ANNALEN
DER PHYSIK UND CHEMIE.
JAHRGANG 1829, DRITTES STÜCK.
I. Ueber die Mittel, die Ergründung einiger Phä-
nomene des tellurischen Magnetismus zu erleich-
tern; von Alexander von Humboldt.
(Auszug aus einer am 2. April 1829 vor der K.Königlichen Academie der Wis-
senschaften zu Berlin gehaltenen Vorlesung.)
Die naturwissenschaftliche Civilisation der Welt reicht
kaum über jene glänzende Epoche hinaus, wo in dem
Zeitalter von Galilaei, Huyghens und Fermat gleich-
sam neue Organe geschaffen wurden, neue Mittel den
Menschen (beschauend und wissend) in einen innigeren
Contact mit der Außenwelt zu setzen, Fernrohr, Thermo-
meter, Barometer, die Pendeluhr und ein Werkzeug von
allgemeinerem Gebrauche, der Infinitesimal-Calcul. Wäre
die alexandrinische Schule, oder wären die Araber, eine Na-
tion, die den im Alterthum leider unbekannten practischen
Sinn des Beobachtens, Messens und Experimentirens zeigte,
im Besitz der Hülfsmittel gewesen, die uns gegenwärtig
zu Gebote stehen; so würden wir wissen, ob der Druck
der Atmosphäre, die aus der Luft sich niederschlagende
Regenmenge, die relative Frequenz vorherrschender Winde,
die Richtung der isothermischen Linien, wie die Verthei-
lung des Magnetismus auf dem Erdkörper, seculären Ver-
änderungen unterworfen sind. Bei dem Mangel an nu-
Annal. d. Physik. B. 91. St. 3. J. 1829. St. 3 X
merischen Daten, die auf mehr als 12 Jahrzehnden hin-
aufreichen, bei dem Mangel an Documenten zur physi-
schen Geschichte des Erdkörpers und des Luftkreises, der
ihn umhüllt, ist unser Zeitalter berufen, den kommen-
den Geschlechtern die Lösung jener wichtigen Probleme
vorzubereiten.
Die Vertheilung des Magnetismus auf der Oberfläche
unseres Planeten nach den drei Formen der Abweichung,
Neigung und Kraftstärke, ist durch die vereinten Bemü-
hungen einer großen Zahl von Reisenden in den ver-
schiedensten Zonen mit vieler Sorgfalt ermittelt, und kaum
hat sich irgend ein anderer Theil der physischen Erdbe-
schreibung seit einer geringen Reihe von Jahren in der
Ergründung der Gesetze (ich sage nicht, in der Ergrün-
dung des Causalzusammenhanges) der Erscheinungen, einer
ähnlichen Bereicherung zu erfreuen gehabt. Je tiefer man
aber durch Vervollkommnung und gleichmäßige Anwen-
dung der Beobachtungsmittel in die Gesetze des telluri-
schen Magnetismus einzudringen anfängt, desto vielfacher
werden die Probleme, deren Lösung sich dem Physiker
darbieten. Ohne eine genaue Kenntniß dieser Probleme
kann von den vorzüglichsten Instrumenten kein befriedi-
gender Gebrauch gemacht werden. Man muß vollstän-
dig wissen, was zu bestimmen übrig bleibt, um die Ver-
anstaltungen zu treffen, welche zu dem beabsichtigten
Zwecke führen können. Der Hauptgegenstand dieser Ab-
handlung ist, die Nothwendigkeit solcher Veranstaltungen
zu entwickeln, und zu zeigen, was, seit meiner Anwesen-
heit in dieser Hauptstadt, ich davon in's Leben zu rufen
versucht habe.
Die magnetischen Erscheinungen des Erdkörpers, in
ihrer größten Allgemeinheit betrachtet, hängen eben so
wenig wie die climaterische Vertheilung der Wärme, der
mittlern monatlichen und stündlichen Veränderungen des
Luftdrucks, und die Richtung der Winde von kleinen
örtlichen Verhältnissen ab. Es sind große, auf dem gan-
zen Planeten gleichzeitig eintretende Veränderungen. Die
nach Morlet und Arago von Osten gegen Westen fort-
schreitende Bewegung der Knoten oder Durchschnitts-
punkte des magnetischen und Erd-Aequators, welche die
Vergleichung der Beobachtungen von Cook und Du-
perrey, von Vancouver und Freycinet mit Sicher-
heit darthun, ist bis zum höchsten Norden bemerkbar.
Die magnetische Breite jenes Orts wird dadurch verän-
dert, und mit ihr die Neigung und wahrscheinlich auch
die Intensität der magnetischen Kräfte. Die Länge der
Zwischenzeit, in der ich mit besonderer Vorliebe und
immer mit unter sich vergleichbaren, von Le Noir und
Gambey construirten, Instrumenten die Neigung an meh-
reren Punkten beobachtet habe, setzt mich in den Be-
sitz merkwürdiger Resultate über die jährlichenjährliche Verän-
derung der Inclination. In Berlin habe ich gemeinschaft-
lich mit Hrn.Herrn Gay-Lussac zu Anfange des Winters
1806 die Neigung mit demselben Instrumente bestimmt,
welches auf der Weltumseglung von d'Entrecasteaux
gebraucht worden war. Die Inclination betrug 69° 53′.
Zwanzig Jahre später, im December 1826, fand ich im
Garten von Bellevue bei Berlin, gemeinschaftlich mit den
HH.Herren Encke und Erman, 68° 39′ (nach dem Mittel aus
den Beobachtungen mit zwei Nadeln, von denen eine
68° 38′ und die andere 68° 40′ gab). Die Differenz be-
trägt also 1° 14′, und die mittlere jährliche Abnahme:
3′,7Prof.Professor Erman fand mit Instrumenten von gleicher Construction,
aber nach verschiedenen Beobachtungs-Methoden, in Berlin 1812
die Inclination =69° 16′, im Jahr 1824 aber =68° 48′, und
1826 im November, im Garten des französischen Hospitals,
=68° 45′; die letztere Beobachtung wurde mit zwei Nadeln ge-
macht, die eine gab 68° 42′ 45″, die andere 68° 48′ 49″..
Wenn nicht ältere Beobachtungen oft um mehrere
Grade falsch seyn könnten, so würde ich Euler's Beob-
achtung in der Théorie de l'inclinaison (Mémoires de
X 2
Berlin 1753) anführen. Er hat die Neigung in Berlin
zwischen 71° 45′ und 72° 45′ gefunden, woraus, zwischen
1755 und 1826, im Mittel eine jährliche Abnahme von
2′,6 oder 3′,5 folgt, also eine etwas langsamere, als gute
neuere Beobachtungen geben, was der Theorie von der
Bewegung der Knoten des magnetischen und Erd-Aequa-
tors, bei der allmäligen Annäherung von Berlin an den
magnetischen Aequator, keineswegs widerspricht.
In Paris haben die von Coulomb angegebenen
sehr scharfsinnigen Methoden, die Neigung zu finden, den
Erfinder zu sehr irrigen Resultaten geführt. Die erste
Beobachtung, welche mit einem vollkommnen Instrumente
daselbst angestellt wurde, ist vom Jahre 1798. Die Nei-
gung wurde von mir gemeinschaftlich mit dem Chevalier
Borda bestimmt, und gleich 69° 51′ gefunden. Im Octo-
ber 1810 fand ich sie dort mit Hrn.Herrn Arago gleich 68° 50′.
Die mittlere jährliche Abnahme betrug also in dieser Pe-
riode 5′. Dagegen war im August 1825 die Neigung
68° 0′Beobachtung des Hrn.Herrn Arago. Am 18. Sept.September 1826 fand ich
mit Hrn.Herrn Mathieu ebenfalls auf der Sternwarte mit einer Na-
del 67° 56′,75 und mit der andern 67° 56′,37., also von 1810 bis 1825 die jährliche Abnahme
nur 3′,3. Es ist also keinem Zweifel unterworfen, daß,
je näher der magnetische Knoten dem magnetischen Me-
ridiane von Paris gerückt ist, desto mehr sich auch die
Abnahme verlangsamt hat, von 5′,0 zu 3′,3. Auch Hr.Herr
Arago erwähnt dieser schwachen Abnahme im Annuaire
pour l'an 1825, die er für das Jahr 1823/4 selbst nur zu
2 Minuten anschlägt. Es ist leicht zu beweisen, daß
dieser Unterschied in der Abnahme zwischen 1798 und
1810, und 1810 und 1825 nicht etwa, wie in älteren
Resultaten, den Beobachtungsfehlern zugeschrieben wer-
den könne. Wäre die Abnahme in beiden Perioden gleich-
förmig gewesen, so müßten wir uns, Borda, Arago
und ich, um 21 bis 26 Minuten geirrt haben: aber die
Ungewißheit der Resultate hatte bis 1806 etwa 6 bis 7
und in neueren höchstens 1 bis 2 Minut.Minuten zur Gränze. Man
muß auch nicht vergessen, daß in die Periode der lang-
sameren Abnahme in Paris das merkwürdige Jahr 1818
fällt, in welchem die westliche magnetische Abweichung
abzunehmen, d. h. die Nadel sich gegen Osten zu be-
wegen anfing. Das mittlere jährliche Fortrücken der
Declination in vor- und rückwärts schwankender Bewe-
gung ist ebenfalls ungleichförmig, je nachdem die Linie
ohne Abweichung sich nähert oder entfernt. Vergleiche
ich meine Berliner und Pariser Beobachtungen der Neigung
aus der Periode von 1806–1826, so finde ich die jähr-
liche Abnahme für Berlin =3′,7, und für Paris =3′,8,
eine auffallende Uebereinstimmung. Bei der ganz unwahr-
scheinlichen Annahme, daß die Beobachtungsfehler bei-
der auf eine Seite fallen, und daß sie für 1806 volle 6′
und für 1826 volle 2′ betragen, würde das Resultat der
Abnahme der Inclination doch nur um 24″ auf 228″ (fast 1/10)
verändert werden.
In London, wo Cavendish und Gilpin zuerst
1806 die von Le Monnier und Lord Mulgrave all-
gemein geläugnete jährliche Veränderung der Neigung be-
merkt haben, war die mittlere jährliche Abnahme von
1775 bis 1806 genau 4′ 18″, also bis 1/7 oder 36″ der
gleich, welche ich für Paris zwischen der Epoche meiner
Abreise nach Spanien und Süd-America und dem Jahr
1806 gefunden habe.
In Göttingen fand ich mit Hrn.Herrn Gay-Lussac am
Ende des Jahres 1805 die Inclination =69° 29′, am 28.
September 1826, also 21 Jahre später, gemeinschaftlich
mit Hrn.Herrn Hofrath Gauß, am Abhange des Heinberges,
=68° 29′ 26″ (mit einer Nadel =68° 30′ 7″, mit einer
zweiten 68° 28′ 45″). Die jährliche Abnahme, 2′,8, ist
auffallend klein, da sie, wie wir eben gesehen, in dem
östlicheren Berlin für dieselbe Zeit 3′,7, und in dem west-
licheren Paris 3′,8 betrug, also an beiden Orten fast ⅓
größer war! Die Beobachtung von 1806 in Göttingen
ist aber keinesweges in Zweifel zu ziehen; denn Prof.Professor
Mayer fand zu derselben Epoche durch die Methode
der angehängten Gewichte, mit vieler Sorgfalt, 69° 26′,
also nur 3′ weniger, als Hr.Herr Gay-Lussac und ich. Es
ist zu wünschen, daß man künftig auf diese Unterschiede
des Ganges der jährlichen Inclinations-Veränderung zwi-
schen Paris, Göttingen und Berlin aufmerksam sey, aber
nur Beobachtungen traue, in denen zwei Nadeln nach
Umkehrung ihrer Pole nicht mehr als 2 bis 3 Minuten
von einander abweichen.
Im letzt verflossenen Sommer habe ich Freiberg in
der Absicht besucht, um in einer Grube, wo das Ge-
stein (Gneis) nicht auf die Magnetnadel wirkt, die Nei-
gung in einer Saigerteufe von 800 Fuß und an der Ober-
fläche, senkrecht über dem unterirdischen Punkt, zu be-
stimmen. Der Unterschied war nur 2′,06; aber bei der
Sorgfalt, welche ich angewandt, lassen die in der Note
angeführten Resultate jeder einzelnen Nadel doch wohl
glauben, daß in der Grube (dem Churprinz) die Nei-
gung etwas größer ist, als auf der Oberfläche des Ge-
birges.
Eine Reise, welche Hr.Herr Arago im Jahr 1825 im
nördlichen Italien, ebenfalls mit einem Gambey'schen
Neigungscompaß (nach der Construction des Chevaliers
Borda) gemacht hat, gewährt noch ein Paar sehr sichere
Vergleichungspunkte, Florenz und Turin, zur Bestimmung
der Wirkung des herannahenden magnetischen Aequator-
Knotens. Die eine Beobachtung, die zu Florenz giebt
für 1805 bis 1826, die mittlere jährliche Abnahme der
Neigung = 3′,3, die andere, in Turin, 3′,5. In Florenz
wurde die Neigung zufällig an demselben Tage, am 26.
September, beobachtet und =62° 56′ gefunden, an wel-
chem ich dieselbe 20 Jahre früher, mit Hrn.Herrn Gay-Lus-
sac, =63° 57′ gefunden hatte. Hr.Herr Arago beobachtete
im Garten Boboli, wir im Wäldchen bei den Caccini,
also immer in freier Luft, fern von allen Gebäuden. In
Turin wurde die Beobachtung von 1805, der rauhen
Witterung wegen, in einem Gartenhause, die Beobach-
tung von 1825 dagegen im Garten Valentino gemacht.
Florenz und Turin geben also wieder, für die Epo-
che von 1805 bis 1825, bis 18″, d. h. bis 1/10 des Gan-
zen, dieselbe mittlere jährliche Abnahme, als Berlin und
ParisIch nehme bei dieser Vergleichung keine Rücksicht auf Lyon,
weil bei dieser mit Hügeln von sogenanntem uranfänglichem Ge-
steine durchschnittenen Stadt Hr.Herr Arago und ich an sehr ver-
schiedenen Punkten beobachtet haben. Im Mai 1805 fand ich
mit Hrn.Herrn Gay-Lussac auf dem Hügel Notre Dame des Four-
riere 66° 14′, im September 1825, Hr.Herr Arago, in einem Gar-
ten in der Ebene bei Lyon, 65° 39′. Die scheinbare jährliche
Abnahme wäre also 1′,7.. Die numerische Bestimmung dieses Elementes
ist wichtig für die Bewegung der Knoten und der dada-
mit zusammenhängenden Veränderung der magnetischen
BreiteZur Erleichterung künftiger Vergleichungen, lege ich hier nach-
folgende Resultate nieder, und zwar von Punkten, an denen ich
mit besonderer Sorgfalt neuerlichst beobachtet habe.
Metz. Ebene zwischen Montigny und Ouvrage a Cornes der
Citadelle, 200 Toisen südlich von der Lunette, in freier Luft,
am 2. Sept.September 1826 um 5½ Uhr Abends, 67° 29′,5 (Nadel A, 67° 29′,
Nadel B, 67° 30′).
Frankfurt am Main, Sept.September 1826, in freier Luft, im Gar-
ten des Hrn.Herrn Geheimen Raths v. Sömmering, 67° 52′ (Nadel
A, 67° 54′; Nadel B, 67° 50′).
Teplitz, auf dem Spitalberge, etwas nördlich von der Schlak-
kenburg, am 11. Juli 1828, in freier Luft, 67° 19′,5 (A=67° 19′,3;
B=67° 19′,8).
Prag, am 19. Juli 1828, von 5 bis 7 Uhr Nachmittags, im
gräflich Bucquoi'schen Garten, bei Bubenatsch, 1000 Klafter
Wiener Maaß nördlich von Prag, in freier Luft, mit Professor
Hallaschka, 66° 47′,6 (A=66° 47′,7; B=66° 47′,5).
. In der Havanah, wo ich im December 1800
und Capitain Sabine 1822 die Neigung bestimmten, ist
die mittlere jährliche Abnahme ebenfalls 3′,9, also fast
so groß wie in Paris gewesen (Relation historique III.
p. 361).
Dieselbe Ursache, deren Wirkungen wir hier in die-
sen nördlichen Zonen verfolgen, macht begreiflich, warum
die Neigung der Magnetnadel seit Cook's Reisen, also
seit 50 Jahren, so beträchtlich auf dem Vorgebirge der
guten Hoffnung und auf St. Helena zugenommen hat,
Millischauer Porphyrschieferberg (nach meiner Messung
326,5 Toisen über Prag), am 26. Juli 1828, Inclination auf
dem Gipfel =67° 53′,5 (A =67° 54′,7; B =67° 52′,4); sie ist
sonderbar groß in Vergleich mit Prag und Teplitz; wahrschein-
lich durch Wirkung einer Localanziehung in dem Magneteisen-
sand enthaltenden Gesteine; vielleicht durch einen Kern von an-
derer Gebirgsart im Innern des Porphyrschiefer-Kegels.
Freiberg im sächsischen Erzgebirge, am 31. Juni 1828, auf
Churprinz über Tage in freier Luft, zwischen 10¾ und 11½ Uhr
Morgens (Temperatur der Luft 15°,8 C.). Inclination =67° 32′,99
(A=67° 33′,87; B=67° 32′,12).
Freiberg, Churprinz in der Grube, auf der 7. Gezeugstrecke,
auf dem Ludwiger Spathgange, 80 Lachter östlich vom Trieb-
schachte, 40 Lachter westlich vom Kunstschachte, in 133½ Lach-
ter Seigerteufe, zwischen 2 und 2½ Uhr Nachmittags am 30. Juli
1828 (Temperatur der Grubenluft 15°,5 C.), mit Hrn.Herrn Professor
Reich und Hrn.Herrn Bergrath Freiesleben. Inclination = 67°
35′.05 (A=67° 37′,4; B= 67° 32′,7).
Dresden, vor dem Dippoldiswalder Thore, unfern der Chaus-
see, auf freiem Felde mit Hrn.Herrn Inspector Blochmann, im Au-
gust 1828 Inclination = 67° 45′8 (A=67° 44′,7; B=67° 46′,9).
Es ist wohl überflüssig zu bemerken, daß in allen diesen
Versuchen die Pole der Nadeln A und B umgekehrt worden
sind. Der mittlere Fehler der Beobachtung, oder der mittlere
Unterschied der Resultate beider Nadeln, ist in den Jahren 1825
bis 1829 nur 1′,8, und, mit Weglassung zweier übrigens befrie-
digender Beobachtungen von Frankfurt am Main und Freiberg
in der Grube: 1′,3.
In Poggendorff's Annalen, Jahrgang 1828, Stück 10. S. 378.,
finde ich sehr abweichende Beobachtungen von Prag und Dres-
den, nämlich:
Prag (Keilhau) 1827 | Inclination 67° 2′ |
dito (Dr. Erman) | -〃 67 11 |
Dresden (Keilhau) 1827 | -〃 67 41,3 |
Teplitz (Keilhau) | -〃 67 28 |
Königsberg (Dr. Erman) | -〃 69 0 |
während sie auf der Insel Ascension abgenommen, und
auf Taheiti, wo die Curve ohne Neigung fast dem
Erd-Aequator parallel läuft, meist unverändert geblieben
ist. (Arago in der Connaiss. des tems, pour 1828,
p. 251., auch dies. Ann. Bd. 8. S. 175.) Der magneti-
sche Aequator entfernt sich nämlich von St. Helena, und
nähert sich schnell der Insel Ascension, die er wahrschein-
Mein verehrungswerther Freund, Hr.Herr Professor Erman, hat
mich daran erinnert, „daß die Beobachtungen seines Sohnes mit
einem kurz vor der Abreise von Königsberg nach München in der
Eile zusammengesetzten Apparat angestellt wurden, fast nur um die
Coulomb'schen Formeln zu prüfen, daß aber Vergleichungen mit
besseren Beobachtungen und Instrumenten Fehler für Breslau
von 40′, und für München von einem Grad gezeigt haben. Das
Prager Resultat hält Hr.Herr Professor Hansteen doch für ziemlich
sicher; vielleicht war die Beobachtung in einem Zimmer, im In-
nern der Stadt angestellt.“ Auch des verdienstvollen Geogno-
sten Hr.Herr Keilhau's Neigungs-Nadel wurde von Berliner Physikern
als nicht hinlänglich gut construirt betrachtet. Sie war ihm vom
Professor Hansteen mitgetheilt, aber auch die Beobachtungen
dieses Gelehrten mit einem Dollond'schen Inclinatorium, wei-
chen beträchtlich mehr unter einander ab, als die Resultate, wel-
che Borda'sche Inclinatoria, selbst zu Anfange dieses Jahr-
hunderts gaben. Hr.Herr Hansteen fand 1825 in Drontheim mit
einer Dollond'schen flachen Nadel, ohne Gewichte, im Mittel aus
vier Beobachtungen, 74° 49′,6, mit drei verschiedenen Gewichten,
74° 33′,6, mit der runden Nadel, nach dem Mittel aus vier Beob-
achtungen, 74° 37′,1. Capitain Sabine hatte 1823 die Inclination
daselbst =74° 43′ gefunden.
Diese Bemerkungen über die Gränzen der Fehler, deren
Kenntniß in der messenden Physik eben so wichtig, als in der
messenden Astronomie ist, dürfen keineswegs das gerechte Ver-
trauen schwächen, welches man in die Resultate der großen
nord-asiatischen Reise von Hansteen und Dr. Erman setzen
kann. Diese vortrefflichen Astronomen und Physiker sind ge-
genwärtig mit demselben Gambey'schen Inclinatorium ausge-
rüstet, dessen Gay-Lussac, Arago und ich, uns seit mehr
als 20 Jahren bedienen. Mit diesem Instrumente hat Hr.Herr Dr.
Erman neuerlichst (1828) die Inclination zu Petersburg =71° 0′,4
gefunden
lich in wenigen Jahren erreichen wird. Mit dieser Be-
wegung der Knoten von Osten gegen Westen steht Hrn.Herrn
Hansteen's Behauptung, daß die magnetischen Pole von
Westen nach Osten um den ErdpolErdball kreisen (Untersuchung
über den Magnetismus der Erde, 1819, S. 35.), in geradem
Widerspruch; auch ist diese Behauptung nicht mit der
Bewegung der uns am nächsten liegenden Linie ohne Ab-
weichung nach Westen zu vereinigen. Diese zwischen
Moscau und Kasan hindurchgehende Linie steigt gegen
Archangel nordwärts. Hr.Herr Kupffer, dem die Theorie
des tellurischen Magnetismus so Vieles verdankt, bemerkt
in einer handschriftlichen Note, die ich von ihm besitze,
daß die östliche Abweichung von Kasan 1805 um 2°,
aber 1825 über 3° betrug. In Archangel, wo die Ab-
weichung im Anfang des 19. Jahrh.Jahrhunderts ½ Grad westlich war,
ist sie jetzt 2 Grad östlich. Dieß sind deutliche Beweise
von der Bewegung der russischen Linie ohne Abwei-
chung gegen Westen. Die zweite sibirische Linie ohne
Abweichung, die von Irkutzk, hat wahrscheinlich eine
ähnliche Bewegung; aber nach Schubert, Wrangel und
Kupffer zeigt sie das einzige sonst nie beobachtete Phä-
nomen, daß auf beiden Seiten der Linie, der östlichen
und westlichen Seite, die Abweichung östlich ist!
Die Frage, ob die Neigung auch stündliche Verän-
derungen erleide, ist in den verflossenen Wintermonaten
ein besonderer Gegenstand meiner Untersuchungen ge-
wesen. Da der Limbus des Instruments nur von 10 zu
10 Min.Minuten getheilt und, wegen der Oscillationen der sich frei
bewegenden Nadel, mit keinem Nonius versehen ist, und
daher kaum 2 Min.Minuten mit Sicherheit geschätzt werden kön-
nen, so ist die Beobachtung sehr schwierig. Herr Arago
schreibt mir vor einigen Wochen: „Ich habe mich jetzt
durch die sorgfältigsten Versuche vollkommen überzeugt,
nicht bloß durch Mittelzahlen aus mehreren Versuchen,
sondern durch unmittelbare Ablesung, daß die Neigung
um 9 Uhr Morgens größer als um 6 Uhr Abends ist.
Ich wundere mich nicht, daß diese Veränderung in den
kalten Wintermonaten in Berlin nicht bemerkbar gewe-
sen ist; auch in Paris wird sie nur in den warmen Som-
mermonaten so beträchtlich, daß man sie mit einer Lupe
sehen kann.“ Diese Verschiedenheit nach den Jahreszei-
ten hat also die Neigung mit der täglichen Abweichung
gemein. Letztere ist bekanntlich in unseren Breiten im
Julius und August drei bis vier Mal größer als im Decem-
ber und Januar. Merkwürdig ist noch, daß die stünd-
liche Veränderung der Neigung, wie wir bald sehen wer-
den, im umgekehrten Verhältniß mit der täglichen Ebbe
und Fluth der magnetischen Kraft stehet. Beide Phäno-
mene, welche auch Hrn.Herrn Foster in Port Bowen und
auf Spitzbergen, wie Capitain Franklin in Cumberland-
house beschäftigt haben, verdienen die größte Aufmerk-
samkeit deutscher Physiker.
In der Hoffnung, durch meine schwachen Bemühun-
gen etwas zur Lösung so verwickelter Probleme beizu-
tragen, habe ich mich entschlossen, seitdem ich in mein
Vaterland zurückgekehrt bin, die Arbeit über die stünd-
lichen Veränderungen der Abweichung wieder zu begin-
nen, die mich in den Jahren 1806 und 1807, als ich von
Mexico zurückkam, mit so vieler Anstrengung beschäftigt
hatte. In der letzt genannten Epoche beobachtete ich
gemeinschaftlich mit meinem Freunde, Hrn.Herrn Prof.Professor Olt-
manns, vom Mai 1806 bis Juni 1807, mit dem Prony'-
schen magnetischen Fernrohr, welches an Seidenfäden
ohne Torsion in einem Glaskasten hing. Die Aufstel-
lung war mit vieler Sorgfalt geschehen, auf einem stei-
nernen Postamente, im ehemaligen George'schen Gar-
ten, den ich bewohnte. Das Signal mit den Theilstri-
chen, auf welche das durch einen starken Magnetstab
regierte Fernrohr gerichtet wurde, konnte bei Nacht er-
leuchtet werden. Man las an dem Signale mit Sicherheit
7 bis 8 Secunden ab. In der Meinung, welche ich noch
gegenwärtig hege, daß zur Ergründung des periodischen
Ganges der Nadel eine fortlaufende ununterbrochene stünd-
liche Beobachtung (observatio perpetua) von mehreren
Tagen und Nächten den vereinzelten Beobachtungen vie-
ler Monate vorzuziehen ist, beobachtete ich mit Herrn
Oltmanns ununterbrochen, meist von halber zu halber
Stunde, in den Solstitien und Aequinoctien, drei, vier,
sieben, ja selbst neun Tage und eben so viele Nächte.
Bisweilen haben andere sehr zuverlässige Beobachter, Hr.Herr
Bau-Conducteur Mämpel, Hr Friesen, Hr.Herr Mechani-
kus Mendelsohn und Hr.Herr Leopold von Buch, einige
nächtliche Stunden für uns übernommen. Das Journal
der Beobachtungen, welches Hr.Herr Oltmanns und ich der
Academie vorzulegen die Ehre haben, enthält an 1500
Resultate, Mittelzahlen von etwa 6000 Beobachtungen,
welche alle schon auf Bogentheile reducirt sind. Die
ganze mühselige Arbeit liegt zum Drucke bereit, und ist
blos deshalb nicht erschienen, weil ich immer die Hoff-
nung hegte, sie in Berlin selbst zu vervollständigen. Diese
Hoffnung ist bei der neuen Vorrichtung, die ich getrof-
fen, zur Gewißheit geworden, und ich werde die älte-
ren und neueren Beobachtungen zugleich herausgeben.
Die älteren haben den Vorzug, daß damals (1806 und
1807) keine ähnlichen, weder in Frankreich noch in
England, angestellt wurden. Sie gaben mir die ersten
Spuren nächtlicher Maxima und Minima, die aber, zur
Elimination der Störungen, nur durch Mittelzahlen aus
vielen Beobachtungen vollständig ergründet werden kön-
nen. Sie lehrten auch die merkwürdigen magnetischen
Gewitter kennen, welche, durch die Stärke der Oscilla-
tionen, oft alle Beobachtung unmöglich machen, ja oft
mehrere Nächte hinter einander zu derselben Zeit eintre-
ten, ohne daß irgend eine Einwirkung meteorologischer
Verhältnisse dabei bisher hat erkannt werden können.
Das Instrument, welches hier seit dem Monat De-
cember beobachtet wird, hat keine Aehnlichkeit mit der
Lunette aimantée von Prony, deren ich mich im George'-
schen Garten bediente, und deren allzu große Beweg-
lichkeit wegen der Luftströmungen, welche die Nähe des
Körpers in dem Glaskasten zu erregen scheint, oft sehr
unbequem wurde. Ich bediene mich gegenwärtig des
Gambey'schen Apparats, welcher, dem älteren Cassi-
ni'schen ähnlich, aber zu mikroskopischen Ablesungen
eingerichtet ist. Man beobachtet damit gegenwärtig in
Paris, in Kasan, in Berlin, und auf meine Bitte, nun
auch in Freiberg im Erzgebirge, und in der Provinz An-
tioquia in Südamerica zu Marmato (Nördl.Nördliche Breite 5° 27′).
Die schönste und ausführlichste Reihe von Beobachtun-
gen stündlicher Abweichungen, welche wir besitzen, ist
die, welche man dem Entdecker des Rotations-Magne-
tismus, Hrn.Herrn Arago, auf der Königl. Sternwarte zu Pa-
ris verdankt.
Der gelehrte Reisende, Hr.Herr Boussingault, der
gleichzeitig die ausgezeichnetsten, chemischen, physikali-
schen und astronomischen Arbeiten nach Europa gesandt
hat, ist durch mehrere Briefe von mir aufgefordert wor-
den, an solchen Punkten der tropischen Regionen, wo die
Abweichung östlich ist, den stündlichen Gang der Nadel zu
beobachten. Eine Reihe von fast 500 Beobachtungen
(meist 6–7 täglich), welche er mir so eben von Mar-
mato in der Republik Columbia einsendet, zeigt, daß
die östliche Abweichung daselbst, deren absoluter Werth
6° 33′ beträgt, von 7 Uhr Morgens bis gegen Mittag ab-
nimmtHr.Herr Boussingault sagt ausdrücklich in seinem Briefe vom
10. Nov.November 1828: „Mes observations de Marmato semblent prou-
ver qu'ici comme à Paris (quoique la déclinaison magnétique
à Marmato soit vers l'est) la pointe nord de l'aiguille se meut
de l'est à l'oeust, depuis le lever du soleil jusqu'à midi. Ce
mouvement a eu lieu lorsque le soleil étoit au zénith, lorsque
le soleil a eu des déclinaisons boréales et australes.“ In der
beigefügten Tafel nehmen zwar die Winkel von Morgen bis Mit-
tag zu, so daß die östliche Abweichung der Nadel (im Wider-
spruch mit den Worten des Briefes) größer zu werden scheint;, ein Resultat, welches mit Hrn.Herrn Duperrey's
Beobachtungen zu PaytaConnaissance des tems pour 1828, p. 252., und denen vom Professor
Kupffer in KasanKastner's Archiv für Naturlehre. Bd. 12. (1827) p. 280.
In Payta und Kasan ist die Abweichung östlich. übereinstimmt. Das Nordende
der Nadel bewegt sich nämlich, und was sehr merkwürdig
ist, sowohl bei nördlicher als südlicher Declination der
Sonne, von Osten gegen Westen, während dasselbe Ende,
südlich vom magnetischen Aequator, von Westen gegen
Osten geht. Boussingault's Beobachtungen unter den
Tropen geben, vom Morgen bis Mittag, den mittleren
Werth der Amplitudo arcus im August: 4′ 31″ und im
September 3′ 13″, also drei Mal kleiner als in unseren
Breiten und bei unserer Entfernung von der Linie ohne
Abweichung. Gleich den stündlichen Veränderungen des
Barometers zeigt sich in der magnetischen Periode eine
solche Regelmäßigkeit unter den Tropen, daß ich für
jede der drei Decaden des Augusts 4′ 10″, 4′ 47″ und
4′ 37″ finde, für die drei Decaden des Septembers
3′ 35″, 3′ 40″ und 2′ 23″, also im mittleren Werthe von
fünf Decaden nur eine Abweichung von einer Minute.
Einzelne Tage im October gaben (durch Störungen?)
eine Amplitude von 8 bis 11 Minuten.
Die Aufstellung des Gambey'schen Instruments in
allein ein Fehler in der Reduction mit irriger Annahme der Rich-
tung, in welcher die Eintheilung der Scale fortschreitet, ist hier
wohl zu vermuthen, denn die Noniustheile, in Millimeter abge-
lesen, nehmen zu vom Morgen bis Mittag, und zeigen (wie in
Prof.Professor Kupffer's Versuchen) daß die Abweichung sich in Mar-
mato wie in Kasan von Osten gegen Westen bewegt.
Boussingault. | Kupffer. |
5 Aug. | 19 Uhr | 20,46 Noniustheile | 7 Sept.September | 20 Uhr | 23,51 Noniustheile |
-〃 | 1 -〃 | 20,75 -〃 | -〃 | 1 -〃 | 24,10 -〃 |
8 Aug. | 19 -〃 | 20,49 -〃 | 9 Sept.September | 20 -〃 | 23,77 -〃 |
-〃 | 1 -〃 | 20,82 -〃 | -〃 | 1 -〃 | 24,25 -〃 |
Man ersieht aus diesem Beispiele, wie nöthig es ist, daß Rei-
sende (und Hr.Herr Boussingault thut es immer) alle Data der
Beobachtung mittheilen.
Freiberg (in einer Grube auf dem tiefen Fürsten-Stollen,
in dem Baue des Methusalems) ungefähr 35 Lachter un-
ter Tage, an einem Orte, dessen Temperatur meist un-
verändert +8° R. ist**) Die bisherigen Variationen der Temperatur liegen zwischen 7°,7
und 8°,2 R., eine mittlere Temperatur des Erdkörpers, die be-
stimmt größer ist als die der Atmosphäre von Freiberg., wurde bei meinem letzten
Aufenthalte in Freiberg, im Monat Juni des verflossenen
Jahres, von dem Hrn.Herrn Berghauptmann von Herder an-
geordnet. Professor Reich hat die Beobachtungen seit
October 1828 mit dem größten Eifer und der ihm eig-
nen Geschicklichkeit in physischen Arbeiten fortgesetzt.
Ich besitze bereits über 700 Beobachtungen von ihm, die
alle in Bogentheile verwandelt sind. Er hat meist 48
Stunden hinter einander, und sogar von Viertel- zu Vier-
tesltundeVier-
telstunde, beobachtet. Hr.Herr Schichtmeister Lindner, der
Bergamtsauditor Herwig und der Bergacademist Pilz
haben diese mühevolle Arbeit mit Hrn.Herrn Professor Reich
getheilt.
Der Berliner Apparat, welcher nicht bloß zur Be-
stimmung der stündlichen Abweichung, sondern auch zur
Bestimmung der Intensität der magnetischen Kraft zu ver-
schiedenen Tagesstunden und Jahreszeiten dienen kann,
ist gegenwärtig in dem großen Garten des Stadtraths
Mendelsohn-Bartholdy fast 400 Schritt von dem
Wohnhause aufgestellt, in einem von Bäumen umgebenen
Häuschen, welches nach der freundschaftlichen Anordnung
des Geheimen Ober-Baurath Schinkel eigends dazu
aus Backsteinen erbaut ist, ohne alles Eisen, mit Nägeln,
Hespen und Schloß von rothem Kupfer. Der Besitzer
des Gartens hat, mit dem in seiner Familie gleichsam erb-
lichen Interesse für Wissenschaften und geistige Bestre-
bungen, mit der größten Bereitwilligkeit die kleine An-
lage gestattet, und den Beobachtern jede erwünschte Be-
quemlichkeit verschafft.
Die regelmäßigen täglichen Beobachtungen Morgens
und Mittags (die bequemsten Wechselstunden scheinen,
wie in Paris, 6–8 Uhr Morgens und 1–2 Uhr Nach-
mittags zu seyn) sind bisher mit der rühmlichsten Sorg-
falt von dem Hrn.Herrn Paul Bartholdy angestellt worden,
wie das Register von 74 Tagen aus den Monaten Ja-
nuar, Februar und März zeigt, welches ich der Acade-
mie zu überreichen die Ehre habe. Das Zerreißen des
Seidenfadens ohne Torsion, am 18. Februar, machte eine
Unterbrechung von 10 Tagen nöthig. Zu besonderen
Zwecken habe ich mehrmals mit diesem jungen Manne,
und zuletzt mit meinem Freunde, Hrn.Herrn Prof.Professor Encke, gemein-
schaftlich beobachtet, z. B. Tags und Nachts, von Stunde
zu Stunde, am 31. Januar 27 Stunden, am 25. März 33
Stunden lang. Gleichzeitig mit den letzten Beobachtungen
beobachtete auch Hr.Herr Professor Reich in Freiberg, einem
Orte, der zufällig fast genau im Meridiane von Berlin,
aber 1° 37′ südlicher, liegt. Der Zufall hat uns nicht
ganz begünstigt, denn in der Nacht vom 25. März wa-
ren keine so große Störungen zu bemerken, als in Berlin
z. B. am 31. Januar um Mitternacht; und in Freiberg,
wie die graphischen Darstellungen beweisen, am 2. Ja-
nuar um 2 Uhr Morgens, und zwischen 10 und 11 Uhr
Abends. Allein die Vergleichung der 33stündigen cor-
respondirenden Beobachtungen in Freiberg und Berlin
bietet zugleich auffallende Aehnlichkeiten und Verschie-
denheiten dar. Die große westliche Abweichung am Mit-
tage den 24. März ist gar nicht in Freiberg, die große
östliche um 9 Uhr Vormittags den 25. März ist nicht
in Berlin im gleichen Maaße beobachtet worden. Der
ganze nächtliche Gang ist in Freiberg weit ruhiger als
in Berlin gewesen. Ist dieß Folge der Entfernung
oder der unterirdischen Aufstellung des Apparats in Frei-
berg? Bis jetzt ist darüber nicht zu entscheiden, nur
erinnere ich noch, daß Cassini's Beobachtungen zu
Paris auch unterirdisch waren. Sein Instrument stand
in den Caves de l' Observatoire, und zeigte einen Gang,
der
der im Ganzen wenig von dem abweicht, welchen man
gegenwärtig über der Erde in der Pariser Sternwarte
beobachtet.
Abstrahirt man bei den 33stündigen correspondiren-
den Freiberger und Berliner Beobachtungen von der son-
derbaren Perturbation um 12½ Uhr am 25. März (wo
nämlich die Nadel noch 4 Min.Minuten mehr nach Westen, als um
2 Uhr Nachmittags abwich, und welche keinesweges ein
Fehler der Beobachtung ist), so ergiebt sich aus der gan-
zen Periode eine merkwürdige Uebereinstimmung. Die
Amplitudo arcus, war an beiden Orten den 25. März grö-
ßer als am 24., so wie sie an beiden Tagen um eine
Minute in Freiberg die in Berlin übertraf. Die Ampli-
tudo arcus war nämlich: am 24. März in Berlin 11′ 44″,
in Freiberg 13′ 11″, am 25. März in Berlin 12′ 38″, in
Freiberg 13′ 20″.
Die absolute Declination in Berlin beträgt, nach ei-
ner genauen im Jahr 1828 vom Hrn.Herrn Dr. Erman mit
einem Bessel'schen Mittagsrohr unternommenen Bestim-
mung, 17° 30′ 48″ westlich.
Durch eine Beobachtung mit Professor Encke vom
9. April 1829 wurde die Inclination im Garten von Bel-
levue bei Berlin, an demselben Punkte, wo sie 1826
beobachtet worden, gleich 68° 30′ 45″ gefunden.
Der große Zweck correspondirender Resultate aus
Paris, Berlin, Freiberg und Kasan, mit denselben Instru-
menten erhalten, ist die Lösung der Frage: Giebt es neben
den großen Veränderungen der magnetischen Spannung
des Erdkörpers, welche offenbar mit der wahren Zeit,
mit dem Abstande vom Durchgange der Sonne durch den
Meridian zusammenhangen, noch andere Veränderungen, die
sich nicht auf große Landstrecken fortpflanzen? Die Exi-
stenz solcher localen Veränderungen ist schon gegenwärtig
erwiesen, nicht etwa durch eine Nacht Freiberger Beob-
achtungen allein, sondern durch die Vergleichungen, wel-
che Hr.Herr Arago zwischen seinen und den Berliner Beob-
achtungen, die ich ihm zugeschickt, hat machen können.
Er bemerkte z. B., daß die tägliche Variation in Berlin
am 29. Januar drei Mal größer als am 27. war, während
in Paris die Variation am 29. weit kleiner als am 27.
war. Dagegen ist der von der Nadel in Berlin durch-
laufene Bogen am 11. Jan.Januar doppelt so groß gewesen, als am
Annal. d. Physik. B. 91. St. 3. J. 1829. St. 3. Y
10.; in Paris war der Bogen am 11. kleiner. Diese Re-
sultate sind ohne verabredete Correspondenz aufgefunden
worden, da man in Paris, Kasan und Berlin, so weit
es die Muße der Beobachter erlaubt, zur Bestimmung
des Maximums und Minimums in gleichen Abständen vom
Mittage beobachtet. Wenn der Gang der Nadel in un-
seren Breiten bisweilen Veränderungen in der Atmosphäre
oder über derselben andeutet, welche nur nahe am Nord-
pole, z. B. in der Barrow-Straße, sichtbar werden; so
könnte dieser Gang auch in großen Entfernungen viel-
leicht durch Bewegungen in dem Innern des Erdkörpers
gleichzeitig modificirt werden. In dem letzteren Falle
müßte sich der Einfluß der geographischen Länge in
außerordentlichen Perturbationen offenbaren.