Geldgeſchaͤfte reduciren ſich auf die zwey
Hauptformen : die erſte , da es fuͤr eine Sache hingegeben
wird , die andere , da man eine perſoͤnliche Verpflichtung da-
fuͤr empfaͤngt ; die erſte nennen wir die ſaͤchliche , die zweyte
die Credit-Function des Geldes . Da nun das Geld ſelbſt in
einer von den beyden Formen erſcheinen muß , naͤhmlich als
Sachgeld , oder als Creditgeld , ſo entſtehen vier Hauptclaſ-
ſen der Geldgeſchaͤfte , 1. der gemeine Kauf , daß Sachgeld
fuͤr eine Sache hingegeben wird , 2. der Kauf mit Credit , da
Creditgeld fuͤr Sachen hingegeben wird , 3. die gemeine An-
leihe und dergleichen , da Sachgeld fuͤr eine perſoͤnliche Ver-
pflichtung hingegeben wird , 4. die Anleihe und dergleichen
mit Credit , da Creditgeld fuͤr eine perſoͤnliche Verpflichtung
hingegeben wird , zu welcher letzteren Gattung eigentlich das
ganze Geſchaͤft der Bank von England gehoͤrt .
In den bisherigen ſtaatswirthſchaftlichen Theorien wird
entweder das geſammte Schuldenweſen oder Creditgeſchaͤft ,
als eine Anomalie von dem ordentlichen Gange der Oekonomie
betrachtet , und vielmehr als nothwendiges Uebel , denn als
weſentliches Glied aller Haushaltung behandelt , oder man
ſtatuirt doch nur ſolche perſoͤnliche Verpflichtungen , die auf
beſtimmte Sachen , Unterpfaͤnder , Hypotheken u. ſ. f. baſirt
ſind . Da nun der ganze Geſichtspunct dieſer Theorie von dem
Begriffe des abſoluten Privateigenthums verruͤckt iſt ; da die
Theorie des Geldes ſo wenig verſtanden wird , daß man eigent-
lich nur mit dem ſogenannten innerlichen Werth ( intrinsical
value ) des Geldes , mit dem Werth des Geldes als Waare ,
als Privat-Aequivalent zu thun hat ; da man nicht einſteht ,
daß das Streben nach dem Gelde nichts anderes iſt , als das
Streben , ſein Privateigenthum zum Staatseigenthum zu er-
heben , oder durch die ganze buͤrgerliche Geſellſchaft und ihre
vereinigte Kraft zu garantiren — ſo ſtellt man die erſte
unter den hergezaͤhlten Claſſen der Geldgeſchaͤfte als die
Regel auf , und alle anderen im Grunde nur als Anomalien
von dem gemeinen Kauf , und dreht ſich mit dieſem ganzen
vorgeblichen Syſteme um die Theorie des Preiſes und des
Marktes .
Darin aber lag auch die große Schwierigkeit , welche man
bis jetzt uͤberall in Erklaͤrung des Geldumlaufes gefunden hat ,
daß man naͤhmlich den ſichtbaren Theil der Circulation ohne
den unſichtbaren , den ſaͤchlichen Theil ohne den perſoͤnlichen ,
das handgreifliche Geld ohne das Creditgeld , in dem Syſtem
ſeiner Bewegung anſchaulich machen wollte : man begann
dieſe allerdings verwickelte Unterſuchung mit demſelben Vor-
urtheil , wie alle ſtaatswirthſchaftlichen Unterſuchungen uͤber-
haupt ; naͤhmlich damit , daß der gemeine Kauf fuͤr baares
Geld die Regel unter den Geldgeſchaͤften , dagegen alle andere
Form und Anwendung des Geldes nur Ausnahme ſey .
Denken wir uns das Verhaͤltniß des Menſchen zur buͤrger-
lichen Geſellſchaft uͤberhaupt , wie des Kaufmanns zu der
Geſammtheit ſeiner Handelsfreunde , und laſſen wir den
Nebenmenſchen , wie den einzelnen Correspondenten des Kauf-
manns , einſtweilen aus der Betrachtung ; nennen wir den
geſammten Beſitz , und die Arbeit des Menſchen ſein Credit ,
und alles was er damit zu erreichen denkt , was er von der
buͤrgerlichen Geſellſchaft gewinnen will , ſein Debet : was er
begehrt und bedarf , kann nur die Geſellſchaft gewaͤhren , es
iſt alſo ihr Credit , wie andererſeits , was er beſitzt und ver-
mag , und womit er wieder ſeines Orts die Geſellſchaft un-
terſtuͤtzt , ihr Debet iſt . Der Staat ſelbſt iſt die große
Balanz des geſammten Credit und Debet ; er iſt zugleich
das große Ausgleichende und Balanzirende in dieſem Ver-
haͤltniſſe , und uͤbertraͤgt bey weiterer Entwickelung einen Theil
dieſer erhabenen Function dem Metallgelde . So lang nun der
Markt noch ohne Metallgeld beſtand , fiel es ganz deutlich in
die Augen , daß dieſe Ausgleichung nicht in jedem Moment
vollſtaͤndig abgeſchloſſen werden konnte : in unzaͤhligen einzel-
nen Faͤllen wurden Aequivalente gegen einander ausgetauſcht
oder balancirt , aber in eben ſo vielen andern Faͤllen verblieb
es auf beyden Seiten bey einem Credit . Wenn nun das
Metallgeld eingefuͤhrt iſt , ſo aͤndert ſich im Weſen des großen
Geſchaͤftes nichts , nur daß das Reſultat der einzelnen Aus-
gleichung noch beſtimmter in die Augen faͤllt : das Metallgeld ,
welches der Einzelne empfangen hat , und das Credit , welches
ihm verbleibt , ſind nunmehr bey der Abrechnung deutlicher zu
unterſcheiden .
Da er nun aber kein Bedenken tragen wird , bey einem
Ueberſchlage ſeines Vermoͤgens Credit und Caſſe in eine Rub-
rik zu ſetzen , und aus der Summe beyder ſeinen Activſtand
zu beurtheilen ; da alſo dieſes Credit nothwendig und an
allen Stellen das Metallgeld begleitet , ſo iſt es klar , daß
eine genuͤgende Theorie der Circulation ſo lange unmoͤglich
iſt , als das Metallgeld außer Begleitung und Wechſelwirkung
des Credits gedacht wird ; ferner , daß Metallgeld durch die
ſaͤchlichen Verhaͤltniſſe , die einer Auseinanderſetzung faͤhig
ſind , die centriſugale Kraft der Haushaltung repraͤſentirt ,
waͤhrend andererſeits das Creditgeld in allen ſeinen Formen ,
da es die geſammten neuangeknuͤpften und unabgemachten
perſoͤnlichen Verbindungen darſtellt , als centripetale Kraft
dem Metallgelde entgegen wirkt ; daß alſo endlich das Credit-
geld , in wie fern es nur ſeinen perſoͤnlichen Charakter be-
hauptet , und nicht als ein Surrogat des Metallgeldes be-
handelt wird , nothwendig mit dem Sachgelde im Gleich-
gewichte ſtehen muͤſſe . Im Großen und auf die Dauer
werden ſich allenthalben die Auseinanderſetzungsfaͤhigkeit
der Menſchen , und ihre Verknuͤpfungsfaͤhigkeit unter ein-
ander bedingen ; jemehr die Geſellſchaft ſich ſaͤchlich aus-
einander zu ſetzen vermoͤgen wird , um ſo innigere per-
ſoͤnliche Verbindungen wird ſie eingehen koͤnnen , um ſo ge-
wiſſer wird das Geld im zweyten Falle gerade um ſo viel
in den Mittelpunct der Geſellſchaft zuruͤck ſtreben , als es
im erſteren Falle aus der Geſellſchaft heraus zu treten ,
aufgeſpeichert zu werden , Sache , Waare zu werden ſtreben
wird .
Wenn eine Regierung die Maſſe der umlaufenden Geld-
zeichen ploͤtzlich , willkuͤhrlich und bedeutend vermehrt , ſo wird
nicht bloß die Auseinanderſetzungsfaͤhigkeit der einzelnen Haus-
haltungen erhoͤht , ſondern es entſtehen ganz in demſelben
Verhaͤltniſſe auch neue Verknuͤpfungen und Verpflichtungen
unter dieſen Haushaltungen ; mit andern Worten , die Regie-
rung kann das Sachgeld nicht vermehren , ohne das Credit-
geld zu vermehren ; es reagirt alſo unmittelbar eine perſoͤn-
liche Gegenkraft gegen den ſaͤchlichen Ueberfluß . Weil aber
das Sachgeld nur willkuͤhrlich und von einer aͤußern Macht
gegeben iſt , und nicht im Mittelpuncte der wirklich vorhan-
denen ſaͤchlichen Verhaͤltniſſe ſteht , ſo erhebt ſich von der an-
dern Seite ein eben ſo kuͤnſtlicher und ſcheinbarer Privatcre-
dit , der ſich im Wucher und in der Agiotage vornehmlich
aͤußern wird . Dieſes große oͤkonomiſche Scheinleben wird die
ganzen innern Verhaͤltniſſe der Haushaltung verderben ; die
Organiſation des Staates ſelbſt wird in Unordnung gebracht
werden .
Aber nicht die Summe , nicht die Maſſe der Geldzeichen
muß als die Urſache dieſer Uebel betrachtet werden , ſondern
es iſt die Willkuͤhr in der Creation der Geldzeichen . Der
Staat hat an und fuͤr ſich einen ganz unendlichen Credit :
wenn die Regierung in gleichem Maaße das innere oͤkonomi-
ſche Leben zu ſteigern , die Wechſelwirkung aller oͤkonomiſchen
Verhaͤltniſſe zu erhoͤhen verſteht , ſo gibt es eigentlich keine Graͤnze
fuͤr die Vermehrung der Geldzeichen . Aber indem ſie dieſe
ihre ſaͤchliche Kraft zu realiſiren unternimmt , muß ſie in
demſelben Maaße auch ihren Credit , ihre perſoͤnliche
Kraft zu perſonaliſiren verſtehen , das heißt : da der ganze
Staat , naͤhmlich Volk und Regierung gemeinſchaftlich in
ihrer unendlichen Wechſelwirkung das Geld machen , ſo darf
die Macht des Privatcredits nicht durch Vermehrung der
Geldzeichen erhoͤht werden , ohne daß der oͤffentliche Credit
zugleich in demſelben Maaße zunaͤhme .
Eben ſo wenig als in der bloßen Fuͤlle der Geldzeichen die
Quelle des Uebels geſucht werden darf , eben ſo wenig darf von
der Verminderung derſelben das Heil und die Rettung des
Ganzen erwartet werden , wenn auch Faͤlle eintreten ſollten ,
wo fuͤr die augenblickliche Erleichterung eine Verminderung
rathſam ſeyn ſollte . Sie iſt immer nur rathſam , in wie fern
ſie der Regierung Luft und Raum gibt , mit ganz anderer und
tieferer Kunſt die Organiſation der Haushaltung ſelbſt , und
ihre inneren Verhaͤltniſſe anzugreifen und wieder herzuſtellen .
Ohne dieſen Vorbehalt , und unabhaͤngig von dieſer gruͤnd-
lichen Cur , wird das Uebel eben durch die Verminderung erſt
recht unheilbar .
Der ganze Koͤrper ſoll das Blut erzeugen , nicht aber ſoll
ein einzelnes Organ fuͤr dieſe Bluterzeugung beſonders einge-
richtet und privilegirt werden . Die Regierung erzeugt alſo
nur Geld , wirkliches Geld , in wie fern ſie das Ganze , und
alle ſeine Beduͤrfniſſe , nicht aber etwa nur einen einſeitigen
Geldmangel , oder ein beſonderes und augenblickliches Beduͤrf-
niß im Auge hat . Es ſind aber einzelne Organe des Staats
beſonders empfaͤnglich fuͤr die Aneignung der Geldzeichen ,
andern hingegen kommen die Wohlthaten dieſer Geldzeichen nur
mittelbar zu Gute . Sobald die Regierung alſo die Geld-
zeichen mechaniſch vermehrt , ohne in demſelben Maaße jene
andern Organe , denen die Vortheile der Geldvermehrung nur
indirekt zu gute kommen , zu ſtaͤrken , ohne um ſo kraͤftiger
und gerechter das Ganze zu umfaſſen , ſo uͤbertraͤgt ſie im
Grunde nur das Privilegium der Gelderzeugung , das ſie im
Nahmen des Ganzen ausuͤbt , auf ein einzelnes Organ . Sollte
ſie nun die Geldzeichen eben ſo mechaniſch vermindern , ohne
zugleich eine Radicalcur zu unternehmen ; ſollte ſie alſo ihr
Privilegium der Gelderzeugung nicht bloß aufheben , ſondern
das bisher erzeugte Geld zuruͤck nehmen , ſo gibt ſie damit nur
dem Privatcredit , das heißt , dem verwoͤhnten verderbten
Privatcredit , oder dem Wucher die foͤrmliche Befugniß in die
Haͤnde , die Luͤcken zu ergaͤnzen , ſelbſt Geldmarken zu machen ,
und ſomit ſeinen verderblichen und vernichtenden Einfluß auf
das Ganze nun erſt recht zu aͤußern .
Ich glaube hinreichend , vielleicht nur mit zu großer Um-
ſtaͤndlichkeit erwieſen zu haben , wie ſehr die Vernachlaͤßigung
der oͤkonomiſchen Verhaͤltniſſe alle ſtaatswirthſchaftlichen
Geſichtspuncte uͤberhaupt verruͤckt habe , und wie voͤllig unwirk-
ſam alle calculatoriſchen Handgriffe an und fuͤr ſich bey einem
Geſchaͤft ſeyn muͤſſen , welches unzaͤhlige Dinge umfaßt , die
weder der Zahl noch irgend einer Berechnung zu unterwerfen
ſind . Der wahre Land- und Hauswirth , und der große
Kaufmann haben dieß zu allen Zeiten empfunden und aus-
geuͤbt , wenn ſie ſich davon auch nicht gerade wiſſenſchaftliche
Theoret. Theil U
Rechenſchaft gegeben . Was aber in Privatverhaͤltniſſen dem
Gefuͤhl uͤberlaſſen werden darf , muß in Staatsangelegenhei-
ten zum Bewußtſeyn , zum Geſetz erhoben , und anerkannt
werden , weil hier viele ſich in Einem Gefuͤhl vereinigen muͤſ-
ſen , welches nur moͤglich iſt , in wie fern es wirklich aus-
geſprochen wird .
In fruͤheren Zeiten iſt es wohl von vielen gemeinſchaftlich
empfunden worden , daß alle Werthe und alle Wirkſamkeiten
im Staate nur mit Ruͤckſicht auf das Heil des Ganzen , alſo
mit Ruͤckſicht auf ihre Richtung nach dem Mittelpuncte beur-
theilt werden koͤnnten . Aber : un peuple , qui a perdu ses
moeurs , ſagt der Marquis de Bonald , en voulant se
donner des loix écrites , s’ est imposé la necessité de
tout ecrire , et même les moeurs . — Voͤlker , welche
das Gefuͤhl des Ganzen und Oeffentlichen verloren haben , in-
dem ſie roͤmiſches Geſetz , roͤmiſches Privateigenthum und
roͤmiſchen Egoismus angenommen , koͤnnen bey der Schrift-
und Zahlbeſtimmung ihrer Privatverhaͤltniſſe nicht ſtehen blei-
ben . Das Ganze bleibt in ſeiner tiefſten Verwirrung noch
immer maͤchtiger als alle Einzelnen zuſammen genommen :
was fruͤher mit unſichtbarer Gewalt als Sitte , als Gefuͤhl
das Ganze verband , muß nunmehr ausgeſprochen , aufge-
ſchrieben werden : reicht die Sprache nicht aus , ſo muͤſſen
die Urformen der Dinge ſelbſt , es muß alſo die Lehre von die-
ſen Urformen , das heißt : die Geometrie , zu Huͤlfe genommen
werden .
Es wird uͤberhaupt in allen andern Wiſſenſchaften etwas
Aehnliches geſchehen muͤſſen . Denn , wiewohl die Sprache , in
ihrer gerechten und vollkommenen Ausuͤbung , wie man ſich
aus den Werken der großen Dichter aller Zeiten davon uͤber-
zeugen kann , ſowohl ein bezeichnendes als ein abbildendes ,
ein arithmetiſches ſowohl als ein geometriſches Element ent-
haͤlt , ſo hat doch die Barbarey unſrer ſowohl , als aller an-
dern Alexandriſchen Zeiten , das Weſen der Wiſſenſchaft in
eine ſtrenge Ausſonderung des bezeichnenden oder arithmeti-
ſchen Elementes der Sprache geſetzt . Dasjenige hoͤchſt Weſent-
liche , ja Heilige , welches die Poeſie durch ihren Rythmus ,
durch ihre Bilder , und durch den Wechſel ihrer Formen aus-
druͤckt , glaubte man in der Wiſſenſchaft nicht bloß entbehren
zu koͤnnen , ſondern nicht dulden zu duͤrfen . Ja man raͤumte
es der Poeſie ſelbſt nur als ein aͤußeres Beyweſen , als einen
unweſentlichen Schmuck , als ein Gewand , als ein Mittel
zur Verſtaͤrkung und Belebung ihrer Eindruͤcke ein . Wiſ-
ſenſchaft war dasjenige , was ausſchließend in Zeichen , in
Zahlen , in Chiffern verkehrte : und nach dem Grade des
Mangels alles bildenden Vermoͤgens ſollte die Strenge , die
Exaktheit der Wiſſenſchaft beurtheilt werden . Wenn daher
einige wenige groͤßere Seelen fuͤr die Wiſſenſchaft die kuͤnſt-
leriſche Form reklamirt haben , ſo haben ſie damit etwas
viel Hoͤheres als die aͤußere Geſchliffenheit oder die Eleganz
des Gewandes , gemeint . Sie haben das zum Denken ſo
gut als zum Dichten unentbehrliche bildende Vermoͤgen
zuruͤck verlangt ; und meine Elemente der Mathematik wer-
den auf unuͤberwindliche Weiſe zeigen , daß die Geometrie
der eigentliche Buͤrge dieſer Vollſtaͤndigkeit und Befriedigung
der Wiſſenſchaft ſey .
U 2
Nachdem ich mich , ſo weit fuͤr jetzt uͤber dieſe , in eben
ſo tiefer Verderbniß befangene Wiſſenſchaft der Geometrie
ein Verſtaͤndniß moͤglich war , ihrer bedient , ſo beſchließe ich
dieſen erſten Abſchnitt meiner Arbeit , indem ich diejenige
oͤkonomiſche Verfaſſung , welche ihren innern Verhaͤltniſſen
am treueſten geblieben iſt , weil ſie ſich von der Tyranney der
Zahlen und der Buchſtaben am entfernteſten gehalten hat ,
in einer geometriſchen Figur abbilde , die wahrſcheinlich nach
allem Vorausgeſchickten keiner weiteren Erklaͤrung beduͤrfen
wird .