Des keuſchen Joſephs
in Aegypten Lebens-Be-
ſchreibung.
GLeich wie der Apffel nit weit
vom Stamm faͤllt/ alſo
ſchlaͤgt kein Zweig aus ſeiner
Art! Niemalen hat eine Taube einen
Raben geboren/ noch ein Nachteul eine
Nachtigall gehaͤgt/ ob zwar beyde von
der Nacht ihren Namen herfuͤhren;
Der Sara ſeltene Schoͤnheit war ſo
beruͤhmt und vortrefflich/ daß ſich auch
Koͤnige: Nemlich der maͤchtige Pha-
rao in Egypten und Abimelech der zu
Gerara in Paleſtina darinn vernarre-
ten! Wo haͤtte dann ein haͤßliches Ur-
Encklein von ihr herkommen koͤnnen?
Vornemlich aus einer ſolchen Mutter
wie Rahel geweſen/ um welcher himm-
liſchen
liſchen Schoͤnheit wegen/ Jacob gantze
vierzehen Jaͤhrige: ob zwar freywillige/
jedoch ſehr beſchwerliche Dienſtbarkeit
gedultet; Warum aber das Geſchlecht
Thare (welcher Abrahams Vatter ge-
weſen/ und von den Arabern Aſſar ge-
nennt wird/) allein vor allen andern
Menſchen ſo damalen gelebt/ mit ſo ver-
wunderlicher Schoͤnheit begabt gewe-
ſen/ davon ſagen die Araber/ Perſer/ und
Chaldeer Naturkuͤndiger neben ihren
Geſchichtbuͤchern dieſes; Daß obge-
meldter Thare oder Aſar ein uͤberaus
kuͤnſtlicher Bildhauer: Und deswegen
bey dem groſſen Nimbrod in Dienſten
ſehr beliebt/ und zugleich ſeiner Goͤtzen
Tempelwarter oder Pfleger geweſt ſeye;
Der haͤtte ſo vollkommene ſchoͤne Bil-
der verfertigt und unter Handen gehabt/
daß ſich viel die ſie nur angeſehen/ im
erſten Anblick darein verliebt: und wei-
len deſſen Haußfrau/ Abrahams Mut-
ter (aus welchen Geſchlecht auch Sara/
Rebecca und Rahel entſproſſen/) dieſe
Bilder ſtetig vor Augen geſehen/ ſeyen
A iiijdurch
durch ihre hefftige Einbildungen alle
ihre Kinder denſelben an der Geſtalt
aͤhnlich worden; Welche geraubte
Schoͤnheit ihrem Geſchlecht biß ins
vierdte Glied (ob es zwar auff der Liæ
Seiten zeitlicher verhimpelt worden)
angeklebt; Unter allen aber ſeye Joſeph
der Sohn Jacobs der Kern und Aus-
bund darvon: Und zwar ſo unaus-
ſprechlich ſchoͤn geweſen/ daß ſeine
Schoͤnheit auch die hoͤchſte Schoͤnheit
eines jeden Engels uͤbertroffen; Sol-
ches nun iſt der Araber/ Perſer und Me-
ſopotamier Meinung von Joſephs
Schoͤnheit; Es wird auch davor ge-
halten/ daß die Goͤtzen Labans ſo durch
die Rahel wegen ihrer Raritet und ſon-
derbahren Schoͤnheit ihrem Vatter ge-
ſtohlen: Und nachmals durch den Ja-
cob bey Sichem unter eine Aich begra-
ben worden/ ein ſonderbares Kunſt- und
Meiſterſtuck des Aſars: Und die groͤſte
Urſach beydes der Rahel und des Jo-
ſephs Schoͤnheit geweſen ſeyen/ weil Jo-
ſephs und der Rahel Mutter dieſelbe
geliebt:
geliebt: und im Anbeten ſolche ſtetigs
vor Augen gehabt haben;
Aber uͤber dieſe hohe Gaab der
Schoͤnheit/ hat GOtt den Joſeph noch
weit reichlicher geſegnet; So/ daß man
ihn wegen ſeiner Vortrefflichkeit wol
den Edelſten Koͤnig: und wegen ſeiner
Schoͤnheit daß er in dem herꝛlichſten
Pallaſt wohnete/ vergleichen moͤgen;
Er hatte vollkommene Schoͤnheit von
der Mutter/ und eben ſo viel Verſtand
von ſeinem Vatter auff ſich geerbet;
Wolcher in ſeinen bluͤhenden Fruͤhlings-
Jahren anzeigte was er vor Fruͤchte
bringen wuͤrde; Ja ſein Verſtand war
damalen bereits ſo hoch/ ſcharff und faͤ-
hig; Sein Gedaͤchtnuß ſo gut und
ſtarck: und ſein Kopff etwas geſchwind
zubegreiffen/ ſo fertig? Daß ſchwerlich
ein Urtheil zufaͤllen/ ob dieſe ſeine innerli-
che Gaben? oder die aͤuſerliche Geſtalt
ſeines Leibs am verwunderlichſten zu-
ſchaͤtzen? Dahero hat er gleich in ſeiner
Jugend gefaſſt/ was ſeinen Altvaͤttern
in ihrem mannlichen Alter zubegreiffen
A vſchwer
ſchwer gefallen/ er gruͤndet allen natuͤr-
lichen Dingen nach/ und kam in kuͤrtze ſo
weit/ daß man ihn billich ein Vorbild
des weiſen Salomonis nennen mag;
Erwar ein guter Aſtronomus und Ma-
thematicus, und verſtunde die Magia
oder vielmehr die Philoſophia naturalis
vollkommen neben dem Ackerbau? Der
Menſchen und Thier Eigenſchafften
wuſte er/ und konte derſelben Gebrechen
durch Artzneymittel leichtlich helffen/ wie
dann auch ſeine Bruͤder von dergleichen
Wiſſenſchafften bey ihnen haͤtten taͤg-
lich Philoſophirten/ aber ihme alleſa-
men bey weitem das Waſſer nicht rei-
chen konten/ wie wol er deren eilff hatte.
Darbey ware er ſehr demuͤtig/ fromb/
auffrichtig/ redſprechig/ freundiich und
holdſeliger Geberden/ von den Laſtern
wuſte er ſo gar nichts/ daß er auch ihre
Namen nicht verſtunde; Und ob zwar
damal noch kein geſchriebene Geſetz vor-
handen/ darnach jeder zu leben haͤtte;
So war er doch vom guͤtigen Himmel
ſo erſchaffen: Und durch das Geſetz der
Na-
Natur alſo unterwieſen/ daß er nichts
anders als Tugend wuͤrckte; Jn ſol-
chem Stand befliſſe er ſich wie er ſeinem
Vatter wol bedienen: Jhm vor Zorn
und Sorg ſeyn: Und deſſen Haab ver-
mehren helffen moͤchte/ wordurch er den
erwarb/ daß ihn Jacob deſto hertzlicher
liebte/ ihne auch/ weil ſich die Lieb nicht
verbergen laͤſſt/ mit einem ſchoͤnen bund-
geſtickten Rock verehrte; Er lieſſe ihn
ungern aus dem Geſicht/ weil er ſeiner
abgeſtorbenen Mutter der unvergleich-
lichen Rahel/ die Jacob ſo inniglich ge-
liebt/ im Angeſicht zwar etwas andet;
an der Schoͤnheit ſelbſt/ ſie aber hun-
dertfaͤltig uͤbertraff. Gleich wie nun
dem alten Patriarchen das Hertz im
Leib vor Lieb auffhupffte/ wann er ſeinen
Joſeph vor ihm ſahe; Alſo lieff hinge-
gen der Lia die Gall uͤber/ wann ſie ihn
nur erblickte; Keiner andern Urſachen
halber/ als darum/ weil keiner von ihren
Soͤhnen beym Vatter ſo ſchaͤtzbar war.
Endlich erbte ſolcher ſtieffmuͤtterliche
Neid auch auff ſeine Stieffbruͤder/ ſo
daß
daß ſeine vollkommene Tugenden und
Schoͤnheit nichts anders als einen ge-
treuen liebreichen Vatter; Und hinge-
gen an der Lia und ſeinen zehen Bruͤdern
eilff abgeſagte Feind erworben/ welches
er doch niemalen gemerckt/ weil er ſich
eingebildet/ es ſey ein jedes ſo Edel und
auffrichtig geartet/ wie er ſelbſten. Je
mehr aber ſeine Tugenden von ſeinen
mißgoͤnſtigen Bruͤdern beneidet wur-
den/ umb ſo viel deſto mehr wuͤrden ſol-
che hingegen nicht allein von ſeinem
Vatter ſondern auch von GOtt ſelbſt
zum hoͤchſten beliebt; Dann der Him-
mel offenbahrte ihm im Traum/ was
vor eines Gluͤcks er ſich zu deroſelben
Belohnung vor ſeinen Bruͤdern ins
kuͤnfftig zugetroͤſten haͤtte; Wordurch
er zugleich Anlaß bekam/ den Außlegun-
gen der Traͤum obzuligen/ deren Be-
deutungen nachzuſinnen/ und was ihm
daran noch abgieng/ von ſeinem Vat-
ter zulernen; Sein erſter Traum den
er ſeinen Vatter in Gegenwart ſeiner
Bruͤder (zwar mehr von kurtzweil und
Wun-
Wunders wegen/ daß einem ſo ſeltzame
Ding im Schlaff vorkommen/ als daß
es ihm was ſonderlichs bedeuten ſolte/)
erzehlte/ war dieſes.
Mir traͤumte (ſagte er:) Als ich neu-
lich mit meinen Bruͤderen in der Ernd
war/ und neben ihnen meine Nachtruhe
hielte/ es haͤtten ſich meiner Bruͤder
Garben vor den meinigen die auffrecht
geſtanden/ von ſich ſelbſten zur Erden ge-
neigt und nidergeworffen/ gleichſamb
als ob ſie die Meinige anbeteten; Dieſes
bedeutet die/ antwortet Jacob/ daß du
der beſte unter deinen Bruͤdern ſeyeſt/
und in angefangenen Tugenden ſtand-
hafftig verharꝛen werdeſt/ weil deine
Garben auch auffrechtig ſtehen blieben/
daß deiner Bruͤder Garben aber nider-
gefallen/ und die deinige angebetet/ be-
deut ihnen nichts anders/ als daß ſie
erſtlich vom Tugendweeg abweichen:
Eine unverantwortliche That begehen:
Und alsdann in ihrem hoͤchſten Kum-
mer dich in deinem Gluͤck und Wol-
ſtand um Huͤlff und Gnad anflehen
wer-
werden; Hieruͤber wurden die Bruͤ-
der Joſephs viel unwilliger/ als uͤber
den Rock den ihn der Vatter hiebevor
hat machen laſſen; Und als ſie in Ab-
weſenheit Joſephs und ihres Vattern
uͤber dieſen Traum und ſeine Auslegung
murꝛeten/ und ihre neidige Gemuͤhter
noch mehr untereinander zu aͤrgerer
Verbitterung hetzten; Sagte Judas
(welches ein dapfferer verſtaͤndiger/ und
mit allerhand Tugenden wolbegabter
Mann: Auch dem Joſeph nicht ſo gar
verboſt abhold war) zu den uͤbrigen/ es
ſeye ein groſſe Thorheit an Traͤum glau-
ben/ weniger ſich ihrentwegen entweder
zubekuͤmmern oder zuerfreuen; Joſeph
haͤtte halt um ſelbige Zeit helffen ein-
erndten/ und wormit er des Tags um-
gangen/ das ſeye ihm des Nachts im
Schlaff vorkommen; Daß nun der
Vatter ein Prophezeyhung daraus ma-
che/ da muͤſſe man ihn reden laſſen/ ſein
Alter ehren und ihm zugeben;
Ruben antwortet hierauff/ es pflege
ihm ſelbſten dergleichen zuwiderfahren
wie
wie dem Joſeph; Dannals er erſt kuͤrtz-
lich zu Sichem geweſen/ die Waid zu-
beſichtigen/ haͤtte ihm getraͤumt als
wann ihm etliche Fuͤchs und Leoparten
das beſte Lamb aus ſeines Vatters Herd
alldorten hinweg genommen/ und in die
Wildnuß gefuͤhrt/ er haͤtte ſich zwar ge-
waltig widerſetzt und doch nichts erhal-
ten moͤgen; Als er aber durch die Wild-
nuß kommen/ haͤtte er ohngefehr daſſelbe
Land wider angetroffen/ aber nicht mehr
gekant/ dieweil es gantz guͤldene Woll
getragen/ ihn haͤtte gedeucht/ daß er ſelb-
ſten ein gut Kleid von ſolcher Woll be-
kommen; Solte er nun aus dergleichen
Poſſen ein kuͤnfftiges ſchlieſſen/ ſo muͤſte
er geſtehen/ daß er billich vor ein Thoren
zuhalten ſeye; Sintemal er ſich wol
einbilden koͤnne/ daß ihm dieſer Traum
nicht vorkommen ſeyn moͤchte/ wann er
ſelbige Taͤg nicht vor die Herd geſorgt/
und ſeine Zeit anderswo als auff derſel-
ben Waid zugebracht haͤtte; Und eben
alſo waͤre es auch mit Joſephs Traum
beſchaffen.
Aſer/
Aſer/ Gad/ Nephtalin und Dann/
widerſprachen dieſen Beyden/ und ſag-
ten/ wann ſchon die Traͤum nichtig und
ohne Bedeutungen ſeynd/ ſo wird je-
doch ein als den andern weg der Jun-
cker Joſeph vom Vatter uns allen vor-
gezogen/ und ſein einige Perſon von ihm
mehr geliebt/ als wir alle miteinander/
welches uns zu hoͤchſtem Schimpſſ ge-
reicht; Endlich giengen ihre Verſam-
lung voneinander/ ein jeder zwar mit un-
ruhigem Hertzen; Der eine lieſſe es bey
dem alten Groll/ Neid und Mißgunſt
verbleiben/ der ander aber/ ſonderlich der
Maͤgd Soͤhne/ wurden verbitterter.
Als aber die Ernd ein End hatte/ und
Jacob ſein gantzes Hauß durch ein herꝛ-
liche Mahlzeit/ die man bey uns die
Erndganß nennet/ nach gehabter Arbeit
ergetzet/ und ſich darbey ſehr froͤlich er-
zeigt/ erzehlet ihm Joſeph/ welcher ſich
ehender des Himmels Fall als ſeiner
Bruͤder Neid verſehen haͤtte/ widerum
einen andern Traum/ den er dieſelbe
Nacht gehabt/ nemblich daß Sonn/
Mond
Mond und eilff Sterne ſich vom Him-
mel gelaſſen: vor ſeinen Fuͤſſen gedemuͤ-
tiget: und ihne angebetet haͤtten/ der alte
Jacob ſagte hierauff/ dieſer Traum be-
deutet dir weit ein groͤſſers als der vori-
ge/ dann ſihe/ es wird die Zeit kommen/
daß du nicht allein uͤber deine Bruͤder
erhoͤhet/ ſondern auch von Vatter und
Mutter ſelbſten geehrt/ und gleichſam
angebetet wirſt werden; Mich zwar
(haͤngt er ferner daran) wird hoͤchlich
erfreuen/ wann ich die Ehr habe/ dich in
ſolchem gluͤckſeligem Stand zu ſehen/
und wolte GOtt daß dieſe ſeine Goͤttli-
che Vorſehung nur bald ins Werck ge-
ſetzt wurde/ dieweil ich gewiß weiß/ daß
ſolches geſchehen muß; Um wie viel ſich
nun Jacob wegen Joſephs kuͤnfftiger
Hochheit erfreuet/ um ſo viel deſto heffti-
ger betruͤbteu ſich hingegen ſeine andere
Kinder; Ja ihre ohne das genugſam
vergallte Gemuͤhter wurden ſo erboſt/
daß ihnen weder Eſſen noch Trincken
ſchmeckte/ ſondern ſie ſtunden nach und
nach von der Tafel auff und verfuͤgten
ſich in ihre Huͤtten.
Jacob
Jacob vermuhte wol aus ihrem Un-
willen was die Glock geſchlagen/ und
daß ſie ſeinen liebſten Sohn ſolch herꝛ-
lich Gluͤck mißgonneten; Doch kont
er ſchwerlich glauben/ daß die Perſon
Joſephs von einigem Menſchen in der
Welt/ geſchweige von ſeinen leiblichen
Bruͤdern mit einem ſolchen Haß und
Neid angefochten werden koͤnte/ wie ſie
ſchon gegen ihm gefaſſt hatten; Joſeph
aber der keinem Frembden/ geſchweige
ſeinen Bruͤdern etwas Boͤſes zutrauete/
hielte davor daß ſie deswegen ſo fruͤhe
Feyrabend gemacht/ damit ſie am Mor-
gen deſto fruͤher ſich mit dem Viehe auff
die Waid begeben moͤchten.
Die zehen Bruͤder ſchieden den Mor-
gen von dannen/ ohne daß einiger ſeinen
Unmuth im geringſten hatte blicken laſ-
ſen/ ſie beſchirmten jhrer Gewonheit
nach den Vatter/ empfiengen ſeinen Se-
gen und befohlen dem Joſeph ſeiner
wol zupflegen; Aber ſo bald ſie ſich allein
drauſſen auff dem Feld befanden/ erhub
ſich ihre Klag! Ah! ſagte Gad/ ſollen
wir
wir dann erleben daß wir unſers Bru-
dern Sclaven werden muͤſſen? Ha!
antwortet Aſar/ ſiheſt du dann nicht/
daß wirs allbereit ſeyn? Sitzt er nicht
ſchon daheim beym Vatter zu Jun-
ckern/ als wann er Perlen ſchwitzen und
Gold hofieren werde? Wird er nicht
ſchon gehalten wie der groͤſte Printz von
der Welt? Was mangelt/ daß ſein
eiteler Traum noch nicht erfuͤllt ſeye?
Er hat ihn vielleicht darum erdichtet und
erzehlet/ damit wir auch wiſſen wie er
von uns geehrt ſeyn wolle; Freylich mel-
det der Dann/ iſt ſein Traum ſchon er-
fuͤllt worden/ es wird ja keiner unter euch
allen ſo alber ſeyn/ der nicht in acht ge-
nommen habe/ was maſſen ihn unſer
Vatter bereits vor laͤngſt in ſeinem Her-
tzen mehr geehrt und angebetet/ als ſonſt
etwas in der Welt! Nephtalin bracht
ſeine Wahr auch zu Marckt/ und ſagte:
Was gilts/ wo ihn nicht unſer Vatter
zu ſeinem einigen Erben erklaͤrt und uns
ausſtoͤſt/ oder mit unſern Kindern gar
zu Joſephs Sclaven macht/ damit des
Jun-
Junckern Traum wahr werde. Judas
antwortet ihm/ er ſolte ein beſſers vom
Vatter gedencken/ ſie waͤren alle ſo wol
als Joſeph aus ſeinen Lenden geboren/
er wuͤrde als ein ehrlicher auffrechter
Mann ein ſolche Ungerechtigkeit an ſei-
nem eignem Gebluͤt nicht veruͤben/ noch
ihm zur Schand in der Gruben nachſa-
gen laſſen; Wer weiß? antwortet Dan/
was geſchiehet? Haben wir nicht Ex-
empel genug am Jſmael/ dem gleiches
widerfahren? Dergleichen Streich
ſeynd nichts neues bey unſerm Ge-
ſchlecht und Vorvattern geweſen; Ob
nun zwar Ruben der Aeltiſte und Be-
redteſte unter ihnen vorgewendet/ daß
jenes aus Willen und Antrieb der Sa-
ræ geſchehen; Die Rahel Joſephs Mut-
ter waͤre hingegen todt/ die ihrige aber
noch alle im Leben/ die den Vatter wol
anders bereden wuͤrden; Benebens
auch die Bedeut- und Auslegung der
Traͤume hoͤniſch genug verlacht/ ihre
Gemuͤhter anders zu biegen/ ſo hat er
doch nichts ausgerichtet/ ſintemal dieſe
vier
vier Maͤgd Soͤhne die uͤbrige uͤber-
ſchryen; Mit vorgeben/ es ſey ja bekant
genug/ wie ihr Vatter mit ihrem Groß-
Vatter und ſeinem leiblichen Bruder
gehandelt/ in dem er beyde betrogen/ und
den Vaͤtterlichen Segen der einem an-
dern von Rechts wegen gebuͤhrt/ zuſamt
den Recht der erſten Geburt auff ſich
ſelbſt gewendet; Doͤrffte nun ein Kind
ſich kein Gewiſſen machen/ mit ſeinem
Vattern und Bruder ſo zu ſpielen/ ſo
wuͤrde es ſich auch nicht ſcheuen/ ins
kuͤnfftig ſeine eigene Kinder mit gleicher
Muͤntz zubezahlen/ man wuſte wol/ was
geſtalt er den Laban ſeinen Schwer/ der
ihm doch ſo viel guts erwieſen/ beruͤckt/
als er ihme deſſen meiſte Haab durch un-
loͤbliche Mittel gantz vortelhafftig abge-
zwackt; Was ſie wol vermeinten daß
Joſeph anders daheim thue/ und ſtetig
bey dem Vatter zu ſitzen habe/ als der-
gleichen Stuͤck zu lernen/ dardurch er ſie
kuͤnfftig um ihr Erbtheil bringen moͤge;
So ſie zwar nicht dem Vatter zur
Schand: Sondern ſich zur Vorſich-
tigkeit
tigkeit auffzumuntern gemeldet haben
wolten; Was gilts/ wann wir heim
kommen/ und nicht anders zur Sachen
thun/ wo nicht dem Joſeph endlich auch
traͤumt/ wie er 11. Stern auffſetze und
mit Sonn und Mon darnach kugele;
Ruben/ Judas und Levi hielten zwar
Widerpart und verfochten ihres Vat-
tern gepflogene Haͤndel nach Muͤglich-
keit/ in dem ſie alles was Jacob gethan/
der Weiber Anſtifftungen zulegten/ wel-
cher Huͤlff Joſeph aber beraubt waͤre;
Es waͤre aber alles vergeblich/ dann dieſe
Reden der uͤbrigen Bruͤdern ohne das
vergallte/ neidige und mißguͤnſtige Her-
tzen durch Mißtrauen dem Joſeph noch
gehaͤſſiger machte; Alſo daß ſie endlich
beſchloſſen/ ſich mit der Menge Viehe
nach Sichem auff die jenige gute Waid
zubegeben/ die Ruben hiebevor ausge-
ſpehet hatte/ um ſich allda ſo lang auff-
zuhalten/ biß ſie ſehen was ihr Vatter
thun wolte/ und ob er allein mit dem Jo-
ſeph wuͤrde hauſen wollen/ auff welchen
Fall/ wann geſchehen ſolte was ſie un-
noͤtig
noͤtig vermuhteten/ ſie ſchon den beſten
Theil der Herd in ihrem Gewalt haͤtten.
Alſo lieſſen ſich dieſe Gebruͤdere durch
Eifer/ Neid/ Haß/ Mißgunſt/ Zorn und
Mißtrauen umbtreiben/ und zogen mit
ihren Herden in das Waidreiche Land
Sichem.
Jndeſſen gedachten weder Jacob
noch Joſeph an gar nichts boͤſes/ ſondeꝛn
Joſeph muſte dem Alten ſeinen Traum
noch eins erzehlen/ und hingegen die
Außlegung darvor widerum anhoͤren;
Gewißlich liebſter Sohn ſagte Jacob/
ich verſichere dich eigentlich/ daß du zu
einem groſſen Herꝛn wirſt werden; Aber
alsdann ſey mir und deinen Bruͤdern
behuͤlfflich/ wann wir anders nach Ver-
hångnuß GOttes deiner Huͤlff bedoͤrf-
fen und dich darum anlangen werden;
Dieſe Wort redet der Alte ſo beweglich:
Endet ſie mit einem ſo inbruͤnſtigen
Vaͤtterlichen Kuß: Und ſahe ſeinen
Sohn darauff ſo andaͤchtig an/ daß
ſich Joſeph (weil er ſeinen Vatter ohne
das mehr als ſich ſelbſten liebte) des
BWei-
Weinens nicht enthalten konte/ welches
dann ſeiner Antwort ein gute Weil den
Paß allerdings verſperꝛte/ dannoch er
ſich aber wider erholet/ ſagte er/ hertzlieb-
ſter Vatter/ nimmermehr gedencke/ daß
ich zugeben werde/ daß deine graue
Haar ſich vor mir buͤcken ſollen etwas
bittweiß zubegehrn/ wann ich anderer
Geſtalt dein Anligen und wie dir zu helf-
fen ſey errahten kan; Und ſolte ich gleich
den Thron der Aſſirier beſitzen; So
werde ich doch als ein getreues Kind dei-
nes Alters Troſt verbleiben/ ſo lang mir
GOtt die Ehr und Gnad verleyhet/ dich
auff dieſer Welt zubedienen.
Nach vielen dergleichen Geſpraͤchen/
hat Jacob den Joſeph geſegnet/ ihne
GOtt befohlen und zu der kuͤnfftigen
Wuͤrdigkeit/ als wann er ſie ſchon vor
Augen ſehe/ alles Gluͤck und Heyl hertz-
lich angewuͤnſcht; auch auff ſein bittli-
ches Begehren unterrichtet/ wie er einen
jeden Traum der etwas bedeute/ leicht-
lich auslegen koͤnne; Welche Kunſt er
dann wegen ſeines klugen Verſtands
und
und hlerzu geneigten angebornen guten
Art nicht allein mit geringer Muͤhe
gleich begriffen/ ſondern auch nachge-
hends durch ſein eigenes ſcharpffes
Nachſinnen ſo weit gebracht/ daß in
gantz Egypten/ auch unter den allerwei-
ſeſten keiner ſeines gleichen zu finden ge-
weſen.
Der ſpate Abend kam dieſen Beyden
viel fruͤher als ſonſten/ weil ihnen ihr
liebreich Geſpraͤch den Tag ſo unver-
merckt gekuͤrtzt hatte; Sie waͤren auch
der dunckelen Nacht ſelbſt noch nicht ge-
wahr worden/ wann Lia nicht zu ihnen
getretten waͤr/ anzeigende/ daß die Soͤhn
mit dem Viehe noch nicht ankommen/
dieſe fragte zugleich ob ſie nicht wuͤſten/
warum ſie wider ihr Gewonheit ſo ſpat
ausblieben? Oder wohin ſie ſich doch
mit der Herd begeben haben moͤchten;
Weilen aber keiner von ihnen Beyden
weder die Urſach ihres Ausbleibens noch
den Ort da ſie ſich befinden moͤchten/
ausſinnen koͤnnen; Haben ſie die Nacht
an ſtatt des Schlaffs mit Unruhe und
B ijSor-
Sorgen ſo betruͤbt zugebracht/ als er-
goͤtzlich ihnen der Tag zuvor gefallen.
Den folgenden Morgen vermehrte
ſich dieſe Traurigkeit im gantzen Hauß/
je eine Sohnsfrau fragte die andere/ ob
ſie nicht beym Abſchied ihres Manns
vernommen/ wohin ſie ſich miteinander
zuverfuͤgen gewillt geweſen; Keine un-
ter allen aber konte Nachricht geben als
Rubens Liebſte/ dann dieſe ſagte/ ihr
Haußwirth haͤtte ſich ohnlaͤngſt verneh-
men laſſen/ daß er in der Sichemiter
Gegend ein ſolche hertzliche Waid ange-
troffen/ daß immer Schad ſeye/ wann
man dieſelbe ohnnuͤtzlich verderben lieſſe/
hielte alſo davor/ daß ihre Maͤnner ſich
ohn Zweiffel dorten uͤber auffhalten
muͤſten/ vornemlich weil ſie den Kern des
beſten Viehes bey ſich haͤtten.
Der bekuͤmmerte Jacob/ ermaß die
Naͤhe des Wegs/ und erkante ohn-
ſchwer/ daß ſeine Soͤhn/ wann ſie gleich-
wol dort geweidet haͤtten/ wol widerum
daheim ſeyn koͤnnen/ dann er dazumal
zu Sieima/ welches die Hebreer Su-
choth
choth nennen/ gewohnet/ von welchem
Ort es einen nicht ſo gar fernen Weg
nach Sichem hat.
Darauff hin haben ihm nicht weni-
ger ſein eigene Sorgen als ſein und ſei-
ner Soͤhne Weiber und deren jungen
Kinder unauffhoͤrlich Weheklagen in-
ſtaͤndig eingerahten/ daß er hinſchicken
und erkundigen laſſen ſolte/ ob ſie villeicht
durch die Arabiſche Raͤuber angegriffen
und weggefuͤhrt worden/ oder ob ihnen
ſonſt ein ander Ungluͤck begegnet waͤre;
Joſepho dem Klugen/ und zwar da-
mals nur ſibenzehen jaͤhrigen Juͤngling
wurde dieſe Verꝛichtung auffgetragen;
Und damit er deſto eilender ein gute
Bottſchafft zu ruck bringen: Oder wañ
villeicht Gefahr vorhanden/ deſto ge-
ſchwinder entfliehen koͤnte/ wuͤrde ihm
ſeines Vattern beſter und ſchnelleſter
Laͤuffer von Perſiſcher Art/ den er aus
Meſopotamia mit ſich gebracht hatte/
untergeben/ auff welchem er mit dem
Segen Jacobs verſehen/ der Herde
Spur nachſtriche/ ſeine geliebte Bruͤder
B iijzu-
zu ſuchen; Welche er auch gegen Ve-
ſperzeit mit ſamt der Herd ehender/ und
zwar in ſo gutem Stand angetroffen/
als ihn zuvor feine all zu groſſe Sorg
und vor ſie habende Bekuͤmmernuß
glauben laſſen; Maſſen ihn ſolcher ge-
wuͤnſchte Anblick hertzlich erfreuete/ als
wann er jetzo die propheceyte Herꝛlichkeit
haͤtt antretten ſollen.
Seine Bruͤder hingegen/ als ſie ihn
von weitem ſahen/ ſprachen untereinan-
der; Ach ſchauet: Dort kommt unſer
Printz! Wolan legt euch nider und er-
fuͤllet ſeine Traͤum; Sehet doch um
Gottes Willen/ der Juncker Traͤumer
hat ſich auf unſers Vattern beſtes Pferd
geſetzt/ damit er unſere Ehrerbietung de-
ſto Majeſtaͤtiſcher empfahen moͤchte! En
warum ſitzen wir doch nicht alle auff un-
ſeren Schindmerꝛen/ damit ſie ſich gleich
wie die Garben in ſeiner Phantaſey ge-
than/ vor dem ſeinigen neigen: Und wir
zugleich dieſen gewaltigen Kerl mit an-
beten moͤchten! Zwar warum nicht?
Dann diß iſt der jenige dem Sonn und
Mond
Mond zugefallen vom Himmel ſteigen
und ſich zu ſeinen Fuͤſſen legen! Diß iſt
der Groſſe/ von dem Vatter und Mut-
ter erzittern/ weil ſie nicht wiſſen/ wie ſie
ihn genug ehren ſollen; Ja der iſts!
Den wir alle ſamt unſeren Kindern als
Sclaven zu dienen vom Himmel zuge-
eignet ſeyn! Villeicht komt er jetzt dar-
umb in ſeinem bunden Rock ſo ſtattlich
auffgebutzt/ und ſo praͤchtig beritten da-
her/ uns ſeinen leibeignen Knechten
ſcharffe Befelch zuertheilen/ und zugleich
die Pflicht des Gehorſams und ſchuldi-
ger Unterthaͤnigkeit von uns zu empfa-
hen? Ja: (hencken ſie ferner daran/)
ehe wir dir zu Gebot ſtehen wollen/ ehe
ſoll dein bundter Fuͤrſten-Rock/ in wel-
chem du gleichſam Koͤniglich prangeſt/
mit Blut beſudelt: Und dein ſtoltzer Leib
von unſers Vattern Angeſicht hinweg
geriſſen: Und in den innerſten Schlund
der Erden verborgen werden; Und die-
ſes ſey der Ayd den wir wollen geſchwo-
ren haben.
B iiijSie
Sie haben auch ſolches zu halten ſich
hoch verpfaͤndet/ doch etliche nicht des
Willens ſolches ins Werck ſetzen zu helf-
fen/ ſondern darum/ dieweil ſie von den
Zornigſten hierzu gemuͤſſigt wurden/
vornemlich der dapffere Ruben/ welcher
auff alle Mittel und weg gedachte/ wie
er dem Joſeph das Leben erhalten: Und
ihn wider zu ſeinem Vatter ſchaffen
moͤchte; Hat ihnen derowegen gleich
Anfangs gerahten/ ſie ſolten gar keine
Hand an ihn legen/ dann mit ſolchem
Brudermord wuͤrden ſie GOtt zum
hoͤchſten beleidigen/ ihren alten Vatter
auch zu todt kraͤncken/ und ihnen ſelbſt
einen im̃erwehrenden nagenden Wurm
ihres boͤſen Gewiſſens erwecken; Dem-
nach aber weder ihre zornige Ohren ihn
hoͤren: Noch ihre ergrimte Gemuͤhter
ſich anders lencken laſſen wolten/ ſtellet
er ſich als waͤre er anders Sinns/ und
zwar ihrer Meinung worden/ ſagte de-
rowegen/ ihr lieben Bruͤder/ wann es ja
nicht anders ſeyn ſoll/ ſo muͤſſen wir
gleichwol auch mit der Sach behutſam
um-
umgehen/ und ſich nicht ůbereilen/ dann
ihn hier bey der Herd hinzurichten iſt nit
rathſam/ weilen wir von unſern Knech-
ten moͤchten verrahten werden; Laſſet
uns rathſchlagen/ was Todts und an
welchem Ort er ſterben ſoll; Mit nich-
ten/ ſagten die andere/ er muß auff der
Stell dran/ dann laſſen wir dieſe Ge-
legenheit aus Handen/ ſo wird die Ver-
hångnus keine mehr ſo gut goͤnnen/ ſon-
dern verſchaffen/ daß wir als Gebunde-
ne unter ſeinem Gewalt ſitzen: Und in
harter Dienſtbarkeit kuͤnfftig unſeren
ſaumſeligen Verzug bereuen muͤſſen.
Ruben/ als er ihre Hartnaͤckigkeit
und blutdurſtige Entſchlieſſung ſahe/
antwortet/ mein Meinung iſt ja nicht/
daß man weder ihn ſelbſt noch dieſe Ge-
legenheit aus Handen gehen laſſen:
Sondern ſich vor der That weißlich be-
rahten ſolle/ damit die Sach alſo kluͤg-
lich angegriffen und vollendet werde/
daß ſie kuͤnfftig verſchwigen bleibe/ und
uns kein Schand oder Nachtheil brin-
B vgen
gen moͤge/ dann ihr wiſſet all/ daß eilen
nie kein gut thaͤt.
Eben damal kam Joſeph zu ihnen ge-
ritten/ er ſtig vom Pferd und neiget ſich
gantz Ehrerbietiglich gegen ihnen/ ver-
meldet zum allererſten des Vattern
Gruß und Segen/ folgends wie bekuͤm-
mert er ihrentwegen daheim ſåſſe/ weil er
nicht wuͤſte wo ſie waͤren/ und ob es ih-
nen wol oder uͤbel gienge; Hertzlich be-
ſorgende es moͤchte ihnen villeicht ein
Ungluͤck begegnet ſeyn; Haͤtte ihn dero-
wegen geſchickt/ zuvernemen.
Mit dem/ und zwar ehe er ſeine Red
vollenden konte/ banden ſie ihn an/ Si-
meon muſte ihn binden und verwahren
weilen er der ſtaͤrckſte unter allen war;
Sie aber tratten beyſeits vom Ruben
ferner zuvernemen/ was er dann nun
vermeinte das jetzo weiters zu thun ſey;
Demſelben war nichts hoͤhers angele-
gen/ als wie er den frommen Joſeph da-
von bringen mochte/ und muſte doch be-
ſorgen/ wann er von neuem vor deſſen
Leben reden wuͤrde/ daß ſeiner Bruͤder
grim-
grimmige Gemuͤhter (die einmal dem
Joſeph obgemeldten Ayd geſchworen/
und ihn von der Koſt zu thun feſtiglich
beſchloſſen hattẽ/) auch mit einem neuen
Muth entzuͤndet werden doͤrffen/ dar-
durch Joſeph gleich im ſelben Augen-
blick von ihnen haͤtte getoͤdtet werden
koͤnnen; Hat derowegen ſeine Red fol-
gender Geſtalt eingerichtet.
Hertzliebe Bruͤder/ ſagt er/ wann die
Soͤhne Jacobs ins kuͤnfftig ein Ungluͤck
treffen ſolte/ ſo wuͤrde Ruben gewißlich
nicht leer ausgehen! Wann die Kinder
Jſrael zu Joſephs Sclaven werden ſol-
ten; So wuͤrden ich und die Meinige
ohn Zweifel ſeiner Dienſtbarkeit nicht
entrinnen moͤgen/ dann es heiſſet gleiche
Bruͤder gleiche Kappen; Und ſolte es
dahin kommen was ihr beſorgt/ und ihm
unſer Vatter ſelbſt weiſſaget (ob ich
zwar nichts auff naͤrriſche Traͤum halte)
ſo waͤre ich wol thorecht/ wann ich ein
beſſers hoffen wuͤrde/ als mit euch uͤber
einen Kamm geſchoren zu werden; Fin-
de derowegen das beſte Mittel zu ſeyn/
B vjd aß
daß wir ihn aus dem Weg raumen;
uns ſelbſten Sicherheit vor ihm ver-
ſchaffen/ und alſo durch ſein Verderben
unſerem eignen Ungluͤck vorkommen;
Jch werde keinem unter euch rahten/ daß
er ein gifftige Schlang im Buſen auff-
erziehe/ damit ſie ihn hernach erwuͤrgen
ſolle/ weil jeder unter euch mein lieber
Bruder iſt! Warum wolte ich dann
den gaͤntzlichen Untergang unſer aller
Freyheit haͤgen/ wann ich Mittel und
Gelegenheit ſehe/ uns ſamtlich ſolcher
Gefahr zuentreiſſen? Daß ich aber ge-
rahten habe/ man ſoll kein Hand anle-
gen: ſolches iſt noch mein Meinung!
Aber man muß mich recht verſtehen:
Dann toͤdten wir ihn ſelbſten/ ſo begehen
wir ein Bruder-Mord mit eignen Haͤn-
den/ und wird das unſchuldig Blut uͤber
uns gen Himmel ſchreyen; Jn dem wir
aber der Geſtalt unſern Vattern ſeines
liebſten Kinds berauben/ ſo nemmen wir
ihme auch zugleich ſein Leben/ in dem wir
ihn durch ſolche That in groſſes Hertzen-
leyd: und durch ſolches Hertzenleyd ſein
Ehr-
Ehrwuͤrdige graue Haar vorſetzlich in
die Grube foͤrdern/ welche That auch bey
den wildeſten Voͤlckern die GOtt nicht
kennen/ verhaſſt: und uns und unſern
Nachkoͤmlingen ein ewige Schand ſeyn
wuͤrde; Das allergreulichſte aber iſt
diß/ daß wir den jenigen verderben/ den
GOtt ſelbſt liebt und ihne allen Segen
und ſo groſſe Hochheit verſprochen; Und
zwar/ ſo thaͤten wir ſolches aus einer gar
boͤſen Urſach (welches noch abſcheulicher
und ſtraͤfflicher waͤre/) nemlich ausbloſ-
ſen Neid und Haß/ welche Laſter GOtt
mißfallen/ ja uͤber diß/ waͤre ſolche Suͤnd
groͤſſer als der Todtſchlag keins/ weil wir
uns ſeine erſchroͤckliche Straff kein Ex-
empel ſeyn laſſen! Wie meinet ihr wol/
hertzallerliebſte Bruͤder/ wann wir ihm
eigenhaͤndig das Leben genommen ha-
ben werden/ welches wir ihm nimmer-
mehr wider zu geben vermoͤgen/ wie haͤn-
ckermaͤſſig uns hernach unſere eigne Ge-
wiſſen martern und peinigen wuͤrden/
wann ſchon der grundguͤtige Gott ſelb-
ſten ſtillſchwige/ und um unſerer Vaͤtter
From-
Fromkeit willen uͤberſehe? (Ruben ſahe
wol daß er keinen von ſeinen Bruͤdern
hiermit bewoͤgte/ dann ſie ſahen alle ſtuͤr-
miſch und moͤrderiſch aus/ grißgram-
ten/ und biſſen die Zaͤhn auffeinander/
mit groſſer Ungedult; Derowegen len-
cket er ſeine Red auff folgenden Schlag
hinaus.) Dieſes alles liebe Bruͤder/
bring ich nicht darum vor euere Ohren/
daß ihr den Joſeph mir und euch zum
HErꝛn behalten ſollet; Sondern des-
wegen: Damit wir ſo wol auſſer ſeiner
Herꝛſchafft und Dienſtbarkeit nach un-
ſerer Altvaͤtter Herkommen in Freyheit
leben: Als auch unſere Haͤnd von ſei-
nem unſchuldigen Blut rein und unbe-
fleckt behalten moͤgen/ und in alle Weg
uns weißlich vorſehen ſollen/ damit wir
unſere Handlungen vor GOtt und der
gantzen Erbarn Welt/ wo nicht verant-
worten/ doch wenigſt beſchoͤnen koͤnnen;
Was Rahts dann nun hertzliebſte
Bruͤder? Wir haben einmal ein Ayd
geſchworen zu ſeinem Verderben/ der
muß gehalten ſeyn/ ſo lieb uns der jenige
Gott
GOtt iſt/ der unſerem Beginnen den
heutigen gantzen Tag zuſihet/ auch zu-
vor unſere Gedancken wuſte/ ehe dieſelbe
in unſere Hertzen geſtigen/ ſolche auch
ſamt der That zu ſeiner Zeit richten
wird! Wolan dann nun liebe Bruͤder;
Welche Tiger-Art hat Jacob geboren/
dem liebſten Sohn Jſraels den erſten
toͤdtlichen Streich zugeben? Nein:
Nein: Das ſey ferne/ daß wir ſich an
GOtt/ an unſerm Vatter und an unſe-
rem Bruder dergeſtalt vergriffen! Jch
weiß ein beſſern Raht/ den Joſeph an
Ort und End zubringen/ daß er ſeines
Vattern Angeſicht nimmer mehr ſehen:
und jedoch unſerm Ayd genug geſchehen
ſolle; Zabulon du weiſt die Wolffs-
grube/ ſo wir dieſer Tagen hier nechſt im
Wald/ miteinander gefunden haben/ in
dieſelbe wollen wir ihn ſtecken/ ſo iſt er
ſchon unſerem Ayd gemeß im Abgrund
der Erden verborgen/ darinnen wollen
wir ihn andere Vaͤtter/ Muͤtter und
Bruͤder ſuchen laſſen/ die ihn Ehren und
anbeten moͤgen ſo lang ſie wollen/ oder
biß
biß er ſelbſt in ſolcher Herꝛlichkeit ver-
reckt; Gefaͤllt euch dann dieſer Vor-
ſchlag nicht/ ſo will ich ihn in eine ſolche
ferne Wildnuß fuͤhren/ da er entweder
den Raͤubern oder den Wilden Thieren
zu theil werden muß; So bleiben unſe-
re Haͤnde ſeines Todtes halber un-
ſchuldig.
Der erſte Vorſchlag den frommen
Joſeph in die Grub zu werffen ward be-
liebt/ und als ein rechtmaͤſſige Verfah-
rung und kluge Erfindung gelobt; Zu-
gleich auch dem Ruben/ Judæ Simeo-
ne und Zabulon auffgetragen/ ſolch Ur-
thel zu vollziehen; Weilen aber ihr Ayd
auch in ſich hielte/ Joſephs koſtbarlichen
Rock/ der ſchier die groͤſte Urſach und
zwar der Anfang ihrer Feindſchafft ge-
weſen/ mit Blut zubeſprengen; Haben
ſie ihm denſelben ausgezogen/ aus Zorn
zimlich zerꝛiſſen/ und in dem Blut eines
jungen Zigenboͤckleins/ ſo ſie zu dem
End geſchlachtet/ herum geſudelt; Jn-
deſſen nun dieſe ihre Rach am Rock uͤb-
ten/ wie die Hund an den Steinen zu
thun
thun pflegen/ wann ſie den/ ſo ſie damit
geworffen/ nicht beſchaͤdigen moͤgen/
fuͤhrten jene vier den Joſeph zu der Gru-
ben/ und lieſſen ihn mit Seilern ohne
ſeine Beſchaͤdigung hinunter; Ruben
aber war bey ſich ſelbſt bedacht/ ihme
ohne ſeiner Bruͤder wiſſen noch ſelbige
Nacht wider heraus zu helffen und ſei-
nem Vatter heimzubringen.
Er danckte GOtt heimlich in ſeinem
Hertzen/ daß er ihm ſolchen Einfall ver-
liehen und Gnad gegeben/ daß ihm ſeine
Bruͤder gefolgt haͤtten; Derſelbe Tag
duncke ihn laͤnger zu ſeyn als ſonſt zween/
weil ihn ſo hertzlich verlangt/ ſein Vor-
haben ins Werck zuſetzen; Er gieng
eintzig hinweg/ mit Vorwand ein beſſere
Waid zuſuchen/ aber ſein Verlangen
war eintzig die finſtere Nacht: Jn wel-
cher er die Vorhabende Erꝛettung ſeines
Brudern ins Werck ſetzen moͤchte;
Nach ſeinem Abſchied kamen unver-
ſehens etliche verirꝛte Jſmaeliter ſo
Kauffmanſchafft halber aus Arabia in
Egypten zogen/ zu der Herd/ keiner an-
dern
dern Urſachen halber/ als wider nach
dem rechten Weg zufragen; Denſelben
verkaufften ſie aus Rath Judæ ihren
Bruder Joſeph umb dreiſſig ſilberne
Pfenning in ewige Dienſtbarkeit/ weil
ſie davor hielten/ es waͤre beſſer vor ſie/
der jenige wuͤrde ſelbſten ein Sclav/ deſ-
ſen Sclaven zu werden ſie beſorgten;
Jedoch mit dieſen austruͤcklichen Be-
ding und Vorbehalt/ daß ſie ihn ſo weit
muͤglich aus dem Land fuͤhren: Und
alsdann an den ferneſten Orten der Er-
den wider verhandlen moͤchten; Neph-
talin/ ſo ein ſchneller Fußganger war/
zeigte ihnen wider den rechten Weg/ ſie
waren aber kaum etlich Meilen fortkom-
men/ da kame die Bruͤder Joſephs alle
ein Reu an/ als ſie nemlich bedachten/
was vor ein ſchlimmes Stuͤck ſie ihren
Bruder erwieſen hatten.
Rubens verdruͤßlicher Tag ſtriche
mit hin vorbey/ und die wuͤnſchende
Nacht herzu; Da er dann nicht ver-
ſaumt hatte/ einen mittelmaͤſſigen Tzi-
nar Baum oder Platanum abzuhauen/
und
und mit Stuͤmling deſſen Aeſten: oder
wo ihm die Natur keine gegeben/ mit
eingeſchlagenen Naͤgeln/ gleich wie einer
Laiter/ zum ſteigen bequem zumachen;
Damit verfuͤgte er ſich zu der Wolff-
oder Leopartengruben/ dem jenigen wi-
der heraus zuhelffen/ den er kurtz zuvor
ſelbſt hinein zuſetzen gemuͤſſigt worden;
Er legte ſich zur Gruben auff die Erd
nider/ und ſchrye hinein; Joſeph lieb-
ſter Bruder! Jhme antwortet aber nur
der betruͤgliche Widerhall/ mit eben den
Worten/ die er in deſſen Abgrund ge-
ſchryen hatte; Ruben ruffte nochmals
dieſelbige Wort/ mit einer viel kraͤffti-
gern Stimm; Echo aber thaͤt derglei-
chen; Ruben ſchrye von aller Macht
und was er erſchreyen konte/ Bruder
ſchlaͤffſt du? Darauff ward er auch ge-
fragt ob er ſchlaffe; Er widerholet ſolch
Geſchrey zu vielen malen; Echo aber
unterließ nicht/ ihme eben ſo unverdruͤß-
lich von Joſephs wegen zu antworten/
als offt er ſeinethalben ſo beweglich frag-
te. Der Zorn und die Lieb ſeynd zwar
zwo
zwo widerwaͤrtige: jedoch einsfalls’ ei-
nige: und ſo beſchaffene Gemuͤhts-Be-
wegungen/ ſonderlich wann eins von
beyden viel zu hefftig iſt/ daß ſie den Men-
ſchen gantz aus ſich ſelbſt bringen/ und
deſſen Verſtand alſo verfinſtern/ daß er
endlich nicht mehr weiß was er thut;
Alſo geſchahe dem redlichen Ruben da-
mals auch/ er wurde bey der Gruben ſo
beſtuͤrtzt/ daß er nicht mehr wuſte wie er
dran war; Er wuſte nicht ob Joſeph
oder deſſen Geiſt mit ihm redet/ weil er
ſo willige Antwort empfieng/ und ſich
doch nicht darein richten konte/ zumalen
an nichts wenigers als an den natuͤrli-
chen Widerſchall gedachte; Stehet alſo
noch darum zu zancken/ ob ihm damals
ein Antwort kein Antwort: Oder kein
Antwort/ ein Antwort geweſen ſey? Zum
letzten ſchrye er/ ach Bruder ſag mir
(gleichſam als ob die Todte redeten) biſt
du todt? Das/ was er foͤrchte/ und ihn
wider antworte nicht zu hoͤren begehrte/
fafſeten ſeine Ohren am allererſten/ nem-
lich das letzte Wort! Ach! ſagte er/ biſt
du
du todt! Ach warum bin ich dann nicht
vor dich geſtorben? Von der Qual die
ſein Hertz damals beruͤhrt/ von dem Heu-
len das er dannenhero anfieng/ und biß
an den anbrechenden Tag triebe: Nicht
weniger von dem jaͤmmerlichen Her-
tzens-Schmertzen/ den er dieſelbe gantze
Nacht uͤbertragen/ kan ich der Urſachen
wegen nichts ſchreiben/ weil ſich mein ei-
gene mitleidenliche Threnen mit der
Dinten meiner elenden Feder vermi-
ſchen: Was mein ſchwaches Vermoͤ-
gen hiervon zu ſchreiben vornehme/ zu
leſen unduͤchtig machen: Und alſo den
Frevel meines Beginnens ſtraffen wuͤr-
den! Ja er/ der ehrliche Ruben/ wurde
endlich ſo ohngehalten/ daß er wegen der
Unſchuld Joſephs/ den er todt zu ſeyn
ſchaͤtzte/ ſo wol wider GOtt und den guͤ-
tigen Himmel/ die ſolchen unſchuldigen
Todt verhaͤngt/ als wider ſeine Bruͤder
murꝛete/ auch von allen nicht beym be-
ſten redete; Er vorfluchte Sonn/ Mond/
Stern und alle Garben/ und kame in
ſolcher Weiß zu ſeinen Bruͤdern als ih-
nen
neneben die Morgenroͤthe einen neuen
Tāg verkuͤndigte.
O ihr Moͤrder! Jhr Schelmen und
Dieb/ ſchrye er auff/ welcher hoͤlliſche
Geiſt hat euch gerahten/ euren unſchul-
digen Bruder umbzubringen? O ihr
Ehr und Gottes vergeſſene Schaͤnder
des gantzen Stammes der redlichen
Hebreer/ welcher Verſtoſſene Engel
zeucht euch durch dieſe That nach ſich in
den Abgrund des ewigen Feuers? Was
iſts doch vor ein Beſtia/ oder viel mehr
vor ein Teufel/ der ſo verwegen geweſen
iſt/ auch nur in Sinn zunemmen/ an der
Unſchuld ſelbſten ein ſolche Mordthat
zubegehen? Ach! Du gerechte Sonn!
Haſt du dieſen ſchroͤcklichen Mord ge-
ſter zugeſehen/ und wilſt heut die Moͤr-
der dannoch wider beſcheinen? Ach
Mond! Hier fielen ihm Judas und Le-
vi/ auch Jſſaſchar und andere mehr in
die Red/ und ſagten: Hoͤr Bruder
was fangſt du vor ein Jammer an?
Wir haben den Joſeph mit dem Leben
laſſen darvon kommen;
Ruben
Ruben aber verſtunde ſie haͤtten ihm
das Leben genommen/ dann er war gantz
nicht bey ſich ſelbſt; Ach! ſagt er/ was
habt ihr gethan? Was ſein Traum boͤ-
ſes bedeutet von den Garben/ habt ihr
euch zur hoͤchſten Schand erfuͤllt; Was
er ihm aber guts verheiſſen/ deſſen/ ſamt
ſeines unſchuldigen Lebens/ habt ihr ihn
beraubt wie andere Schelmen.
Als er aber endlich verſtunde/ daß er
noch lebte/ ihme auch zur Beſtaͤttigung
deſſen von ſeinen Bruͤdern das aus ihm
erloͤſte Geld vorgewieſen wurde; Spie-
he er auffs Geld/ und ſagte/ ihr habt
uͤbel gethan/ daß ihr den unſchuldigen
verkaufft habt/ aber zu geſchehenen Sa-
chen ſoll man das Beſte reden; Beſſer
verkaufft als ermord; GOtt wird den
Joſeph nicht verlaſſen/ und ich verſichere
euch/ daß/ wann ſchon alle lebendige
Creaturen dieſe eure Schalckheit ver-
ſchweigen/ daß doch endlich die Stein
reden und eure Verbrechen an Tag
bringen werden; Wie troͤſten wir aber
indeſſen unſern alten Vatter? Und wie
leinen
leinen wir den Argwohn ab/ mit wel-
chem er und die gantze erbare Welt uns
belegen wird? Sagen wir die War-
heit/ ſo kriegen wir einen ungnaͤdigen
Vatter; Und ſehen ihn wegen ſeines
Sohns Dienſtbarkeit auch in ewigen
Kummer; Sagen wir dann den Jo-
ſeph todt/ ſo reden wir wie die Luͤgner/
machen uns des Mords verdaͤchtig/ und
bringen gleichwol den Vatter in das
groͤſte Hertzenleid; Darum rath jeder
was zu thun ſey?
Erſt damal wuͤnſchte ein jeder von
Hertzen/ daß Joſeph von ihnen ohnbe-
leidigt: Und noch vorhanden waͤre/
oder daß ſie den geſtrigen Tag Rubens
Red behertzigt haͤtten; Aber vergeblich.
Sie bereueten zwar ihre That/ und fien-
gen an zu weinen wie die Weiber; Da-
mit war aber weder ihren Vatter/ noch
dem Joſeph/ noch ihnen ſelbſt geholffen;
Ruben war am beſten getroͤſt und bey
ſich ſelber/ weil er unſchuldig und den
jenigen noch lebendig wuſte/ deſſen ver-
meinten Todt er kurtz zuvor betauret:
Und
Und ſein Hertz die gantze Nacht uͤber
genugſam ausgelert hatte; Ja er war
gegen ſeinen Bruͤdern gleichſam froͤlich
zuſchaͤtzen/ weil ſein Gewiſſen ſein eigen
Unſchuld bezeugte.
Endlich hielten ſie davor es waͤre beſ-
ſer gelogen/ und den Vatter wegen Jo-
ſephs Todt in ein kurtzes Leidweſen: Als
die Warheit geſagt/ und ihn ſeiner
Dienſtbarkeit halber in ein ewige Sorg:
(welche haͤrter zuertragen als die Dienſt-
barkeit ſelber) ſich ſelbſten aber in ein
immerwehrende Schand geſetzt; Es
ſeye ſagten ſie/ wol ehe einem Vatter ein
lieber Sohn geſtorben/ er ſeye darum
nicht gleich hernach gefahren/ ſondern
das Leid haͤtte nach und nach mit der
Zeit auffgehoͤret. Krafft dieſes Schluſ-
ſes/ hielten ſie vors Beſte/ den Vatter
zubereden/ Joſeph waͤre von den Wil-
den Thieren zerꝛiſſen worden; Sie zer-
fleiſchten zu ſolchem End in Mangel an-
derer Jnſtrumenten mit ihren Schaͤ-
ferſtaͤben dem unſchuldigen koͤſtlichen
Pferd/ worauff Joſeph zu ihnen kom-
Cmen/
men/ ſeine hindere Schenckel als wanns
die Woͤlff ſo zugerichtet haͤtten/ damit
derſelbe ſtumme Zeuge ihr Lugengedicht
deſto glaubwuͤrdiger machen ſolt; Ge-
gen der Nacht fuͤhrten ſie es ohnfern an
ihres Vattern Wohnung/ und lieſſens
ſeine Begierd zur Krippen/ ſeinem Stall
zutreiben/ um ihren Vatter die erſte
Poſt von Joſephs Untergang zu brin-
gen; Den Tag hernach folgten Jſſa-
ſchar und Zabulon mit dem blutigen
Rock welchen ſie ſelbſt aus Neid zerreiſ-
ſen helffen/ unter die That auff die un-
ſchuldige Thier legten; Was Geſtalt
aber Jacob dieſe Pottſchafft angehoͤrt/
iſt muͤglicher zugedencken als zu ſchrei-
ben! Ach! ſagte er/ ihr betruͤgliche
Traͤum/ ihr falſche omina; Und du ver-
logene Aſtrologia! Warum habt ihr
mich zum Lugner gemacht? Jſt diß die
Herꝛlichkeit/ die ihr meinem Sohn ver-
ſprochen? Ach Joſeph! Du haſt zwar
Herꝛlichkeit genug im Schloß Abraha/
aber an ſtatt/ daß ich und deine Bruͤder
dich Ehren/ und unſerer gehabten Hoff-
nung
nung nach/ ſich deines Gluͤcks erfreuen
haͤtten ſollen; Sihe ſo muͤſſen wir det-
nen fruͤhzeitigen/ und zwar ſehr erbaͤrm-
lichen Todt beweinen! Er truckte den
weiland ſchoͤnen/ nunmehr aber zerꝛiſſe-
nen Rock/ welcher vom Blut noch bund-
ter worden war/ an ſeine Bruſt/ und
kuͤſte an ſtatt ſeines Sohns das ankle-
bende Zuͤgenblut ſo inniglich/ als wann
es von ſeinem eignen Gebluͤt da geweſt
waͤre; Ach! ſagte er zu ſelbigen Rock/ du
haſt mich erfreut/ als dich Joſeph trug/
nunmehr aber bringſt du mir eben ſo
groſſen Schmertzen/ weil wir beyde ſei-
ner beraubt ſeyn muͤſſen; Alſo wuͤrde
Jacob mit ſeines liebſten Sohns Roͤck
betrogen/ weil er hiebevor ſeinen Vatter
auch mit ſeines liebſten Sohns Rock
betrogen hatte; Wir wollen aber vor
dißmal den Alten Jacob in ſeiner Trau-
rigkeit laſſen/ und hoͤren/ wie es dem
frommen Joſeph unter den Jſmaeliten
gangen.
Dieſelbe Carawan oder reiſende Ge-
ſellſchafft war kaum den Vorkaͤuffern
C ijaus
aus dem Geſicht/ als ſie anfienge von des
erkaufften Schoͤnheit zu reden/ und ſich
zuverwundern/ daß dem Kaͤuffer um
einen ſo ſchlechten Preiß ein ſolcher ho-
her Werth zugeſtanden waͤre; Jeder
Vornemſte wolte den Joſeph entwe-
der allein/ oder doch ſeinen gewiſen Theil
an ihm haben; Etliche wolten ihn dem
Kaͤuffer vierfach bezahlen/ er aber goͤn-
nete ihn gar keinen/ ſondern wolte ihn
als ſein erkaufftes Gut allein behalten;
Alſo daß ſich dieſe Geſellſchafft nicht al-
lein Joſephs wegen entzweyet/ ſondern
entdreyet oder wol gar entvieret; Dann
die uͤbrige und zwar der mehrere Theil
ſagten/ der Kaͤuffer haͤtte ihn nicht
ſich wie andere ſeine Wahr zur Cara-
wan gebracht/ er haͤtte ihn auch nicht
auff einem offenen Marckt/ oder wo
ſonſt eine Niderlag der Handelſchafft
ſeye: Sondern als die gantze Geſell-
ſchafft verirꝛt geweſt/ erkaufft; Gleich
wie nun ein jede Carawan in aller Ge-
fahr vor einen Mann zu ſtehen pflege/
und jeder der ſich dabey befinde auff al-
len
len widrigen Fall bey gemeinem Un-
gluͤck ſein eigen Unheil gewaͤrtig ſeyn
muͤſte; Alſo waͤre auch billich/ daß die
gantze Geſellſchafft an dem jenigen
Gluͤck ſo jhnen die Goͤtter ohnverſehens
beſchert/ theil haͤtten; Wie? ſagten ſie
ferner/ wann wir an ſtatt der Verkaͤuffer
in unſerer Verirꝛung Raͤuber antrof-
fen/ die uns ſelbſt angepackt und ver-
kaufft haͤtten; Wuͤrde uns alsdann der
Kaͤuffer erꝛettet/ und uns den erlittenen
Schaden wider erſetzt haben? Wir
ſeynd alle ſo wol als der Kaͤuffer den ver-
druͤßlichen Jrꝛweg umgangen/ gerad
als wann wir darzu verbannet und ver-
hext worden waͤren; Warum ſoll er
dann allein den Nutzen um ſeiner kahlen
ausgelegten 30. Lari wegen davon ha-
ben/ und beſitzen was ſonſt mit 300.
Tumain nicht zubezahlen iſt? Jn Sum-
ma die Kerl wurden gantz ſchwuͤrig un-
tereinander; Es waͤre auch zum Blut-
vergieſſen kommen/ wofern ſie nicht die
Gegenwart einer groſſen Schaar Raͤu-
ber ſo die Carawan wolte angreiffen/
C iijeinig
einig gemacht haͤtte/ um ſich zu forder iſt
gegen dieſelbe tapffer zu wehren/ damit
ſie ſelbſt nicht zu Sclaven wuͤrden; Als
ſie aber ſahen/ daß der Raͤuber wol ze-
hen gegen ihrer einen waren/ ſchetzten ſie
ſich verlohren/ und lieſſen ihren Muht
ſamt den Waffen ſincken.
Jn ſolcher Angſt ſchrye ein liſtiger/
und vieler Sprachen kuͤndiger Elamit
Muſai genannt (welcher wegen ſeines
geſchwinden Kopffs und anderer Wiſ-
ſenſchafften halber/ gleichſamb vor ein
Wunder der Welt gehalten: Ja eben
ſo verſchmitzt/ als Joſeph ſchoͤn geſchetzt
worden/ (man ſolte geſchwind dem Er-
kaufften das Koͤniglich Kleid/ ſo ſie dem
Pharao zuverehren bey ſich haͤtten/ an-
ziehen/ auch ihne auff das beſte gezierte
Pferd ſetzen/ und im uͤbrigen niemand
kein Wort reden/ ſo verhoffe er zuver-
ſchaffen/ daß die gantze Carawan ohne
Verluſt eines eintzigen Haars davon
kommen ſolte; Jhm wurde ſtrax ge-
folgt/ auch dem Joſeph ein Cron auff-
geſetzt/ und verguͤlte Bogen und Pfeil in
die
die Haͤnd gegeben (welche Kleinodia die
Kauffleut/ ſo wol als das obgemelt Koͤ-
niglich Kleid dem Pharao verehren
wolten) nicht zwar daß jemand in ſol-
cher eil gewuſt haͤtte/ was es abgeben
ſolte/ ſondern darum/ dieweil des Ela-
miten Klugheit der gantzen Geſellſchafft
genug bekant war;
Derſelbe rennet den Raͤubern in deſ-
ſen Sporenſtreichs entgegen/ und ſchrye
uͤberlaut/ O ihr Menſchenkinder/ der
groſſe Gott Apollo/ welcher die Sonn
und das Feuer regiert/ iſt in menſchlicher
Geſtalt bey uns zugegen/ und laſſt euch
ankuͤnden/ daß er euch wuͤrdige ſeine
himmliſche Geſtalt zuſehen; Und von
ihm zubegehren/ was etwan ins kuͤnfftig
jeder gern haben moͤchte; Befihlet auch
ernſtlich ihr ſolt alſobalden zu ihm kom-
men;
Dieſes war den Raͤuberiſchen Bar-
baren ein ſeltzamer Gruß/ ſie fragten
ſonſt ſo wenig nach den Goͤttern/ als be-
gierig ſie waren gute Beuten zu machen/
und muſten ſich doch gleichwol vor deſ-
C iiijſen
ſen Gegenwart entſetzen/ welcher wie ſie
beredt waren/ kurtz zuvor Sodoma und
Gomorra mit Stumpff und Still ver-
brand haͤtte; Jhre raͤuberiſche Gewiſſen
erwachten/ ſie hufften zu ruck und ſcheue-
ten ſich zuerſcheinen; Hingegen verfolg-
te der liſtige Elamit ſeine Pottſchafft
und trang auff ihre Erſcheinung um ſo
viel deſto mehr/ um wie viel er vermerck-
te/ daß ſie forchtſamer wurden; Erzeh-
lende daß Apollo die gantze bey ſich ha-
bende Geſellſchafft zu lauter Stum-
men gemacht/ weil ſie ihn nicht der Ge-
buͤhr nach begruͤſt haͤtten/ mit einem
Wort/ er wuſte ſich ſo artlich zuſtellen/
und brachte es ſo weit/ daß dieſe aber-
glaubige Leut ihn wider an ſeinen Apol-
linen (von welchem ſie Gluͤck hofften und
Ungluͤck beſorgten) zu ruck ſchickten/
ihme zuvermelden/ daß die Vornemſte
aus ihnen kommen wuͤrden ihm ſeine
heilige Schuchſohlen zukuͤſſen/ wann er
ſolches nur vergoͤnnen wolte.
Muſai thaͤt was ſie und er begehrten/
er fande den Joſeph in Koͤniglichem
Schmuck
Schmuck zu Pferd ſitzen/ deſſen er ohn-
angeſehen der groſſen Gefahr/ bey ſich
ſelbſt lachen: und geſtehen muſte/ wann
er von dem Poſſen nichts wuſte und wie
die Raͤuber uͤberredt waͤren/ daß er den
erkaufften ſelbſt mit Forcht und Zittern
angebetet haͤtte; Und die Warheit zu-
bekennen/ ſo war Joſephs Geſtalt mehr
als uͤberirꝛdiſch/ ja gleichſam Goͤttlich;
Niemand konte ſagen/ ob der Koͤnigliche
Schmuck die Perſon/ oder die ſchoͤne
Perſon den koͤſtlichẽ Schmuck ſchmuͤck-
te; Muſai befahle allein/ es ſolte nie-
mand ſo lieb ihm ſein Leben waͤre/ eini-
ges Wort nicht reden/ er wolte gleich wi-
der kommen und die Sach zu gutem
End bringen/ ritte demnach wider ſchnell
zu den Raͤubern und ſagte/ der groſſe
GOtt Apollo haͤtte ſie begnaͤdigt ſeine
Schuch zu kuͤſſen; Wendet ſich darauff
wider zu ruck/ ihme aber folgte der gantze
Hauff.
Die Carawan hatte dem Joſeph von
hinderwerts mit einem halben Ring
umgeben/ welches mehrentheils Naba-
C vtheer
theer oder Jſmaeliten/ unter denſelben
aber auch viel Elamiten/ Meder/ Par-
ter/ Meſopotamier und Chaldeer wa-
ren/ und mitten zwiſchen ihnen hielte Jo-
ſeph gantz alleinig wie ein koͤſtlich Edel-
ſtein in Eiſen gefaſſt/ welches ein Ma-
jeſtaͤtiſch und fremdes Anſehen gabe;
Und ſchiene/ als wann dieſer Gott vom
Himmel kommen waͤre/ allerhand Na-
tionen zuverſamlen; Wie andaͤchtig
aber die Raͤuber jhre Ceremonien gegen
jhme verꝛichteten/ und was vor ſeltzame
Gaben und Gnaden ſie von ihm gebet-
ten/ ſolches werde ich im Leben Muſai
geliebts GOtt/ welcher damals des ge-
dichten Apolli Mercurius geweſen/ er-
zehlen; Diß wolte ich allein noch ſagen;
Wann Joſeph ſeine Bruͤder unter ih-
nen geſehen haͤtte/ ihne anbeten/ wie die
Raͤuber damals thaͤten/ daß er fich wol
einbilden und glauben moͤgen/ diß waͤre
die jenige Herꝛlichkeit davon ihm ge-
traumt und ſein Vatter geweiſſagt hat-
te/ weil dieſe Herꝛlichkeit gleich wie ein
Traum vergieng und nicht laͤnger tau-
rete/
rete/ als biß die Raͤuber durch ſolchen
Betrug abgefertigt waren; Sintemal
Joſeph gleich hernach die Gottheit ſamt
dem Zierrath ablegen muſte; Doch gab
er in ſolchem Habit den Raͤubern Be-
felch/ daß ſie der Hirten in ſelbiger Ge-
gend verſchonen ſolten/ damit er ſeine
Bruͤder vor ihnen verſicherte.
Kaum war dieſe Gefahr uͤberſtan-
den/ da war der erſte Zanck unter der
Caraban um ihren Erretter wider vor-
handen; Keiner kan glauben wie hitzig
und verbittert ſie um ihn geſtritten/ er
wuſte dann zuvor/ wie hefftig die Orien-
taliſche Voͤlcker die Schoͤnheiten der
jungen Knaben lieben; Zwar nicht alle
als abſcheuliche Sodamiten/ ſonder nur
darum/ damit ſie ihre Augen in deren
Anſchanungen/ wie wir mit den ſchoͤnen
Blumen oder Edelgeſteinen thun/ belu-
ſtigen moͤgen; Weil dann die auslaͤn-
diſche Schoͤnheit Joſephs mehr als
uͤbermenſchlich geſchetzt wurde/ auch der
angehabte Habit ſolche denſelben Tag
verdoppelt haͤtte/ ſo war der Zanck und
C vjEifer
Eifer um ihn deſto groͤſſer; Ja wann
gemeldter kluge Elamit Muſai/ der die
Raͤuber durch unſern Joſeph betrogen/
nicht vorhanden geweſt waͤre/ ſo haͤtte
die gantze Geſellſchafft untereinander
ſich ſelbſt auffgeopffert; Dieſer wurde
zum willkuͤhrlichen Richter erbetten und
legt durch folgende Red allen Zanck bey:
Liebſte Freund/ ſagte er/ daß die gan-
tze Carawan Theil an dem Erkaufften
habe; Erſcheint daraus/ dieweil wir
heut alle durch ihn errettet worden; Es
will ſich nicht gebuͤhren/ daß ein eintzele
Privat Perſon von uns den jenigen be-
herꝛſche/ welchen die Goͤtter wie man
heut geſehen/ allein zu dem End geſchickt
haben/ uns alle durch ihn zuerhalttn;
Der Erkauffte waͤre ſeiner vorigen Frey-
heit wuͤrdig/ dieweil die gantze Geſell-
ſchafft ihme ſo wol um ihr eigne Freyheit
als um ihr Hab zu dancken ſchuldig;
Aber ſein Rath und Ausſpruch waͤre
dieſer; Die Carawan ſolte aus gemei-
nem Seckel dem Kaͤuffer 30. Lari wi-
dergeben/ hernach den Erkaufften als ein
gemein
gemein Gut behalten/ und unterwegs
aus gemeinem Seckel ſpeiſen; Sie waͤ-
ren noch nicht in Sicherheit/ und koͤnte
wol kommen daß ſie ſeiner wie heut ge-
ſchehen/ wider bedoͤrfften; Kommen ſie
dann in Egypten/ ſo konten ſie ihne ent-
weder dem Phharaone oder ſonſt einem
groſſen Herꝛn da man ſchmieren muͤſte/
als ein groſſe Raritaͤt verehren/ oder ihn
ſonſt mit groſſem Nutz verkauffen; Die-
ſer Vorſchlag wurde beliebt/ weilen Jo-
ſeph keinem unter ihnen allein/ ſondern
der gantzen Geſellſchafft zugeſprochen
worden; Wann auch des Richters Ur-
thel anders als eben auff dieſen Schlag
gefallen waͤre; So haͤtten die uͤbrige den
Richter und den jenigen dem er den Jo-
ſeph zuerkandt/ aus Eiferſucht und Miß-
gunſt todt geſchlagen;
Allein der Kaͤuffer beſchwerte ſich und
wendte vor/ er haͤtte gleichwol den Jo-
ſeph dardurch ſie erhalten worden/ er-
kaufft/ und wann er ſolches nicht ge-
than/ und ſie des Joſephs gemangelt
haͤtten/ ſo waͤren ſie ohn Zweifel alle von
den
den Raͤubern gepluͤndert und zu Leib-
eignen gemacht worden; Derowegen
die Carawan ſonſt niemand als ihm ih-
re Wolfarth zu dancken; Nun aber
ſey das der Danck vor ſeine Wolthat/
daß man ihm ſein erkaufftes Gut nem-
me/ welches ſie ſelbſten 300. Tumain
werth zu ſeyn geſchaͤtzt haͤtten; Wolle
derowegen verhoffen/ die Carawan wer-
de dem Urthel eines ſo unbillichen Rich-
ters nicht folgen/ ſondern vielmehr be-
dacht ſeyn/ wie ſie ihn Kaͤuffern wider-
gelten moͤchten/ was ihnen heut vor Hail
durch ihn und ſein erkaufftes Gut wi-
derfahren ſey; Muſai antwortet ihm/
wann es ſo redens gilt/ ſo wird der
Danck um unſere Erhaltung ſonſt nie-
mand als mir zuſtehen/ davor ich zwar
keine Vergeltung begehre/ weil jeder
ſchuldig iſt/ ſich ſelbſt und uns alle nach
Muͤglichkeit zu erhalten/ die Erfindung/
wie man den Råubern durch den Er-
kaufften eine Naſe drehen ſolte/ war
mein/ alſo daß man dir keinen Danck
drumb ſchuldig iſt/ auch nicht daß du
den
den Erkaufften gekaufft haft/ dann haͤt-
teſt du ihn nicht gekaufft/ ſo haͤtte ihn
ſonſt ein jeder um ein ſo lauſig Geld wol
nicht dahinden gelaſſen; Jn dem er uns
von allen Goͤttern zu unſerer Erhaltung
zugeſchickt worden. Hoffe derowegen
ich habe recht und billich geurthelt/ und
du die Carawan keiner Undanckbarkeit
zubeſchuldigen. Hierauff wurde Mu-
ſai von allen gelobt und ihm gewonnen
gegeben/ auch ſein Urthel alſobald voll-
zogen/ wie ſaur auch der Kaͤuffer drein
ſahe.
Hieraus ſiehet man des guͤtigen Got-
tes Vorſehung und Sorg vor die jenige
ſo er beſchirmen will/ dann hierdurch iſt
Joſeph nicht allein von den Knaben-
ſchaͤndern/ in welcher Gewalt und Vie-
hiſches Beginnen er haͤtte gerahten koͤn-
nen/ behuͤtet: Sondern auch verſchafft
worden/ daß die Carawan unterwegs
ſeiner als eines Fuͤrſten pflegte; entwe-
der weil ſie ſeine Schoͤnheit biß in Egyp-
ten unverſehrt zuerhalten entſchloſſen/
um ihn deſto hoͤher anzuwerden; Oder
weil
weil ſie ſamtlich ſolche Schoͤnheit eben
ſo hoch ehrten als hertzlich ſie die liebten;
Der Abendtheurliche Muſai ſagte zum
Joſeph aus der Chiromantia/ du haſt
11. Bruͤder/ alſo daß eurer Zwoͤlff
ſeynd/ und uͤber 13. Jahr wirſt du an-
fahen zu zweyen zu werden/ alſo daß dein
Vatter auch dreyzehen/ und mit dir
ſelbſt vierzehen Soͤhn haben wird: Als-
dann komt Muſai wider zu dir/ deſſen
erbarme dich/ und verzeihe mir/ daß ich
gerahten hab/ dich nicht frey zugeben/
ſondern zuverſchencken/ oder wider zu-
verkauffen; Jch habs um deines beſten
willen gethan/ dann du biſt darzu verſe-
hen/ daß du durch Dienſtbarkeit zu groſ-
ſer Herꝛlichkeit kommen ſolleſt; Dann
wie du im End deiner Dienſtbarkeit ge-
halten wirſt werden/ das iſt dir heut im
Anfang derſelbigen/ als du wie ein Gott
angebetet wurdeſt/ von der Goͤttlichen
Vorſehung als wie in einem Spiegel
angezeigt worden.
Als nun die Reiß vollendet und die
Carawan in der Koͤniglichen Reſidentz-
Stadt
Stadt Thebe ankommen/ war ihr erſtes
Geſchaͤfft dem Pharao die Geſchenck zu
præſentirn/ warunter Joſeph ihrer und
aller Welt Meinung nach/ vor das
principaliſte Stuͤck geſchaͤtzt wuͤrde;
Aber Pharao war ein abgelebter eyfer-
ſichtiger Herꝛ/ der deſſen ſeltene Schoͤn-
heit mehr haſſet als er der alten geitzigen
Art nach die Barſchafft liebet; Er bil-
det ſich ein/ daß ſein ehrwuͤrdig Alter bey
ſeinem Frauen-Zimmer ſchlecht æſtimirt
werden moͤchte/ wann daſſelbe die Goͤtt-
liche Schoͤnheit ſeines Geſchencks er-
blicken wuͤrde; Auffs wenigſt/ gedachte
er/ leiden meine Weiber oder Toͤchtere
ſeiner wegen/ wo nicht am Leib/ doch we-
nigſt in den Gedancken an ihrer Keuſch-
heit Schiffbruch; Laſſe ich ihn dann
Muͤnchen/ ſo wird ihr Schmertz deſto
groͤſſer ſeyn/ dieweil ſie ſeiner nicht genieſ-
ſen koͤnnen/ und weder doch ein als den
andern Weg in Feuer leben muͤſten;
Bedanckte ſich derowegen der Geſchenck
und ſchenckt doch den geſchenckten Jo-
ſeph den Kauffleuten wider/ welche ſich
ver-
verwunderten/ weil ſie nicht wuſten/
warum es geſchehe/ biß ihnen Muſai
aus dem Traum halff. Als er ſagte:
Man muͤſte ihn bey Wittwern oder
jungen Wittiben und nicht bey alten
Maͤnnern ans Geld bringen.
Dem Potiphar aber/ des Pharaons
damaligem Kuchenmeiſter welcher ein
ausbuͤndiger Phiſiognomiſt war/ be-
liebte Joſeph viel beſſer/ als ihm Muſai
ſolchen zuverkauffen anbotte; Darum
muſte er ihn auch um ſo viel deſto theurer
bezahlen/ wann er ihn anders haben
wolte; Er ließ ſich aber hierzu kein Geld
tauren; Als dieſer von dem Muſai ver-
nommen/ daß Joſeph von dem edelſten
Geſchlecht der Hebreer/ Erbaren und in
allen Tugenden und Kuͤnſten/ vornem-
lich aber in der Wiſſenſchafft wol Hauß
zu halten/ aufferzogen worden waͤre/
(wie dann jeder Kramer ſein Wahr
lobt/ und Muſai ſolches vor ein Meiſter
konte/ wiewol es Joſeph nicht bedorffte)
hat er ihm noch mehrers gefallen/ und
ihn nicht wie andere ſeine Sclaven/ ſon-
dern
dern als ſeinen eigenen Sohn zu halten
befohlen; Um fruͤhe zuerfahren/ ob ſeine
Art mit der Phiſiognomi uͤberein ſtim-
me; Und ob ſeine Schenckel auch ſtarck
genug ſeyen/ ſo gute Sach zuertragen/
als er ihm anzuthun gedachte. Er/ der
Potiphar war damals ein fuͤnfftzig jaͤh-
riger Wittwer/ weil ihm ſein Gemahlin
an Niderkunfft ſeiner einzigen dieſer Zeit
nur anderhalb jaͤhrigen Tochter geſtor-
ben war; Und weil er wegen einer ſel-
tzamen Prophezeyung worauff die alte
Egyptier jederzeit viel gehalten/ nicht
mehr zu heurahten entſchloſſen/ gedachte
er mit Geſind zu hauſen; Demnach ihm
aber bißhero ſonſt an nichts gemanglet/
als an einem getreuen Kerl der ſeine
Haußhaltung kluͤglich fuͤhre/ als hat er
ſolche dem Joſeyh vertraut/ und ihn uͤber
alles ſein Geſind geſetzt/ auch verordnet/
daß er benebens die Hierologlyphick
(welche man damahlen nicht jedem auff
die Naß bande/ weil alle Egyptiſche
Kuͤnſte/ Wiſſenſchafften und Geheim-
nuſſen
nuſſen darinnen begriffen und verbor-
ben lagen) lernen ſolte.
Die gute Art Joſephs ſchickte ſich in
dieſen Sattel ſo gerecht/ als wann er
ihm angegoſſen worden waͤre; Man
ſahe gleich was ſein Gegenwart fruch-
tete/ ja/ als das erſte Jahr voruͤber war/
merckte Potiphar handgreifflich/ daß er
in ſo kurtzer Zeit mehr vorgeſchlagen hat-
te/ als ſonſt in zehen Jahren beſchehen
moͤgen; Und gleich wie Joſeph ſeines
Herꝛn Guͤter vermehrete/ alſo ſamlet er
auch ihm einen mercklichen Schatz der
Kuͤnſt und Wiſſenſchafften; So/ daß
er ſich nicht ſcheuen doͤrffte/ auch mit den
Gelehrtiſten in Egypten zu diſputirn/
weilen er gleich ſo bald deren Sprach be-
griffen: Als ſeinem Herꝛn gewiſen hat-
te/ wie nutzlich er den Kauffſchilling von
ihn ausgelegt;
Bey ſelbigem wurde er dahero je laͤn-
ger je lieber/ vor ſich ſelbſt aber und gegen
jederman je laͤnger je demuͤtiger/ holdſe-
liger und freundlicher; Er trug zwar
zum Zeichen habender Bottmaͤſſigkeit
taͤg-
taͤglich ein Hutbeitſche in Handen/ ſeiner
untergebenen Faulheit mit Streichen
ſtraffen zu laſſen/ wie dann damals ein
Gewonheit war; Sein eigen Exempel
und liebliche Wort oder Vermahnun-
gen aber vermochten mehr/ als der jeni-
gen Schaͤrpffe/ die ſeines gleichen Stell
zuvertretten hatten; So/ daß auch dem
Potiphar ſo lang Joſeph bey ihm gewe-
ſen/ kein einiger Sclav entloffen/ ſondern
auch die Freye gewuͤnſcht/ unter Joſephs
Befelch in Dienſten zu ſeyn.
Dahero vermehrten ſich unter ſeiner
Verwaltung die Reichthumb ſeines
Herꝛen augenſcheinlich; Sintemalen
durch ſeine kluge Anſtalten die Gemuͤh-
ter aller Dienenden gleichſam in einen
Model gegoſſen (oder vielmehr ſo zu re-
den/ bezaubert worden/ ſonſt auff nichts
als auff ſeines Herꝛn Nutzen zugeden-
cken; Darum ſagt die Heilig Schrifft
nicht unrecht/ daß GOtt den Potiphar
um Joſephs willen geſegnet hab/ dann
ihm das Gluͤck zur ſelben Zeit gleichſam
zu Thuͤren und Fenſtern hinein gefallen.
Als
Als ſich nun Potiphars Hab der Ge-
ſtalt zuſehens vermehrte/ da vermehrten
ſich auch ſeine Freund/ und verlangte je-
derman ſeine Gunſt und Verwand-
ſchafft zu haben; Dahero hat ſich zwi-
ſchen ihme und des Koͤniglichen Hoff-
meiſters Dochter/ der anmuhtigen Se-
licha/ die Mutter halber aus Koͤnigli-
chem Stammen geboren war/ ein Heu-
rath angeſponnen/ welcher auch gleich
von beyderſeits Freundſchafft beliebt
und eingangen worden; Weilen der
Braut Eltern des Potiphars florirende
Reichthum: Potiphar aber die Ehr
ſo ihm aus ſolchem Heurath folgte/ an-
geſehen; Die Braut ſelbſten aber wol-
te ſich mit einem ſechtzigjaͤhrigen Herꝛn
ſchwerlich vermaͤhlen laſſen/ als die viel-
mehr einen Jungen verlangte.
Dem Joſeph wurden dieſe Heimlich-
keiten von ſeinem Herꝛn vertrauet mit
Vorwand das Beſte dabey zu rahten/
in Ernſt und Warheit aber ſich als ein
Unterhaͤndler gebrauchen zulaſſen; Jo-
ſeph ſahe zwar wol daß dieſe Ehe dem
Poti-
Potiphar nicht vortraͤglich ſeyn konte/
weil es ein ungleicher Zeug zuſammen
war/ ſich aber ihm zuwider ſetzen/ dunck-
te ihn unrathſam ſein/ dieweil er ſeines
Herꝛn Willen wuſte/ der ſich allbereit
ſtellete/ wie alle alte vergeckte Buhler zu-
thun pflegen/ wann ſie den Narꝛn an ir-
gends einer Schoͤnheit gefreſſen haben/
und den Haſen lauffen laſſen; Uber das
hatte Joſeph Wind bekommen/ daß
Potiphar hiebevor beym Trunck geſagt/
er wuͤnſche nichts mehrers als daß ſeine
Tochter ihr vollkommen Alter haͤtte/ ſo
damal eine Eilff Jahr alt war/ ſo wolte
er ſie ſonſt niemand als ſeinem Joſeph
zum Gemahl goͤnnen/ er ſelbſt aber ledigs
Stands ſterben/ damit er ihn und ſeine
Tochter zu deſto reichern Erben hinter-
laſſen moͤchte; Solte er nun dieſe bevor-
ſtehende Ehe widerrahten/ ſo wuͤrde es
ihm uͤbel ausſchlagen/ und Potiphar
aus allerley Argwohn bewogen/ ihme
an ſtatt eines liebreichen Schwers zu ei-
nem grauſamen Tyrannen werden; Als
welcher wol wuſte/ daß Joſeph hinter-
bracht
bracht worden/ weſſen er ſich wegen ſein
und ſeiner Tochter Vereheligung ver-
nemmen laſſen. Derowegen lobte er
Joſeph Potiphars Vorhaben/ und ver-
hieſſe/ die Selicha gewinnen zu helffen.
Er bekam darauff von ſeinem Herꝛn
Vefelch/ ſo beſchaffene Schanckungen
an ſie verfertigen zulaſſen/ und ihro ſei-
netwegen neben gebuͤhrenden Ehrbezeu-
gungen zu uͤberliefern/ wie er ſelbſten ver-
meinet/ daß es am beſten und wolſtaͤn-
digſten vor ihn ſeye; Alſo wurde Jo-
ſeph zum Buhler ehe er verliebt ward/
die jenige zuerleffeln/ deren er nicht be-
gehrte; Er gebotte ſeiner Witz zuſam-
men/ ſeinem gethanen Verſprechen ein
Genuͤgen zu thun; Und griff in ſeines
Herꝛn Seckel/ der Geliebten wegen Po-
tiphars ins Hertz zu greiffen; Sein Hoͤff-
lichkeit und Schoͤnheit war ſo willkom-
men: Und ſein artliche Reden bahneten
die Bahn ſo eben; Daß die Sach ſo
wol nach ſeines Herꝛn als bey derſeits
Verwandten/ aber nicht nach der Bꝛaut
Wunſch von ſtatten gieng; Als welche
lieber
lieber geſehen haͤtte/ daß entweder Jo-
ſeph ſelbſt Potiphar geweſen oder doch
wen gſt ſein Kopff auff ihres Hochzeiters
Leib geſtanden waͤre; Dennoch aber die
Geliebte bey den boͤſen Naͤchten deren
ſie ſich bey ihrem Alten verſahe/ der gu-
ten Taͤg/ die ihr Joſephs Gegenwart
verſuͤſſen kuͤnde/ ſich getroͤſtete/ brachte
der Cupler das Jawort vor ſeinen Her-
ren: vor ſich ſelbſt aber das Hertz der
ſchoͤnen Selichaͤ deſto leichtlicher dar-
von; Maſſen kurtz hernach das Beyla-
ger mit dem Potiphar vollzogen wur-
de.
Jm Anfang dieſer Ehe gieng es
gleich wie es pflegt/ wann man daͤs doͤr-
re Holtz oben auffs gruͤne legt; das
Hochzeitliche Feſt war noch nicht ver-
uͤber/ als Selicha anfieng/ den Joſeph
mit ſpielenden Augen anzuſehen/ und
durch liebreitzende Plag genugſam zu-
verſtehen zugeben/ welchen ſie mit ſol-
cher Vermaͤhlung gemeint haͤtte; Jo-
ſeph aber/ deſſen angebohrne Art ohne
daß in Gluͤck und Widerwertigkeit ohn-
Dver-
veraͤndert verbliebe/ erzeigte ſich auch
dißfalls gantz kaltſinnnig; und ließ ſich
anſehen als wann er nicht daß geringſte
von ihrem Anligen merckte; Sie aber
gedachte bey ihr ſelbſt/ dieſer Menſch
thut wie ein Stockfiſch/ dem gleich gilt/
ob man ihn klopfft oder in Rofenwaſſer
einweichet/ weil ſein Sinn Knechtiſch
und deß Befehlens gewohnt iſt; beſorg-
te derowegen/ wann ſie anders etwas
von ihm genieſſen wolte/ ſo muͤſte ſie
ihm auch mit austruͤcklichen Worten
anbefehlen/ das er ſie lieben und um-
fahen ſolte/ warvor ſie ſich noch zur Zeit
ſchaͤmte; aber die Lieb lernte ſie hernach
noch wohl andere Griff/ damit ſie doch
gleichwohl nichts ausrichtete; indeſſen
geried ihr Hertz je laͤnger je mehr in voͤlli-
ge Liebesflammen/ welche ſie nicht mehr
zuertragen: Geſchweige zuverbergen ver-
mochte; ſpinntiſirt derohalben auff alle
Mittel und Weg/ wie ſie die Sach am
ſchlaueſten angehen ſolte/ damit ſie zu
ihrem Zweck gelangen koͤnnte.
Zuvorderiſt wolte ſie ſich ihres Ehe-
herrn
herrn zu ihr tragenden guten Vertrau-
ens verſichern/ welches durch inbruͤnſti-
ge Liebsbezeugungen zuwegen gebracht
werden muͤſte; damit wann ſie es mit
Verfolgung ihrer loſen Liebe vielleicht
ſo grob machte/ daß auch die Bauren
den Boſſen merckten/ dannoch ihr
Mann ein anders von ihr glaubte; De-
rowegen machte ſie ſich zutaͤppiſcher bey
ihm als ſie niemahl zuthuen im Sinn
gehabt; und damit ſie ſolches deſto leich-
ter ankaͤme/ kuͤſte ſie den Potiphar am
hertzlichſten/ wann ſie von den Liebsbe-
wegungen gegen dem Joſeph am aller-
meiſten angefochten wurde; Alſo genoſ-
ſe Potiphar die jenige liebreiche Anmuh-
tungen/ die einzig auff den Joſeph ge-
richtet waren; und indem er ſolcher Ge-
ſtalt ſein elende Schuldigkeit abrichtete/
machte er ſich ſelbſt zum Hanrey; Je-
doch hatte er hiedurch die allerbeſte Er-
getzungen in ſeiner Ehe! Nemblich/ wañ
ihn ſein Liebſte im arm: den Joſeph aber
im Hertzen hatte; dergeſtalt ſtall ſie dem
Potiphar das Hertz ab/ daß er in ſeinem
D ijSinn
Sinn die herrlichſte Schloͤſſer auff ſei-
ner Frauen Froͤmmigkeit bauete/ es wa-
ren in Warheit aber nur eleude Funda-
menta/ auff welchen Joſephs kuͤnfftig
Gefaͤngnuß beſtunde.
Demnach Selicha nun ihr Sach ſo
weit gebracht/ das ſie ſich ihres Manns
Mißtrauens und Eiferſucht halber/ ge-
nugſam verſichert zu ſeyn befande; ge-
dachte ſie ſich auch ihrer eignen Qual/
darinn ſie Joſephs Schoͤnheit geſetzt/
dermaleins abzuhelffen; und das Feuer
ſo deſſen Gegenward taͤglich vermehrt/
aus der rechten Quell zu leſchen/ weil
ihr Mann viel zu fruͤhe zu ſolchem Ge-
ſchaͤfft gebohren war; ein mahl ſie nahm
das Hertz/ dem Joſeph mit austruͤckli-
chen Wortẽ zu ſagen wo ſie der Schuch
truͤckte/ weil er die Liebes-Blick ihrer
Hertzen Rauberiſchen Augen ſo der
Verliebten beſte und bequemſte Sprach
iſt/ nicht verſtehen wolte; zu ſolchem En-
de erſpaͤhete ſie dieſe Gelegenheit.
Sie butzte ſich auffs beſte/ und muͤſ-
ſigt den Potiphar/ mit ihr in ſeinem
Neuen
Neuen Luſtgarten zu ſpatziren/ eben als
Joſeph dem neuen Gaͤrtner anzeigte;
wie er ordentliche Austheilungen ma-
chen: und alles anſtellen ſolte/ damit
ſein Herr ſo wohl mit dem Garten als
dem Gaͤrtner zufrieden ſeye/ und beydes
Luſt und Nutz von ihrer Arbeit habe;
Selicha aber gieng mit Verwilligung
ihres Eheherrn den vorgenommenen
Abweg/ als wolte ſie heimlich verrichten/
worzu wir Menſchen beyderley Ge-
ſchlechts von Natur keine Zuſeher zube-
gehren pflegen; das iſt/ ſich etwas leich-
ter zu machen; aber in Warheit ſo haͤtte
ſie lieber ein Buͤrde auff ſich genom̃en/
welche juſt ſo ſchwer als Joſeph geweſt
waͤre; worzu man zwar auch keine Zeu-
gen erbittet; ihr Meinung aber war vor
dißmahl dem Joſeph offentlich anzuzei-
gen/ was er von ihr verdachter weiß
nicht verſtehen wolte; es fuͤgte ſich ſo art-
lich/ das ſie ihn gerad hinder einer Zeil
Tzinar-Baum antraff/ eine Meßſchnur
in Handen habende/ um zu ſehen/ wie
ſolcher Luſtgang ordentlicher zu machen
D iijwaͤre;
waͤre; Ach! ſagte ſie/ miſſe dar vor mei-
ne Liebes-Schmertzen/ und wiſſe das al-
les dir zugefallen geſchiehet/ was ich
meinen Mann vor Guͤnſte bezeuge. Lieb-
ſter ſey nicht mehr gegen mir wie du dich
bißher/ ꝛc. Joſeph bedanckte ſich gegen
ihr/ weil eben der Gaͤrtner kam/ als
haͤtte ſie ihme ſonſt ein guten Abend ge-
wuͤnſcht/ alſo das Selicha vermeinte/
er thaͤt ſolches darum/ damit der Gaͤrt-
ner nicht mercken ſolte was ſie ſuchte;
ſintemahl ſie damahl Joſephs hohen
Verſtand und Klugheit eben ſo wohl er-
kundigt/ als ſeine Schoͤnheit betrachtet
hatte/ und ihn dahero vor keinem
Stockſiſch mehr halten konte; gleich-
wohl wuſte ſie nicht eigentlich wie ſie
dran war! Wie ſie aber die folgende
Taͤg auff ihre beſtaͤndige Liebes-Blick
vom Joſeph kein Gegenbezeugung eini-
ger Lieb verſpuͤhrte; ſahe ſie wohl das
ihr Anwurff nichts eranglet/ ſondeꝛn daß
ſie nur leer Stroh getroſchen hatte; und
weil ſie ihr einbildet er muͤſſe ſie auch im
Garten nicht verſtanden haben/ als ent-
ſchloſſe
ſchloſſe ſie ſich die aller deutlichſte
Sprach zu gebrauchen/ damit man
auch dem groͤbſten Menſchen in der
Welt ein ſo koͤſtliche Wahr/ die ſie zu
haben glaubte/ anbieten koͤnte; ſie paſte
nur auff/ biß Potiphar den gantzen Tag
bey Hof ſeyn muſte/ alsdann getraute
ſie ſchon zu recht zu kommen.
Als ſolche erwuͤnſchte Zeit kam/ zierte
ſie ſich auffs beſte/ und ließ den Joſeph
zu ſich kommen; ſo bald ſahe ſie ihn nicht
an; ſo bald ward auch ihr Angeſicht ſo
roth wie ein gluͤende Kohl/ und bald
wider ſo blaß als ein weiß Tuch: Alſo
daß Joſeph aus ſolcher Veraͤnderung
wohl leſen konte/ was ihr Meinung
war? Wann ſie gleich kein einzigs
Wort gered haͤtte; Ach Joſeph! ſagte
ſie mit einem hertzbrechenden Seuffzen/
nach dem ſie ihn zuvor ein gute weil mit
hoͤchſter Andacht angeſchauet. Du haſt
mich vor deinen Herrn erworben; Aber
wiſſe/ das mein Hertz ſich dir vermaͤhlt
hat! Ach Liebſtes mein! Wann du ſeit
derſelben Zeit weder meiner Liebbezeu-
D iiijgen-
genden Seuffzen wargenommen: noch
meinen Augen die dich/ ſeither als ſie
dich das erſte mahl erblickt/ wie einen
Gott angebetet/ nicht haſt glauben wol-
len; Ach! warum haſt du dann neuli-
chen meinen austruͤckenlichen teutſchen
Worten im Garten nicht vertraut?
Nun es mag ſeyn/ du habeſt ſie auch
nicht verſtanden; derohalben ſo faͤllt je-
tzunder die jenige ſo deine Gebieterin ſeyn
ſolte/ dem jenigen der mir zu Gehorſam-
men ſchuldig/ zu Fuͤſſen/ dich eben ſo de-
muͤtig bittend als hertzlich liebend/ du
wolleſt mit denen Schmertzen die deinet-
wegen getragen werden/ ein Mitleiden
haben/ und mir deinen Troſt gedeyen
laſſen; ſolche Red beſchloſſe ſie mit Wei-
nen/ dieweil ſie wohl wuſte/ daß die
Weibliche Traͤhnen beſſer die Hertzen
der Mannsbilder zur Lieb erweichen:
Als ihr feuriger Zorn dieſelbe als ein
Zunder zuentzuͤnden bequem waͤren/
Joſephs Schamhafftes Angeſicht ent-
ferbte ſich/ als ſeine keuſche Ohren dieſe
unverſchaͤmte Wort hoͤren muſten; er
ſtelte
ſtelte ſich anders als ſie verhoffte/ und
antwortet; Ach! hochgebiedente Frau/
mich wundert wie ihr belieben mag/ de-
ren Knecht ſo hoͤniſch zuſchertzen/ ſo ihr
zu nichts nutzt/ mich aber in meinem
Elend ſchmertzet; ich kan mir nichts au-
ders einbilden/ als daß ſie gedenckt mich
durch ſolches Beginnen in meines Herrn
Ungnad zubringen; beliebt ihr aber die
Treu ſo ich meinem Herren zu leiſten
ſchuldig bin/ auch allbereit biß uͤber ze-
hen Jahr lang wuͤrcklich im Werck er-
wieſen habe; auff die Prob zuſetzen; ſo
kan es ja auff ein andern Weg geſche-
hen; ich ſehe mein hochgebiedente Frau
vor ſo ehrlich/ treu und redlich an/ daß
ich nichts anders glauben kan/ als daß
ihr dero Vorbringen kein Ernſt ſey; ſol-
te es aber/ ſo Gott ewiglich nicht in mein
Hertz kommen laſſen wolle/ daß ichs
glaube/ oder das dero Redlichkeit und
Tugendhafftem Gemuͤth ich ſolches an-
zuvertrauen gedencken doͤrffte. Ja ihr
ernſtlicher Will ſeyn/ ſo ſeye ſie veꝛſichert/
daß/ ehe ich ſolche Untreu an meinen
D vHerrn
Herrn begehen wolte/ daß ich ehe tau-
ſend Toͤdt lidte; wornach ſie ſich/ ſie hab
im Sinn was ſie wolle/ zurichten weiß.
Damit gieng er anderwerts ſeine Ge-
ſchaͤfften zuverrichten/ ſie aber verblieb
ſo beſtuͤrtzt ſitzen/ daß ſie nicht wuſte wer
ſie war.
Ach! ſagte ſie nach ſeinem Abſchied/
ach! ich Elende! wohin bringt mich
doch die Lieb oder vielmehr mein Ver-
haͤngnuß? O grauſame Verhaͤngnuß!
was iſt das? Einen Leibeignen Sclaven
um ſolche Sachen zubitten und nicht
erhoͤrt zu werden/ deren Genuß die E-
delſte Juͤngling deß gantzen Egypten
wuͤnſchen: Ja ſich darum ſchlagen:
und ſolche zu erlangen/ Leib und Leben
wagen doͤrfften! O Joſeph du grauſa-
mer Tyrann/ wie haſt du doch das
Hertz in deiner eignen Sclaverey ein
ſolche Dam/ die ſich anmaſſen darff/
Gewalt uͤber dein Leben zuhaben/ ſo
greulich zu martern? Wann du weiſt/
daß ich maͤchtig genug bin/ die dein
Freyheit oder den Todt zu ſchencken/
warum
warum biſt du dann ſo dum/ daß du
nicht das Beſte erwoͤhleſt? Oder pran-
geſt du vielleicht damit/ daß du mich
deine Gebieterin doch als ein Knecht im
Gefaͤngniß der Lieb toͤdten kanſt? Ach
nein/ nein Joſeph! du biſt nicht ſo
ſchroͤcklich; du biſt nicht ſo unverſtaͤn-
dig; du biſt auch nicht ſo Unmenſchlich!
Sondern mein Verhaͤngnuß iſt un-
gluͤckſelig! Weil du ſelbſt nicht weiſt
wie du dran biſt; indem mein ſchaͤdlich-
ſter Feind/ das verhaſſte Mißtrauen/
noch zur Zeit uns beyden den Paß zur
Vergnuͤgung verlegt.
Sie haͤtte noch mehr dergleichen
Liebsboſſen vorgebracht/ wann ſie nicht
geſehen/ das ſich in einem Eck hinder
den Tapeten etwas geregt; Derowegen
ſchlug ſie ihre Augen unter/ trucknet ih-
re zarte Wangen und gieng ſo ſcham-
hafftig als erſchrocken hin/ zu ſehen wer
da vorhanden waͤre? Der ſo wohl ihrer
Liebes Klag als des Joſephs abſchlaͤgi-
ge Antwort angehoͤret hatte; Als ſie den
Teppich zuruck gezogen/ da war es zu
Dvjih-
ihrem beſten Gluͤck ſonſt niemand als
ihrer Mutter Schweſter und Poti-
phars des Heliopolitaniſchen hohen
Prieſters Tochter die ſchoͤne und unver-
gleichliche Jungfrau Aſanath!
Zu deren ſagte Selicha mit bebender
Stimm; Ach Schweſter! ich ſihe jetzt
wohl daß die ſtumme Waͤnd auch Oh-
ren haben; Ja! antwortet Aſaneth/
dann ſonſt haͤtte ich nicht gehoͤret daß
ihr buhlet! O wehe Schweſter was will
das werden/ wann ihr euch durch ſolche
Thorheit verleiten laſſen wollet/ euers
Liebſten Knecht anzubeten wie ich ver-
nommen? Selicha haͤtte gern gelaͤug-
net/ und vorgebracht/ daß ſie den Jo-
ſeph nur verſucht/ wann ſie ſich in ihren
letzten Diſcurs/ den ſie allein mit ſich
ſelbſt gefuͤhrt/ nicht ſo weit verhauen
haͤtte; weil ſie aber ſahe/ daß ihr Aſaneth
die Hand im Sack erwiſcht/ fiel ſie ihr
um den Hals/ kuͤſte ſie und ſagte/ Ach!
hertzliebſte Schweſter/ ihr habt die
Wuͤrckung der ungeſtuͤmen Lieb noch
nicht erfahren/ ſoltet ihr aber die Schoͤn-
heit
heit Joſephs ſehen/ wuͤrdet ihr euch der
Lieb vielweniger als ich entſchlagen koͤn-
nen?
Sein Angeſicht hab ich zwar nicht
geſehen/ aber wohl ſeine Stimm gehoͤ-
ret/ die gefiehl mir ſchon nicht uͤbel/ weil
ſie auff Erbarkeit ziehlet! Ach Schwe-
ſter! ich bitte ſchauet zu was ihr thut/
damit unſerm Geſchlecht durch euch
kein Schandfleck angehenckt werde;
wiſt ihr nicht das dieſer Kerleuer Sclav
iſt? Warum wolt ihr ihn dann zum
Herrn uͤber euch ſetzen? Frau Schwe-
ſter ich bitte euch/ verſprecht mir von ſol-
cher Thorheit abzuſtehen/ oder ich ver-
ſichere euch/ daß ich auffhoͤren werde/
euer Baaß zu ſeyn; Selicha konte
nichts als Seufftzen und Weinen an
ſtatt der Antwort herfuͤr bringen/ daß
es gleichſam das Anſehen hatte/ als
wolte ſie gantz in Thraͤnen zerflieſſen/
alſo daß die ehrliche Aſanet ſelbſt ein
hertzlichs Mitleiden mit ihr haben mu-
ſte; und weil ſie aus ſolchem Leidweſen
ohnſchwer abnehmen konte/ wie weit ſie
D vijſich
ſich in dieſer Lieb bereits verdiefft; ge-
dachte ſie andere Mittel vorzunehmen/
ſie wider zurecht zu bringen; ſagt dero-
wegen zu ihr; nun wohlan Schweſter/
handelt vernuͤnfftig/ ich bin nicht kom-
men euch uͤberlaͤſtig zu ſeyn/ ſondern an-
zuzeigen/ daß etliche unſerer Baaſen/
deren Maͤnner mit dem Koͤnig ausrei-
ten ſollen/ ſich Morgen auff den Mit-
tag bey euch einfinden werden/ zuſehen
wie ſich die neue Haushaltung zu euch
ſchickt/ habt ihr alsdann Saltz und
Brod zum beſten/ ſo wollen wir damit
verlieb nehmen.
Die Tugendreiche Aſanet/ welche
tauſendmahl mehr Verſtand und
Schoͤnheiten als Jahr auff ſich hatte/
verfuͤgte ſich alſobald zu ihren Schwe-
ſtern und andern der Selichæ vertrau-
ten Geſpielen und Freundinnen/ erzeh-
lende an was vor einem Fieber ihre
Baaß kranck lege; und in welcher Ge-
ſtalt ſie dieſelbe angetroffen und wider
verlaſſen haͤtte; Nun rahtet zu: ſagte ſie
ferner/ was bey der Sach zu thun ſeye?
Jch
Jch zwar hab mich und euch auff den
Morgenden Mittag Jmbs bey ihr zu
Gaſt geladen/ weil euere Maͤnner ohne
das nicht anheimiſch ſeyn werden/ um
die Gelegenheit zuergreiffen/ ſie von ih-
rem ſchaͤndlichen Beginnen abzuſchre-
cken; weiß aber ein andere ein beſſer Mit-
tel hier zu/ ſo laſſe ſie es hoͤren; dieſe Wei-
ber konten ſich nicht genug verwundern/
das Selicha die ledigs Stands allweg
das Lob einer frommen Damen behal-
ten/ ſich nun allererſt da ſie verheurath/
dergeſtalt in ein Knecht vernarren ſolte;
unglaublich aber kam es ihnen vor/ das
ein Leibeigner Juͤngling durch ſeiner ge-
bietenten Frauen ſeltene Schoͤnheit und
ſo freundlichs Zuſprechen/ wie Aſanet
erzehlet/ nicht zur Gegenlieb ſolte bewegt
worden ſeyn! Sie belobten der Aſanet
Vorſchlag/ und ſtelten ſich auff die be-
ſtimte Zeit bey der Selicha ein/ eben als
ihre Maͤnner mit dem Pharaone aus-
geritten waren/ ſich am Ufer des Nils
mit dem Fiſchfang zu beluſtigen; wor-
bey
bey Potiphar Ambts wegen auch ſeyn
muſte.
Selicha hatte auf ihre Gaͤſt Fuͤrſtlich
zugeruͤſtet/ und dieſelbe alle zur Tafel ge-
noͤhtigt/ ehe eine von ihnen ihr wegen ſo
ſchaͤndlicher Lieb etwas haͤtte zuſprechen
moͤgen/ -weil ſie ihr zuvor wohl eingebil-
det/ ſie werde ein Puff Joſephs halber
aushalten muͤſſen; ſie hatte einer jegli-
chen Frauen ſo wohl als auch der aus-
buͤndigen Jungfrauen Aſanet ein
ſchaͤrffer Meſſer als ein Scharſach ne-
ben den Deller legen: Und als die Mahl-
zeit voruͤber war/ jeglicher ein Citron
richen laſſen/ mit Verſprechen/ welche
die ihrige zum erſten geſchelet haben
wuͤrde/ die ſolte einen ſchoͤnen Ring/
den ſie vom Finger nahm und auff die
Tafel legte/ gewonnen haben; als ſie
nun im beſten Schelen waren/ tratt Jo-
ſeph aus Befehl ſeiner Frauen unver-
ſehens ins Gemach/ in einem Seide-
nen Sommerkleid/ darinnen man ihm
das meiſte ſeiner ſchneweiſſen Arm/ ein
guten Theil der Bruſt: und die Knie
von
von dem Mittel Theil der Schenckel
an biß auff die halbe Waden ſehen kon-
te; in der einen Hand hatte er ein vergul-
tes Handbecken/ und in der andern die
Gießkande/ denen Damen das Hand-
waſſer zubringen; die alle ihre Augen
auff ihn warffen; ſie erſtarreten ob ſeiner
unglaublichen Schoͤnheit dermaſſen/
daß keine mehr wuſte was ſie thaͤt/ ja ſie
wurden ſo gar entzuckt/ daß (indem
ſie dieſen holdſeligen Anblick beſchaue-
ten und gleichwohl den Ring zugewin-
nen eilents fortſcheleten) ſich jede/ aus-
genommen die Selicha ſelbſt nicht/ in
die Finger ſchnitte/ daß das Blut her-
nach floß; Selicha ſagt/ was bedeut
das/ warum zerſchneidet ihr eure Haͤnd?
Es gilt den Citronen! die Weiber ſag-
ten/ warum bezaubert uns dieſes Juͤng-
lings Geſtalt/ daß wir ſo aus uns ſelbſt
kommen ſeynd? So recht! ſagte Seli-
cha/ ſo ſehe ich wohl/ eure blutige Del-
lertuͤcher ſollen Zeugen ſeyn und mich
beurkunden/ daß kein Weiblich Bild
den Joſeph ohnverletzt anſehen koͤnne;
Jch
Jch zwar hab mich nicht geſchnitten ſon-
dern den Ring gewonnen; wañ ihr jetzt
ſchon in die Finger hauet/ da ihr ihn
kaum anſehet/ wie meinet ihr wohl daß
eure Hertzen zerhackt wuͤrden/ wann ihr
taͤglich um ihn weret wie ich? Keine kun-
te ihr hierauff antworten/ auch die keu-
ſche Aſanet ſelbſt nicht! Als welche ſich
vor allen Weibern an Fingern am aller-
meiſten: und in ihrem Hertzen mehr als
Selicha ſelbſt verwund befand; ſie kam
aber gegen den Weibern zurechnen/ ſehr
unſchuldig ins Gelag/ dann die Wei-
ber verwunderten nur die Geſtalt: Aſa-
net aber die Tugend deß Joſephs/ als
welchen ſie hatte reden hoͤren/ und wu-
ſte was hinder ihm ſtacke; Solche ſelten
Tugend/ war der Aſanet ein Urſach und
gleichſam ein Koͤder/ auch ſeine Schoͤn-
heit beſſer als andere zubetrachten/ und
folgents gar anzubeiſſen.
Selicha ließ zwar den Joſeph das
Handwaſſer reichen/ die jenige Finger
zu waſchen/ die ſeine Schoͤnheit zer-
ſchnitten hatte/ ihr Eiferſucht aber ge-
ſtattet
ſtattet den Verwunden nicht/ daß ſie
etwas mit ihm haͤtten reden doͤrffen/
ſondern er muſte ſich anderwerts hinpa-
cken; ſo bald aber die Weiber wider hin-
weg waren/ fienge ſie das alte Lied wi-
der mit ihm an/ wo ſie es den vorigen
Tag gelaſſen hatte; welches Geſang in
Joſephs Ohren viel uͤbler klange als die
Stimm ſeiner Bruͤder/ wie ſie ſagten
wir wollen dich in ewige Dienſtbarkeit
verkauffen.
Joſeph: ſagte ſie/ du muſt mich als
deine Gebieterin reden hoͤren/ wann du
mir deine Ohren nicht als einer Liebha-
berin goͤnſt; du weiſt das ich Gewalt
hab/ dich lebendig oder todt zulaſſen/
wann ich deren eins von meinem Mann
nur mit einem Winck begehre; auch du
ſelbſt muſt bekennen/ daß du mir zuge-
horſamen ſchuldig biſt; warum ſolte
dann nicht dein Schuldigkeit ſeyn/ we-
nigſt zuvernehmen was ich zubefehlen
hab/ oder auff das jenig zu antworten/
was ich dich frage; ſag mir derowegen
zuvorderſt liebſter Joſeph/ biſt du von
Stein
Stein oder Stahl oder von der Art
eines wilden Thiers? das du dich eines
ſchwachen Weibsbildes nicht erbarmen
kanſt/ welches du ſelbſt durch deine
Schoͤnheit und herrliche Tugenden in
die aͤuſerſte Noth haſt gebracht/ du haſt
geſter eine nichtige Ausred vorgewand/
als wann du fuͤrchteſt/ ich wolte dich
probieren/ auch darauff gered/ als wañ
ich/ nachdem ich die Prob befinden moͤch-
te/ dich in deines Herren Ungnad zu-
bringen gedaͤchte; ach liebſter Joſeph!
woher komt dir ſolche Furcht? Jch ver-
ſichere dich deß Widerſpiels und ſchwe-
re dir beym Oſyrim und Jſim/ das ich
deine Schoͤnheit/ Geſchicklichkeit und
Adeliche Tugenden hoͤher liebe/ dann
ſonſt etwas in der Welt! Liebſter Jo-
ſeph das iſts mit einem Wort ſo du haſt
wiſſen ſollen; und mein Begehren (wie-
wohl ich dir befehlen koͤnte) iſt hingegen/
daß du mich mit gleicher Lieb und Treu
hinwider zu meinen verſprecheſt.
Joſeph ſtunde gantz verſtumt da/ und
wuͤnſchte daß er noch in ſeiner Wolffs-
gruben
gruben geſeſſen were/ worin er zwar kei-
nen andern Troſt gehabt/ als Hungers
zu ſterben; er konte in der Selicha An-
geſicht wohl ſehen/ wie Zorn und Lieb in
ihrem Gemuͤth rumorten/ er wuſte aber
nicht ſo gleich Mittel zu finden/ wie er
dieſen beyden auff einmahl entgehen
moͤchte; er ſahe wohl/ wann er ihrem
Zorn entrinnen wolte/ das er ſich ihrer
Lieb unterwerffen muͤſte/ ſolches aber zu
thun war ihm ungelegen; dann er ehe
hundert Toͤdt gelitten haͤtte/ als ſolche
Suͤnd wider GOtt: und ſolche Untreu
wider ſeinen Herren zubegehen.
Er wolte ſich derowegen mit einer
mittelmaͤſſigen Antwort behelffen/ zu
ſehen ob er ſich vielleicht noch dißmahl
aushelffen moͤchte/ ſonderlich wann er
ſein erdichtes Mißtrauen widerum vor-
ſchuͤtzete; er ſagte mit demuͤtiger Refe-
rentz; hochgebiedente gnaͤdige Frau/
daß diſſelbige ſich wuͤrdigt/ mir einige
Tugenden zuzulegen/ und ſich verneh-
men laſſen/ mir deßwegen vor andern
ihren Dienern deſto gnaͤdiger zu ſeyn/
deſſen
deſſen habe ich mich billich zubedancken
und freylich Urſach mit unterthaͤniger
gegen Treu und Lieb ſolche gnaͤdige
Neigung widerum gehorſamlich zuver-
dienen; was aber die uͤbrige Schertz-
wort anbelangt/ damit mein hochgebie-
dente Frau abermahl ihr Kurtzweil hat;
da iſt mein unterthaͤnige Schuldigkeit/
dieſelbe um ſo viel deſto lieber zu gedul-
ten/ wann ich weiß das ſich mein hoch-
gebiedente Frau damit delectirt; vor-
nemlich/ dieweil ich ihr Hoch-Adelich
Gemuͤht alſo Tugendreich beſchaffen
zu ſeyn vermeine/ das kein andere als
Eheliche Gedancken hinein kom̃en moͤ-
gen; habe ich aber meiner hochgebieden-
ten Frauen vielleicht Urſach geben/ zu
verſuchen und zuſehen was hinder ihrem
Diener ſtecke; ſo muͤſte ichs auch dahin
geſielt ſeyn laſſen; Jndeſſen wird man
verhoffentlich in alle Weg mich zu allen
ihren Dienſten fromm/ getreu und auff-
rechtig finden.
Was? Schriehe Selicha auff/ hab
ich dir nicht klar genug geſagt/ was ich
von
von dir haben wolle? Deine Gegenlieb
iſts/ damit du mir am beſten dienen
kanſt/ hab ich dich bey den Oſyrim und
Jſim nicht genugſam meiner inbruͤnſti-
gen Lieb verſichert/ welche deine Tugen-
den werht ſeyn/ was wilt du mehr?
Ach hochgebiedente Frau/ antwor-
tet Joſeph/ ſie eriñere ſich das ſie ſolchen
Eyd auch meinem Herren geſchworen/
ihn Ehliche Treu zu leiſten/ der muß zu-
vorderſt gehalten ſeyn/ wann ſie anders
auch haben will/ daß man ihr fuͤrderhin
Glauben zuſtellen ſoll; Darneben bitte
ich gehorſamlich/ ſie laſſe mich in den
Tugenden verharren/ die ſie ihrem Vor-
geben nach an mir erſehen/ und ſo hoch
liebet/ damit ich ihrer Lieb nicht unwuͤr-
dig geſchaͤtzt werde; wann ich ſolche Tu-
genden wider Verhoffen verſchertzen
ſolte; Selicha vermochte dieſe Wort
weder zu heben noch zu legen/ weil ſie
ſich gefangen fande; ſie wuſte kein Ant-
wort zu geben/ ſondern ſaß dort wie ein
geſchnitzt Bild/ endlich bewegten die
hefftige Liebes-Schmertzen ihr Gemuͤth
dermaſſen
dermaſſen/ daß ſie in ein Ohnmacht
dorthin ſanck; Joſeph wolte ſie nicht an-
ruͤhren/ ſondern ruffte ihren zweyen
Kammer Jungfern (welche beyde um
ihrer Frauen Bulerey wuſten; und im
Vorzimmer auffwarteten) mit Ver-
melden daß ihrer Frauen uͤbel worden
waͤre; er aber gieng ſeins Wegs und
danckte GOtt/ daß er auch vor dißmal
gluͤcklich entronnen.
Als Selicha wider zu ſich ſelbſt kom-
men/ brachten ſie ihre Jungfern zu Bett;
Joſephs Verachtung war nicht ſtarck
genug/ ihre Lieb in Haß zuverwandlen;
dann da erhub ſich erſt ihre Liebes-
Klag/ Ach! ſagte ſie/ ihr Goͤtter/ war-
um habt ihr doch dieſem Menſchen ei-
nen ſolchen ſchoͤnen Leib: und hingegen
ein Diamantmes Hertz gegeben/ daß er
ſo gar keine Lieb erkennen: noch ſich uͤber
mich Elende erbarmen kan? Nein/ nein/
Joſeph: du biſt ſonſt gantz vollkom̃en/
warum wolte dann der Himmel dir ein
ſteinern Hertz geben haben? Dein Edle
Seel iſts/ die mir den Garaus macht/
weil
weil ſie nichts anders als Recht thun
kan/ und von allen Laſtern ſo weit als
die helle Sonn von der Erden entfer-
net iſt; ja Joſeph! du haſt recht/ und
deiner Tugend gemeß geredet/ als du
mich des Eyds den ich meinem Gemahl
geſchworen/ erinnerſte; du haſt wohl ge-
betten/ als du begehrteſt/ ich ſolte dich
in deiner Tugend verharren laſſen; A-
ber ach allerliebſter Joſeph; wie gehets
aber mir armen Weib in deſſen? Ach!
gedencke doch das diß kein Lob der Tu-
gend ſeyn wird/ wann man von dir ſagt/
du habeſt ein ſchwaches Weibsbild ge-
toͤdtet! Aber doch will ich lieber ſterben/
dieweil du es ſo haben wilſt/ als ohne
Genieſſung deiner Lieb noch laͤnger le-
ben; Kaum hatte ſie dieſe Meinung ge-
red/ da kame ſie wider auff ein andern
Schrod/ was! Tugenden? Sagte ſie/
gehorſam ſolt ſein groͤſte Tugend ſeyn
damit er mir verbunden iſt: Aber ſein
Ungehorſam/ und daß darmit man
unſchuldige Leut ermordet/ ſeynd keine
Tugenden; Dieſer Moͤrder verwundet
Ezuvor
zuvor mit ſeiner Schoͤnheit/ und als-
dann toͤdtet er erſt mit ſeiner Unbarm-
hertzigkeit; O ihr Goͤtter! Warum habt
ihr ihm nicht ſeine Schoͤnheit genom-
men ehe ich ihn geſehen/ oder ſeyn Hertz
von Himmliſchen Tugenden ausge-
lehrt/ damit ſein Himmliſche Schoͤn-
heit auch zugenieſſen geweſt waͤre? Alſo
hatte Selichaverwirrete Haͤndel/ bald
lobt ſie/ bald ſchalte ſie den Joſeph/ und
ſtelte ſich ſo ſeltzam/ daß ihre beyde Kam-
mer Jungfern vermeinten/ ſie ſey aller-
dings im Kopff verruckt/ wie dann die
Verliebte ohne daß bisweilen in ihrem
Verſtand nicht ſo gar richtig ſeyn. Sie
ſprachen ihr zu ſo gut ſie konten/ und
wieſen ſie zur Gedult/ mit angehencktem
Troſt/ er wuͤrde noch wohl zugewinnen
ſeyn/ der Baum fall nicht ſo gleich von
wenig Streichen; was koͤſtlich ſey/ koſte
auch viel Muͤhe ſolches zubekommen; je
laͤnger er ſich wehre/ je laͤnger werde er
heenach beſtaͤndig bleiben; es ſey kein
Stahl ſo hart/ er werde mit der Zeit
durchboret; man muͤſſe nicht gleich ver-
zwei-
zweifeln/ ſondern die Sach der Zeit be-
fehlen/ welche einen Menſchen bald zu-
veraͤndern pflege; Alſo wurde Selicha
durch ſolches Zuſprechen zwar etwas zu-
frieden/ aber zugleich auch angefriſcht/
ihre Liebes-Reizungen auff den Joſeph
ſo lang loßgehen zu laſſen/ bis ſie ihn
endlich uͤberwinde.
Sie muthete ihren bey den Jungfern
zu/ das Beſte vor ſie beym Joſeph zure-
den/ damit er deſto leichter zugewinnen
ſeyn moͤchte/ aber ſie wolten die Com-
miſſion nicht auff ſich nehmen/ weil es
ihnen als Jungfrauen uͤbel anſtuͤnde;
weil ſie dann nun ſahe/ daß ihr Heil/
oder vielmehr ihr Unheil ferner zuſuchen
auff ihr allein beruhete; ſpintiſirte ſie
Tag und Nacht/ und machte allerhand
Garn und Strick zum Vorrath fertig/
ihn damit endlich zuberuͤcken; Sie hatte
ſich ihm zugefallen vielmahl auffs herr-
lichſt gebutzt/ und darbey weder der
Schminck (ſo ſie zwar noch nicht be-
dorffte) noch des guten Geruchs/ oder
etwas anders vergeſſen/ ſo zum Wol-
E ijluſt
luſt anreitzen konte; weil aber ſolches al-
les nichts gefruchtet/ wolte ſie es einmal
auch nackend mit ihm probieren/ ob viel-
leicht ihr bloſſer Kreidenweiſſer Leib zu
wuͤrcken vermoͤchte/ was ihr ſchoͤne Klei-
der und anderer Geſchmuck nicht ge-
koͤnt/ ſie verblieb derowegen im Bette
liegen/ und beredet ihren Mann ihr
Kopfthue ihr wehe/ wiewohl ihr Kranck-
heit im Hertzen ſtacke.
Als nun erlich Tag hernach ein herr-
lich Feſt gehalten werden ſolte/ dabey
Potiphar Ambrswegen nothwendig
ſeyn muſte/ gedachte ſie ſolche heilige Zeit
zu ihrem Gottloſen Vorhaben anzu-
wenden/ weils ihr ſo bequem ſiel/ ihren
beſten Anſchlag werckſtellig zu machen;
ihren Potiphar/ der ſchier nie vom Bet-
te kam/ und groß Mitleiden gegen ſei-
nem lieben Weib bezeugte; batt ſie/ er
wolte doch dem Joſeph befehlen/ das
wann ſie etwan in ſeiner Abweſenheit
Schwachheit halber jemand bedoͤrffte/
daß er ihr mit Huͤlff beyſpringen ſolte;
ſolches geſchahe; Joſeph aber gedachte;
wann
wann du wuͤſteſt/ worzu mich dein
Weib brauchen will/ ſo wuͤrdeſt du mir
das Widerſpiel befehlen; doch ſchwieg
er ſtill/ uͤnd aͤngſtigt ſich wegen des
kuͤnfftigen Streits den er angehen ſolte/
dermaſſen/ das ihm alle Haar gen Berg
ſtunden; er hub ſeine Augen gen Him̃el
und ſein Hertz zu GOtt/ bey ſich ſelbſt
feufſtzende: Ach du GOtt meiner Vaͤt-
ter/ Abrham/ Jfaac und Jacobs/ ich
bitte dich hertzlich/ laſſe mich dieſen Tag
nicht zu Truͤmern gehen; Sihe HErr!
Jch ſetze mir veſtiglich vor/ ehe tauſend-
mahl zu ſterben als dich zu erzoͤrnen; die-
ſen meinen gerechten Vorſatz/ HErr!
erhalte und ſtaͤrcke in mir/ damit ich
deinetwegen dapffer kaͤmpffe/ und mir
deinem Beyſtand meine Feind/ die mich
deiner Gnad durch die Suͤnd berauben
wollen/ Ritterlich uͤberwinden moͤge;
Mit dieſem Gebet und ſtarcken Vorſatz
gewaffnet/ erwartet der Edle Held/
wann ihm ſeine Liebhaberin oder viel-
mehr ſeine Feindin die Schlacht anzu-
gehen befehlen wuͤrde.
E iijPoti-
Potiphar war noch nicht uͤber ein
Stund lang hinweg/ als Selicha nach
dem Joſeph ſchickte; welcher demſelben
Tag ſchoͤn geziert auffziehen muſte/ weil
es ein Feſt-tag war; Solcher Auffzug
verdoppelte nicht allein ſeine Schoͤnheit/
ſondern auch der Selicha Liebes-Be-
gierdten; Er erſchiene mit einem unwil-
ligen Gehorſam welches er nie gethan
hatte/ dieweil er dienete; und fand die
Selicha auff einem Bette liegen in ſol-
cher Poſtur/ wie man die Venus ſelbſt
dey uns zu mahlen pflegt; Nur ihr Kopf
war mit etlichen Kleinodien: Der Hals
ſambt den Armen mit Perlen: und die
Finger mit koͤſtlichen Ringen geziert/
ſonſt aber war ihr gantzer Leib nackent/
und mit einem Leibfarben Seidenen
Teppich bedeckt; der ſo duͤn und durch-
ſichtig war/ daß man ihre Schneeweiſ-
ſe Haut und alle Gliedmaſſen eigentlich
dardurch ſehen konte; der Buſen war
nur ſo weit bloß; daß man ihre harte
Bruͤſt/ die ſo weiß als Alabaſter ſchie-
nen/ eben halber nackent in die Hoͤhe
ſtar-
ſtartzen ſahe/ und damit dieſe annemli-
che Augenweid deſto Luſtreitzen der waͤre/
waren die Umhaͤng zierlich auffgebun-
den/ der gantze Lufft mit lieblichem Ge-
ruch erfuͤllt/ und um und um alles mit
Roſenblettern und andern wohlrichen-
den ſo Blumen als Zweygen beſtreuet;
alſo das alles zuſammen einen anmuh-
tigen Anblick und Augenluſt/ abgabe;
Joſeph thaͤt ſein gewoͤhnliche Ehrbezeu-
gung/ und begehrt unterthaͤnig zuver-
nehmen was ſein gebiedente Frau zube-
fehlen beliebte/ wiewohl er zuvor wohl
wuſte was ſie verlangte; ſie antwortet/
daß ſie Vorhabens geweſt waͤre/ ein
wenig auffzuſtehen; und weil ihre Jung-
fern ſie allein nicht erheben moͤgen/ het-
te ſie ihm ruffen laͤſſen ihnen zu helffen;
weil ſie aber nun noch ein weilgen wolt
liegen bleiben/ ſo koͤnte er noch ein wenig
verziehen/ und unterdeſſen wohl ein biß-
gen niderſitzen; Sie lieſſe ſich wohl im
geringſten deß jenigen nicht mercken
was ſie in Sinn hatte/ damit ſie den
Joſeph nicht gleich Anfangs ſcheu
E iiijmach-
machte; ſie wolte zuvor ſeine Jugend
durch ihr Anſchauung welches auch die
aͤltiſte Graͤißen in Harniſch jagen moͤ-
gen/ Feur fangen laſſen; zu ſolchem
End bewegte ſie die Decke ſo artlich/ daß
ihr Buſam offt gantz bloß zu ſehen war/
und vergaß darneben nicht/ dem Jo-
ſeph zugleich nach und nach mit Liebrei-
tzenden Blicken ihrer ſchoͤnen Augen/ ſo
gleichſam vor Begierde funckelten/ zu-
zuſetzen; zwar kan man leicht die Rech-
nung machen/ weil Joſeph auch Fleiſch
und Blut hatte/ daß er in dieſem Han-
del von demſelben auch mercklich muß
angefochten worden ſeyn! Weil er aus
ſchuldigem Reſpect ſein gnaͤdige Frau
anſehen muſte und ihr den Rucken nicht
kehren dorffte; Aber ſein Vorſatz from
zu ſeyn/ uͤberwand doch!
Als es die Selicha nun Zeit ſeyn
dunckte/ gieng auff empfangene Loſung
die eine Kammer-Jungfer hinweg/ und
gleich hernach/ wurde die ander geſchickt
die erſte zu holen/ ſie blieben aber beyde
aus/ weil ſie wuſten was ihrer Frauen
Will
Will war; Joſeph wolte ihnen folgen/
aber vergeblich/ dann weil Selicha
ſchrye/ ob ſie dann all von ihr lauffen
wolten? muſte er bleiben. Ach! ſagte
ſie himmliſcher Engel/ wilſt du mir dañ
auch nicht mehr goͤnnen/ dein ſchoͤnes
Angeſicht zu ſehen? Joſeph ſchwieg vor
Scham ſtockſtill; Sie aber ſchaͤmte
ſich deſto weniger/ indem ſie ſich herum
warff/ und dem Joſeph ein zimlich un-
verſchaͤmtes Einſehen machte; Wie Jo-
ſeph; fuhr ſie weiter fort; wird dann die
gebiedente Frau im Haus deßhalber
ohnwuͤrdig geacht/ mit ihr zu reden/
weil ſie ſich gegen dir mehr als ein dienſt-
bare Magd demuͤtigt? Gib mir aus
ſchuldigem Gehorſam Antwort/ wann
du mich nicht wuͤrdigen wilſt/ mit mir
als mit einer Verliebten zureden: Jo-
ſeph antwortet/ gnaͤdige Frau/ wann
ihr Begehren ſo zimlich und tugendlich:
oder deroſelben mein Antwort ſo ange-
nehm waͤr/ als ehrlich mir zuthun und
zu reden gebuͤhrt/ ſo haͤtte ich ſo lang
nicht geſchwiegen/ ſondern waͤre wans
E vmuͤg-
muͤglich ſeyn koͤnte/ mit dem Werck
ſelbſt/ das ſie ſuchet hernach gefolgt;
dieweil ich aber ein ſchlechten Ruhm
ſihe/ deſſen wir ſich hierdurch wuͤrdig
machten; hat mich Rahtſamer zuſeyn
gedunckt/ daß ich der Tugend und Er-
barkeit mehr als dem Gehorſam folge;
welche mich from ſeyn und ſchweigen
heiſſen. Hertzallerliebſter Joſeph/ ant-
wortet Selicha/ du ſchuͤtzeſt Ehr und
Tugend vor/ welche doch nur im Wahn
beſtehen/ ja es iſt nur ein unnutzliches
Spiegelfechten; Schau nur/ wann du
gleich aller Welt Tugenden haͤtteſt/ ſo
werden ſie dir doch nicht anſtehen/ oder
zu deiner Befuͤrderung an dir warge-
nommen werden/ und alſo dir nichts
helffen koͤnnen/ weil du ein Leibeigner
Knecht biſt; wann du aber nach mei-
nem Willen lebeſt/ welches du ohne das
zuthun ſchuldig biſt/ ſo kan ich dich frey
und gluͤckſelig machen/ welches dir dei-
ne Tugenden nicht leiſten koͤnnen; blei-
beſt du mir aber widerſpaͤnſtig/ und
machſt durch deine Hartnaͤckige Ver-
weige-
weigerung daß ich dir endlich widerwer-
tig werde/ und mein Hertzliche Liebe in
greulichen Haß verwandle; ſo weiſt du
wohl/ das ich Mittel uͤbrig hab/ mich
an dir erſchroͤcklich zu raͤchen/ darvor
dich alle deine Tugenden nicht werden
beſchuͤtzen koͤnnen; Schaue hertzliebſter
Joſeph/ hier iſt doch die allerſchoͤnſte
Gelegenheit uns mit allem Wolluſt in
Geheim zu ergetzen; alſo das wir uns
vor das gluͤckſeligſte Paar in der Welt
ſchetzen koͤnten/ wann du nur dein Gluͤck
erkennen: und demſelben dancken wol-
teſt/ indem es dich ſo freundlich durch
meine inbruͤnſtige Lieb begruͤſſet; Die-
ſes alles brachte ſie mit ſolchen bewoͤgli-
chen und Luſtreitzenden Geberden vor/
das ſie auch den Saturnum ſelbſt in her-
ten ergeylen koͤnnen/ zu ihr wie ein jun-
ger Satyrus auffs Bette zu ſpringen;
Jch kan mir auch wohl einbilden/ daß
manchen der diß liſt/ bey ſich ſelbſt ge-
denckt; alſo! diß waͤre ein ſtattlich Freſ-
ſen vor mich geweſen.
E vjAber
Aber der keuſche Joſeph hatte einen
viel Tugendlichern Sinn/ er antwortet;
gnaͤdige hochgebiedente Frau/ ich weiß
wohl das ich ein armer verkauffter
Knecht bin/ aber eben darumb muß ich
mich um ſo viel deſto mehr befleiſſen/
deſto reicher an Tugenden zu ſeyn; ich
weiß wohl/ daß ich meiner hochgebie-
deneen Frauen in Unterthaͤnigkeit zu ge-
horſamen ſchuldig bin; aber darneben
iſt mir auch nicht verborgen/ daß ſich
mein Gehorſam nicht weiter erſtreckt/
als in billichen Dingen/ und nicht in ſol-
chen Sachen die meinem Herren zum
Schimpff gereichen; und wann mich
ſchon die Tngenden zu nichts befuͤrdern
(wann ich anders derſelben etliche habe)
ſo mutzen ſie doch meinem Herren/ in dem
ſie mich lernen ihme treu zu ſeyn/ worzu
er mich vornemlich erkaufft hat; Die an-
getrohete Rach/ bekuͤmmert mich zwar;
aber mein hochgebiedente Frau beliebe
zu wiſſen/ das der Todt ſelbſt mich ſo
hoch nicht erſchroͤcken kan/ zu Erhaltung
meines Lebens ein ſolche Miſſethat zu
bege-
begehen/ deren ich nicht verſichert waͤre/
daß ſie nur ein einige Stund verſchwie-
gen bleibt.
Alle dieſe Wort waren der Selicha
wie lauter Blitz und Donnerſchlag/ bis
auff das letzte/ aus welchem ſie ſchloß/
Joſeph ſorgte nur es moͤchte nicht ver-
ſchwiegen bleiben/ im uͤbrigen aber waͤre
er ſchon ſo viel als gewonnen; ſagte de-
rowegen/ was? Verſchwiegen? da laß
mich vor ſorgen/ ſetze dieſe unnuͤtze Sorg
bey ſeits/ und laſſe uns unſere Fruͤhlings-
Jahr mit Freuden genieſſen; ich weiß
es ſchon zuverbergen/ das es niemand
innen wird.
Joſeph antwortet/ nun geſetzt/ gnaͤ-
dige Frau daß es niemand innen wird/
wie ſie ſagt; werden aber nach vollbrach-
ter That auch unſere Gewiſſen ſchwei-
gen? Wuͤrden ſie uns nicht ſo Tags/ ſo
Nachts Henckermaͤſſig peinigen? Da-
mit doch die Befleckung ihres Ehebet-
tes/ wie hertzlich auch die Reu ſeyn moͤch-
te/ nimmermehr/ ausgetilgt werden
koͤnte; kaͤme ſolche begangne Suͤnd abeꝛ
E vijan
an Tag/ ſo waͤre der Jammer nur deſto
aͤrger; Eur: Gnaden bedencken nur/
was vor groſſen Spott/ Schimpff und
Schand Jhro/ ihrem Eheherrn und ih-
rer gantzen vornehmen Freundſchafft
zuſtuͤnde? Haltet derowegen euerem
Eheherren die verpflichte Eheliche Treu/
und verſchertzet euer geruhig reines Ge-
wiſſen nicht ſo liderlich durch eines ſo
kurtzwehrenden Wolluſts oder vielmehr
Unluſts Willen/ welcher ſonſt nichts
als ein ewigs Hertzenleid nach ſich ſchlep-
pet: Wann ſie ſich nicht nach dem jeni-
gen ſoͤhnet/ was Jhro nicht gebuͤhrt/
und ihr ohne daß zu bekommen ohn-
muͤglich/ ſo wird ſie dieſe boͤſe Anfech-
tung bald daͤmpfen; Will auch zu ſol-
chem End meiner gebiedenten Frauen
nicht laͤnger verbergen/ daß ich keines
Weibs werth bin/ weil ich in meiner
Jugend durch Unfall verlohren/ was
zu ſolchem Handel erfordert wird/ ſolte
aber meine Schoͤnheit/ welche Euer
Gnaden ſich an mir einbildet/ ein Urſach
ihres Leidens ſeyn/ wie ſie vorgeben/ ſo
weiß
weiß ich Mittel ſolche dergeſtalt zuſchaͤn-
den/ daß ſie derſelben bald vergeſſen
werden/ dabey mein hochgebiedente
Frau verſpuͤhren kan/ wie hertzlich ich ſie
gleichwohl liebe. Hierauff ſchwieg Jo-
ſeph ſtill/ und hoffte er haͤtte ſie genug
bewegt/ entweder in ſich ſelbſt zu gehen/
und ihr ein Gewiſſen zu machen/ oder
ihn wegen ſeiner vorgewandten Unduͤch-
tigkeit zuverwerffen.
Aber weit gefehlt/ die Lieb hat ſchaͤrf-
fere Augen/ Ach! liebſter Joſeph/ ſagte
ſie/ du wendeſt vor die Tugend ſey der
Zweck nach dem du ſtrebeſt/ und ſchaͤ-
meſt dich doch nicht zu liegen auff daß du
mich betriegen moͤgeſt; Die zarte Milch-
haar deiner Roſenſarben Wangen/ da-
mit ſich die Korallen rothe Lippen zuzieh-
ren beginnen/ bezeugen mir viel ein an-
ders: ſie ſchwieg darauff ſtill/ alſo daß
Joſeph nicht abnehmen kunte/ was ſie
weiters Sinns war/ Joſeph aber redet
auch nichts mehr,
Nahe an ihrem Bette ſtund ein ge-
deckter Tiſch mit allerhand Confect und
koͤſtli-
koͤſtlichen Waſſern auch ſonſt ſtarcken
Getraͤncken ſo bald truncken machen/ uͤ-
berſtelt/ welches Selicha zugerichtet/
entweder den Joſeph mit dem Trunck
zubedeuben/ oder nach vollbrachter Lie-
bes Freud ſich mit einander dabey zuer-
getzen; ſie befahl dem Joſeph ein Mar-
zaban von dorther ihr zu langen; er
reichte es ihr mit gewoͤhnlicher Ehrer-
bietung; aber an ſtatt das ſie nach dem
Marzaban greiffen ſollen/ wurden ihre
Liebs-begierten ſo hefftig/ das ſie ihn
beym Mantel erwiſchte/ ihn zu ſich auffs
Bette zuziehen/ zugleich mit heiſſen
Thraͤnen bittend/ er wolte ſich doch nur
ein bißgen zu ihr ſetzen; Joſeph aber der
ſtaͤrcker war als ſie/ auch wohl wuſte/
das niemand lang im Feuer ſitzen ſolte/
er wolte ſich dann verbrennen/ entriſſe
ſich aus ihrem zarten Armen (in welchen
ſie gleichwohl ſeinen Mantel behielte)
und lieffe aus dem Zimmer hinweg.
Was vor ein Krieg diß Weib nach
Joſephs Abſchied mit ihr ſelbſt wegen
der vermeinten Verachtung angefan-
gen/
gen/ muß nur jeder bey ſich ſelbſt erach-
ten/ dann damahls weder ich noch ſonſt
jemand bey ihr geweſen/ der es nachſa-
gen koͤnte; aber man kan leichtlich ge-
dencken wie es hergangen ſey? Dann als
ihr beyde Kammer-Jungfern wider zu
ihr kommen/ zerriſſe ſie eben aus grim-
migem Zorn an deſſen unſchuldigem
Mantel/ der ſich ſelbſt keiner Straff
ſchuldig machen wollen; und hatte
ſchon ihre ſchoͤne Haarlocken ausgezer-
ret; auch ihr eigen Angeſicht jaͤmmer-
lich zerkratzt; ſie ſahe aus wie ein hoͤlli-
ſche Furi/ wiewohl man ſie kurtz zuvor
der Venus ſelbſt haͤtt vergleichen moͤ-
gen! Sie tobet wie ein wuͤttiger Hund/
und fluchte allen Goͤttern viel aͤrger als
ein Fuhrmann dems nicht hotten will;
alſo das ſich ihre Jungfern daruͤber ent-
ſetzten/ und genug zuthun hatten/ ſie
wider ein wenig zu ſich ſelbſt zu bringen.
Als Potiphar gegen Abend nach
Haus kam/ und ſein Weib in ſolchem
Stand fande/ hat er/ wie jeder ſich ein-
bilden kan/ vor Schroͤcken gewißlich
nicht
nicht lachen moͤgen; er fragte ſein hertz-
liebſte Frau um die Urſach; ſie aber be-
ſchuldigte den Unſchuldigen deß jenigen
was ſie ſelbſt begangen hatte; Ach! ſag-
te ſie/ hertzliebſter Eheherr! der leichtfer-
tige Hebreer! der Schelm und der Eh-
rendieb! dem du ſo viel Guts gethan
und alles das Deinige vertraut haſt;
Schaue doch um der Goͤtter willen!
dieſer Vogel und Ertzboͤſewicht! als er
vermerckte/ daß ich meinen Jungfern
erlaubt/ von mir zu gehen/ weil ich ein
wenig zu ſchlaffen getraute/ kommt;
nemlich zu mir! zu einem kranckẽ Weib!
zu der Frauen im Haus! und welches
das aͤrgſte iſt/ zu ſeines Herren Ehe-
frauen! und wolte dein reines Ehebette
an einem ſo heiligen Feſttag! mit einem
ſchaͤndlichen Ehbruch beſudlen; als
wann du nicht Maͤgd genug haͤtteſt/ ſei-
ne Viehiſche Brunſt zu leſchen! Ja! als
er mich nicht willig fande; wolte er mich
nothzuͤchtigen! und indem ich mich da-
pfer wehrede/ mein und deine Ehr zu er-
halten; hat er mich/ und hingegen ich
ſeinen
ſeinen Schelmen Diebs Mandel ſo zu
gerichtet/ wie du hier vor Augen ſiheſt!
Jſt das der Danck/ den du um ihn ver-
dienet? Jſt das ein Stuͤck ſeiner From-
keit/ die du ihm jederzeit zugetraut? und
iſt daß die Treu deren du dich allwegen
zu ihm verſehen haſt? Deine Gutthaten
haben den undanckbarn Vogel erſtlich
zum Junckern: Und endlich ſo geil ge-
macht/ das er ſich auch deiner Ehrlichen
Frauen nicht enthalten moͤgen; Nun
wohlan/ ich hab das Meinig gethan/
als ein Ehrliche Frau/ dir aber will ge-
buͤhren/ daß du gegen ihm wie ein Ehr-
liebender Mann thuſt/ der vor ſein Ehr
eifert.
Ob Potiphar damahl auch zornig
uͤber den Joſeph worden ſeye/ bedarff
keiner Frag; ſo viel war an ihm/ wann
er durch dieſe Begebenheit nicht zugleich
erfahren haͤtte/ was vor ein getreu/ ehr-
lich/ from und Tugendſame Frau ſein
Liebſte ſey/ ſo haͤtte er ihn gleich zu
Streichplaͤtzlein zerſeblen laſſen; aber
er kitzelt ſich mit ſeiner Frauen Fromm-
keit
keit innerlich/ wie die hoͤltzerne Puppen
lachen/ das er nicht zoͤrnen kunte; ha!
ſagte er zu ſich ſelbſt/ wie ſeynd doch die
Menſchliche Urthel ſo blind und betro-
gen/ ich hab aus meines getreuen Weibs
Geſicht urtheilen wollen/ als wann ſie
den Joſeph mit Buhleriſchen Augen
anſehe/ und hat mich gedunckt/ als wañ
er ſolches nicht in Acht naͤhme; aber
jetzt ſehe ich wohl/ der ſchlimme Geſell
hat ſie geliebt/ und ſie hat hingegen ſich
ſeiner nicht angenommen; Ach die Goͤt
ter wollen mir mein Fehler verzeihen
daß ich ſo argwoͤhniſch gegen einem ſol-
chen frommen Weib geweſen; Sey zu
frieden liebſter Schatz/ ich will dich beſ-
ſer in Ehren halten als noch nie (ſagt er
in ſeinem Hertzen) dann haſt du dich ei-
nes ſolchen ſchoͤnen Juͤnglings wie Jo-
ſeph einer iſt/ enthalten koͤnnen/ ſo wirſt
du endlich auch die Goͤtter ſelbſt (wie
meinen eignen argwoͤhniſchen Augen
widerfahren iſt) zu Luͤgnern machen;
Mit dem lieff er uͤber ſeinem geheimen
Schreibtiſch/ der in ſeinem Kavet
ſtund
ſtund/ und langte heraus eine Prophe-
ceyung ſo ihm ein Oracul geben/ als er
nach Abgang ſeiner erſten Gemahlin
ſich wider zu verheurathen entſchloſſen.
Und deswegen Raths fragte/ daß lau-
tet alſo.
Greiff Potiphar zur zweyten Ehe
So find er nichts als Ach und Wehe
So offt als er der Liebe pflegt/
So viel er auch der Hoͤrner traͤgt/
Doch wird es ſo ſub til zugehn
Daß eres ſelbſt nicht kan verſtehn.
O verlogener Apollo/ ſagt er/ wer
wird mich nun zum Hanrey machen
koͤnnen/ wann es Joſeph der ſchoͤnſte in
der Welt nicht zuthun vermoͤcht hat;
der Gauch wuſte aber nicht/ das Seli-
cha allzeit wann er ſie im Arm gehalten/
an Joſeph gedacht/ und das jenig ſo ihr
von ihm geſchahe/ vom Joſephs wegen/
den ſie ihr an ſeiner Statt eingebildet/
angenommen hatte; er zerriß dieſe Weiſ-
ſagung und ſagte/ weil niemand ſein
eigner Richter ſeyn ſoll/ ſo ſolte man den
Joſeph ins Gefaͤngniß fuͤhren/ er wolte
der Sach ſchon Rath ſchaffen.
Zu
Zu derſelben Zeit hatte es faſt eine
Beſchaffenheit mit den Gefaͤngnuſſen
in Egypten wie mit den Zuchthaͤuſern
jetziger Zeit/ der Koͤnig hatte in jeder
groſſen Stadt oder Provinz ſeines
Lands eins/ rund herum mit hohen
Mauren umgeben/ daß kein Gefang-
ner oder Gefangne ausreiſſen kunte; in-
wendig mit Werckſtaͤtten vor allerley
Handwercksleut verſehen; ſolche wur-
den den Kerckermeiſtern auff etliche
Jahr um ein gewiſſen Zinß verlaſſen/
wann nun Perſonen in ſolche geriethen/
die reich: die Mißhandlungen aber nicht
groß waren/ ſo muſten ſie dem Kerker-
meiſter Koſtgelt geben und dorfften
nichts arbeiten; waren es aber Arme/
deren ſich niemand erbarmt/ noch die
Koſt vor ſie bezahlte/ ſo muſten ſie dem
Kerckermeiſter arbeiten daß ihnen die
Schwarte kracht/ doch nach geſtalt-
ſam ihres Verbrechens/ und nachdem
ſie verdammt waren oder zu arbeiten
vermochten; etliche Ubelthaͤter wurden
auff ewig: etliche aber die ſich geringer
ver-
verſuͤndigt hatten/ nur auff etliche Jahr
dahin verurthelt/ wie auff eine Gallera;
und weil dieſes beydes dem Koͤnig und
Kerckermeiſter bey weitem mehr ein-
trug/ als dem Scharffrichter/ wurden
wenig Ubelthaͤter mit dem Todt ge-
ſtrafft/ es gieng aber in dieſem Gefaͤng-
nuſſen ſo ſcharff her/ daß theils Gefang-
nen ein ſchneller Todt viel ertraͤglicher
geweſt waͤre/ als ein ſo elende Verzoͤge-
rung ihres Lebens; So bald ein Ge-
fangner in ein ſolch Gefaͤngnuß kam/ ſo
hatte der ſo ihn ſetzen laſſen/ kein Ge-
walt mehr uͤber ihn/ ſondern nur der Koͤ-
nig/ der nach und nach das Verbre-
chen auff der Gefangnen Freund oder
des Klaͤgers Anſuchen examinirn: und
ferner geſchehen diß was recht war; und
weil Joſeph kein Handwerck kunte/ mu-
ſte er als ein Schmiedknecht den Ham-
mer fuͤhren/ ſeine Koſt bis zu Austrag
der Sach zu gewinnen; Er gedachte bey
ſich ſelbſt/ diß iſt ein billich Urthel Got-
tes/ das meine Schoͤnheit im Kohlen/
Rauch und Staub verderbe/ und meine
zarte
zarte Haͤnd wie Horn werden; weil ſie
mich bißher in alles Ungluͤck gefuͤhrt.
Niemand verwundert ſich mehr/ daß
Joſeph dieſer Urſachen halber ſolte ge-
fangen geſetzt worden ſeyn/ als eben die
unvergleichliche Aſanet; weil ſie ſelbſt
viel ein anders ſo wohl von der Selicha
als dem Joſeph wuſte! Sie kunte nicht
erſinnen/ wie es doch zugangen ſeyn mu--
ſte/ daß dieſe beyde ſo bald ihre Neigun-
gen: Nemlich die Selicha ihre hefftige
Lieb in Haß: und hingegen Joſeph ſei-
ne Keuſchheit in bruͤnſtige Geilheit ver-
aͤndert haͤtte/ wiewohl ſie ihres gleichen
an ſcharpffem Verſtand in Egypten
nicht hatte; die Begierde den Verlauff
zu wiſſen trieben ſie dahin/ ihre Baaß
die Bettlaͤgerige Selicha zu beſuchen;
mehr unterm Schein ihr ſchuldig Mit-
leiden zubezeugen/ als ſich mercken zu
laſſen/ warum ſie mit ihrem verbunde-
nen Finger und verwunden Hertzen hin
kaͤme.
Hertzliebſte Frau Schweſter/ ſagte
ſie bey ihrer Ankunfft/ unter andern zur
Selicha;
Selicha; mir gehet dero Zuſtand um ſo
viel deſto mehr zu Hertzen/ weil ich ver-
nehme/ das ſie nicht aus dem Bette
kommen/ ſeithero ich die Ehr gehabt/
mit ihren neulichden Mittag Jmbs zu-
halten; ob ich zwar nicht hoffen will/
daß unſer Gegenwart deroſelben zu Un-
muth oder Zorn: und alſo auch zu dieſer
Kranckheit ſelbſt Urſach gegeben habe.
Ach nein hertzliebſte Jungfer Schweſter
antwortet Selicha/ unſer Joſeph iſt die
Urſach meiner Kranckheit/ welcher mich
dieſer Tagen ſo hoch erzoͤrnet/ das mir
die Gall in alle Glieder geloffen! Wie
ſo? ſagte Aſaneth/ ich hatte vermeinet
ihr neulicher Diſcurs/ den ich hinder den
Tapeten vernommen/ hatte mich genug-
ſam verſichert; das mein geehrte Frau
Schweſter ſich in Ewigkeit nicht uͤber
ihn erzuͤrnen koͤnte? Jch weiß nicht wie
ich die Sach verſtehen ſoll? Was! ver-
ſtehen? ſuhr Selicha heraus; Laſt mich
zu frieden/ ich verſtehe wohl wie ihrs ver-
ſtehen wollet? habt ihr damahl nicht
ſelbſt geſagt; ich ſolte auffhoͤren ihn zu
Flieben/
lieben/ oder ihr wollet auffhoͤren meine
Baaß zu ſeyn? Ey nun dem/ weil ich
derowegen euch gefolgt hab/ und ihn/
(euch meinen Haß gegen ihm zu bezeu-
gen) ins Gefaͤngniß gebracht/ ſo haltet
euer Wort: bleibet meine Baaß wie
vor; bekuͤmmert euch um keinen leibeig-
nen Knecht; laſſet das unnoͤhtige Nach-
gruͤblen bleiben; und helfft vielmehr
durch Stillſchweigen das unſerer
Freundſchafft kein Schandfleck ange-
haͤnckt werde/ wie ihr mich neulich ſelbſt
erinnert habt/ das ich thun ſolte; Aſa-
neth vernahm ohnſchwer was die Glock
geſchlagen/ und wuſte doch nicht eigent-
lich/ wie es mit dem Joſeph hergangen
ſeyn moͤchte/ dorffte auch nicht fragen/
damit ſie ſich nicht argwoͤhniſch machte;
Sie unterhielte vor dißmahl ihre Baaß
mit andern angenehmen Reden/ bis ſie
ihrem freundlichen Abſchied nahm und
Joſephs Unſchuld halber voll Kummer
und Hertzenleid nach Haus gieng.
Dieſes Fraͤulein war ſo vermoͤglich
als ſchoͤn und tugendreich; dann ſie hat-
te als
te als ein einzige Erbin/ ihres Vattern
Schaͤtze (der ein alter Witber war) in
vollkommenen Gewalt; Alſo daß ſie die
Edelgeſtein: geſchweige das Gold und
Silber/ mit Seßten auszumeſſen ver-
mochte; Sie hielte ſich in Thebe auff/
ihres Vattern Reichthum zu huͤten; der
Vatter ſelbſt aber wohnet ſolche zuver-
mehren/ als ein hoher Prieſter zu Heli-
opolis/ und war bey dem Pharaone/
als ein Mann an dem viel gelegen/ in
hoͤchſten Gnaden.
Dieſes ihr Vermoͤgen: oder beſſer zu
ſagen/ den Uberfluß verhandenen
Schaͤtz und Reichthum griff ſie an/
nicht zwar ſo grob oder unbeſonnen/ als
ein junges Ding von zwoͤlff Jahren
thuen moͤchte (wie ſie damahl war) das
nicht weißworzu die Baarſchafft nutzet/
ſondern ſo geſparſamlich als ihr die Lieb
zulieſe/ und ſo kluͤglich/ als ſie vermein-
te/ daß ihr zu Erkundigung der War-
heit vonnoͤthen waͤre; ſie wolte einmahl
wiſſen wie Selicha mit dem Joſeph ge-
ſpielt haͤtte/ deme ſie ihr Hertz wegen ſei-
F ijner
ner ſcheinbarlichen Tugenden: Wie
Selicha ihm das ihrige wegen ſeiner
Schoͤnheit geſchenckt hatte; immer
Schad waͤre es/ ſagte ſie zu ſich ſelbſten;
wann der ſchoͤnſte Spiegel aller Tugen-
den durch laͤſterliche Verlaͤumtungen
ſolte untertruckt und zu Schanden wer-
den; was? wann man das geſtattet/ ſo
moͤchte es dahin kommen/ daß die Tu-
genden endlich auch ſelbſt durch die La-
ſter zerſcheidert wuͤrden; Nichts! ich will
wagen was mir die Goͤtter hierzu ver-
liehen haben; und nahm damit ein ſchoͤn
paar Armband vor die eine: und ein
koͤſtliche Stirnfpange vor die andere
der Selichæ Kammer-Jungfern; mit
denſelben ſchmirte ſie die eine nach der
andern/ bis ſie alles Haarklein erfuhr/
wie man mit dem ſo frommen als ſchoͤ-
nen Joſeph verfahren waͤre; aber deſſen
Unſchuld an Tag zu bringen wolte ihr
nicht geziemen/ wieviel ſie auch Kalen-
der daruͤber machte und die Sach uͤber-
ſchlug; dañ erſtlich lag ihr die nahe Ver-
wandſchafft der Selichæ im Weg/ de-
ren
ren ſie ſich ſchaͤmen haͤtte muͤſſen/ wann
die Warheit in jedermans Ohr kom̃en
waͤre; So wolte ihr auch nicht gebuͤh-
ren/ das ſie als ein Fraͤulein von Koͤ-
niglichem Stammen ſich eines Scla-
vens annehme; drittens wann ſie gleich
alles thaͤt/ was ſie haͤtte thun koͤnnen/
ihn ſeiner Tugend wegen frey zu ma-
chen/ ſo haͤtte doch jederman geurtheilt
ſolches waͤre ſeiner Schoͤnheit und nicht
ſeiner Tugend wegen beſchehen; andern
theils tribulirte ſie die hertzliche Lieb und
das Mitleiden ſo ſie wegen ſeiner Un-
ſchuld trug/ alſo das ſie nicht wuſte/
weſſen ſie ſich entſchlieſſen ſolte; Derge-
ſtalt wurde ihr Hertz gleichſam wie ein
Schiff vom Nord und Sudwind zu
gleich angegriſſen und beſtuͤrmt; End-
lich verpetſchierte ſie hundert Tumin ne-
ben einem Brieff an dem Kerckermei-
ſter/ und lieſſe ihm denſelben durch ein
vierdte Perſon zu eignen Handen lief-
fern; der Jnhalt deſſen lautet alſo.
Wann du das Geſchlecht Pharao-
nis deiner Schuldigkeit nach in Ehren
F iijhaͤltſt/
haͤlſt/ ſo wirſt du dieſem Brieff mit Un-
terthaͤnigkeit empfahen/ und demſelben
gehorſam biſt nachleben; als welcher
von einer Perſon aus Koͤniglichem Ge-
bluͤt erkohren/ dir zugeſchickt wird; wel-
che dich zu dem End ihres Gruſſes wuͤr-
digt/ daß du den gefangenen Joſeph
Potiphars des groſſen Kuchenmeiſters
Knecht in der Gefaͤngniß alſo ehrlich
halten ſolleſt/ daß weder er ſelber noch
jemand anders von ſeinetwegen/ wann
er ſeiner Unſchuld halber kuͤnfftig wider
freygelaſſen wird/ uͤber dich zu klagen
habe; dann ſolche Klag muͤſteſt du mit
Hergehung deines Kopffs verantwor-
ten; weil dir hiebey hundert Tumin ge-
ſchickt werden/ damit du ihn deſto beſſer
verpfiegen und aller Arbeit entlaſſen koͤn-
teſt; doch ſolſt du dieſes vor jederman
auch dem Gefangnen ſelbſt heimlich
halten/ deme du alſo gehorſamlich nach-
zuleben wiſſen wirſt.
Dieſes war dem Kerckermeiſter ein
ſeltzam Freſſen/ dieweil keinem ſeiner
Zunfft dergleichen niemahl begegnet/ er
kunte
kunte nicht weniger thun als gehorſa-
men/ dann ein ſolch groſſes Gelt ſo ihm
geſchickt worden/ bezeugte genugſam/
daß die Perſon die ihm geſchrieben/ kein
kleiner Hans ſeyn muͤſte; derowegen
nahm er den Joſeph wider aus der
Schmiden/ und ſetzte ihn zu ſich an ſeine
Tafel/ das es weder Potiphar noch ſein
Ehrliche Frau niemahl erfuhr.
Jndeſſen lag Selicha noch zu Bett/
und wurde in Ernſt ſo kranck/ als ſie ſich
zuvor geſtelt hatte; ja es wurde mit ihr
von Tag zu Tag je laͤnger je aͤrger/ weil
ſie der Zorn/ die Lieb/ der Eifer/ die
Rach/ die Reu und die Furcht/ daß ih-
re Schelmſtuck an Tag kommen moͤch-
ten/ ſchroͤcklich aͤngſtigten/ und je laͤnger
je mehr ſchwaͤchten; keinen andern als
dieſen ſchlechten Troſt hatte ſie/ als daß
Joſeph ſein Lebtag keinem andern
Weibsbild zu theil werden koͤnte/ weil er
ſo warm ſaſſe; die Aertzt fiengen allge-
mach an/ an ihrem Leben zuverzweifeln:
ſie ſahen zwar wohl das dieſe Kranckheit
an einem innerlichen Anliegen des be-
F iiijkuͤm-
kuͤmmerten Gemuͤths gienge/ Poti-
phar aber muſte der Selicha glauben/
welche vorwand/ daß ſie ſich ſo greulich
uͤber Joſephs unehrlichs Zumuthen er-
zoͤrnet/ und ſolches noch nicht vertauen
koͤnte; hierdurch wuꝛde er gereitzt und er-
bittert an Joſeph unbilliche Rach zu uͤ-
ben/ welchen er billicher haͤtte loß laſſen
ſollen; Aber ſo ſehr trachtet er nicht nach
Joſephs Leben/ ſo ſehr bemuͤhet ſich hin-
gegen Aſaneth daſſelbe zu erhalten; als
dieſe vom Potiphar vernahm was er ge-
ſinnet war/ kunte ſie ſich nicht enthalten/
ihm unter Augen zu ſagen/ das ſie ver-
mercke/ Joſeph ſey unſchuldig; mit
Bitt/ er wolle ſich nicht uͤbereylen/ da-
mit er der ſpatten Reu und der Goͤtter
Zorn/ ſo ihm das unſchuldige Blut
auff den Hals buͤrden wuͤrde/ kuͤnfftig
uͤberhaben waͤre; er folte die Sach ſte-
hen laſſen wie ſie ſtuͤnde/ und noch ein
Zeitlang zuſehen; ſie beſorge ohne daß/
wann er dem Joſeph das Leben zu neh-
men unterſtehen wuͤrde/ daß ein ander
Facit heraus kommen doͤrffte; das Le-
ben
ben waͤre Edel/ und ſolches zu erhalten/
wuͤrde Joſeph vor ſich das Beſte re-
den.
Durch dieſe dunckele zweydeutige
Sprach ſetzte Aſaneth dem Potiphar
ein Flohe ins Ohr/ weil er ſie anders
verſtunde als ſie Aſaneth gemeinet; dañ
er hatte zwar mit Joſephs Wiſſen aber
doch mit deſſen hoͤchſtem Mißfallen und
Abwarnen hiebevor etliche Koͤnigliche
Guͤter zu ſich gezwackt/ davon bildet ſich
Potiphar ein/ haͤtte Aſaneth Wind/
und mit ihrer Red dahin gedeutet/ daß
Joſeph aus der Schul ſchwatzen: und
ihn in Ungluͤck bringen wuͤrde/ wann er
ſehe/ daß ihm ans Leben gieng; was
Raths dann? hertzliebſte Fraͤulein
Schweſter/ ſagte er zur Aſaneth; mir
gebuͤhrt gleichwohl ein als den andern
Weg mein Anſehen zu erhalten/ und
kan man ſolche Laſter deren Joſeph be-
zuͤchtigt wird/ und woruͤber Selicha
Tag und Nacht Rach ſchreyet/ mit Eh-
ren nicht ungeſtrafft hingehen laſſen;
Aſaneth antwortet/ er koͤnte die Sach
F vver-
verzoͤgern und ſich doch ſtellen als wann
er Joſeps Todt ſuchte/ nur die Selicha
zu befriedigen; ſie wuſte das dem Jo-
ſeph Unrecht geſchehe/ und beſorgte/ wie
ſie zuvor erinnert/ das der gantzen
Freundſchafft ein groſſer Schimpff wi-
derfahren moͤchte/ wann es an den
Bind-Rimen gehen werde.
Aſaneth machte hierdurch den Poti-
phar ſo verwirret/ daß er nicht wuſte
was er thun ſolte/ dann ihn die entfrem-
te Koͤnigliche Guͤter grauſam angſtig-
ten/ darvor ihn Joſeph ſo treulich ge-
warnet hatte; gleichwohl muſte er nach
altem Gebrauch der Egyptier ihme
ſchrifftlich notificiren/ aus was Urſach
er ins Gefangniß geſetzt worden waͤre;
ſolches thaͤt er durch folgenden Brieff.
Nach Herkommen und Gewonheit
des Lands Egypten/ wird dem gefang-
nen Joſeph/ Potiphars des Koͤnigli-
chen Kuchenmeiſters erkaufften Knecht
hiemit angedeutet/ daß er angeklagt:
und deswegen in das Gefaͤngniß ge-
worffen worden ſeye/ weil er durch
Geil-
Geilheit bewegt/ ſeines Herrn Liebſte zu
nothzwaͤngen ſich unterſtanden/ und
durch ſolche Verfahrung dieſelbe Ehr-
liebende zarte Frau deꝛmaſſen erſchroͤckt/
erzoͤrnt und durch ihre gewaltige Ge-
genwehr abgemattet habe/ das ſie noch
dieſe Stund zu Bettliegen: und ſich ih-
res Lebens verwegen muß; weswegen er
dann vor nechſtkuͤnfftigẽ ſtrengen Hals-
gericht/ als ein Nothzwaͤnger/ Ehren-
dieb und Moͤrder angeklagt werden
ſolle; zuvor aber kan er nach angeregtem
Landsbrauch hierauff ſeine ſchrifftliche
Entſchuldigung einſchicken/ damit er
ſich keiner Ubereilung zu beklagen habe.
Als dieſer verfertigt war/ zeigte er ihn
der Aſaneth/ welche ihr belieben lieſſe/
daß er dem Joſeph geſchickt wuͤrde; a-
ber Joſephs Antwort darauff war
dieſe.
Was die Bezuͤchtigung anbelangt/
damit Joſeph des Koͤniglichen groſſen
Kuchenmeiſters erkauffter Knecht belegt
wird/ iſt der Beklagte ſolch Laſter be-
gangen zu haben nicht geſtaͤndig/ ſon-
F vjdern
dern bezeugt beym hoͤchſten Gott/ daß
er aller dings unſchuldig ſeye; wie dann
ſein voriges Leben ſeine Neigung zur
Keuſchheit genugſam bezeuge; Daß er
aber ſeine gnaͤdige Frau erzoͤrnt haben
moͤchte/ ſey ihm leid/ und hoffe nicht das
ſie deswegen am Leben Schaden leiden
ſolle; Maſſen dem gantzen Haus Poti-
phars genugſam bekant ſeye/ das ſein
gebiedente Frau etlich Tag zuvor kranck
gelegen/ Ehe ſie den Nothzwang auff
ihn ausgeben; er befehle die Sach dem
hoͤchſten Gott/ der werde ſeine Unſchuld
und das er ſich allzeit wohl und ehrlich
in ſeines Herren Dienſten gehalten/ ver-
hoffentlich genugſam an Tag thuen
wann es vor dem ſtrengen Halsgericht
zur Verantwortung kommen ſolte.
Potiphar communicirt der Aſaneth
dieſe Antwort/ und fragte ſie/ was ſie
weiters bedeuchte; ſie ſagte/ er koͤnte
wohl ſehen daß Joſeph ſonderlich ſeiner
Liebſten Kranckheit halber ein gerechte
Sach haben muͤſte/ als die zuvor
ſchwach geweſen/ ehe ſie den Joſeph an-
geklagt/
geklagt/ item weil er um keine Gnad be-
te/ ſondern ſo getroſt vor Gericht ſich zu
verthaͤtigen entſchloſſen; er ſolte wohl er-
wegen was Joſeph darunter verſtehen
moͤchte/ das er meldet ſein Unſchuld
weis daß er ſich allzeit redlich gehalten/
werde vor Gericht an Tag kommen/
ihre Meinung waͤre/ er ſolte die Sach
auff die Wagebanck ſchieben ſo lang er
koͤnte/ und den Goͤttern dancken/ daß
Joſeph die Mittel und ſolche Freund
nicht haͤtte/ dardurch er ſelbſt zur End-
ſchafft tringen moͤchte; indeſſen ſolte er
Potiphar wegen ſeines Verzugs die
Selicha unterhalten wie er koͤnte; ſol-
chem Rath hat Potiphar zu folgen be-
ſchloſſen.
Aſaneth aber betrachtet vor ſich ſelbſt
aus Joſephs Antwort deſſen Ehrliebend
und Tugendreiches Gemuͤth deſto mehr/
und wurde ihm um ſo viel deſto holder/
weil er kein einzig Wort von dem jeni-
gen lauffen laſſen/ ſo der Selicha zur
Schand: dem Potiphar zum Schmer-
tzen und ihme ſelbſt zu ſeiner Erledigung
F vijhette
haͤtte dienen moͤgen; und in dem ſie ſich
neben ſeiner Tugend auch ſeiner Schoͤn-
heit erinnerte/ konte ſie ſich nichts anders
einbilden/ als es muͤſte etwas Goͤtt-
lichs an ihm ſeyn; Jn Summa ſie wur-
de je laͤnger je verliebter/ und bejammer-
te/ das ſie das Gluͤck nicht gehabt/ ihn
ehender zu ſehen/ als wie er ihr das
Handwaſſer gab/ oder ihn ehender zu
hoͤren/ als da ſie hinder der Tapezerey
ſtnnde und ihn nicht ſehen kunte; dann
ſie gedachte; wann ich ihn ehender ge-
kant haͤtte/ ſo muͤſte es mit ſeinem Un-
fal ſo weit nicht kommen ſeyn; ich wolte
ihn der Selicha ſchon bey zeiten aus den
Zaͤhnen gezogen haben.
Dieſes Fraͤulein haſſte die Laſter ſo
ſehr/ das ſie die Selicha nimmermehr
in ihrem Bettlager beſucht hatte/ wann
es nicht um Joſephs Wolfahrt wegen
beſchehen waͤre/ welche ihr anlag/ wie
ihr eigne; Sie hatte durch Verehrun-
gen uñ holdſelige Converſation die Her-
tzen der Selichæ beyden Kam̃er-Jung-
fern dermaſſen gewoñen und eingenom-
men/
men/ daß ſie alles von ihnen erfahren
konte; was ſie wegen Joſephs nur wiſ-
ſen wolte; ſie nahm jede abſonderlich
vor/ und redet mit jeder inſonderheit in
Geheim ſo vertreulich/ das ſie endlich
offenhertzig heraus beichteten/ was maſ-
ſen jede eben ſo ſehr in den Joſeph ver-
liebt waͤre als Aſaneth ſelbſten; die eine
erzehlte ihr auch/ wann Joſeph zum
Todt verdammt werden ſolte/ das ſie
ihn alsdann als eine Jungfer vor ihren
Ehegemahl loßbitten wolte; die ander
aber unverhielte ihr nicht/ daß Selicha
uͤber den Verzug Potiphars gantz un-
willig ſeye/ weil er den Joſeph von der
Koſt thun zulaſſen ſo langſam umgieng;
doch haͤtte ſie neulich aus Joſephs Ant-
wort die er dem Potiphar aus dem Ge-
faͤngniß geſchickt/ widerum ein neue
Hoffnung ſeine Liebe noch zu erhalten/
geſchoͤpfft/ weil er ſich in derſelben nicht
vernehmen laſſen/ was ſie ihm zugemuh-
tet; haͤtte auch an den Joſeph geſchrie-
ben/ weil ſie aber wider ein abſchlaͤgige
Antwort bekommen/ haͤtte ſie ihr den
Brieff
Brieff geben zuverbrennen/ und ſich voꝛ-
geſetzt/ den Joſeph im Gefaͤngniß mit
Gifft hinrichten zulaſſen; ſehet um der
Goͤtter willen gnaͤdigſtes Fraͤulein/ was
ihr Joſeph vor ein Antwort geſchickt/
daraus ſie alles abnehmen kan/ wie es
ſtehet; mit dem zog ſie Joſephs Brieff
aus dem Sack/ und gab ihn der Aſa-
neth zu leſen/ der lautet alſo.
Hochgebiedente gnaͤdige Frau ꝛc.
Demnach ihr hochgeehrtes Brieflein
mir zu handen kommen/ hab ich ſolches
gehorſamlich eroͤffnet/ unterthaͤnig zu-
vernehmen/ was deroſelben mir gnaͤdig
zubefehlen geliebte; ohn verhalte darauf
hin zu gehorſamer Wider-antwort/ daß
ich annoch bleibe wie ich vor war/ auſer
daß ich jetzo aus euers Eheherren getreu-
em Diener zu einem ſchwartzẽ Schmied-
knecht worden bin; dann was dero gnaͤ-
digs Anerbieten und zugleich ihr ſcharffe
Betrohung anbelangt/ welche ins
Werck geſetzt werden ſollen je nachdem
ich mich bequemen werde; darauff wol-
le mein hochgebiedente Frau zur Nach-
richt
richt verſichert ſeyn/ das ehe die gerech-
te Sonn ihren gewoͤhnlichen Weg: als
Joſeph die Tugend deren er ſich einmahl
ergeben/ verlaſſen werde; es wird mich
auch weder dero Bitt und Verheiſſung
nach dero Befehlch und Betrohung be-
waͤgen/ anders zuthun oder zu ſeyn als
wie es erſtbemeldte Tugend haben will;
als welche mein eintzige Liebſte iſt/ von
deren ich auch biß in Todt nicht zuwei-
chen entſchloſſen; wolle derowegen mein
hochgebiedente Frau an mich zu ſchrei-
ben auffhoͤren/ weil ſolche Brief nichts
anders vermoͤgen zuthun/ als das der-
mahlen einer beſorglich einem Wider-
wertigen in die Haͤnd kommen: und auf
einmahl verrathen moͤchte/ was ich
meinem Herrn und Frauen zu unter-
thenigen Ehren biß ins Grab zuver-
ſchweigen vorgenommen.
Nach dem Aſaneth dieſen Brief ge-
leſen/ ſteckte ſie ihn gleich zu ihren ſchnee-
weiſſen Bruͤſten/ haͤtte ihn aber zuvor
lieber gekuͤſt/ der Selichæ Jungfer aber
wolte ihn wider haben/ mit Vorwandt
ihn
ihn in ihrer Frauen Befehlch nach zuver-
brennen/ zu welchem End ſie ſolchen em-
pfangen haͤtte; gnaͤdigſtes Fraͤulein/
ſagte ſie/ wann auskommt daß ich ihn
nicht ins Feuer werffe/ ſo habe ich alles
Gluͤck und Heil bey meiner Frauen ver-
ſchertzt/ und muß darzu ſorgen/ wann
er in andere Hand kommt/ daß mein
Frau dardurch in die aͤuſſerſte Ungele-
genheit gerahten kan; Aſaneth antwor-
tet/ Jungfer ich bin eurer Frauen naͤher
verwand als ihr/ werde derowegen auch
um ſo viel deſto mehr vor ihre Ehr ſor-
gen; was aber die vermuthliche Ver-
ſchertzung eurer Wohlfahrt anbelangt/
ſo verſprech ich euch hiemit bey Fuͤrſtli-
chen Worten/ euch vor allen Schaden
Buͤrg zu ſeyn/ der euch hieraus entſte-
hen moͤchte/ die Kammer Jungfer zog
die Achſel ein wie ein Mann thut wann
er muß geſchehen laſſen ein Ding das
nicht nach ſeinen Willen geht.
Aſaneth verfuͤgte ſich heim/ und ſchetz-
te/ das ſie deſſelben Tag mehr gefiſcht
haͤtte/ als alle Haͤringsfanger in gantz
Engel-
Engelland und Holland in taufend
Jahren thun moͤchten; ſie kunte dieſelbe
Nacht den Brief nicht mehr als hundert
mahl leſen/ weil ſie ihn mehr als hundert
tauſend mahl kuͤſſen muſte; Ach! ſagte
ſie/ nimmermehr haͤtte ich glauben koͤn-
nen/ daß ein Manns-Perſon von ſol-
chen verwunderlichen Beſchaffenheiten
in der Welt lebe! Ehe ſie aber denſelben
Brief genugſam behertzigt hatte/ ſchickte
ſie ein andern an den Kerckermeiſter fol-
genden Jnhalts.
Die jenige Perſon/ welche dir neu-
lich den Joſeph wohlzuhalten befohlen/
und dir zu ſolchem End die Nothdurfft
an Gelt geſchickt; berichtet dich in Ge-
heim/ daß eben demſelben Joſeph nach-
geſtellt wird ihn im Gefaͤngniß mit
Gifft hinzurichten/ wirſt derowegen ihn
zu warnen und auch ſelbſt vor ſolcher
ſchaͤndlichen Mordthat zu ſeyn wiſſen;
damit du kuͤnfftig aller ſchweren Ver-
antwortung ſo dir hieraus entſtehen
moͤchten/ entuͤbrigt ſeyeſt; dann wo du
es uͤberſiheſt das ſolch boͤs Vornehmen
ins
ins Werck geſtellt wuͤrde; ſo muͤſte ich
ſein unſchuldig Blut von deinen Haͤn-
den fordern/ weil er dir zuverwahren
und nicht toͤdten zu laſſen anvertrauet
iſt.
Die holdfelige Beywohnung des Tu-
genthafften Joſephs hatte ihm den
Kerckermeiſter ſo gewogen und guͤnſtig
gemacht/ das er demſelben nicht nur die-
ſen Brief: ſondern auch den vorigen
wiewohl es ihm verbotten war/ com-
municirte, auch nicht verhielte was vor
ein Summa Gelts er ſeinet wegen em-
pfangen haͤtte; Joſeph aber konte nicht
ausſinnen/ wer ſich ſeiner ſo treulich an-
naͤhme/ weil er mit keiner Perſon von
Koͤnigl. Stammen ſonderlich bekant
war; er geried zwar in den Wahn/ es
muͤſt jemand groſſes ſeyn/ dem ſein Un-
ſchuld bekant waͤre/ und wuſte darneben
doch gewiß/ das ſonſt niemand von der
Selichæ Haͤndel Wiſſenſchafft haben
konte/ als ihre beyde Jungfern welche
aber weder die Mittelhatten/ ſeinet we-
gen ſo viel zu ſpendiren noch das Hertz
faſſen
faſſen dorfften/ ſich vor Leut von Koͤnig-
lichen Gebluͤth auszugeben; derowegen
wandte er ſich zu GOtt/ und danckte
ihm vor ſeine Vorſorg und zugeſchickte
Huͤlff zuvorderiſt/ mit andaͤchtigem Ge-
bet/ die Goͤttliche Allmacht wolte gnaͤ-
dig geruhen die jenige Perſon die ſich
uͤber ihn erbarmt haͤtte/ mit tauſendfaͤl-
tigen Belohnungen zu ergetzen;
Demnach er nun aus Gutthat der
Aſaneth in ſeiner Gefaͤngniß ſo uͤber
zwey gantzer Jahr wehrete/ dergeſtalt
ein geruheſam Leben zu fuͤhren hatte;
wolte er die edle Zeit nicht unnuͤtzlich zu-
bringen/ ſondern uͤbte ſich mit Huͤlff und
beſſerer Unterweiſſung eines alten
Sternſehers (der noch daſſelbe Jahr in
der Gefaͤngniß ſtarb/ wie er ihm ſelbſt
propheceyt hatte) widerum in der Aſtro-
nomia und Aſtrologia/ mit welchen
Wiſſenſchafften er ſich wegẽ Potiphars
groſſen Haus und Feltgeſchaͤfften etlich
Jahr her wenig bekuͤmmert; er ſtelte
ihm ſelbſt ſo wohl als ſeinem Vatter
deſſen Geburtsſtund er noch wuſte/ die
Na-
Nativitaͤt/ und wurde gewahr/ daß
ihm ſelbſt ein groß Gluͤck: ſeinem Vat-
ter aber die Verſetzung in ein ander
Land vorſtunde; erſchloſſe auch aus des
Himmelslauff ein kuͤnfftige fruchtbare
Zeit/ und fande gleich hernach eben ein
ſo groſſe Teurung angetrohet; er ſtellte
vielen Gefangnen/ ſich zu uͤben/ ihre
Nativitaͤten/ ſagte aber nicht alles was
ihnen begegnen ſolte/ damit er die Un-
gluͤckſelige nicht erſchreckte/ die Gluͤckſe-
lige aber nicht hoffaͤrtig machte; item als
ihme der Kerckermeiſter die Geburt-
ſtund Pharaonis wie auch der Selichæ
anzeigte prognoſticirte er/ daß beyde
noch ſelbiges Jahr ſterben wuͤrden/ ja
er nennete ſo gar den Tag/ welches alles
eingetroffen/ und wurde an ſtatt des
Verſtorbenen/ der hiebevor den Joſeph
nicht haben wolte/ deſſen Sohn Tmaus
zum Koͤnig erwoͤhlet; die Selicha aber
nachdem ſie bey anderthalb Jahren ge-
ſachtet und gantz ausgedorret/ verreckte
endlich in Verzweyfelung/ auff den
Tag den Joſeph zuvor angezeiget hatte.
Muſte
Muſte alſo ſo wohl das Koͤnigliche als
Potiphars Haus abſonderlich die halb-
jaͤhrige Traur anlegen/ ſo die ſchoͤne
Aſaneth auch betraff/ in welcher Zeit
weder in Civil noch in Malefitz Sachen
nichts gehandelt zu werden pflegte; da-
hero ſich Joſephs Gefangenſchafft deſto
laͤnger verzoͤgerte.
Gleich hernach kamen auch ins Ge-
faͤngniß der Obriſte Beck und der
Mundſchenck des Koͤnigs/ jener zwar/
weil an Tag kommen war/ daß er dem
Pharaone umb viel Fruͤchte betrogen/
dieſer aber weil er dem jungen Koͤnig
Waſſer vor Wein eingeſchenckt hatte;
dann der Koͤnig hielte davor/ wann ers
mit Fleiß gethan/ ſo haͤtte er das Leben
verfallen/ weil ein Privat Perſon ſo mit
dem Koͤnig nicht ſchertzen ſolte; waͤre es
aber aus Uberſehen geſchehen/ ſo ſeye es
eben ſo ſtraffbar/ dann wann eines
Mundſchencken Fleiß nicht groͤſſer ſeye/
den Koͤnig zubedienen ſo koͤnte ein an-
dermahl von deſſen widerwertig eben ſo
bald ein Flaͤſche vergifftet: und ſolcher
Tranck
Tranck hernach dem Koͤnig zu feinem
Tod gereicht werden; darum ſolte ein
Mundſchenck in ſeinem Ambt vorſichti-
ger ſeyn/ welche Vorſichtigkeit ihnen
durch Exemplariſche Straff einge-
pflantzt werden muͤſte.
Damahl dichtet Aſaneth/ wie ſie den
Joſeph loß machen moͤchte/ weil ſein
groͤſte Verfolgerin die Selicha todt
war; ſie entſchloſſe ſich zwar ihre bey der
Koͤnigl. Croͤnung (bey welcher ihr Herr
Vatter auch erſcheinen: und dem Pha-
raone das Diadema auffſetzen muſte/
welches froͤliche Feſt gemeiniglich auff
die geendigte Traur zu folgen pflegte
(vom Pharao loßzubitten; und muſte
doch bekennen/ daß es ihr uͤbel anſtaͤn-
dig ſeyn: und den Leuten Urſach geben
wuͤrde/ nicht beym beſten von ihr zure-
den; wann ſie nemblich dem jenigen
Guts thaͤte/ der ihre Baaß zu unehrli-
chem Beyſchlaff haͤtte noͤhtigen wollen;
hingegen trug ſie ein groſſes Mitleiden
mit ſeiner Unſchuld/ und taurete ſie/ daß
ſeine Tugenden ſo eingeſpert ſeyn: und
nicht
nicht vor aller Welt leuchten ſolten; ge-
ſchweige jetzt der Liebsbegierden die ſie
hatte/ den Joſeph wider zu ſehen und
ſeine Schoͤnheit recht zubetrachten; ein-
mahl ſie ſtund an und in der Waag/
nicht wiſſent/ wie ſie den Handel immer
mehr ankarten ſolte/ das ſie ihm an boͤ-
ſen Nachklang ihrer und ihrer Freund-
ſchafft Ehren zu Joſephs Nutzen hin-
auͤs fuͤhren moͤchte!
Sie nahm die beyde Kammer-Jung-
fern in ihre Dienſte/ die hiebevor der
Selicha auffgewartet hatten/ damit ſie
ſich ihrer/ wann es vielleicht unvonnoͤh-
ten ſeyn moͤchte/ des Joſephs Unſchuld
an Tag zu bringen/ als Zeugen bedie-
nen moͤchte; dem Joſeph ſelbſt aber
ſchickte ſie wider durch eine vierdte Per-
ſon alle Zugehoͤr zu einem neuen Kleid
von Veilblauen Adlaß mit weiſſen Blu-
men/ an den Kerckermeiſter/ auch etwas
an Gelt/ nemlich ſo viel als ſie vermei-
net/ daß er noch biß zur Koͤnigl. Croͤ-
nung vonnoͤhten haben moͤchte.
Unterdeſſen hatte Joſeph mit ſeinem
Gneuen
neuen Tiſchgenoſſen dem Koͤniglichen
Mundſchencken Kundſchafft gemacht/
welcher ſich nach geſtaltſame ſeines da-
mahligen Zuſtands offt mit ihme ergetz-
te/ der erzehlte ihm einsmals ſeinen
Traum/ der ihm dieſelbe Nacht vorkom-
men war; mich deuchte/ ſagte er/ ich ſe-
he vor mir einen Weinſtock ſtehen/ mit
dreyen Reben/ der bluͤhete und trug
Frucht; als die Trauben reiff waren/
truckte ich den Safft in des Koͤnigs Be-
cher/ und gab ihm demſelben in die
Hand/ der Koͤnig tranck/ ich aber er-
wachte/ und wurde gewahr/ daß es nur
ein naͤrriſcher Traum geweſen; Joſeph
antwortet/ der Traum war nicht naͤr-
riſch/ ſondern er iſt eine gewiſſe Bedeu-
tung deiner Erledigung; der Weinſtock
bedeutet dein Gefaͤngnuß/ als welche
auch ein Stockhaus wird genennet/ die
drey fruchtbare Reben aber/ die aus
dem Weinſtock gewachſen/ bedeuten
drey Tag/ nach welcher Verflieſſung du
auch widerum aus der Gefaͤngniß kom-
men: und in dein vorigs Ambt geſetzt
wirſt;
wirſt; alsdann gedencke meiner Un-
ſchuld/ derentwegen ich hier gefangen
bin; dann ich weiß daß dir ſolches alles
ohnfehlbar begegnen wird; der Mund-
ſchenck verſprach dem Joſeph/ wann
ihm die Goͤtter wider in des Koͤnigs
Gnad huͤlffen/ ſeiner alsdann einge-
denck zu ſeyn.
Der Obriſte Hofbeck oder Piſtorey-
Verwalter aber ſtunde und hoͤꝛete alles/
derowegen ruckte er ſein Kapp und ſag-
te; Nun wohlan mir hat dieſe Nacht
auch ein Traum getraͤumet/ deſſen Aus-
legung ich wohl wiſſen moͤchte; Joſeph
der ihm kurtz zuvor ſein Nativitaͤt ge-
ſtellt/ und noch nicht offenbahret hatte/
weſſen er ſich zuverſehen/ antwortet:
wohl; ſag her/ der erzehlte darauff/ daß
ihm getraumt/ als wann er aus Pha-
raonis Getreidt drey Koͤrb voll Brod
gebachen: ſelbige auff ſeinen Kopff ge-
faſſt und nach Hof getragen haͤtte/ un-
terwegs aber haͤtten ihn die Voͤgel des
Himmels angefallen/ und ihme aus den
Koͤrben gefreſſen was ſie nur gewoͤlt/
G ijwelches
welches er auch nicht erwehren moͤgen;
da ſagte Joſeph ich wolte dir zwar gern
was Guts verkuͤnden/ aber dein Traum
bedeut ein anders; nemlich die Fruͤchten
Pharaonis daraus du Brod gebachen/
ſo die Voͤgel gefreſſen/ bedeuten das du
ſeine Fruͤchten nicht laͤnger genieſſen
werdeſt/ die drey Koͤrb aber bedeuten
drey Taͤg/ nach welchen du an Galgen
gehaͤnckt wirſt/ und alsdann werden die
Voͤgel auff deinen Kopff ſitzen und dein
Fleiſch verzehren/ denen du ſolches nicht
verwehren wirſt koͤnnen; wie Joſeph
geſagt/ alſo geſchahe es/ dann am drit-
ten Tag begieng der Koͤnig ſeinen Ge-
burts-Tag/ an welchem er alle Ge-
faͤngniß von den Gefangnen zimlich leu-
terte/ und unter andern auch den
Mundſchencken wider begnaͤdigt und
an ſein Ambt ſetzet/ den Obriſten Pfiſte
reyverwalter aber als einen uͤberzeugten
Dieb an Galgen haͤngen lieſſe; aber Jo-
ſeph muſte neben andern mehr ſitzen blei-
ben bis auff weitern Beſcheid.
Der Kerckermeiſter ſahe wohl/ das
ſich
ſich die Zahl ſeiner Gefangnen mercklich
minderte und noch mehr mindern wuͤr-
de/ wann die Croͤnung Pharaonis be-
ſchehe; derowegen thaͤt eꝛ ſich um leibeig-
ne Knecht um/ den Abgang der Gefang-
nen zu erſetzen/ damit die Werckſtaͤtte
ſeiner Gefaͤngniß nicht leer ſtuͤnden von
welchen er trefflichen Profit hatte; er er-
kauffte noch denſelben Tag unterſchied-
liche Leibeigne/ unter welchen Muſai der
kluge Elamit auch war/ der hiebevor
den Joſeph zu einem Apollo der Raͤu-
ber gemacht hatte.
Er kante den Joſeph gleich und erin-
nerte ihn was ſich hiebevor bey der Ca-
rawan mit ihm zugetragen/ Joſeph aber
hatte noch alles in friſcher Gedaͤchtniß
als Muſai ſelbſten/ ſie klagten einander
ihr Noth und erzehlte je einer den an-
dern was ſich ſeither mit jedem von ih-
nen zugetragen/ bis ſie in dieſer Gefaͤng-
niß wider zuſammen kommen; ihr eini-
ger Troſt beſtunde auff ihrer eignen Pro-
phecey/ welche jedem den Ausgang ſei-
nes Ungluͤcks und den Anfang hoͤchſter
G iijGluͤck-
Gluͤckſeligkeit verkuͤndete; Muſai ſagte
zum Joſeph/ mein Herr ihr muͤſſet ein-
mahl in balde zu einem groſſen Herrn
und Rëgenten werden/ oder Egypten
wird mit ſamt ſeiner gantzen Nachbar-
ſchafft in funfzehen Jahren untergehen/
Joſeph antwortet/ diß ſey allzu frey ge-
red; Muſai aber ſagte/ zeigt mir euer
Hand/ und als Joſeph folgte. Muſai
aber diſſelbe nur ein wenig beſchaute/
ſchrye er vor Freuden auff; ehe ein
Woch vergehet/ mein Herr/ ſo werdet
ihr uͤber vorigs Gluͤck/ das ich euch ge-
ſaͤgt habe/ die aller vortrefflichſte Dam
in gantz Egypten in euꝛen Armen haben;
aber alsdann gedencke auch meiner als
deines getreuen Dieners.
Joſeph haͤtte ſich einbilden koͤnnen/
der Kerl ſey unſinnig worden/ wann deſ-
ſen Reden mit ſeiner Nativitaͤt nicht uͤ-
berein geſtimt: zumahlen auch eingetꝛof-
fen haͤtten/ was ihm Muſai vor drey-
zehen Jahren geſagt; darum ſagte er zu
ihm er wuͤnſchte gluͤckſelig zu ſeyn/ da-
mit er ihme Muſai ſeine gute Gewogen-
heit:
heit: und das jenige was er ſeinetwegen
bey der Carawan gethan/ erwidern koͤn-
te; bis nun ſolche Gluͤckſeligkeit heꝛkomt/
ſagte er weiters/ muͤſſen wir ſich liebſter
Muſai zu unſerem Elend gedulten.
Nunmehr verfloß die Zeit der Koͤ-
niglichen Traur/ und naͤhert ſich hinge-
gen der beſtimte Tag zur Croͤnung/ auff
welches Feſt man am Koͤniglichen Hof
auch Koͤniglich zuruͤſtete; alle Tag ka-
men etliche Fuͤrſten des Reichs nach
Thebe/ ihre Schuldigkeit abzulegen; zu
welchem Ende auch ſonſt alles rennet
und lieff was nur den Koͤnig ein wenig
angieng! Allein die Aſaneth gedachte
mehr an die Erledigung Joſephs als an
die Croͤnung des Koͤnigs/ der doch viel
groͤſſer/ und ihr viel naͤher verwandt
war als der Gefangne; einmahl ſie ge-
dachte bey jedermans Unruhe ihr Ge-
muͤth zur Ruhe: und ihren Liebſten auff
freyen Fuß zuſtellen/ ſolte es auch koſten
was es wolte! Jch hab geſagt/ bey je-
dermans Unruhe; das iſt zuverſtehen/
daß damahl auch der Koͤnig ſelbſt kein
G iiijRuhe
Ruhe hatte/ als welcher dieſelbe Zeit uͤ-
ber nach altem Gebrauch und Herkom-
men ſeiner Vorfahren geſchaͤfftig war/
die unſterbliche Goͤtter zu bitten und mit
Opffern zuverſoͤhnen/ daß ſie ihm zu ſei-
ner kuͤnfftigen Reichs-Verwaltung
Gluͤck und Heilverleihen: und offenba-
ren wolten/ wie er wohl und gluͤcklich
regieren ſolte.
Auff ſolche Opffer und Gebet hatte
er die Nacht hernach einen Traum mit
ſamt der Bedeutung im Schlaff geſe-
hen/ welchen er den Fuͤrſten und Wei-
ſen ſeines Reichs vor ſeiner Croͤnung
Krafft alter Gewonheit zuerzehlẽ ſchul-
dig war/ damit ſie denſelbigen ausle-
gen: und aus ſeiner Bedeutung wiſſen
koͤnten was groſſes in Zeit ſeiner Koͤnig-
lichen Regierung ſich zutragen moͤchte;
derohalben erzehlet er den Traum/ aber
die Bedeutung war ihm allerdings aus-
gefallen; und was das Schlimſte war/
ſo wolte ſich auch keiner unter allen ſo
Geiſt: als Weltlichen Reichs-Staͤn-
den: Noch unter denen hierzu verordne-
ten
ten Caldeern finden/ der ſich unterſte-
hendoͤrffen/ denſelben auszulegen; ohne
welche Auslegung die Croͤnung ihren
Fortgang nicht haben konte/ weil die al-
te Egyptier welche viel auff Traͤum und
Waarſagungen hielten/ gemeiniglich
einen andern Koͤnig zu erwaͤhlen pfleg-
ten/ wann des bereits erwaͤhlten Traum
kein Gluͤck anzeigte; welches zwar in
mehr als zwey hundert Jahren nicht
einmahl geſchahe/ weil die Ausleger ge-
meiniglich ſchmeichelten/ und des neuen
Koͤnigs Gunſt zu erlangen nur von
kuͤnfftiger Gluͤckſeligkeit prophezeyeten;
Das aber ein Traum/ ich ſage ein Koͤ-
nigl. erſter Traum/ an dem viel gelegen
zu ſeyn geſchetzt wurde/ nicht auſgelegt
haͤtte werden koͤnnen/ ſolches war nie-
mahl erhoͤret worden weil Egypten ge-
ſtanden; als welches zu allen Zeiten Leut
genug gehabt/ ſo von Bedeutung der
Traͤum allweg ihren richtigen Beſcheid
geben konten; welches ſo wohl den er-
waͤhlten Koͤnig als die Reichs-Staͤnde
ſo gewaltig beſtuͤrtzte/ daß keiner mehr
G ywuſte/
wuſte/ was anzufahen rathſam waͤre;
einer dachte diß der ander jenes/ und
wolte doch keiner ſagen was er ge-
dachte.
Jn ſolcher Verwirrung tratt des
Koͤnigs Mundſchenck herfuͤr der kuͤrtz-
lich aus dem Kercker kommen war/ und
nach dem er ſein gebuͤhrende Reſerentz
gemacht/ erzehlte er was ihm und dem
Beckerey-Verwalter neulich im Ge-
faͤngniß getraͤumt: auch was Geſtalt
ein edler Hebreer/ der des Obriſten
Kuchenmeiſters Potiphars erkauffter
Knecht waͤre / dieſelbe Traͤum ausge-
legt: item daß ſolche Auslegung gleich-
ſam um kein Stund gefehlt haͤtte; maſ-
ſen er wieder in Koͤnigl: Gnad und Dien-
ſte: der Obriſte Becker aber an Galgen
kommen ſeye/ und noch daran hange/
ſich zu Erfuͤllung ſeines Traums von den
Raben freſſen zu laſſen.
Alſobald wurde ein Koͤniglicher
Wagen geſchickt/ den Joſeph zu holen/
welchen eben Muſai das erſte mahl bar-
biꝛte/ da ſahe man um ſo viel deſto mehꝛ/
daß
daß ſeine Schoͤnheit im Gefaͤngniß
nicht ab/ ſondern vielmehr zugenom̃en
hatte; weil ſie durch Vorſorg der Aſa-
neth weder durch Wind oder Sonnen-
ſchein: auch nicht durch Hunger oder
Durſt: vielweniger durch Arbeit Ver-
letzung gelitten; der Kercker meiſter er-
ſchrack und ſorgte Joſeph wuͤrde auff
die Fleiſchbanck gefuͤhrt; aber Muſai
der allerdings nach der Elamiten Art
ein offenhertzigen Teutſchen Sinn hat-
te/ und ſonſt ein artlicher Kerl war
lachte: und ſagte zum Joſeph
an das Gluͤck iſt vorhand
nur auch bald theilhafftig
wann dir eine Dam auffſt
du/ ſo nim ſie nur gleich
dann es kan dir dein Lebtag
werden; zu ſeinem Herren den Ke
meiſter aber/ der unwillig uͤber ihn
ſagte er/ wann Joſeph heint ſtirbt/ od
wider ins Gefaͤngniß zu dir gefuͤhrt
wird; ſo laß mich morgen entweder
auch hencken/ oder wann dich der
Strick tauret/ mich die Arbeit vor
G vjzween
zween Knecht verrichtrn; aber ich glau-
be/ wann Joſeph thut was ich ihm an-
vertraue/ ſo werde ich dir nicht mehr
uͤber ein paar Stund zu Gebott ſtehen
doͤrffen.
Eben damahls war auch Aſaneth
auff ihren koͤſtlichen Wagen geſeſſen/
mit Vorſatz dem Koͤnig ein gluͤckſelige
Regierung zu wuͤnſchen (weil ſie ver-
meinet die Croͤnung ſey ſchon geſchehen/
Zeit darzu/ bereits
zugleich ihren Joſeph
ſchickte es ſich wunder-
ſie beyde zugleich an der
ten ankamen; keines von
wuſte ſich in dieſe unver-
verſehene Zuſammenkunfft
; Joſeph kante wohl der ver-
enen Selichæ Jungfern/ er muſte
aber uͤber deß Muſai Weiſſagung
erwundern/ weil die jenige deren dieſe
dieneten/ ein Kleid an hatte wie er! ſein
Angeſicht verrieth gleichſam die innerli-
liche Freud ſeines Hertzens und die un-
zweifentliche Hoffnung die ihm Muſai
einge-
eingeſteckt; ihr Begruͤſſung war ſtum/
weil ſie ſich beyde nur entroͤhteten; es
ſchiene als wann Joſephs ſchamhaffte
Roͤhte im erſten Anblick die unvergleich-
liche Aſaneth als einen kuͤnfftigen Ge-
mahl gruͤſſete/ welche hingegen nichts
anders thun koͤnte/ als mit gleicher
Farb ihres Liebſten Schoͤnheit zu dan-
cken/ und ihre Lieb zubezeugen; wie ih-
nen beyden damahl das Hertz gehuͤpfft
bilde ihm jeder ſelber ein.
Joſeph wurde gleich vor den Koͤnig
gebracht/ ob deſſen anſehenlichen Ge-
ſtalt ſich ſo wohl der Koͤnig ſelbſt als alle
Fuͤrſten verwunderten/ er wuſte ſich mit
Egyptiſcher Ehrbezeugung wohl zube-
helffen/ weil er dieſelbe Ceremonien hie-
bevor ſo wohl beym Potiphar als in der
Gefaͤngniß gelernet; ſolche ſeine Refe-
rentz machte ſeine Schoͤnheit viel anmu-
tiger/ und nach dem dergleichen Dings
abgelegt war/ fieng der Reichs-Cantzler
nachfolgender Geſtalt zu reden an.
Lieber Juͤngling/ uns iſt angezeigt
worden/ du habeſt die Gab von den
G vijGoͤt-
Goͤtttern Traͤum auszulegen/ wie du
dann ſolches an des Koͤnigs Mund-
ſchencken und Beckerey-Verwaltern er-
wieſen haſt; weil mir dann nun auch ein
Traum vorkommen iſt/ deſſen Ausle-
gung man gern wuͤſte/ hat man dich ho-
len laſſen; wirſt demnach den Traum in
Gegenwart deß Koͤnigs erzehlen hoͤren/
und deſſen Bedeutung zueroͤffnen wiſ-
ſen; vor welches/ wann du die Warheit
ſageſt/ dir neben einer Koͤniglichen Ver-
ehrung dein vorige Freyheit geſchenckt
werden ſoll. Joſeph neigte ſich gar zier-
lich und ſagte; wohl: Mein Herr belie-
be den Traum zuerzehlen/ ſo wird deſſen
Diener gehorſamlich hoͤren/ und verneh-
men ob ſeine Auslegung in deſſen
Macht ſtehe.
Darauff fuhr der Reichs-Cantzler
fort und ſagte/ mir traumte ich ſtuͤnde
am Ufer deß Nili/ wo dieſer Fluß am
breitſten iſt; da ſtiegen ſieben fetter Och-
ſen nach einander aus dem Waſſer/ de-
nen folgten auf dem Fuß nach ſieben an-
dere eben ſo mager und heßliche Ochſen
als
als ſchoͤn und feiſt die erſten waren; end-
liche ſahe ich daß die Mageren die Feiſten
fraſſen und davon doch nicht deſto fetter
wurden; woruͤber ich mich ſo entſatzte/
daß ich daruͤber erwachte; kaum war
ich aber wider eingeſchlaffen; ſihe/ da ſa-
he ich ſieben vollkommne Aeher mit reif-
fen Fruͤchten auffs reichlichſt angefuͤllt/
dieſelbe wurden von ſieben magern Aeh-
ren/ die kein einzigs Koͤrnlein in ſich hat-
ten/ verſchlungen/ und verblieben dieſel-
be doͤrre Aeher jedoch eben ſo duͤn und
durchſichtig als zuvor; gleichſam als
wañ ſie nichts von den Saamenreichen
Aehren in ſich geſchluckt haͤtten; weiſt
du nun die Bedeutung hieruͤber? ſo laſ-
ſe ſie hoͤren.
Mein Herr antwortet Joſeph/ die-
ſes iſt ein Traum eines Koͤnigs in Egy-
pten: mein Herr vergeb mir/ wann ich
irre; hat dieſer Traum meinem Herren
getraͤumt ſo hat ihm Gott nicht allein
offenbahrt/ das er Egypten beherrſchen
ſoll; ſondern auch das wichtige nicht ver-
halten/ ſo unter ſeiner Regierung geſche-
hen
hen wird; damit er deßwegen bey Zeiten
weißliche Vorſehung thue/ und Land
und Leut im Wolſtand erhalte.
Potiphar der hohe Prieſter von Heli-
opolis winckte dem Joſeph/ mit der
Hand ſtillzuſchweigen; nachdem ſolches
geſchehen/ muſten alle umbſtehende
Reichs-Staͤnd/ bis auff ihn den hohen
Priſter/ den Reichs-Cantzler/ Reichs-
Marſchallen und Reichs-Schatzmei-
ſtern abtretten; Alsdann ſagte der Koͤ-
nig ſelbſt zum Joſeph/ Juͤngling du
haſt Recht/ daß dieſer Traum einem
Koͤnig in Egypten zuſtehe! Aber nun
ſag mir wie haſt du aus dem Traum
wiſſen koͤnnen/ den dir der Reichs-Cantz-
ler als ſein eigen erzehlet/ daß er mir ge-
traͤumt hat? Joſeph antwortet/ Groß-
maͤchtigſter Koͤnig/ mir wurde geſagt/
der Traͤumende ſey am Fluß Nila wo
er am breitſten ſey/ geſtanden; der Fluß
Nilus bedeutet die Herrlichkeit Egypten
Lands/ das Stehen des Traͤumenden
aber die Meiſterſchafft und Beobach-
tung daruͤber; welchem derowegen die-
ſer
ſer Traum getraͤumt hat/ der iſt oder
wird Herr in Egypten!
Nun wohlan ſagt der Koͤnig ferner/
ſo ſag mir dar was bedeuten die Ochſen
und Aeher beydes Feiſte und Magere?
Großmaͤchtigſter Koͤnig/ antwortet Jo-
ſeph/ dieſes braucht kein groſſe Kunſt;
Der Nilus gibt Egypten Fruchtbarkeit
und Unfruchtbarkeit/ je nachdem er ſich
ergeuſt; ſeynd uns erſtlich ſieben fette
Ochſen aus demſelben geſtiegen/ ſo wird
er auch ſieben fette fruchtbare Jahr ge-
ben; ſeynd ſieben magere Ochſen gefolgt/
ſo die ſieben fette gefreſſen/ ſo werden
auch nach den ſieben fruchtbarn Jahren
ſieben hungrige Jahr kommen/ die allen
Vorrath der ſieben guten Jahr auffrei-
ben; Die ſieben magere und fette Aehr
haben ein gleiche Bedeutung/ und kuͤn-
den an/ daß ſolches eigentlich von der
Frucht: und Unfruchtbarkeit zu verſte-
hen ſeye/ auch das es gewißlich und zwar
gar bald geſchehen werde; Darum ſehe
mein Herr der Koͤnig ſich um und laß
ſuchen nach einem klugen Mann/ der
ſich
ſich alſo in dieſe Zeiten zu ſchicken/ und
Anordnung zu thun weiß/ daß beydes
Land und Leut in Wolſtand erhalten:
Meines Herren des Koͤnigs Zepter/
Cron und Thron in ihrer alten Herrlich-
keit beſtaͤttigt: und zumahlen auch zu
hoͤherer Gluͤckſeligkeit und Reichthu-
men erhaben und befoͤrdert werden
moͤchte/ weil die kuͤnfftige Zeiten gar
wunderlich fallen werden.
Joſeph muſte abtretten und doch
gleich wider erſcheinen/ zu dem ſagte der
Koͤnig; wir haben ſo wohl aus deiner
Weisheit und Wiſſenſchafft: als auch
aus deinem offenhertzigen Gemuͤt ge-
nugſame Hoffnung geſchoͤpfft/ du wer-
deſt die Stell des jenigen am beſten ver-
tretten koͤnnen/ den du uns zu ſuchen ge-
rathen haſt; Darum nun ſo ſihe/ wir
uͤbergeben dir des Reichs Siegel und
mit demſelben allen Gewalt uͤber gantz
Egypten! nichts wird mein Perſon von
ſich behalten/ als den Koͤniglichen Ti-
tul: Zepter/ Corn und Thron; hier ſte-
hen die vornemſte des Reichs dir zu Ge-
bott/
bott/ und glauben du werdeſt ſolchen
Gewalt den wir dir geben/ nicht miß-
brauchen/ ſondern zu unſerer Nation
auffnehmen: Nutzen und Erhaltung
anwenden; als welcher Gluͤckſeligkeit
du dich alsdann auch ſelbſt zuerfreuen
haſt/ vornemlich wann du ihr alſo vor-
ſteheſt/ wie wir ein Vertrauen zu dir ha-
ben.
Hierauff neigte ſich Joſeph gantz de-
muͤtig; er bedanckt ſich erſtlich deß gu-
ten zu ihm tragenden Vertrauens/ und
verſichert ſeinen ſchuldigen Gehorſam/
auffrichtige Treu und emſigen Fleiß/ ſo
er bey dem Koͤnig und dem Reich im
Werck zubezeugen verhoffte; Allein ſag-
te er; es wird der gerechten Cron eines
ſo Großmaͤchtigſten Koͤnigs uͤbel an-
ſtaͤndig ſeyn; wann ſie von einem der
Ehebruchs halbeꝛ beſchꝛeyet und befaͤng-
nuſt worden ſeye/ bedient wuͤrde; batte
derohalben unterthaͤnigſt/ der Koͤnig
wolte geruhen ihme ein halbe Stund
zu ſchencken/ welche Zeit genug ſeye/ ſei-
ne gerechte Sach zuverhoͤren und nach
dem
dem ſein Unſchuld am Tag lege/ ihn of-
fentlich vor unſchuldig ausruffen zulaſ-
ſen/ damit die Koͤnigliche Cron ins kuͤnf-
tig ſeinetwegen kein Nachred gedulten
muͤſte/ als haͤtte ſie ſich mit liderlichen
Leuten beholffen und ſich dardurch be-
fleckt; er haͤtte zwar ein Schreiben bey
ſich ſo der Selicha eigne Hand waͤre; er
getraute aber/ wann man deren beyde
Jungfern verhoͤrete/ die er darunten im
Koͤniglichen Hof geſehen haͤtte/ ſo wuͤr-
den ſie ſeiner Unſchuld ſo genugſam Be-
zeugniß geben koͤnnen/ daß man des an-
geregten Schreibens nicht bedoͤrffte.
Jn ſelbigem Augenblick wurden aus
Koͤniglichen Befehlch Potiphar der
Obriſt Kuchenmeiſter als Klaͤger/ und
die bemeldte beyde Jungfern als Zeu-
gen beſchickt; Der Kuchenmeiſter/ wie
wohl er nach dem Tod ſeiner Frauen
ein anders erfahren/ beharrete darauff/
daß Joſeph durch vorgehabten gewalt-
thaͤtigen Nothzwang ſein Frau er-
ſchreckt und zum Tod gefuͤrdert haͤtte;
beyde Jungfern aber bezeugten das Wi-
der-
derſpiel; ihr Zeugnus aber verwarff Po-
tiphar/ und ſagte ſie moͤchten vielleicht
hiebevor mit dem Joſeph gebuhlet: und
ſich unterred haben/ ihm durch ſolche er-
dichte Ausſag davon zu helffen/ indem
nun Potiphar dieſen beyden Jungfern
ihr Ehr zugleich zunehmen ſchiene/ wur-
den ſie ſo erzoͤrnet/ daß ſie ſich auff das
Fraͤulein Aſaneth berufften/ als welche
eben ſo wohl vom Handel wuͤſte als ſie
beyde ſelbſten; ſie wurde gleich geholet
zu erzehlen was ſie vor Nachricht hier-
von haͤtte/ welches nicht ohne Jungfraͤu-
liche Schamhafftigkeit geſchahe; ſie wi-
ſe auch das Schreiben/ ſo Joſeph hie-
bevor der Selicha aus dem Gefaͤngniß
geſchickt; Joſeph aber legte der Selicha
Schreiben vor/ auff welches er damals
geantwortet/ das lautet von Wort zu
Wort.
Joſeph wann du deine Weißheit ge-
brauchen wilt/ ſo kanſt du mir und dir
helffen/ und gluͤckſelig leben; du haſt er-
fahren das ich Gewalt gehabt/ dich ins
Gefaͤngniß zu bringen; derowegen kanſt
du
du dir nunmehr deſto leichter einbilden/
daß ich auch maͤchtig genug ſeye/ dir
eben ſo bald deinen Tod als deine Wi-
dererledigung ins Werck zu richten;
kurtz geꝛedt liebſteꝛ Menſch/ ich bitte dich/
bequeme dich nach meinem Verlangen/
und genieſſe alle Gnad und Wolfahrt
von mir/ oder halte dich widrigen fals
verſichert/ daß du einen abſcheulichen
Geferten der jenigen im Grab abgeben
muſt/ daran du deine liebliche Beywoh-
nung im Leben mißgoͤnnet haſt; ſchick
mir dein Antwort und erwege wol was
dir nutz oder ſchaͤdlich ſeye.
Jch will mich aber nicht lang mit die-
ſen Proceß auffhalten/ noch jeder Par-
they Reden und Gegenreden beſchrei-
ben/ dann der Koͤnig und die Hoͤchſte
des Reichs eileten ſelbſt darvon/ weil ſie
die Croͤnung gern bald ins Werck ge-
ſetzt ſehen moͤchten/ doch gebuͤhrt mir zu
melden/ daß auff einmal der Selicha
Boßheit (welche auch begehrt gehabt/
man ſolte den Joſeph als ein Urſacher
ihres Todts lebendig mit ihr vergraben)
und
und Joſephs Unſchuld ſo wohl als des
Kuchenmeiſters Thorheit aus allen
Umſtaͤnden und gewiſſen Zeugnuſſen
Sonnenklar an Tag kam; Dem Ku-
chenmeiſter ward ein groſſer Verweiß
geben/ weil er den Joſeph ſo lang um
Unſchuld ſitzen laſſen/ ihm ſein Ambt ge-
nommen/ aber aus Vorbitt Joſephs/
weil er ihm viel guts gethan/ ehe er die
Selicha hatte/ nicht weiter geſtrafft/
hierauff wurde dem Joſeph ſein Gewalt
beſtaͤttiget/ und ſich ſehr verwundert/
daß er und Aſaneth in Kleidern von ei-
ner Farb bey dieſer wunderbarlichen
Begebenheit auffziehen ſolten; Der
Koͤnig ſelbſt ſagte zum Hohenprieſter
Potiphar diß waͤre ein gut Omen/ wañ
ſein/ ſeiner Tochter und Joſephs Will
einſtimmte/ ein Heyrath zwiſchen Bey-
den zu ſtifften/ ja er ſagte/ es waͤre noͤthig
den Joſeph durch einen ſolchen Heyrath
dem Koͤnigreich Egypten zuverbinden/
damit er ihm deſto treuer verbliebe;
Demnach nun Joſeph ſolches ange-
zeigt wurde/ und er in allweg ſeinen un-
terthaͤ-
terthaͤnigen Gehorſamb erzeigte/ auch
Potiphar nichts liebers als Joſephs
Verwandſchafft und Freundſchafft
wuͤnſchte; Aſaneth aber ſich lieber als
lang Heu laden lieſſe/ als Freude der
Heurath alſo gleich beſchloſſen/ mit
hoͤchſter Zufriedenheit des Koͤnigs/ des
Obriſten Prieſters Potiphars/ aller
Reichsfuͤrſten und inſonderheit des un-
vergleichlichen ſchoͤnen jungen Paars
ſo Eheleut werden ſolten.
Hierauff erklungen die Trompeten
und erſchalleten alle andere Muſicaliſche
Jnſtrumenten/ die man bey Koͤnigl.
Hoͤfen zu ſolchen Feſten zugebrauchen
pflegt/ mit hoͤchſter Freud-Bezeugung
deß Volcks! Jn Summa alles war
froͤlich/ bey dieſer Croͤnung nur der ge-
weſene Kuchenmeiſter Potiphar nicht;
der gieng herum wie Hanrey zu thun
pflegen/ wann ſie innen werden/ das ſie
ihre Weiber mit Hirſchgewey bekroͤnet/
und ſich doch nicht raͤchen koͤnnen; dann
erſt damahl verſtund er das Oracul, und
konte doch nichts anders als dem Jo-
ſeph
ſeph in ſeinem Hertzen Danck ſagen und
ihm Gluͤck wuͤnſchen; Derſelbe aber
war damal nicht gegen dem Muſai
geſinnet wie der Mundſchenck gegen
ihm Joſeph geweſen; dann er lieſſe ihn
alſobald aus dem Gefaͤngnus holen/ er-
barlich bekleiden und ihne auffwarten;
Jhn ſo wol gegenwaͤrtiger Freud/ als
kuͤnfftigen Gluͤcks theilhafftig zu ma-
chen.
Mithin gieng die Koͤniglich Croͤ-
nung fort; bey welcher unter andern
Zierlichkeiten dieſe nicht die geringſte
war/ daß man dem neuen Koͤnig (nach
dem man ihn auff den Thron geſetzt;
ſein Haubt mit dem Diadema geziert/
und mit Uberreichung des Koͤnigſtabs
den Namen Pharao gegeben hatte/)
auch des Reichs Sigill an Hals henck-
te; Wie dann noch heutiges Tags bey
den Koͤnigen in Perfia loͤblich; Als
ſolches geſchehen/ ruffte Pharao in ſei-
ner Majeſtaͤt ſitzend/ den Joſeph zu ſich
(welcher mit den allerwolſtaͤndigſten
Geberden vor ihme niderkniet) Pharao
Hſagte/
ſagte/ wir haben dir des Reichs Sigill
ſamt allem Gewalt anvertraut/ dero-
wegen wird dirs hiemit ſolenniter uͤber-
geben; Name darauff die guͤldene oder
vielmehr Edelgeſteinerne Ketten/ an wel-
chem das Sigill hienge/ vom Hals/ und
henckte es dem Joſeph an; Sagende/
gleich wie ich fuͤrohin Pharao heiſſe/ al-
ſo ſolſt du kuͤnfftig Pſonthow Phana-
chon genennt werden; Befleiſſe dich de-
rowegen deiner Weißheit nach ſo regie-
ren zuhelffen/ daß weder die Goͤtter noch
die Voͤlcker der Egyptiſchen Cron an
uns etwas zu tadelen finden moͤgen.
Gleich auff vollendte Croͤnungs-Ce-
remonien hat Potiphar der Obriſte
Prieſter von Heliopolis ſeine Wunder-
ſchoͤne Tochter die unvergleichliche Aſa-
neth dem Joſeph in Gegenwart des
Koͤnigs und aller Reichsſtaͤnd offentlich
vermaͤhlet/ ohnangeſehen dieſe Beyde
niemal kein Wort miteinander geredet;
Es geſchahe aber darum ſo ſchnell/ da-
mit man beydes dem Volck und dem
Joſeph ſelbſt des Koͤnigs zu ihm tra-
gen-
gende allergnaͤdigſte Neigung bezeugen:
und zumahlen auch dieſe hochzeitliche
Freud das herꝛliche Feſt der Koͤniglichen
Croͤnung verdoppeln helffen moͤchte;
Als nun Joſeph nach Vollendung
dergleichen Gepraͤngs ſich ſo wol in die
Reichsgeſchaͤffte als ſein eigne Hauß-
haltung zu ſchicken begunte; Sagte er
zu ſeinem Muſai: Nun wolan liebſter
Freund/ du ſaheſt mich in einer Wolffs-
gruben: Jetzt ſiheſt du mich in groͤſter
Herꝛlichkeit! Du haſt mich und die
gantze Carawan von Raͤubern errettet;
Jch aber hab dich aus deiner Gefan-
genſchafft erloͤſet; Pharao hat mich
wegen meiner Propheceyung groß ge-
macht/ ich aber will dich um deiner
Waarſagung halber nicht verachten/
ſondern nach Vermoͤgen tractirn/ und
gleich wie mich Pharao mit einer Ge-
mahlin verſorgt/ alſo will ich dir hinge-
gen zwo geben/ wann es dir anders ge-
faͤllig iſt; Jch werde/ ob zwar unwuͤr-
dig/ ein Pſonthom Phanachon Phara-
onis genannt/ wann du wilſt/ ſo ſeye ein
H ijPſon-
Pſonthom Mechon des Joſephs; Si-
he ich gebe dir die Wahl/ wilſt du das
Elend bauen helffen und bey mir ſeyn/
was ich bey dem Koͤnig bin/ ſo will ich
dir ſeyn/ wie ich gern haͤtte/ das mir der
Koͤnig waͤre; Wilt du aber nicht/ ſo
will ich dich mit Zehr- und Verehrung
alſo heimfertigen/ daß du zu frieden ſeyn
ſolleſt.
Die Treuhertzigkeit Joſephs gefiel
dem Muſai beſſer als ſeine angebottene
Gnad ſelbſten; Er ſagte/ liebſter Herꝛ/
deſſen danckbarliche Erkantnuß meiner
wenigen Dienſte verbind mich eben ſo
hoch/ demſelben getreulich zu dienen/ als
noͤhtig mir iſt/ die gnaͤdig anerbottene
Gnad und Gutthaten mit unterthaͤni-
ger Danckbarkeit anzunemmen; Mein
Herꝛ ſchaffe mit mir nach ſeinem gnaͤdi-
gen Belieben/ weil mein gehorſamer
Vorſatz iſt/ ehender in ſeinen Dienſten
zu ſterben/ als auſſerhalb denſelben groß
zu werden; Maſſen ich denſelben unter-
thaͤnig verſichere/ daß ich veſtiglich glau-
be/ mein hoͤchſte Gluͤckſeligkeit beſtehe
dar-
darinn: Wann ich meinen Herꝛn ge-
treulich diene; Weil ich gewißlich weiß/
daß mich die unſterbliche Goͤtter zu ſonſt
nichts als zu ſeinen Dienſten gewidmet
haben.
Demnach wurden dem Muſai der
Selichæ: Jetzo der Aſaneth beyde Cam-
mer-Jungfern (ſo damals nach altem
heidniſchem Gebrauch ein groſſe Ehr
war/)vermaͤhlt; Und ihm zugleich Jo-
ſephs Haußhaltung anvertraut; Alſo
daß jetzo Muſai beym Joſeph war/ was
hiebevor Joſeph bey Potipharn dem ge-
weſenen Koͤniglichen Kuchenmeiſter ge-
weſen; Joſeph ſelbſt aber/ behalff ſich
allein mit ſeiner lieben Aſaneth/ wiewol
alle andere groſſe Herren zur ſelbigen
Zeit gantze Kuppel ſo Ehe-als Kebs-
Weiber zu nemmen pflegten; Welches
ihm nicht allein bey der Aſaneth ein groͤſ-
ſere Liebe: Sondern auch bey ihrem
Vatter und allem Volck ein groſſe
Gunſt brachte.
Von dem an befliſſe er ſich allein der
Reichsgeſchaͤfften/ und lieſſe den Muſai
H iijſein
ſein eigne Haußhaltung verwalten/ er
kleidet ſich nach Koͤniglichem Befelch in
Purpur/ und reiſet Egypten durch und
durch; an bequemen Oertern Frucht-
haͤuſer zubauen und Getraid auffzu-
ſchuͤtten/ ohne das der gemeine Poͤfel
wuſte/ zu welchem End ſolches geſchahe;
Die fruchtbare Jahr erzeigten ſich ſo
reich und uͤberfluͤſſig/ daß kaum Korn-
ſchuͤtten genug vor den Koͤnig gebaut
werden konten/ alles Getraid ſo Joſeph
zuſamm brachte/ unter Tach zubringen;
Andere aber/ ſo der Egyptiſchen Frucht-
barkeit alle Jahr verſichert: oder viel-
mehr gewohnet waren/ gedachten nicht
daran/ was dieſes neuen Regenten Be-
ginnen bedeuten moͤchte/ weil ſie jaͤhrlich
ein gute Ernd zu hoffen haͤtten.
Alſo baute Joſeph fort und fort
Kornhaͤuſer/ kauffte Getraid und ſpielte
auf das kuͤnfftige: ſo gar daß er auch na-
he des Koͤnigs Schatzkam̃er eroͤdete/ mit
hoͤchſtem Mißfallen der alten Reichs-
Raͤhte/ als welche ein beſſers zu wiſſen
ſich einbildeten: Er machte ein neue
Ord-
Ordnung im gantzen Land/ daß nem
lich bey Leibsſtraff nicht die geringſte
Fruͤchten ſo der Menſch genieſſen koͤnte
und ſich auffheben lieſſen/ vor das Vie-
he verfuͤttert: Sondern aller Uberfluß
in des Koͤnigs Scheuren (deren er im
Koͤnigreich genug auffrichten lieſſe) um
landlaͤuffigen: und zwar damals ſehr
wolfeilen Preiß/ geliefert werden mu-
ſten/ dardurch brachte er neben den Koͤ-
niglichen Pfachten oder Guͤldfruͤchten
in den ſieben fruchtbaren Jahren ein
ſolche Menge von allerhand Getraid zu-
ſammen/ daß man gantz Egypten halb
Elen hoch damit uͤberſtreuen moͤgen;
Hingegen aber flohen die Koͤnigliche
Schaͤtze aus/ alſo daß ſchier kein Klei-
nod/ oder etwas das Seltzamkeit oder
alters halber hoch geſchaͤtzt wurde/ ge-
ſchweige der Gaͤng- und Geben-Sorten/
mehr uͤbrig verbliebe; Und wie Joſeph
dem Koͤnig hauſete/ alſo hauſet hinge-
gen Muſai dem Joſeph und ſeinem
Schwervatter dem alten Hohen-Prie-
ſter Potiphar.
H iiijDa-
Damal hielte jedermann/ dem die
Fruchtbarkeit Egypten bekant war/ das
Beginnen ihres Pſonthom Phant-
chons vor ein eitele Thorheit; Ja! ſagte
der gemeine Poͤfel unter ſich ſelbſten/
wir wollen gern ſehen und erleben/ zu
was End der Koͤnig ſeine und des
Reichs Schaͤtze durch dieſen Fremdling
dergeſtalt vernarꝛen laͤſſt? Er vermeint
gewißlich der Nilus werde austrock-
nen? Oder der Himmel werde dem
Erdreich ſeine Fruchtbarkeit entziehen?
Andere aber ſagten: Er hat vielleicht im
Sinn/ Schloͤſſer mit Fruͤchten auffzu-
bauen/ und die Mauren anſtatt Stein/
Sand und Kalchs mit Getraid zu ma-
chen/ damit man in Zeit der Faulheit
oder der ohnnoͤtigen Noht von den
Waͤnden Nahrung nemmen koͤnte!
Noch waren andere die ſchertzten hoͤh-
niſch/ man muͤſte Leut haben/ die das
Geld wider unter den gemeinen Mann
bringen/ es moͤchte ſonſt vielleicht in des
Koͤnigs Schatzkammer verſporen; Ja
die Reden des Einen und des Andern
lieffen
lieffen ſo ſeltzam untereinander/ daß es
endlich zu einer Rebellion hinaus gelof-
fen waͤre/ wann die wolfeile Zeit nicht
bald auffgehoͤret haͤtte.
Aber ſchaue: Urploͤtzlich erſchiene
Mangel ſonſt nirgends als an allen Or-
ten; Welches ein ſchroͤcklich und ſonſt
allerdings ungewoͤhnlich Ding im Land
ware!
Ehe aber ſolche Theurung einriſſe/
hatte GOtt den Joſeph mit zweyen
jungen Soͤhnen: nemlich dem Manaſ-
ſe und Ephraim geſegnet/ welche ihm zu
ehren alſo genennet wurden/ weil ihr
Vatter vermittelſt deſſen Gnad ſeines
vorigen Lands nunmehr vergeſſen: und
wider in ſeine vorige Freyheit geſetzt
war; Derſelbe hatte ſeiner Gemahlin
die Warheit von dem einigen ewigen
GOtt offenbahrt/ welche ihr Vatter der
Obriſte Prieſter Potiphar vor maͤnnig-
lich als ein hohe Geheimniß verborgen
hielte/ damit folche heilige Wiſſenſchafft
nicht unter das gemeine Volck kaͤme/
und alſo die Perlen vor die Saͤu ge-
H vworffen
worffen wuͤrden; Dann damal war der
Gebrauch/ daß man das Volck im Ge-
horſam zubehalten/ mit Abgoͤtterey/ fal-
ſchem Gottesdienſt und Aberglauben
abſpeiſete; Derohalben gewan Aſa-
neth ihren Joſeph je laͤnger je lieber/ ſo
wol darum/ dieweil er ſie zur Erkantnuß
Gottes gebracht; als auch/ daß ſich
ihre Reichthum und Barſchafft wider-
um mit tauſentfaltigem Wucher gleich
im Anfang der Theurung vermehrte/
welche Muſai aus Befelch Joſephs in
der wolfeilen Zeit um wolfeile Fruͤchten
zu ſolchem End ausgeſehet hatte.
Jm Anfang ſolcher Theurung er-
ſchienen nicht nur die Egyptier zu Thebe
vor ihrem Pharao/ ſondern auch alle
benachbarte Voͤlcker Getraid zu kauf-
fen/ die der Koͤnig alle zum Joſeph ſchick-
te; Welcher das erſt und ander Jahr
der Theurung um erkauffte Fruͤchten
gemuͤntzte alles Gold und Silber zu-
ſammen brachte ſo das gantze Land ver-
mochte! Jm dritten Jahr gieng es an
die herꝛlichſte Schaͤtz und Kleinodia/ die
etwann/
etwann/ wie man zu ſagen pflegt/ hinter
neun Schloſſen verborgen lagen; Jo-
ſeph hatte in der wolfeilen Zeit vier Ein-
hoͤrner aus Mangel Gold und Silbers
zu Geld gemacht/ und um erkauffte
Fruͤcht ausgeben/ welche nicht die ge-
ringſte Zier und Raritaͤt des Koͤnigli-
chen Schatzes geweſen; Aber ehe vier
Jahr herum giengen/ liefferte er derſel-
ben 12. in die Schatzkammer; Und al-
ſo geſchahe es mit allen feltenen Sachen!
Ja er liefferte in dreyen Jahren in des
Reichs und des Koͤnigs Schatz wider
hundertmal mehr/ als er zuvor in ſiben
Jahren ſeiner Neider Meinung nach
aus demſelben vernarꝛethatte; Jndeſ-
ſen wurde der Hunger je laͤnger je groͤſ-
ſer; Dann entweders ergoſſe ſich der
Nilus nicht/ das Land zubefeuchtigen/
oder er uͤberſchwembt und verderbte al-
les; Jn den benachbarten Landen aber/
war weniger Stern als in Egypten
ſelbſten.
An einem Morgen fruͤhe als Joſeph
mit ſeiner Liebſten auff ihrer Ligerſtatt
H jyſprachte/
ſprachte/ und mit ſeinen Soͤhnen ſchertz-
te/ kam Muſai eilends ins Zimmer ge-
loffen und ſagte; Herꝛ! die leichtfertige
Voͤgel die Chaltheer die Schelmen/ ſo
meinen Herꝛn hiebevor in der Wolffs-
grube gehabt/ und der Carawan ver-
kaufft haben/ ſeynd all Neun und noch
einer darzu vorhanden/ Getraid zu
kauffen; Will mein Herꝛ/ ſo will ich
den Blutdieben allen miteinander die
Haͤls zerbrechen/ und dich an den
Maͤußkoͤpffen dergeſtalt raͤchen/ daß ſie
der Teuffel holen ſoll.
Liebſter Muſai/ antwortet Joſeph/
du haſt dich bißher in allen deinen Wer-
cken als ein weiſer Mann erwieſen/ nun
aber wilſt du das Widerſpiel von dir
bezeugen! Weiſt du nicht/ daß ſich ein
Weiſer nicht durch den Zorn: viel we-
niger durch ein gehlinge Rach uͤberwin-
den laſſen ſoll? Haſt du nicht gehoͤrt
(als du mich zu einem GOtt gemacht
hatteſt) das ich den Raͤubern keinen an-
dern Befelch gegeben/ als daß ſie deren
ſo mich verkaufften/ verſchonen ſolten?
Was
Was haͤtten wir dann nun vor Ehr
darvon/ wann wir denen durch Entzie-
hung einer Hand voll Bluts/ das Le-
ben nemmen/ die ich hiebevor zu dem
End vor den Raͤubern erhalten; damit
man die Vorſehung Gottes deſto
handgreifflicher ſpuͤren moͤge; Weiſt du
nicht mehr/ daß ſie mich zu deiner und
der Carawan Erhaltung verkaufft ha-
ben? Dann du muſt geſtehen/ wann
ich damal nicht bey der Carawan ge-
weſt/ und durch dich zu einem GOtt ge-
macht worden waͤre/ daß euch alle die
Arabiſche Raͤuber gefangen und in ewi-
ge Dienſtbarkeit verkaufft haͤtten; Diß
iſt aber noch das Geringſte/ daß ſie ge-
than haben/ wann du bedencken wilſt/
daß ſie mich durch ihre Verkauffung
auch zu dieſer Manier gegenwaͤrtiger
Hochheit/ und dich zugleich zu deinem
Gluͤck befoͤrdert! Darum ſtehet uns
beſſer an/ ihnen zu dancken als ſie zu
ſtraffen;
Nun erkenne ich erſt recht/ ſagt Mu-
ſai/ daß mein Herꝛ mehr als ein Menſch
ſeye!
ſeye! Und iſt er nicht ſelbſt ein GOtt/ ſo
iſt er jedoch ohne Zweiffel den hoͤchſten
Goͤttern nahe verwand! Jn dem deine
Hochheit der gemeinen Menſchen ge-
woͤhnliche Gemuͤhts-Neigungen mit
himmliſchen Tugenden uͤbertrifft! O
ihr unſterbliche Goͤtter! Mein und al-
ler Menſchen Sinn ſchaͤtzt ſichs vor ein
Gluͤck und abſonderliche Beſeligung/
wann wir uns an unſeren abgeſagten
Feinden raͤchen koͤnnen; Aber jetzt ler-
ne ich durch eure eigne Exempel/ daß un-
ſer elende Art irꝛdiſch und viehiſch/ die
eurige aber gantz himmliſch ſeye!
Jch glaube daß Muſai den Joſeph
angebettet: wann er ihm nicht befoh-
len haͤtte/ daß er hingehen und die An-
koͤmling ſeiner Verhoͤr getroͤſten folte:
Gehe hin/ ſagt er zum Muſai/ es ſeynd
meine leibliche Bruͤder/ deſſen du dich
aber nicht mercken laſſen/ noch derglei-
chen thun ſolleſt/ daß du ſie kenneſt biß
daß ich dir wincke/ alsdann kanſt du ih-
nen einreiben was ſie an mir begangen:
doch
doch dergeſtalt/ daß ſie nicht mercken
koͤnnen/ daß ich der Verkauffte ſey.
Joſeph zierte ſich koͤſtlicher/ als er
ſonſt taͤglich zu thun gewohnt war/ nicht
zwar aus Hoffart/ oder darum daß er
ſeinen Bruͤdern ſeine Herꝛlichkeit wolte
ſehen laſſen/ ſondern daß ſie ihn deſto we-
niger kennen ſolten; Er tratte daher
gleichſam in Koͤniglichem Schmuck/
und die Viele ſeiner wolbekleideten Die-
ner vergroͤſſerten ihres Herꝛn Hochheit.
Jn ſolcher Geſtaltvernahm er durch
den Muſai ſeinen Dollmetſchen in Cal-
daiſcher Sprach erſtlich ihr Anbringen/
daß ſie nemlich kommen waͤren Getraid
zu kauffen/ und dann Zweytens ihr Bit-
te/ welche demuͤtig genug war/ ihn zu-
bewegen/ daß er ihnen ſolches um bare
Bezahlung ausfolgen zu laſſen belieben
wolte.
Er aber fragte weß Lands/ Stands
und Weſens ſie ſeyen/ und nach dem
ſie derichtet/ daß ſie alle Bruͤder waͤren/
und ihren Vatter zu Sicima wohnen
haͤtten; Kehret er ihre Antwort gerad
um
um und ſagte/ man kan an euren Ange-
ſichtern ſehen/ was ihr vor Bruͤder ſeyd/
in dem unter ſo vielen nicht Zween dem
Dritten gleich ſehen? Verraͤhter und
ein zuſammen geloffenes Hudelmanns
Geſind ſeyd ihr/ das des Reichs vorraͤh-
tigen Fruͤchten nachſtellet/ und dieſelbe
zu ſich zu reiſſen erkundigt: Jhr begehrt
des Lands Ruhe und Wolfahrt zu zer-
ſtoͤren/ und ſo wol dem Koͤnig an ſeinem
Leben/ als Egypten an ſeinem Wolſtand
zu ſchaden; Deßwegen ſeyd ihr her-
kommen/ und nicht Fruͤchten zu kauffen;
Fort/ fort mit der Lumpenburſch/ man
ſetze ſie dergeſtalt/ damit man aller Ge-
fahr vor ihnen verſichert ſeye.
Ruben lieſſe ſich ſo geſchwind nicht
erſchroͤcken/ ſondern that mit ſamt ſeinen
andern Bruͤdern einen demuͤtigen Fuß-
fall/ und ſagte: Herꝛ: die Ungleichheit
unſerer Angeſichter kommet von unſern
unterſchiedlichen Muͤttern her/ welches
mit nichten hindert/ daß wir mit eines
einzigen Vattern: und zwar eines ſol-
chen ehrlichen Manns Sohne ſeyen deſ-
ſen
ſen Tugenden/ fromme Auffrichtigkeit
und namhafftes Vermoͤgen weder ſei-
nem Edlen Herkommen: noch der Zahl
ſeiner vielen Kinder etwas bevor gibt;
Wir ſeynd als auff einen freyen Marckt
hieher kommen/ wie andere ehrliche
Kauffleut/ der Gutthat Pharaonis zu-
genieſſen/ welcher wie uns geſagt wor-
den/ auch den wildeſten Barbaren Ge-
traid ums Geld zukommen laͤſſt; Ste-
hen derowegen in unterthaͤniger Zuver-
ſicht mein Herꝛ werde uns gleich andern
Frembdlingen ſolche hohe Koͤnigliche
Gnad neben der Freyheit die allen
Kauffleuten gegoͤnnet werde/ auch guaͤ-
dig gedeyen laſſen;
Joſeph antwortet/ wie doͤrfft ihr euch
doch einbilden/ den jenigenzubetriegen/
deſſen Augen die unſterbliche Goͤtter er-
leuchten? Seyd ihr wol ſo kuͤhn/ mich
eines Jrꝛthumbs zubeſchuldigen/ wann
ich ſage/ daß ihr boßhafftige Buben in
der Haut ſeyd; Wie koͤnt ihr mir das
jenige laͤugnen/ das ich an euren Stir-
nen angeſchrieben ſihe? Nemlich diß:
daß
daß ihr entweder ein groß Schelmen-
ſtuͤck begangen: oder eins zubegehen
noch im Sinn habt;
Als Muſaͤi ihnen dieſe Meinung vor-
gehalten/ zumalen vom Joſeph einen
Wunck bekommen; Sagte er ferner
als vor ſich in Chaldeiſcher Sprach;
Mein Herꝛredet warhafftig/ und nun
ſehe ich/ daß ihm die unſterbliche Goͤtter
nichts verbergen; Dann ich weiß mich
zuerinnern/ daß ich euch mehr geſehen/
nemlich vor ungefehr 20. Jahren/ als
ich mit einer Carawan aus Arabia auff
hieherwerts bey Sichem vorbey reiſete/
da ihr uns einen ſchoͤnen Juͤngling ver-
kaufft; So daß ich glauben muß/ daß
ihr rechte Verraͤhter/ oder doch auffs
wenigſt Menſchendieb und ein ſolches
Geſind ſeyet/ vor welchen ſich billich vor-
zuſehen; Jch kan auch ſolches vor mei-
nem Herꝛn nicht verbergen/ ſondern wer-
de es ihm anzeigen muͤſſen/ damit er ſich
darnach zu richten weiß.
Jm ſelben Augenblick erblaſten ihre
Angeſichter das ſie ausſahen wie die
Todte;
Todte; ihr Zittern bekante die That/
wiewohl Ruben der ihr Redner war/
mit einem Eid beteuren konte/ das er
weder den Muſai noch die Carawan
niemahls nicht geſehen; Ach ſagte er zu
ſeinen Bruͤdern auff Hebreiſch/ damit
es Joſeph und Muſai nicht verſtehen ſol-
ten; diß habt ihr an unſerem frommen
Bruder Joſeph verſchuldet; hab ich
euch nicht gleich damahls geſagt/ wann
ſchon alle lebendige Creaturen euer laͤ-
ſterliche That verſchweigen/ ſo wuͤrden
doch die Stein reden/ und Rach uͤber
euch ſchreyen! Ach unſers Ehrlichen al-
ten Vatters! der durch ſeiner Kinder
Bosheit bey ſo hohem Alter in ſolch E-
lend geſetzt wird! Den Muſai aber bate
er ſeinem Herren anzuzeigen/ ihr unter-
thaͤnige Bittwere/ er wolte belieben je-
mand von ſeinen Leuten auff ihren Co-
ſten mit ihnen ins Land Canaan nach
Sicima zu ſchicken/ der wuͤrde finden
daß ſie alle eines Ehrlichen Manns/ Ja-
cob genant/ Soͤhne ſeyen/ welcher ne-
ben ihrem juͤngſten Bruder ſo Benja-
min hieſſe/ daheim ſaͤſſe und ſich faſt zu
todt
todt vor ſie ſorgen wuͤrde; er waͤre ohne
das wegen Abgang ihres zwoͤlfften
Bruders ſo Joſeph geheiſſen/ hoͤchſtens
betruͤbt/ ſolte nun noch ein Creutz darzu
kommen/ ſo muͤſte er gar ſterben; Mit
deſſen elenden Stand und hohem Alter
er ein Mitleiden haben ſolte; Joſeph a-
ber als er vernommen/ daß ſein Vatter
neben dem Benjamin noch lebten/ wolte
den Muſai als Dollmetſchen nicht wei-
ter hoͤren/ ſondern befahl ſeine Bruͤder
ins Gefaͤngniß zu fuͤhren/ bis er Gele-
genheit haͤtte ſie wider vorzunehmen.
Nach dreyen Tagen lieſſe er ſie wider
vor ſich kommen/ und hielte ihnen vor/
daß er von ſeinem Dollmetſchen verſtan-
den/ was maſſen ihr Begehren waͤre/
man ſolte jemand auff ihren Coſten mit
ihnen in ihr Vatterland ſchicken/ der die
Warheit ihrentwegen erkundige/ ſol-
ches aber waͤre ihm ungelegen; vornem-
lich weil er Dollmetſch hiebevor ſelbſt ge-
ſehen/ daß ſie einen Juͤngling verkaufft
haͤtten/ derowegen er billich auch in
Sorgen ſtehen muͤſte/ ſie moͤchtens dem
jenigen den er mitſchicken wuͤrde/ nicht
viel
viel beſſer machen; Doch weil ihn daſſel-
be was ſie ſonſt gehandelt/ nichts ange-
he/ ſo begehre er ſie auch deswegen nicht
zu rechtfertigen; ſie koͤnten ihn aber auch
nicht verdencken wann er ihnen ſolcher
That halber deſto weniger trauete; wañ
ſie aber ja ein ſo gerechte Sach haͤtten
wie ſie ſagten/ und von Ehrlichem Her-
kommen waͤren/ ſo ſolten ſie ihren juͤng-
ſten Bruder/ welchen ſie ihrem Vorge-
ben noch daheim beym Vatter gelaſſen/
mit ihnen in Egypten bringen/ dabey
wolte er abnehmen das ſie Waar geſagt
haͤtten und Ehrliche Leut ſeyen; Jn deſ-
ſen aber bis das ſolches geſchehe/ wolte
er einen aus ihnen bis zu ihrer Wider-
kunfft bey ſich zum Pfand behalten; Er
lieſſe auch gleich zu ſolchem End den Si-
meon vor ihren Augen hinweg nehmen
und ins Gefaͤngniß fuͤhren.
Da erhub ſich erſt ein groſſe Klag un-
ter ihnen; merckt ihr? Sagt Ruben
auff Hebreiſch/ das die billiche Rach
Gottes/ ſo wegen der ſchroͤcklichen That/
die ihr an unſerm unſchulen frommen
Bruder
Bruder begangen/ uͤber uns kommt?
Jetzt koͤnt ihr augenſcheinlich ſehen/ das
wir ſeinetwegen geſtrafft werden/ indem
wir darum vor unehrliche Leut gehalten
werden/ weil ihr ihn verkaufft habt;
Ach! das Gott erbarm/ hab ich euch
nicht genug abgemahnet und gewarnet?
Nun ſo die Goͤttliche Straff/ ſo ſelten
ausbleibt/ euch uͤberfaͤllt/ ſehet ſo muß
unſer unſchuldiger Ehrlicher alter Vat-
ter ſo wohl als ich und Benjamin mit
euch eben ſo unſchuldig leiden/ als bil-
lich jetzt Simeon gebunden wird/ weil
er hiebevor den frommen Joſeph! aus
eurem Befehlch auch ſolcher Geſtalt ge-
bunden; die Bruͤder aͤngſtigten ſich ſo
ſehr/ heuleten und bereueten ihre Miß-
handlung dermaſſen/ daß Joſeph aus
Bruͤderlichem Mitleiden und einge-
pflantzter Liebe/ ſich des Weinens kaum
enthalten konte; ſondern ſich von ſeinen
traurigen Bruͤdern begeben muſte/ als
ihnen Ruben eben wider ein Hertz zu-
ſprach/ und ſagte; die Reu waͤre zu ſpat
und dem frommen Joſeph damit wenig
geholf-
geholffen/ ſie ſolten derowegen dieſe
Heimſuchung Gottes mit Gedult uͤber-
ſtehen; Andere ſo damahls ihnen zuſa-
hen/ und ihre Sprach nicht verſtunden/
vermeinten ſie quelten ſich nur um den
Simeon/ den ſie gefangen hinterlaſſen
muſten. Demnach gab ihnen Muſai
von allerhand Getreidt zu kauffen ſo viel
ſie wolten und fortbringen konten/ und
ſtieß jedem ſein ausgegeben Gelt wider
in ſeine Saͤck/ wie ihm Joſeph befohlen
hatte/ wormit ſie ſich dann auff den
Weg machten/ Simeon aber wurde
im Gefaͤngniß leidenlich gehalten.
Sie erzehlten ihrem Vatter alles
was ſich mit ihnen in Egypten begeben/
daß man ſie nemlich vor Kundſchaffter
und Verraͤhter gehalten haͤtte/ und
was ſie deswegen vor ein Accord mit
dem Koͤnigl. Verweſer eingehen muͤſ-
ſen; aber von dem/ das dorten bekant
und ihnen vorgeruckt worden ſeye/ was
maſſen ſie hiebevor einen Juͤngling ver-
kaufft/ wuſten ſie fein ſtill zu ſchweigen/
mit Bitt ihr Vatter wolte doch den
Ben-
Benjamin ohnverweilt mit ſchicken/ da-
mit ſie bey zeiten mehr Getreidt bekom-
men: und den Simeon je ehender je beſ-
ſer wider erledigen moͤchten.
Dem Jacob aber gefiehl der Handel
gar nicht/ vornemlich als jeder ſein aus-
geben Gelt wider in den Saͤcken gefun-
den; Ach! ſagte er/ dieſe Ding geſche-
hen mit einem gefaͤhrlichen Auffſatz/
mich um meine liebſte Kinder vollends
zu bringen; Der Joſeph iſt euert halber
umkommen/ den Simeon habt ihr viel-
leicht durch Unvorſichtigkeit verſchertzt/
und nun wolt ihr mich auch des Benja-
mins berauben: damit ihr meine graue
Haar vollends in die Gruben bringen
moͤget; Jch will ehr des Simeons
manglen/ wiewohl mir deſſen Gefaͤng-
niß leid iſt/ als den Benjamin in Ge-
fahr ſetzen/ deſſelben auch beraubt zu
werden; hauſet derowegen wie ihr koͤnt/
ich ſchicke einmahl den Benjamin nicht
weg.
Solche Meinung beſtund/ bis die er-
kauffte Fruͤchte faſt allerdings auffge-
zehrt
ckungen/ den Joſeph damit zuverehren/
daß er ihnen deſto gnaͤdiger waͤre/ ſo da
beſtunden in Sachen ſo Canaan her-
vor brachte und in Egypten ſelten wa-
ren; Nemlich Balſam/ Gewuͤrtz/ Spe-
cerey/ Roſinen/ Feigen und Honig;
Alſo fertigt er ſie weinend ab/ und ſprach
ihnen wol hundert guter Segen nach;
Die Soͤhne aber waren ſo bekuͤmmert
um den Vatter/ er um ſie/ wẽil ſie be-
ſorgten er moͤchte ſich wegen ihrer Hin-
reiß ſo ſehr betruͤben/ daß er endlich aus
Hertzenleid daruͤber kranck werden/ und
vor ihrer Widerkunfft ſterben moͤchte.
Sie langten gluͤcklich zu Thebe an/
und kehrten in Joſephs Behauſung
ein/ damit ſie vor allen Dingen mit dem
Muſai reden/ und ſich wegen des Gelds
ſo ſie wider in ihren Saͤcken gehabt ent-
ſchuldigen moͤchten; Mein Herꝛ/ ſag-
ten ſie zu ihm/ wir haben alle das Geld/
ſo wir neulich um Fruͤchten gaben/ wi-
derum in unſeren Saͤcken gefunden;
Seynd derowegen hier eingekehrt/ ſol-
ches wider zuerſtatten/ und zugleich eue-
J ijrem
rem Prinzen etliche geringe Verehrun-
gen wegen unſers Vattern zu uͤber-
antworten/ Muſai ſagte/ was das Geld
anlange/ wuͤſte er ſich nicht zuerinnern/
das ers in ſeiner Rechnung jemals ge-
manglet; Was die Verehrung betreffe/
konten ſie ſolche bey Ankunfft ſeines
Herrn uͤberreichen/ indeſſen wolle er ih-
ren Bruder Simeon zu ihnen kommen
laſſen/ weil er ſehe/ daß ſie ihren juͤngſten
Bruder bey ſich haͤtten/ weßwegen jener
da behalten worden waͤre.
Joſeph war damal in des Koͤnigs
hoͤchſten Gnaden/ weil er nicht allein
deſſen Reich vor allen benachbarten
Voͤlckern in Wolſtand erhielte/ und die
Unterthanen vorm Hunger errettete/
auch die Koͤnigliche Schaͤtze durch ſei-
nen weißlichen Fruchthandel reichlich
vermehrte; Sondern auch wegen an-
derer ſeiner verwunderlichen Tugenden;
Der Koͤnig wuſte nicht zuerſinnen/ wor-
mit er ſich doch nur danckbar genug ge-
gen ihm bezeugen ſolte? Nichts unter-
lieſſe er ihm zugefallen zu thun/ nur daß
er
er ihm nicht die Koͤnigliche Cron auff-
ſetzte: Er ſagte offt zu ihm: Nun Pſon-
thom Phanechon/ oͤffne uns doch/ war-
mit wir dein getreue Dienſte genugſam
vermoͤgen und erwidern moͤgen/ damit
wir der Undanckbarkeit nicht beſchul-
digt werden; Joſephs beſcheidene ant-
wort lautet aber gemeiniglich alſo:
Mein Herꝛ der Koͤnig lebe lang/ aus
welches Miltigkeit ich zu deſſen ferneren
Dienſten mehr als genug vergnuͤgt lebe;
Kein Minut vergieng/ in welcher er nicht
einen Gnadenblick vom Koͤnig erhielte;
Und hingegen verfloß kein Augenblick/
in welchen nicht dem Koͤnig/ ſeiner
Schatzkammer und dem Reich durch
Joſephs Weißheit etwas guts wider-
fuhr; Der Koͤnig hat ihn ſo reich ge-
macht und dergeſtalt erhoben/ daß ihm
mehrers zu thun nicht muͤglich war;
Hingegen thaͤt er gegen dem Koͤnig und
den Unterthanen durch ſeine Vorſich-
tigkeit ſo viel/ daß man von einem Gott/
geſchweige von einem Menſchen nicht
mehr haͤtte begehren moͤgen; Jn Sum-
J iijma
ma er war des Koͤnigs Augapffel und
zugleich der jenig der ſeinen Beſchuͤtzer
beſchuͤtzte; Die Moren und Araber ſo
den Vorrath des Egyptiſchen Getraids
durch Krieg mit Gewalt wegholen wol-
ten/ hat er ſo weißlich umgefuͤhrt: zum
Theil erſchreckt und zum Theil ſo kuͤnſt-
lich gelenckt/ daß ſie nicht allein kein
Schwerd nicht zucken/ ſondern noch vor
ein Gluͤck ſchaͤtzen muſten/ wann man
ihnen das umbs Geld zukommen lieſſe/
was ſie zuvor durch Waffen zuerobern
im Sinn hatten/ dardurch dann die
Schaͤtz Aſiæ und Africæ in die Aegypti-
ſche Schatzkammer zuſammen floſſen;
Alſo daß Egypten damals ſeines glei-
chen Koͤnigreich weder an Macht der
Mannſchafft: oder Geldmitteln noch
Proviant in der Welt nicht hatte; und
ſolches alles wuſte er vor dißmal ſonſt
niemand als ſeinem Pſonthom Phana-
chon zu dancken.
Jch will aber hiervon nichts weiters
melden/ ſondern erzehlen/ wie Joſeph
ſeine Bruͤder tractirt habe; So bald
er
er vom Koͤnig nach Hauß kame/ meldet
ſie Muſai bey ihm an/ mit Bericht daß
ſie neben etlichen Geſchancken auch ih-
ren juͤngſten Bruder mit ſich gebracht
haͤtten; Joſeph ſetzte ſich an ſeinen ge-
woͤhnlichen Ort der Verhoͤr/ welcher
von Gold Perlen und Edelgeſteinen
ſchimmerte; Er lieſſe ſeine Gebruͤder
vor ſich kommen/ und nach dem ſie ihres
Vattern Gruß: item ihre fernere Wer-
bung/ daß man ihnen mehr Getraid Zu-
kommen laſſen wolte/ ſamt den Vereh-
rungen abgelegt/ fragte er ſie wie ihr al-
ter Vatter lebe/ und ob diß ihr juͤngſter
„Bruder ſeye? Nach dem er nun genug-
„ſamen Beſcheid daruͤber empfangen/
„ſagte er/ GOtt thut Vorſehung in al-
„len Dingen/ und hilfft denen zu aller
„Zeit die ſich auff ihn verlaſſen; Und
demnach ich ſehe/ daß ihr eines ehrlichen
Manns Kinder ſeyd/ ſo ſollet ihr nicht
allein heut ſeinetwegen an meiner Tafel
geſpeiſet werden/ ſondern auch des Ge-
traids halber eurer Bitt gewehret ſeyn;
Hierauff entwiche er ſchnell/ dann ſeine
J iiijThre-
Threnen wolten ſich nicht mehr halten
laſſen.
Bey der Nachtmalzeit brauchte er
eine Tafel von ablenger Rundung/ er
ſelbſten ſaſſe oben an ſeiner Liebſten der
Aſaneth lincken Seiten/ an ſeiner lin-
cken Hand aber faſſe Ruben und alſo
die andere Bruͤder nach ihm herum/ wie
ſie in ſeines Vattern Hauß zu ſitzen
pflegten/ alſo daß Benjamin an ſeiner
Liebſten rechten Seiten zu ſitzen kam;
Muſai aber/ der die Stell eines Vor-
ſchneiders und zugleich eines Dolmet-
ſchen vertratte/ befand ſich unten zwi-
ſchen den Soͤhnen der Liæ und der bey-
den Maͤgd Soͤhnen; Da mangelts
nichts was zu einer Fuͤrſtl. Tafel gehoͤ-
rete/ dann Joſeph auch aus lauter Gold
und Silber ſpeiſet. Alſo daß ſich dieſe
Bruͤder gar wol ſeyn lieſſen/ weil ſie
nicht wuſten/ was man ihn Morgen vor
ein Zech machen wuͤrde/ ſonderlich wur-
de dem Benjamin von der Aſaneth wol
zugeſprochen/ welche ſich gluͤckſelig
ſchaͤtzte/
ſchaͤtzte/ daß ſie ihren Schwager ſo nahe
bey ſich hatte/ ihme Guts zu thun.
Joſeph redete nicht viel/ nicht zwar
ſein Anſehen zu erhalten/ ſondern weil
er ſorgen muſte/ das Weinen und Re-
den moͤchten ihme zuſammen brechen;
Muſai aber und Aſaneth unterhielten
die Bruͤder deren Geſpraͤch von nichts
anders handelte/ als wie betruͤbt ſie ih-
ren alten Vatter wegen ihrer und ſon-
derlich des Benjamins Abreiß/ zu Haus
verlaſſen/ als welcher dieſen am hertzlich-
ſten liebte; endlich als ihnen die Koͤpff
vom Trunck etwas erwaͤrmt: und ſie
vom Muſai angeſtimmt worden/ be-
jammerten ſie auch den Abgang ihres
Brudern Joſephs/ und lieſſen Wort
lauffen/ daraus abzunehmen war/ wie
ungern ihn ihr Vatter verlohren; und
daß ſie ſeit ſeines Veꝛluſts in ihrer Haus-
haltung wenig Stern gehabt haͤtten/
weil ihr Vatter nunmehr die gantze
Welt nicht mehr achtete; Aſaneth er-
freuete ſich trefflich das ſie ſo viel Tu-
gendliche Verwandte an ihrer Tafel
J vhatte;
hatte; und konte ſchier nicht glauben/
daß ſo anſehenliche dapffere Leut ihren
Liebſten hiebevor ſo Verraͤhterlich ver-
kaufft haben ſolten; Endlich machte ſie
den Schluß bey ihr ſelbſten/ das ſie von
der Goͤttlichen Vorſehung hierzu ge-
muͤſſigt worden waͤren/ damit Joſephs
Tugenden der gantzen Welt offenbahr:
und ſo wohl ſie als das Egyptiſche Koͤ-
nigreich durch ihn erhalten wuͤrden.
Joſeph dorffte wie gemeldt/ nicht
viel mit ihnen reden/ er haͤtte ſich ihnen
dann offenbahren wollen/ ſolches aber
erſetzte Muſai; nach geendigtem Nacht-
Jmbs (von welchem alle eileten/ Jo-
ſeph damit er ſich nicht verriehte; Aſa-
neth aber damit ſie ihre Verehrungen
ſo ſie ihren Schwaͤgern geben wolte/
noch verfertigen laſſen: Muſai das er
ſeines Herrn Befehlch zu Werck richt:
und endlich Joſephs Bruͤder auff daß
ſie ihre Reiß deſto fruͤher angehen kon-
ten (kuͤndet ihnen Muſai an/ daß die
Anſtalt ſchon gemacht waͤre/ ihre Saͤck
mit Getreidt zu fuͤllen/ damit ſie am
Mor-
Morgen fruͤhe abreiſen koͤnten/ weil ſein
Herr verſpuͤhrthaͤtte/ daß ſie wegen ih-
res Vattern heim eileten; Auch haͤtte
ihm ſein Herꝛ befohlen/ ſie ſolten ihren
Vatter ſeinethalber gruͤſſen/ und ihm
wegen der geſchickten Geſchancke dan-
cken/ mit Anerbietung/ wann er vor ſich
und die Seinige kuͤnfftig mehr Fruͤch-
ten beduͤrfftig ſeye/ ſolten ihnen ſolche
unverweigerlich vor andern gegoͤnnet
und ausgefolgt werden.
Wie nun jederman ſchlaffen war/
ſteckte Muſai einem jeden ſein Gelt wi-
der in Sack/ dem Benjamin aber des
Joſephs Trinckgeſchir darzu/ wormit
ſie ſo bald der Morgenſtern im Oſten
herfuͤr flackerte/ gleichſam ſingent da-
von zogen/ weil ſie ſo wohl den Simeon
als den Benjamin vor welchen ihr Vat-
ter ſo hertzlich ſorgete/ mit ſamt einer ſo
herrlichen anzahl Getreidts daher bꝛach-
ten; Aber Sommer botz Gluͤck! Jhr
Freud wehret nicht lang; dann Muſai
eilet mit ſeines Herren Leibquardi wel-
che in 24. Reutern einer Liberey beſtun-
J vjde/
de/ hernach/ und erdappte ſie eben als
ſie um den Mittag bey einem Waſſer-
fluß fuͤtterten; Holla ihr leichtfertige
Dieb/ ſchrye er ſie an/ iſt das die Danck-
barkeit die ihr meinem Herren vor ſeine
erwieſene Gutthaten erzeigt? Hat euch
euer Vatter geſchickt/ den jenigen zube-
ſtehlen/ der euch ſo freundlich gaſtirt?
Oder iſts der Gebrauch in eurem Land/
daß man Ehrliche Leut die jemand ſo
guthertzig bewuͤrthen/ ſo belohnet wie
ihr thut? Geſchwind gebt uns den Dieb
ſamt dem Diebſtahl wider heraus/ o-
der wir wollen euch alle miteinander
auff der Stelle niderſeblen.
Mein Gott! antwortet Ruben/ was
bedeut das/ wir haben ſich verhoffent-
lich nicht anders gehalten als wie redli-
che Biderleut; koͤnnen auch nicht erſin-
nen was die Urſach eines ſolchen ge-
ſchwinden Uberfalls ſeye? Sein Herr
hat uns Geſtern als Ehrliche Leut be-
funden/ und als liebe Gaͤſt gnaͤdig
tractirt/ wir hoffen nimmermehr/ daß
er uns jetzt anders ſuchen oder finden
wer-
werde; Mein Herr verfahre doch ſachte/
bis wir wiſſen was ſein Meinung iſt?
Schaͤlck/ Boͤſewicht und Dieb ſeyd
ihr/ antwortet Muſai/ ihr habt meinen
Herren beſtohlen uud ihm ſein liebſtes
Kleinod/ nemlich ſein Trinckgeſchir ent-
wendet/ wormit er zu weiſſagen pflegte;
Ach ſchaͤmt euch ihr leichtfertige Leut/
das ihr ſo gar aller euch erzeugten Ehr:
Gutthat und Gaſtfreygebigkeit vergeſ-
ſet/ und euch mit einem ſolchen ſchaͤnd-
lichen Diebſtahl beflecken moͤcht; Pfui
ihr Schelmen/ ich hab doch gleich am
erſten mahl meinem Herren geſagt/ was
ihr vor liderliche Kunden ſeyet; kein gut
Haar iſt an euch; warum hat er euch
doch nicht damal gleich alſobald allſam-
men an den liechten Galgen laſſen auff-
haͤncken/ ſo waͤren wir und unſere
Pferd jetzt der Muͤhe euch nachzujagen
uͤberhoden geweſen; Jn Sum̃a Mu-
ſaiwuſte ſich ſo erzoͤrnt zu ſtellen und die
Sach ſo grauſam zu machen/ daß den
Soͤhnen Jacobs alle Haar gen Berg
ſtunden. Doch waren Ruben/ Judas
und
und Levi ſo dapffere: und in aller Ge-
fahr ſo gehertzte Maͤnner/ das ſie gleich-
wohl die Sach noch nicht verlohren ga-
ben/ ſondern ſagten dem Muſai unters
Geſicht/ wann er etwas hinter ihnen zu
ſuchen befuͤgt waͤre/ ſo ſolte ers gleich-
wohl thun/ ſie aber unterdeſſen unge-
ſchaͤnd laſſen; Ja die gantze Geſellſchafft
der Bruͤder wurde endlich ſo kuͤhn/ daß
ſie ſelbſt den Jenigen in Todt verdam-
ten/ hinter welchem ein Diebſtahl gefun-
den wuͤrde/ weil fie ſich alle ſicher wu-
ſten; Als ſolches beyderſeits angenom-
men ward/ fande Muſai den Becher
endlich beym Benjamin/ den er ſelbſten
zu ſolchem End hinter ihn verſteckt
hatte.
Da ſahe man Wunder/ wie die ver-
laſſene und uͤberzeugte Hebreer ihre Klei-
der zerriſſen und ein jaͤmmerlichs Leider:
und Eydeney Geſchrey anfiengen; A-
ber dem Muſai giengs zu einem Ohr
hinein und zum andern wider heraus;
Er lieſſe einmal den Benjamin binden
und nacher Thebe fuͤhren/ wiewohl er
ihn
ihn wegen ſeines Herren viel lieber ge-
kuͤſt haͤtte; zu den andern aber ſagt er/
ihr moͤgt euers Wegs fahren wohin ihr
wolt; dañ weil ihr weder meinen Herrn
noch ſonſt jemands beleidigt/ wird man
euch auch nicht wie den Schuldigen
ſtraffen; Aber dieſer Dieb muß noch
Heut hangen/ damit er Morgen den
Koͤnig ſelbſt nicht auch beſtihlt.
Darauff machte ſich Muſai und Jo-
ſephs Leibquardi mit dem Benjamin
darvon; die Hebreer aber ſtunden dort
und ſchlugen die Haͤnd uͤberm Koͤpffen
zuſammen/ das es wohl ein jaͤmmerli-
cher Anblick anzuſehen war und ein
Stein haͤt erbarmen moͤgen/ endlich
pacten ſie auch auff/ hernach zu folgen/
des Vorſatzes mit ihrem unſchuldig en
Benjamin zu leben und zu ſterben/ weil
ſie ohne ihn vor ihres Vattern Ange-
ſicht ohne das nicht mehr zu erſcheinen
getrauten.
Jhnen wurde gegoͤnnet vor dem Jo-
ſeph zu kommen/ welcher in gewoͤhnli-
cher Herrlichkeit auff ſeinem Stuhl ſaſ-
ſe/
ſe/ darauff er in allen vorfallenden Be-
gebenheiten Vorhoͤr und Rechtlichen
Beſcheid zu ertheilen pflegte.
Muſai ſtunde da als ein Klaͤger wi-
der den Diebſtahl des unſchuldigen
Benjamins; des beklagten Bruͤder a-
ber baten um Gnad/ weil ſie ſonſt nichts
anders vorzuſchuͤtzen wuſten; ſie waren
zwar ſeiner Unſchuld ſo weit daß Ben-
jamin zu keiner Dieberey aufferzogen
worden waͤre/ genugſam verſichert;
wer haͤtte ſich aber erkuͤhnen doͤrffen/
beydes Klaͤgern und Richtern in wel-
cher Gewalt ſie waren/ Luͤgen zuſtraf-
fen/ ſonderlich weil der Diebſtahl hin-
ter ihm gefunden worden.
Jn deſſen aber fiel Joſephs Beſcheid
allem Anſehen nach gar gerecht/ nem-
lich das Benjamin als der Thaͤter wie
ein offentlicher und uͤberzeugter Dieb
mit dem Strang vom Leben zum Todt
gerichtet: Seine Bruͤder aber die ſich
als Ehrliche Leut an niemand vergriffen/
unter Koͤniglichen Paß und Geleid
frey ſicher und ungehindert ſamt ihrer
erkauff-
erkaufften Wahr widerum nach Haus
ſich verfuͤgen ſollen.
Mich wundert ſelber wie Joſeph da-
mal ſeiner Bruͤder Wehemuth ohne
Vergieſſung der Zaͤhren anſehen und
ertragen moͤgen; dann es war nach aus-
geſprochenem Urthel ein ſolch erbaͤrm-
lichs Spectaeul an ihnen zu ſehen/ daß
es auch ein Diamantines Hertz haͤtte
erweichen koͤnnen; etliche rupfften Haar
und Bard aus/ andere aber zerriſſen ih-
re Kleider zu Fetzen/ und thaten als wol-
ten ſie verzweifeln; Judas aber erklaͤrte
ſich vor den Beklagten zu ſterben/ deme
der Ehrliche Ruben nachfolgte/ uͤber-
laut auff Hebreiſch auffſchreyende/ Ach
Joſeph! um wie viel ſeliger biſt du wedeꝛ
wir! Ach du ſeyeſt todt oder lebendig/
ſo biſt du doch des Schmertzens uͤberho-
ben/ indem du nicht weiſt/ daß dein
Bruder ſo unſchuldig eines ſolchen
ſchaͤndlichen Todts ſtirbt: Ach Jam̃er!
O wehe! du elender alter Vatter; Ach
Jacob wie Schelmiſch wirſt du deiner
liebſten from̃en und unſchuldigen Kin-
der
der beraubt! Ach wer gibt mir daß ich
von deinetwegen vor ſie ſterbe? Ja er
wand ſich hin und her/ und that nicht
anders als wann er von Sinnen kom-
men wolte.
Joſeph aber ſagte zu ihnen/ ihr wer-
det weder mich noch die Egyptiſche Cron
einiger Ungerechtigkeit nicht bezeihen
koͤnnen; dieweil ich ein ſolch Urthel ge-
faͤllt/ das die Billichkeit ſelbſt und des
Lands Geſetz erfordert; ich zwar hab
euch zu eurer Herkunfft als mein eigne
Freund und liebſte Gaͤſt empfangen; ich
hab euch Getreidt folgen laſſen wie ihrs
nur begehrt; ich habe euch an mein und
meiner Gemahlin Seiten uͤber meiner
Tafel geſpeiſet/ und euch ſolche Ehr er-
wieſen/ die ich wohl ſonſt manchen Fuͤr-
ſten nicht haͤtte gedeyen laſſen; Ja uͤber-
haubt davon zu reden/ ſo habe ich gegen
euch Fremdlingen mehr gethan/ als mei-
ner Hochheit zuſtehet/ einem Jnlaͤndi-
ſchen widerfahren zulaſſen/ nur darum/
dieweil ich vernommen/ daß ihr einen
Ehrlichen alten Vatter habt; Aber nun
ſehet
ſehet wie habt ihr mich ſo ſchaͤndlich be-
trogen; oder anders zu reden/ wie habt
ihr meiner Gnad und Gutwilligkeit ſo
uͤbel gelohnet; noch dannoch ſo laſſe ich
euch alle die ich unſchuldig zu ſeyn ver-
meine/ frey ledig ausgehen; will euch
auch unter Koͤniglichen Geleidt ſicher
heimſchaffen aber der Dieb ſo mich be-
ſtohlen/ muß hangen und ſolten ſeiner
Haͤls tauſend ſeyn; dann es iſt nicht
Herkommens in Egypten/ ſolch Laſter
ungeſtrafft hingehen zulaſſen; Alſo ſtel-
te ſich Joſeph den unſchuldigen liebſten
Bruder zu ſtraffen/ und die Schuldige
ſo ihn hiebevor beleidigt/ freyzugeben.
Alle zehen Bruͤder fielen vor ihm zur
Erden nider/ als er ſeine Red geendet
hatte/ Judas aber ein anſehenlicher
Mann/ thaͤt das Wort und ſagte;
Herr dein Urthel iſt untadelhafft/ du
haſt auch den Gewalt von Gott ſolches
zu vollziehen; Aber gnaͤdiger Herr/ wiſ-
ſe daß du zugleich unſeren alten unſchul-
digen Vatter mit dem ſchuldigen Thaͤ-
ter toͤdteſt; und alſo den Schuldigen
ſamt
ſamt dem Unſchuldigen umbringeſt/
mein Herr kan ermeſſen wie Hertzbre-
chent ein Vatter von ſeinem liebſten
Kind ſolche Zeitung vernimt? Wann
er ſelbſt anders bereits auch ein Vatter
worden iſt; Wir zwar werden ſich nim-
mermehr unterſtehen unſerm Vatter
den Todt Bemjamins zu berichten/ die-
weil wir nichts gewiſſers wiſſen/ als daß
wir ihm mit ſolcher Poſt zugleich das
Leben nehmen werden; darum ſo erwei-
ſe doch deine Barmhertzigkeit an unſe-
ren alten Tugendreichen Vatter/ wann
du je unſern Bruder ſelbſten deren un-
wuͤrdig zu ſeyn erkenneſt; deine in den
Laͤndern erſchollene groſſe Gnad und
Guͤtigkeit durch welche du die Voͤlcker
in dieſer theuren Zeit beym Leben erhaͤl-
teſt/ wuͤrde vor unvollkommen geſchetzt
werden/ wann du einſten Ubertrettung
halber zween toͤdteſt; und zwar einen
ſolchen Ehrlichen alten Mann/ deſſen
Tugenden nicht weniger als ſein hohes
Alter Verwunderens und aller Ehren
wuͤrdig: Was Lob gnaͤdiger Herr
wird
wird es dir bringen/ wann man ſagen
wird/ du haͤtteſt unſern Vatter zwar
durch deine Gutthat vorm Todt des
Hungers errettet/ aber hernach durch
allzuſcharffe Folg der Gerechtigkeit ihne
zu einem viel erbaͤrmlichern Sterben be-
fuͤrdert? Wird ſolche Nachred nicht
den Ruhm deiner Gutthaͤtigkeit ver-
duncklen? Welcher Loͤbl: Nachruhm
aber hingegen deſto Glorwuͤrdiger in al-
ler Welt ausgebreitet wird/ wann du
unſerm Bruder Gnad erweiſeſt; ſinte-
mahl man alsdann wird ſagen/ du ha-
beſt beydes das Leben geſchenckt und er-
halten; Eya gnaͤd ger Herr erbarme
dich uͤber unſern unſchuldigen Vatter
und ſchenck ihm ſeinen Sohn wider;
Wilt du aber ja das der Gerechtigkeit
und den Geſetzen des Lands ein Genuͤ-
gen geſchehe; So mildere dein gerechtes
Urthel alſo das unſer Bruder in ewiger
Dienſtbarkeit verbleiben muͤſſe/ alsdañ
ſo nim mich oder ein andern aus uns an
ſeine Stell an; Jch zwar als ein ſtar-
cker Mann/ will dir beſſer als dieſer
ſchwa-
chwache Juͤngling dienen koͤnnen; Jſt
aber die Straff mit Gelt zu buͤſſen; ſihe
Herr ſo wollen wir was wir vermoͤgen
daran wenden/ damit wir durch unſers
Bruders Leben auch zugleich unſern
Vattern vorm Todt erretten; Herr ge-
brauche dich deines rechtmaͤſſigen Ge-
walds zum Heil der Armen/ die dich ſo
flehentlich darum anruffen; durch Gut-
that naͤherſt du dich zu Gott; und in
groͤſſere Gnad und Barmhertzigkeit du
uns Elenden erweiſt/ je mehr machſt du
dich Gott gleichfoͤrmig; welcher dir ſol-
che Edle Tugend (darum wir und un-
ſer alter Vatter Gott fleiſſig bitten wol-
len) wohlbelohnen wird.
Wie kan ich den Unſchuldigen ſtraf-
fen und den Schuldigen ledig laſſen?
ſagte Joſeph; Jſt euer Vatter ein ſo
Tugendliebender Mann wie ihr vor-
gebt/ ſo wird er wohl zu frieden ſeyn/
wann die Laſter an einen ungerahtenen
Kindern geſtrafft werden; Jn deſſen
konte Ruben nicht auffhoͤren zu ſchmeh-
len/ und ſeinen Bruͤdern die That am
Jo-
Joſeph begangen/ auffzurupffen/ wel-
che nichts anders als Heulen konten;
als er nun muthmaſſete/ Joſeph wuͤrde
mit ſeinen Urthel verfahren; ſagte er
zum Joſeph; Herr ich hab dir den Be-
cher geſtohlen/ und denſelben unſerem
Bruder heimlich auffgeſattelt/ in Mei-
nung ihn alſo unvermerckt davon zu-
bringen/ darum ſo ſtraffe mich und laſ-
ſe den unſchuldigen Juͤngling lauffen;
da antwortet Joſeph ſo will ich beyde
auffhaͤncken laſſen/ damit ich des Recht-
ſchuldigen nicht verfehle/ denn hinder
Jenem iſt der Diebſtahl gefunden wor-
den/ und du haſt den Diebſtahl gethan
zu haben ſelbſt bekant. Der Haͤler iſt ſo
gut als der Stehler; da brach ihm doch
ſein Hertz/ daß er ſich nicht laͤnger ent-
halten: noch einig Wort mehr reden
konte/ auſſer daß er noch ſeine Leut
mochte abtretten heiſſen. Als ſolche hin-
weg/ fieng er inniglich an zu weinen und
ſagte auff Hebreiſch zu ihnen.
Die Tugend und Gottesfurcht die
ihr neben der Lieb zu eurem Bruder
ſchei-
ſcheinen laſſet/ iſt groͤſſer als ich mir ein-
gebildet hab! Jch bin Joſeph euer Bru-
der/ den ihr den Jßmaeliten verkaufft
habt/ und hab wollen erfahren ob ihr
auch mit dem Benjamin wie mit mir
handlen: Oder ihn ſonſt in Noͤten ver-
laſſen wollet; Weil ich euch aber redlich
und auffrichtig gegen ihm zu ſeyn be-
funden ſehet! So vergeb ich euch alles
das jenig/ wormit ihr euch wider mich
vergriffen zu haben vermeinet; Dann
ich bin deſſen nunmehr genugſam verſi-
chert/ daß euer boͤſer Rahtſchlag mich
zu verderben/ nicht aus Trieb angebor-
ner boͤſen Eigenſchafft entſprungen:
Sondern durch die Goͤttliche Vorſe-
hung alſo verordnet worden/ damit
ich zu dieſer hohen Wuͤrde gelangen:
und euch und die eurige in dieſer groſſen
Theurung erhalten moͤge; Will dero-
wegen daß keiner von euch der vergan-
genen Zeit/ und was ihr gethan habt/
anderer Geſtalt mehr gedencke/ er wolle
den GOtt darum dancken/ daß er euch
den Einfall mich zuverkauffen in Sinn
geben
geben habe; Daß mein Vatter noch
lebe/ habe ich bereits von euch mit hertzli-
cher Freud vernommen/ derowegen ſol-
let ihr morgen unverzuͤglich widerum zu
ihme ziehen/ und ihm verkuͤnden was
ihr bey mir geſehen und gehoͤrt habt/ da-
mit er ſich wegen euers langen Ausblei-
bens nicht zu ſehr bekuͤmmere/ ſondern
ſich wegen meiner Wolfart erfreuen
moͤge.
Als er ſolches geſagt/ hat er ſeine Bruͤ-
der nacheinander empfangen und ſon-
derlich den Benjamin hertzlich gekuͤſſet;
Sie hingegen weineten und giengen in
ſich ſelber/ daß ſie mit Verkauffung ei-
nes ſo frommen Brudern ſo uͤbel ge-
handelt haͤtten; Keiner war froͤlicher
als Ruben und Benjamin; Joſeph
aber troͤſtet die uͤbrige/ und ſagte es ſol-
te ſich keiner der geſchehenen Ding mehr
erinnern; Weder ſich damit zubetruͤ-
ben oder deswegen ſich zu ſchaͤmen/ noch
ſich darmit zuerſchrecken; Weil alles
aus gnaͤdiger Ordnung und Vorſeh-
ung Gottes geſchehen waͤre: Sie ſolten
Kviel-
vielmehr froͤlich ſeyn/ und ſich feines
Gluͤcks theilhafftig machen; Aus dem
jenigen was er ihnen und den ihrigen
guts zu thun gedaͤchte/ wuͤrden ſie ohn-
ſchwer verſpuͤren/ wie gruͤndlich er ihre
Mißhandlung vergeſſen haͤtte; Aber
ſeine Gutwilligkeit war ihnen ein inner-
liche Pein; Alſo daß ſie ſchier nicht auff-
hoͤren kunten zu ſchluchſen/ biß ſie end-
lich Joſeph damit ſtillen muſte/ als er
ſagte; Wann ſie zu weinen nicht auff-
hoͤreten/ ſo muͤſte er daraus abnehmen/
daß ſie darum ſich uͤbel gehuͤben/ weil ſie
ihm ſein Gluͤck und Herꝛlichkeit miß-
goͤnneten.
Jn dem kam die holdſelige Aſaneth
mit ihren zweyen jungen Soͤhnen/ ihre
Schwaͤger willkommen zuheiſſen/ wel-
chen ſie zugleich zwoͤlff Feyerkleider
nemlich dem Benjamin zwey und ſonſt
jedem eins zum Willkom verehrte;
Nur diß manglet ihr/ die Freud uͤber ih-
re Ankunfft genugſam zubezeugen/ daß
ſie nicht ſelbſt mit ihnen recht reden kon-
te/ aber ihr aͤltiſtes Soͤhnlein Manaſſes
wuſte
wuſte gar artlich zu dolmetſchen/ als
welches ein eignen Præceptor hatte/
die Hebreiſche und Chaldeiſche Spra-
chen zu lernen/ kaum hatten ſie ihre neue
Kleider angezogen/ da folgte der Jmbs/
und zwar viel Fuͤrſtlicher als den vori-
gen Abend/ dann als Pharao erfuhr/
daß Joſephs Bruͤder ankommen/ hat
er nicht allein viel Speiſen und koͤſtliche
Getraͤnck ſo vor ſeine Koͤnigliche Tafel
bereitet waren/ ſondern auch ſeine Mu-
ſicanten hinſchicken: und dem Joſeph
ſagen laſſen/ daß er ſeinen Bruͤdern zu-
ſprechen wolle/ ſolche Koͤnigliche Begnaͤ-
digungs-Traetamenten froͤlich zuge-
nieſſen.
Dieſer Potentat erfreuete ſich recht-
ſchaffen/ daß ihm dermal eins die lang-
gewuͤnſchte Gelegenheit zuſtunde/ dem
Joſeph zu weiſen/ wie danckbarlich er
ſeine gute Dienſt erkennete; Und daß
er ſich nichts lieſſe tauren/ wann er nur
wuͤſte daß ſolches zu Joſephs angenem-
men Gefallen angewendet wuͤrde; Er
ließ nicht allein etliche Wagen voll al-
K ijlerhand
lerhand Proviant: Sondern auch
ſilbern und guͤldene Geſchirꝛ und ande-
re koͤſtliche Sachen zuruͤſten/ Joſephs
Bruͤder und ſeinen Vatter damit zube-
ſchencken; Ja er machte auch die An-
ordnung/ daß zwoͤlff Reutter von ſeiner
Leibquardi ſolche Verehrungen ſampt
den Soͤhnen Jacobs nach Sicima be-
gleiten ſolten; Den Jacob ſelbſten
wuͤnſchte er viel armer zu ſeyn als er
war/ nur darum/ damit er ihn dem Jo-
ſeph zu Ehren und Gefallen reich ma-
chen koͤnte; Jndeſſen ließ Joſeph auch
nicht unterwegen ſeinen Bruͤdern guͤt-
lich zu thun; und ſie ſeine Herꝛlichkeit
und Hochheit ſehen und genieſſen zu-
laſſen;
Zur ſelben Zeit war ſchier kein Hauß
in Egypten/ ja bey nahe kein Zimmer in
welchem nicht ihres Fuͤrſten Pſonthom
Phanechons Bildnus neben des Koͤ-
nigs zufinden war/ dann ein jeder ehrte
und liebte den Joſeph wie den Koͤnig
ſelbſt; Den Koͤnig zwar als ihr ange-
born und erwaͤhltes Oberhaupt/ den
Pſon-
Pſonthom Phanechon aber als ihren
Vatter/ Heiland und Erhalter; Etliche
die da wiſſen wie es zu unſerer Zeit bey
Hoff hergehet/ moͤchten ſich villeicht ein-
bilden/ Joſeph ſeye aus Eifer und Miß-
gunſt der andern hohen Haͤupter und
Fuͤrſten des Reichs beneidigt worden;
Aber weit gefehlet/ er verhielte ſich gegen
jedermann dergeſtalten/ daß niemand
nichts anders konte/ als ihn lieb haben;
Ja die Egyptier ſo zwar damals neben
den Phoͤniciern vor die kluͤgſte Leut in
der Welt gehalten worden/ haͤtten ihn
mit Verwilligung Pharaonis und al-
ler groſſen Herꝛn vor einen GOtt ange-
betet/ warzu dann Potiphar ſein
Schwervatter zimlich geneigt war/ und
hierzu mit hoͤchſtem Fleiß anſchierte/
wann Joſeph nicht mit allem Ernſt dar-
wider geweſt waͤre; Dann er ſagte man
ſolte nur den jenigen GOtt ehren/ der
ihn offenbahrt haͤtte/ wie Egypten und
die benachbarte Laͤnder in dieſen Miß-
Jahren zuerhalten ſeyen.
Jch melde jetzt wie die Egyptier den
K iijJo-
Jofeph geſchaͤtzt und gehalten haben/ da
ich doch billich zu folg einer ordentlichen
Hiſtori erzehlen ſolte/ wie er ſeiner Bruͤ-
der gepflegt/ welche ich dort beym Wol-
leben ſitzen laſſe/ als wolte ich ihrer ver-
geſſen; Damit gib ich aber mein Un-
vermoͤglichkeit zuverſtehen/ ein Geſchicht
recht ordentlich zubeſchreiben; Der Le-
ſer mag hieraus urtheilen/ daß/ gleich
wie ich in dieſem Stuͤck fehle/ alſo laſſe
ich auch viel andere merckwuͤrdige Um-
ſtaͤnd aus/ die zu der Hiſtori taugen/
ſonderlich viel Sachen davon die Per-
ſianer und andere Orientaliſche Voͤl-
cker Nachricht haben; Jch geſtehe es!
Aber was ſoll mir ſo viel Dings das ſo
fabelhafftig lautet? Jch hab ohne das
aus der Perſianer Sachen mehr herein
flicken muͤſſen als die Bibel in ſich haͤlt/
aber ich hoffe/ ich ſey entſchuldigt/ weil
ich vielmehr was ſie vom Joſeph und
ſeinem Leben vorgeben/ ausgelaſſen:
Als ich beſchrieben habe; Jndeſſen bilde
ihm der guͤnſtige Leſer ſelbſt ein/ wie es
bey Joſephs Jmbs hergangen ſeyn
moͤchte?
moͤchte? Dann da manglet nichts;
daß man den groͤſten Monarchen von
der Welt zu tractirn ſich ſchaͤmen doͤrf-
fen: Man kan ja wol gedencken/ daß ſie
bey dieſer ſchoͤnen Gelegenheit ſo wohl
Pharaonis als Jacobs Geſundheit ge-
truncken haben werden; Jtem nach
dem die Bruͤder die Herꝛlichkeit Jo-
ſephs/ und ſein treuhertziges Gemuͤt ge-
ſehen/ auch durch den Schall der Trom-
peten und andere Muſicaliſche Seiten-
ſpiel und Jnſtrumenten (geſchweige des
guten Truncks den ſie hatten/ und der
Extra-ordinari Freud/ die ſie aus ihrer
und Joſephs wunderbarlichen Bege-
benheit ſchoͤpfften) ſeynd beluſtigt wor-
den/ daß ſie ohn Zweiffel auch ein erba-
res Taͤntzel gethan/ darauff die Juden
ohne das viel haͤlten; Doch kan ſeyn
das auch etliche das truncken Elend be-
weineten; Diß und anders mehr wie
es moͤchte hergangen ſeyn/ bilde ihm ein
jeder nur ſelbſt ein ſo gut er kan/ und
nach ſeinem Belieben/ dann ich finde
nichts davon geſchrieben/ ſo bin ich auch
K iiijnicht
nicht ſelbſt dabey geweſen/ daß ich alles
ſo ſpecificè haͤtte anmercken und be-
ſchreiben koͤnnen; Und wann ich ſchon
dabey geweſt und oben an geſeſſen waͤre/
ſo haͤtte ich mich doch ohn Zweifel ſo
bald als ſonſt einer ſo blind Stern voll
geſoffen/ daß ich mich gleich des andern
Tags alles deſſen was geſchehen waͤre/
nicht mehr/ geſchweige jetzt da ſchon uͤber
3390. Jahr ſeither verfloſſen/ zuerin-
nern gewuſt haͤtte; Dann ich kenne
meine doͤrre Leber gar zu wol. Diß will
ich einem jeden zum Beſchluß dieſer
Mahlzeit noch eroͤffnen/ daß Joſeph
mit ſeinen Bruͤdern uͤberein kame/ daß
ſie ihr em Vatter nicht ſagen ſolten/ was
maſſen ſie ihn verkaufft haͤtten/ dann er
ſorgte der Alte moͤchte ſonſt ſchellig uͤber
ſie werden/ und ihnen allen Vaͤtterlichen
Segen entziehen; Er wolte ſeines Orts
fuͤrbringen/ nach dem er vom Pferd
kommen und den wilden Thieren (ſo
wol ſeine Bruͤder bedeuten moͤgen) ent-
runnen/ ſeye er in der Jſmaeliter Haͤnd
gerahten/ ſo ihn in Egypten verkaufft
haͤt-
haͤtten; Auff ſolche treuhertzige Erklaͤ-
rung ſtellten ſich ſeine Bruͤder wie alle
volle Kerl/ die ihre Gutthaͤter vor Lieb
frcſſen wollen; Und weinten wie alte
Weiber. Den hellen Tag ſo folgen
wuͤrde/ hatte die Morgenroͤhte ſo bald
nicht angezeigt/ als die Koͤnigliche Be-
ſchenckungen ankamen/ damit Pharao
Joſephs Vattern und ſeine Bruͤder zu-
verehren beliebte; Da ſtunden Waͤgen/
Cameel und Tromedari beladen/ zu-
ſamt dem Koͤniglichen Geleit zur Reiß
fertig/ in Canaan zubezeugen wiewol
Egyptus dem Joſeph geneigt waͤre:
Die vom geſtrigen Trunck noch daͤmi-
ſche Gebruͤder erſuchten den Joſcph de-
muͤtig/ er wolte ſich ihres Vattern und
ihrer ſelbſt wegen um ſolche hohe Koͤaig-
liche Gnad und reichliche Gaben bedan-
cken/ weil ſie als ſchlechte Hirtenleut mit
ſchlechter Hoͤfflichkeit verſehen waͤren/
und kein Kramanziß machen koͤnten; Er
nam die Verrichtung gutwillig auff
ſich/ und befahl hingegen ſeinen Bruͤ-
dern beym Fruͤhſtuͤck/ als er ihnen ſein
K veigne
eigne reichliche Geſchenck uͤberliefern
lieſſe/ daß ſie ehiſtes wegen der theuren
Zeit/ welche noch fuͤnff Jahr tauren
wuͤrde/ mit Vatter und Mutter ſampt
Weib und Kindern zu ihm kaͤmen: und
ſo wol ſeiner Hochheit ſich erfreuen: als
ſeiner Reichthum genieſſen ſolten; wor-
durch ſie dem Hunger/ der in ſolcher Zeit
noch viel Leut auffreiben wuͤrde/ am be-
ſten entfliehen koͤnten.
Alſo rerſten ſie unter Koͤniglichem
Geleid in Gottes Nahmen dahin und
brachten in kurtzer Zeit ihrem Vatter die
froͤliche Potſchafft/ daß Joſeph nicht al-
lein noch lebte/ ſondern auch nach dem
Koͤnig der groͤſte Herr in Egypten ſeye;
Solches bezeugten neben ihnen nicht al-
lein die anſehenliche Geſchenck und mit-
kommende Convoy/ ſondern es hatte
auch Jacob ſeit ſeiner Soͤhne Hinreiß
ſeine Bekuͤmmernus zuerleichtern das
Nativiteten Buch ſein und ſeiner Kin-
der auffgeſchlagen/ und den Traum Jo-
ſephs in beſſers Bedencken gezogen; dar-
aus er unſchwer muthmaſſen konte/
was
was mit ihm und ſeinem Haus vor eine
Veraͤnderung obhanden waͤre; darum
glaubt er ſeinen Soͤhnen deſto veſter/
und begab ſich/ nach dem ſie ein paar
Tag ausgeraſtet/ auff die Reiß ſeinen
liebſten Sohn Joſeph noch vor ſeinem
End zu ſehen; Jetzt ſahe er erſt daß gleich
wie eilff Stern ſamt Sonn und Mond
dreyzehen machten/ alſo auch/ das ſol-
che dreyzehen Jahr bedeutet hatten/ nach
welcher Verflieſſung Joſeph zu ſolcher
Herrlichkeit gelangen ſolte; dann im ſie-
benzehenden Jahr ſeines Alters wurde
Joſeph verlohren/ und im dreyſigſten
wurde er Obriſter Regent in Egypten/
welche Wuͤrde er damahls als Jacob
zu ihm zog/ ſchon neun Jahr getragen
hatte.
Jacob verwundert ſich uͤber die groſ-
ſe Guͤte und gnaͤdige Vorſehung Got-
tes/ welche ein Zeitlang ſich anſehen laſ-
ſen/ als haͤtte Gott ſeiner gantz vergeſſen/
und als er unterwegs zum Bruñen des
Eyds gelangte/ hat er daſelbſt Gott ge-
opffert/ und gebetten ihm anzuzeigen/
K vjob
ob dieſe ſeine Reiß nicht wider deſſen gnaͤ-
digſten Willen waͤre/ dann er beſorgte
ſein Geſchlecht moͤchte die Egyptiſche
Fruchtbarkeit ins kuͤnfftig ſo hoch belie-
ben/ das ſie alldorten verbleiben: und
das Land Canaan/ ſo ihnen Gott ver-
ſprochen/ nicht beſitzen moͤchten.
Aber Gott der Allmaͤchtig erſchiene
ihm dieſelbige Nacht im Traum/ und
nach dem er ihm zweymahl mit Nah-
men geruffen/ offenbahrte er ihme/ daß
er darum gegenwertig ſeye/ ihn und die
ſeinige in Egypten zum Joſeph/ den er
beynahe eben ſo groß als den Koͤnig
ſelbſt gemacht/ zu begleiten; bey ihme
Joſeph wuͤrde er zu beſtimter Zeit mit
Todt abgehen/ und alsdann von ſeinen
Kindern in ſeiner Vaͤtter Begraͤbniß
herrlich begraben werden; Joſephs Ge-
ſchlecht wuͤrde lange Zeit in Herrſchafft
und Gewalt ſchweben/ aus welchem
kuͤnfftig ein Fuͤrſt entſprieſſen werde/
der das verſprochene Land mit Kriegs-
Gewalt einnehmen: und unter ſein des
Jacobs Geſchlecht austheilen werde.
Judas
Judas zohe mit ſtarcken Tagreiſen
voran/ und verkuͤndet dem Joſeph ſei-
nes Vattern Ankunfft/ deren er ſich
hoͤchlich erfreuet/ und ihm mit Fuͤrſtli-
chem Pracht entgegen zoge/ bis zur
Stadt Heroum; da beydes Jacob und
Joſeph vor groſſer uͤbermaͤſſiger Freud
fchier vergangen waͤren; das Geſchlecht
Jacobs verwundert ſich nicht ſo ſehr/
uͤber die Herrlichkeit und Hochheit Jo-
ſephs/ als die Egyptier uͤber das Ehr-
wuͤrdig Alter Jacobs und die Menge
ſeiner anſehenlichen Soͤhne und Enckel;
deren damahlen mit ſamt dem Joſeph
und dem Vatter ſelbſten bey ſiebenzig
Seelen beyeinander waren; Der Pa-
triarch ſelbſten war in ſo hohem Alter
noch zimlich vermoͤglich/ und mit einem
Violbraunen Rock bekleidet/ uͤber deſ-
ſen Bruſt bis auff den Nabel ſich ſein
Silberweiſſer Bart ausbreitete; und
weil die Farb ſeines Angeſichts noch ſo
Lebhafft: die Lippen noch ſo roth: und
ſeine Augen noch ſo klarwaren/ als ei-
nes dreyfig Jaͤhrigen Manns/ gab ihm
ſol-
ſolche eigne Ziert ein anmuhtigs Anſe-
hen; Joſeph lieſſe ihn auff ſeinem koͤſtli-
chen Wagen neben ſeiner Aſaneth und
zweyen jungen Soͤhnen Ephraim und
Mannaſſe ſachte hernach folgen/ er aber
ritte auff feinen Handpferdten mit fuͤnff
ſeiner Bruͤder voran/ dem Koͤnig ſeines
Vattern und deſſen gantzen Geſchlechts
Ankunfft zuberichten; welcher ſich ſo
hoch daruͤber erfreute/ als von ihm
ſelbſt ein angebohrner Freund nach
Haus kommen waͤre; dahero fragte er
dẽ Joſeph gleich was ihr Handthierung
ſeye/ und wie er ſie in ſeinem Reich am
beſten accommodiren moͤchte daß ſie
bleiben koͤnten; Da antwortet Joſeph
ſehr weißlich/ daß es Leut waͤren/ die
mit der Viehezucht ſich zuernehren ge-
wohnt waͤren; uud koͤnte ihnen der Koͤ-
nig kein groͤſſere Gnad thun/ als wann
er zulieſſe/ daß ſie Hirten verbleiben
moͤchten. Hierdurch brachte Joſeph
zwey Ding zu wegen; erſtlich daß ſie al-
lein beyeinander wohnen und ihrem
Vatter deſto beſſer miteinander vorſte-
hen
hen koͤnten; und zweytens/ das ſie alſo
von den Egyptiern abgeſondert keinen
Unwillen wider einander ſchoͤpffen
moͤchten; Als welche vom Viehe ſich zu
naͤhren und ſolches ſchlachten zu ſehen
vor ein ſchroͤckliche Sach hielten/ weil ſie
ſolches damahls anzubeten pflegten.
Und nach dem Jacob ſelbſt den Koͤnig
gruͤſſete/ iſt ihm und den ſeinigen zu He-
liopolis zu wohnen gegoͤnnet worden/
alwo Joſeph ſeinen Schwervatter und
von ſeiner Gemahlin die mehriſte ligen-
de Guͤtter hatte; der Koͤnig verwundert
ſich uͤber Jacobs hohes Alter und anſe-
henliche Perſon; und nach dem er ein
Zeit lang mit ihme Sprach gehalten/
hat er ihn und ſeine Kinder wider mit
Koͤniglichen Geſchencken begabt/ und
in Joſephs Behauſung aus ſeiner Kuͤ-
chen ſpeiſen laſſen/ auch dem Joſeph be-
fohlen/ daß er ihnen ein Anzahl Getreids
aus ſeinen Kornhaͤuſern verehren ſolte/
damit ſie in Zeitwehrender Teurung
kein Mangel haͤtten; Nach ſolchem hat
ſie Joſeph wie auch ſeinen Schwervat-
ter
ter noch etlich Tag bey ſich behalten/
und Fuͤrſtlich tractirt/ zu letzt aber nach
Heliopolis geſetzt/ und nach des Koͤnigs
Befehlch mit aller Nothdurfft wohl
verſehen.
Jn deſſen vermehrte ſich die Theurung
je laͤnger je mehr/ und war ein elender
Jammer in der Welt/ Joſeph aber gab
niemand kein Getreidt als um paar Gelt/
und als ſolches auch nach und nach um
Fruͤchten zu des Koͤnigs und Joſephs
Handen kommen war/ muſten ſilberne
und guͤldene Geſchirr/ allerhand Klei-
nodien/ Perlen und Edelgeſtein/ die
ſonſt viel Jahr lang wohl auffgehebt
worden/ hervor; alſo daß beynahe kein
guͤldner noch ſilberner Fingerring im
Land verblieb/ welcher nicht dem Pha-
rao zu Theil wurde; es mochte aber al-
les nichts erklecken/ alſo das die arme
Leut ihr Leben vorm Hunger zu erretten/
in den fuͤnff letzten Jahren erſtlich ihr
Vieh und ligende Guͤter: Ja endlich
ihre eigne Leiber zu ewiger Dienſtbar-
keit um Proviant dem Joſeph verkauff-
ten;
ten; Derohalben wurde der Koͤnig ein
Herr uͤber alles was ſich in Egypten be-
fand; nur die Prieſter darunter auch
Joſephs Verwandten verſtanden wer-
den/ behielten ihre vorige Freyheit und
Aecker; hingegen hatte Joſeph die gan-
tze Menge des Volcks bis ſich die grau-
ſame Teurung endigte/ zu ſpeiſen; wolte
er anders die jenige ſo er dem Koͤnig vor
Eigen erkaufft hatte/ nicht Hungers
ſterben laſſen; er beſtellt hin und wider
Proviant-Verwalter und ließ jedem
Taͤglich die bloſſe Nothdurfft reichen/
gleichſam wie man jetziger Zeit den Sol-
daten ihr Commißbrod gibt; darvor
muſten ſie dem Koͤnig Staͤdt/ Schloͤſ-
ſer und hohe Thuͤrn bauen und beveſti-
gen/ Waſſerleitungen und Fiſchweyer
graben/ und andere Arbeiten verrichten/
weil man ſie zur ſelben Zeit zum Acker-
bau vergeblich gebraucht haͤtte.
So bald ſich aber die Theurung en-
det/ und der Nilus ſeiner vorigen Art
nach ſich ergoſſen: und das Land zur
Fruchtbarkeit genugſam befeuchtig hat-
te;
te; war Joſeph ſchon im Land herum
gezogen und hatte dem Volck wider
Ackerfelder ausgetheilt. Alſo und der
Geſtalten; er richtet alle Guͤter zu unver-
aͤnderlichen Maͤyerhoͤfen und ſtellet ſie
des Koͤnigs eignen Leuten zu/ mit dem
Geding/ das ſie ſolche als ihr Eigen-
thum einhaben/ nutzen/ nieſſen und bau-
ent hingegen aber alle Jahr den fuͤnfften
Theil von dem jenigen daß ſie erziehen
wuͤrden/ in des Koͤnigs Kornhaͤuſer
lieffern ſolten; in aller Maß und Form/
wie man noch heutigs Tags den Bau-
ern die Landguͤther zuverleihen pflegt.
Hierdurch ward beydes dem Koͤnig und
dem Volck mercklich geholffen/ dieſen
zwar/ weil es wider unverſehens zu ligen-
den Guͤtern kam/ jenem aber/ daß er
und ſeine Nachkoͤmling zu ewigem Zei-
ten ein ſo groſſen Nutz alle Jahr zu hof-
fen hatte.
Nach dieſer ſo Muͤhſeligen als Loͤbl.
Verrichtungen lebte Joſeph mit ſeiner
Liebſten in ſolchem Ehrenſtand bis an
ſein End mit hoͤchſter Vergnuͤgung/ ſo
das
das ihm kein einzigs Ungluͤck mehr zu-
handen ſtieß/ auſer daß ihm ſein Vatter/
zwar des Lebens und verdruͤßlichen Al-
ters ſatt/ mit Todt abgieng; nach dem
er ihm zuvor ſiebenzehen Jahr in Egy-
pten reichlich verpflegt und verſorgt hat-
te; dieſer ſetzte Joſephs zween Soͤhn zu
Erbenein und rechnet ſie unter ſeine Kin-
der/ befahl auch ſeinen Soͤhnen durch
ein Teſtament; daß ſie ins kuͤnfftig mit
ihnen beyden das Land Canaan ſo ih-
nen Gott verſprochen/ um Joſephs
Gutthat willen/ theilen ſolten; Als ihn
aber ſeine Soͤhne nach ſeinem Begeh-
ren und auff Pharaonis Verwilli-
gung nacher Hebron begraben hatten/
wolten ſie mit dem Joſeph nicht wider
zuruck in Egypten ziehen/ dann ſie be-
ſorgten er moͤchte ihnen erſt nach ihres
Vatters Todt eintrencken/ was ſie hie-
bevor an ihm verſchuldet haͤtten; dero-
wegen that Ruben folgende Red bey der
Begraͤbnus zum Joſeph.
Herr Bruder/ ſagte er/ ich kan dir
nicht verhalten/ das die Furcht der bil-
lichen
lichen Rach und Straff/ damit du ge-
genwertige deine Bruͤder/ um ihrer hie-
bevor an dir veruͤbter Mißhandlung
willen nach unſers Vattern ſeel. Todt
belegen moͤchteſt/ ſie ſo erſchroͤckt und
verzagt gemacht habe/ das ſie Beden-
ckens tragen widerum mit dir in Egy-
pten zu kehren; und wenn du des Wil-
lens waͤreſt/ ihnen zuwidergelten/ was
ſie an dir verdienet haben/ ſo waͤre mir
ſolches eben ſo unmuͤglich zuertragen/
als hefftig mich ihre Ubelthat die ſie an
dir begangen/ hiebevor geſchmertzet hat;
Muͤſte derowegen/ damit ich ſolch E-
lend an ihnen nicht anſehen doͤrffte/ der
Erſte ſeyn/ der ſich auch aus deinen Au-
gen verliert; wiewohl mir ſchwer fallen
wird/ einen ſo herrlichen und lieben Bru-
der zuverlaſſen; gleichwohl aber muͤſſen
wir als erkantliche danckbare Leut geſte-
hen/ das du uns ſibenzehen gantzer Jahr
lang ꝛc. Hier wolte Ruben des Joſephs
Gutthaten erzehlen/ und wegen ſein und
ſeiner Bruͤder ſich deꝛſelbigen bedancken;
aber Joſeph fiel ihm in die Rede und
ſagte!
ſagte! Jn den ſiebenzehen Jahren wer-
det ihr nichts anders als mein Bruͤder-
liche Lieb und Treu gegen euch verſpuͤhrt
haben/ und daß ich vorlaͤngſt alles was
geſchehen iſt/ der Goͤttlichen Vorſehung
und nicht einiger Bosheit die in euch ſte-
cken moͤchte/ zugeſchrieben habe; War-
um wollet ihr dann wider den Willen
Gottes jetzt ſo boͤslich von mir weichen?
Warlich hierdurch werdet ihr ſelbſt euch
zu ewigem Spott/ den Egyptiern und
aller Welt offenbahren/ was ich euch zu
Ehren vor unſerem lieben Vatter ſeel.
bis in ſein Grab verſchwiegen habe; um
die Gutthaten/ die ich euch erwieſen/
will ich mir nicht dancken: noch euch
oder mir auffrupffen oder vorrucken laſ-
ſen; dann alles was ihr genoſſen habt/
iſt aus Guͤte und Vorſehung Gottes
geſchehen; Wir wollen derowegen dar-
von nicht reden/ ſondern ihr muͤſt diß
hoͤren und wiſſen/ daß wir einander jetzt
naͤher als hiebevor verbunden und zu-
gethan ſeynd! Dann ihr koͤnt nicht laͤug-
nen/ daß man beyde Soͤhne Manaſſe
und
und Ephraim in euere Zahl auffgenom-
men worden; Werdet ihr ſie nun in
Egypten verlaſſen: und euch von mir
und ihnen trennen wollen; ſo widerſtrebt
ihr Gottes Willen und euers Vattern
Befelch/ den ihr zu halten Eidlich ge-
ſchworen habt! dardurch werdet ihr euch
beydes der Goͤttlichen Verheiſſung und
des Vaͤtterlichen Segens/ das Land Ca-
naan zubeſitzen unwuͤrdig machen; Jch
zwar hab Mittel genug/ meine Soͤhne
auch ohne euere Huͤlff zu Egyptiſchen
Fuͤrſten zu hinterlaſſen/ denen an Macht
ſich an euch und den eurigen zu raͤchen
nicht manglen wuͤrde/ wann ihr gleich
mitten in Canaan ſaͤſet; Aber wie ge-
ſchahe dardurch den Goͤttlichen Willen
und vaͤtterlichen Befelch ein Genugen?
Ey nun wolan dann ihr liebe Bruͤder/ ſo
ſetzet derowegen alles Mißtrauen bey-
ſeits/ und bedenckt vielmehr/ daß meine
Kinder bey toͤdtlichem Hintritt unſers
lieben Vattern ſeel. auch ihres Vatters
entſetzt worden/ weil er ſie in ſeinem Te-
ſtament mir genommen : und zu ſeinen
Kindern: euch aber zu Bruͤdern gemacht
hat;
hat; Was meinet ihr wol/ das unſer
Vatter ſeel. anders dardurch verſtandẽ
haben wolle/ als daß ich an ſtatt ſeiner
eurer aller Vatter und Verpfleger waͤ-
re? Hierauff nun ſo ſchwoͤre ich euch/
bey dem GOtt meiner Vaͤtter/ A-
braham/ Jſaac und Jacobs/ daß
ich mich in alle weg und auff alle Faͤhl
gegen euch nicht allein als ein getreuer
Bruder ſondern auch als ein liebreicher
Vatter bezeugen! und euch nach mei-
nem Vermoͤgen nicht anders als meine
leibliche Soͤhne halten will; Wann ihr
mir aber weder Trauen: noch Glauben
zuſtellen: ſondern euch von meinen Kin-
dern entaͤuſſern und mich alſo wie ihr
vorhabt/ verlaſſen wollet; So bezeuge
ich hiemit offentlich vor Gott/ vor aller
Welt und vor den gegenwaͤrtigen Graͤ-
bern unſerer Vaͤtter/ daß ich an allen
dem Unheil/ ſo euch hieraus entſtehen
wird/ kein Schuld haben will; Als Jo-
ſeph auffhoͤrete zu reden/ fiengen ſeine
Bruͤder an zu weinen/ und verſprachen
nicht allein bey ihm zu bleiben/ ſondern
ihme auch allen Kindlichen Gehorſam
zu
zu erweiſen/ welches alles ſie mit einem
Eydſchwur bekraͤfftigten.
Alſo brachte ſie Joſeph wiederumb zuruck
mit ſich in Egypten/ und lebte bey Jhnen in Ru-
he und Fried/ biß er das 110. Jahr ſeines Alters
erreichte; Warhafftig ein Mann mit eben ſo
wunderbarlichem Gluͤck als ſeltenen Tugenden
begabt! Der ſeinen groſſen Gewalt nicht anders
als recht/ wohl/ ehrlich und ohntadelhafft ge-
braucht hat/ die Egyptier nanten ihn ein fremb-
den Vatter und Erhalter ihres eignen Vatter-
lands/ damit ſie aber mit deſſen Gebeinen nach
ſeinen Todt keine Abgoͤtterey treiben koͤnten/ in
dem ſie ſchon ſeine Fußſtapffen bey ſeinem Leben
als eines Jrrdiſchen Gottes kuͤſſten/ befahle er
ſo wol ſeinen Bruͤdern als ihren und ſeinen Kin-
dern/ daß ſie ſeinen Coͤrper nicht gleich nach
Hebron begraben: Sondern nach ſeinen Abſter-
ben bey ſich behalten: Und wann ſie kuͤnfftig das
Cananeiſch Land einnehmen wuͤrden/ die Gebein
mit ſich fuͤhren: Und zu ſeinen Vaͤttern begra-
ben ſolten; welches dann es erſt uͤber 400. Jahr
hernach beſchehen iſt.
Darumb ihr Menſchenkinder/ nach dem ihr
Joſephs Hiſtori geleſen habt/ ſo lernet euch der
unveraͤnderlichen Vorſehung Gottes vertrau-
en; mit Verſicherung/ daß der himliſche Schluß
durch ſonſt nichts geaͤndert wird; Alß wann ein
demuͤtig buͤſſender Bekenner begangener Suͤn-
den durch hertzliche Thraͤnen von der unendlichẽ
und grundloſen Barmhertzigkeit Gottes
Gnad erlangt. ENDE.