DER
JUDENSTAAT .
VERSUCH
EINER
MODERNEN LÖSUNG DER JUDENFRAGE
VON
THEODOR HERZL
DOCTOR DER RECHTE.
LEIPZIG und WIEN 1896 .
M. BREITENSTEIN' S VERLAGS-BUCHHANDLUNG
WIEN , IX. , WÄHRINGERSTRASSE 5 .
Vorrede .
Der Gedanke , den ich in dieser Schrift ausführe , ist ein
uralter . Es ist die Herstellung des Judenstaates .
Die Welt widerhallt vom Geschrei gegen die Juden , und
das weckt den eingeschlummerten Gedanken auf .
Ich erfinde nichts , das wolle man sich vor Allem und auf
jedem Punkte meiner Ausführungen deutlich vor Augen halten .
Ich erfinde weder die geschichtlich gewordenen Zustände der
Juden , noch die Mittel zur Abhilfe . Die materiellen Bestandtheile
des Baues , den ich entwerfe , sind in der Wirklichkeit
vorhanden , sind mit Händen zu greifen ; jeder kann sich davon
überzeugen . Will man also diesen Versuch einer Lösung der
Judenfrage mit einem Worte kennzeichnen , so darf man ihn
nicht „ Phantasie “ , sondern höchstens „ Combination “ nennen .
Gegen die Behandlung als Utopie muss ich meinen Entwurf
zuerst vertheidigen . Eigentlich bewahre ich damit nur die
oberflächlichen Beurtheiler vor einer Albernheit , die sie begehen
könnten . Es wäre ja keine Schande , eine menschenfreundliche
Utopie geschrieben zu haben . Ich könnte mir auch einen leichteren
literarischen Erfolg bereiten , wenn ich für Leser , die sich unterhalten
wollen , diesen Plan in den gleichsam unverantwortlichen
Vortrag eines Romans brächte . Aber das ist keine solche liebenswürdige
Utopie , wie man sie vor und nach Thomas Morus so
häufig producirt hat . Und ich glaube , die Lage der Juden in
verschiedenen Ländern ist arg genug , um einleitende Tändeleien
überflüssig zu machen .
Um den Unterschied zwischen meiner Construction und
einer Utopie erkennbar zu machen , wähle ich ein interessantes
Buch der letzten Jahre : „ Freiland “ von Dr. Theodor Hertzka .
Das ist eine sinnreiche Phantasterei , von einem durchaus modernen ,
national-ökonomisch gebildeten Geist erdacht , und so lebensfern ,
wie der Aequatorberg , auf dem dieser Traumstaat liegt . „ Freiland “
ist eine complicirte Maschinerie mit vielen Zähnen und
Rädern , die sogar ineinander greifen ; aber nichts beweist mir ,
dass sie in Betrieb gesetzt werden könne . Und selbst , wenn
ich Freilands-Vereine entstehen sehe , werde ich es für einen
Scherz halten .
Hingegen enthält der vorliegende Entwurf die Verwendung
einer in der Wirklichkeit vorkommenden Treibkraft . Die Zähne
und Räder der zu bauenden Maschine deute ich nur an , in aller
Bescheidenheit , unter Hinweis auf meine Unzulänglichkeit und
im Vertrauen darauf , dass es bessere ausführende Mechaniker
geben wird , als ich einer bin .
Auf die treibende Kraft kommt es an . Und was ist diese
Kraft ? Die Judennoth .
Wer wagt zu leugnen , dass diese Kraft vorhanden sei ?
Wir werden uns damit im Capitel über die Gründe des Antisemitismus
beschäftigen .
Man kannte auch die Dampfkraft , die im Theekessel durch
Erhitzung des Wassers entstand und den Deckel hob . Diese
Theekesselerscheinung sind die zionistischen Versuche und viele
andere Formen der Vereinigung „ zur Abwehr des Antisemitismus “ .
Nun sage ich , dass diese Kraft , richtig verwendet , mächtig
genug ist , eine grosse Maschine zu treiben , Menschen und Güter
zu befördern . Die Maschine mag aussehen , wie man will .
Ich bin im Tiefsten davon überzeugt , dass ich Recht habe –
ich weiss nicht , ob ich in der Zeit meines Lebens Recht
behalten werde . Die ersten Männer , welche diese Bewegung
beginnen , werden schwerlich ihr ruhmvolles Ende sehen . Aber
schon durch das Beginnen kommt ein hoher Stolz und das Glück
der innerlichen Freiheit in ihr Dasein .
Um den Entwurf vor dem Verdacht der Utopie zu schützen ,
will ich auch sparsam sein mit malerischen Details der Schilderung .
Ich vermuthe ohnehin , dass gedankenloser Spott durch
Zerrbilder des von mir Entworfenen das Ganze zu entkräften
versuchen wird . Ein im Uebrigen gescheiter Jude , dem ich die
Sache vortrug , meinte : „ das als wirklich dargestellte zukünftige
Detail sei das Merkmal der Utopie “ . Das ist falsch . Jeder
Finanzminister rechnet in seinem Staatsvoranschlage mit zukünftigen
Ziffern und nicht nur mit solchen , die er aus dem Durchschnitt
früherer Jahre oder aus anderen vergangenen und in
anderen Staaten vorkommenden Erträgen construirt , sondern
auch mit präcedenzlosen Ziffern , beispielsweise bei Einführung
einer neuen Steuer . Man muss nie ein Budget angesehen haben ,
um das nicht zu wissen . Wird man darum einen Finanzgesetzentwurf
für eine Utopie halten , selbst wenn man weiss , dass
der Voranschlag nie ganz genau eingehalten werden kann ?
Aber ich stelle noch härtere Zumuthungen an meine Leser .
Ich verlange von den Gebildeten , an die ich mich wende , ein
Umdenken und Umlernen mancher alten Vorstellung . Und gerade
den besten Juden , die sich um die Lösung der Judenfrage thätig
bemüht haben , muthe ich zu , ihre bisherigen Versuche als
verfehlt und unwirksam anzusehen .
In der Darstellung der Idee habe ich mit einer Gefahr
zu kämpfen . Wenn ich all' die in der Zukunft liegenden Dinge
zurückhaltend sage , wird es scheinen , als glaubte ich selbst nicht
an ihre Möglichkeit . Wenn ich dagegen die Verwirklichung vorbehaltlos
ankündige , wird Alles vielleicht wie ein Hirngespinst
aussehen .
Darum sage ich deutlich und fest : ich glaube an die Möglichkeit
der Ausführung , wenn ich mich auch nicht vermesse ,
die endgiltige Form des Gedankens gefunden zu haben . Der
Judenstaat ist ein Weltbedürfniss , folglich wird er entstehen .
Von irgend einem Einzelnen betrieben , wäre es eine recht
verrückte Geschichte – aber wenn viele Juden gleichzeitig
darauf eingehen , ist es vollkommen vernünftig , und die Durchführung
bietet keine nennenswerthen Schwierigkeiten . Die Idee
hängt nur von der Zahl ihrer Anhänger ab . Vielleicht werden
unsere aufstrebenden jungen Leute , denen jetzt schon alle Wege
versperrt sind , und denen sich im Judenstaate die sonnige Aussicht
auf Ehre , Freiheit und Glück eröffnet , die Verbreitung der
Idee besorgen .
Ich selbst halte meine Aufgabe mit der Publication dieser
Schrift für erledigt . Ich werde das Wort nur noch nehmen , wenn
Angriffe beachtenswerther Gegner mich dazu zwingen , oder wenn
es gilt , unvorhergesehene Einwände zu widerlegen , Irrthümer
zu beseitigen .
Ist das , was ich sage , heute noch nicht richtig ? Bin ich
meiner Zeit voraus ? Sind die Leiden der Juden noch nicht gross
genug ? Wir werden sehen .
Es hängt also von den Juden selbst ab , ob diese Staatsschrift
vorläufig nur ein Staatsroman ist . Wenn die jetzige Generation
noch zu dumpf ist , wird eine andere , höhere , bessere
kommen . Die Juden , die wollen , werden ihren Staat haben und
sie werden ihn verdienen .
Einleitung .
D ie volkswirthschaftliche Einsicht von Männern , die mitten
im praktischen Leben stehen , ist oft verblüffend gering .
Nur so lässt sich erklären , dass auch Juden das Schlagwort der Antisemiten
gläubig nachsagen : wir lebten von den „ Wirthsvölkern “ ,
und wenn wir kein „ Wirthsvolk “ um uns hätten , müssten wir
verhungern . Das ist einer der Punkte , auf denen sich die
Schwächung unseres Selbstbewusstseins durch die ungerechten
Anklagen zeigt . Wie verhält es sich mit dem „ Wirthsvolklichen “
in Wahrheit ? Soweit das nicht die alte physiokratische Beschränktheit
enthält , beruht es auf dem kindlichen Irrthum ,
dass im Güterleben immer dieselben Sachen rundlaufen . Nun
müssen wir nicht erst , wie Rip van Winkle , aus vieljährigem
Schlafe erwachen , um zu erkennen , dass die Welt sich durch
das unaufhörliche Entstehen neuer Güter verändert . In unserer
vermöge der technischen Fortschritte wunderbaren Zeit sieht
auch der geistig Aermste mit seinen verklebten Augen rings
um sich her neue Güter auftauchen . Der Unternehmungsgeist
hat sie geschaffen .
Die Arbeit ohne Unternehmungsgeist ist die stationäre ,
alte ; ihr typisches Beispiel die des Ackerbauers , der noch genau
dort steht , wo sein Urvater vor tausend Jahren stand . Alle
materielle Wohlfahrt ist durch Unternehmer verwirklicht worden .
Man schämt sich beinahe , eine solche Banalität niederzuschreiben .
Selbst wenn wir also ausschliesslich Unternehmer
wären – wie die thörichte Uebertreibung behauptet – brauchten
wir kein „ Wirthsvolk “ . Wir sind nicht auf einen Rundlauf
immer gleicher Güter angewiesen , weil wir neue Güter erzeugen .
Wir haben Arbeitssclaven von unerhörter Kraft , deren
Erscheinen in der Culturwelt eine tödliche Concurrenz für die
Handarbeit war : das sind die Maschinen . Wohl braucht man
auch Arbeiter , um die Maschinen in Bewegung zu setzen ; aber
für diese Erfordernisse haben wir Menschen genug , zu viel .
Nur wer die Zustände der Juden in vielen Gegenden des östlichen
Europa nicht kennt , wird zu behaupten wagen , dass die
Juden zur Handarbeit untauglich oder unwillig seien .
Aber ich will in dieser Schrift keine Vertheidigung der
Juden vornehmen . Sie wäre nutzlos . Alles Vernünftige und
sogar alles Sentimentale ist über diesen Gegenstand schon
gesagt worden . Nun genügt es nicht , die treffenden Gründe für
Verstand und Gemüth zu finden ; die Hörer müssen zuerst
fähig sein zu begreifen , sonst ist man ein Prediger in der
Wüste . Sind aber die Hörer schon so weit , so hoch , dann ist
die ganze Predigt überflüssig . Ich glaube an das Aufsteigen der
Menschen zu immer höheren Graden der Gesittung , nur halte
ich es für ein verzweifelt langsames . Wollten wir warten , bis
sich der Sinn auch der mittleren Menschen zur Milde abklärt ,
die Lessing hatte , als er Nathan den Weisen schrieb , so könnte
darüber unser Leben und das unserer Söhne , Enkel , Urenkel
vergehen . Da kommt uns der Weltgeist von einer andern Seite
zu Hilfe .
Dieses Jahrhundert hat uns eine köstliche Renaissance
gebracht durch die technischen Errungenschaften . Nur für die
Menschlichkeit ist dieser märchenhafte Fortschritt noch nicht
verwendet . Die Entfernungen der Erdoberfläche sind überwunden ,
und dennoch quälen wir uns ab mit Leiden der Enge .
Schnell und gefahrlos jagen wir jetzt in riesigen Dampfern
über früher unbekannte Meere . Sichere Eisenbahnen führen wir
hinauf in eine Bergwelt , die man ehemals mit Angst zu Fuss
bestieg . Die Vorgänge in Ländern , die noch gar nicht entdeckt
waren , als Europa die Juden in Ghetti sperrte , sind uns in der
nächsten Stunde bekannt . Darum ist die Judennoth ein Anachronismus
– und nicht weil es schon vor hundert Jahren
eine Aufklärungszeit gab , die in Wirklichkeit nur für die vornehmsten
Geister bestand .
Nun meine ich , dass das elektrische Licht durchaus nicht
erfunden wurde , damit einige Snobs ihre Prunkgemächer beleuchten ,
sondern damit wir bei seinem Scheine die Fragen
der Menschheit lösen . Eine , und nicht die unbedeutendste , ist
die Judenfrage . Indem wir sie lösen , handeln wir nicht nur
für uns selbst , sondern auch für viele andere Mühselige und
Beladene .
Die Judenfrage besteht . Es wäre thöricht sie zu leugnen .
Sie ist ein verschlepptes Stück Mittelalter , mit dem die Culturvölker
auch heute beim besten Willen noch nicht fertig werden
konnten . Den grossmüthigen Willen zeigten sie ja , als sie uns
emancipirten . Die Judenfrage besteht überall , wo Juden in merklicher
Anzahl leben . Wo sie nicht ist , da wird sie durch hinwandernde
Juden eingeschleppt . Wir ziehen natürlich dahin ,
wo man uns nicht verfolgt ; durch unser Erscheinen entsteht
dann die Verfolgung . Das ist wahr , muss wahr bleiben , überall ,
selbst in hochentwickelten Ländern – Beweis Frankreich –
so lange die Judenfrage nicht politisch gelöst ist . Die armen
Juden tragen jetzt den Antisemitismus nach England , sie haben
ihn schon nach Amerika gebracht .
Ich glaube , den Antisemitismus , der eine vielfach complicirte
Bewegung ist , zu verstehen . Ich betrachte diese Bewegung
als Jude , aber ohne Hass und Furcht . Ich glaube zu
erkennen , was im Antisemitismus roher Scherz , gemeiner Brotneid ,
angeerbtes Vorurtheil , religiöse Unduldsamkeit – aber auch
was darin vermeintliche Nothwehr ist . Ich halte die Judenfrage
weder für eine sociale , noch für eine religiöse , wenn sie sich
auch noch so und anders färbt . Sie ist eine nationale Frage , und
um sie zu lösen , müssen wir sie vor Allem zu einer politischen
Weltfrage machen , die im Rathe der Culturvölker zu regeln
sein wird .
Wir sind ein Volk , Ein Volk .
Wir haben überall ehrlich versucht , in der uns umgebenden
Volksgemeinschaft unterzugehen und nur den Glauben
unserer Väter zu bewahren . Man lässt es nicht zu . Vergebens
sind wir treue und an manchen Orten sogar überschwängliche
Patrioten , vergebens bringen wir dieselben Opfer an Gut und
Blut wie unsere Mitbürger , vergebens bemühen wir uns den
Ruhm unserer Vaterländer in Künsten und Wissenschaften ,
ihren Reichthum durch Handel und Verkehr zu erhöhen . In
unseren Vaterländern , in denen wir ja auch schon seit Jahrhunderten
wohnen , werden wir als Fremdlinge ausgeschrieen ;
oft von Solchen , deren Geschlechter noch nicht im Lande
waren , als unsere Väter da schon seufzten . Wer der Fremde
im Lande ist , das kann die Mehrheit entscheiden ; es ist eine
Machtfrage , wie Alles im Völkerverkehre . Ich gebe nichts von
unserem ersessenen guten Recht preis , wenn ich das als ohnehin
mandatloser Einzelner sage . Im jetzigen Zustande der Welt
und wohl noch in unabsehbarer Zeit geht Macht vor Recht .
Wir sind also vergebens überall brave Patrioten , wie es die
Hugenotten waren , die man zu wandern zwang . Wenn man uns
in Ruhe liesse ...
Aber ich glaube , man wird uns nicht in Ruhe lassen .
Durch Druck und Verfolgung sind wir nicht zu vertilgen .
Kein Volk der Geschichte hat solche Kämpfe und Leiden ausgehalten
wie wir . Die Judenhetzen haben immer nur unsere
Schwächlinge zum Abfall bewogen . Die starken Juden kehren
trotzig zu ihrem Stamme heim , wenn die Verfolgungen ausbrechen .
Man hat das deutlich in der Zeit unmittelbar nach der
Judenemancipation sehen können . Den geistig und materiell
höherstehenden Juden kam das Gefühl der Zusammengehörigkeit
gänzlich abhanden . Bei einiger Dauer des politischen Wohlbefindens ,
assimiliren wir uns überall ; ich glaube , das ist nicht
unrühmlich . Der Staatsmann , der für seine Nation den jüdischen
Raceneinschlag wünscht , müsste daher für die Dauer unseres
politischen Wohlbefindens sorgen . Und selbst ein Bismarck
vermöchte das nicht .
Denn tief im Volksgemüth sitzen alte Vorurtheile gegen
uns . Wer sich davon Rechenschaft geben will , braucht nur
dahin zu horchen , wo das Volk sich aufrichtig und einfach
äussert : das Märchen und das Sprichwort sind antisemitisch .
Das Volk ist überall ein grosses Kind , das man freilich erziehen
kann ; doch diese Erziehung würde im günstigsten Falle so
ungeheure Zeiträume erfordern , dass wir uns , wie ich schon
sagte , vorher längst auf andere Weise können geholfen
haben .
Die Assimilirung , worunter ich nicht etwa nur Aeusserlichkeiten
der Kleidung , gewisser Lebensgewohnheiten , Gebräuche
und der Sprache , sondern ein Gleichwerden in Sinn und
Art verstehe , die Assimilirung der Juden könnte überall nur
durch die Mischehe erzielt werden . Diese müsste aber von
der Mehrheit als Bedürfniss empfunden werden ; es genügt
keineswegs , die Mischehe gesetzlich als zulässig zu erklären .
Die ungarischen Liberalen , die das jetzt gethan haben , befinden
sich in einem bemerkenswerthen Irrthum . Und diese doctrinär
eingerichtete Mischehe wurde durch einen der ersten Fälle
gut illustrirt : ein getaufter Jude heiratete eine Jüdin . Der
Kampf um die jetzige Form der Eheschliessung hat aber die
Gegensätze zwischen Christen und Juden in Ungarn vielfach
verschärft und dadurch der Racenvermischung mehr geschadet
als genützt . Wer den Untergang der Juden durch Vermischung
wirklich wünscht , kann dafür nur eine Möglichkeit sehen . Die
Juden müssten vorher so viel ökonomische Macht erlangen ,
dass dadurch das alte gesellschaftliche Vorurtheil überwunden
würde . Das Beispiel liefert die Aristokratie , in der die Mischehen
verhältnissmässig am häufigsten vorkommen . Der alte Adel
lässt sich mit Judengeld neu vergolden , und dabei werden
jüdische Familien resorbirt . Aber wie würde sich diese Erscheinung
in den mittleren Schichten gestalten , wo die Judenfrage
ihren Hauptsitz hat , weil die Juden ein Mittelstandsvolk
sind ? Da wäre die vorher nöthige Erlangung der Macht gleichbedeutend
mit der wirthschaftlichen Alleinherrschaft der Juden ,
die ja schon jetzt fälschlich behauptet wird . Und wenn schon
die jetzige Macht der Juden solche Wuth- und Nothschreie der
Antisemiten hervorruft , welche Ausbrüche kämen erst durch das
weitere Wachsen dieser Macht . Eine solche Vorstufe der Resorption
kann nicht erreicht werden ; denn es wäre die Unterjochung
der Majorität durch eine noch vor kurzem verachtete
Minorität , die nicht im Besitze der kriegerischen oder administrativen
Gewalt ist . Ich halte deshalb die Resorption der Juden
auch auf dem Wege des Gedeihens für unwahrscheinlich . In
den derzeit antisemitischen Ländern wird man mir beipflichten .
In den anderen , wo sich die Juden augenblicklich wohlbefinden ,
werden meine Stammesgenossen meine Behauptungen vermuthlich
auf das heftigste bestreiten . Sie werden mir erst glauben ,
bis sie wieder von der Judenhetze heimgesucht sind . Und je
länger der Antisemitismus auf sich warten lässt , umso grimmiger
muss er ausbrechen . Die Infiltration hinwandernder , von der
scheinbaren Sicherheit angezogener Juden , sowie die aufsteigende
Classenbewegung der autochthonen Juden wirken dann gewaltig
zusammen und drängen zu einem Umsturz . Nichts ist einfacher ,
als dieser Vernunftschluss .
Dass ich ihn aber unbekümmert und nur der Wahrheit
folgend ziehe , wird mir voraussichtlich den Widerspruch , die
Feindschaft der in günstigen Verhältnissen lebenden Juden
eintragen . Soweit es nur Privatinteressen sind , deren Träger
sich aus Beschränktheit oder Feigheit bedroht fühlen , könnte
man mit lachender Verachtung darüber hinweggehen . Denn die
Sache der Armen und Bedrückten ist wichtiger . Ich will jedoch
von vorneherein keine unrichtigen Vorstellungen aufkommen
lassen ; namentlich die nicht , dass wenn jemals dieser Plan
verwirklicht würde , die besitzenden Juden an Hab und Gut
geschädigt werden könnten . Darum will ich das Vermögensrechtliche
ausführlich erklären . Kommt hingegen der ganze
Gedanke nicht über die Literatur hinaus , so bleibt ja ohnehin
alles beim Alten .
Ernster wäre der Einwand , dass ich den Antisemiten zu
Hilfe komme , wenn ich uns ein Volk , Ein Volk nenne . Dass
ich die Assimilirung der Juden , wo sie sich vollziehen will ,
hindere , und wo sie sich vollzogen hat , nachträglich gefährde ,
soweit ich als einsamer Schriftsteller überhaupt etwas zu hindern
oder zu gefährden vermag .
Dieser Einwand wird namentlich in Frankreich hervorkommen .
Ich erwarte ihn auch an anderen Orten , will aber
nur den französischen Juden im voraus antworten , weil sie das
stärkste Beispiel liefern .
Wie sehr ich auch die Persönlichkeit verehre , die starke
Einzelpersönlichkeit des Staatsmannes , Erfinders , Künstlers ,
Philosophen oder Feldherrn sowohl , als die Gesammtpersönlichkeit
einer historischen Gruppe von Menschen , die wir Volk
nennen , wie sehr ich auch die Persönlichkeit verehre , beklage
ich doch nicht ihren Untergang . Wer untergehen kann , will
und muss , der soll untergehen . Die Volkspersönlichkeit der
Juden kann , will und muss aber nicht untergehen . Sie kann
nicht , weil äussere Feinde sie zusammenhalten . Sie will nicht ,
das hat sie in zwei Jahrtausenden unter ungeheuren Leiden
bewiesen . Sie muss nicht , das versuche ich in dieser Schrift
nach vielen anderen Juden , welche die Hoffnung nicht aufgaben ,
darzuthun . Ganze Aeste des Judenthumes können absterben ,
abfallen ; der Baum lebt .
Wenn nun alle oder einige französische Juden gegen
diesen Entwurf protestiren , weil sie sich bereits „ assimilirt “
hätten , so ist meine Antwort einfach : Die ganze Sache geht
sie nichts an . Sie sind israelitische Franzosen , vortrefflich !
Dies ist jedoch eine innere Angelegenheit der Juden .
Nun würde allerdings die staatbildende Bewegung , die
ich vorschlage , den israelitischen Franzosen ebensowenig schaden ,
wie den „ Assimilirten “ anderer Länder . Nützen würde sie ihnen
im Gegentheile , nützen ! Denn sie wären in ihrer „ chromatischen
Function “ , um Darwin's Wort zu gebrauchen , nicht mehr gestört .
Sie könnten sich ruhig assimiliren , weil der jetzige Antisemitismus
für immer zum Stillstand gebracht wäre . Man würde
es ihnen auch glauben , dass sie bis in's Innerste ihrer Seele
assimilirt sind , wenn der neue Judenstaat mit seinen besseren
Einrichtungen zur Wahrheit geworden ist , und sie dennoch
bleiben , wo sie jetzt wohnen .
Noch mehr Vortheil als die christlichen Bürger würden die
„ Assimilirten “ von der Entfernung der stammestreuen Juden haben .
Denn die Assimilirten werden die beunruhigende , unberechenbare ,
unvermeidliche Concurrenz des jüdischen Proletariats los , das durch
politischen Druck und wirthschaftliche Noth von Ort zu Ort ,
von Land zu Land geworfen wird . Dieses schwebende Proletariat
würde festgemacht werden . Jetzt können manche christliche
Staatsbürger – man nennt sie Antisemiten – sich gegen
die Einwanderung fremder Juden sträuben . Die israelitischen
Staatsbürger können das nicht , obwohl sie viel schwerer be-
troffen sind ; denn auf sie drückt zunächst der Wettbewerb
gleichartiger wirthschaftlicher Individuen , die zudem auch noch
den Antisemitismus importiren oder den vorhandenen verschärfen .
Es ist ein heimlicher Jammer der Assimilirten , der
sich in „ wohlthätigen “ Unternehmungen Luft macht . Sie gründen
Auswanderungsvereine für zureisende Juden . Diese Erscheinung
enthält einen Gegensinn , den man komisch finden könnte , wenn
es sich nicht um leidende Menschen handelte . Einzelne dieser
Unterstützungsvereine sind nicht für , sondern gegen die verfolgten
Juden da . Die Aermsten sollen nur recht schnell , recht
weit weggeschafft werden . Und so entdeckt man bei aufmerksamer
Betrachtung , dass mancher scheinbare Judenfreund nur ein
als Wohlthäter verkleideter Antisemit jüdischen Ursprungs ist .
Aber selbst die Colonisirungsversuche wirklich wohlmeinender
Männer haben sich bisher nicht bewährt , obwohl es
interessante Versuche waren . Ich glaube nicht , dass es sich
Dem oder Jenem nur um einen Sport gehandelt habe ; dass Der
oder Jener arme Juden wandern liess , wie man Pferde rennen
lässt . Dazu ist die Sache denn doch zu ernst und traurig . Interessant
waren diese Versuche insofern , als sie im Kleinen die
praktischen Vorläufer der Judenstaats-Idee vorstellten . Und
sogar nützlich waren sie insofern , als dabei Fehler gemacht
wurden , aus denen man bei einer Verwirklichung im Grossen
lernen kann . Freilich ist durch diese Versuche auch Schaden
gestiftet worden . Die Verpflanzung des Antisemitismus nach neuen
Gegenden , welche die nothwendige Folge einer solchen künstlichen
Infiltration ist , halte ich noch für den geringsten Nachtheil .
Schlimmer ist , dass die ungenügenden Ergebnisse bei den
Juden selbst Zweifel an der Brauchbarkeit des jüdischen Menschenmaterials
hervorriefen . Diesem Zweifel wird aber bei den Verständigen
durch folgende einfache Argumentation beizukommen
sein : Was im Kleinen unzweckmässig oder undurchführbar ist ,
muss es noch nicht im Grossen sein . Ein kleines Unternehmen
kann unter denselben Bedingungen Verlust bringen , unter denen
ein grosses sich rentirt . Ein Bach ist nicht einmal mit Kähnen
schiffbar ; der Fluss , in den er sich ergiesst , trägt stattliche
eiserne Fahrzeuge .
Niemand ist stark oder reich genug , um ein Volk von
einem Wohnort nach einem anderen zu versetzen . Das vermag
nur eine Idee . Die Staatsidee hat wohl eine solche Gewalt . Die
Juden haben die ganze Nacht ihrer Geschichte hindurch nicht
aufgehört , diesen königlichen Traum zu träumen : „ Ueber's Jahr
in Jerusalem ! “ ist unser altes Wort . Nun handelt es sich darum ,
zu zeigen , dass aus dem Traum ein tagheller Gedanke werden
kann .
Dazu muss vor Allem in den Seelen tabula rasa gemacht
werden von mancherlei alten , überholten , verworrenen , beschränkten
Vorstellungen . So werden dumpfe Gehirne zunächst
meinen , dass die Wanderung aus der Cultur hinaus in die
Wüste gehen müsse . Nicht wahr ! Die Wanderung vollzieht sich
mitten in der Cultur . Man kehrt nicht auf eine niedrigere Stufe
zurück , sondern ersteigt eine höhere . Man bezieht keine Lehmhütten ,
sondern schönere , modernere Häuser , die man sich neu
baut und ungefährdet besitzen darf . Man verliert nicht sein
erworbenes Gut , sondern verwerthet es . Man gibt sein gutes
Recht nur auf gegen ein besseres . Man trennt sich nicht von
seinen lieben Gewohnheiten , sondern findet sie wieder . Man
verlässt das alte Haus nicht , bevor das neue fertig ist . Es ziehen
immer nur diejenigen , die sicher sind , ihre Lage dadurch zu
verbessern . Erst die Verzweifelten , dann die Armen , dann die
Wohlhabenden , dann die Reichen . Die Vorangegangenen erheben
sich in die höhere Schichte , bis diese letztere ihre Angehörigen
nachschickt . Die Wanderung ist zugleich eine aufsteigende
Classenbewegung .
Und hinter den abziehenden Juden entstehen keine wirthschaftlichen
Störungen , keine Krisen und Verfolgungen , sondern
es beginnt eine Periode der Wohlfahrt für die verlassenen
Länder . Es tritt eine innere Wanderung der christlichen Staatsbürger
in die aufgegebenen Positionen der Juden ein . Der
Abfluss ist ein allmäliger , ohne jede Erschütterung , und schon
sein Beginn ist das Ende des Antisemitismus . Die Juden scheiden
als geachtete Freunde , und wenn Einzelne dann zurückkommen ,
wird man sie in den civilisirten Ländern genau so wohlwollend
aufnehmen und behandeln , wie andere fremde Staatsangehörige .
Diese Wanderung ist auch keine Flucht , sondern ein geordneter
Zug unter der Controle der öffentlichen Meinung . Die Bewegung
ist nicht nur mit vollkommen gesetzlichen Mitteln einzuleiten ,
sie kann überhaupt nur durchgeführt werden unter freundlicher
Mitwirkung der betheiligten Regierungen , die davon wesentliche
Vortheile haben .
Für die Reinheit der Idee und die Kraft ihrer Ausführung
sind Bürgschaften nöthig , die sich nur in sogenannten „ moralischen “
oder „ juristischen “ Personen finden lassen . Ich will
diese beiden Bezeichnungen , die in der Juristensprache häufig
verwechselt werden , auseinanderhalten . Als moralische Person ,
welche Subject von Rechten ausserhalb der Privat-Vermögenssphäre
ist , stelle ich die Society of Jews auf . Daneben steht
die juristische Person der Jewish Company , die ein Erwerbswesen
ist .
Der Einzelne , der auch nur Miene machte , ein solches
Riesenwerk zu unternehmen , könnte ein Betrüger oder ein
Wahnsinniger sein . Für die Reinheit der moralischen Person
bürgt der Charakter ihrer Mitglieder . Die ausreichende Kraft
der juristischen Person ist erwiesen durch ihr Capital .
Allgemeiner Theil .
Die Judenfrage .
Die Nothlage der Juden wird niemand leugnen . In allen
Ländern , wo sie in merklicher Anzahl leben , werden sie mehr
oder weniger verfolgt . Die Gleichberechtigung ist zu ihren
Ungunsten fast überall thatsächlich aufgehoben , wenn sie
im Gesetze auch existirt . Schon die mittelhohen Stellen im
Heer , in öffentlichen und privaten Aemtern sind ihnen unzugänglich .
Man versucht sie aus dem Geschäftsverkehr hinauszudrängen :
„ Kauft nicht bei Juden ! “
Die Angriffe in Parlamenten , Versammlungen , Presse , auf
Kirchenkanzeln , auf der Strasse , auf Reisen – Ausschliessung
aus gewissen Hotels – und selbst an Unterhaltungsorten mehren
sich von Tag zu Tag . Die Verfolgungen haben verschiedenen
Charakter nach Ländern und Gesellschaftskreisen . In Russland
werden Judendörfer gebrandschatzt , in Rumänien erschlägt man
ein paar Menschen , in Deutschland prügelt man sie gelegentlich
durch , in Oesterreich terrorisiren die Antisemiten das ganze
öffentliche Leben , in Algerien treten Wanderhetzprediger auf ,
in Paris knöpft sich die sogenannte bessere Gesellschaft zu ,
die Cercles schliessen sich gegen die Juden ab . Die Nuancen
sind zahllos . Es soll hier übrigens nicht eine wehleidige Aufzählung
aller jüdischen Beschwerden versucht werden . Wir
wollen uns nicht bei Einzelheiten aufhalten , wie schmerzlich
sie auch seien .
Ich beabsichtige nicht , eine gerührte Stimmung für uns
hervorzurufen . Das ist Alles faul , vergeblich und unwürdig . Ich
begnüge mich , die Juden zu fragen , ob es wahr ist , dass in
den Ländern , wo wir in merklicher Anzahl wohnen , die Lage
der jüdischen Advocaten , Aerzte , Techniker , Lehrer und Ange-
stellten aller Art immer unerträglicher wird ? Ob es wahr , dass
unser ganzer jüdischer Mittelstand schwer bedroht ist ? Ob es
wahr , dass gegen unsere Reichen alle Leidenschaften des Pöbels
gehetzt werden ? Ob es wahr , dass unsere Armen viel härter
leiden , als jedes andere Proletariat ?
Ich glaube , der Druck ist überall vorhanden . In den wirthschaftlich
obersten Schichten der Juden bewirkt er ein Unbehagen .
In den mittleren Schichten ist es eine schwere , dumpfe
Beklommenheit . In den unteren ist es die nackte Verzweiflung .
Thatsache ist , dass es überall auf dasselbe hinausgeht und
es lässt sich im classischen Berliner Rufe zusammenfassen :
Juden raus !
Ich werde nun die Judenfrage in ihrer knappsten Form
ausdrücken : Müssen wir schon „ raus “ ? und wohin ?
Oder können wir noch bleiben ? und wie lange ?
Erledigen wir zuerst die Frage des Bleibens . Können wir
auf bessere Zeiten hoffen , uns in Geduld fassen , mit Gottergebung
abwarten , dass die Fürsten und Völker der Erde in eine
für uns gnädigere Stimmung gerathen ? Ich sage , wir können
keinen Umschwung der Strömung erwarten . Warum ? Die Fürsten
– selbst wenn wir ihrem Herzen ebenso nahe stehen , wie die
anderen Bürger – können uns nicht schützen . Sie würden
den Judenhass indossiren , wenn sie den Juden zuviel Wohlwollen
bezeigten . Und unter diesem „ zuviel “ ist weniger zu
verstehen , als worauf jeder gewöhnliche Bürger oder jeder Volksstamm
Anspruch hat .
Die Völker , bei denen Juden wohnen , sind alle sammt und
sonders , verschämt oder unverschämt Antisemiten .
Das gewöhnliche Volk hat kein historisches Verständniss
und kann keines haben . Es weiss nicht , dass die Sünden des
Mittelalters jetzt an den europäischen Völkern heimkommen .
Wir sind , wozu man uns in den Ghetti gemacht hat . Wir haben
zweifellos eine Ueberlegenheit im Geldgeschäfte erlangt , weil
man uns im Mittelalter darauf geworfen hat . Jetzt wiederholt
sich der gleiche Vorgang . Man drängt uns wieder in's Geldgeschäft ,
das jetzt Börse heisst , indem man uns alle anderen
Erwerbszweige abbindet . Sind wir aber in der Börse , so wird
das wieder zur neuen Quelle unserer Verächtlichkeit . Dabei
produciren wir rastlos mittlere Intelligenzen , die keinen Abfluss
haben und dadurch eine ebensolche Gesellschaftsgefahr sind ,
wie die wachsenden Vermögen . Die gebildeten und besitzlosen
Juden fallen jetzt alle dem Socialismus zu . Die sociale Schlacht
müsste also jedenfalls auf unserem Rücken geschlagen werden ,
weil wir im capitalistischen wie im socialistischen Lager auf
den exponirtesten Punkten stehen .
Bisherige Versuche der Lösung .
Die künstlichen Mittel , die man bisher zur Ueberwindung
des Judennothstandes aufwandte , waren entweder zu kleinlich
– wie die verschiedenen Colonisirungen – oder falsch gedacht ,
wie die Versuche , die Juden in ihrer jetzigen Heimat zu Bauern
zu machen .
Was ist denn damit gethan , wenn man ein paar tausend
Juden in eine andere Gegend bringt ? Entweder sie gedeihen ,
und dann entsteht mit ihrem Vermögen der Antisemitismus –
oder sie gehen gleich zu Grunde . Mit den bisherigen Versuchen
der Ableitung armer Juden nach anderen Ländern haben wir
uns schon vorhin beschäftigt . Die Ableitung ist jedenfalls ungenügend
und zwecklos , wenn nicht geradezu zweckwidrig . Die
Lösung wird dadurch nur vertagt , verschleppt und vielleicht
sogar erschwert .
Wer aber die Juden zu Ackerbauern machen will , der ist
in einem wunderlichen Irrthume begriffen . Der Bauer ist nämlich
eine historische Kategorie und man erkennt das am besten an
seiner Tracht , die in den meisten Ländern Jahrhunderte alt
ist , sowie an seinen Werkgeräthschaften , die genau dieselben
sind , wie zu Urväterzeiten . Sein Pflug ist noch so , er sät aus
der Schürze , mäht mit der geschichtlichen Sense und drischt
mit dem Flegel . Wir wissen aber , dass es jetzt für all' das
Maschinen gibt . Die Agrarfrage ist auch nur eine Maschinenfrage .
Amerika muss über Europa siegen , sowie der Grossgrundbesitz
den kleinen vertilgt .
Der Bauer ist also eine auf den Aussterbeetat gesetzte
Figur . Wenn man den Bauer künstlich conservirt , so geschieht
es wegen der politischen Interessen , denen er zu dienen hat .
Neue Bauern nach dem alten Recept machen zu wollen , ist ein
unmögliches und thörichtes Beginnen . Niemand ist reich oder
stark genug , die Cultur gewaltsam zurückzuschrauben . Schon das
Erhalten veralteter Culturzustände ist eine ungeheuere Aufgabe ,
für die alle Machtmittel selbst des autokratisch geleiteten
Staates kaum ausreichen .
Will man also dem Juden , der intelligent ist , zumuthen ,
ein Bauer alten Schlages zu werden ? Das wäre gerade so , wie
wenn man dem Juden sagte : „ Da hast Du eine Armbrust , zieh'
in den Krieg ! “ – Was ? mit einer Armbrust , wenn die Anderen
Kleinkaliber-Gewehre und Krupp'sche Kanonen haben ? Die
Juden , die man verbauern will , haben vollkommen Recht , wenn
sie sich unter solchen Umständen nicht vom Flecke rühren .
Die Armbrust ist eine schöne Waffe und sie stimmt mich elegisch ,
wenn ich Zeit habe . Aber sie gehört in's Museum .
Nun gibt es freilich Gegenden , wo die verzweifelten Juden
sogar aufs Feld gehen oder doch gehen möchten . Und da zeigt
sich , dass diese Punkte – wie die Enclave von Hessen in
Deutschland und manche Provinzen Russlands – gerade die
Hauptnester des Antisemitismus sind .
Denn die Weltverbesserer , die den Juden ackern schicken ,
vergessen eine sehr wichtige Person , die sehr viel dreinzureden
hat . Und das ist der Bauer . Auch der Bauer hat vollkommen
Recht . Grundsteuer , Erntegefahr , Druck der Grossbesitzer , die
billiger arbeiten und besonders die amerikanische Concurrenz
machen ihm das Leben sauer genug . Dazu können die Kornzölle
nicht in's Endlose wachsen . Man kann den Fabriksarbeiter
doch auch nicht verhungern lassen ; man muss , weil sein politischer
Einfluss im Steigen ist , sogar immer mehr Rücksicht auf
ihn nehmen .
Alle diese Schwierigkeiten sind wohlbekannt , ich erwähne
sie daher nur flüchtig . Ich wollte lediglich andeuten , wie werthlos
die bisherigen in bewusster Absicht – in den meisten Fällen
auch in löblicher Absicht – gemachten Versuche der Lösung
waren . Weder die Ableitung , noch die künstliche Herabdrückung
des geistigen Niveaus in unserem Proletariat kann helfen . Das
Wundermittel der Assimilirung haben wir schon erörtert .
So ist dem Antisemitismus nicht beizukommen . Er kann
nicht behoben werden , so lange seine Gründe nicht behoben
sind . Sind diese aber behebbar ?
Gründe des Antisemitismus .
Wir sprechen jetzt nicht mehr von den Gemüthsgründen ,
alten Vorurtheilen und Bornirtheiten , sondern von den politischen
und wirthschaftlichen Gründen . Unser heutiger Antisemitismus
darf nicht mit dem religiösen Judenhasse früherer Zeiten ver-
wechselt
werden , wenn der Judenhass auch in einzelnen Ländern
noch jetzt eine confessionelle Färbung hat . Der grosse Zug der
judenfeindlichen Bewegung ist heute ein anderer . In den Hauptländern
des Antisemitismus ist dieser eine Folge der Juden-Emancipation .
Als die Culturvölker die Unmenschlichkeit der
Ausnahmegesetze einsahen und uns freiliessen , kam die Freilassung
zu spät . Wir waren gesetzlich in unseren bisherigen
Wohnsitzen nicht mehr emancipirbar . Wir hatten uns im Ghetto
merkwürdigerweise zu einem Mittelstandsvolk entwickelt und
kamen als eine fürchterliche Concurrenz für den Mittelstand
heraus . So standen wir nach der Emancipation plötzlich im
Ringe der Bourgeoisie und haben da einen doppelten Druck
auszuhalten , von innen und von aussen . Die christliche Bourgeoisie
wäre wohl nicht abgeneigt , uns dem Socialismus als
Opfer hinzuwerfen ; freilich würde das wenig helfen .
Dennoch kann man die gesetzliche Gleichberechtigung der
Juden , wo sie besteht , nicht mehr aufheben . Nicht nur weil es
gegen das moderne Bewusstsein wäre , sondern auch , weil das
sofort alle Juden , Arm und Reich , den Umsturzparteien zujagen
würde .
Man kann eigentlich nichts Wirksames gegen uns thun .
Früher nahm man den Juden ihre Juwelen weg . Wie will man
heute das bewegliche Vermögen fassen ? Es ruht in bedruckten
Papierstücken , die irgendwo in der Welt , vielleicht in christlichen
Cassen , eingesperrt sind . Nun kann man freilich die
Actien und Prioritäten von Bahnen , Banken , industriellen Unternehmungen
aller Art durch Steuern treffen , und wo die progressive
Einkommensteuer besteht , lässt sich auch der ganze
Complex des beweglichen Vermögens packen . Aber alle derartigen
Versuche können nicht gegen Juden allein gerichtet
sein , und wo man es dennoch versuchen möchte , erlebt man
sofort schwere wirthschaftliche Krisen , die sich keineswegs auf
die zuerst betroffenen Juden beschränken . Durch diese Unmöglichkeit ,
den Juden beizukommen , verstärkt und verbittert sich
nur der Hass . In den Bevölkerungen wächst der Antisemitismus
täglich , stündlich und muss weiter wachsen , weil die Ursachen
fortbestehen und nicht behoben werden können . Die causa remota
ist der im Mittelalter eingetretene Verlust unserer Assimilirbarkeit ,
die causa proxima unsere Ueberproduction an
mittleren Intelligenzen , die keinen Abfluss nach unten haben
und keinen Aufstieg nach oben – nämlich keinen gesunden
Abfluss und keinen gesunden Aufstieg . Wir werden nach unten
hin zu Umstürzlern proletarisirt , bilden die Unterofficiere aller
revolutionären Parteien und gleichzeitig wächst nach oben unsere
furchtbare Geldmacht .
Wirkung des Antisemitismus .
Der auf uns ausgeübte Druck macht uns nicht besser .
Wir sind nicht anders als die anderen Menschen . Wir lieben
unsere Feinde nicht , das ist ganz wahr . Aber nur wer sich
selbst zu überwinden vermag , darf es uns vorwerfen . Der Druck
erzeugt bei uns natürlich eine Feindseligkeit gegen unsere Bedränger
– und unsere Feindseligkeit steigert wieder den Druck .
Aus diesem Kreislauf herauszukommen , ist unmöglich .
„ Doch ! “ werden weichmüthige Schwärmer sagen , „ doch ,
es ist möglich ! Und zwar durch die herbeizuführende Güte der
Menschen . “
Brauche ich wirklich erst noch zu beweisen , was das für
eine sentimentale Faselei ist ? Wer eine Besserung der Zustände
auf die Güte aller Menschen gründen wollte , der schriebe allerdings
eine Utopie !
Ich sprach schon von unserer „ Assimilirung “ . Ich sage
keinen Augenblick , dass ich sie wünsche . Unsere Volkspersönlichkeit
ist geschichtlich zu berühmt und trotz aller Erniedrigungen
zu hoch , als dass ihr Untergang zu wünschen wäre .
Aber vielleicht könnten wir überall in den uns umgebenden
Völkern spurlos aufgehen , wenn man uns nur zwei Generationen
hindurch in Ruhe liesse . Man wird uns nicht in Ruhe lassen .
Nach kurzen Perioden der Duldsamkeit erwacht immer und
immer wieder die Feindseligkeit gegen uns . Unser Wohlergehen
scheint etwas Aufreizendes zu enthalten , weil die Welt seit
vielen Jahrhunderten gewohnt war , in uns die Verächtlichsten
unter den Armen zu sehen . Dabei bemerkt man aus Unwissenheit
oder Engherzigkeit nicht , dass unser Wohlergehen uns als Juden
schwächt und unsere Besonderheiten auslöscht . Nur der Druck
presst uns wieder an den alten Stamm , nur der Hass unserer
Umgebung macht uns wieder zu Fremden .
So sind und bleiben wir denn , ob wir es wollen oder nicht ,
eine historische Gruppe von erkennbarer Zusammengehörigkeit .
Wir sind ein Volk – der Feind macht uns ohne unseren
Willen dazu , wie das immer in der Geschichte so war . In der
Bedrängniss stehen wir zusammen und da entdecken wir plötzlich
unsere Kraft . Ja , wir haben die Kraft , einen Staat , und
zwar einen Musterstaat zu bilden . Wir haben alle menschlichen
und sachlichen Mittel , die dazu nöthig sind .
Es wäre hier eigentlich schon der Platz , von unserem
„ Menschenmaterial “ zu sprechen , wie der etwas rohe Ausdruck
lautet . Aber vorher müssen die Hauptzüge des Planes bekannt
sein , auf den ja Alles zu beziehen ist .
Der Plan .
Der ganze Plan ist in seiner Grundform unendlich einfach ,
und muss es ja auch sein , wenn er von allen Menschen verstanden
werden soll .
Man gebe uns die Souveränetät eines für unsere gerechten
Volksbedürfnisse genügenden Stückes der Erdoberfläche , alles
andere werden wir selbst besorgen .
Das Entstehen einer neuen Souveränetät ist nichts Lächerliches
oder Unmögliches . Wir haben es doch in unseren Tagen
miterlebt , bei Völkern , die nicht wie wir Mittelstandsvölker ,
sondern ärmere , ungebildete und darum schwächere Völker
sind . Uns die Souveränetät zu verschaffen , sind die Regierungen
der vom Antisemitismus heimgesuchten Länder lebhaft interessirt .
Es werden für die im Princip einfache , in der Durchführung
complicirte Aufgabe zwei grosse Organe geschaffen : die
Society of Jews und die Jewish Company .
Was die Society of Jews wissenschaftlich und politisch
vorbereitet hat , führt die Jewish Company praktisch aus .
Die Jewish Company besorgt die Liquidirung aller Vermögensinteressen
der abziehenden Juden und organisirt im
neuen Lande den wirthschaftlichen Verkehr .
Den Abzug der Juden darf man sich , wie schon gesagt
wurde , nicht als einen plötzlichen vorstellen . Es wird ein allmäliger
sein und Jahrzehnte dauern . Zuerst werden die Aermsten
gehen und das Land urbar machen . Sie werden nach einem von
vornherein feststehenden Plane Strassen , Brücken , Bahnen bauen ,
Telegraphen errichten , Flüsse reguliren , und sich selbst ihre
Heimstätten schaffen . Ihre Arbeit bringt den Verkehr , der Verkehr
die Märkte , die Märkte locken neue Ansiedler heran .
Denn jeder kommt freiwillig , auf eigene Kosten und Gefahr .
Die Arbeit , die wir in die Erde versenken , steigert den Werth
des Landes . Die Juden werden schnell einsehen , dass sich für
ihre bisher gehasste und verachtete Unternehmungslust ein
neues , dauerndes Gebiet erschlossen hat .
Will man heute ein Land gründen , darf man es nicht in
der Weise machen , die vor tausend Jahren die einzig mögliche
gewesen wäre . Es ist thöricht , auf alte Culturstufen zurückzukehren ,
wie es manche Zionisten möchten . Kämen wir beispielsweise
in die Lage , ein Land von wilden Thieren zu säubern ,
würden wir es nicht in der Art der Europäer aus dem fünften
Jahrhundert thun . Wir würden nicht einzeln mit Speer und
Lanze gegen Bären ausziehen , sondern eine grosse fröhliche
Jagd veranstalten , die Bestien zusammentreiben und eine Melinitbombe
unter sie werfen .
Wenn wir Bauten ausführen wollen , werden wir nicht
hilflose Pfahlbauten an einen Seerand stecken , sondern wir
werden bauen , wie man es jetzt thut . Wir werden kühner und
herrlicher bauen , als es je vorher geschehen ist . Denn wir
haben Mittel , die in der Geschichte noch nicht da waren .
Unseren niedersten wirthschaftlichen Schichten folgen allmälig
die nächsthöheren hinüber . Die jetzt am Verzweifeln
sind , gehen zuerst . Sie werden geführt von unserer überall
verfolgten mittleren Intelligenz , die wir überproduciren .
Die Frage der Judenwanderung soll durch diese Schrift
zur allgemeinen Discussion gestellt werden . Das heisst aber
nicht , dass eine Abstimmung eingeleitet wird . Dabei wäre die
Sache von vorneherein verloren . Wer nicht mit will , mag da
bleiben . Der Widerspruch einzelner Individuen ist gleichgiltig .
Wer mit will , stelle sich hinter unsere Fahne , und kämpfe
für sie in Wort , Schrift und That .
Die Juden , welche sich zu unserer Staatsidee bekennen ,
sammeln sich um die Society of Jews . Diese erhält dadurch
den Regierungen gegenüber die Autorität , im Namen der Juden
sprechen und verhandeln zu dürfen . Die Society wird , um es
in einer völkerrechtlichen Analogie zu sagen , als staatbildende
Macht anerkannt . Und damit wäre der Staat auch schon gebildet .
Zeigen sich nun die Mächte bereit , dem Judenvolke die
Souveränetät eines neutralen Landes zu gewähren , so wird die
Society über das zu nehmende Land verhandeln . Zwei Gebiete
kommen in Betracht : Palästina und Argentinien . Bemerkenswerthe
Colonisirungsversuche haben auf diesen beiden Punkten
stattgefunden . Allerdings nach dem falschen Princip der allmäligen
Infiltration von Juden . Die Infiltration muss immer
schlecht enden . Denn es kommt regelmässig der Augenblick ,
wo die Regierung auf Drängen der sich bedroht fühlenden Bevölkerung
den weiteren Zufluss von Juden absperrt . Die Auswanderung
hat folglich nur dann einen Sinn , wenn ihre Grundlage
unsere gesicherte Souveränetät ist .
Die Society of Jews wird mit den jetzigen Landeshoheiten
verhandeln , und zwar unter dem Protectorate der europäischen
Mächte , wenn diesen die Sache einleuchtet . Wir können der
jetzigen Landeshoheit ungeheure Vortheile gewähren , einen
Theil ihrer Staatsschulden übernehmen , Verkehrswege bauen ,
die ja auch wir selbst benöthigen , und noch vieles andere .
Doch schon durch das Entstehen des Judenstaates gewinnen
die Nachbarländer , weil im Grossen wie im Kleinen die Cultur
eines Landstriches den Werth der Umgebung erhöht .
Palästina oder Argentinien ?
Ist Palästina oder Argentinien vorzuziehen ? Die Society
wird nehmen , was man ihr gibt und wofür sich die öffentliche
Meinung des Judenvolkes erklärt . Die Society wird beides
feststellen .
Argentinien ist eines der natürlich reichsten Länder der
Erde , von riesigem Flächeninhalt , mit schwacher Bevölkerung
und gemässigtem Klima . Die argentinische Republik hätte das
grösste Interesse daran , uns ein Stück Territorium abzutreten .
Die jetzige Judeninfiltration hat freilich dort Verstimmung erzeugt ;
man müsste Argentinien über die wesentliche Verschiedenheit
der neuen Judenwanderung aufklären .
Palästina ist unsere unvergessliche historische Heimat . Dieser
Name allein wäre ein gewaltig ergreifender Sammelruf für unser
Volk . Wenn Seine Majestät der Sultan uns Palästina gäbe , könnten
wir uns dafür anheischig machen , die Finanzen der Türkei
gänzlich zu regeln . Für Europa würden wir dort ein Stück des
Walles gegen Asien bilden , wir würden den Vorpostendienst
der Cultur gegen die Barbarei besorgen . Wir würden als
neutraler Staat im Zusammenhange bleiben mit ganz Europa ,
das unsere Existenz garantiren müsste . Für die heiligen Stätten
der Christenheit liesse sich eine völkerrechtliche Form der
Exterritorialisirung finden . Wir würden die Ehrenwache um die
heiligen Stätten bilden , und mit unserer Existenz für die Erfüllung
dieser Pflicht haften . Diese Ehrenwacht wäre das grosse
Symbol für die Lösung der Judenfrage nach achtzehn für uns
qualvollen Jahrhunderten .
Bedürfniss , Organ , Verkehr .
Im vorletzten Capitel sagte ich : „ Die Jewish Company
organisirt im neuen Lande den wirthschaftlichen Verkehr “ .
Ich glaube , hierzu einige Erläuterungen einschalten zu
sollen . Ein Entwurf , wie der vorliegende , ist in seinen Grundfesten
bedroht , wenn sich die „ praktischen “ Leute dagegen
aussprechen . Nun sind die praktischen Leute wohl in der Regel
nur Routiniers , unfähig aus einem engen Kreis alter Vorstellungen
herauszutreten . Aber ihr Widerspruch gilt und vermag dem
Neuen sehr zu schaden ; wenigstens so lange das Neue selbst
nicht stark genug ist , die Praktiker mit ihren morschen Vorstellungen
über den Haufen zu werfen .
Als die Eisenbahnzeit über Europa kam , gab es Praktiker ,
welche den Bau gewisser Linien für thöricht erklärten , „ weil
dort nicht einmal die Postkutsche genug Passagiere habe “ . Man
wusste damals die Wahrheit noch nicht , die uns heute als eine
kindlich einfache vorkommt : dass nicht die Reisenden die Bahn
hervorrufen , sondern umgekehrt die Bahn die Reisenden hervorruft ,
wobei freilich das schlummernde Bedürfniss vorausgesetzt
werden muss .
In die Kategorie solcher voreisenbahnlicher „ praktischer “
Bedenken wird es gehören , wenn Manche sich nicht vorstellen
können , wie in dem neuen , erst noch zu gewinnenden , erst
noch zu cultivirenden Lande der wirthschaftliche Verkehr der
Ankömmlinge beschaffen sein soll . Ein Praktiker wird also beiläufig
Folgendes sagen :
„ Zugegeben , dass die jetzigen Zustände der Juden an
vielen Orten unhaltbar sind und immer schlechter werden
müssen ; zugegeben , dass die Auswanderungslust entsteht ; zugegeben
sogar , dass die Juden nach dem neuen Lande wandern ,
wie und was werden sie dort verdienen ? Wovon werden sie
leben ? Der Verkehr vieler Menschen lässt sich doch nicht
künstlich von einem Tag auf den andern einrichten . “
Darauf ist meine Antwort : Von der künstlichen Einrichtung
eines Verkehrs ist gar nicht die Rede , und am allerwenigsten
soll das von einem Tag auf den anderen gemacht
werden . Wenn man aber den Verkehr auch nicht einzurichten
vermag , anregen kann man ihn . Wodurch ? Durch das Organ
eines Bedürfnisses . Das Bedürfniss will erkannt , das Organ
will geschaffen werden , der Verkehr macht sich dann von selbst .
Ist das Bedürfniss der Juden , in bessere Zustände zu gelangen ,
ein wahres , tiefes ; ist das zu schaffende Organ dieses
Bedürfnisses , die Jewish Company , hinreichend mächtig : so
muss der Verkehr im neuen Lande sich in Fülle einstellen .
Das liegt freilich in der Zukunft , wie die Entwicklung des
Bahnverkehrs für die Menschen der Dreissiger Jahre in der
Zukunft lag . Die Eisenbahnen wurden dennoch gebaut . Man
ist glücklicherweise über die Bedenken von Praktikern der
Postkutsche hinweggegangen .
Die Jewish Company .
Grundzüge .
Die Jewish Company ist zum Theil nach dem Vorbilde
der grossen Landnahmegesellschaften gedacht – eine jüdische
Chartered Company , wenn man will . Nur steht ihr nicht die
Ausübung von Hoheitsrechten zu , und sie hat nicht allein
coloniale Aufgaben .
Die Jewish Company wird als eine Actiengesellschaft gegründet ,
mit der englischen Rechtssubjectivität , nach den Gesetzen
und unter dem Schutze Englands . Der Hauptsitz ist
London . Wie gross das Actiencapital zu sein habe , kann ich
jetzt nicht sagen . Unsere zahlreichen Finanzkünstler werden
das ausrechnen . Um aber nicht unbestimmte Ausdrücke zu gebrauchen ,
will ich eine Milliarde Mark annehmen . Es wird vielleicht
mehr , vielleicht weniger sein müssen . Von der Form der
Geldbeschaffung , die weiterhin erörtert werden soll , wird es
abhängen , welcher Bruchtheil der grossen Summe beim Beginn
der Thätigkeit factisch einzuzahlen ist .
Die Jewish Company ist ein Uebergangs-Institut . Sie ist
ein rein geschäftliches Unternehmen , das von der Society of
Jews immer sorgsam unterschieden bleibt .
Die Jewish Company hat zunächst die Aufgabe , die Immobilien
der abziehenden Juden zu liquidiren . Die Art , in der
das geschieht , verhütet Krisen , sichert Jedem das Seine , und
ermöglicht jene innere Wanderung der christlichen Mitbürger ,
die schon angedeutet wurde .
Immobiliengeschäft .
Die in Betracht kommenden Immobilien sind Häuser , Landgüter
und örtliche Kundschaft der Geschäfte . Die Jewish Company
wird sich anfangs nur bereit erklären , die Verkäufe dieser Immobilien
zu vermitteln . In der ersten Zeit werden ja die Verkäufe
der Juden frei und ohne grosse Preisstürze stattfinden .
Die Zweigniederlassungen der Company werden in jeder Stadt
zu Centralen des jüdischen Güterverkaufs werden . Jede Zweiganstalt
wird dafür nur den Provisionssatz einheben , den ihre
Selbsterhaltung erfordert .
Nun kann es die Entwicklung der Bewegung mit sich
bringen , dass die Immobilienpreise sinken und schliesslich die
Verkaufsunmöglichkeit eintritt . In diesem Stadium spaltet sich
die Function der Company als Gütervermittlerin in neue Zweige .
Die Company wird Verwalterin der verlassenen Immobilien und
wartet die geeigneten Zeitpunkte zur Veräusserung ab . Sie hebt
Hauszinse ein , verpachtet Landgüter und setzt Geschäftsführer ,
wenn möglich auch im Pachtverhältnisse – wegen der nöthigen
Sorgfalt – ein . Die Company wird überall die Tendenz haben ,
diesen Pächtern – Christen – die Eigenthumserwerbung zu
erleichtern . Sie wird überhaupt nach und nach ihre europäischen
Anstalten mit durchaus christlichen Beamten und freien Vertretern
( Advocaten etc. ) besetzen , und diese sollen durchaus
nicht zu Judenknechten werden . Sie werden gleichsam freie
Controlsbehörden der christlichen Bevölkerung abgeben dafür ,
dass alles mit rechten Dingen zugeht , dass redlich und in gutem
Glauben gehandelt und nirgends eine Erschütterung des Volkswohlstandes
beabsichtigt wird .
Zugleich wird die Company als Güterkäuferin auftreten ,
richtiger als Gutstauscherin . Sie wird für ein Haus ein Haus ,
für ein Gut ein Gut geben , und zwar „ drüben “ . Alles ist , wenn
möglich , so zu verpflanzen , wie es „ hüben “ war . Und da eröffnet
sich für die Company eine Quelle grosser und erlaubter Gewinne .
Sie wird „ drüben “ schönere , moderne , mit allem Comfort
ausgestattete Häuser , bessere Landgüter geben , die sie dennoch
viel weniger kosten , denn sie hat Grund und Boden billig
erworben .
Der Landkauf .
Das der Society of Jews völkerrechtlich zugesicherte Land
ist natürlich auch privatrechtlich zu erwerben .
Die Vorkehrungen zur Ansiedlung , die der Einzelne trifft ,
fallen nicht in den Rahmen dieser Ausführungen . Aber die
Company braucht grosse Landstrecken für ihre und unsere Bedürfnisse .
Sie wird sich den nöthigen Boden durch centralisirten
Kauf sichern . Hauptsächlich wird es sich um die Erwerbung
der jetzigen Landeshoheit gehöriger Staatsdomänen handeln .
Das Ziel ist , „ drüben “ in's Eigenthum des Landes zu kommen ,
ohne die Preise zur Schwindelhöhe hinaufzutreiben , gleichwie
„ hüben “ verkauft wird , ohne die Preise zu drücken . Eine wüste
Preistreiberei ist dabei nicht zu besorgen , denn den Werth des
Landes bringt erst die Company mit , weil sie die Besiedlung
leitet und zwar im Einvernehmen mit der beaufsichtigenden
Society of Jews . Die Letztere wird auch dafür sorgen , dass aus
der Unternehmung kein Panama werde , sondern ein Suez .
Die Company wird ihren Beamten Bauplätze zu billigen
Bedingungen ablassen , ihnen für den Bau ihrer schönen Heimstätten
Amortisationscredite gewähren und von ihren Gehalten
abziehen oder nach und nach als Zulagen anrechnen . Das wird
neben den Ehren , die sie erwarten , eine Form der Belohnung
ihrer Dienste sein .
Der ganze riesige Gewinn aus der Landspeculation soll
der Company zufliessen , weil sie für die Gefahr eine unbestimmte
Prämie bekommen muss wie jeder freie Unternehmer .
Wo eine Gefahr beim Unternehmen vorliegt , soll der Unternehmergewinn
weitherzig begünstigt werden . Aber er ist auch
nur dort zu dulden . Die Correlation von Gefahr und Prämie
enthält die finanzielle Sittlichkeit .
Bauten .
Die Company wird also Häuser und Güter eintauschen .
Am Grund und Boden wird und muss die Company gewinnen .
Das ist Jedem klar , der irgendwo und irgendwann die Wertherhöhungen
des Bodens durch Culturanlagen beobachtet hat . Am
besten sieht man das an den Enclaven in Stadt und Land . Un-
bebaute Flächen steigen im Werthe durch den Kranz von Cultur ,
der um sie gelegt wird . Eine in ihrer Einfachheit geniale
Bodenspeculation war die der Pariser Stadterweiterer , welche
die Neubauten nicht an die letzten Häuser der Stadt unmittelbar
anschlossen , sondern die angrenzenden Grundstücke aufkauften
und am äusseren Rande zu bauen anfingen . Durch diesen
umgekehrten Baugang wuchs der Werth der Hausparzellen
ungemein rasch und statt immer wieder die letzten Häuser der
Stadt zu errichten , bauten sie , nachdem der Rand fertig war ,
nur noch mitten in der Stadt , also auf werthvolleren Parzellen .
Wird die Company selbst bauen oder freien Architekten
ihre Aufträge geben ? Sie kann beides , sie wird beides thun .
Sie hat , wie sich bald zeigen wird , einen gewaltigen Vorrath
an Arbeitskräften , die durchaus nicht capitalsmässig bewuchert
werden sollen , die in glückliche und heitere Bedingungen
des Lebens gebracht und doch nicht theuer sein werden . Für
Baumaterial haben unsere Geologen gesorgt , als sie die Bauplätze
für die Städte suchten .
Welches wird nun das Bauprincip sein ?
Arbeiterwohnungen .
Die Arbeiterwohnungen ( worunter die Wohnungen aller
Handarbeiter begriffen sind ) sollen in eigener Regie hergestellt
werden . Ich denke keineswegs an die traurigen Arbeiterkasernen
der europäischen Städte und nicht an die kümmerlichen Hütten ,
die um Fabriken herum in Reih' und Glied stehen . Unsere
Arbeiterhäuser müssen zwar auch einförmig aussehen – weil
die Company nur billig bauen kann , wenn sie die Baubestandtheile
in grossen Massen herstellt – aber diese einzelnen
Häuser mit ihren Gärtchen sollen an jedem Orte zu schönen
Gesammtkörpern vereinigt werden . Die natürliche Beschaffenheit
der Gegend wird das frohe Genie unserer jungen , nicht in der
Routine befangenen Architekten anregen , und wenn das Volk
auch nicht den grossen Zug des Ganzen verstehen wird , so wird
es sich doch wohlfühlen in dieser leichten Gruppirung . Der
Tempel wird weithin sichtbar darin stehen , weil uns ja nur der
alte Glaube zusammengehalten hat . Und freundliche , helle , gesunde
Schulen für Kinder mit allen modernen Lehrmitteln . Ferner
Handwerker-Fortbildungsschulen , die aufsteigend nach höheren
Zwecken den einfachen Handwerker befähigen sollen , technologische
Kenntnisse zu erwerben und sich mit dem Maschinenwesen
zu befreunden . Ferner Unterhaltungshäuser für das Volk ,
welche die Society of Jews von oben herab für die Sittlichkeit
leiten wird .
Es soll jetzt übrigens nur von den Bauten gesprochen
werden , nicht davon , was in ihnen vorgehen wird .
Die Arbeiterwohnungen wird die Company billig bauen ,
sage ich . Nicht nur , weil alle Baumaterialien in Masse da sein
werden ; nicht nur , weil der Grund der Company gehört , sondern
auch , weil sie die Arbeiter dafür nicht zu bezahlen braucht .
Die Farmer in Amerika haben das System , einander gegenseitig
bei ihren Hausbauten zu helfen . Dieses kindlich gutmüthige
System – plump wie die Blockhäuser , die so entstehen – kann
sehr verfeinert werden .
Die „ ungelernten “ Arbeiter .
( Unskilled Labourers . )
Unsere ungelernten Arbeiter , die zuerst aus dem grossen
russischen und rumänischen Reservoir kommen werden , müssen
sich auch gegenseitig ihre Häuser bauen . Wir werden ja anfangs
kein eigenes Eisen haben und auch mit Holz bauen müssen .
Das wird später anders werden und die dürftigen Nothbauten
der ersten Zeit werden dann durch bessere ersetzt .
Unsere „ unskilled labourers “ bauen einander zuerst ihre
Unterkünfte und sie erfahren es vorher . Und zwar erwerben sie
durch die Arbeit die Häuser in's Eigenthum – allerdings nicht
gleich , sondern erst dafür , dass sie sich durch eine Zeit von
drei Jahren gut aufführen . So bekommen wir eifrige , anstellige
Leute , und ein Mann , der drei Jahre in guter Zucht gearbeitet
hat , ist erzogen für 's Leben .
Ich sagte vorhin , dass die Company diese Unskilleds nicht
zu bezahlen braucht . Ja , wovon werden sie leben ?
Ich bin im Allgemeinen gegen das Trucksystem . Bei diesen
ersten Landnehmern sollte es dennoch angewendet werden . Die
Company sorgt in so vielen Beziehungen für sie , dass sie sie
auch verpflegen darf . Das Trucksystem soll überhaupt nur für
die ersten Jahre gelten und wird auch den Arbeitern eine
Wohlthat sein , weil es die Bewucherung durch Kleinhändler ,
Wirthe etc. verhindert . Die Company aber vereitelt so von vornherein ,
dass sich unsere kleinen Leute drüben dem gewohnten
Hausirhandel zuwenden , zu dem sie hüben ja auch nur durch
eine geschichtliche Entwicklung gezwungen wurden . Und die
Company behält die Säufer und Liederlichen in der Hand . Es
wird also in der ersten Zeit der Landnahme gar keine Arbeitslöhne
geben ?
Doch : Ueberlöhne .
Der Siebenstundentag .
Der Normalarbeitstag ist der Siebenstundentag !
Das heisst nicht , dass täglich nur sieben Stunden lang
Bäume gefällt , Erde gegraben , Steine geführt , kurz die hundert
Arbeiten gethan werden sollen . Nein . Man wird vierzehn Stunden
arbeiten . Aber die Arbeitertrupps werden einander nach je
dreieinhalb Stunden ablösen . Die Organisation wird ganz militärisch
sein , mit Chargen , Avancement und Pensionirung . Wo
die Pensionen herzunehmen sind , wird später ausgeführt .
Dreieinhalb Stunden hindurch kann ein gesunder Mann
sehr viel concentrirte Arbeit hergeben . Nach dreieinhalb Stunden
Pause – die er seiner Ruhe , seiner Familie , seiner geleiteten
Fortbildung widmet – ist er wieder ganz frisch . Solche Arbeitskräfte
können Wunder wirken .
Der Siebenstundentag ! Er macht vierzehn allgemeine
Arbeitsstunden möglich – mehr geht in den Tag nicht hinein .
Ich habe zudem die Ueberzeugung , dass der Siebenstundentag
vollkommen durchführbar ist . Man kennt die Versuche in
Belgien und England . Einzelne vorgeschrittene Socialpolitiker
behaupten sogar , dass der Fünfstundentag vollkommen ausreichen
würde . Die Society of Jews und die Jewish Company
werden ja darin reiche neue Erfahrungen sammeln – die den
übrigen Völkern der Erde auch zu Gute kommen werden –
und wenn sich zeigt , dass der Siebenstundentag praktisch möglich
ist , so wird ihn unser künftiger Staat als gesetzlichen Normaltag
einführen .
Nur die Company wird immerwährend ihren Leuten den
Siebenstundentag gewähren . Sie wird es auch immer thun können .
Den Siebenstundentag aber brauchen wir als Weltsammelruf
für unsere Leute , die ja frei herankommen sollen . Es muss
wirklich das gelobte Land sein . .
Wer nun länger als sieben Stunden arbeitet , bekommt für
die Ueberzeit den Ueberlohn in Geld . Da alle seine Bedürfnisse
gedeckt sind , die Arbeitsunfähigen seiner Familie aus den hinüber
verpflanzten centralisirten Wohlthätigkeitsanstalten versorgt
werden , so kann er sich etwas ersparen . Wir wollen den bei
unseren Leuten ohnehin vorhandenen Spartrieb fördern , weil er
das Aufsteigen des Individuums in höhere Schichten erleichtert
und weil wir uns damit ein ungeheures Capitalsreservoir für
künftige Anleihen vorbereiten .
Die Ueberzeit des Siebenstundentages darf nicht mehr als
drei Stunden dauern und auch nur nach ärztlicher Untersuchung .
Denn unsere Leute werden sich im neuen Leben zur Arbeit
herandrängen , und die Welt wird erst sehen , welch ein arbeitsames
Volk wir sind .
Wie das Trucksystem der Landnehmer einzurichten ist
( Bons etc. ) , führe ich jetzt ebensowenig aus , wie andere unzählige
Details , um nicht zu verwirren . Die Frauen werden zu
schweren Arbeiten überhaupt nicht zugelassen und dürfen keine
Ueberzeit leisten .
Schwangere Frauen sind von jeder Arbeit befreit und
werden vom Truck reichlicher genährt . Denn wir brauchen in
der Zukunft starke Geschlechter .
Die Kinder erziehen wir gleich von Anfang an , wie wir
sie wünschen . Darauf gehe ich jetzt nicht ein .
Was ich soeben von den Arbeiterwohnungen ausgehend
über die Unskilleds und ihre Lebensweise gesagt habe , ist
ebensowenig eine Utopie , wie das übrige . Das alles kommt
schon in der Wirklichkeit vor , nur unendlich klein , unbeachtet ,
unverstanden . Für die Lösung der Judenfrage war mir die
„ Assistance par le travail “ , die ich in Paris kennen und verstehen
lernte , von grossem Werthe .
Die Arbeitshilfe .
Die Arbeitshilfe , wie sie jetzt in Paris und verschiedenen
Städten Frankreichs , in England , in der Schweiz und in Amerika
besteht , ist etwas kümmerlich Kleines , doch das Grösste ist
daraus zu machen .
Was ist das Princip der Assistance par le travail ?
Das Princip ist , dass man jedem Bedürftigen unskilled
labour gibt , eine leichte , ungelernte Arbeit , wie z. B. Holzverkleinern ,
die Erzeugung der „ margotins “ , mit denen in den
Pariser Haushaltungen das Herdfeuer angemacht wird . Es ist
eine Art Gefangenhausarbeit vor dem Verbrechen , das heisst
ohne Ehrlosigkeit . Niemand braucht mehr aus Noth zum Verbrechen
zu schreiten , wenn er arbeiten will . Aus Hunger dürfen
keine Selbstmorde mehr begangen werden . Diese sind ja ohnehin
eines der ärgsten Schandmale einer Cultur , wo vom Tische
der Reichen den Hunden Leckerbissen hingeworfen werden .
Die Arbeitshilfe gibt also Jedem Arbeit . Hat sie denn
für die Producte Absatz ? Nein . Wenigstens nicht genügenden .
Hier ist der Mangel der bestehenden Organisation . Diese Assistance
arbeitet immer mit Verlust . Allerdings ist sie auf den
Verlust gefasst . Es ist ja eine Wohlthätigkeitsanstalt . Die Spende
stellt sich hier dar als Differenz zwischen Gestehungskosten
und erlöstem Preise . Statt dem Bettler zwei Sous zu geben ,
gibt sie ihm eine Arbeit , an der sie zwei Sous verliert . Der
lumpige Bettler aber , der zum edlen Arbeiter geworden ist ,
verdient 1 Francs 50 Centimes . Für 10 Centimes 150 ! Das
heisst , die nicht mehr beschämende Wohlthat verfünfzehnfachen .
Das heisst , aus einer Milliarde fünfzehn Milliarden machen !
Die Assistance verliert freilich die zehn Centimes . Die
Jewish Company wird die Milliarde nicht verlieren , sondern
riesige Gewinne erzielen .
Hinzu kommt das Moralische . Erreicht wird schon durch
die kleine Arbeitshilfe , wie sie jetzt existirt , die sittliche Aufrichtung
durch die Arbeit , bis der beschäftigungslose Mensch
eine seinen Fähigkeiten angemessene Stellung in seinem früheren
oder einem neuen Berufe gefunden hat . Er hat täglich einige
Stunden für das Suchen frei , auch vermittelt die Assistance
Dienste .
Das Gebrechen der bisherigen kleinen Einrichtung ist ,
dass den Holzhändlern etc. keine Concurrenz gemacht werden
darf . Die Holzhändler sind Wähler , sie würden schreien , und
sie hätten Recht . Auch der Gefangenhausarbeit des Staates
darf keine Concurrenz gemacht werden , der Staat muss seine
Verbrecher beschäftigen und verpflegen .
In einer alten Gesellschaft wird für die Assistance par le
travail überhaupt schwer Raum zu schaffen sein .
Aber in unserer neuen !
Vor allem brauchen wir ungeheure Mengen unskilled
labour für unsere ersten Landnahmearbeiten , Strassenanlagen ,
Durchforstungen , Erdaushebungen , Bahn- und Telegraphenanlagen
etc . Das wird alles nach einem grossen , von Anfang an
feststehenden Plane geschehen .
Der Marktverkehr .
Indem wir nun die Arbeit in's neue Land hinüberlegen ,
bringen wir auch gleich den Marktverkehr mit . Freilich anfangs
nur ein Markt der ersten Lebensbedürfnisse : Vieh , Getreide ,
Arbeiterkleider , Werkzeuge , Waffen , um nur Einiges zu erwähnen .
Zunächst werden wir das in Nachbarstaaten oder in Europa
einkaufen , uns dann aber möglichst bald selbstständig machen .
Die jüdischen Unternehmer werden rasch begriffen haben , welche
Aussichten sich ihnen da eröffnen .
Allmälig werden durch das Heer der Company-Beamten feinere
Bedürfnisse hinübergetragen werden . ( Zu den Beamten rechne
ich auch die Officiere der Schutztruppe , die immer etwa ein
Zehntel der männlichen Einwanderer betragen soll . Das wird
gegen Meutereien schlechter Leute genügen ; die Meisten sind
ja friedfertig . )
Die feineren Bedürfnisse der gutgestellten Beamten erzeugen
wieder einen feineren Markt , der zunehmend wächst .
Die Verheirateten lassen ihre Familien nachkommen , die Ledigen
ihre Eltern und Geschwister , sobald sie drüben ein Heim haben .
Wir sehen ja diese Bewegung bei den Juden , die jetzt nach
den Vereinigten Staaten auswandern . Wie Einer Brot zu essen
hat , lässt er gleich seine Leute nachkommen . Die Bande der
Familie sind ja so stark im Judenthum . Society of Jews und
Jewish Company werden zusammenwirken , um die Familie noch
weiter zu stärken und zu pflegen . Ich meine hier nicht das
Moralische – das versteht sich von selbst – sondern das
Materielle . Die Beamten werden Ehe- und Kinderzulagen haben .
Wir brauchen Leute , alle , die da sind und alle , die nachkommen .
Andere Kategorien von Heimstätten .
Ich habe die Hauptkette dieser Auseinandersetzungen beim
Baue der Arbeiterwohnungen in eigener Regie verlassen . Nun
kehre ich zurück zu anderen Kategorien von Heimstätten . Auch
den Kleinbürgern wird die Company durch ihre Architekten
Häuser bauen lassen , entweder als Tauschobjecte oder für Geld .
Die Company wird etwa hundert Häusertypen von ihren Architekten
anfertigen und vervielfältigen lassen . Diese hübschen
Muster werden zugleich einen Theil der Propaganda bilden .
Jedes Haus hat seinen festen Preis , die Güte der Ausführung
wird von der Company garantirt , die am Hausbaue nichts verdienen
will . Ja wo werden diese Häuser stehen ? Das wird bei
den Ortsgruppen gezeigt werden .
Da die Company an den Bauarbeiten nichts verdienen
will , sondern nur am Grund und Boden , so wird es nur erwünscht
sein , wenn recht viele freie Architekten im Privatauftrage bauen .
Dadurch wird der Landbesitz mehr werth , dadurch kommt Luxus
in's Land , und den Luxus brauchen wir für verschiedene Zwecke .
Namentlich für die Kunst , für Industrie und in einer späteren
Ferne für den Zerfall der grossen Vermögen .
Ja , die reichen Juden , die jetzt ihre Schätze ängstlich
verbergen müssen und bei herabgelassenen Vorhängen ihre unbehaglichen
Feste geben , werden drüben frei geniessen dürfen .
Wenn diese Auswanderung mit ihrer Hilfe zustandekommt , wird
das Capital bei uns drüben rehabilitirt sein ; es wird in einem
beispiellosen Werke seine Nützlichkeit gezeigt haben . Wenn
die reichsten Juden anfangen , ihre Schlösser , die man in Europa
schon mit so scheelen Augen ansieht , drüben zu bauen ,
so wird es bald modern werden , sich drüben in prächtigen
Häusern anzusiedeln .
Einige Formen der Liquidation .
Die Jewish Company ist als Uebernehmer oder Verweser
von Immobilien der Juden gedacht .
Bei Häusern und Grundstücken lassen sich diese Aufgaben
leicht construiren . Wie ist es aber bei Geschäften ?
Da werden die Formen vielfältig sein . Sie lassen sich gar
nicht vorher in eine Uebersicht bringen . Und doch ist darin
keine Schwierigkeit enthalten . Denn in jedem einzelnen Falle
wird der Inhaber des Geschäftes , wenn er sich zur Auswanderung
frei entschliesst , die für ihn günstigste Form der Liquidation
mit der Company-Filiale seines Sprengels vereinbaren .
Bei den kleinsten Geschäftsleuten , in deren Betrieb die
persönliche Bethätigung des Inhabers die Hauptsache und das
bischen Waare oder Einrichtung die Nebensache ist , lässt sich
die Vermögensverpflanzung am leichtesten durchführen . Für die
persönliche Bethätigung des Auswanderers schafft die Company
ein gesichertes Arbeitsgebiet , und sein bischen Material kann
ihm drüben in einem Grundstück mit Maschinencredit ersetzt
werden . Die neue Thätigkeit werden unsere findigen Leute
rasch erlernt haben . Juden passen sich bekanntlich schnell
jeder Erwerbsgattung an . So können viele Händler zu Kleinindustriellen
der Landwirthschaft gemacht werden . Die Company
kann sogar in scheinbare Verluste willigen , wenn sie die nicht
fahrende Habe der Aermeren übernimmt ; denn sie erreicht
dadurch die freie Cultivirung von Landparzellen , wodurch der
Werth ihrer übrigen Parzellen steigt .
In den mittleren Betrieben , wo die sachliche Einrichtung
ebenso wichtig oder schon wichtiger ist als die persönliche
Bethätigung des Inhabers , und dessen Credit als ein entscheidendes
Imponderabile hinzukommt , lassen sich verschiedene
Formen der Liquidation denken . Das ist auch einer der Hauptpunkte ,
auf denen sich die innere Wanderung der Christen
vollziehen kann . Der abziehende Jude verliert seinen persönlichen
Credit nicht , sondern nimmt ihn mit und wird ihn zur
Etablirung drüben gut verwenden . Die Jewish Company eröffnet
ihm ein Giro-Conto . Sein bisheriges Geschäft kann er auch frei
verkaufen oder Geschäftsführern unter der Aufsicht der Company-Organe
übergeben . Der Geschäftsführer kann im Pachtverhältnisse
stehen oder es kann der allmälige Ankauf durch
Theilzahlungen des Geschäftsführers angebahnt werden . Die
Company sorgt durch ihre Aufsichtsbeamten und Advocaten für
die ordentliche Verwaltung des verlassenen Geschäftes und für
den richtigen Eingang der Zahlungen . Die Company ist hier
Curator der Abwesenden . Kann aber ein Jude sein Geschäft
nicht verkaufen , vertraut er es auch keinem Mandatar an , und
will es dennoch nicht aufgeben , so bleibt er eben an seinem
jetzigen Wohnort . Auch diese Zurückbleibenden verschlechtern
ihre jetzige Lage nicht ; sie sind um die Concurrenz der Abgezogenen
erleichtert , und der Antisemitismus mit seinem
„ Kauft nicht bei Juden ! “ hat aufgehört .
Will der auswandernde Geschäftsinhaber drüben wieder
dasselbe Geschäft betreiben , so kann er sich von vorneherein
darauf einrichten . Zeigen wir das an einem Beispiel . Die
Firma X hat ein grosses Modewaarengeschäft . Der Inhaber
will auswandern . Er etablirt zunächst an seinem künftigen
Wohnort eine Filiale , an die er seine ausgemusterte Waare
abgibt . Die armen ersten Auswanderer sind drüben seine Kundschaft .
Allmälig ziehen Leute hinüber , die höhere Modebedürfnisse
haben . Nun schickt X neuere Sachen , und endlich die
neuesten . Die Filiale wird selbst schon einträglich , während
das Hauptgeschäft noch besteht . Endlich hat X zwei Geschäfte .
Das alte verkauft er , oder gibt er seinem christlichen Vertreter
zur Führung ; er selbst begibt sich hinüber in sein neues .
Ein grösseres Beispiel : Y & Sohn haben ein ausgedehntes
Kohlengeschäft mit Bergwerken und Fabriken . Wie ist solch
ein riesiger Vermögenscomplex zu liquidiren ? Das Kohlenbergwerk
mit allem was drum und dran , kann erstens vom Staat ,
in dem es liegt , eingelöst werden . Zweitens kann es die Jewish
Company erwerben , und den Kaufpreis theils in Ländereien
drüben , theils in Baargeld bezahlen . Eine dritte Möglichkeit
wäre die Gründung einer eigenen Actiengesellschaft „ Y & Sohn “ .
Eine vierte , der Weiterbetrieb in der bisherigen Weise , nur
wären die ausgewanderten Eigenthümer , auch wenn sie gelegentlich
zur Inspection ihrer Güter zurückkehren , Ausländer , als
die sie ja in civilisirten Staaten auch den vollen Rechtsschutz
geniessen . Dies Alles sieht man ja täglich im Leben . Eine
fünfte , besonders fruchtbare und grossartige Möglichkeit deute
ich nur an , weil es dafür im Leben erst wenige , schwache
Beispiele gibt , wie nahe das unserem modernen Bewusstsein
auch schon liege . Y & Sohn können ihr Unternehmen ihren
sämmtlichen jetzigen Angestellten gegen Entgelt übergeben . Die
Angestellten treten zu einer Genossenschaft mit beschränkter
Haftung zusammen und können vielleicht mit Hilfe der Landescasse ,
die keine Wucherzinsen nimmt , die Ablösungssumme an
Y & Sohn auszahlen . Die Angestellten amortisiren dann das
Darlehen , welches ihnen von ihrer Landescasse , von der Jewish
Company oder von Y & Sohn selbst gewährt wurde .
Die Jewish Company liquidirt die Kleinsten wie die Grössten .
Und während die Juden ruhig wandern , sich die neue Heimat
gründen , steht die Company als die grosse juristische Person
da , welche den Abzug leitet , die verlassenen Güter hütet , für
die gute Ordnung des Abwickelns mit ihrem sichtbaren , greifbaren
Vermögen haftet und für die schon Ausgewanderten
dauernd bürgt .
Bürgschaften der Company .
In welcher Form wird die Company die Bürgschaften
leisten , dass in den verlassenen Ländern keine Verarmung und
keine wirthschaftlichen Krisen eintreten ?
Es wurde schon gesagt , dass anständige Antisemiten unter
Achtung ihrer uns werthvollen Unabhängigkeit gleichsam als
volksthümliche Controlsbehörden an das Werk herangezogen
werden sollen .
Aber auch der Staat hat fiskalische Interessen , die geschädigt
werden können . Er verliert eine zwar bürgerlich gering ,
aber finanziell hochgeschätzte Classe von Steuerträgern . Es
muss ihm dafür eine Entschädigung geboten werden . Wir bieten
sie ihm ja indirect , indem wir die mit unserem jüdischen Scharfsinne ,
unserem jüdischen Fleisse eingerichteten Geschäfte im
Lande lassen , indem wir in unsere aufgegebenen Positionen die
christlichen Mitbürger einrücken lassen , und so ein in dieser
Friedlichkeit beispielloses Aufsteigen von Massen zum Wohlstand
ermöglichen . Die französische Revolution zeigte im Kleinen
etwas Aehnliches ; aber dazu musste das Blut unter der Guillotine ,
in allen Provinzen des Landes und auf den Schlachtfeldern
Europas in Strömen fliessen . Und dazu mussten geerbte und
erworbene Rechte zerbrochen werden . Und dabei bereicherten
sich nur die listigen Käufer der Nationalgüter .
Die Jewish Company wird in ihrem Wirkungskreise den
einzelnen Staaten auch directe Vortheile zuführen . Ueberall
kann den Regierungen der Verkauf von verlassenen Judengütern
unter günstigen Bedingungen zugesichert werden . Die
Regierungen wieder können diese gütliche Expropriation in
grossem Massstab für gewisse sociale Aufbesserungen verwenden .
Die Jewish Company wird den Regierungen und Parlamenten ,
welche die innere Wanderung der christlichen Bürger
leiten wollen , dabei Hilfe leisten .
Die Jewish Company wird auch grosse Abgaben zahlen .
Die Centrale hat ihren Sitz in London , weil die Company
im Privatrechtlichen unter dem Schutze einer grossen , derzeit
nicht antisemitischen Macht stehen muss . Aber die Company
wird , wenn man sie officiell und officiös unterstützt , überall
eine breite Steuerfläche liefern . Die Company wird überall
besteuerbare Töchter- und Zweiganstalten gründen . Sie wird
ferner den Vortheil doppelter Immobilienumschreibung , also
doppelter Gebühren liefern . Die Company wird selbst dort , wo sie
nur als Immobilienagentur auftritt , sich den vorübergehenden Anschein
des Käufers geben . Sie wird , auch wenn sie nicht besitzen
will , im Grundbuche einen Augenblick als Eigenthümer stehen .
Das sind nun freilich rein rechnungsmässige Sachen . Es
wird von Ort zu Ort erhoben und entschieden werden müssen ,
wie weit die Company darin gehen kann , ohne ihre Existenz
zu gefährden . Sie wird darüber freimüthig mit den Finanzministern
verhandeln . Diese werden den guten Willen deutlich
sehen und sie werden überall die Erleichterungen gewähren ,
die zur erfolgreichen Durchführung des grossen Unternehmens
nachweisbar erforderlich sind .
Eine weitere directe Zuwendung ist die im Güter- und
Personentransporte . Wo die Bahnen staatlich sind , ist das sofort
klar . Bei den Privatbahnen erhält die Company , wie jeder grosse
Spediteur , Begünstigungen . Sie muss natürlich unsere Leute so
billig als möglich reisen lassen und verfrachten , da jeder auf
eigene Kosten hinübergeht . Für den Mittelstand wird das System
Cook , und für die armen Classen das Personenporto da sein .
Die Company könnte an Personen- und Frachtrefactien viel
verdienen , aber ihr Grundsatz muss auch hier sein , nur die
Selbsterhaltungskosten hereinzubringen .
Die Spedition ist an vielen Orten in den Händen der
Juden . Die Speditionsgeschäfte werden die ersten sein , die die
Company braucht , und die ersten , die sie liquidirt . Die bisherigen
Inhaber dieser Geschäfte treten entweder in den Dienst
der Company oder sie etabliren sich frei , drüben . Die Ankunftsstelle
braucht ja empfangende Spediteure , und da dies ein glänzendes
Geschäft ist , da man drüben sofort verdienen darf und soll , wird
es nicht an Unternehmungslustigen fehlen . Es ist unnöthig , die
geschäftlichen Einzelheiten dieser Massenexpedition auszuführen .
Sie sind aus dem Zwecke vernünftig zu entwickeln und viele tüchtige
Köpfe sollen und werden darüber nachdenken , wie das am
besten zu machen sein wird .
Einige Thätigkeiten der Company .
Viele Thätigkeiten werden ineinander wirken . Nur ein
Beispiel : Allmälig wird die Company in den anfänglich primitiven
Niederlassungen Industriesachen zu erzeugen beginnen .
Zunächst für unsere eigenen armen Auswanderer : Kleider ,
Wäsche , Schuhe etc. fabriksmässig . Denn in den europäischen
Abfahrtsstationen werden unsere armen Leute neu gekleidet .
Es wird ihnen damit kein Geschenk gemacht , weil sie nicht
gedemüthigt werden sollen . Es werden ihnen nur ihre alten
Sachen gegen neue eingetauscht . Verliert die Company dabei
etwas , so wird es als Geschäftsverlust gebucht . Die völlig Besitzlosen
werden für die Bekleidung Schuldner der Company
und zahlen drüben in Arbeitsüberstunden , die ihnen für gute
Aufführung erlassen werden .
An diesen Punkten haben übrigens die bestehenden Auswanderungsvereine
Gelegenheit , helfend einzugreifen . Alles was
sie für die wandernden Juden bisher zu thun pflegten , sollen
sie zukünftig für die Colonisten der Jewish Company thun . Die
Formen dieses Zusammenwirkens werden sich leicht finden
lassen .
Schon in der Neubekleidung der armen Auswanderer soll
etwas Symbolisches enthalten sein : Ihr beginnt jetzt ein neues
Leben ! Die Society of Jews wird dafür sorgen , dass schon
lange vor der Abreise und auch unterwegs durch Gebete , populäre
Vorträge , Belehrungen über den Zweck des Unternehmens ,
hygienische Vorschriften für die neuen Wohnorte , Anleitungen
zur künftigen Arbeit , eine ernste und festliche Stimmung erhalten
werde . Denn das gelobte Land ist das Land der Arbeit .
Bei ihrer Ankunft werden aber die Einwanderer von den Spitzen
unserer Behörden feierlich empfangen werden . Ohne thörichten
Jubel , denn das gelobte Land muss erst erobert werden . Aber
schon sollen diese armen Menschen sehen , dass sie zuhause sind .
Die Bekleidungsindustrie der Company für die armen Auswanderer
wird nicht planlos produciren . Durch die Society of
Jews , welche von den Ortsgruppen die Mittheilung erhalten
wird , muss die Jewish Company rechtzeitig die Zahl , den Ankunftstag
und die Bedürfnisse der Auswanderer kennen . So ist
es möglich , für sie umsichtig vorzusorgen .
Industrielle Anregungen .
Die Aufgaben der Jewish Company und der Society of
Jews können in diesem Entwurfe nicht streng gesondert vorgetragen
werden . Thatsächlich werden diese beiden grossen
Organe beständig zusammenwirken müssen . Die Company wird
auf die moralische Autorität und Unterstützung der Society
angewiesen sein und bleiben , gleichwie die Society die materielle
Hilfe der Company nicht entbehren kann . In der planvollen
Leitung der Bekleidungsindustrie z. B. ist der schwache Anfang
des Versuches enthalten , die Productionskrisen zu vermeiden .
Auf allen Gebieten , wo die Company als Industrieller auftritt ,
soll so vorgegangen werden .
Keineswegs darf sie aber die freien Unternehmungen mit
ihrer Uebermacht erdrücken . Wir sind nur dort Collectivisten ,
wo es die ungeheuren Schwierigkeiten der Aufgabe erfordern .
Im übrigen wollen wir das Individuum mit seinen Rechten hegen
und pflegen . Das Privateigenthum als die wirthschaftliche Grundlage
der Unabhängigkeit , soll sich bei uns frei und geachtet
entwickeln . Wir lassen ja gleich unsere ersten Unskilleds ins
Privateigenthum aufsteigen .
Der Unternehmungsgeist soll auf jede Weise gefördert
werden . Die Einrichtung von Industrien wird durch eine vernünftige
Zollpolitik , Zuwendung billigen Rohmaterials und durch
ein Amt für Industrie-Statistik mit öffentlichen Verlautbarungen
begünstigt .
Der Unternehmungsgeist kann auf gesunde Weise angeregt
werden . Die speculative Planlosigkeit wird vermieden . Die Etablirung
neuer Industrien wird rechtzeitig bekanntgemacht , so dass
die Unternehmer , die ein halbes Jahr später auf den Einfall
kommen , sich einer Industrie zuzuwenden , nicht in die Krise ,
in's Elend hineinbauen . Da der Zweck einer neuen Anlage der
Society angemeldet werden soll , können die Unternehmungsverhältnisse
jederzeit Jedermann bekannt sein .
Ferner werden den Unternehmern die centralisirten Arbeitskräfte
gewährt . Der Unternehmer wendet sich an die Dienstvermittlungs-Centrale ,
die dafür von ihm nur eine zur Selbsterhaltung
erforderliche Gebühr einhebt . Der Unternehmer telegraphirt :
Ich brauche morgen für drei Tage , drei Wochen oder
drei Monate fünfhundert Unskilleds . Morgen treffen bei seiner
landwirthschaftlichen oder industriellen Unternehmung die gewünschten
Fünfhundert ein , welche die Arbeitscentrale von da
und dort , wo sie eben verfügbar werden , zusammenzieht . Die
Sachsengängerei wird da aus dem Plumpen in eine sinnvolle
Institution heeresmässig verfeinert . Selbstverständlich werden
keine Arbeitssclaven geliefert , sondern nur Siebenstundentägler ,
die ihre Organisation beibehalten , denen auch beim Ortswechsel
die Dienstzeit mit Chargen , Avanciren und Pensionirung fortläuft .
Der freie Unternehmer kann sich auch anderwärts seine
Arbeitskräfte verschaffen , wenn er will . Aber er wird es schwerlich
können . Die Hereinziehung nichtjüdischer Arbeitssclaven
in's Land wird die Society zu vereiteln wissen durch eine gewisse
Boycottirung widerspenstiger Industrieller , durch Verkehrserschwerungen
und dergleichen . Man wird also die Siebenstundentägler
nehmen müssen . So nähern wir uns beinahe zwanglos
dem Normaltage von sieben Stunden .
Ansiedlung von Facharbeitern .
Es ist klar , dass , was für die Unskilleds gilt , bei den
höheren Facharbeitern noch leichter ist . Die Theilarbeiter der
Fabriken können unter dieselben Regeln gebracht werden . Die
Dienstvermittlungs-Centrale besorgt sie .
Was nun die selbstständigen Handwerker , die kleinen
Meister betrifft , die wir im Hinblick auf die künftigen Fortschritte
der Technik sehr pflegen wollen , denen wir technologische
Kenntnisse zuführen wollen , selbst wenn sie keine jungen Leute
mehr sind , und denen die Pferdekraft der Bäche und das Licht
in elektrischen Drähten zugeleitet werden soll – diese selbstständigen
Arbeiter sollen auch durch die Centrale der Society
gesucht und gefunden werden . Hier wendet sich die Ortsgruppe
an die Centrale : Wir brauchen so und so viele Tischler , Schlosser ,
Glaser u. s. w. Die Centrale verlautbart es . Die Leute melden
sich . Sie ziehen mit ihren Familien nach dem Orte , wo man sie
braucht und bleiben da wohnen , nicht erdrückt von einer verworrenen
Concurrenz . Die dauernde , die gute Heimat ist für
sie entstanden .
Die Geldbeschaffung .
Als das Actiencapital der Jewish Company wurde ein
phantastisch klingender Betrag angenommen . Die wirklich nothwendige
Höhe des Actiencapitals wird von Finanzfachleuten
festgesetzt werden müssen . Jedenfalls eine riesige Summe .
Wie soll diese aufgebracht werden ? Dafür gibt es drei Formen ,
welche die Society in Erwägung ziehen wird . Die Society , diese
grosse moralische Person , der Gestor der Juden , besteht aus
unseren reinsten und besten Männern , die aus der Sache keinen
Vermögensgewinn ziehen können und dürfen . Obwohl die Society
am Beginn keine andere als eine moralische Autorität besitzen
kann , wird diese dennoch hinreichen , um die Jewish Company
dem Judenvolke gegenüber zu beglaubigen . Die Jewish Company
wird nur dann Aussicht auf geschäftliches Gelingen haben , wenn
sie von der Society sozusagen gestempelt ist . Es wird sich also
nicht eine beliebige Gruppe von Geldleuten zusammenthun
können , um die Jewish Company zu bilden . Die Society wird
prüfen , wählen und bestimmen , und sich vor der Gutheissung
der Gründung alle nöthigen Bürgschaften für die gewissenhafte
Durchführung des Planes sichern lassen . Experimente mit ungenügenden
Kräften dürfen nicht gemacht werden , denn diese
Unternehmung muss gleich auf den ersten Schlag gelingen . Das
Misslingen der Sache würde die ganze Idee auf Jahrzehnte hinaus
compromittiren und sie vielleicht für immer unmöglich machen .
Die drei Formen der Aufbringung des Actiencapitals sind :
1. durch die Hochbank ; 2. durch die Mittelbank ; 3. durch eine
volksthümliche Subscription .
Am leichtesten , schnellsten und sichersten wäre die
Gründung durch die Hochbank . Da kann das erforderliche Geld
innerhalb der bestehenden grossen Finanzgruppen durch einfache
Berathung in kürzester Zeit aufgebracht werden . Es hätte den
grossen Vortheil , dass die Milliarde – um bei diesem einmal
angenommenen Betrage zu bleiben – nicht sofort gänzlich eingezahlt
werden müsste . Es hätte den weiteren Vortheil , dass auch
der Credit dieser mächtigen Finanzgruppen der Unternehmung zuflösse .
In der jüdischen Finanzmacht schlummern noch sehr viele
ungenützte politische Kräfte . Von den Feinden des Judenthums wird
diese Finanzmacht als so wirksam dargestellt , wie sie sein könnte ,
aber thatsächlich nicht ist . Die armen Juden spüren nur den Hass ,
den diese Finanzmacht erregt ; den Nutzen , die Linderung ihrer
Leiden , welche bewirkt werden könnte , haben die armen Juden
nicht . Die Creditpolitik der grossen Finanzjuden müsste sich in
den Dienst der Volksidee stellen . Finden aber diese mit ihrer
Lage ganz zufriedenen Herren sich nicht bewogen , etwas
für ihre Stammesbrüder zu thun , die man mit Unrecht für
die grossen Vermögen Einzelner verantwortlich macht , so wird
die Verwirklichung dieses Planes Gelegenheit geben , eine reinliche
Scheidung zwischen ihnen und dem übrigen Theile des
Judenthums durchzuführen .
Die Hochbank wird übrigens durchaus nicht aufgefordert ,
einen so enormen Betrag aus Wohlthätigkeit zu beschaffen . Das
wäre eine thörichte Zumuthung . Die Gründer und Actionäre der
Jewish Company sollen vielmehr ein gutes Geschäft machen ,
und sie werden sich im vorhinein davon Rechenschaft geben
können , welche Chancen bevorstehen . Die Society of Jews
wird nämlich im Besitze aller Belege und Behelfe sein , aus
denen sich die Aussichten der Jewish Company erkennen lassen .
Die Society of Jews wird insbesondere den Umfang der neuen
Judenbewegung genau erforscht haben und den Gründern der
Company auf eine vollkommen verlässliche Weise mittheilen
können , mit welcher Betheiligung diese rechnen darf . Durch
die Herstellung der Alles umfassenden modernen Judenstatistik
wird die Society für die Company die Arbeiten einer société
d' études besorgen , wie man diese in Frankreich zu machen
pflegt , bevor man an die Financirung eines sehr grossen Unternehmens
herangeht .
Die Sache wird dennoch vielleicht nicht den kostbaren
Beifall der jüdischen Geldmagnaten finden . Diese werden sogar
vielleicht durch ihre geheimen Knechte und Agenten den Kampf
gegen unsere Judenbewegung einzuleiten versuchen . Einen solchen
Kampf werden wir , wie jeden anderen , der uns aufgezwungen
wird , mit schonungsloser Härte führen .
Die Geldmagnaten werden sich vielleicht auch nur begnügen ,
die Sache mit einem ablehnenden Lächeln abzuthun .
Ist sie damit erledigt ?
Nein .
Dann geht die Geldbeschaffung auf die zweite Stufe , an
die mittelreichen Juden . Die jüdische Mittelbank müsste im
Namen der Volksidee gegen die Hochbank zusammengerafft
werden zu einer zweiten formidablen Geldmacht . Das hätte den
Uebelstand , dass zunächst nur ein Geldgeschäft daraus würde ,
denn die Milliarde müsste voll eingezahlt werden – sonst darf
man nicht anfangen – und da dies Geld erst langsam in Verwendung
träte , so würde man in den ersten Jahren allerlei
Bank- und Anleihegeschäfte machen . Es ist nicht ausgeschlossen ,
dass so allmälig der ursprüngliche Zweck in Vergessenheit geriethe ,
die mittelreichen Juden hätten ein neues grosses Geschäft
gefunden und die Judenwanderung würde versumpfen .
Phantastisch ist die Idee dieser Geldbeschaffung durchaus
nicht , das weiss man . Verschiedenemale wurde ja versucht , das
katholische Geld gegen die Hochbank zusammenzuraffen . Dass
man sie auch mit jüdischem bekämpfen könne , hat man bisher
nicht bedacht .
Aber welche Krisen hätte das Alles zur Folge . Wie würden
die Länder , wo solche Geldkämpfe spielten , geschädigt werden ,
wie müsste der Antisemitismus dabei überhandnehmen .
Mir ist das also nicht sympathisch , ich erwähne es nur ,
weil es in der logischen Entwicklung des Gedankens liegt .
Ob die Mittelbanken die Sache aufgreifen werden , weiss
ich auch nicht .
Jedenfalls ist die Sache auch mit der Ablehnung der
Mittelreichen nicht erledigt . Dann beginnt sie vielmehr erst recht .
Denn die Society of Jews , die nicht aus Geschäftsleuten
besteht , kann dann die Gründung der Company als eine volksthümliche
versuchen .
Das Actiencapital der Company kann ohne Vermittlung
eines Hochbank- oder Mittelbanksyndicates durch unmittelbare
Ausschreibung einer Subscription aufgebracht werden . Nicht nur
die armen kleinen Juden , sondern auch die Christen , welche
die Juden loshaben wollen , werden sich an dieser in ganz
kleine Theile zerlegten Geldbeschaffung betheiligen . Es wäre
eine eigenthümliche und neue Form des Plebiscites , wobei Jeder ,
der sich für diese Lösungsform der Judenfrage aussprechen
will , seine Meinung durch eine bedingte Subscription äussern
könnte . In der Bedingung liegt die gute Sicherheit . Die Vollzahlung
wäre nur zu leisten , wenn der ganze Betrag gezeichnet
ist , sonst würde die Anzahlung zurückgegeben .
Ist aber der ganze nöthige Betrag durch die volksthümliche
Auflage in der ganzen Welt gedeckt , dann ist jeder einzelne
kleine Betrag gesichert durch die unzähligen anderen
kleinen Beträge .
Es wäre dazu natürlich die ausdrückliche , entschiedene
Hilfe der betheiligten Regierungen nöthig .
Ortsgruppen .
Die Verpflanzung .
Bisher wurde nur gezeigt , wie die Auswanderung ohne
wirthschaftliche Erschütterung durchzuführen ist . Aber bei
einer solchen Auswanderung gibt es auch viele starke , tiefe
Gemüthsbewegungen . Es gibt alte Gewohnheiten , Erinnerungen ,
mit denen wir Menschen an den Orten haften . Wir haben
Wiegen , wir haben Gräber , und man weiss , was dem jüdischen
Herzen die Gräber sind . Die Wiegen nehmen wir mit – in
ihnen schlummert rosig und lächelnd unsere Zukunft . Unsere
theueren Gräber müssen wir zurücklassen – ich glaube , von
denen werden wir habsüchtiges Volk uns am schwersten trennen .
Aber es muss sein .
Schon entfernt uns die wirthschaftliche Noth , der politische
Druck , der gesellschaftliche Hass aus unseren Wohnorten und
von unseren Gräbern . Die Juden ziehen schon jetzt jeden Augenblick
aus einem Land in's andere ; eine starke Bewegung geht
sogar über's Meer nach den Vereinigten Staaten – wo man
uns auch nicht mag . Wo wird man uns denn mögen , solange
wir keine eigene Heimat haben ?
Wir wollen aber den Juden eine Heimat geben . Nicht ,
indem wir sie gewaltsam aus ihrem Erdreich herausreissen .
Nein , indem wir sie mit ihrem ganzen Wurzelwerk vorsichtig
ausheben und in einen besseren Boden übersetzen . So wie wir
im Wirthschaftlichen und Politischen neue Verhältnisse schaffen
wollen , so gedenken wir im Gemüthlichen alles Alte heilig zu
halten . Darüber nur wenige Andeutungen . Hier ist die Gefahr
am grössten , dass der Plan für eine Schwärmerei gehalten werde .
Und doch ist auch das möglich und wirklich , nur kommt
es in der Wirklichkeit als etwas verworrenes und hilfloses vor .
Durch die Organisirung kann es vernünftig werden .
Die Gruppenwanderung .
Unsere Leute sollen in Gruppen mit einander auswandern .
In Gruppen von Familien und Freunden . Niemand wird gezwungen ,
sich der Gruppe seines bisherigen Wohnortes anzuschliessen .
Jeder kann , nachdem er seine Angelegenheiten
liquidirt hat , fahren , wie er will . Jeder thut es ja auf eigene
Kosten , in der Bahn- und Schiffsclasse , die ihm zusagt . Unsere
Bahnzüge und unsere Schiffe werden vielleicht nur eine Classe
haben . Der Unterschied des Besitzes belästigt auf so langen
Reisen die Aermeren . Und wenn wir auch unsere Leute nicht
zu einer Unterhaltung hinüberführen , wollen wir ihnen doch
nicht unterwegs die Laune verderben .
Im Elend wird Keiner reisen . Dem eleganten Behagen
hingegen soll Alles möglich sein . Man wird sich schon lange
vorher verabreden – es wird ja im günstigsten Falle noch
Jahre dauern , bis die Bewegung in einzelnen Besitzclassen in
Fluss kommt – die Wohlhabenden werden zu Reisegesellschaften
zusammentreten . Man nimmt die persönlichen Beziehungen
sämmtlich mit . Wir wissen ja , dass von den Reichsten abgesehen ,
die Juden fast gar keinen Verkehr mit Christen haben . In
manchen Ländern ist es so , dass der Jude , der sich nicht ein
paar Tafelschmarotzer , Borgbrüder und Judenknechte aushält ,
überhaupt keinen Christen kennt . Das Ghetto besteht innerlich
fort .
Man wird sich also in den Mittelständen lange und sorgfältig
zur Abreise vorbereiten . Jeder Ort bildet seine Gruppe .
In den grossen Städten bilden sich nach Bezirken mehrere , die
mit einander durch gewählte Vertreter verkehren . Diese Bezirkseintheilung
hat nichts Obligatorisches . Sie ist eigentlich nur als
Erleichterung für die Minderbemittelten gedacht , und um während
der Fahrt kein Unbehagen , kein Heimweh aufkommen zu lassen .
Jeder ist frei , allein zu fahren oder sich welcher Ortsgruppe
immer anzuschliessen . Die Bedingungen – nach Classen eingetheilt – sind
für alle gleich . Wenn eine Reisegesellschaft
sich zahlreich genug organisirt , bekommt sie von der Company
einen ganzen Bahnzug und dann ein ganzes Schiff .
Für die passende Unterkunft der Aermeren wird das
Quartieramt der Company gesorgt haben . In dem späteren Zeitpunkt ,
wo die Wohlhabenden wandern , wird das erkannte , weil
leicht vorauszusehende Bedürfniss schon die Hotelbauten freier
Unternehmer hervorgerufen haben . Auch werden ja die wohlhabenden
Auswanderer sich ihre Heimstätten schon früher gebaut
haben , so dass sie aus dem verlassenen alten Hause in das
fertige neue nur zu übersiedeln brauchen .
Unserer ganzen Intelligenz brauchen wir ihre Aufgabe
nicht erst zuzuweisen . Jeder , der sich dem nationalen Gedanken
anschliesst , wird wissen , wie er in seinem Kreise für die Verbreitung
und Bethätigung zu wirken hat . Wir werden vornehmlich
an die Mitwirkung unserer Seelsorger appelliren .
Unsere Seelsorger .
Jede Gruppe hat ihren Rabbiner , der mit seiner Gemeinde
geht . Alle gruppiren sich zwanglos . Die Ortsgruppe bildet sich
um den Rabbiner herum . So viele Rabbiner , so viele Ortsgruppen .
Die Rabbiner werden uns auch zuerst verstehen , sich zuerst für
die Sache begeistern und von der Kanzel herab die andern
begeistern . Es brauchen keine besonderen Versammlungen
mit Geschwätz einberufen zu werden . Im Gottesdienste wird
das eingeschaltet . Und so soll es sein . Wir erkennen unsere
historische Zusammengehörigkeit nur am Glauben unserer Väter ,
weil wir ja längst die Sprache verschiedener Nationen unverlöschbar
in uns aufgenommen haben .
Die Rabbiner werden nun regelmässig die Mittheilungen
der Society und Company erhalten und sie ihrer Gemeinde verkünden
und erklären . Israel wird für uns , für sich beten .
Vertrauensmänner der Ortsgruppen .
Die Ortsgruppen werden kleine Vertrauensmänner-Commissionen
unter dem Vorsitz des Rabbiners einsetzen . Hier wird alles
Praktische nach den Ortsbedürfnissen berathen und festgesetzt
werden .
Die Wohlthätigkeitsanstalten werden durch die Ortsgruppen
frei verpflanzt . Die Stiftungen werden auch drüben in der ehemaligen
Ortsgruppe verbleiben , die Gebäude sollten nach meiner
Ansicht nicht verkauft , sondern den christlichen Hilfsbedürftigen
der verlassenen Städte gewidmet werden . Bei der Landvertheilung
drüben wird das den Ortsgruppen eingerechnet , indem
sie unentgeltlich Bauplätze und jede Bauerleichterung erhalten .
Es wird bei der Verpflanzung der Wohlthätigkeitsanstalten
wieder , wie an manchen anderen Punkten dieses Planes , Gelegenheit
geboten , einen Versuch zum Wohle der ganzen Menschheit
zu machen . Unsere jetzige verworrene Privatwohlthätigkeit stiftet
im Verhältniss zum gemachten Aufwand wenig Gutes . Die Wohlthätigkeitsanstalten
können und müssen in ein System gebracht
werden , wo sie sich gegenseitig ergänzen . In einer neuen
Gesellschaft können diese Einrichtungen aus dem modernen
Bewusstsein heraus und auf Grund aller socialpolitischen Erfahrungen
gemacht werden . Die Sache ist für uns sehr wichtig ,
weil wir viele Bettler haben . Durch den äusseren Druck , der
sie muthlos macht und durch die weichliche Wohlthätigkeit der
Reichen , die sie verwöhnt , lassen sich die schwächeren Naturen
unter unseren Leuten leicht im Bettel gehen .
Die Society wird , unterstützt von den Ortsgruppen , der
Volkserziehung in dieser Hinsicht die grösste Aufmerksamkeit
zuwenden . Für viele Kräfte , die jetzt nutzlos hinwelken , wird
ja ein fruchtbarer Boden geschaffen . Wer nur den guten Willen
hat , soll angemessen verwendet werden . Bettler werden nicht
geduldet . Wer als Freier nichts thun will , kommt in's Arbeitshaus .
Hingegen wollen wir die Alten nicht in's Siechenhaus stecken .
Das Siechenhaus ist eine der grausamsten Wohlthaten , die
unsere alberne Gutmüthigkeit erfunden hat . Im Siechenhaus
schämt und kränkt sich der alte Mensch zu Tode . Er ist eigentlich
schon begraben . Wir aber wollen selbst denen , die auf den
untersten Stufen der Intelligenz stehen , bis an's Ende die tröstliche
Illusion ihrer Nützlichkeit lassen . Die zu körperlicher
Arbeit Unfähigen sollen leichte Dienste erhalten . Wir müssen
mit den atrophirten Armen einer jetzt schon hinwelkenden Generation
rechnen . Aber die nachkommenden Generationen sollen
in der Freiheit für die Freiheit anders erzogen werden .
Wir werden für alle Lebensalter , für alle Lebensstufen
die sittliche Beseligung der Arbeit suchen . So wird unser Volk
seine Tüchtigkeit wiederfinden im Siebenstundenlande .
Stadtpläne .
Die Ortsgruppen werden ihre Bevollmächtigten zur Ortswahl
delegiren . Bei der Landvertheilung wird darauf Rücksicht
genommen werden , dass die schonende Verpflanzung , die Erhaltung
alles Berechtigten möglich sei .
In den Ortsgruppen werden die Stadtpläne aufliegen .
Unsere Leute werden im vorhinein wissen , wohin sie gehen , in
welchen Städten , in welchen Häusern sie wohnen werden . Es
wurde schon von den Bauplänen und verständlichen Abbildungen
gesprochen , die an die Ortsgruppen zu vertheilen sind .
Wie in der Verwaltung eine straffe Centralisirung , ist in
den Ortsgruppen die vollste Autonomie das Princip . Nur so
kann die Verpflanzung schmerzlos vor sich gehen .
Ich stelle mir das nicht leichter vor , als es ist ; man darf
es sich auch nicht schwerer vorstellen .
Der Zug des Mittelstandes .
Der Mittelstand wird unwillkürlich von der Bewegung mit
hinübergezogen . Die Einen haben ihre Söhne als Beamte der
Society oder Angestellte der Company drüben . Juristen , Mediciner ,
Techniker aller Zweige , junge Kaufleute , alle jüdischen Wegsucher ,
die jetzt aus der Bedrängniss ihrer Vaterländer hinaus
in andere Welttheile erwerben gehen , werden sich auf dem
hoffnungsvollen Boden versammeln . Andere haben ihre Töchter
an solche aufstrebende Leute verheiratet . Dann lässt sich von
unseren jungen Leuten der eine seine Braut , der andere seine
Eltern und Geschwister nachkommen . In neuen Culturen heiratet
man früh . Das kann der allgemeinen Sittlichkeit nur zu Statten
kommen , und wir erhalten kräftigen Nachwuchs ; nicht jene
schwachen Kinder spätverheirateter Väter , die zuerst ihre
Energie im Lebenskampf abgenützt haben .
Im Mittelstande zieht jeder unserer Auswanderer andere
nach sich .
Den Muthigsten gehört natürlich das Beste von der
neuen Welt .
Es scheint nun freilich , als wäre hier die grösste Schwierigkeit
des Planes .
Selbst wenn es uns gelingt , die Judenfrage in einer ernsten
Weise zur Weltdiscussion zu stellen –
selbst wenn aus dieser Erörterung auf das Bestimmteste
hervorgeht , dass der Judenstaat ein Weltbedürfniss ist –
selbst wenn wir durch die Unterstützung der Mächte die
Souveränetät eines Territoriums erlangten :
wie bringen wir die Judenmassen ohne Zwang aus ihren
jetzigen Wohnorten in dieses neue Land ?
Die Wanderung ist doch immer als eine freie gedacht ?
Das Phänomen der Menge .
Ein mühsames Anfachen der Bewegung wird wohl kaum
nöthig sein . Die Antisemiten besorgen das schon für uns . Sie
brauchen nur soviel zu thun wie bisher und die Auswanderlust
der Juden wird erwachen , wo sie nicht besteht und sich verstärken ,
wo sie schon vorhanden ist . Wenn die Juden jetzt in
antisemitischen Ländern verbleiben , so geschieht das hauptsächlich
aus dem Grunde , weil selbst die historisch Ungebildeten
wissen , dass wir uns durch die zahlreichen Ortswechsel in den
Jahrhunderten nie dauernd geholfen haben . Gäbe es heute ein
Land , wo man die Juden willkommen hiesse und ihnen auch
viel weniger Vortheil böte , als im Judenstaate , wenn er entsteht ,
gesichert sind , so fände augenblicklich ein starker Zug von
Juden dahin statt . Die Aermsten , die nichts zu verlieren haben ,
würden sich hinschleppen . Ich behaupte aber und Jeder wird
ja bei sich wissen , ob es wahr ist , dass die Auswanderlust wegen
des Druckes , der auf uns lastet , bei uns selbst in wohlhabenden
Schichten vorhanden ist . Nun würden ja schon die Aermsten zur
Gründung des Staates genügen , ja sie sind das tüchtigste
Menschenmaterial für eine Landnahme , weil man zu grossen
Unternehmungen ein bischen Verzweiflung in sich haben muss .
Aber indem unsere Desperados durch ihr Erscheinen , durch
ihre Arbeit den Werth des Landes heben , machen sie allmälig
auch für Besitzkräftigere die Verlockung entstehen , nachzuziehen .
Immer höhere Schichten werden ein Interesse bekommen ,
hinüberzugehen . Den Zug der Ersten , Aermsten werden ja Society
und Company gemeinsam leiten und dabei doch wohl die Unterstützung
der schon bestehenden Auswanderungs- und Zionsvereine
finden .
Wie lässt sich eine Menge ohne Befehl nach einem Punkte
hin dirigiren ?
Es gibt einzelne jüdische Wohlthäter in grossem Stile ,
welche die Leiden der Juden durch zionistische Versuche mildern
wollen . Solche Wohlthäter mussten sich schon mit dieser
Frage beschäftigen , und sie glaubten , sie zu lösen , wenn sie
den Auswanderern Geld oder Arbeitsmittel in die Hand gaben .
Der Wohlthäter sagte also : „ Ich zahle den Leuten , damit sie
hingehen . “
Das ist grundfalsch und mit allem Gelde der Erde nicht
zu erschwingen .
Die Company wird im Gegentheil sagen : „ Wir zahlen
ihnen nicht , wir lassen sie zahlen . Nur setzen wir ihnen etwas vor . “
Ich will das an einem scherzhaften Beispiele anschaulich
machen . Einer dieser Wohlthäter , den wir den Baron nennen
wollen , und ich möchten eine Menschenmenge an einem heissen
Sonntagnachmittag auf der Ebene von Longchamp bei Paris
haben . Der Baron wird , wenn er jedem Einzelnen 10 Francs
verspricht , für 200.000 Francs 20.000 schwitzende , unglückliche
Leute hinausbringen , die ihm fluchen werden , weil er ihnen
diese Plage auferlegte .
Ich hingegen werde diese 200.000 Francs als Rennpreis
aussetzen für das schnellste Pferd – und dann lasse ich die
Leute durch Schranken von Longchamp abhalten . Wer hinein
will , muss zahlen : 1 Francs , 5 Francs , 20 Francs .
Die Folge ist , dass ich eine halbe Million Menschen hinausbekomme ,
der Präsident der Republik fährt à la Daumont
vor , die Menge erfreut und belustigt sich an sich selbst . Es ist
für die Meisten , trotz Sonnenbrand und Staub , eine glückliche
Bewegung im Freien , und ich habe für die 200.000 Francs eine
Million an Eintrittsgeldern und Spielsteuer eingenommen . Ich
werde dieselben Leute , wann ich will , wieder dort haben ; der
Baron nicht – der Baron um keinen Preis .
Ich will das Phänomen der Menge übrigens gleich ernster
beim Broterwerbe zeigen . Man versuche es einmal , in den
Strassen einer Stadt ausrufen zu lassen : „ Wer in einer nach
allen Seiten freistehenden eisernen Halle im Winter bei schrecklicher
Kälte , im Sommer bei quälender Hitze , den ganzen Tag
auf seinen Beinen stehend , jeden Vorübergehenden anreden
und dem Trödelkram oder Fische oder Obst anbieten wird ,
bekommt 2 fl. oder 4 Francs oder was Sie wollen . “
Wie viel Leute bekommt man wohl da hin ? Wenn sie der
Hunger hintreibt , wie viel Tage halten sie aus ? Wenn sie aushalten ,
mit welchem Eifer werden sie wohl die Vorübergehenden
zum Kaufe von Obst , Fischen oder Trödelkram zu bestimmen
versuchen ?
Wir machen es anders . An den Punkten , wo ein grosser
Verkehr besteht , und diese Punkte können wir umso leichter
finden , als wir selbst ja den Verkehr leiten wohin wir wollen ,
an diesen Punkten errichten wir grosse Hallen und nennen sie :
Märkte . Wir könnten die Hallen schlechter , gesundheitswidriger
bauen als jene , und doch würden uns die Leute hinströmen .
Aber wir werden sie schöner und besser , mit unserem ganzen
Wohlwollen bauen . Und diese Leute , denen wir nichts versprochen
haben , weil wir ihnen , ohne Betrüger zu sein , nichts
versprechen können , diese braven geschäftslustigen Leute werden
unter Scherzen einen lebhaften Marktverkehr hervorbringen .
Sie werden unermüdlich die Käufer haranguiren , sie werden
auf ihren Beinen dastehen und die Müdigkeit kaum merken .
Sie werden nicht nur Tag um Tag herbeieilen , um die Ersten
zu sein , sie werden sogar Verbände , Cartelle , alles Mögliche
schliessen , um nur dieses Erwerbsleben ungestört führen zu
können . Und wenn sich auch am Feierabend herausstellt , dass
sie mit all der braven Arbeit nur 1 fl. 50 kr. oder 3 Francs
oder was Sie wollen , verdient haben , werden sie doch mit
Hoffnung in den nächsten Tag blicken , der vielleicht besser
sein wird .
Wir haben ihnen die Hoffnung geschenkt .
Will man wissen , wo wir die Bedürfnisse hernehmen , die
wir für die Märkte brauchen ? Muss das wirklich noch gesagt
werden ?
Ich zeigte früher , dass durch die Assistance par le travail
der fünfzehnfache Verdienst erzeugt wird . Für eine Million
fünfzehn Millionen , für eine Milliarde fünfzehn Milliarden .
Ja , ob dies im Grossen auch so richtig ist wie im Kleinen ?
Der Ertrag des Capitales hat doch in der Höhe eine abnehmende
Progression ? Ja , des schlafenden , feige verkrochenen
Capitals , nicht der des arbeitenden . Das arbeitende Capital hat
sogar in der Höhe eine furchtbar zunehmende Ertragskraft .
Da steckt ja die sociale Frage .
Ob das richtig ist , was ich sage ? Ich rufe dafür die
reichsten Juden als Zeugen auf . Warum betreiben diese so
viele verschiedene Industrien ? Warum schicken sie Leute unter
die Erde , um für mageren Lohn unter entsetzlichen Gefahren
Kohle heraufzuschaffen . Ich denke mir das nicht angenehm ,
auch nicht für die Grubenbesitzer . Ich glaube ja nicht an die
Herzlosigkeit der Capitalisten , und stelle mich nicht als ob ich
es glaubte . Ich will ja nicht hetzen , sondern versöhnen .
Brauche ich das Phänomen der Menge , und wie man sie
nach beliebigen Punkten zieht , auch noch an den frommen
Wanderungen zu erklären ?
Ich möchte Niemandes heilige Empfindungen durch Worte
verletzen , die falsch ausgelegt werden könnten .
Nur kurz deute ich an , was in der mohammedanischen
Welt der Zug der Pilger nach Mekka ist , in der katholischen
Welt Lourdes und so zahllose andere Punkte , von wo Menschen
durch ihren Glauben getröstet heimkehren , und der heilige Rock
zu Trier . So werden auch wir dem tiefen Glaubensbedürfnisse
unserer Leute Zielpunkte errichten . Unsere Geistlichen werden
uns ja zuerst verstehen , und mit uns gehen .
Wir wollen drüben jeden nach seiner Façon selig werden
lassen . Auch und vor allem unsere theuren Freidenker , unser
unsterbliches Heer , das für die Menschheit immer neue Gebiete
erobert .
Auf Niemanden soll ein anderer Zwang ausgeübt werden ,
als der zur Erhaltung des Staates und der Ordnung nöthige .
Und dieses Nöthige wird nicht von der Willkür einer oder
mehrerer Personen wechselnd bestimmt sein , sondern in ehernen
Gesetzen ruhen . Will man nun gerade aus den von mir gewählten
Beispielen folgern , dass die Menge nur vorübergehend
nach solchen Zielpunkten des Glaubens , des Erwerbes oder des
Vergnügens gezogen werden kann , so ist die Widerlegung dieses
Einwurfs einfach . Ein solcher Zielpunkt vermag die Massen nur
anzulocken . Alle diese Anziehungspunkte zusammen sind geeignet ,
sie festzuhalten und dauernd zu befriedigen . Denn
diese Anziehungspunkte bilden zusammengenommen eine grosse
Einheit , eine langgesuchte , nach der unser Volk nie aufgehört
hat sich zu sehnen ; für die es sich erhalten hat , für die es
durch den Druck erhalten worden ist : die freie Heimat ! Wenn
die Bewegung entsteht , werden wir die Einen nachziehen , die
Anderen uns nachfliessen lassen , die Dritten werden mitgerissen
und die Vierten wird man uns nachdrängen .
Diese , die zögernden späten Nachzügler werden hüben
und drüben am Schlechtesten daran sein .
Aber die Ersten , die gläubig , begeistert und tapfer hinübergehen ,
werden die besten Plätze haben .
Unser Menschenmaterial .
Ueber kein Volk sind so viele Irrthümer verbreitet , wie
über die Juden . Und wir sind durch unsere geschichtlichen
Leiden so gedrückt und muthlos geworden , dass wir diese Irrthümer
selbst nachsprechen und nachglauben . Eine der falschen
Behauptungen ist die unmässige Handelslust der Juden . Nun
ist es bekannt , dass wir dort , wo wir die aufsteigende Classenbewegung
mitmachen können , uns eilig vom Handel entfernen .
Weitaus die meisten jüdischen Kaufleute lassen ihre Söhne
studiren . Daher kommt ja die sogenannte Verjudung aller gebildeten
Berufe . Aber auch in den wirthschaftlich schwächeren
Schichten ist unsere Handelslust keineswegs so gross , wie angenommen
wird . In den östlichen Ländern Europas gibt es grosse
Massen von Juden , die keine Handeltreibenden sind und vor
schweren Arbeiten nicht zurückschrecken . Die Society of Jews
wird in der Lage sein , eine wissenschaftlich genaue Statistik
unserer Menschenkräfte vorzubereiten . Die neuen Aufgaben und
Aussichten , die unsere Leute im neuen Lande erwarten , werden
die jetzigen Handarbeiter befriedigen und viele der jetzigen
kleinen Händler zu Handarbeitern machen .
Ein Hausirer , der mit dem schweren Pack auf dem Rücken
über Land geht , fühlt sich nicht so glücklich wie seine Verfolger
glauben . Mit dem Siebenstundentage sind alle diese
Leute zu Arbeitern zu machen . Es sind so brave , verkannte
Leute und leiden jetzt vielleicht am schwersten . Uebrigens wird
sich die Society of Jews von Anfang an mit ihrer Erziehung
zu Arbeitern beschäftigen . Die Erwerbslust wird auf eine gesunde
Weise anzuregen sein . Der Jude ist sparsam , findig und
erfüllt vom stärksten Familiensinn . Solche Menschen eignen sich
zu jeder Erwerbsthätigkeit und es wird genügen , den Kleinhandel
zu einem unergiebigen zu machen , um selbst die jetzigen
Hausirer davon abzubringen . Hierzu würde beispielsweise die
Begünstigung grosser Kaufhäuser , in denen man alles findet ,
dienen . Diese Universalkaufhäuser erdrücken schon jetzt in den
Grossstädten den kleinen Handel . In einer neuen Cultur würden
sie sein Entstehen geradezu verhindern . Ihre Einrichtung hätte
gleichzeitig den Vortheil , das Land auch für Menschen mit vorgeschrittenen
Bedürfnissen sofort bewohnbar zu machen .
Kleine Gewohnheiten .
Verträgt es sich mit dem Ernste dieser Schrift , dass ich ,
wenn auch nur flüchtig , von den kleinen Gewohnheiten und
Bequemlichkeiten des Alltagsmenschen spreche ?
Ich glaube , ja . Es ist sogar sehr wichtig . Denn diese
kleinen Gewohnheiten sind wie tausend Zwirnfäden , von denen
jeder einzelne dünn und schwach ist – zusammen sind sie ein
unzerreissbares Seil .
Auch auf diesem Punkte muss man sich von beschränkten
Vorstellungen freimachen . Wer etwas von der Welt gesehen
hat , der weiss , dass gerade die kleinen Alltagsgewohnheiten
schon jetzt mit Leichtigkeit überallhin verpflanzt werden . Ja ,
die technischen Errungenschaften unserer Zeit , welche dieser
Plan für die Menschlichkeit verwenden möchte , sind bisher hauptsächlich
für die kleinen Gewohnheiten verwendet worden . Es
gibt englische Hotels in Egypten und auf den Berggipfeln der
Schweiz , Wiener Cafés in Südafrika , französische Theater in
Russland , deutsche Opern in Amerika und das beste bairische
Bier in Paris .
Wenn wir noch einmal aus Mizraim wandern , werden wir
die Fleischtöpfe nicht vergessen .
In jeder Ortsgruppe kann und wird Jeder seine kleinen
Gewohnheiten wiederfinden , nur besser , schöner , angenehmer .
Society of Jews
und
Judenstaat .
Negotiorum gestio .
Diese Schrift ist nicht für Fachjuristen berechnet ; darum
kann ich meine Theorie vom Rechtsgrunde des Staates auch
nur flüchtig andeuten , wie vieles Andere .
Dennoch muss ich einiges Gewicht auf meine neue Theorie
legen , die sich wohl selbst in einer rechtsgelehrten Discussion
wird halten lassen .
Rousseau's heute schon veraltete Auffassung wollte dem
Staat einen Gesellschaftsvertrag zu Grunde legen . Rousseau
meint : „ Die Clauseln dieses Vertrages sind durch die Natur
der Verhandlung so bestimmt , dass die geringste Abänderung
sie nichtig und wirkungslos machen müsste . Die Folge davon
ist , dass sie , wenn sie auch vielleicht nie ausdrücklich
ausgesprochen wären , doch überall gleich , überall
stillschweigend angenommen und anerkannt sind u. s. w . “
Die logische und geschichtliche Widerlegung von Rousseau's
Theorie war und ist nicht schwer , wie furchtbar und fruchtbar
diese Theorie auch gewirkt habe . Für die modernen Verfassungsstaaten
ist die Frage , ob vor der Constitution schon ein
Gesellschaftsvertrag mit „ nicht ausdrücklich ausgesprochenen ,
aber unabänderlichen Clauseln “ bestanden habe , ohne praktisches
Interesse . Jetzt ist das Rechtsverhältniss zwischen Regierung und
Bürgern jedenfalls festgesetzt .
Aber vor der Einrichtung einer Verfassung und beim Entstehen
eines neuen Staates sind diese Grundsätze auch praktisch
wichtig . Dass neue Staaten noch immer entstehen können , wissen
wir ja , sehen wir ja . Colonien fallen vom Mutterlande ab , Vasallen
reissen sich vom Suzerän los , neuerschlossene Territorien
werden gleich als freie Staaten gegründet . Der Judenstaat ist
allerdings als eine ganz eigenthümliche Neubildung auf noch unbestimmtem
Territorium gedacht . Aber nicht die Länderstrecken
sind der Staat , sondern die durch eine Souveränetät zusammengefassten
Menschen sind es .
Das Volk ist die persönliche , das Land die dingliche Grundlage
des Staates . Und von diesen beiden Grundlagen ist die persönliche
die wichtigere . Es gibt zum Beispiel eine Souveränetät
ohne dingliche Grundlage , und sie ist sogar die geachtetste der
Erde : es ist die Souveränetät des Papstes .
In der Wissenschaft vom Staate herrscht gegenwärtig die
Theorie der Vernunftnothwendigkeit . Diese Theorie reicht aus ,
um die Entstehung des Staates zu rechtfertigen , und sie kann
nicht geschichtlich widerlegt werden , wie die Vertragstheorie .
So weit es sich um die Entstehung des Judenstaates handelt ,
befinde ich mich in dieser Schrift vollkommen auf dem Boden
der Vernunftnothwendigkeits-Theorie . Diese weicht aber dem
Rechtsgrunde des Staates aus . Der modernen Anschauung entsprechen
die Theorie der göttlichen Stiftung , die der Uebermacht ,
die Patriarchal- , Patrimonial- und Vertragstheorie nicht .
Der Rechtsgrund des Staates wird bald zu sehr in den Menschen
( Uebermachts- , Patriarchal- und Vertragstheorie ) , bald rein über
den Menschen ( göttliche Stiftung ) , bald unter den Menschen
( dingliche Patrimonialtheorie ) gesucht . Die Vernunftnothwendigkeit
lässt die Frage bequem oder vorsichtig unbeantwortet . Eine
Frage , mit der sich die grössten Rechtsphilosophen aller Zeiten
so tief beschäftigt haben , kann jedoch nicht ganz müssig sein .
Thatsächlich liegt im Staat eine Mischung von Menschlichem und
Uebermenschlichem vor . Für das zuweilen drückende Verhältniss ,
in welchem die Regierten zu den Regierenden stehen , ist ein
Rechtsgrund unerlässlich . Ich glaube , er kann in der „ negotiorum
gestio “ gefunden werden . Wobei man sich die Gesammtheit
der Bürger als Dominus negotiorum und die Regierung als den
Gestor zu denken hat .
Der wunderbare Rechtssinn der Römer hat in der negotiorum
gestio ein edles Meisterwerk geschaffen . Wenn das Gut
eines Behinderten in Gefahr ist , darf Jeder hinzutreten und es
retten . Das ist der Gestor , der Führer fremder Geschäfte . Er
hat keinen Auftrag , das heisst keinen menschlichen Auftrag .
Sein Auftrag ist ihm von einer höheren Nothwendigkeit ertheilt .
Diese höhere Nothwendigkeit kann für den Staat auf verschiedene
Weise formulirt werden und wird auch auf den einzelnen
Culturstufen dem jeweiligen allgemeinen Begriffsvermögen entsprechend
verschiedenartig formulirt . Gerichtet ist die Gestio
auf das Wohl des Dominus , des Volkes , zu dem ja auch der
Gestor selbst gehört .
Der Gestor verwaltet ein Gut , dessen Miteigenthümer er
ist . Aus seinem Miteigenthum schöpft er wohl die Kenntnis
des Nothstandes , der das Eingreifen , die Führung in Krieg und
Frieden erfordert ; aber keineswegs gibt er sich als Miteigenthümer
selbst einen giltigen Auftrag . Er kann die Zustimmung
der unzähligen Miteigenthümer im günstigsten Falle nur vermuthen .
Der Staat entsteht durch den Daseinskampf eines Volkes .
In diesem Kampfe ist es nicht möglich , erst auf umständliche
Weise einen ordentlichen Auftrag einzuholen . Ja , es würde jede
Unternehmung für die Gesammtheit von vorneherein scheitern ,
wenn man zuvor einen regelrechten Mehrheitsbeschluss erzielen
wollte . Die innere Parteiung würde das Volk gegen den äusseren
Nothstand wehrlos machen . Alle Köpfe sind nicht unter einen
Hut zu bringen , wie man gewöhnlich sagt . Darum setzt der
Gestor einfach den Hut auf und geht voran .
Der Staatsgestor ist genügend legitimirt , wenn die allgemeine
Sache in Gefahr und der Dominus durch Willensunfähigkeit
oder auf andere Art verhindert ist , sich selbst zu helfen .
Aber durch sein Eingreifen wird der Gestor dem Dominus
ähnlich wie aus einem Vertrage , quasi ex contractu , verpflichtet .
Das ist das vorbestandene oder richtiger : mitentstehende Rechtsverhältniss
im Staate .
Der Gestor muss dann für jede Fahrlässigkeit haften , auch
wegen verschuldeter Nichtvollendung der einmal übernommenen
Geschäfte und Versäumung dessen , was damit im wesentlichen
Zusammenhange steht u. s. w. Ich will die negotiorum gestio
hier nicht weiter ausführen und auf den Staat übertragen . Das
würde uns zu weit vom eigentlichen Gegenstande ablenken .
Nur das Eine sei noch angeführt : „ Durch Genehmigung wird
die Geschäftsführung für den Geschäftsherrn in gleicher Art
wirksam , als wenn sie ursprünglich seinem Auftrag gemäss geschehen
wäre . “
Und was bedeutet das Alles in unserem Falle ?
Das Judenvolk ist gegenwärtig durch die Diaspora verhindert ,
seine politischen Geschäfte selbst zu führen . Dabei ist
es auf verschiedenen Punkten in schwerer oder leichterer Bedrängniss .
Es braucht vor Allem einen Gestor .
Dieser Gestor darf nun freilich nicht ein einzelnes Individuum
sein . Ein solches wäre lächerlich oder – weil es auf
seinen eigenen Vortheil auszugehen schiene – verächtlich .
Der Gestor der Juden muss in jedem Sinne des Wortes
eine moralische Person sein .
Und das ist die Society of Jews .
Der Gestor der Juden .
Dieses Organ der Volksbewegung , dessen Art und Aufgaben wir
erst jetzt erörtern , wird thatsächlich vor allem Anderen entstehen .
Die Entstehung ist eine überaus einfache . Aus dem
Kreise der wackeren englischen Juden , denen ich in London
den Plan mittheilte , wird sich diese moralische Person bilden .
Die Society of Jews ist die Centralstelle der beginnenden
Judenbewegung .
Die Society hat wissenschaftliche und politische Aufgaben .
Die Gründung des Judenstaates , wie ich mir sie denke , hat
moderne wissenschaftliche Voraussetzungen . Wenn wir heute aus
Mizraim wandern , kann es nicht in der naiven Weise der alten
Zeit geschehen . Wir werden uns vorher anders Rechenschaft
geben von unserer Zahl und Kraft . Die Society of Jews ist
der neue Moses der Juden . Die Unternehmung des alten grossen
Gestors der Juden in den einfachen Zeiten verhält sich zur
unserigen , wie ein wunderschönes altes Singspiel zu einer modernen
Oper . Wir spielen dieselbe Melodie mit viel , viel mehr
Violinen , Flöten , Harfen , Knie- und Bassgeigen , elektrischem
Licht , Decorationen , Chören , herrlicher Ausstattung und mit den
ersten Sängern .
Diese Schrift soll die allgemeine Discussion über die
Judenfrage eröffnen . Freunde und Feinde werden sich daran
betheiligen – ich hoffe , nicht mehr in der bisherigen Form
sentimentaler Vertheidigungen und wüster Beschimpfungen . Die
Debatte soll sachlich , gross , ernst und politisch geführt
werden .
Die Society of Jews wird alle Kundgebungen der Staatsmänner ,
Parlamente , Judengemeinden , Vereine , die in Wort
und Schrift , in Versammlungen , Zeitungen und Büchern hervorkommen ,
sammeln .
So wird die Society zum erstenmal erfahren und feststellen ,
ob die Juden schon in's Gelobte Land wandern wollen
und müssen . Die Society wird von den Judengemeinden in aller
Welt die Behelfe zu einer umfassenden Statistik der Juden
erhalten .
Die späteren Aufgaben , die gelehrte Erforschung des neuen
Landes und seiner natürlichen Hilfsmittel , der einheitliche Plan
zur Wanderung und Ansiedelung , die Vorarbeiten für die Gesetzgebung
und Verwaltung etc. sind aus dem Zweck vernünftig zu
entwickeln .
Nach Aussen muss die Society versuchen , wie ich schon
anfangs im allgemeinen Theil erklärte , als staatsbildende Macht
anerkannt zu werden . Aus der freien Zustimmung vieler Juden
kann sie den Regierungen gegenüber die nöthige Autorität
schöpfen .
Nach Innen , das heisst dem Judenvolke gegenüber , schafft
die Society die unentbehrlichen Einrichtungen der ersten Zeit
– die Urzelle , um es mit einem naturwissenschaftlichen Worte zu
sagen , aus der sich später die öffentlichen Einrichtungen des
Judenstaates entwickeln sollen .
Das erste Ziel ist , wie schon gesagt , die völkerrechtlich
gesicherte Souveränetät auf einem für unsere gerechten Bedürfnisse
ausreichenden Landstrich .
Was hat nachher zu geschehen ?
Die Landergreifung .
Als die Völker in den historischen Zeiten wanderten ,
liessen sie sich vom Weltzufall tragen , ziehen , schleudern . Wie
Heuschreckenschwärme gingen sie in ihrem bewusstlosen Zuge
irgendwo nieder . In den geschichtlichen Zeiten kannte man ja
die Erde nicht .
Die neue Judenwanderung muss nach wissenschaftlichen
Grundsätzen erfolgen .
Noch vor einigen vierzig Jahren wurde die Goldgräberei
auf eine wunderlich einfältige Weise betrieben . Wie abenteuerlich
ist es in Californien zugegangen ! Da liefen auf ein Gerücht
hin die Desperados aus aller Welt zusammen , stahlen der Erde ,
raubten einander das Gold ab – und verspielten es dann
ebenso räubermässig .
Heute ! Man sehe sich heute die Goldgräberei in Transvaal
an . Keine romantischen Strolche mehr , sondern nüchterne Geologen
und Ingenieure leiten die Goldindustrie . Sinnreiche Maschinen
lösen das Gold aus dem erkannten Gestein . Dem Zufall
ist wenig überlassen .
So muss das neue Judenland mit allen modernen Hilfsmitteln
erforscht und in Besitz genommen werden .
Sobald uns das Land gesichert ist , fährt das Landnahmeschiff
hinüber .
Auf dem Schiff befinden sich die Vertreter der Society ,
der Company und der Ortsgruppen .
Diese Landnehmer haben drei Aufgaben : 1. die genaue
wissenschaftliche Erforschung aller natürlichen Eigenschaften
des Landes , 2. die Einrichtung einer straff centralisirten Verwaltung ,
3. die Landvertheilung . Diese Aufgaben greifen ineinander
und sind dem schon genügend bekannten Zweck entsprechend
auszuführen .
Nur eins ist noch nicht klargemacht : nämlich wie die
Landergreifung nach Ortsgruppen vor sich gehen soll .
In Amerika occupirt man bei Erschliessung eines neuen
Territoriums auch noch auf eine recht naive Art . Die Landnehmer
versammeln sich an der Grenze und stürzen zur bestimmten
Stunde gleichzeitig und gewaltsam darauf los .
So wird es im neuen Judenlande nicht zu machen sein . Die
Plätze der Provinzen und Städte werden versteigert . Nicht etwa
für Geld , sondern für Leistungen . Es ist nach dem allgemeinen
Plane festgestellt worden , welche Strassen , Brücken , Wasserregulirungen
u. s. w. nöthig sind für den Verkehr . Das wird nach Provinzen
zusammengelegt . Innerhalb der Provinzen werden in ähnlicher
Weise die Stadtplätze versteigert . Die Ortsgruppen übernehmen
die Verpflichtung , das ordentlich auszuführen . Sie bestreiten
die Kosten aus autonomen Umlagen . Die Society wird ja
in der Lage sein , vorauszuwissen , ob sich die Ortsgruppen keiner
zu grossen Opfer vermessen . Die grossen Gemeinwesen erhalten
grosse Schauplätze für ihre Thätigkeit . Grössere Opfer werden
durch gewisse Zuwendungen belohnt : Universitäten , Fach- , Hochschulen ,
Versuchsanstalten etc. und jene Staatsinstitute , die nicht
in der Hauptstadt sein müssen , werden über das Land zerstreut .
Für die richtige Ausführung des Uebernommenen haftet das
eigene Interesse der Ersteher und im Nothfall die Ortsumlage .
Denn so wie wir den Unterschied einzelner Individuen nicht
aufheben können und wollen , so bleibt auch der Unterschied
zwischen den Ortsgruppen bestehen . Alles gliedert sich auf
natürliche Weise . Alle erworbenen Rechte werden geschützt ,
jede neue Entwicklung erhält genügenden Spielraum .
Diese Dinge werden sämmtlich unseren Leuten deutlich
bekannt sein .
So wie wir die Anderen nicht überrumpeln oder betrügen ,
so täuschen wir uns auch selbst nicht .
Von vornherein wird alles auf eine planvolle Art festgestellt
sein . An der Ausarbeitung dieses Planes , den ich nur
anzudeuten vermag , werden sich unsere scharfsinnigsten Köpfe
betheiligen . Alle socialwissenschaftlichen und technischen Errungenschaften
der Zeit , in der wir leben , und der immer
höheren Zeit , in welche die langwierige Ausführung des Planes
fallen wird , sind für den Zweck zu verwenden . Alle glücklichen
Erfindungen , die schon da sind und die noch kommen werden ,
sind zu benützen . So kann es eine in der Geschichte beispiellose
Form der Landnahme und Staatgründung werden , mit bisher
nicht dagewesenen Chancen des Gelingens .
Verfassung .
Eine der von der Society einzusetzenden grossen Commissionen
wird der Rath der Staatsjuristen sein . Diese müssen eine
möglichst gute moderne Verfassung zustandebringen . Ich glaube ,
eine gute Verfassung soll von mässiger Elasticität sein . In einem
anderen Werke habe ich auseinandergesetzt , welche Staatsformen
mir als die besten erscheinen . Ich halte die demokratische
Monarchie und die aristokratische Republik für die feinsten
Formen des Staates . Staatsform und Regierungsprincip müssen
in einem ausgleichenden Gegensatze zu einander stehen . Ich
bin ein überzeugter Freund monarchischer Einrichtungen , weil
sie eine beständige Politik ermöglichen und das mit der Staatserhaltung
verknüpfte Interesse einer geschichtlich berühmten ,
zum Herrschen geborenen und erzogenen Familie vorstellen .
Unsere Geschichte ist jedoch so lange unterbrochen gewesen ,
dass wir an die Einrichtung nicht mehr anknüpfen können . Der
blosse Versuch unterläge dem Fluche der Lächerlichkeit .
Die Demokratie ohne das nützliche Gegengewicht eines
Monarchen ist masslos in der Anerkennung und in der Verurtheilung ,
führt zu Parlamentsgeschwätz und zur hässlichen
Kategorie der Berufspolitiker . Auch sind die jetzigen Völker
nicht geeignet für die unbeschränkte Demokratie und ich glaube ,
sie werden zukünftig immer weniger dazu geeignet sein . Die
reine Demokratie setzt nämlich sehr einfache Sitten voraus und
unsere Sitten werden mit dem Verkehr und mit der Cultur
immer complicirter . Le ressort d'une démocratie est la vertu ,
sagt der weise Montesquieu . Und wo findet man diese Tugend ,
die politische meine ich ? Ich glaube nicht an unsere politische
Tugend , weil wir nicht anders sind , als die anderen modernen
Menschen , und weil uns in der Freiheit zunächst der Kamm
schwellen würde . Das Referendum halte ich für unverständig ,
denn in der Politik gibt es keine einfachen Fragen , die man
blos mit Ja und Nein beantworten kann . Auch sind die Massen
noch ärger als die Parlamente , jedem Irrglauben unterworfen ,
jedem kräftigen Schreier zugeneigt . Vor versammeltem Volke
kann man weder äussere noch innere Politik machen .
Politik muss von oben herab gemacht werden . Im Judenstaate
soll darum doch Niemand geknechtet werden , denn jeder
Jude kann aufsteigen , jeder wird aufsteigen wollen . So muss
ein gewaltiger Zug nach oben in unser Volk kommen . Jeder
Einzelne wird nur glauben , sich selbst zu heben , und dabei
wird die Gesammtheit gehoben . Das Aufsteigen ist in sittliche ,
dem Staate nützliche , der Volksidee dienende Formen
zu binden .
Darum denke ich mir eine aristokratische Republik . Das
entspricht auch dem ehrgeizigen Sinne unseres Volkes , der jetzt
zu alberner Eitelkeit entartet ist . Manche Einrichtung Venedigs
schwebt mir vor ; aber alles , woran Venedig zugrunde ging , ist
zu vermeiden . Wir werden aus den geschichtlichen Fehlern
Anderer lernen , wie aus unseren eigenen . Denn wir sind ein
modernes Volk und wollen das modernste werden . Unser Volk ,
dem die Society das neue Land bringt , wird auch die Verfassung ,
die ihm die Society gibt , dankbar annehmen . Wo sich
aber Widerstände zeigen , wird die Society sie brechen . Sie
kann sich im Werke durch beschränkte oder böswillige Individuen
nicht stören lassen .
Sprache .
Vielleicht denkt jemand , es werde eine Schwierigkeit sein ,
dass wir keine gemeinsame Sprache mehr haben . Wir können
doch nicht Hebräisch miteinander reden . Wer von uns weiss
genug Hebräisch , um in dieser Sprache ein Bahnbillet zu verlangen ?
Das gibt es nicht . Dennoch ist die Sache sehr einfach .
Jeder behält seine Sprache , welche die liebe Heimat seiner
Gedanken ist . Für die Möglichkeit des Sprachenföderalismus
ist die Schweiz ein endgiltiges Beispiel . Wir werden auch
drüben bleiben , was wir jetzt sind , sowie wir nie aufhören
werden , unsere Vaterländer , aus denen wir verdrängt wurden ,
mit Wehmuth zu lieben .
Die verkümmerten und verdrückten Jargons , deren wir
uns jetzt bedienen , diese Ghettosprachen werden wir uns abgewöhnen .
Es waren die verstohlenen Sprachen von Gefangenen .
Unsere Volkslehrer werden dieser Sache ihre Aufmerksamkeit
zuwenden . Die dem allgemeinen Verkehre am meisten nützende
Sprache wird sich zwanglos als Hauptsprache einsetzen . Unsere
Volksgemeinschaft ist ja eine eigenthümliche , einzige . Wir erkennen
uns eigentlich nur noch am väterlichen Glauben als zusammengehörig .
Theokratie .
Werden wir also am Ende eine Theokratie haben ? Nein !
Der Glaube hält uns zusammen , die Wissenschaft macht uns
frei . Wir werden daher theokratische Velleitäten unserer Geistlichen
gar nicht aufkommen lassen . Wir werden sie in ihren
Tempeln festzuhalten wissen , wie wir unser Berufsheer in den
Kasernen festhalten werden . Heer und Clerus sollen so hoch
geehrt werden , wie es ihre schönen Functionen erfordern und
verdienen . In den Staat , der sie auszeichnet , haben sie nichts
dreinzureden , denn sie würden äussere und innere Schwierigkeiten
heraufbeschwören .
Jeder ist in seinem Bekenntniss oder in seinem Unglauben
so frei und unbeschränkt , wie in seiner Nationalität . Und fügt
es sich , dass auch Andersgläubige , Andersnationale unter uns
wohnen , so werden wir ihnen einen ehrenvollen Schutz und die
Rechtsgleichheit gewähren . Wir haben die Toleranz in Europa
gelernt . Ich sage das nicht einmal spöttisch . Den jetzigen Antisemitismus
kann man nur an vereinzelten Orten für die alte
religiöse Intoleranz halten . Zumeist ist er bei den Culturvölkern
eine Bewegung , mit der sie ein Gespenst ihrer eigenen Vergangenheit
abwehren möchten .
Gesetze .
Wenn die Verwirklichung des Staatsgedankens näher rückt ,
wird die Society of Jews gesetzgeberische Vorarbeiten machen
lassen durch ein Juristencollegium . Für die Uebergangszeit
lässt sich der Grundsatz annehmen , dass Jeder der aus den
verschiedenen Ländern einwandernden Juden nach seinen bisherigen
Landesgesetzen zu beurtheilen sei . Bald ist die Rechtseinheit
anzustreben . Es müssen moderne Gesetze sein , auch da
überall das Beste zu verwenden . Es kann eine vorbildliche
Codification werden , durchdrungen von allen gerechten socialen
Forderungen der Gegenwart .
Das Heer .
Der Judenstaat ist als ein neutraler gedacht . Er braucht
nur ein Berufsheer – allerdings ein mit sämmtlichen modernen
Kriegsmitteln ausgerüstetes – zur Aufrechterhaltung der Ordnung
nach Aussen , wie nach Innen .
Die Fahne .
Wir haben keine Fahne . Wir brauchen eine . Wenn man
viele Menschen führen will , muss man ein Symbol über ihre
Häupter erheben .
Ich denke mir eine weisse Fahne , mit sieben goldenen
Sternen . Das weisse Feld bedeutet das neue , reine Leben ; die
Sterne sind die sieben goldenen Stunden unseres Arbeitstages .
Denn im Zeichen der Arbeit gehen die Juden in das neue Land .
Reciprocität und Auslieferungsverträge .
Der neue Judenstaat muss anständig gegründet werden .
Wir denken ja an unsere künftige Ehre in der Welt .
Darum müssen alle Verpflichtungen in den bisherigen
Wohnorten rechtschaffen erfüllt werden . Billige Fahrt und alle
Ansiedelungsbegünstigungen werden Society of Jews und Jewish
Company nur denjenigen gewähren , die ein Amtszeugniss Ihrer
bisherigen Behörden beibringen : „ In guter Ordnung fortgezogen “ .
Alle privatrechtlichen Forderungen , die noch aus den verlassenen
Ländern stammen , sind im Judenstaate leichter klagbar
als irgendwo . Wir werden gar nicht auf Reciprocität warten .
Wir thun das nur um unserer eigenen Ehre willen . So werden
späterhin auch unsere Forderungen willigere Gerichte finden ,
als dies jetzt da und dort der Fall sein mag .
Von selbst versteht sich nach allem Bisherigen , dass wir
auch die jüdischen Verbrecher leichter ausliefern , als jeder
andere Staat , bis zu dem Augenblicke , wo wir die Strafhoheit
nach denselben Grundsätzen ausüben werden , wie alle übrigen
civilisirten Völker . Es ist also eine Uebergangszeit gedacht ,
während welcher wir unsere Verbrecher erst nach abgebüsster
Strafe aufnehmen . Haben sie aber gebüsst , so werden sie ohne
jede Restriction aufgenommen , es soll auch für die Verbrecher
unter uns ein neues Leben beginnen .
So kann für viele Juden die Auswanderung zu einer glücklich
verlaufenden Krise werden . Die schlechten äusseren Bedingungen ,
unter denen mancher Charakter verdorben ist , werden
behoben , und Verlorene können gerettet werden .
Ich möchte da kurz die Geschichte erzählen , die ich in
einem Bericht über die Goldminen von Witwatersrand gefunden
habe . Ein Mann kam eines Tages nach dem Rand , liess sich
nieder , versuchte Einiges , nur nicht das Goldgraben , gründete
endlich eine Eisfabrik , die prosperirte , und erwarb sich bald
durch seine Anständigkeit die allgemeine Achtung . Da wurde
er nach Jahren plötzlich verhaftet . Er hatte in Frankfurt als
Bankier Betrügereien verübt , war entflohen und hatte hier unter
falschem Namen ein neues Leben begonnen . Als man ihn aber
gefangen fortführte , da erschienen die angesehensten Leute auf
dem Bahnhof , sagten ihm herzlich Lebewohl und – Auf Wiedersehen !
Denn er wird wiederkommen .
Was sagt diese Geschichte alles ! Ein neues Leben vermag
selbst Verbrecher zu bessern . Und wir haben doch verhältnissmässig
sehr wenige Verbrecher . Man lese dazu eine interessante
Statistik „ Die Kriminalität der Juden in Deutschland “ , die von
Dr. P. Nathan in Berlin – im Auftrage des Comités zur Abwehr
antisemitischer Angriffe – auf Grund amtlicher Ausweise
zusammengestellt wurde . Freilich geht aber diese zahlenerfüllte
Schrift , wie manche andere „ Abwehr “ von dem Irrthum aus ,
dass sich der Antisemitismus vernünftig widerlegen lasse . Man
hasst uns vermuthlich ebensosehr wegen unserer Vorzüge , wie
wegen unserer Fehler .
Vortheile der Judenwanderung .
Ich denke mir , dass die Regierungen diesem Entwurfe
freiwillig oder unter dem Drucke ihrer Antisemiten einige Aufmerksamkeit
schenken werden , und vielleicht wird man sogar
da und dort von Anfang an dem Plane mit Sympathie entgegenkommen ,
und es der Society of Jews auch zeigen .
Denn durch die Judenwanderung , die ich meine , können
keine wirthschaftlichen Krisen entstehen . Solche Krisen , die im
Gefolge von Judenhetzen überall kommen müssten , würden durch
die Ausführung dieses Entwurfes vielmehr verhindert werden .
Eine grosse Periode der Wohlfahrt würde in den jetzt antisemitischen
Ländern beginnen . Es wird ja , wie ich schon oft
sagte , eine innere Wanderung der christlichen Staatsbürger in
die langsam und planvoll evacuirten Positionen der Juden stattfinden .
Wenn man uns nicht nur gewähren lässt , sondern geradezu
hilft , so wird die Bewegung überall befruchtend wirken . Es
ist auch eine bornirte Vorstellung , von der man sich frei machen
muss , dass durch den Abzug vieler Juden eine Verarmung der
Länder eintreten müsste . Anders stellt sich ein Abzug infolge
von Hetzen dar , wobei allerdings , wie in der Verwirrung eines
Krieges , Güter zerstört werden . Und anders ist der friedliche
freiwillige Abzug von Colonisten , wobei alles unter Schonung
erworbener Rechte , in vollster Gesetzlichkeit , frei und offen , am
hellen Tage , unter den Augen der Behörden , unter der Controle
der öffentlichen Meinung vollzogen werden kann . Die Auswande-
rung von christlichen Proletariern nach anderen Welttheilen
käme durch die Judenbewegung zum Stillstande .
Die Staaten hätten ferner den Vortheil , dass ihr Exporthandel
gewaltig wüchse , denn da die ausgewanderten Juden
drüben noch lange auf die europäischen Erzeugnisse angewiesen
wären , müssten sie sie nothwendig beziehen . Durch die Ortsgruppen
würde ein gerechter Ausgleich geschaffen , die gewohnten
Bedürfnisse müssten sich noch lange an den gewohnten Orten
decken .
Einer der grössten Vortheile wäre wohl die sociale Erleichterung .
Die sociale Unzufriedenheit könnte auf eine Zeit
hinaus beschwichtigt werden , die vielleicht 20 Jahre , vielleicht
länger dauern würde , jedenfalls aber die ganze Zeit der Judenwanderung
hindurch anhielte .
Die Gestaltung der socialen Frage hängt nur von der Entwicklung
der technischen Mittel ab . Der Dampf hat die Menschen
um die Maschinen herum in den Fabriken versammelt , wo sie
aneinander gedrückt sind und durch einander unglücklich werden .
Die Production ist eine ungeheure , wahllose , planlose , führt
jeden Augenblick zu schweren Krisen , durch die mit den Unternehmern
auch die Arbeiter zugrunde gehen . Der Dampf hat die
Menschen aneinandergepresst , die Anwendung der Elektricität
wird sie vermuthlich wieder auseinander streuen und vielleicht
in glücklichere Arbeitszustände bringen . Jedenfalls werden die
technischen Erfinder , die wahren Wohlthäter der Menschheit ,
auch nach Beginn der Judenwanderung weiterarbeiten und hoffentlich
so wunderbare Dinge finden wie bisher , nein , immer wunderbarere .
Schon scheint das Wort „ unmöglich “ aus der Sprache der
Technik verschwunden zu sein . Käme ein Mann des vorigen
Jahrhunderts wieder , er fände unser ganzes Leben voll unbegreiflicher
Zaubereien . Wo wir Modernen mit unseren Hilfsmitteln
erscheinen , verwandeln wir die Wüste in einen Garten . Zur Errichtung
von Städten genügen uns jetzt soviele Jahre , als man
in früheren Epochen der Geschichte Jahrhunderte brauchte –
dafür zahllose Beispiele in Amerika . Die Entfernungen sind als
Hinderniss überwunden . Die Schatzkammer des modernen Geistes
enthält schon unermessliche Reichthümer ; jeder Tag vermehrt
sie , hunderttausend Köpfe sinnen , suchen auf allen Punkten der
Erde , und was einer entdeckt hat , gehört im nächsten Augenblick
der ganzen Welt .
Wir selbst möchten im Judenlande alle neuen Versuche
benützen , fortbilden , und wie wir im Siebenstundentage ein Experiment
zum Wohle der ganzen Menschheit machen , so wollen
wir in Allem Menschenfreundlichen vorangehen und als neues
Land ein Versuchsland und Musterland vorstellen .
Nach dem Abzug der Juden werden die von ihnen geschaffenen
Unternehmungen verbleiben wo sie waren . Und nicht
einmal der jüdische Unternehmungsgeist wird dort fehlen , wo
man ihn gerne sieht . Das mobile jüdische Capital wird auch
fernerhin seine Anlagen dort suchen , wo seinen Besitzern die
Verhältnisse wohlbekannt sind . Und während jetzt das jüdische
Geldcapital wegen der Verfolgungen ausser Landes die entlegensten
Unternehmungen aufsucht , wird es bei dieser friedlichen
Lösung zurückkehren und zum weiteren Aufschwung der
bisherigen Wohnorte der Juden beitragen .
Schlusswort .
W ie Vieles ist noch unerörtert geblieben , wie viele Mängel ,
schädliche Flüchtigkeiten und nutzlose Wiederholungen
weist noch immer diese Schrift auf , die ich mir lange wohl bedacht
und oft überarbeitet habe .
Der redliche Leser , der auch verständig genug ist , im
Inneren der Worte zu lesen , wird sich von den Mängeln nicht
abstossen lassen . Er wird sich eher angeeifert fühlen , mit seinem
Scharfsinn und seiner Kraft theilzunehmen an einem Werk , das
keinem Einzelnen gehört , und es zu verbessern .
Habe ich nicht selbstverständliche Dinge erklärt und wichtige
Bedenken übersehen ?
Einige Einwände habe ich zu widerlegen versucht ; ich
weiss , es gibt noch andere , viele , es gibt hohe und niedere .
Zu den hohen Einwendungen gehört es , dass in der Welt
die Nothlage der Juden nicht die einzige ist . – Ich meine aber ,
dass wir immerhin anfangen sollen , ein wenig Elend hinwegzuräumen ;
wäre es auch vorläufig nur unser eigenes .
Ferner kann gesagt werden , dass wir nicht neue Unterschiede
zwischen die Menschen bringen sollten ; keine neuen
Grenzen errichten , lieber die alten verschwinden machen . – Ich
meine , das sind liebenswerthe Schwärmer , die so denken ; aber
der Staub ihrer Knochen wird schon spurlos zerblasen sein , wenn
die Vaterlandsidee noch immer blühen wird . Die allgemeine
Verbrüderung ist nicht einmal ein schöner Traum . Der Feind
ist nöthig für die höchsten Anstrengungen der Persönlichkeit .
Aber wie ? Die Juden würden wohl in ihrem eigenen Staat
keinen Feind mehr haben , und da sie im Wohlergehen schwach
werden und schwinden , so würde das Judenvolk dann erst recht
zu Grunde gehen ? – Ich meine , die Juden werden immer genug
Feinde haben , wie jede andere Nation . Wenn sie aber auf ihrem
eigenen Boden sitzen , können sie nie mehr in alle Welt zerstreut
werden . Wiederholt kann die Diaspora nicht werden , solange die
ganze Cultur der Welt nicht zusammenbricht . Und davor kann
sich nur ein Einfältiger fürchten . Die jetzige Cultur hat Machtmittel
genug , um sich zu vertheidigen .
Die niederen Einwendungen sind zahllos , wie es ja auch
mehr niedere Menschen gibt als hohe . Einige beschränkte Vorstellungen
versuchte ich niederzuringen . Wer sich hinter die
weisse Fahne mit den sieben Sternen stellen will , muss mithelfen
in diesem Aufklärungs-Feldzug . Vielleicht wird der Kampf zuerst
gegen manche böse , engherzige , beschränkte Juden geführt werden
müssen .
Wird man nicht sagen , dass ich den Antisemiten Waffen
liefere ? Warum ? Weil ich das Wahre zugebe ? Weil ich nicht
behaupte , dass wir lauter vortreffliche Menschen unter uns haben ?
Wird man nicht sagen , dass ich einen Weg zeige , auf dem
man uns schaden könnte ? Das bestreite ich auf das Entschiedenste .
Was ich vorschlage , kann nur ausgeführt werden mit freier Zustimmung
der Judenmehrheit . Es kann gegen einzelne , selbst
gegen die Gruppen der jetzt mächtigsten Juden gemacht werden
– aber nie und nimmermehr vom Staat aus gegen alle Juden .
Man kann die gesetzliche Gleichberechtigung der Juden , wo sie
einmal besteht , nicht mehr aufheben ; denn schon die einleitenden
Versuche würden sofort alle Juden , Arm und Reich , den Umsturzparteien
zujagen . Schon der Beginn officieller Ungerechtigkeiten
gegen die Juden hat überall wirthschaftliche Krisen im Gefolge .
Man kann also eigentlich wenig Wirksames gegen uns thun , wenn
man sich nicht selbst weh thun will . Dabei wächst und wächst
der Hass . Die Reichen spüren davon nicht viel . Aber unsere
Armen ! Man frage unsere Armen , die seit der Erneuerung des
Antisemitismus furchtbarer proletarisirt wurden , als je vorher .
Werden einige Wohlhabende meinen , der Druck sei noch
nicht gross genug für die Auswanderung , und selbst bei gewaltsamen
Judenaustreibungen zeige sich , wie ungern unsere Leute
gingen ? Ja , weil sie nicht wissen , wohin ! Weil sie nur aus einem
Elend in's andere kommen . Aber wir zeigen ihnen den Weg in
das Gelobte Land . Und mit der schrecklichen Macht der Gewohnheit
muss die herrliche Macht der Begeisterung ringen .
Die Verfolgungen sind nicht mehr so bösartig wie im Mittelalter ?
Ja , aber unsere Empfindlichkeit ist gewachsen , so dass
wir keine Verminderung der Leiden spüren . Die lange Verfolgung
hat unsere Nerven überreizt .
Und wird man noch sagen : die Unternehmung sei hoffnungslos ,
selbst wenn wir das Land und die Souveränetät bekommen
– weil nur die Armen mitgehen werden ? Gerade die brauchen
wir zuerst ! Nur die Desperados taugen zum Erobern .
Wird Jemand sagen : Ja , wenn das möglich wäre , hätte
man es schon gemacht ?
Früher war es nicht möglich . Jetzt ist es möglich . Noch
vor hundert , vor fünfzig Jahren wäre es eine Schwärmerei gewesen ,
Heute ist das Alles wirklich . Die Reichen , die einen genussvollen
Ueberblick über sämmtliche technischen Errungenschaften
haben , wissen sehr gut , was mit Geld alles gemacht
werden kann . Und so wird es zugehen : gerade die Armen und
Einfachen , die gar nicht ahnen , welche Gewalt über die Naturkräfte
der Mensch schon besitzt , werden die neue Botschaft am
stärksten glauben . Denn sie haben die Hoffnung auf das Gelobte
Land nicht verloren .
Da ist es , Juden ! Kein Märchen , kein Betrug ! Jeder kann
sich davon überzeugen , denn Jeder trägt ein Stück vom Gelobten
Land hinüber : der in seinem Kopf , und der in seinen Armen ,
und Jener in seinem erworbenen Gut .
Nun könnte es scheinen , als wäre das eine langwierige
Sache . Auch im günstigsten Falle würde der Beginn der Staatsgründung
noch viele Jahre auf sich warten lassen . Inzwischen
werden die Juden auf tausend Punkten gehänselt , gekränkt , gescholten ,
geprügelt , geplündert und erschlagen . Nein , wenn wir
auch nur beginnen , den Plan auszuführen , kommt der Antisemitismus
überall und sofort zum Stillstand . Denn es ist der Friedensschluss .
Wenn die Jewish Company gebildet ist , wird diese Nachricht
in einem Tage nach den fernsten Punkten der Erde durch
den Blitz unserer Drähte hinausgetragen worden sein .
Und augenblicklich beginnt auch die Erleichterung . Aus
den Mittelständen fliessen unsere überproducirten mittleren Intelligenzen ,
fliessen ab in unsere ersten Organisationen , bilden
unsere ersten Techniker , Officiere , Professoren , Beamten , Juristen ,
Aerzte . Und so geht die Sache weiter , eilig und doch ohne Erschütterung .
Man wird in den Tempeln beten für das Gelingen des
Werkes . Aber in den Kirchen auch ! Es ist die Lösung eines alten
Druckes , unter dem Alle litten .
Aber zunächst muss es licht werden in den Köpfen . Der
Gedanke muss hinausfliegen bis in die letzten jammervollen
Nester , wo unsere Leute wohnen . Sie werden aufwachen aus
ihrem dumpfen Brüten . Denn in unser Aller Leben kommt ein
neuer Inhalt . Jeder braucht nur an sich selbst zu denken , und der
Zug wird schon ein gewaltiger .
Und welcher Ruhm erwartet die selbstlosen Kämpfer für
die Sache !
Darum glaube ich , dass ein Geschlecht wunderbarer Juden
aus der Erde wachsen wird . Die Makkabäer werden wieder auf-
stehen .
Noch einmal sei das Wort des Anfangs wiederholt : Die
Juden , die wollen , werden ihren Staat haben .
Wir sollen endlich als freie Männer auf unserer eigenen
Scholle leben und in unserer eigenen Heimat ruhig sterben .
Die Welt wird durch unsere Freiheit befreit , durch unseren
Reichthum bereichert , und vergrössert durch unsere Grösse .
Und was wir dort nur für unser eigenes Gedeihen versuchen ,
wirkt machtvoll und beglückend hinaus zum Wohle aller Menschen .
Gesellschafts-Buchdruckerei Brüder Hollinek , III. , Erdbergstrasse 3 .