MÄRCHENFRAU . L. E. Grimm Stahlstich v H.Leedel Goͤttg
Kinder
und
Haus-Maͤrchen
Kinder
und
Hausmaͤrchen .
Gesammelt
durch
die Bruͤder Grimm .
Zweiter Band .
Grosse Ausgabe .
Mit zwei Kupfern .
Dritte vermehrte und verbesserte Auflage .
Goͤttingen ,
Druck und Verlag der Dieterichischen Buchhandlung .
1837 .
Jnhalt .
87. Der Arme und der Reiche Seite 1
88. Das singende springende Loͤweneckerchen — 7
89. Die Gaͤnsemagd — 15
90 . Der junge Riese — 24
91. Dat Erdmaͤnneken — 35
92. Der Koͤnig vom goldenen Berge — 41
93 . Die Rabe — 49
94. Die kluge Bauerntochter — 57
95. Der alte Hildebrand — 62
96. De drei Vuͤgelkens — 67
97. Das Wasser des Lebens — 78
98. Doctor Allwissend — 81
99. Der Geist im Glas — 84
100. Des Teufels rußiger Bruder — 90
101. Der Teufel Gruͤnrock — 95
102. Der Zaunkoͤnig und der Baͤr — 99
103. Vom suͤßen Brei — 103
104 . Die treuen Thiere — 104
105. Maͤrchen von der Unke — 110
106. Der arme Muͤllerbursch und das Kaͤtzchen S. 112
107. Die Kraͤhen — 116
108. Hans mein Jgel — 120
109. Das Todtenhemdchen — 127
110. Der Jude im Dorn — 128
111. Der gelernte Jaͤger — 135
112. Der Dreschflegel vom Himmel — 143
113. De beiden Kuͤnigeskinner — 145
114. Vom klugen Schneiderlein — 156
115. Die klare Sonne bringts an den Tag — 161
116. Das blaue Licht — 162
117. Das eigensinnige Kind — 168
118. Die drei Feldscherer — 169
119 . Die sieben Schwaben — 173
120. Die drei Handwerksburschen — 177
121. Der Koͤnigssohn , der sich vor nichts fuͤrchtet — 181
122. Der Krautesel — 189
123. Die Alte im Walde — 198
124. Die drei Bruͤder — 202
125. Der Teufel und seine Großmutter — 205
126. Ferenand getruͤ un Ferenand ungetruͤ — 209
127. Der Eisenofen — 216
128. Die faule Spinnerin — 224
129. Die vier kunstreichen Bruͤder — 227
130. Einaͤuglein , Zweiaͤuglein und Dreiaͤuglein — 233
131 . Die schoͤne Katrinelje und Pif , Paf , Poltrie — 244
132. Der Fuchs und das Pferd — 246
133 . Die zertanzten Schuhe — 248
134. Die sechs Diener — 253
135. Die weiße und schwarze Braut S. 262
136. De wilde Mann — 268
137. De drei schwatten Princessinnen — 272
138. Knoist un sine dre Suͤhne — 275
139. Dat Maͤken von Brakel — 276
140. Das Hausgesinde — 277
141. Das Laͤmmchen und Fischchen — 278
142. Simeliberg — 281
143. Up Reisen gohn — 284
144. Das Eselein — 286
145. Der undankbare Sohn — 291
146. Die Ruͤbe — 292
147 . Das junggegluͤhte Maͤnnlein — 296
148. Des Herrn und des Teufels Gethier — 298
149. Der Hahnenbalken — 300
150. Die alte Bettelfrau — 302
151. Die drei Faulen — 303
152. Das Hirtenbuͤblein — 304
153. Der Sternthaler — 306
154. Der gestohlene Heller — 308
155. Die Brautschau — 310
156. Die Schlickerlinge — 311
157. Der Sperling und seine vier Kinder — 312
158. Das Maͤrchen vom Schlauraffenland — 316
159 . Das Dietmarsische Luͤgenmaͤrchen — 318
160. Raͤthselmaͤrchen — 319
161. Schneeweißchen und Rosenroth — 320
162. Der kluge Knecht — 330
163. Der glaͤserne Sarg — 331
164 . Der faule Heinz S. 340
165. Der Vogel Greif — 344
166. Der starke Hans — 353
167. Das Buͤrle im Himmel — 363
168. Der goldene Schluͤssel — 364
Kinderlegenden .
1. Der heilige Joseph im Walde — 367
2. Die zwoͤlf Apostel — 371
3. Die Rose — 373
4. Armuth und Demuth fuͤhren zum Himmel — 374
5. Gottes-Speise — 376
6. Die drei gruͤnen Zweige — 377
7. Muttergottesglaͤschen — 381
8. Das alte Muͤtterchen — 382
9. Die himmlische Hochzeit — 384
87.
Der Arme und der Reiche .
V or alten Zeiten , als der liebe Gott noch selber auf Erden unter den Menschen wandelte , trug es sich zu , daß er eines Abends muͤde war , und ihn die Nacht uͤberfiel , eh er zu einer Herberge kommen konnte . Nun standen auf dem Weg vor ihm zwei Haͤuser einander gegenuͤber , daß eine groß und schoͤn , das andere klein und aͤrmlich anzusehen , und gehoͤrte das große einem Reichen , das kleine einem armen Manne . Da dachte unser Herr Gott ‘ dem Reichen werde ich nicht beschwerlich fallen , bei ihm will ich anklopfen . ’ Der Reiche , als er an seine Thuͤre klopfen hoͤrte , machte das Fenster auf , und fragte den Fremdling was er suche ? Der Herr antwortete ‘ ich bitte nur um ein Nachtlager . ’ Der Reiche guckte den Wandersmann vom Haupt bis zu den Fuͤßen an , und weil der liebe Gott schlichte Kleider trug , und nicht aussah wie einer , der viel Geld in der Tasche hat , schuͤttelte er mit dem Kopf , und sprach ‘ ich kann euch nicht aufnehmen , meine Kammern liegen voll Kraͤuter und Samen , und sollte ich einen jeden beherbergen , der an meine Thuͤre klopft , so koͤnnte ich selber den Bettelstab in die Hand nehmen . Sucht anderswo ein Auskommen . ’
Schlug damit sein Fenster zu , und ließ den lieben Gott stehen . Also kehrte ihm der liebe Gott den Ruͤcken , gieng hinuͤber zu dem kleinen Haus , und klopfte an . Kaum hatte er angeklopft , klinkte der Arme schon sein Thuͤrchen auf , und bat den Wandersmann einzutreten und bei ihm die Nacht uͤber zu bleiben . ‘ Es ist schon finster ,’ sagte er , ‘ und heute koͤnnt ihr doch nicht weiter kommen . ’ Das gefiel dem lieben Gott , und er trat zu ihm ein : die Frau des Armen reichte ihm die Hand , hieß ihn willkommen , und sagte er moͤchte sichs bequem machen und vorlieb nehmen , sie haͤtten nicht viel , aber was es waͤre , gaͤben sie von Herzen gerne . Dann setzte sie Kartoffeln ans Feuer , und derweil sie kochten , melkte sie ihre Ziege , damit sie ein Bischen Milch dazu haͤtten . Und als der Tisch gedeckt war , setzte sich der liebe Gott zu ihnen und aß mit , und schmeckte ihm die schlechte Kost gut , denn es waren vergnuͤgte Gesichter dabei . Wie sie gegessen hatten und Schlafenszeit war , rief die Frau heimlich ihren Mann , und sprach ‘ hoͤr , lieber Mann , wir wollen uns heute Nacht eine Streu machen , damit der arme Wanderer sich in unser Bett legen und ausruhen kann , er ist den ganzen Tag uͤber gegangen , da wird einer muͤde . ’ ‘ Von Herzen gern ,’ antwortete er , ‘ ich wills ihm anbieten ,’ gieng zu dem lieben Gott und bat ihn , wenns ihm recht waͤre , moͤcht er sich in ihr Bett legen und seine Glieder ordentlich ausruhen . Der liebe Gott wollte den beiden Alten ihr Lager nicht nehmen , aber sie ließen nicht ab , bis er es endlich that und sich in ihr Bett legte : sich selbst aber machten
sie eine Streu auf die Erde . Am andern Morgen standen sie vor Tag schon auf , und kochten dem Gast ein Fruͤhstuͤck , so gut sie es hatten . Als nun die Sonne durchs Fensterlein schien , und der liebe Gott aufgestanden war , aß er wieder mit ihnen , und wollte dann seines Weges ziehen . Als er in der Thuͤre stand , sprach er ‘ weil ihr so mitleidig und fromm seyd , so wuͤnscht euch dreierlei , das will ich euch erfuͤllen . ’ Da sagte der Arme ‘ was soll ich mir sonst wuͤnschen , als die ewige Seligkeit , und daß wir zwei , so lang wir leben , gesund sind , und unser nothduͤrftiges taͤgliches Brot haben ; fuͤrs dritte weiß ich mir nichts zu wuͤnschen .’ Der liebe Gott sprach ‘willst du dir nicht ein neues Haus fuͤr das alte wuͤnschen ? ’ Da sagte der Mann ja , wenn das gienge , waͤrs ihm wohl lieb . Nun erfuͤllte der Herr ihre Wuͤnsche , und verwandelte ihr altes Haus in ein schoͤnes neues , und als das geschehen war , verließ er sie und zog weiter .
Als es voller Tag war , der Reiche aufstand , und sich ins Fenster legte , sah er gegenuͤber ein schoͤnes neues Haus da wo sonst eine alte Huͤtte gestanden hatte . Da machte er Augen , rief seine Frau , und sprach ‘Frau , sieh einmal , wie ist das zugegangen ? Gestern Abend stand dort eine elende Huͤtte , und nun ists ein schoͤnes neues Haus ; lauf doch einmal hinuͤber , und hoͤre wie das gekommen ist . ’ Die Frau gieng hin , und fragte den Armen aus , der erzaͤhlte ihr ‘ gestern Abend kam ein Wanderer , der suchte Nachtherberge , und heute Morgen beim Abschied hat er uns drei Wuͤnsche gewaͤhrt , die ewige Seligkeit ,
Gesundheit in diesem Leben und das nothduͤrftige taͤgliche Brot dazu , und statt unserer alten Huͤtte ein schoͤnes neues Haus . ’ Als die Frau des Reichen das gehoͤrt hatte , lief sie fort , und erzaͤhlte ihrem Manne wie es gekommen war . Der Mann sprach ‘ ich moͤchte mich zerreissen und zerschlagen ; haͤtt ich das nur gewußt ! der Fremde ist auch bei mir gewesen , ich habe ihn aber abgewiesen . ’ ‘ Eil dich ,’ sprach die Frau , ‘ und setze dich auf dein Pferd , der Mann ist noch nicht weit , du mußt ihn einholen , und dir auch drei Wuͤnsche gewaͤhren lassen .’
Da setzte sich der Reiche auf , und holte den lieben Gott ein , redete fein und lieblich zu ihm , und sprach er moͤchts doch nicht uͤbel nehmen daß er ihn nicht gleich eingelassen , er haͤtte den Schluͤssel zur Hausthuͤre gesucht , derweil waͤre er weggegangen : wenn er des Weges zuruͤck kaͤme , muͤßte er bei ihm einkehren . ‘ Ja ,’ sprach der liebe Gott , ‘ wenn ich einmal zuruͤckkomme , will ich es thun . ’ Da fragte der Reiche ob er nicht auch drei Wuͤnsche thun duͤrfte , wie sein Nachbar ? ‘ Ja ,’ sagte der liebe Gott , ‘ das duͤrfe er wohl , es waͤre aber nicht gut fuͤr ihn , und er sollte sich lieber nichts wuͤnschen .’ Der Reiche aber meinte er wollte sich schon etwas Gutes aussuchen , wenn es nur gewiß erfuͤllt wuͤrde . Sprach der liebe Gott ‘ reit nur heim , und drei Wuͤnsche , die du thust , die sollen erfuͤllt werden .’
Nun hatte der Reiche , was er wollte , ritt heimwaͤrts , und besann sich was er sich wuͤnschen sollte . Wie er so nach dachte , und die Zuͤgel fallen ließ , fieng das Pferd an zu springen so daß er immerfort in seinen Gedanken gestoͤrt wurde , und sie
gar nicht zusammen bringen konnte . Da ward er uͤber das Pferd aͤrgerlich , und sprach in Ungeduld ‘ so wollt ich , daß du den Hals zerbraͤchst ! ’ und wie er das Wort ausgesprochen hatte , plump , fiel er auf die Erde , und lag das Pferd todt und regte sich nicht mehr ; und war der erste Wunsch erfuͤllt . Weil er aber geizig war , wollte er das Sattelzeug nicht im Stich lassen , schnitts ab , hiengs auf den Ruͤcken , und mußte nun zu Fuß nach Haus gehen . Doch troͤstete er sich daß ihm noch zwei Wuͤnsche uͤbrig waͤren . Wie er nun dahin gieng durch den Sand , und als zu Mittag die Sonne heiß brannte , wards ihm so warm und verdrießlich zu Muth : der Sattel druͤckte ihn dabei auf den Ruͤcken , auch war ihm noch immer nicht eingefallen was er sich wuͤnschen sollte . ‘ Wenn ich mir auch alle Reiche und alle Schaͤtze der Welt wuͤnsche ,’ dachte er bei sich selbst , ‘ so habe ich hernach doch noch allerlei Wuͤnsche , dieses und jenes , das weiß ich im voraus : ich will aber meinen Wunsch so einrichten , daß mir gar nichts mehr uͤbrig bleibt , wonach ich noch Verlangen haͤtte . ’ Meinte er diesmal haͤtte er etwas , so schiens ihm hernach doch viel zu wenig und gering . Da kam ihm so in die Gedanken was es doch seine Frau jetzt gut habe , die sitze daheim in einer kuͤhlen Stube , und lasse sichs wohl schmecken . Das aͤrgerte ihn ordentlich , und ohne daß ers wußte , sprach er so hin ‘ ich wollte , die saͤße daheim auf dem Sattel und koͤnnte nicht herunter , statt daß ich ihn da mit mir auf dem Ruͤcken schleppe . ’ Und wie das letzte Wort aus seinem Munde kam , so war der Sattel von seinem Ruͤcken verschwunden ,
und er merkte daß sein zweiter Wunsch auch in Erfuͤllung gegangen war . Da ward ihm erst recht heiß , rund er fieng an zu laufen , und wollte sich daheim ganz einsam hinsetzen , und auf was Großes fuͤr den letzten Wunsch nachdenken . Wie er aber ankommt , und seine Stubenthuͤr aufmacht , sitzt da seine Frau mittendrin auf dem Sattel , und kann nicht herunter , jammert und schreit . Da sprach er ‘gib dich zufrieden , ich will dir alle Reichthuͤmer der Welt herbei wuͤnschen , nur bleib da sitzen . ’ Sie antwortete aber ‘ was helfen mir alle Reichthuͤmer der Welt , wenn ich auf dem Sattel sitze ; du hast mich darauf gewuͤnscht , du mußt mir auch wieder herunter helfen . ’ Er mochte wollen oder nicht , er mußte den dritten Wunsch thun , daß sie vom Sattel ledig waͤre und heruntersteigen koͤnnte ; und der ward auch erfuͤllt . Also hatte er nichts davon als Aerger , Muͤhe und ein verlornes Pferd : die Armen aber lebten vergnuͤgt still und fromm bis an ihr seliges Ende .
88.
Das singende springende Loͤweneckerchen .
E s war einmal ein Mann , der hatte eine große Reise vor , und beim Abschied fragte er seine drei Toͤchter was er ihnen mitbringen sollte . Da wollte die aͤlteste Perlen , die zweite Diamanten , die dritte aber sprach ‘lieber Vater , ich wuͤnsche mir ein singendes springendes Loͤweneckerchen ( Lerche ) .’ Der Vater sagte ‘ ja , wenn ich es kriegen kann , sollst du es haben ,’ kuͤßte alle drei , und zog fort . Als nun die Zeit kam , daß er wieder auf dem Heimweg war , hatte er Perlen und Diamanten fuͤr die zwei aͤltesten gekauft , aber das singende springende Loͤweneckerchen fuͤr die juͤngste hatte er umsonst aller Orten gesucht , und das that ihm leid , denn sie war sein liebstes Kind . Da fuͤhrte ihn sein Weg durch einen Wald , und mitten darin war ein praͤchtiges Schloß , und nah am Schloß stand ein Baum , ganz oben auf der Spitze des Baums aber sah er ein Loͤweneckerchen singen und springen . ‘ Ei , du kommst mir gerade recht ’ sagte er , war froh , und rief seinem Diener , er sollte hinaufsteigen und das Thierchen fangen . Wie der aber an den Baum herantrat , sprang ein Loͤwe darunter auf , schuͤttelte sich und bruͤllte , daß das Laub an den Baͤumen zitterte ; ‘ wer mir mein singendes springendes Loͤweneckerchen stehlen will ,’ rief er , ‘ den fresse ich auf . ’ Da sagte der Mann ‘ ich habe nicht gewußt daß der Vogel
dir gehoͤrt ; ich will mein Unrecht wieder gut machen , und mich mit schwerem Golde loskaufen , laß wir mir nur das Leben . ’ Der Loͤwe sprach ‘dich kann nichts retten , als wenn du mir zu eigen versprichst , was dir daheim zuerst begegnet ; willst du das aber thun , so schenke ich dir das Leben und den Vogel fuͤr deine Tochter obendrein . ’ Der Mann aber weigerte sich , und sprach ‘ das koͤnnte meine juͤngste Tochter seyn , die hat mich am liebsten , und lauft mir immer entgegen , wenn ich nach Haus komme . ’ Dem Diener aber war Angst , und er sagte ‘ muß euch denn gerade eure Tochter begegnen , es koͤnnte ja auch eine Katze oder ein Hund seyn . ’ Da ließ sich der Mann uͤberreden , nahm das singende springende Loͤweneckerchen , und versprach dem Loͤwen zu eigen was ihm daheim zuerst begegnen wuͤrde .
Wie er daheim anlangte und in sein Haus eintrat war das erste , was ihm begegnete , niemand anders , als seine juͤngste liebste Tochter ; die kam gelaufen , und kuͤßte und herzte ihn , und als sie sah , daß er ein singendes springendes Loͤweneckerchen mitgebracht hatte , freute sie sich noch mehr . Der Vater aber konnte sich nicht freuen , sondern fieng an zu weinen , und sagte ‘ mein liebstes Kind , den kleinen Vogel habe ich theuer gekauft , ich habe dich dafuͤr einem wilden Loͤwen versprechen muͤssen , und wenn er dich hat , wird er dich zerreissen und fressen ,’ und erzaͤhlte ihr da alles , wie es zugegangen war , und bat sie nicht hin zu gehen , es moͤchte auch kommen was da wollte . Sie troͤstete ihn aber , und sprach ‘liebster Vater , was ihr versprochen habt muß auch gehalten werden ; ich will hingehen , und will
den Loͤwen schon besaͤnftigen , daß ich wieder gesund zu euch heim komme . ’ Am andern Morgen ließ sie sich den Weg zeigen , nahm Abschied , und gieng getrost in den Wald hinein . Der Loͤwe aber war ein verzauberter Koͤnigssohn , und war bei Tag ein Loͤwe , und mit ihm wurden alle seine Leute zu Loͤwen , in der Nacht aber hatten sie ihre natuͤrliche menschliche Gestalt wieder . Als sie nun ankam , empfieng er sie freundlich , und ward Hochzeit gehalten , und in der Nacht war er ein schoͤner Mann , und da wachten sie in der Nacht , und schliefen am Tag , und lebten eine lange Zeit vergnuͤgt mit einander . Zu einer Zeit kam er , und sagte ‘ morgen ist ein Fest in deines Vaters Haus , weil deine aͤlteste Schwester sich verheirathet , und wenn du Lust hast hinzugehen , so sollen dich meine Loͤwen hinfuͤhren . ’ Da sagte sie ja , sie moͤchte gern ihren Vater wiedersehen ; und fuhr hin , und wurde von den Loͤwen begleitet . Da war große Freude , als sie ankam , denn sie hatten alle geglaubt sie waͤre schon lange todt , und von dem Loͤwen zerrissen worden . Sie erzaͤhlte aber wie gut es ihr gienge , und blieb bei ihnen so lang die Hochzeit dauerte , dann fuhr sie wieder zuruͤck in den Wald . Wie die zweite Tochter heirathete , und sie wieder zur Hochzeit eingeladen war , sprach sie zum Loͤwen ‘ diesmal will ich nicht allein seyn , du mußt mitgehen . ’ Der Loͤwe aber wollte nicht , und sagte es waͤre zu gefaͤhrlich fuͤr ihn , denn wenn dort der Strahl eines brennenden Lichts ihn beruͤhrte , so wuͤrde er in eine Taube verwandelt , und muͤßte sieben Jahre lang mit den Tauben fliegen . Sie ließ ihm aber keine Ruhe , und sagte sie wollte ihn schon huͤten und vor
allem Licht bewahren . Also zogen sie zusammen , und nahmen auch ihr kleines Kind mit . Sie aber ließ dort einen Saal mauern , so stark und dick , daß kein Strahl durchdringen konnte , darin sollt er sitzen wann die Hochzeitslichter angesteckt wuͤrden . Die Thuͤr aber war von frischem Holz gemacht , das sprang , und bekam einen kleinen Ritz , den kein Mensch bemerkte . Nun ward die Hochzeit mit Pracht gefeiert , wie aber der Zug aus der Kirche zuruͤckkam mit den vielen Fackeln und Lichtern an dem Saal vorbei , da fiel ein duͤnner duͤnner Strahl auf den Koͤnigssohn , und wie dieser ihn beruͤhrt hatte , in dem Augenblick war er auch verwandelt , und als sie hinein kam , und ihn suchte , sah sie ihn nicht , aber es saß da eine weiße Taube . Die Taube sprach zu ihr ‘sieben Jahr muß ich nun in die Welt fortfliegen , alle sieben Schritte aber will ich einen rothen Blutstropfen und ein weiße Feder fallen lassen , die sollen dir den Weg zeigen , und wenn du der Spur folgst , kannst du mich erloͤsen .’
Da flog die Taube zur Thuͤr hinaus , und sie folgte ihr nach , und alle sieben Schritte fiel ein rothes Blutstroͤpfchen und ein weißes Federchen herab , und zeigte ihr den Weg . So gieng sie immer zu in die weite Welt hinein , und schaute nicht um sich , und ruhte sich nicht , und waren fast die sieben Jahre herum ; da freute sie sich , und meinte sie waͤren bald erloͤst , und war noch so weit davon . Einmal , als sie so fortgieng , fiel kein Federchen mehr , und auch kein rothes Blutstroͤpfchen , und als sie die Augen aufschlug , so war die Taube verschwunden . Und weil sie dachte ‘Menschen koͤnnen dir da nichts helfen , ’ so stieg sie zur
Sonne hinauf , und sagte zu ihr ‘ du scheinst in alle Ritzen und uͤber alle Spitzen , hast du keine weiße Taube fliegen sehen ? ’ ‘Nein ,’ sagte die Sonne , ‘ ich habe keine gesehen , aber da schenk ich dir ein Kaͤstchen , das mach auf , wenn du in großer Noth bist . ’ Da dankte sie der Sonne , und gieng weiter bis es Abend war , und der Mond schien , da fragte sie ihn ‘ du scheinst ja die ganze Nacht , durch alle Felder und Waͤlder , hast du keine weiße Taube fliegen sehen ? ’ ‘Nein ,’ sagte der Mond , ‘ ich habe keine gesehen , aber da schenk ich dir ein Ei , das zerbrich wenn du in großer Noth bist . ’ Da dankte sie dem Mond , und gieng weiter , bis der Nachtwind wehte , da sprach sie zu ihm ‘ du wehst ja uͤber alle Baͤume und unter allen Blaͤtterchen weg , hast du keine weiße Taube fliegen sehen . ‘Nein ,’ sagte der Nachtwind , ‘ ich habe keine gesehen , aber ich will die drei andern Winde fragen , die haben sie vielleicht gesehen .’ Der Ostwind und der Westwind kamen , und sagten sie haͤtten nichts gesehen , der Suͤdwind aber sprach ‘ die weiße Taube habe ich gesehen , sie ist zum rothen Meer geflogen , da ist sie wieder ein Loͤwe geworden , denn die sieben Jahre sind herum , und der Loͤwe steht dort im Kampf mit einem Lindwurm , der Lindwurm ist aber eine verzauberte Koͤnigstochter . ’ Da sagte der Nachtwind zu ihr ‘ ich will dir Rath geben , geh zum rothen Meer , am rechten Ufer da stehen große Ruthen , die zaͤhle , und die eilfte schneid dir ab , und schlag den Lindwurm damit , dann kann ihn der Loͤwe bezwingen , und beide bekommen auch ihren menschlichen Leib wieder ; dann schau dich um , und du wirst den Vogel Greif sehen ,
der am rothen Meer sitzt , schwing dich mit deinem Liebsten auf seinen Ruͤcken , der Vogel wird euch uͤbers Meer nach Haus tragen . Da hast du auch eine Nuß , wenn du mitten uͤber dem Meer bist , laß sie herab fallen , alsbald wird sie aufgehen , und ein großer Nußbaum aus dem Wasser hervorwachsen , auf dem sich der Greif ausruht , und koͤnnte er nicht ruhen , so waͤre er nicht stark genug euch hinuͤber zu tragen , und wenn du vergißt die Nuß herab zu werfen , so laͤßt er euch ins Meer fallen .’
Da gieng sie hin , und fand alles wie der Nachtwind gesagt hatte . Sie zaͤhlte die Ruthen am Meer , und schnitt die eilfte ab , damit schlug sie den Lindwurm , und der Loͤwe bezwang ihn , alsbald hatten beide ihren menschlichen Leib wieder . Aber wie die Koͤnigstochter , die vorher ein Lindwurm gewesen war , vom Zauber frei war , nahm sie den Juͤngling in den Arm , setzte sich auf den Vogel Greif , und fuͤhrte ihn mit sich fort . Da stand die arme weitgewanderte , und war wieder verlassen , und setzte sich nieder und weinte ; endlich aber ermuthigte sie sich , und sprach ‘ ich will noch so weit gehen als der Wind weht , und so lang als der Hahn kraͤht , bis ich ihn finde . ’ Und gieng fort , lange lange Wege , bis sie endlich zu dem Schloß kam , wo beide zusammen lebten , da hoͤrte sie daß bald ein Fest waͤre , wo sie Hochzeit mit einander machen wollten . Sie sprach aber ‘Gott hilft mir noch , ’ und nahm das Kaͤstchen , das ihr die Sonne gegeben hatte , da lag ein Kleid darin , so glaͤnzend wie die Sonne selber . Da nahm sie es heraus , und zog es an , und gieng hinauf in das Schloß und alle Leute , und die Braut selber , sahen
sie mit Verwunderung an ; und das Kleid gefiel der Braut so gut , daß sie dachte es koͤnnte ihr Hochzeitkleid geben , und fragte ob es nicht feil waͤre ? ‘ Nicht fuͤr Geld und Gut ,’ antwortete sie , ‘ aber fuͤr Fleisch und Blut . ’ Die Braut fragte was sie damit meinte ? Da sagte sie ‘ laßt mich eine Nacht in der Kammer schlafen , wo der Braͤutigam schlaͤft . ’ Die Braut wollte nicht , und wollte doch gerne das Kleid haben , endlich willigte sie ein , aber der Kammerdiener mußte dem Koͤnigssohn einen Schlaftrunk geben . Als es nun Nacht war , und der Juͤngling schon schlief , ward sie in die Kammer gefuͤhrt . Da setzte sie sich ans Bett , und sagte ‘ ich bin dir nachgefolgt sieben Jahre , bin bei Sonne , Mond und den Winden gewesen , und habe nach dir gefragt , und habe dir geholfen gegen den Lindwurm , willst du mich denn ganz vergessen ? ’ Der Koͤnigssohn aber schlief so hart , daß es ihm nur vorkam , als rausche der Wind draußen in den Tannenbaͤumen . Wie nun der Morgen anbrach , da ward sie wieder hinausgefuͤhrt , und mußte das goldene Kleid hingeben . Und als auch das nichts geholfen hatte , ward sie traurig , gieng hinaus auf eine Wiese , setzte sich da hin , und weinte . Und wie sie so saß , da fiel ihr das Ei noch ein , das ihr der Mond gegeben hatte ; sie schlug es auf , da kam eine Glucke heraus mit zwoͤlf Kuͤchlein ganz von Gold , die liefen herum , und piepten und krochen der Alten wieder unter die Fluͤgel , so daß nichts schoͤneres auf der Welt zu sehen war . Da stand sie auf , trieb sie auf der Wiese vor sich her , so lange bis die Braut aus dem Fenster sah , und da gefielen ihr die kleinen Kuͤchlein so gut , daß sie gleich herab
kam , und fragte ob sie nicht feil waͤren ? ‘ Nicht fuͤr Geld und Gut , aber fuͤr Fleisch und Blut ; laßt mich noch eine Nacht in der Kammer schlafen , wo der Braͤutigam schlaͤft . ’ Die Braut sagte ja , und wollte sie betruͤgen wie am vorigen Abend . Als aber der Koͤnigssohn zu Bett gieng , fragte er seinen Kammerdiener was das Murmeln und Rauschen in der Nacht gewesen sey . Da erzaͤhlte der Kammerdiener alles , daß er ihm einen Schlaftrunk haͤtte geben muͤssen , weil ein armes Maͤdchen heimlich in der Kammer geschlafen haͤtte , und heute Nacht sollte er ihm wieder einen geben . Sagte der Koͤnigssohn ‘ gieß den Trank neben das Bett aus . ’ Zur Nacht wurde sie wieder hereingefuͤhrt , und als sie anfieng zu erzaͤhlen wie es ihr traurig ergangen waͤre , da erkannte er gleich an der Stimme seine liebe Gemahlin , sprang auf , und rief ‘ jetzt bin ich erst recht erloͤst , mir ist gewesen , wie in einem Traum , denn die fremde Koͤnigstochter hat mich bezaubert , daß ich dich vergessen mußte , aber Gott hat noch zu rechter Stunde die Bethoͤrung von mir genommen . ’ Da giengen sie beide in der Nacht heimlich aus dem Schloß , denn sie fuͤrchteten sich vor dem Vater der Koͤnigstochter , der ein Zauberer war , und setzten sich auf den Vogel Greif , der trug sie uͤber das rothe Meer , und als sie in der Mitte waren , ließ sie die Nuß fallen . Alsbald wuchs ein großer Nußbaum , darauf ruhte sich der Vogel , und dann fuͤhrte er sie nach Haus , wo sie ihr Kind fanden , das war groß und schoͤn geworden , und sie lebten von nun an vergnuͤgt bis an ihr Ende .
89.
Die Gaͤnsemagd .
E s lebte einmal eine alte Koͤnigin , der war ihr Gemahl schon lange Jahre gestorben , und sie hatte eine schoͤne Tochter . Wie die erwuchs , wurde sie weit uͤber Feld auch an einen Koͤnigssohn versprochen . Als nun die Zeit kam , wo sie vermaͤhlt werden sollten , und das Kind in das fremde Reich abreisen mußte , packte ihr die Alte gar viel koͤstliches Geraͤth und Geschmeide ein , Gold und Silber , Becher und Kleinode , kurz alles , was nur zu einem koͤniglichen Brautschatz gehoͤrte , denn sie hatte ihr Kind von Herzen lieb . Auch gab sie ihr eine Kammerjungfer bei , welche mitreiten und die Braut in die Haͤnde des Braͤutigams uͤberliefern sollte , und jede bekam ein Pferd zur Reise , aber das Pferd der Koͤnigstochter hieß Falada , und konnte sprechen . Wie nun die Abschiedsstunde da war , begab sich die alte Mutter in ihre Schlafkammer , nahm ein Messerlein , und schnitt damit in ihre Finger , daß sie bluteten : darauf hielt sie ein weißes Laͤppchen unter , und ließ drei Tropfen Blut hineinfallen , gab sie der Tochter , und sprach ‘liebes Kind verwahr sie wohl , sie werden dir unterweges Noth thun .’
Also nahmen beide von einander betruͤbten Abschied : das
Laͤppchen steckte die Koͤnigstochter in ihren Busen vor sich , setzte sich aufs Pferd , und zog nun fort zu ihrem Braͤutigam . Da sie eine Stunde geritten waren , empfand sie heißen Durst , und rief ihrer Kammerjungfer ‘ steig ab , und schoͤpfe mir mit meinem Becher , den du aufzuheben hast , Wasser aus dem Bache , ich moͤchte gern einmal trinken . ’ ‘ Wenn ihr Durst habt ,’ sprach die Kammerjungfer , ‘ so steigt selber ab , legt euch ans Wasser und trinkt , ich mag eure Magd nicht seyn . ’ Da stieg die Koͤnigstochter vor großem Durst herunter , neigte sich uͤber das Waͤsserlein im Bach und trank , und durfte nicht aus dem goldnen Becher trinken . Da sprach sie ‘ ach Gott ! ’ da antworteten die drei Blutstropfen ‘ wenn das deine Mutter wuͤßte , das Herz im Leibe thaͤt ihr zerspringen . ’ Aber die Koͤnigsbraut war demuͤthig , sagte nichts , und stieg wieder zu Pferd . So ritten sie etliche Meilen weiter fort , und der Tag war warm , die Sonne stach , und sie durstete bald von neuem : da sie nun an einen Wasserfluß kamen , rief sie noch einmal ihrer Kammerjungfer ‘ steig ab , und gieb mir aus meinem Goldbecher zu trinken . ’ Denn sie hatte aller boͤsen Worte laͤngst vergessen . Die Kammerjungfer sprach aber , noch hochmuͤthiger , ‘ wollt ihr trinken , so trinkt allein , ich mag nicht eure Magd seyn . ’ Da stieg die Koͤnigstochter hernieder vor großem Durst , und legte sich uͤber das fließende Wasser , weinte und sprach ‘ ach , Gott ! ’ und die Blutstropfen antworteten wiederum ‘ wenn das deine Mutter wuͤßte , das Herz im Leibe thaͤt ihr zerspringen . ’ Und wie sie so trank , und sich recht uͤberlehnte , fiel ihr das Laͤppchen , worin
die drei Tropfen waren , aus dem Busen , und floß mit dem Wasser fort ohne daß sie es in ihrer großen Angst merkte . Die Kammerjungfer hatte aber zugesehen , und freute sich daß sie Gewalt uͤber die Braut bekaͤme : denn damit , daß diese die Blutstropfen verloren hatte , war sie schwach und machtlos geworden . Als sie nun wieder auf ihr Pferd steigen wollte , das da hieß Falada , sagte die Kammerfrau ‘ auf Falada gehoͤr ich , und auf meinen Gaul gehoͤrst du ,’ und das mußte sie sich gefallen lassen . Dann befahl ihr die Kammerfrau mit harten Worten die koͤniglichen Kleider auszuziehen und ihre schlechten anzulegen , und endlich mußte sie sich unter freiem Himmel verschwoͤren daß sie am koͤniglichen Hof keinem Menschen etwas davon sprechen wollte ; und wenn sie diesen Eid nicht abgelegt haͤtte , waͤre sie auf der Stelle umgebracht worden . Aber Falada sah das alles an , und nahms wohl in Acht .
Die Kammerfrau stieg nun auf Falada , und die wahre Braut auf das schlechte Roß , und so zogen sie weiter , bis sie endlich in dem koͤniglichen Schloß eintrafen . Da war große Freude uͤber ihre Ankunft , und der Koͤnigssohn sprang ihnen entgegen , hob die Kammerfrau vom Pferde , und meinte sie waͤre seine Gemahlin : und sie wurde die Treppe hinaufgefuͤhrt die wahre Koͤnigstochter aber mußte unten stehen bleiben . Da schaute der alte Koͤnig am Fenster , und sah sie im Hofe halten , und sah wie sie fein war , zart und gar schoͤn : gieng alsbald hin ins koͤnigliche Gemach , und fragte die Braut nach der , die sie bei sich haͤtte , und da unten im Hofe staͤnde , und wer sie
waͤre ? ‘ Die hab ich mir unterwegs mitgenommen zur Gesellschaft , gebt der Magd was zu arbeiten , daß sie nicht muͤßig steht . ’ Aber der alte Koͤnig hatte keine Arbeit fuͤr sie , und wußte nichts , als daß er sagte ‘ da hab ich so einen kleinen Jungen , der huͤtet die Gaͤnse , dem mag sie helfen . ’ Der Junge hieß Kuͤrdchen ( Conraͤdchen ) , dem mußte die wahre Braut helfen Gaͤnse huͤten .
Bald aber sprach die falsche Braut zu dem jungen Koͤnig ‘ liebster Gemahl , ich bitte euch thut mir einen Gefallen . ’ Er antwortete ‘ das will ich gerne thun . ’ ‘ Nun so laßt den Schinder rufen , und da dem Pferde , worauf ich hergeritten bin , den Hals abhauen , weil es mich unterweges geaͤrgert hat ,’ eigentlich aber fuͤrchtete sie daß das Pferd sprechen moͤchte wie sie mit der Koͤnigstochter umgegangen waͤre . Nun war das so weit gerathen , daß es geschehen und der treue Falada sterben sollte , da kam es auch der rechten Koͤnigstochter zu Ohr , und sie versprach dem Schinder heimlich ein Stuͤck Geld , das sie ihm bezahlen wollte , wenn er ihr einen kleinen Dienst erwiese . Jn der Stadt war ein großes , finsteres Thor , wo sie Abends und Morgens mit den Gaͤnsen durch mußte , ‘ unter das finstere Thor moͤchte er dem Falada seinen Kopf hinnageln , daß sie ihm doch noch mehr als einmal sehen koͤnnte . ’ Also versprach das der Schindersknecht zu thun , hieb den Kopf ab , und nagelte ihn unter das finstere Thor fest .
Des Morgens fruͤh , als sie und Kuͤrdchen unterm Thor hinaus trieben , sprach sie im Vorbeigehen
‘o du Falada , da du hangest ,’
da antwortete der Kopf
‘o du Jungfer Koͤnigin , da du gangest ,
wenn das deine Mutter wuͤßte ,
ihr Herz thaͤt ihr zerspringen .’
Da zog sie still weiter zur Stadt hinaus , und sie trieben die Gaͤnse aufs Feld . Und wenn sie auf der Wiese angekommen war , saß sie hier , und machte ihre Haare auf , die waren eitel Gold , und Kuͤrdchen sah sie , und freute sich , wie sie glaͤnzten , und wollte ihr ein paar ausraufen . Da sprach sie
‘ weh , weh , Windchen ,
nimm Kuͤrdchen sein Huͤtchen ,
und laß ’n sich mit jagen ,
bis ich mich geflochten und geschnatzt ,
und wieder aufgesatzt .’
Und da kam ein so starker Wind , daß er dem Kuͤrdchen sein Huͤtchen wegwehte uͤber alle Land , daß es ihm nachlief , und bis es wiederkam war sie mit dem Kaͤmmen und Aufsetzen fertig , und er konnte keine Haare kriegen . Da war Kuͤrdchen boͤs , und sprach nicht mit ihr , und so huͤteten sie die Gaͤnse bis daß es Abend wurde , dann fuhren sie nach Haus .
Den andern Morgen , wie sie unter dem finstern Thor hinaustrieben , sprach die Jungfrau
‘o du Falada , da du hangest ,’
Falada antwortete
‘o du Jungfer Koͤnigin , da du gangest ,
wenn das deine Mutter wuͤßte ,
das Herz thaͤt ihr zerspringen .’
Und in dem Feld setzte sie sich wieder auf die Wiese , und fieng an ihr Haar auszukaͤmmen , und Kuͤrdchen lief , und wollte danach greifen , da sprach sie schnell
‘ weh , weh , Windchen ,
nimm dem Kuͤrdchen sein Huͤtchen ,
und laß ’n sich mit jagen ,
bis ich mich geflochten und geschnatzt ,
und wieder aufgesatzt .’
Da wehte der Wind , und wehte ihm das Huͤtchen vom Kopf weit weg , daß Kuͤrdchen nachlaufen mußte , und als es wieder kam , hatte sie laͤngst ihr Haar zurecht , und es konnte keins davon erwischen , und sie huͤteten die Gaͤnse bis es Abend wurde .
Abends aber , nachdem sie heim kamen , gieng Kuͤrdchen vor den alten Koͤnig , und sagte ‘ mit dem Maͤdchen will ich nicht laͤnger Gaͤnse huͤten . ’ ‘Warum denn ? ’ fragte der alte Koͤnig . ‘ Ei , das aͤrgert mich den ganzen Tag . ’ Da befahl ihm der alte Koͤnig zu erzaͤhlen wies ihm denn mit ihr gienge . Da sagte Kuͤrdchen ‘Morgens , wenn wir unter dem finstern Thor mit der Heerde durchkommen , so ist da ein Gaulskopf an der Wand , zu dem redet sie
‘Falada , da du hangest ,’
da antwortet der Kopf
‘o du Koͤnigsjungfer , da du gangest ,
wenn das deine Mutter wuͤßte ,
das Herz thaͤt ihr zerspringen .’
Und so erzaͤhlte Kuͤrdchen weiter , was auf der Ganswiese geschaͤhe , und wie es da dem Hut im Winde nachlaufen muͤßte .
Der alte Koͤnig befahl ihm aber den naͤchsten Tag wieder hinaus zu treiben , und er selbst , wie es Morgens war , setzte sich hinter das finstere Thor , und hoͤrte da wie sie mit dem Haupt des Falada sprach : und dann gieng er ihr auch nach in das Feld , und barg sich in einem Busch auf der Wiese . Da sah er nun bald mit seinen eigenen Augen wie die Gaͤnsemagd und der Gaͤnsejunge die Heerde getrieben brachte , und nach einer Weile sie sich setzte und ihre Haare losflocht , die strahlten von Ganz . Gleich sprach sie wieder :
‘ weh , weh , Windchen ,
faß Kuͤrdchen sein Huͤtchen ,
und laß ’n sich mit jagen ,
bis daß ich mich geflochten und geschnatzt ,
und wieder aufgesatzt .’
Da kam ein Windstoß und fuhr mit Kuͤrdchens Hut weg , daß es weit zu laufen hatte , und die Magd kaͤmmte und flocht ihre Locken still fort , welches der alte Koͤnig alles beobachtete . Darauf gieng er unbemerkt zuruͤck , und als Abends die Gaͤnsemagd heim kam , rief er sie bei Seite , und fragte ‘ warum sie dem allem so thaͤte ? ’ ‘ Das darf ich euch und keinem Menschen nicht sagen , denn so hab ich mich unter freiem Himmel verschworen ,
weil ich sonst um mein Leben waͤre gekommen . Er aber drang in sie , und ließ ihr keinen Frieden : ‘ willst du mirs nicht erzaͤhlen , sagte der alte Koͤnig endlich , so darfst dus doch dem Kachelofen erzaͤhlen . ’ ‘ Ja , das will ich wohl’ antwortete sie . Damit mußte sie in den Ofen kriechen , und schuͤttete ihr ganzes Herz aus , wie ihr bis dahin ergangen , und wie sie von der boͤsen Kammerjungfer betrogen worden war . Aber der Ofen hatte oben ein Loch , da lauerte ihr der alte Koͤnig zu , und vernahm ihr Schicksal von Wort zu Wort . Da wars gut , und Koͤnigskleider wurden ihr alsbald angethan , und es schien ein Wunder , wie sie so schoͤn war . Der alte Koͤnig rief seinen Sohn , und offenbarte ihm daß er die falsche Braut haͤtte , die waͤre bloß ein Kammermaͤdchen : die wahre aber staͤnde hier , als die gewesene Gaͤnsemagd . Der junge Koͤnig aber war herzensfroh , als er ihre Schoͤnheit und Tugend erblickte , und ein großes Mahl wurde angestellt , zu dem alle Leute und guten Freunde gebeten wurden . Obenan saß der Braͤutigam , die Koͤnigstochter zur einen Seite und die Kammerjungfer zur andern , aber die Kammerjungfer war verblendet , und erkannte jene nicht mehr in dem glaͤnzenden Schmuck . Als sie nun gegessen und getrunken hatten , und gutes Muths waren , gab der alte Koͤnig der Kammerfrau ein Raͤthsel auf , was eine solche werth waͤre , die den Herrn so und so betrogen haͤtte , erzaͤhlte damit den ganzen Verlauf , und fragte ‘ welches Urtheils ist diese wuͤrdig ? ’ Da sprach die falsche Braut ‘ die ist nichts besseres werth als splinternackt ausgezogen in ein Faß , das inwendig mit spitzen Naͤgeln
beschlagen ist , geworfen zu werden : und zwei weiße Pferde , davor gespannt , muͤssen sie Gasse auf Gasse ab zu Tode schleifen . ’ ‘ Das bist du ,’ sprach der alte Koͤnig , ‘ und dein eigen Urtheil hast du gefunden , und danach soll dir widerfahren ;’ welches auch vollzogen wurde . Der junge Koͤnig vermaͤhlte sich aber mit seiner rechten Gemahlin , und beide beherrschten ihr Reich in Frieden und Seligkeit .
90.
Der junge Riese .
E in Bauersmann hatte einen Sohn , der war so groß wie ein Daumen , und ward gar nicht groͤßer , und wuchs in etlichen Jahren nicht haarbreit . Einmal wollte der Bauer ins Feld gehen , und pfluͤgen , da sagte der Kleine ‘Vater , ich will mit hinaus . ’ ‘Nein ,’ sprach der Vater , ‘ bleib du nur hier , draußen bist du zu nichts nutz , du koͤnntest mir auch verloren gehen . ’ Da fieng der Daͤumling an zu weinen , und wollte der Vater Ruhe haben , so mußte er ihn mitnehmen . Also steckte er ihn in die Tasche , und auf dem Felde that er ihn heraus , und setzte ihn in eine frische Furche . Wie er da so saß , kam uͤber den Berg ein großer Riese daher . ‘Siehst du dort den großen Butzemann ? ’ sagte der Vater , und wollte den Kleinen schrecken , damit er artig waͤre , ‘ der kommt und holt dich . ’ Der Riese aber hatte mit seinen langen Beinen nur ein Paar Schritte gethan , so war er bei der Furche , nahm den kleinen Daͤumling heraus , und gieng mit ihm fort . Der Vater stand dabei , konnte vor Schreck kein Wort sprechen , und glaubte sein Kind waͤre nun verloren , also daß ers sein Lebtag nicht wieder sehen wuͤrde .
Der Riese aber nahm es mit sich , und ließ es an seiner
Brust saugen , und der Daͤumling wuchs , und ward groß und stark nach Art der Riesen , und als zwei Jahre herum waren , gieng der Alte mit ihm in den Wald , und wollte ihn versuchen , und sprach ‘ zieh dir da eine Gerte heraus . ’ Da war der Knabe schon so stark , daß er einen jungen Baum mit den Wurzeln aus der Erde riß . Der Riese aber dachte ‘ das muß besser kommen , ’ und nahm ihn wieder mit , saͤugte ihn noch zwei Jahre , und als er ihn abermals in den Wald fuͤhrte , sich zu versuchen , riß er schon einen viel groͤßeren Baum heraus . Das war aber dem Riesen noch nicht genug , und er saͤugte ihn noch zwei Jahre , gieng dann mit ihm in den Wald , und sprach : ‘ nun reiß einmal eine ordentliche Gerte aus . ’ Da riß der Junge den dicksten Eichenbaum aus der Erde , daß es krachte , und war ihm nur ein Spaß . Wie der alte Riese das sah , sprach er ‘ nun ists gut , du hast ausgelernt ,’ und fuͤhrte ihn zuruͤck auf den Acker , wo er ihn geholt hatte . Sein Vater pfluͤgte gerade wieder , da gieng der junge Riese auf ihn zu , und sprach ‘ sieht er wohl , Vater , wies gekommen ist , und was sein Sohn fuͤr ein Mann geworden ist . ’ Da erschrack der Bauer , und sagte ‘ nein , du bist mein Sohn nicht , geh weg von mir . ’ ‘Freilich bin ich sein Sohn , laß er mich einmal pfluͤgen , ich kanns so gut , wie er auch . ’ ‘Nein , du bist mein Sohn nicht , du kannst auch nicht pfluͤgen , geh nur weg von mir . ’ Weil er sich aber vor dem großen Mann fuͤrchtete , ließ er den Pflug los , gieng weg , und setzte sich zur Seite ans Land . Da nahm der Junge das Geschirr , und wollte pfluͤgen , und druͤckte blos mit der einen Hand darauf , aber der Druck
war schon so gewaltig , daß der Pflug tief in die Erde gieng . Der Bauer konnte das nicht mit ansehen , und rief ihm zu ‘ wenn du pfluͤgen willst , mußt du nicht so gewaltig druͤcken , das gibt ja schlechte Arbeit . ’ Der Junge aber spannte die Pferde aus , und spannte sich selber vor den Pflug , und sagte ‘geh er nur nach Haus , Vater , und sag er der Mutter , sie sollte eine große Schuͤssel voll zu essen kochen ; ich will derweil den Acker schon herumreißen . ’ Da gieng der Bauer heim , und bestellte es bei seiner Frau , und die kochte eine tuͤchtige Schuͤssel voll ; der Junge aber pfluͤgte das Land , zwei Morgen Felds , ganz allein , und dann spannte er sich auch selber vor die Egge , und eggte alles mit zwei Eggen zugleich . Wie er fertig war , gieng er in den Wald , und riß zwei Eichenbaͤume aus , legte sie auf die Schultern , und hinten und vorn eine Egge drauf , und hinten und vorn auch ein Pferd , und trug das alles wie ein Bund Stroh nach Haus . Wie er in den Hof kam , erkannte ihn seine Mutter nicht , und fragte ‘ wer ist der entsetzliche , große Mann ? ’ Der Bauer sagte ‘ das ist unser Sohn . ’ Sie sprach ‘nein , unser Sohn ist das nimmermehr , so groß haben wir keinen gehabt , unser war ein kleines Ding . ‘ Geh nur weg ,’ rief sie ihm zu ‘ wir wollen dich nicht . ’ Der Junge aber schwieg still , zog seine Pferde in den Stall , gab ihnen Hafer und Heu , und brachte alles in Ordnung ; und wie er fertig war , gieng er in die Stube , setzte sich auf die Bank , und sagte ‘Mutter , nun haͤtte ich Lust zu essen , ists bald fertig ? ’ Da sagte sie ‘ ja ,’ getraute sich nicht ihm zu widersprechen , und brachte zwei große große Schuͤsseln voll herein , daran haͤtte sie
und ihr Mann acht Tage lang satt gehabt . Er aber aß sie allein auf , und fragte ob sie nicht mehr haͤtten ? ‘Nein ,’ sagte sie , ‘ das ist alles , was wir haben . ’ ‘ Das war ja nur zum schmecken , ich muß noch mehr haben . ’ Da gieng sie hin , und setzte einen großen Schweinekessel voll uͤbers Feuer , und wie es gahr war , trug sie es herein . ‘ Nun , da ist noch ein Bischen ’ sagte er , und aß das alles noch hinein ; es war aber doch noch nicht genug . Da sprach er ‘ Vater , ich sehe wohl , bei ihm werd ich nicht satt , will er mir einen Stab von Eisen verschaffen , der stark ist , und den ich vor meinen Knien nicht zerbrechen kann , so will ich wieder fort gehen . ’ Da war der Bauer froh , und spannte seine zwei Pferde vor den Wagen , fuhr zum Schmied , und holte einen Stab so groß und dick , als ihn die zwei Pferde nur fahren konnten . Der Junge aber nahm ihn vor die Knie und ratsch ! zerbrach er ihn wie eine Bohnenstange in der Mitte entzwei . Der Vater spannte da vier Pferde vor , und holte einen Stab so groß und dick , als ihn die vier Pferde fahren konnten . Den nahm der Sohn auch , knickte ihn vor dem Knie entzwei , warf ihn hin , und sprach ‘Vater , der kann mir nicht helfen , er muß besser vorspannen , und einen staͤrkern Stab holen .’ Da spannte der Vater acht Pferde vor , und holte einen so groß und dick , als ihn die acht Pferde nur fahren konnten . Wie der Sohn den kriegte , brach er gleich oben ein Stuͤck davon ab , und sagte ‘Vater , ich sehe er kann mir doch keinen Stab anschaffen , ich will nur so weggehen .’
Da gieng er fort und gab sich fuͤr einen Schmiedegesellen aus .
Er kam in ein Dorf , darin wohnte ein Schmied , der war ein Geizmann , goͤnnte keinem Menschen etwas , und wollte alles allein haben ; zu dem trat er in die Schmiede , und fragte ihn ob er keinen Gesellen brauchte . ’ ‘ Ja ,’ sagte der Schmied , und sah ihn an , und dachte das ist ein tuͤchtiger Kerl , der wird gut vorschlagen und sein Brot verdienen , ‘ wie viel willst du Lohn haben ? ’ ‘ Gar keinen will ich haben ,’ sagte er , ‘ nur alle vierzehn Tage , wenn die andern Gesellen ihren Lohn bezahlt kriegen , will ich dir zwei Streiche geben , die mußt du aushalten . ’ Das war der Geizmann von Herzen zufrieden , und dachte damit viel Geld zu sparen . Am andern Morgen sollte der fremde Geselle zuerst vorschlagen , wie aber der Meister den gluͤhenden Stab brachte , und der Geselle den ersten Schlag that , da flog das Eisen von einander , und der Ambos sank in die Erde , so tief , daß sie ihn gar nicht wieder herausbringen konnten . Da ward der Geizmann boͤs , und sagte ‘ei was , dich kann ich nicht brauchen , du schlaͤgst gar zu grob , was willst du fuͤr den einen Zuschlag haben ? ’ Da sprach er ‘ ich will dir nur einen ganz kleinen Streich geben , weiter nichts . ’ Und hob seinen Fuß auf , und gab ihm einen Tritt , daß er uͤber vier Fuder Heu hinausflog . Darauf nahm er den dicksten Eisenstab aus der Schmiede als einen Stock in die Hand , und gieng weiter .
Als er eine Weile gezogen war , kam er zu einem Amt , und fragte den Amtmann ob er keinen Großknecht noͤthig haͤtte . ‘ Ja ,’ sagte der Amtmann , ‘er koͤnnte einen brauchen , er sehe aus wie ein tuͤchtiger Kerl , der schon was vermoͤchte , wie viel er Jahrslohn
haben wollte . ’ Da sprach er wieder er wollte gar keinen Lohn , aber alle Jahre wollte er ihm drei Streiche geben , die muͤßte er aushalten . Das war der Amtmann zufrieden , denn er war auch so ein Geizhals . Am andern Morgen , da sollten die Knechte ins Holz fahren , und die andern waren schon auf , er aber lag noch im Bett . Da rief ihn einer an ‘ nun steh auf , es ist Zeit , wir wollen ins Holz , du mußt mit . ’ ‘ Ach ,’ sagte er ganz grob und trotzig , ‘ geht ihr nur hin , ich komme doch eher wieder , als ihr alle mit einander . ’ Da giengen die andern zum Amtmann , und erzaͤhlten ihm der Großknecht laͤge noch im Bett , und wollte nicht mit ins Holz fahren . Der Amtmann sagte sie sollten ihn noch einmal wecken , und ihn heißen die Pferde vorspannen . Der Großknecht sprach aber wie vorher ‘ geht ihr nur hin , ich komme doch eher wieder , als ihr alle mit einander . ’ Darauf blieb er noch zwei Stunden liegen , da stieg er endlich aus den Federn , holte sich aber erst zwei Scheffel voll Erbsen vom Boden , kochte sie , und aß sie in guter Ruhe , und wie das alles geschehen war , gieng er hin , spannte die Pferde vor , und fuhr ins Holz . Bald vor dem Holz war ein Hohlweg , wo er durch mußte , da fuhr er den Wagen erst vorwaͤrts , dann mußten die Pferde stille halten , und er gieng hinter den Wagen , und nahm Baͤume und Reisig , und machte da eine große Hucke ( Verhack ) , so daß kein Pferd durchkommen konnte . Wie er nun vors Holz kam , fuhren die andern eben mit ihren beladenen Wagen heraus und wollten heim , da sprach er zu ihnen ‘ fahrt nur hin , ich komme doch eher als ihr nach Haus . ’ Er fuhr aber gar
nicht weit ins Holz , und riß gleich zwei von den allergroͤßten Baͤumen aus der Erde , die lud er auf den Wagen , und drehte um . Wie er vor die Hucke kam , standen die andern noch da und konnten nicht durch . ‘Seht ihr wohl ,’ sprach er , ‘ waͤrt ihr bei mir geblieben , waͤrt ihr eben so gerade nach Haus gekommen , und haͤttet noch eine Stunde schlafen koͤnnen . ’ Er wollte nun zufahren , aber seine vier Pferde die konnten sich nicht durcharbeiten , da spannte er sie aus , legte sie oben auf den Wagen , spannte sich selber vor , huͤf ! zog er alles durch , und das gieng so leicht , als haͤtt er Federn geladen . Wie er druͤben war , sprach er zu den andern ‘ seht ihr wohl , ich bin eher durchgekommen als ihr , ’ und fuhr fort , die andern mußten stehen bleiben . Jn dem Hof aber nahm er einen Baum in die Hand , und zeigte ihn dem Amtmann , und sagte ‘ ist das nicht ein schoͤnes Klafterstuͤck ? ’ Da sprach der Amtmann zu seiner Frau ‘ der Knecht ist gut ; wenn er auch lang schlaͤft , er ist doch eher wieder da , als die andern .’
Nun diente er dem Amtmann ein Jahr ; wie das herum war , und die andern Knechte ihren Lohn kriegten , sprach er nun waͤrs Zeit , er wollte auch gern seinen Lohn sich nehmen . Dem Amtmann ward aber Angst dabei , daß er die Streiche kriegen sollte , und bat ihn gar zu sehr er moͤchte sie ihm schenken , lieber wollte er selbst Großknecht werden , und er sollte Amtmann seyn . ‘Nein ,’ sprach er , ‘ ich will kein Amtmann werden , ich bin Großknecht , und wills bleiben , ich will aber austheilen was bedungen ist . Der Amtmann wollte ihm geben was er nur verlangte , aber es half nichts , der Großknecht sprach zu allem nein . Da wußte
sich der Amtmann keinen Rath , und bat ihn nur um vierzehn Tage Frist , er wollte sich auf etwas besinnen ; da sprach der Großknecht die Frist sollte er haben . Der Amtmann berief alle seine Schreiber zusammen , die sollten sich bedenken , und ihm einen Rath geben ; die Schreiber besannen sich lange , endlich sagten sie man muͤßte den Großknecht ums Leben bringen ; er sollte große Muͤhlsteine um den Brunnen im Hof anfahren lassen , und dann ihn heißen hinabsteigen und den Brunnen rein machen , und wenn er unten waͤre , wollten sie ihm die Muͤhlsteine auf den Kopf werfen . Der Rath gefiel dem Amtmann , und da ward alles eingerichtet , und wurden die groͤßten Muͤhlsteine herangefahren . Wie nun der Großknecht im Brunnen stand , rollten sie die Steine hinab , und die schlugen hinunter , daß das Wasser in die Hoͤhe spruͤtzte . Da meinten sie gewiß der Kopf waͤre ihm eingeschlagen , aber er rief ‘ jagt doch die Huͤhner vom Brunnen weg , die kratzen da oben im Sand , und werfen mir die Koͤrner in die Augen , daß ich nicht sehen kann . ’ Da rief der Amtmann ‘husch ! husch ! ’ und that als scheuchte er die Huͤhner weg . Wie nun der Großknecht fertig war , stieg er herauf und sagte ‘ seht einmal , ich habe doch ein schoͤnes Halsband um ,’ da waren es die Muͤhlensteine , die trug er um den Hals . Wie der Amtmann das sah , ward ihm wieder Angst , denn der Großknecht wollt ihm nun seinen Lohn geben . Da bat er wieder um vierzehn Tage Bedenkzeit , und ließ die Schreiber zusammen kommen , die gaben endlich den Rath er sollte ihn in die verwuͤnschte Muͤhle schicken , und ihn heißen dort in der Nacht noch Korn malen , da sey noch kein Mensch
Morgens lebendig herausgegangen . Der Anschlag gefiel dem Amtmann ; also rief er ihn noch denselben Abend , und sagte er sollte acht Malter Korn in die Muͤhle fahren , und in der Nacht noch malen , sie haͤttens noͤthig . Da gieng der Großknecht auf den Boden , und that zwei Malter in seine rechte Tasche , zwei in die linke , vier nahm er in einem Quersack halb auf den Ruͤcken , halb auf die Brust , und gieng so nach der verwuͤnschten Muͤhle . Der Muͤller aber sagte ihm bei Tag koͤnnte er recht gut da malen , aber nicht in der Nacht , da sey die Muͤhle verwuͤnscht , und wer da noch hineingegangen , der sey am Morgen todt darin gefunden worden . Er sprach ‘ ich will schon durchkommen , macht euch nur fort , und legt euch aufs Ohr .’ Darauf gieng er in die Muͤhle , und schuͤttete das Korn auf , und wies bald elf schlagen wollte , gieng er in die Muͤllerstube , und setzte sich auf die Bank . Als er ein bischen da gesessen hatte , that sich auf einmal die Thuͤr auf , und kam eine große große Tafel herein , und auf die Tafel stellte sich Wein und Braten , und viel gutes Essen , alles von selber , denn es war niemand da ders auftrug . Und danach ruͤckten sich die Stuͤhle herbei , aber es kamen keine Leute , bis auf einmal sah er Finger , die handthierten mit den Messern und Gabeln , und legten Speisen auf die Teller , aber sonst konnte er nichts sehen . Nun war er hungrig , und sah die Speisen , da setzte er sich auch an die Tafel , und aß mit , und ließ sichs gut schmecken . Wie er aber satt war , und die andern ihre Schuͤsseln auch ganz leer gemacht hatten , da wurden die Lichter auf einmal alle ausgeputzt , das hoͤrte er deutlich , und wies nun
stockfinster war , so kriegte er so etwas wie eine Ohrfeige ins Gesicht . Da sprach er ‘ wenn noch einmal so etwas kommt , so theil ich auch wieder aus .’ Und wie er zum zweiten Mal eine Ohrfeige kriegte , da schlug er gleichfalls mit hinein . Und so gieng das fort die ganze Nacht , er ließ sich nicht schrecken , und schlug nicht faul um sich herum ; bei Tagesanbruch aber hoͤrte alles auf . Wie der Muͤller aufgestanden war , wollt er nach ihm sehen , und verwunderte sich daß er noch lebte . Da sprach er ‘ ich habe Ohrfeigen gekriegt , aber ich habe auch Ohrfeigen ausgetheilt , und habe mich satt gegessen . ’ Der Muͤller freute sich , und sagte nun waͤre die Muͤhle erloͤst , und er wollte ihm gern zur Belohnung viel Geld geben . Er sprach aber ‘Geld will ich nicht , ich habe doch genug . ’ Dann nahm er sein Mehl auf den Ruͤcken , und gieng nach Haus , und sagte dem Amtmann er haͤtte die Sache ausgerichtet , und wollte nun seinen bedungenen Lohn haben . Wie der Amtmann das hoͤrte , da ward ihm erst recht Angst , und er wußte sich nicht zu lassen , und gieng in der Stube auf und ab , daß ihm die Schweißtropfen von der Stirne herunterliefen . Da machte er das Fenster auf nach ein wenig frischer Luft , eh er sichs aber versah , hatte ihm der Großknecht einen Tritt gegeben , daß er durchs Fenster in die Luft hinein flog , immer fort , bis ihn niemand mehr sehen konnte . Da sprach der Großknecht zur Frau des Amtmanns , nun muͤßte sie den andern Streich hinnehmen , sie sagte aber ‘ ach nein , ich kanns nicht aushalten ,’ und machte auch ein Fenster auf , weil ihr die Schweißtropfen die Stirne herunter liefen . Da gab er ihr gleichfalls
einen Tritt , daß sie auch hinaus flog , und noch viel hoͤher als ihr Mann . Der Mann rief ‘ komm doch zu mir ;’ sie aber rief ‘ komm du lieber zu mir , ich kann nicht zu dir kommen . ’ Und sie schwebten da in der Luft , und konnte keins zum andern , und ob sie da noch schweben , das weiß ich nicht ; der junge Riese aber nahm seine Eisenstange , und gieng weiter .
91.
Dat Erdmaͤnneken .
E t was mal en rik Kuͤnig west , de hadde drei Doͤchter had , de woͤren alle Dage in den Schlottgoren spazeren gaen , un de Kuͤnig , dat was so en Leivhawer von allerhand wackeren Boͤmen west ; un einen , den hadde he so leiv had , dat he denjenigen , de uͤnne en Appel dervon pluͤckede , hunnerd Klafter unner de Eere verwuͤnschede . As et nu Hervest war , da worden de Appel an den einen Baume so raut ase Blaud . De drei Doͤchter gungen alle Dage unner den Baum , un seihen to ov nig de Wind ’n Appel herunner schlagen haͤdde , awerst se fannen ir Levedage kienen , un de Baum , de satt so vull , dat he brecken wull , un de Telgen ( Zweige ) hungen bis up de Eere . Da gelustede den jungesten Kuͤnigskinne gewaldig , un et segde to sinen Suͤstern ‘ use Teite ( Vater ) , de hett us viel to leiv , ase dat he us verwuͤnschen deihe ; ik gloͤve dat he dat nur wegen de fruͤmden Lude dahen hat . ’ Un indes pluͤcked dat Kind en gans dicken Appel af , un sprunk fur sinen Suͤstern , und segde ‘a , nu schmecket mal , mine lewen Suͤsterkes , nu hew ik doch min Levedage so wat schones no nig schmecket . ’ Da beeten de beiden annern Kuͤnigsdoͤchter auch mal in den Appel , un da versuͤnken se alle drei deip , so deip unner de Eere , dat kien Haan mer danach krehete .
As et da Middag is , da wull se de Kuͤnig do Diske roopen , do sind se nirgends to finnen : he soͤket se so viel im Schlott un in Goren , awerst he kun se nig fin nen . Da werd he so bedroͤwet ,
un let dat ganse Land upbeien ( aufbieten ) , un wer uͤnne sine Doͤchter wier brechte , de sull ene davon tor Fruen hewen . Da gahet so viele junge Lude uwer Feld , un soͤket , dat is gans ut der Wiese ( uͤber alle Maßen ) ; denn jeder hadde de drei Kinner geren had , wiil se woͤren gegen jedermann so fruͤndlig un so schoͤn von Angesichte west . Un et togen auck drei Jaͤgerburschen ut , un ase da wol en acht Dage rieset hadden , da kummet se up en grot Schlott , da woren so huͤbsche Stoben inne west , un in einer Zimmer is en Disch decket , darup woͤren so soͤte Spisen , de sied noch so warme dat se dampet , awerst in den ganzen Schlott is kien Minsk to hoͤren noch to seihen . Da wartet se noch en halwen Dag , un de Spisen bliewet immer un dampet , bis up et lest , da weret se so hungerig , dat se sik derbie settet un ettet , un macket mit en anner ut se wullen up den Schlotte wuhnen bliewen , un wuͤllen daruͤmme loosen , dat eine in Huse blev , un de beiden annern de Dochter soͤketen ; dat doet se auk , un dat Loos dreppet den oͤlesten . Den annern Dag , da gaet de twei juͤngesten soͤken , un de oͤleste mot to Huse bliewen . Am Middage kuͤmmt der so en klein klein Maͤnneken , un hoͤlt um ’n Stuͤkesken Braud ane , da nuͤmmt he von dem Braude , wat he da funnen haͤdde , un schnitt en Stuͤcke rund umme den Braud weg , un will uͤnne dat giewen , indes dat he et uͤnne reiket , lett et dat kleine Maͤnneken fallen , un segd he sulle dok so gut sin un giewen uͤn dat Stuͤcke wier . Da will he dat auck doen , un bucket sik , mit des nuͤmmt dat Maͤnneken en Stock , un paͤckt uͤnne bie den Haaren , un giwt uͤnne duͤete Schlaͤge . Den anneren
Dag , da is de tweide to Hus bliewen , den geit et nicks better . Ase de beiden annern da den Avend nah Hus kuͤmmet , da segd de oͤleste ‘ no , wie haͤtt et die dann gaen ? ’ ‘ O , et geit mie gans schlechte . ’ Da klaget se sik enanner ehre Naud , awerst den jungesten hadden se nicks davonne sagd , den hadden se gar nig lien ( leiden ) mogt , un hadden uͤnne jummer den dummen Hans heiten , weil he nig recht van de Weld was . Den dridden Dag , da blivt de jungeste to Hus , da kuͤmmet dat kleine Maͤnneken wier , un hoͤlt um en Stuͤcksken Braud an ; da he uͤnne da giewen haͤtt , let he et wier fallen , un segd he muͤgte dock so gut sien un reicken uͤnne dat Stuͤcksken wier . Da segd he to den kleinen Maͤnneken ‘ wat ! kannst du dat Stuͤcke nig sulwens wier up nummen , wenn du die de Moͤhe nig mal um dine daͤglichge Narunge giewen wust , so bist du auck nig werth , dat du et etest . ’ Da word dat Maͤnneken so boͤs , un sehde he moͤst et doen ; he awerst nig fuhl , nam min lewe Maͤnneken , un drosch et duet doͤr ( tuͤchtig durch ) . Da schrige dat Maͤnneken so viel un rep ‘ hoͤr up , hoͤr up , un lat mie geweren , dann will ik die auck seggen wo de Kuͤnigsdoͤchter sied . ’ Wie he dat hoͤrde , haͤll he up to slaen , un dat Maͤnneken vertelde he woͤr en Erdmaͤnneken , und sulke woͤren mehr ase dusend , he moͤgte man mit uͤnne gaen , dann wulle he uͤnne wiesen wo de Kuͤnigsdoͤchter weren . Da wist he uͤnne en deipen Born , da is awerst kien Water inne west . Da segd dat Maͤnneken he wuste wohl dat et sine Gesellen nig ehrlich mit uͤnne meinten , wenn he de Kuͤnigskinner erloͤsen wulle , dann moͤste he et alleine doen . De beiden annern
Broer wullen wohl auck geren de Kuͤnigsdoͤchter wier hewen , awerst se wullen der kiene Moͤge un Gefahr umme doen , he moͤste so en grauten Korv nuͤmmen , un moͤste sik mit sinen Hirschfaͤnger un en Schelle darinne setten , un sik herunner winnen laten : unnen da woͤren drei Zimmer , in jeden sette ein Kuͤnigskind , un haͤdde en Drachen mit villen Koͤppen to lusen , den moͤste he de Koͤppe afschlagen . Ase dat Erdmaͤnneken nu dat alle sagd hadde , verschwand et . Ase’t Awend is , da kuͤmmet de beiden anneren , un fraget wie et uͤn gaen haͤdde , da segd he ‘o , so wit gud ,’ un haͤdde keinen Minsken sehen , ase des Middags , da wer so ein klein Maͤnneken kummen , de haͤdde uͤn umme en Stuͤcksken Braud biddit , do he et uͤnne giewen haͤdde , haͤdde dat Maͤnneken et fallen laten , und haͤdde segd he moͤgtet uͤnne doch wier up nuͤmmen , wie he dat nig hadde doen wullt , da haͤdde et anfangen to puchen , dat haͤdde he awerst unrecht verstan , un haͤdde dat Maͤnneken pruͤgelt , un da haͤdde et uͤnne vertellt , wo de Kuͤnigsdoͤchter waͤren . Da aͤrgerten sik de beiden so viel , dat se gehl un groͤn woͤren . Den anneren Morgen da gungen se to haupe an den Born , un mackten Loose , wer sik dat erste in den Korv setten sulle , do feel dat Loos wier den oͤllesten to , he mot sik darin setten , un de Klingel mitnuͤmmen . Da segd he ‘ wenn ik klingele , so mutt gi mik nur geschwinne wier herupwinnen . ’ Ase he en bitken herunner is , da klingelte wat , da winnen se uͤnne wier heruper , da sett sik de tweide herinne , de maket ewen sau ; nu kuͤmmet dann auck de Riege an den jungesten , de laͤt sik awerst gans derinne runner winnen . Ase he ut den Korwe stiegen
is , da nuͤmmet he sinen Hirschfaͤnger , un geit vor der ersten Doer staen , un lustert , da hort he den Drachen gans lute schnarchen ; he macket langsam de Doͤre oppen , da sitt da de eine Kuͤnigsdochter , un haͤd op eren Schot niegene ( neun ) Drachenkoͤppe ligen , un luset de . Da nuͤmmet he sinen Hirschfaͤnger , un hogget to , do sied de niegne Koppe awe . De Kuͤnigsdochter sprank up , un faͤl uͤnne um den Hals , un drucket un piepete ( kuͤßte ) uͤnn so viel ; un nuͤmmet ihr Bruststuͤcke , dat wor von rauen Golle west , un henget uͤnne dat umme . Da geit he auck nach der tweiden Kuͤnigsdochter , de haͤd en Drachen mit sieven Koͤppe to lusen , un erloͤset de auck , so de jungeste , de hadde en Drachen mit viere Koͤppen to lusen had , da geit he auck hinne . Do froget se sich alle so viel , un drucketen un piepeten ohne uphoͤren . Da klingelte he sau harde , bis dat se owen hoͤrt . Da set he de Kuͤnigsdochter ein nach der annern in den Korv , un let se alle drei heruptrecken , wie nu an uͤnne de Riege kuͤmmt , da fallet uͤn de Woore ( Worte ) von den Erdmaͤnneken wier bie , dat et sine Gesellen mit uͤnne nig gud meinden . Da nuͤmmet he en groten Stein , de da ligt , un legt uͤn in den Korv , ase de Korv da ungefaͤhr bis in de Midde herup is , schnien de falsken Broer owen dat Strick af , dat de Korv mit den Stein up den Grund fuͤll , un meinten he woͤre nu daude , un laupet mit de drei Kuͤnigsdoͤchter wege , un latet sik dervan verspreken dat se an ehren Vater seggen willt dat se beiden se erloͤset haͤdden ; da kuͤmmet se tom Kuͤnig , un begert se tor Frugen . Unnerdes geit de jungeste Jaͤgerbursche gans bedroͤwet in den drei Kammern herummer , un denket dat he nu wull sterwen moͤste , da suͤht he an der Wand ’n Fleutenpipe hangen , da
segd he ‘ woruͤmme hengest du da wull , hier kann ja doch keiner lustig sin ? ’ He bekucket auck de Drachenkoͤppe , un segd ‘ ju kuͤnnt mie nu auck nig helpen .’ He geit so mannigmal up un af spatzeren , dat de Erdboden davon glat werd . Up et lest , da kriegt he annere Gedanken , da nuͤmmet he de Fleutenpipen van der Wand , un blest en Stuͤcksken , up eenmahl kummet da so viele Erdmaͤnnekens , bie jeden Don , den he daͤht , kummt eint mehr ; da blest he so lange dat Stuͤcksken , bis det Zimmer stopte vull is. De fraget alle wat sin Begeren woͤre , da segd he he wull geren wier up de Ere an Dages Licht , da fatten se uͤnne alle an , an jeden Spir ( Faden ) Haar , wat he up sinen Koppe hadde , un sau fleiget se mit uͤnne herupper bis up de Ere . Wie he owen is , geit he glick nach den Kuͤnigsschlott , wo grade de Hochtit mit der einen Kuͤnigsdochter sin sulle , he geit up den Zimmer , wo de Kuͤnig mit sinen drei Doͤchtern is . Wie uͤnne da de Kinner seihet , da wered se gans beschwaͤmt ( ohnmaͤchtig ) . Da werd de Kuͤnig so boͤse , un let uͤnne glick in een Gefaͤngnisse setten , wiel he meint he haͤdde den Kinnern en Leid anne daen . Ase awer de Kuͤnigsdoͤchter wier to sik kummt , da biddet se so viel he mogte uͤnne doch wier lose laten . De Kuͤnig fraget se woruͤmme , da segd se dat se dat nig vertellen dorften , awerst de Vaer de segd se sullen et den Owen ( Ofen ) vertellen . Da geit he herut , un lustert an de Doͤre , un hoͤrt alles . Da laͤt he de beiden an en Galgen haͤngen , un den einen givt he de jungeste Dochter ; un da trok ik en Paar glaͤserne Schohe an , un da stott ik an en Stein , da segd et ‘klink !’ da waͤren se caput .
92.
Der Koͤnig vom goldenen Berg .
E in Kaufmann , der hatte zwei Kinder , einen Buben und ein Maͤdchen , die waren beide noch klein , und konnten noch nicht laufen . Es giengen aber zwei reichbeladene Schiffe von ihm auf dem Meer , und sein ganzes Vermoͤgen war darin , und wie er meinte dadurch viel Geld zu gewinnen , kam die Nachricht , sie waͤren versunken . Da war er nun statt eines reichen Mannen ein armer Mann , und hatte nichts mehr uͤbrig als einen Acker vor der Stadt . Um sich sein Ungluͤck ein bischen aus den Gedanken zu schlagen , gieng er hinaus auf den Acker , und wie er da so auf und abgieng , stand auf einmal ein kleines schwarzes Maͤnnchen neben ihm , und fragte warum er so traurig waͤre , und was er sich so sehr zu Herzen naͤhme . Da sprach der Kaufmann ‘ wenn du mir helfen koͤnntest , wollt ich dir es wohl sagen . ’ ‘ Wer weiß ,’ sagte das schwarze Maͤnnchen , ‘ sage mirs nur , vielleicht helf ich dir . ’ Da erzaͤhlte der Kaufmann daß ihm sein ganzer Reichthum auf dem Meer zu Grunde gegangen waͤre , und haͤtte er nichts mehr uͤbrig als diesen Acker . ’ ‘ O , da bekuͤmmere dich nicht ,’ sagte das Maͤnnchen , ‘ wenn du mir versprichst das , was dir zu Haus am ersten widers Bein stoͤßt , in zwoͤlf Jahren hierher auf den Platz zu bringen , sollst du Geld haben so viel du willst . ’
Der Kaufmann dachte ‘ das ist ein geringes , was kann das anders seyn , als mein Hund ,’ aber an seinen kleinen Jungen dachte er nicht , und sagte ja , und gab dem schwarzen Mann Handschrift und Siegel daruͤber , und gieng nach Haus .
Als er nach Haus kam , da hatte sich sein kleiner Junge so gefreut , daß er sich an den Baͤnken hielt , zu ihm hinwackelte , und ihn an den Beinen fest packte . Da erschrack der Vater , und wußte nun was er verschrieben hatte ; weil er aber immer noch kein Geld sah , dachte er es waͤr nur ein Spaß von dem Maͤnnchen gewesen . Ohngefaͤhr einen Monat nachher gieng er auf den Boden , und wollte das alte Zinn zusammensuchen und verkaufen , um noch etwas daraus zu loͤsen , da sah er einen großen Haufen Geld liegen . Wie er das Geld sah , war er vergnuͤgt , kaufte wieder ein , ward ein groͤßerer Kaufmann , als vorher , und ließ Gott einen guten Mann seyn . Unterdessen ward der Junge groß , und dabei klug und gescheidt . Je mehr aber die zwoͤlf Jahre herbeikamen , je aͤngster ward es dem Kaufmann , so daß man ihm die Angst im Gesicht sehen konnte . Da fragte ihn der Sohn einmal was ihm fehlte ; der Vater wollt es nicht sagen , aber er hielt so lange an , bis er ihm endlich sagte er haͤtte ihn , ohne daß er gewußt was er verspraͤche , einem schwarzen Maͤnnchen zugesagt , und vieles Geld dafuͤr bekommen , und haͤtte seine Handschrift mit Siegel daruͤber gegeben , und nun muͤste er ihn , wenn zwoͤlf Jahre jetzt herum waͤren , ausliefern . Da sprach der Sohn ‘o Vater , laßt euch nicht bang seyn , das soll schon gut werden , der Schwarze hat keine Macht uͤber mich .’
Da ließ sich der Sohn von dem Geistlichen segnen , und als die Stunde kam , giengen sie zusammen hinaus auf den Acker , und der Sohn machte einen Kreiß , und stellte sich mit seinem Vater hinein . Da kam das schwarze Maͤnnchen , und sprach zu dem Alten ‘hast du , was du mir versprochen hast ? ’ Er schwieg aber still , und der Sohn sprach ‘ was willst du hier ? ’ Da sagte das schwarze Maͤnnchen ‘ ich habe mit deinem Vater zu sprechen , und nicht mit dir . ’ Der Sohn antwortete ‘ du hast meinen Vater betrogen und verfuͤhrt , gib die Handschrift heraus . ’ ‘Nein ,’ sagte das schwarze Maͤnnchen , ‘ mein Recht geb ich nicht auf . ’ Da redeten sie noch lange mit einander , endlich wurden sie einig , der Sohn , weil er nicht dem Erbfeind und nicht mehr seinem Vater zugehoͤrte , sollte sich in ein Schiffchen setzen , das auf einem hinabwaͤrts fließenden Wasser staͤnde , und der Vater sollte es mit seinem eigenen Fuß fortstoßen , und da sollte der Sohn dem Wasser uͤberlassen bleiben . Da nahm er Abschied von seinem Vater , und setzte sich in ein Schiffchen , und der Vater mußte es mit seinem eigenen Fuß fortstoßen . Und das Schiffchen drehte sich herum , daß der unterste Theil oben war , die Decke aber im Wasser , und der Vater glaubte , er waͤre verloren , gieng heim , und trauerte um ihn .
Das Schiffchen aber floß ganz ruhig fort , und gieng nicht unter , und der Juͤngling saß sicher darin , und so floß es lange , bis es endlich an einem unbekannten Ufer festsitzen blieb . Da stieg er ans Land , sah ein schoͤnes Schloß vor sich liegen , und gieng drauf los . Wie er aber hineintrat , war es verwuͤnscht , und
alles war leer , bis er zuletzt in einer Kammer eine Schlange antraf . Die Schlange aber war eine verwuͤnschte Jungfrau , die freute sich , wie sie ihn sah und sprach zu ihm ‘kommst du , mein Erloͤser ? auf dich habe ich schon zwoͤlf Jahre gewartet , dies Reich ist verwuͤnscht , und du mußt es erloͤsen . Heute Nacht kommen zwoͤlf Maͤnner , schwarz und mit Ketten behangen , die werden dich fragen , was du hier machst , da schweig aber still , und gib ihnen keine Antwort , und laß sie mit dir machen was sie wollen ; sie werden dich quaͤlen , schlagen und stechen , laß alles geschehen , nur rede nicht : um zwoͤlf Uhr muͤssen sie wieder fort . Und in der zweiten Nacht werden wieder zwoͤlf andere kommen , in der dritten vier und zwanzig , die werden dir den Kopf abhauen ; aber um zwoͤlf Uhr ist ihre Macht vorbei , und wenn du dann ausgehalten und kein Woͤrtchen gesprochen hast , so bin ich erloͤst , und komme zu dir , und stehe dir bei , und habe das Wasser des Lebens , damit bestreiche ich dich , und dann bist du wieder lebendig und gesund wie zuvor . ’ Da sprach er ‘ gerne will ich dich erloͤsen . ’ Es geschah nun alles so , wie sie gesagt hatte : die schwarzen Maͤnner konnten ihm kein Wort abzwingen , und in der dritten Nacht ward die Schlange zu einer schoͤnen Koͤnigstochter , die kam mit dem Wasser des Lebens , und machte ihn wieder lebendig . Und dann fiel sie ihm um den Hals , und kuͤßte ihn , und war Jubel und Freude im ganzen Schloß . Da wurde ihre Hochzeit gehalten , und er war Koͤnig vom goldenen Berge .
Also lebten sie vergnuͤgt zusammen , und die Koͤnigin gebar einen schoͤnen Knaben , und acht Jahre waren schon herum , da
fiel ihm sein Vater ein , und sein Herz wurde bewegt , und er wuͤnschte ihn einmal heimzusuchen . Die Koͤnigin wollte ihn aber nicht fortlassen , und sagte ‘ ich weiß schon daß es mein Ungluͤck ist , ’ er ließ ihr aber keine Ruhe bis sie einwilligte . Beim Abschied gab sie ihm noch einen Wuͤnschring , und sprach ‘ nimm diesen Ring , und steck ihn an deinen Finger , so wirst du alsbald dahin , wo du dich hinwuͤnschest , versetzt , nur mußt du mir versprechen daß du ihn nicht gebrauchst , mich von hier weg zu deinem Vater zu wuͤnschen . ’ Er versprach ihr das , steckte den Ring an seinen Finger , und wuͤnschte sich heim vor die Stadt , wo sein Vater lebte . Jm Augenblick befand er sich auch dort , und wollte in die Stadt , wie er aber vors Thor kam , wollten ihn die Schildwachen nicht einlassen , weil er so seltsam und reich gekleidet war . Da gieng er auf einen Berg , wo ein Schaͤfer huͤtete , tauschte mit diesem die Kleider , und zog den alten Schaͤferrock an , und gieng also ungestoͤrt in die Stadt ein . Als er zu seinem Vater kam , gab er sich zu erkennen , der aber glaubte nimmermehr daß er sein Sohn waͤre , und sagte er haͤtte zwar einen Sohn gehabt , der aber waͤre laͤngst todt , doch weil er sehe daß er ein armer duͤrftiger Schaͤfer waͤre , so wollte er ihm einen Teller voll zu essen geben . Da sprach der Schaͤfer zu seinen Eltern ‘ ich bin wahrhaftig euer Sohn , wißt ihr kein Mal an meinem Leibe , woran ihr mich erkennen koͤnnt ? ’ ‘ Ja ,’ sagte die Mutter , ‘ unser Sohn hatte eine Himbeere unter dem rechten Arm . ’ Er streifte das Hemd zuruͤck , da sahen sie die Himbeere unter seinem rechten Arm , und zweifelten nicht mehr daß es ihr Sohn waͤre . Darauf
erzaͤhlte er ihnen er waͤre Koͤnig vom goldenen Berge , und eine Koͤnigstochter waͤre seine Gemahlin , und sie haͤtten einen schoͤnen Sohn von sieben Jahren . Da sprach der Vater ‘ nun und nimmermehr ist das wahr : das ist mir ein schoͤner Koͤnig , der in einem zerlumpten Schaͤferrock hergeht . ’ Da ward der Sohn zornig , drehte , ohne an sein Versprechen zu denken , seinen Ring herum , und wuͤnschte beide , seine Gemahlin und sein Kind , zu sich . Jn dem Augenblick waren sie auch da , aber die Koͤnigin , die klagte und weinte , und sagte er haͤtte sein Wort gebrochen , und haͤtte sie ungluͤcklich gemacht . Er besaͤnftigte sie , und redete sie zufrieden , und sie stellte sich auch als gaͤbe sie nach , aber sie hatte Boͤses im Sinn .
Da fuͤhrte er sie hinaus vor die Stadt auf den Acker , und zeigte ihr das Wasser wo das Schiffchen war abgestoßen worden , und sprach dann ‘ ich bin muͤde , setze dich nieder , ich will ein wenig auf deinem Schooß schlafen . ’ Da legte er seinen Kopf auf ihren Schooß , und sie lauste ihn ein wenig bis er einschlief . Als er eingeschlafen war , zog sie den Ring von seinem Finger , und den Fuß , den sie unter ihm stehen hatte , zog sie auch heraus , und ließ nur den Toffel unter ihm liegen ; dann nahm sie ihr Kind , und wuͤnschte sich wieder in ihr Koͤnigreich . Als er aufwachte , da lag er da ganz verlassen , und seine Gemahlin mit dem Kind war fort , und der Ring vom Finger auch , nur der Toffel stand noch da zum Wahrzeichen . ‘ Nach Haus zu deinen Eltern kannst du nicht wieder gehen ,’ dachte er , ‘ die wuͤrden sagen , du waͤrst ein Hexenmeister , du willst aufpacken und gehen
bis du in dein Koͤnigreich kommst .’ Also gieng er fort , und kam endlich zu einem Berg , wo drei Riesen ihres Vaters Erbe theilen wollten , und als sie ihn vorbeigehen sahen , riefen sie ihn , und sagten kleine Menschen haͤtten klugen Sinn , er sollte ihnen die Erbschaft vertheilen , das war ein Degen , wenn einer den in die Hand nahm , und sprach ‘Koͤpf alle runter , nur meiner nicht , ’ so lagen alle Koͤpfe auf der Erde ; zweitens ein Mantel , wer den anzog , war unsichtbar ; drittens ein Paar Stiefeln , wenn man die an den Fuͤßen hatte , und sich wohin wuͤnschte , so war man gleich da . Er sprach sie muͤßten ihm die drei Stuͤcke einmal geben , damit er sie probieren koͤnnte , ob sie auch alle noch in gutem Stand waͤren . Da gaben sie ihm den Mantel , den that er um , und wuͤnschte sich zu einer Fliege , alsbald war er eine Fliege . ‘ Der Mantel ist gut ,’ sprach er , ‘ nun gebt mir einmal das Schwert . ’ Sie sagten ‘ nein , das geben wir nicht , denn wenn du spraͤchst Koͤpf alle runter , nur meiner nicht ! so waͤren unsere Koͤpfe alle herab , und du haͤttest deinen noch . ’ Doch gaben sie es ihm , wenn ers an den Baͤumen probieren wollte ; das that er , und das Schwert war auch gut . Nun wollt er noch die Stiefeln haben , sie sprachen aber ‘ nein , die koͤnnen wir nicht geben , wenn du die anhaͤttest und spraͤchst du wolltest oben auf dem Berg seyn , so stuͤnden wir da unten , und haͤtten nichts . ’ ‘Nein ,’ sprach er , ‘ das will ich nicht thun . ’ Da gaben sie ihm die Stiefel auch noch . Wie er nun alle drei Stuͤcke hatte , so dachte er an nichts als an den goldenen Berg , und wuͤnschte sich dahin , und verschwand alsbald vor den Augen der Riesen , und war also
ihr Erbe getheilt . Als er nah beim Schloß war , hoͤrte er Geigen und Floͤten , und die Leute sagten ihm seine Gemahlin feierte ihre Hochzeit mit einem andern . Da zog er seinen Mantel an , gieng unsichtbar ins Schloß hinein , und stellte sich hinter seine Gemahlin , und niemand sah ihn . Wenn sie ihr nun ein Stuͤck Fleisch auf den Teller legten , nahm ers weg , und aß es , und wenn sie ihr ein Glas Wein einschenkten , nahm ers weg und tranks aus ; sie gaben ihr immer , und sie hatte doch immer nichts auf dem Teller . Da schaͤmte sie sich , stand auf , gieng in ihre Kammer und weinte , er aber gieng hinter ihr her . Da sprach sie vor sich ‘ ist denn der Teufel uͤber mir , oder mein Erloͤser kam nie ? ’ Da gab er ihr ein paar derbe Ohrfeigen , und sagte ‘ kam dein Erloͤser nie ? er ist uͤber dir , du Betruͤgerin , habe ich das an dir verdient ? ’ Darauf gieng er hin , und sagte die Hochzeit waͤre aus , und der rechte Koͤnig waͤre wieder gekommen . Da wurde er verlacht von den Koͤnigen , Fuͤrsten und Raͤthen , die zugegen waren . Er aber gab kurze Worte , und fragte ob sie sich entfernen wollten oder nicht ? Da wollten sie ihn fangen , aber er zog sein Schwert und sprach ‘Koͤpf alle runter , nur meiner nicht . ’ Da lag alles gleich im Blut darnieder , und er war wieder Koͤnig vom goldenen Berge .
93.
Die Rabe .
E s war einmal eine Mutter mit einem Toͤchterchen , das war noch klein , und wurde noch auf dem Arm getragen . Nun geschah es , daß das Kind einmal unruhig war , und die Mutter mochte sagen was sie wollte , es half nicht . Da ward sie ungeduldig , und weil die Raben so um das Haus herumflogen , machte sie daß Fenster auf , und sagte ‘ ich wollte du waͤrst eine Rabe , und floͤgst fort , so haͤtt ich Ruhe . ’ Und kaum hatte sie das Wort gesagt , so war das Kind eine Rabe , und flog von ihrem Arm zum Fenster hinaus . Die Rabe aber flog weg , und niemand konnte ihr folgen ; sie flog aber in einen dunkelen Wald , und blieb lange Zeit darin . Danach fuͤhrte einen Mann sein Weg in diesen Wald , und er hoͤrte die Rabe rufen , und gieng der Stimme nach ; und als er naͤher kam , sagte die Rabe zu ihm ‘ ich bin verwuͤnscht worden , und bin eine Koͤnigstochter von Geburt , du kannst mich erloͤsen . ’ Da sprach er ‘ wie soll ich das anfangen ? ’ Da sagte sie ‘ geh hin in das Haus dort , darin sitzt eine alte Frau , die wird dir Essen und Trinken reichen , und dich davon genießen heißen , aber du darfst nichts nehmen ; denn wenn du trinkst , so trinkst du einen Schlaftrunk , und dann kannst du mich nicht erloͤsen . Jm Garten hinter dem Haus ist eine große Lohhucke , darauf sollst du stehen , und mich erwarten . Den Nachmittag um zwei Uhr komm ich in einer Kutsche , die ist mit vier weißen Hengsten
bespannt , wenn du aber dann nicht wach bist , sondern schlaͤfst , so werde ich nicht erloͤst . ’ Der Mann versprach alles zu thun , was sie verlangt hatte , die Rabe aber sagte ‘ ach , ’ ich weiß es wohl , du kannst mich nicht erloͤsen , du nimmst doch etwas von der Frau . ’ Da versprach der Mann noch einmal er wollte gewiß nichts anruͤhren von dem Essen und Trinken . Wie er aber in das Haus kam , trat die alte Frau zu ihm , und sagte ‘ armer Mann , was seyd ihr abgemattet , kommt und erquickt euch , esset und trinkt . ’ ‘Nein ,’ sagte der Mann , ‘ ich will nicht essen und nicht trinken . ’ Sie ließ ihm aber keine Ruhe , und sprach ‘ wenn ihr dann nicht essen wollt , so thut einen Zug aus dem Glas , einmal ist keinmal . ’ Da ließ er sich uͤberreden , und nahm einen Trunk . Nachmittags gegen zwei Uhr gieng er hinaus in den Garten auf die Lohhucke , und wollte auf die Rabe warten . Wie er da stand , auf einmal , ward er so muͤde , und wollte sich nicht hinlegen , aber er konnte es gar nicht mehr aushalten , und mußte sich ein wenig niederlegen ; doch wollte er nicht einschlafen . Aber kaum hatte er sich gelegt , so fielen ihm die Augen von selber zu , und er schlief ein , und schlief so fest daß ihn nichts auf der Welt haͤtte erwecken koͤnnen . Um zwei Uhr kam die Rabe mit vier weißen Hengsten gefahren , und war schon in voller Trauer , und sprach ‘ ich weiß schon daß er schlaͤft . ’ Und als sie in den Garten kam , lag er auch da auf der Lohhucke und schlief ; und wie sie vor ihm war , stieg sie aus dem Wagen , schuͤttelte ihn , und rief ihn an , aber er wollte nicht erwachen . Sie rief so lange bis sie ihn endlich aus dem Schlaf erweckte , da sagte sie ‘ ich sehe wohl daß du mich hier nicht
erloͤsen kannst , aber morgen will ich noch einmal wiederkommen , dann habe ich vier braune Hengste vor dem Wagen , aber du darfst bei Leibe nichts nehmen von der Frau , kein Essen und kein Trinken . ’ Da sagte er ‘ nein gewiß nicht . ’ Sie sprach aber ‘ach , ich weiß es wohl , du nimmst doch etwas . ’ Am andern Tag zur Mittagszeit kam die alte Frau , und sagte er aͤße und traͤnke ja nichts , was das waͤre ? Da sprach er ‘ ich will nicht essen und nicht trinken . ’ Sie stellte aber das Essen und Trinken vor ihn hin , daß der Geruch zu ihm aufgieng , und redete ihm so lange zu bis er wieder etwas trank . Gegen zwei Uhr gieng er in den Garten auf die Lohhucke , und wollte auf die Rabe warten , da ward er wieder so muͤde , daß seine Glieder ihn nicht mehr hielten , und er konnte sich nicht helfen , er mußte sich legen , und ein bischen schlafen . Wie nun die Rabe daher fuhr mit vier braunen Hengsten , war sie wieder in voller Trauer , und sagte ‘ ich weiß schon , daß er schlaͤft . ’ Und als sie hin zu ihm kam , lag er da , und schlief fest . Da stieg sie aus dem Wagen , schuͤttelte ihn , und suchte ihn zu erwecken ; das gieng aber noch schwerer als gestern , bis er endlich erwachte . Da sprach die Rabe ‘ ich sehe wohl daß du mich nicht erloͤsen kannst , Morgen Nachmittag um zwei Uhr will ich noch einmal kommen , aber das ist das letztemal , meine Hengste sind dann schwarz , und ich habe auch alles schwarz ; du darfst aber nichts nehmen von der alten Frau , kein Essen und kein Trinken . ’ Da sagte er ‘ nein gewiß nicht . ’ Sie sprach aber ‘ach , ich meiß es wohl , du nimmst doch etwas . ’ Am andern Tag kam die alte Frau , und sagte er aͤße und traͤnke
ja nichts , was das waͤre ? Da antwortete er ‘ ich will nicht essen und nicht trinken . ’ Sie aber sagte er sollte nur einmal schmecken wie gut das alles waͤre , Hungers koͤnnte er doch nicht sterben ; da ließ er sich uͤberreden , und trank doch wieder etwas . Als es Zeit war , gieng er hinaus in den Garten auf die Lohhucke , und wartete auf die Koͤnigstochter , da ward er wieder so muͤde , daß er sich nicht halten konnte , und sich hinlegte und so fest schlief als waͤr er von Stein . Um zwei Uhr kam die Rabe , und hatte vier schwarze Hengste , und die Kutsche und alles war schwarz ; sie war aber in voller Trauer , und sprach ‘ ich weiß schon daß er schlaͤft und mich nicht erloͤsen kann . ’ Als sie zu ihm kam , lag er da , und schlief fest . Sie ruͤttelte ihn , und rief ihn , aber sie konnte ihn nicht aufwecken , er schlief in einem fort . Da legte sie ein Brot neben ihn hin , davon konnte er so viel essen als er wollte , es wurde nicht all ; dann ein Stuͤck Fleisch , davon konnt er auch so viel essen als er wollte , es wurde nicht all ; zum dritten eine Flasche Wein , davon konnt er trinken , so viel er wollte , es wurde nicht all . Danach nahm sie ihren goldenen Ring vom Finger , und steckte ihm den an , und war ihr Name darein gegraben ; und endlich legte sie einen Brief hin , darin stand was sie ihm gegeben hatte , und daß es nie all wuͤrde , und es stand auch darin ‘ ich sehe wohl daß du mich hier nicht erloͤsen kannst , willst du mich aber noch erloͤsen , so komm nach dem goldenen Schloß von Stromberg , da kannst du es , das weiß ich gewiß . ’ Und wie sie ihm das alles gegeben hatte , setzte sie sich in ihren Wagen , und fuhr weg in das goldene Schloß von Stromberg .
Als der Mann aufwachte , und sah daß er geschlafen hatte , ward er von Herzen traurig , und sprach ‘gewiß nun ist sie vorbei gefahren , und ich habe sie nicht erloͤst . ’ Da fielen ihm die Dinge in die Augen , die neben ihm lagen , und er las den Brief , darin geschrieben stand wie es zugegangen war . Also machte er sich auf , und gieng fort , und wollte nach dem goldenen Schloß von Stromberg , aber er wußte nicht wo es lag . Nun war er schon lange in der Welt herumgegangen , da kam er in einen dunkeln Wald , und gieng vierzehn Tage darin fort , und konnte sich nicht herausfinden . Da ward es wieder Abend , und er war so muͤde , daß er sich an einen Busch legte , und einschlief . Am andern Tag gieng er weiter , und wollte sich Abends wieder an einen Busch legen , da hoͤrte er ein Heulen und Jammern daß er nicht einschlafen konnte . Und wie die Zeit kam , wo die Leute Lichter anstecken , sah er eins schimmern , und machte sich auf , und gieng ihm nach , da kam er vor ein Haus , das schien so klein , denn es stand ein großer Riese davor . Da dachte er bei sich ‘ gehst du wohl hinein oder nicht ? wenn dus thust , kommst du vielleicht ums Leben , du willst es aber doch einmal wagen . ’ Wie er nun drauf zu gieng , und der Riese ihn sah , sprach er ‘ es ist gut , daß du kommst , ich habe doch lange nichts gegessen , jetzt will ich dich gleich zum Abendbrot verschlucken . ’ ‘Laß das lieber seyn ,’ sprach der Mann , ‘ wenn du essen willst , so hab ich etwas bei mir . ’ ‘ Wenn das wahr ist ,’ sagte der Riese , ‘ so kannst du ruhig bleiben . ’ Da giengen sie hinein , und setzten sich an den Tisch , und der Mann holte Brot , Wein und Fleisch , was nicht all wurde , hervor ,
und sie aßen beiden nach Herzenslust . Danach fragte der Mann den Riesen ‘ kannst du mir nicht sagen , wo das goldene Schloß von Stromberg ist ? ’ Der Riese sprach ‘ ich will auf meiner Landkarte nachsehen , darauf sind alle Staͤdte , Doͤrfer und Haͤuser angemerkt . ’ Da holte er seine Landkarte , die er in der Stube hatte , und suchte das Schloß , konnte es aber nicht finden . ‘ Das thut nichts ,’ sprach er , ‘ ich habe oben in einem Schranke noch groͤßere Landkarten , da will ich sehen ob es darauf zu finden ist . ’ Sie sahen zu , konntens aber nicht finden . Der Mann wollte nun weiter gehen , der Riese aber sprach er sollte noch ein paar Tage warten , er haͤtte einen Bruder , der waͤre aus , und holte Lebensmittel ; wenn der heim kaͤme , dann wollten sie noch einmal auf seiner Landkarte suchen , der faͤnds gewiß . Also wartete der Mann , bis der Bruder nach Haus kam , der sagte er wuͤßte es nicht gewiß , er glaubte aber das goldene Schloß von Stromberg staͤnde auf seiner Karte . Da aßen sich die drei erst recht satt , und dann gieng der zweite Riese hin , und sprach ‘ nun will ich zusehen auf meiner Karte . ’ Allein das Schloß war auch nicht darauf . Da brachte er aus einer Kammer noch andere Landkarten , die breiteten sie aus , und ließen nicht ab zu suchen , und endlich fanden sie das goldene Schloß von Stromberg , aber es war viele tausend Meilen weit weg . ‘ Wie werd ich nun dahin kommen ? ’ sprach der Mann . Der Riese sprach ‘ zwei Stunden habe ich Zeit , da will ich dich bis in die Naͤhe tragen , dann muß ich aber wieder nach Haus , und das Kind saͤugen , das wir haben . ’ Da trug der Riese den Mann bis etwa noch hundert Stunden
vom Schloß , und sagte ‘ jetzt muß ich wieder zuruͤck , den uͤbrigen Weg kannst du wohl allein gehen . ’ ‘ O ja ,’ sagte der Mann , das kann ich wohl . ’ Wie sie sich nun trennen wollten , sprach der Mann ‘ wir wollen erst mit einander essen ,’ und sie aßen zusammen , und darauf nahm der Riese Abschied , und gieng heim . Der Mann aber gieng vorwaͤrts Tag und Nacht bis er endlich zu dem goldenen Schloß von Stromberg kam . Da stand es aber auf einem glaͤsernen Berge , und oben darauf sah er die verwuͤnschte Jungfrau fahren . Nun wollte er hinauf zu ihr , aber wie er es auch anfieng , er glitschte immer wieder herunter . Da war er ganz betruͤbt , und sprach zu sich selbst ‘ am besten ist , du baust dir hier eine Huͤtte ; Essen und Trinken hast du ja . ’ Also baute er sich eine Huͤtte , und saß darin ein ganzes Jahr , und sah die Koͤnigstochter alle Tage oben fahren , konnte aber nicht hinauf zu ihr kommen .
Da sah er einmal aus seiner Huͤtte wie drei Riesen sich schlugen , und rief ihnen zu ‘ Gott sey mit euch ! ’ Sie hielten bei dem Ruf inne , als sie aber niemand sahen , fiengen sie wieder an sich zu schlagen , und das zwar ganz gefaͤhrlich . Da rief er abermals ‘ Gott sey mit euch ! ’ sie hoͤrten wieder auf , guckten sich um , weil sie aber niemand sahen , fuhren sie auch wieder fort sich zu schlagen . Da rief er zum drittenmal ‘ Gott sey mit euch ! ’ und dachte ‘ du mußt doch sehen was die drei vorhaben ,’ gieng hin , und fragte warum sie so auf einander losschluͤgen . Da sagte der eine er haͤtte einen Stock gefunden , wenn er damit wider eine Thuͤr schluͤge , so spraͤnge sie auf ; der andere sagte er haͤtte einen
Mantel gefunden , wenn er den umhienge , so waͤr er unsichtbar ; der dritte aber sprach er haͤtte ein Pferd gefangen , mit dem koͤnnte man den glaͤsernen Berg hinaufreiten . Da sprach der Mann ‘ fuͤr die drei Sachen will ich euch etwas geben , Geld habe ich zwar nicht , aber andere Dinge , die noch mehr werth sind : doch muß ich sie vorher probieren , damit ich sehe ob ihr auch die Wahrheit gesagt habt . ’ Da ließen sie ihn aufs Pferd sitzen , hiengen ihm den Mantel um , und gaben ihm den Stock in die Hand , und wie er das alles hatte , konnten sie ihn nicht mehr sehen . Da gab er ihnen tuͤchtige Schlaͤge , und rief ‘ nun , ihr Baͤrenhaͤuter , seyd ihr zufrieden ? ’ Dann ritt er den Berg hinauf , und als er oben vor das Schloß kam , war es verschlossen ; da schlug er mit dem Stock vor die Thuͤr , gleich sprang sie auf , und er gieng hinein , und gieng die Treppe hinauf oben in den Saal , da saß die Jungfrau , und hatte einen goldenen Kelch mit Wein vor sich stehen . Sie konnte ihn aber nicht sehen , weil er den Mantel um hatte . Und als er vor sie kam , zog er den Ring , den sie ihm gegeben hatte , vom Finger , und warf ihn in den Kelch daß es klang . Da rief sie ‘ das ist mein Ring , so muß auch der Mann da seyn , der mich erloͤsen wird . ’ Sie suchten im ganzen Schloß , und fanden ihn nicht , er war aber hinaus gegangen , hatte sich aufs Pferd gesetzt , und den Mantel abgeworfen . Wie sie nun vor das Thor kamen , sahen sie ihn , und schrien vor Freude ; und er stieg ab , und nahm die Koͤnigstochter in den Arm , da kuͤßte sie ihn , und sagte ‘ jetzt hast du mich erloͤst . ’ Darauf hielten sie Hochzeit , und lebten vergnuͤgt mit einander .
94.
Die kluge Bauerntochter .
E s war einmal ein armer Bauer , der hatte kein Land , nur ein kleines Haͤuschen und eine alleinige Tochter , da sprach die Tochter ‘ wir sollten den Herrn Koͤnig um ein Stuͤckchen Rottland bitten . ’ Da der Koͤnig ihre Armuth hoͤrte , schenke er ihnen auch ein Eckchen Rasen , den hackte sie und ihr Vater um , und wollten ein wenig Korn und der Art Frucht darauf saͤen : und als sie ihn beinahe herum hatten , da fanden sie in der Erde einen Moͤrsel von purem Gold . ‘Hoͤr ,’ sagte der Vater zu dem Maͤdchen , ‘ weil unser Herr Koͤnig so gnaͤdig ist gewesen , und hat uns diesen Acker geschenkt , so muͤssen wir ihm den Moͤrsel wiedergeben .’ Die Tochter aber wollt es nicht bewilligen , und sagte ‘Vater , wenn wir den Moͤrsel haben , und haben den Stoͤßer nicht , dann muͤssen wir auch den Stoͤßer schaffen , darum schweigt lieber still .’ Er wollt ihr aber nicht gehorchen , nahm den Moͤrsel , und trug ihn zum Herrn Koͤnig , und sagte , den haͤtte er gefunden in der Heide . Der Koͤnig nahm den Moͤrsel , und fragte ob er nichts mehr gefunden haͤtte ? ‘ Nein ’ sprach der Bauer . Da sagte der Koͤnig er sollte nun auch den Stoͤßer herbeischaffen . Der Bauer sprach den haͤtten sie nicht gefunden ; aber das half ihm soviel , als haͤtt ers in den Wind gesagt , er
ward ins Gefaͤngnis gesetzt , und sollte so lange da sitzen , bis er den Stoͤßer herbeigeschafft haͤtte . Die Bedienten mußten ihm taͤglich Wasser und Brot bringen , was man so in dem Gefaͤngnis kriegt , da hoͤrten sie , wie der Mann als fort schrie ‘ach , haͤtt ich meiner Tochter gehoͤrt ! ach , ach , haͤtt ich meiner Tochter gehoͤrt ! ’ Da giengen die Bedienten zum Koͤnig , und sprachen das , wie der Gefangene als fort schrie ‘ach , haͤtt ich doch meiner Tochter gehoͤrt ! ’ und wollte nicht essen und nicht trinken . Da befahl er den Bedienten , sie sollten den Gefangenen vor ihn bringen , und da fragte ihn der Herr Koͤnig warum er also fort schreie ‘ach , haͤtt ich meiner Tochter gehoͤrt ! ’ ‘ Was hat eure Tochter denn gesagt ? ’ ‘ Ja , sie hat gesprochen ich sollte den Moͤrsel nicht bringen , sonst muͤßt ich auch den Stoͤßer schaffen . ’ ‘Habt ihr denn so eine kluge Tochter , so laßt sie einmal herkommen . ’ Also mußte sie vor den Koͤnig kommen , der fragte sie ob sie denn so klug waͤre ? und sagte er wollte ihr wohl ein Raͤthsel aufgeben , wenn sie das treffen koͤnnte , dann wollte er sie heirathen . Da sprach sie gleich ja , sie wollts errathen . Da sagte der Koͤnig ‘ komm zu mir , nicht gekleidet , nicht nackend , nicht geritten , nicht gefahren , nicht in dem Weg , nicht außer dem Weg , und wenn du das kannst , will ich dich heirathen . ’ Da gieng sie hin , und zog sich aus splinternakkend , da war sie nicht gekleidet , und nahm ein großes Fischgarn , und setzte sich hinein , und wickelte es um sich herum , da war sie nicht nackend ; und borgte einen Esel fuͤrs Geld , und band dem Esel das Fischgarn an den Schwanz , darin er sie fortschleppen
mußte , und war das nicht geritten und nicht gefahren ; und mußte sie der Esel in der Fahrgleise schleppen , so daß sie nur mit der großen Zehe auf die Erde kam , und war das nicht in dem Weg und nicht außer dem Wege . Und wie sie so daher kam , sagte der Koͤnig , sie haͤtte das Raͤthsel getroffen , und sey alles erfuͤllt . Da ließ er ihren Vater los aus dem Gefaͤngnis , und nahm sie bei sich als seine Gemahlin , und befahl ihr das ganze koͤnigliche Gut an .
Nun waren etliche Jahre herum , als der Herr Koͤnig einmal auf die Parade zog , da trug es sich zu , daß Bauern mit ihren Wagen vor dem Schloß hielten , die hatten Holz verkauft ; etliche mit Ochsen und etliche mit Pferden . Da war ein Bauer , der hatte drei Pferde , davon kriegte eins ein junges Fuͤllchen , das lief weg und legte sich an einen Wagen , wo zwei Ochsen davor waren , mittendrein . Als nun die Bauern zusammen kamen , fiengen sie an sich zu zanken , schmeißen und laͤrmen , und der Ochsenbauer wollte das Fuͤllchen behalten und sagte die Ochsen haͤttens gehabt , und der andere sagte nein , seine Pferde haͤttens gehabt , und es waͤre sein . Der Zank kam vor den Koͤnig , und der that den Ausspruch wo das Fuͤllen gelegen haͤtte , da sollt es bleiben ; und also bekams der Ochsenbauer , dems doch nicht gehoͤrte . Da gieng der andere weg , weinte und lamentierte uͤber sein Fuͤllchen . Nun hatte er gehoͤrt wie daß die Frau Koͤnigin so gnaͤdig waͤre , weil sie auch von armen Bauersleuten gekommen waͤre ; gieng zu ihr , und bat sie , ob sie ihm nicht helfen koͤnnte daß er sein Fuͤllchen
wieder bekaͤme . Sagte sie ‘ ja , wenn ihr mir versprecht daß ihr mich nicht verrathen wollt , will ichs euch sagen . Morgen fruͤh , wenn der Koͤnig auf der Wachtparade ist , so stellt euch hin mitten in die Straße , wo er vorbei kommen muß , nehmt ein großes Fischgarn , und thut als fischtet ihr , und fischt also fort , und schuͤttet es aus , als wenn ihrs voll haͤttet , ’ und sagte ihm auch was er antworten sollte , wenn er vom Koͤnig gefragt wuͤrde . Also stand der Bauer am andern Tag da , und fischte auf einem trockenen Platz . Wie der Koͤnig vorbei kam und das sah , schickte er seinen Laufer hin , der sollte fragen was der naͤrrische Mann vorhaͤtte . Da gab er zur Antwort ‘ ich fische . ’ Fragte der Laufer wie er fischen koͤnnte , es waͤre ja kein Wasser da . Sagte der Bauer ‘ so gut als zwei Ochsen koͤnnen ein Fuͤllen kriegen , so gut kann ich auch auf dem trockenen Platz fischen .’ Der Laufer gieng hin , und brachte dem Koͤnig die Antwort , da ließ er den Bauer vor sich kommen , und sagte ihm das haͤtte er nicht von sich , von wem er das haͤtte ? und sollts gleich bekennen . Der Bauer aber wollts nicht thun , und sagte immer Gott bewahr ! er haͤtt es von sich . Sie banden ihn aber auf ein Gebund Stroh , und schlugen und drangsalten ihn so lange bis ers bekannte , daß ers von der Frau Koͤnigin haͤtte . Als der Koͤnig nach Haus kam , sagte er zu seiner Frau ‘ warum bist du so falsch mit mir , ich will dich nicht mehr zur Gemahlin : deine Zeit ist um , geh wieder hin , woher du kommen bist , in dein Bauernhaͤuschen . ’ Doch erlaubte er ihr eins , sie sollte sich das Liebste und Beste mitnehmen was sie wuͤßte , und das
sollte ihr Abschied seyn . Sie sagte ‘ja , lieber Mann , wenn dus so befiehlst , will ich es auch thun , ’ und fiel uͤber ihn her , und kuͤßte ihn , und sprach sie wollte Abschied von ihm nehmen . Dann ließ sie einen starken Schlaftrunk kommen , Abschied mit ihm zu trinken : der Koͤnig that einen großen Zug , sie aber trank nur ein wenig , da gerieth er bald in einen tiefen Schlaf . Und als sie das sah , rief sie einen Bedienten , und nahm ein schoͤnes weißes Linnentuch , und schlug ihn da hinein , und die Bedienten mußten ihn in einen Wagen vor der Thuͤre tragen , und fuhr sie ihn heim in ihr Haͤuschen . Da legte sie ihn auf ihr Bettchen , und er schlief Tag und Nacht in einem fort , und als er aufwachte , sah er sich um , und sagte ‘ach Gott , wo bin ich denn ? ’ rief seinen Bedienten , aber es war keiner da . Endlich kam seine Frau vors Bett und sagte ‘ lieber Herr Koͤnig , ihr habt mir befohlen ich sollte das Liebste und Beste aus dem Schloß mitnehmen , nun hab ich nichts Besseres und Lieberes als dich , da hab ich dich mitgenommen . ’ Der Koͤnig sagte ‘liebe Frau , du sollst mein seyn und ich dein , ’ und nahm sie wieder mit ins koͤnigliche Schloß , und ließ sich aufs neue mit ihr vermaͤhlen ; und werden sie ja wohl noch auf den heutigen Tag leben .
95.
Der alte Hildebrand .
E s war amahl a Baur und a Baͤurin , und doͤ Baͤurin , doͤ hat der Pfarra im Dorf gern gesegn , und da hat er allewei gwunschen , wann er nur amahl an ganzen Tag mit der Baͤurin allan recht vergnuͤgt zubringa kunnt , und der Baͤurin der wars halt a recht gwesn . No , da hat er amahl zu der Baͤurin gsagt ‘ hanz , mei liebi Baͤurin , hietzt hab i was ausstudiert , wie wir halt amahl recht vergnuͤgt mitanander zubringa kunnten . Wißts was , oͤs legts eng aufm Mittwoch ins Bett , und sagts engern Mon oͤs seits krang , und lamatierts und uͤbelts nur recht , und das treibts fort bis aufm Sunta , wann i die Predi halt , und da wir ( werde ) i predigen , daß wer z’ Haus a krangs Kind , an krangen Mon , a krangs Weib , an krangen Vader , a krange Muader , a krange Schwester , Bruader , oda wers sunst nacha is , hat , und der thut a Wollfart aufm Goͤckerliberg in Waͤlischland , wo ma um an Kreuzer an Metzen Lorberbladeln kriegt , dem wirds krange Kind , der krange Mon , s’ krange Weib , der krange Vader , d’ krange Muader , d’ krange Schwester , Bruader , oda wers sunst nacha is , auf der Stell gsund .’
‘Doͤs wir i schon machen ,’ hat die Baͤurin drauf gsagt . No , drauf , aufm Mittwoch hat si halt d’ Baͤurin ins Bett glegt ,
und hat glamatiert und g’uͤbelt als wie , und ihr Mon hat ihr alles braucht , was er nur gwißt hat , ’s hat aber halt nix gholfn . Wie denn der Sunta kuma is , hat d’ Baͤurin gsagt ‘ mir is zwar so miserabel als ob i glei verschaden sollt , aber ans moͤcht i do no vor mein End , i moͤcht halt in Herrn Pfarra sei Predi hoͤrn , doͤ er heund halten wird . ’ ‘ A , mei Kind ,’ sagt der Baur drauf , ‘ thu du doͤs nit , du kunntst schlechter wern , wannst aufstundst . Schau , es wir i in d’ Predi gehn , und wir recht acht gebe , und wir dir alles wieder derzoͤhln was der Herr Pfarra gsagt hat . ’ ‘ No ,’ hat d’ Baͤurin gsagt , ‘ so geh halt , und gib recht Acht , und derzoͤhl mir alles was d’ ghoͤrt hast .’ No , und da is der Baur halt in d’ Predi ganga , und da hat der Herr Pfarra also angfangt zun predigen , und hat halt gsagt , wann ans a krangs Kind , an krangen Mon , a krangs Weib , an krangen Vader , a krange Muader , a krange Schwester , Bruader , oda wers sunst nacha war , z’ Haus haͤt , und der wollt a Wollfart machen aufm Goͤckerliberg in Waͤlischland , wo der Metzen Lorberbladeln an Kreuzer kost , dem wirds krange Kind , der krange Mon , ’s krange Weib , der krange Vader , d’ krange Muader , d’ krange Schwester , Bruader , oda wers sunst nache war , auf der Stell gsund wern , und wer also doͤ Ras unternehma wollt , der soll nach der Meß zu ihm kuma , da wird er ihm den Lorbersack gebn und den Kreuzer . Da war niembd froͤher als der Baur , und nach der Meß is er gleich zum Pfarra ganga , und der hat ihm also den Lorbersack gebn und den Kreuzer . Drauf is er nach Haus kuma , und hat schon bei der Hausthuͤr eini gschrien ‘juchesha , liebs Weib ,
hietzt is so viel , als obst gsund warst . Der Herr Pfarra hat heunt predigt , daß wer a krangs Kind , an krangen Mon , a krangs Weib , an krangen Vader , a krange Muader , a krange Schwester , Bruader , oda wers sunst nacha war , z’ Haus hat , und der macht a Wollfart aufm Goͤckerliberg in Waͤlischland , wo der Metzen Lorberbladeln an Kreuzer kost , dem wird ’s krange Kind , der krange Mon , ’s krange Weib , der krange Vader , d’ krange Muader , d’ krange Schwester , Bruader , oda wers sunst nacha war , auf der Stell gsund ; und hietzt hab i mir schon den Lorbersack ghohlt vom Herrn Pfarra und den Kreuzer , und wir glei mein Wanderschaft antreten , daß d’ desto ehender gsund wirst ; ’ und drauf is er fort ganga . Er war aber kam fort , so is die Baͤurin schon auf gwesn , und der Pfarra war a glei do . Hietzt lassen mir aber doͤ zwa indessen auf der Seiten , und gaͤnga mir mit’n Baur . Der is halt alleweil drauf los ganga , damit er desto ehender aufm Goͤckerliberg kummt , und wie halt so geht , begegnt ihm sein Gvatter . Sein Gvatter doͤs war an Armon ( Eiermann ) , und der is just von Mark kuma , wo er seine Ar verkauft hat . ‘Globt seyst ,’ sagt sein Gvatter , ‘ wo gehst denn so trabi hin Gvatter ? ’ ‘Jn Ewigkeit , Gvatter ,’ sagt der Baur , ‘ mein Weib is krang worn , und da hab i heund in Herrn Pfarra sein Predi ghoͤrt , und da hat er predigt , daß wann aner z’ Haus an krangs Kind , an krangen Mon , a krangs Weib , an krangen Vader , a krange Muader , a krange Schwester , Bruader , oda wers sunst nacha war , hat , und er macht a Wollfart aufm Goͤckerliberg in Waͤlischland , wo der Metzen Lorberbladeln an Kreuzer kost ,
dem wird ’s krange Kind , der krange Mon , ’s krange Weib , der krange Vader , d’ krange Muader , d’ krange Schwester , Bruader , oder wers sunst nacha war , auf der Stell gsund , und da hab i mir von Herrn Pfarra den Lorbersack und den Kreuzer ghohlt , und hietzt trit i halt mein Wanderschaft an . ’ ‘ Aber hanz , Gvatter ,’ hat der Gvatter zum Baur gsagt , ‘ seits denn gar so dacket ( einfaͤltig ) , daß so was glauben koͤnts . Wißts was is ? der Pfarra moͤcht gern mit engern Weib an ganzen Tag allan recht vergnuͤgt zubringa , drum habn ’s eng den Baͤrn anbunden , daß ihr’ en aus’n Fuͤßen kumts . ’ ‘ Mein ,’ hat der Baur gsagt , ‘ so moͤcht i do wissen , ob das wahr is . ’ ‘ No ,’ hat der Gvatter gsagt , ‘wast was , setz di in mein Arkorb eini , so will i die nach Haus tragn , und da wirst es selber segn .’ No , das is also gschegn , und der Baur hat sein Gvatter in sein Arkorb eini gsetzt , und der hat ’n nach Haus tragn . Wie ’s nach Haus kuma san , holla , da is schon lusti zuganga . Da hat die Baͤurin schon fast alles , was nur in ihren Hof war , abgstochen ghabt , und Krapfen hats bachen , und der Pfarra war a schon da , und hat a sein Geige mitbracht ghabt . Und da hat halt der Gvatter anklopft , und d’ Baͤurin hat gfragt wer draussen war . ‘J bin’s , Gevatterin ,’ hat der Gvatter gsagt , ‘ mei , gebts mir heund Nacht a Herberg , i hab meini Ar aufm Mark nit verkauft , und hietzt muß i’s wieder nach Haus trage , und soͤ san gar z’ schwar , i bring ’s nit fort , es is a schon finster . ’ ‘ Ja , mein Gvatter ,’ sagt d’ Baͤurin drauf , ‘ oͤs kumts mir recht zur unglegna Zeit . No , weils halt her nit anders is , so kumts eina , und setzt ’s eng dort auf d’ Ofenbank .’
No , hat si der Gvatter also mit sein Buckelkorb auf d’ Ofenbank gsetzt . Der Pfarra aber und d’ Baͤurin doͤ warn halt recht lusti . Endli fangt der Pfarra an , und sagt ‘hanz , mein liebi Baͤurin , oͤs koͤnts ja so schoͤn singa , singts mir do ans . ’ ‘ A ,’ sagt die Baͤurin , ‘ hietzt kann i nix mehr singa , ja in mein junge Jahren , da hab i’s wohl koͤnna , aber hietzt is schon vorbei . ’ ‘ Ei ,’ sagt wieder der Pfarra , ‘singts do , nur a bißl .’ No , da fangt die Baͤurin an und singt
‘J hab mein Mon wohl ausgesandt
aufm Goͤckerliberg in Waͤlischland .’
Drauf singt der Pfarra
‘J wollt er blieb da a ganzes Jahr ,
was fragt i nach dem Lorbersack .
Halleluja !’
Hietzt fangt der Gvatter hinten an , und singt ( da muß i aber derzoͤhln daß der Baur Hildebrand ghassen hat ) , singt also der Gvatter
‘ Ei du , mein lieber Hildebrand ,
was machst du auf der Ofenbank ?
Halleluja !’
Und hietzt singt der Baur in Korb drinna
‘Hietzt kann i das Singa nimmermehr leiden ,
hietzt muß i aus mein Buckelkorb steigen .’
Und steigt aus ’n Korb , und pruͤgelt den Pfaffen beim Haus hinaus .
96.
De drei Vuͤgelkens .
E t is wul dusent un meere Jaare hen , da woͤren hier im Lanne luter kleine Kuͤnige , da hed auck einer up den Keuterberge wuͤnt ( gewohnt ) , de gink sau geren up de Jagd . Ase nu mal mit sinen Jaͤgern vom Schlotte heruttrok , hoͤen ( huͤteten ) unner den Berge drei Maͤkens ire Koͤge ( Kuͤhe ) , un wie sei den Kuͤnig mit den vielen Luͤen ( Leuten ) seien , so reip de oͤlleste den annern beden Maͤkens to , un weis up den Kuͤnig , ‘helo ! helo ! wenn ik den nig kriege , so will ik keinen . ’ Da antworde de tweide up de annere Side vom Berge , un weis up den , de dem Kuͤnige rechter Hand gink , ‘helo ! helo ! wenn ik den nig kriege , so will ik keinen . ’ Da reip de juͤngeste , un weis up den , de linker Hand gink , ‘helo ! helo ! wenn ik den nig kriege , so will ik keinen . ’ Dat woͤren averst de beden Ministers. Dat hoͤrde de Kuͤnig alles , un ase von der Jagd heime kummen was , leit he de drei Maͤkens to sik kummen , un fragete se wat se da gistern am Berge segd hedden . Dat wullen se nig seggen , de Kuͤnig frog awerst de oͤlleste , ob se uͤn wol tom Manne hewen wulle ? Da segde se ja , un ere beiden Suͤstern friggeten de beiden Ministers , denn se woͤren alle drei scheun un schir ( klar , schoͤn ) von Angesicht , besunners de Kuͤnigin , de hadde Hare ase Flass .
De beiden Suͤstern awerst kregen keine Kinner , un ase de Kuͤnig mal verreisen moste , let he se tor Kuͤnigin kummen , um se up to munnern , denn se war grae ( gerad ) swanger . Se kreg en kleinen Jungen , de hadde ’n ritsch roen ( rothen ) Stern mit up de Weld . Da sehden de beiden Suͤstern , eine tor annern , se wullen den huͤbsken Jungen in’t Water werpen . Wie se ’n darin worpen hadden ( ick gloͤve , et is de Weser west ) , da fluͤgt ’n Vuͤgelken in de Hoͤgte , dat sank
‘tom Daude bereit ,
up wietern Bescheid
tom Lilienstrus :
wacker Junge , bist du’s ? ’
Da dat de beiden hoͤrten , kregen se de Angst up’n Lieve , un makten dat se fort keimen . Wie de Kuͤnig na Hus kam , sehden se to uͤm de Kuͤnigin hedde ’n Hund kregen . Da segde de Kuͤnig ‘wat Gott deiet , dat is wole dahn .’
Et wunde awerst ’n Fisker an den Water , de fiskede den kleinen Jungen wier herut , ase noch ewen lebennig was , un da sine Fru kene Kinner hadde , foerden ( fuͤtterten ) se’n up . Na ’n Jaar was de Kuͤnig wier verreist , da kreg de Kuͤnigin wier ’n Jungen , den namen de beiden falsken Suͤstern , un warpen ’n auck in’t Water , da fluͤgt dat Vuͤgelken wier in die Hoͤgte , un sank :
‘tom Daude bereit ,
up wietern Bescheid
tom Lilienstrus :
wacker Junge , bist du’s ?’
Un wie de Kuͤnig toruͤgge kam , sehden se to uͤm , de Kuͤnigin hedde wier ’n Hund bekummen , un he segde wier ‘wat Gott deit , dat is wole dahn . ’ Awerst de Fisker trok duͤsen auck ut den Water , un foerd ’n up .
Da verreisede de Kuͤnig wier , un de Kuͤnigin kreg ’n klein Maͤken , dat warpen de falsken Suͤstern auck in’t Water . Da fluͤgt dat Vuͤgelken wier in die Hoͤgte , un sank
‘tom Daude bereit ,
up wietern Bescheid
tom Lilienstrus :
wacker Maͤken , bist du’s ?’
Un wie de Kuͤnig na Hus kam , sehden se to uͤm , de Kuͤnigin hedde ’ne Katte kregt . Da worde de Kuͤnig beuse , und leit sine Fru in’t Gefaͤnknis smieten , da hed se lange Jaare in setten .
De Kinner woͤren unnerdes anewassen , da gink de oͤlleste mal mit annern Jungens herut to fisken , da wuͤllt uͤn de annern Jungens nig twisken sik hewen , un segget ‘ du Fuͤndling , gaa du diner Wege . ’ Da ward he gans bedroͤwet , un fraͤggt den olen Fisker ob dat war woͤre ? De vertellt uͤn dat he mal fisked hedde , un hedde uͤn ut den Water troken ( gezogen ) . Da segd he he wulle furt un sinen Teiten ( Vater ) soͤken . De Fisker de biddet ’n he moͤgde doch bliven , awerst he let sik gar nig hallen , bis de Fisker et tolest to givt . Da givt he sik up den Weg , un geit meere Dage hinner ’n anner , endlich kuͤmmt he vor ’n graut allmaͤchtig Water , davor steit ’ne ole Fru , un fiskede . ‘Guden Dag , Moer ,’ segde de Junge . ‘ Groten Dank . ’ ‘ Du suͤst da wol lange
fisken , e du ’n Fisk faͤngest . ’ ‘ Un du wol lange soͤken , e du dinen Teiten findst . Wie wust du der denn da oͤver’t Water kummen ? ’ sehde de Fru . ‘ Ja , dat mag Gott witten . ’ Da nuͤmmt de ole Fru uͤn up den Ruͤggen , un draͤgt ’n derdoͤrch , un he soͤcht lange Tiid , un kann sinen Teiten nig finnen . Ase nu wol ’n Jaar voroͤwer is , da trekt de tweide auck ut , un will sinen Broer soͤken . He kuͤmmt an dat Water , un da geit et uͤn ewen so , ase sinen Broer . Nu was nur noch de Dochter allein to Hus , de jammerde so vil na eren Broern , dat se upt lest auck den Fisker bad , he moͤgte se treken laten , se wulle ere Broerkes soͤken . Da kam se auck bie den grauten Water , da sehde se tor olen Fru ‘ guden Dag , Moer . ’ ‘ Groten Dank . ’ ‘ Gott helpe ju bie juen fisken . ’ Ase de ole Fru dat hoͤrde , da word se ganz fruͤndlich , un drog se oͤver’t Water , un gab er ’n Roe ( Ruthe ) un sehde to er ‘nu gah man juͤmmer up duͤsen Wege to , mine Dochter , nu wenn du bie einen groten schwarten Hund vorbei kuͤmmst , so must du still un drist , un one to lachen , un one uͤn an to kicken , vorbie gaan . Dann kuͤmmest du an ’n grot open Schlott , up ’n Suͤll ( Schwelle ) most du de Roe fallen laten , un stracks doͤrch dat Schlott an den annern Side wier herut gahen ; da is ’n olen Brunnen , darut is ’n groten Boom wassen , daran haͤnget ’n Vugel im Buer , den nuͤmm af , dann nuͤmm noch ’n Glaß Water ut den Brunnen , un gaa mit duͤsen beiden den suͤlvigen Weg wier toruͤgge ; up den Suͤll nuͤmm de Roe auck wier mit , un wenn du dann wier bie den Hund vorbie kummst , so schlah uͤn in’t Gesicht , awerst suͤ to , dat du uͤn treppest , un dann kumm
nur wier to mie toruͤgge . ’ Da fand se et grade so , ase de Fru et sagd hadde , un up den Ruͤckwege da fand se de beiden Broer , de sik de halve Welt dorchsoͤcht hadden . Se gieng tosammen bis wo de swarte Hund an den Weg lag , den schlog se in’t Gesicht , da word et ’n schoͤnen Prinz , de geit mit uͤnen , bis an dat Water . Da stand da noch de ole Fru , de froͤgede sik ser , da se alle wier da woͤren , un drog se alle oͤver’t Water , un dann gink se auck weg , denn se was nu erloͤst . De annern awerst gingen alle na den olen Fisker , un alle woͤren froh dat se sik wier funnen hadden , den Vuͤgel awerst huͤngen se an der Wand .
De tweide Suhn kunne awerst nig to Huse rasten , un nam ’n Flitzebogen , un gink up de Jagd . Wie he moͤe was , nam he sine Floͤtepipen , un mackte ’n Stuͤcksken . De Kuͤnig awerst woͤr auck up de Jagd , un hoͤrde dat , da gieng he hin , un wie he den Jungen drap , so sehde he ‘ we hett die verloͤwt hier to jagen ? ’ ‘ O , neimes ( niemand ) .’ ‘ Wen hoͤrst du dann to ? ’ ‘Jk bin den Fisker sin Suhn . ’ ‘ De hett ja keine Kinner . ’ ‘ Wenn du’t nig gloͤwen wust , so kum mit .’ Dat dehe de Kuͤnig , un frog den Fisker , de vertaͤlle uͤn alles , un dat Vuͤgelken an der Wand fing an to singen
‘ de Moͤhme ( Mutter ) sitt allein ,
wol in dat Kerkerlein.
o Kuͤnig , edeles Blod ,
dat sind dine Kinner god .
De falsken Suͤstern beide
de dehen de Kinnerkes Leide ,
wol in des Waters Grund ,
wo se de Fisker fund .’
Da erschracken se alle , un de Kuͤnig nam den Vugel , den Fisker , un de drei Kinner mit sik na den Schlotte , un leit dat Gefaͤnknis upschluten , un nam sine Fru wier herut , de was awerst gans kraͤnksch un elennig woren . Da gav er de Dochter von den Water ut den Brunnen to drinken , da war se frisk un gesund . De beiden falsken Suͤstern woren averst verbrennt , un de Dochter friggede den Prinzen .
97.
Das Wasser des Lebens .
E s war einmal ein Koͤnig , der ward krank , und glaubte niemand daß er mit dem Leben davon kaͤme . Er hatte aber drei Soͤhne , die waren daruͤber betruͤbt , giengen hinunter in den Schloßgarten , und weinten ; da begegnete ihnen ein alter Mann , der fragte sie nach ihrem Kummer . Sie erzaͤhlten ihm ihr Vater waͤre so krank , daß er wohl sterben wuͤrde , denn es wollte ihm nichts helfen . Da sprach der Alte ‘ ich weiß noch ein Mittel , das ist das Wasser des Lebens , wenn er davon trinkt , so wird er wieder gesund ; es ist aber schwer zu finden . ’ Da sagte der aͤlteste ‘ ich will es schon finden ,’ gieng zum kranken Koͤnig , und bat ihn , er moͤchte ihm erlauben auszuziehen , um das Wasser des Lebens zu suchen , das ihn allein heilen koͤnne . ‘Nein ,’ sprach der Koͤnig , ‘ die Gefahr dabei ist zu groß , lieber will ich sterben . ’ Er bat aber so lange , bis der Koͤnig einwilligte . Der Prinz dachte in seinem Herzen ‘ hol ich das Wasser , so bin ich meinem Vater der liebste , und erbe das Reich .’
Also machte er sich auf , und als er eine Zeit lang fortgeritten war , stand da ein Zwerg auf dem Wege , der rief ihn an , und sprach ‘wohinaus so geschwind ? ’ ‘ Du Knirps ,’ sagte der
Prinz ganz stolz , ‘ das brauchst du nicht zu wissen , ’ und ritt weiter . Das kleine Maͤnnchen aber war zornig geworden , und hatte einen boͤsen Wunsch gethan . Der Prinz kam auf seinem Weg in eine Bergschlucht , und je weiter er ritt , je enger thaten sich die Berge zusammen , und endlich ward der Weg so eng , daß er keinen Schritt weiter konnte , und auch das Pferd konnte er nicht wenden , und selber nicht absteigen , und mußte da eingesperrt bleiben . Der kranke Koͤnig wartete auf ihn , aber er kam nicht und kam nicht . Da sagte der zweite Sohn ‘ so will ich ausziehen , und das Wasser suchen ,’ und dachte bei sich ‘ das ist mir eben recht , ist mein Bruder todt , so faͤllt das Reich mir zu . ’ Der Koͤnig wollt ihn anfangs auch nicht ziehen lassen , endlich aber mußte ers doch zugeben . Der Prinz zog also gleiches Wegs fort , und begegnete demselben Zwerg , der ihn anhielt , und fragte ‘wohinaus so geschwind ? ’ ‘ Du Knirps ,’ sagte der Prinz , ‘ das brauchst du nicht zu wissen , ’ und ritt , ohne sich weiter umzusehen , fort . Aber der Zwerg verwuͤnschte ihn , und er gerieth wie der andere in eine Bergschlucht , und konnte nicht vorwaͤrts und ruͤckwaͤrts . So gehts aber den Hochmuͤthigen .
Wie nun der zweite Sohn ausblieb , sagte der juͤngste , er wollte ausziehen , und das Wasser holen , und der Koͤnig mußte ihn endlich auch gehen lassen . Als er den Zwerg auf dem Wege fand , und ihn fragte ‘wohinaus so geschwind ? ’ so stand er ihm Rede , und sagte ‘ ich suche das Wasser des Lebens , weil mein Vater sterbenskrank ist . ’ ‘Weißt du auch wo das zu finden ist ? ’ ‘Nein ,’ sagte der Prinz . ‘ Weil du mir ordentlich Rede gestanden
hast , so will ich dirs sagen . ’ Es quillt aus einem Brunnen in dem Hofe eines verwuͤnschten Schlosses ; und damit du dazu gelangst , gebe ich dir da eine eiserne Ruthe und zwei Laiberchen Brot . Mit der Ruthe schlag dreimal an das eiserne Thor vor dem Schloß , so wird es aufspringen : inwendig werden dann zwei Loͤwen liegen , und den Rachen aufsperren , wenn du ihnen aber das Brot hineinwirfst , wirst du sie stillen : und dann eile dich , und hol von dem Wasser des Lebens , eh es zwoͤlf schlaͤgt , sonst geht das Thor wieder zu , und du bist eingesperrt . ’ Da dankte ihm der Prinz , und nahm die Ruthe und das Brot , gieng hin , und es war alles so , wie der Zwerg gesagt hatte . Das Thor sprang beim dritten Ruthenschlag auf , und als er die Loͤwen gesaͤnftigt hatte , gieng er in das Schloß hinein , und fand einen großen schoͤnen Saal , und darin verwuͤnschte Prinzen , denen zog er die Ringe ab ; und nahm dann ein Schwert und ein Brot , das da lag . Und weiter kam er in ein Zimmer , darin war eine schoͤne Jungfrau , die freute sich , als sie ihn sah , kuͤßte ihn , und sagte er haͤtte sie erloͤst , und sollte ihr ganzes Reich haben ; in einem Jahre sollt er kommen und die Hochzeit mit ihr feiern . Dann sagte sie ihm auch , wo der Brunnen waͤre mit dem Lebenswasser , er muͤßte sich aber eilen und daraus schoͤpfen , eh es zwoͤlf schluͤge . Da gieng er weiter , und kam endlich in ein Zimmer , darin stand ein schoͤnes frischgedecktes Bett ; und weil er muͤde war , wollt er sich erst ein wenig ausruhen . Also legte er sich , und schlief ein ; wie er aber erwachte , schlug es drei Viertel auf Zwoͤlf . Da sprang er ganz erschrocken auf , lief zu dem
Brunnen , und schoͤpfte daraus mit einem Becher , der daneben stand , und eilte daß er fortkam . Wie er eben zum eisernen Thor hinausgieng , da schlugs zwoͤlf , und das Thor fuhr zu , so heftig , daß es ihm noch ein Stuͤck von der Ferse wegnahm .
Er aber war froh , daß er das Wasser des Lebens erlangt hatte , und gieng heimwaͤrts , und kam wieder an dem Zwerg vorbei . Als dieser das Schwert und das Brot sah , sprach er ‘ damit hast du großes Gut gewonnen , mit dem Schwert kannst du ganze Heere schlagen , das Brot aber wird niemals alle . ’ Da dachte der Prinz ‘ ohne deine Bruͤder willst du zum Vater nicht nach Haus kommen’ und sprach ‘lieber Zwerg , kannst du mir nicht sagen , wo meine zwei Bruͤder sind , die waren fruͤher als ich nach dem Wasser des Lebens ausgezogen , und sind nicht wiedergekommen . ’ ‘ Zwischen zwei Bergen sind sie eingeschlossen ,’ sprach der Zwerg , ‘ dahin habe ich sie verwuͤnscht , weil sie so uͤbermuͤthig waren . ’ Da bat der Prinz so lange , bis sie der Zwerg wieder los ließ , aber er warnte ihn , und sprach ‘huͤte dich vor ihnen , sie haben ein boͤses Herz .’
Wie sie nun kamen , da freute er sich , und erzaͤhlte ihnen alles , wie es ihm ergangen waͤre , daß er das Wasser des Lebens gefunden , und einen Becher voll mitgenommen , und eine schoͤne Prinzessin erloͤst haͤtte , die wollte ein Jahr lang auf ihn warten , dann sollte Hochzeit gehalten werden , und er bekaͤme ein großes Reich . Danach ritten sie zusammen fort , und geriethen in ein Land , wo Hunger und Krieg war , und der Koͤnig glaubte schon er sollte verderben in der Noth ; da gieng der Prinz zu ihm , und
gab ihm das Brot , damit speiste und saͤttigte er sein ganzes Reich ; und dann gab ihm der Prinz auch das Schwert , und damit schlug er die Heere seiner Feinde , und konnte nun in Ruhe und Frieden leben . Da nahm der Prinz sein Brot und sein Schwert wieder zuruͤck , und die drei Bruͤder ritten weiter . Sie kamen aber noch in zwei Laͤnder , wo Hunger und Krieg herrschten , und da gab der Prinz den Koͤnigen jedesmal sein Brot und Schwert , und hatte nun drei Reiche gerettet . Und danach setzten sie sich auf ein Schiff , und fuhren uͤbers Meer . Waͤhrend der Fahrt da sprachen die beiden aͤltesten unter sich ‘ der juͤngste hat das Wasser des Lebens gefunden , und wir nicht , dafuͤr wird ihm unser Vater das Reich geben , das uns gebuͤhrt , und er wird uns unser Gluͤck wegnehmen . ’ Da wurden sie rachsuͤchtig , und verabredeten mit einander daß sie ihn verderben wollten . Sie warteten aber bis er einmal fest eingeschlafen war , da gossen sie das Wasser des Lebens aus dem Becher , und nahmen es fuͤr sich , ihm aber gossen sie bitteres Meerwasser hinein .
Als sie nun daheim ankamen , brachte der juͤngste dem kranken Koͤnig seinen Becher , damit er daraus trinken und gesund werden sollte . Kaum aber hatte er ein wenig von dem bittern Meerwasser getrunken , so ward er noch kraͤnker als zuvor . Und wie er daruͤber jammerte , kamen die beiden aͤltesten Soͤhne , und klagten den juͤngsten an , und sagten er habe ihn vergiften wollen , das rechte Wasser des Lebens haͤtten sie gefunden und mitgebracht , und reichten es dem Koͤnig . Kaum hatte er davon getrunken , so fuͤhlte er seine Krankheit verschwinden , und ward stark und gesund
wie in seinen jungen Tagen . Danach giengen die beiden zu dem juͤngsten , verspotteten ihn , und sagten ‘ du hast das Wasser des Lebens gefunden , aber du hast die Muͤhe gehabt , und wir den Lohn ; du haͤttest die Augen aufbehalten sollen , wir haben dirs genommen , wie du auf dem Meere eingeschlafen warst . Uebers Jahr da holt sich einer von uns die schoͤne Koͤnigstochter ; aber huͤte dich daß du nichts davon verraͤthst , der Vater glaubt dir doch nicht , und wenn du ein einziges Wort sagst , so sollst du noch obendrein dein Leben verlieren , schweigst du aber , so soll dirs geschenkt seyn .’
Der alte Koͤnig aber war zornig uͤber seinen juͤngsten Sohn , und glaubte er haͤtte ihm nach dem Leben getrachtet . Also ließ er den Hof versammeln , und das Urtheil uͤber ihn sprechen daß er heimlich sollte erschossen werden . Als der Prinz nun einmal auf die Jagd ritt , und nichts Boͤses vermuthete , mußte des Koͤnigs Jaͤger mitgehen . Draußen , als sie ganz allein im Wald waren , und der Jaͤger so traurig aussah , sagte der Prinz zu ihm ‘ lieber Jaͤger , was fehlt dir ? ’ Der Jaͤger sprach ‘ ich kanns nicht sagen , und soll es doch . ’ Da sprach der Prinz ‘ sage nur heraus was es ist , ich will dirs verzeihen . ’ ‘ Ach ,’ sagte der Jaͤger , ‘ ich soll euch todtschießen , der Koͤnig hat mirs befohlen . ’ Da erschrack der Prinz , und sprach ‘lieber Jaͤger , laß mich leben , da geb ich dir mein koͤnigliches Kleid , gib mir dafuͤr dein schlechtes . ’ Der Jaͤger sagte ‘ das will ich gerne thun , ich haͤtte doch nicht nach euch schießen koͤnnen . ’ Da nahm der Jaͤger des
Prinzen Kleid , und der Prinz das schlechte vom Jaͤger , und gieng fort in den Wald hinein .
Ueber eine Zeit , da kamen zu dem alten Koͤnig drei Wagen mit Geschenken an Gold und Edelsteinen fuͤr seinen juͤngsten Sohn ; sie waren aber von den drei Koͤnigen geschickt , die mit des Prinzen Schwert die Feinde geschlagen , und mit seinem Brot ihr Land ernaͤhrt hatten , und sich dankbar bezeigen wollten . Das fiel dem alten Koͤnig aufs Herz , und er dachte sein Sohn koͤnnte doch unschuldig gewesen seyn , und sprach zu seinen Leuten ‘ ach , waͤr er noch am Leben , wie thut mirs so leid , daß ich ihn habe toͤdten lassen . ’ ‘ So habe ich ja recht gethan ,’ sprach der Jaͤger , ‘ ich konnte es nicht uͤbers Herz bringen euern Befehl auszufuͤhren ; ’ und sagte dem Koͤnig wie es zugegangen waͤre . Da war der Koͤnig froh , und ließ in allen Reichen bekannt machen , sein Sohn sollte wieder kommen und in Gnaden aufgenommen werden .
Die Koͤnigstochter aber ließ eine Straße vor ihrem Schloß machen , die war ganz golden und glaͤnzend , und sagte ihren Leuten wer darauf geradeswegs zu ihr geritten kaͤme , das waͤre der rechte , und den sollten sie einlassen , wer aber daneben kaͤme , der waͤre der rechte nicht , und den sollten sie auch nicht einlassen . Als nun die Zeit bald herum war , dachte der aͤlteste er wollte sich eilen , zur Koͤnigstochter gehen , und sich fuͤr ihren Erloͤser ausgeben , da bekaͤme er sie zur Gemahlin und das Reich dabei . Also ritt er fort , und als er vor das Schloß kam , und die schoͤne goldene Straße sah , dachte er ‘ das waͤre jammerschade , wenn du darauf rittest ,’ lenkte ab , und ritt rechts nebenher . Wie er aber vor
das Thor kam , sagten die Leute zu ihm er waͤre der rechte nicht , er sollte wieder fortgehen . Bald darauf machte sich der zweite Prinz auf , und wie der zur goldenen Straße kam , und das Pferd den einen Fuß darauf gesetzt hatte , dachte er ‘ es waͤre jammerschade , das koͤnnte etwas abtreten ,’ lenkte ab , und ritt links nebenher . Wie er aber vor das Thor kam , sagten die Leute er waͤre der rechte nicht , er sollte wieder fortgehen . Als nun das Jahr ganz herum war , wollte der dritte aus dem Wald fort zu seiner Liebsten reiten , und bei ihr sein Leid vergessen . Also machte er sich auf , und dachte immer an sie , und waͤre gerne schon bei ihr gewesen , und sah die goldene Straße gar nicht . Da ritt sein Pferd mitten daruͤber hin , und als er vor das Thor kam , ward es aufgethan , und die Koͤnigstochter empfing ihn mit Freuden , und sagte er waͤr ihr Erloͤser , und der Herr des Koͤnigreichs , und ward die Hochzeit gehalten mit großer Gluͤckseligkeit . Und als sie vorbei war , erzaͤhlte sie ihm daß sein Vater ihn zu sich entboten und ihm verziehen haͤtte . Da ritt er hin , und sagte ihm alles , wie seine Bruͤder ihn betrogen , und er doch dazu geschwiegen haͤtte . Der alte Koͤnig wollte sie strafen , aber sie hatten sich aufs Meer gesetzt , und waren fortgeschifft , und kamen ihr Lebtag nicht wieder .
98.
Doctor Allwissend .
E s war einmal ein armer Bauer Namens Krebs , der fuhr mit zwei Ochsen ein Fuder Holz in die Stadt , und verkaufte es fuͤr zwei Thaler an einen Doctor . Wie ihm nun das Geld ausbezahlt wurde , saß der Doctor gerade zu Tisch , da sah der Bauer was er schoͤn aß und trank , und das Herz gieng ihm danach auf , und er waͤre auch gern ein Doctor gewesen . Also blieb er noch ein Weilchen stehen , und fragte endlich ob er nicht auch koͤnnte ein Doctor werden . ‘ O ja ,’ sagte der Doctor , ‘ das ist bald geschehen . Erstlich kauf dir ein Abcbuch , so eins , wo vorne ein Goͤckelhahn drin ist ; zweitens mache deinen Wagen und deine zwei Ochsen zu Geld , und schaffe dir damit Kleider an , und was sonst zur Doctorei gehoͤrt ; drittens laß dir ein Schild malen mit den Worten , ich bin der Doctor Allwissend , und laß das oben uͤber deine Hausthuͤr nageln . ’ Der Bauer that alles wies ihm geheißen war . Als er nun ein wenig gedoctert hatte , aber noch nicht viel , ward einem reichen großen Herrn Geld gestohlen . Da ward ihm von dem Doctor Allwissend gesagt , der in dem und dem Dorfe wohnte , und auch wissen muͤßte wo das Geld hingekommen waͤre . Also ließ der Herr seinen Wagen anspannen , fuhr hinaus ins Dorf , und fragte bei ihm an ob er der Doctor
Allwissend waͤre ? ‘ Ja , der waͤr er . ’ ‘ So sollte er mitgehen und das gestohlene Geld wieder schaffen . ’ ‘ O ja , aber die Grethe , seine Frau , muͤßte auch mit . ’ Der Herr war das zufrieden , ließ sie beide in dem Wagen sitzen , und sie fuhren zusammen fort . Als sie auf den adlichen Hof kamen , war der Tisch gedeckt , da sollte er erst mitessen . ‘ Ja , aber seine Frau , die Grethe , auch’ sagte er , und setzte sich mit ihr hinter den Tisch . Wie nun der erste Bediente mit einer Schuͤssel schoͤnem Essen kam , stieß der Bauer seine Frau an und sagte ‘Grethe , das war der erste ,’ und meinte es waͤre derjenige , welcher das erste Essen braͤchte . Der Bediente aber meinte er haͤtte damit sagen wollen ‘ das ist der erste Dieb ,’ und weil ers nun wirklich war , ward ihm angst , und er sagte draußen zu seinen Cameraden ‘ der Doctor weiß alles , wir kommen uͤbel an , er hat gesagt ich waͤre der erste . ’ Der zweite wollte gar nicht herein , er mußte aber doch . Wie er nun mit seiner Schuͤssel herein kam , stieß der Bauer seine Frau an , ‘Grethe , das ist der zweite . ’ Dem Bedienten ward ebenfalls angst , und er machte daß er hinaus kam . Dem dritten giengs nicht besser , der Bauer sagte wieder ‘Grethe , das ist der dritte .’ . Der vierte mußte eine verdeckte Schuͤssel hereintragen , und der Herr sprach zum Doctor er sollte seine Kunst zeigen , und rathen was darunter laͤge ; es waren aber Krebse . Der Bauer sah die Schuͤssel an , wußte nicht wie er sich helfen sollte , und sprach ‘ach , ich armer Krebs ! ’ Wie der Herr das hoͤrte , rief er ‘ da , er weiß es , nun weiß er auch wer das Geld hat .’
Dem Bedienten aber ward gewaltig angst , und er blinzelte den Doctor an , er moͤchte einmal herauskommen . Wie er nun hinauskam , gestanden sie ihm alle vier sie haͤtten das Geld gestohlen ; sie wolltens ja gerne heraus geben , und ihm eine schwere Summe dazu , wenn er sie nicht verrathen wollte : es gieng ihnen sonst an den Hals . Sie fuͤhrten ihn auch hin , wo das Geld versteckt lag . Damit war der Doctor zufrieden , gieng wieder hinein , und sprach ‘Herr , nun will ich in meinem Buch suchen , wo das Geld steckt . ’ Der fuͤnfte Bediente aber kroch in den Ofen , und wollte hoͤren ob der Doctor noch mehr wuͤßte . Der saß aber , und schlug sein Abcbuch auf , blaͤtterte hin und her , und suchte den Goͤckelhahn . Weil er ihn nun nicht gleich finden konnte , sprach er ‘ du bist doch darin , und mußt auch heraus . ’ Da meinte der im Ofen er waͤre gemeint , sprang voller Schrecken heraus , und rief ‘ der Mann weiß alles . ’ Nun zeigte der Doctor Allwissend dem Herrn wo das Geld lag , sagte aber nicht wers gestohlen hatte , bekam von beiden Seiten viel Geld zur Belohnung , und ward ein beruͤhmter Mann .
99.
Der Geist im Glas .
E s war einmal ein armer Holzhacker , der arbeitete vom Morgen bis in die spaͤte Nacht . Als er sich endlich etwas Geld zusammengespart hatte , sprach er zu seinem Jungen ‘ du bist mein einziges Kind , ich will das Geld , das ich mit saurem Schweiß erworben habe , zu deinem Unterricht anwenden ; lernst du etwas rechtschaffenes , so kannst du mich im Alter ernaͤhren , wenn meine Glieder steif geworden sind , und ich daheim sitzen muß . Da gieng der Junge auf eine hohe Schule , und lernte fleißig , so daß ihn seine Lehrer ruͤhmten , und blieb eine Zeit lang dort . Als er ein paar Schulen durchgelernt hatte , doch aber noch nicht in allem vollkommen war , so war das bischen Armuth , das der Vater erworben , drauf gegangen , und er mußte wieder zu ihm heim kehren . ‘ Ach ,’ sprach der Vater betruͤbt , ‘ ich kann dir nichts mehr geben , und kann in der theuern Zeit auch keinen Heller mehr verdienen als das taͤgliche Brot . ’ ‘Lieber Vater ,’ antwortete der Sohn , macht euch daruͤber keine Gedanken , wenns Gottes Wille also ist , so wirds zu meinem Besten ausschlagen ; ich will mich schon drein schicken . Jch bleibe bei euch , und gehe mit hinauf in den Wald , um etwas am Malterholz ( d. h. am Zuhauen und Aufrichten ) zu verdienen . ’ ‘ Ja , mein Sohn ,’ sagte der Vater , das soll dir beschwerlich ankommen , du bist an harte Arbeit nicht gewoͤhnt , du haͤltst das nicht aus ; ich habe auch nur eine Axt
und kein Geld uͤbrig um noch eine zu kaufen . ’ ‘ Geht nur zum Nachbar ,’ antwortete der Sohn , ‘ der leiht euch seine Axt so lange , bis ich mir selbst eine verdient habe .’
Da borgte der Vater beim Nachbar eine Axt , und am andern Morgen , wie der Tag anbrach , giengen sie mit einander hinaus in den Wald . Der Sohn half dem Vater , und war ganz munter und frisch dabei . Als nun die Sonne uͤber ihnen stand , sprach der Vater ‘ wir wollen rasten , und Mittag halten , hernach gehts noch einmal so gut . ’ Der Sohn nahm sein Brot in die Hand , und sprach ‘ ruht euch nur aus , Vater , ich bin nicht muͤde , ich will in dem Wald ein wenig auf und abgehen , und Vogelnester suchen . ’ ‘ O , du Geck ,’ sprach der Vater , ‘ was willst du da herum laufen , hernach bist du muͤde , und kannst den Arm nicht mehr aufheben ; bleib hier und setze dich zu mir .’
Der Sohn aber gieng in den Wald , aß sein Brot ganz froͤhlich , und sah in die gruͤnen Zweige hinein , ob er etwa ein Nest entdeckte . So gieng er hin und her , bis er endlich zu einer großen gefaͤhrlichen Eiche kam , die gewiß schon viele hundert Jahre alt war , und die keine fuͤnf Menschen umspannt haͤtten . Er blieb stehen , und sah sie an , und dachte ‘ es muß doch mancher Vogel sein Nest hinein gebaut haben . ’ Da daͤuchte ihn auf einmal als hoͤrte er eine Stimme . Er horchte , und vernahm wie es mit so einem recht dumpfen Ton rief ‘ laß mich heraus , laß mich heraus . ’ Er sah sich rings um , konnte aber nichs entdecken , aber es war ihm als ob die Stimme unten aus der Erde hervorkaͤme . Da rief er ‘ wo bist du ? ’ Die Stimme antwortete ‘ da
unten stecke ich bei der Eichwurzel . Laß mich heraus , laß mich heraus . ’ Der Schuͤler fieng an unter dem Baum aufzuraͤumen , und bei den Wurzeln zu suchen , bis er endlich in einer kleinen Hoͤhlung eine Glasflasche entdeckte . Er hob sie in die Hoͤhe , und hielt sie gegen das Licht , da sah er ein Ding , gleich einem Frosch gestaltet , das sprang darin auf und nieder . ‘Laß mich heraus , laß mich heraus ,’ riefs von neuem , und der Schuͤler , der an nichts Boͤses dachte , nahm den Pfropfen von der Flasche ab . Alsbald stieg ein Geist heraus , und fieng an zu wachsen , und wuchs so schnell , daß er in wenigen Augenblicken als ein entsetzlicher Kerl , so groß wie der halbe Baum , vor dem Schuͤler stand . ‘Weißt du ,’ rief er mit einer fuͤrchterlichen Stimme , ‘ was dein Lohn dafuͤr ist , daß du mich heraus gelassen hast ? ’ ‘Nein ,’ antwortete der Schuͤler ohne Furcht , ‘ wie soll ich das wissen ? ’ ‘ So will ich dirs sagen ,’ rief der Geist , ‘ den Hals muß ich dir dafuͤr brechen . ’ ‘ Das haͤttest du mir fruͤher sagen sollen ,’ antwortete der Schuͤler , ‘ so haͤtte ich dich stecken lassen ; mein Kopf aber soll vor dir wohl feststehen , da muͤssen mehr Leute gefragt werden . ’ ‘Mehr Leute hin , mehr Leute her ,’ rief der Geist , ‘ deinen verdienten Lohn den sollst du haben . Denkst du , ich waͤre aus Gnade da so lange Zeit eingeschlossen worden , nein es war zu meiner Strafe ; ich bin der großmaͤchtige Merkurius , wer mich loslaͤßt , dem muß ich den Hals brechen . ’ ‘Sachte ,’ antwortete der Schuͤler , ‘ so geschwind geht das nicht , erst muß ich auch wissen daß du wirklich in der kleinen Flasche gesessen hast , und du der rechte Geist bist ; kannst du auch wieder hinein , so will ichs glauben , und dann
magst du mit mir anfangen was du willst . ’ ‘ O ,’ sprach der Geist hochmuͤthig , ‘ das ist mir ein geringes ,’ und zog sich zusammen , und machte sich so duͤnn und klein , wie er anfangs gewesen war , also daß er durch dieselbe Oeffnung und durch den Hals der Flasche wieder hineinkroch . Kaum aber war er darin , so druͤckte der Schuͤler den abgezogenen Pfropfen wieder auf , und warf die Flasche unter die Eichwurzeln an ihren alten Platz , und der Geist war betrogen .
Nun wollte der Schuͤler zu seinem Vater zuruͤckgehen , aber der Geist rief ganz klaͤglich , und sprach ‘ ach , laß mich doch heraus , laß mich doch heraus . ’ ‘Nein ,’ antwortete der Schuͤler , ‘ zum zweitenmale nicht wieder ; wer mir einmal nach dem Leben gestrebt hat , den laß ich nicht los , wenn ich ihn wieder gefangen habe . ’ ‘Mach mich frei ,’ rief der Geist , ‘ so will ich dir so viel geben , daß du dein Lebtag genug hast . ’ ‘Nein ,’ antwortete der Schuͤler , ‘ du betruͤgst mich , wie das erstemal . ’ ‘ Du verscherzest dein Gluͤck ,’ sprach der Geist , ‘ ich will dir nichts thun , sondern dich reichlich belohnen .’ Der Schuͤler dachte ‘ ich wills wagen , vielleicht haͤlt er Wort , und anhaben soll er mir doch nichts . ’ Da nahm er den Pfropfen ab , und der Geist stieg wie das vorigemal heraus , dehnte sich auseinander , und ward gewaltig groß . Da reichte er dem Schuͤler einen kleinen Lappen , ganz wie ein Pflaster , und sprach ‘ wenn du mit dem einen Ende eine Wunde bestreichst , so heilt sie , und wenn du mit dem anderen Ende Stahl und Eisen bestreichst , so wird es in Silber verwandelt seyn . ’ Das muß ich erst versuchen ,’ sprach der Schuͤler , gieng an einen Baum und ritzte die Rinde mit seiner Axt , und bestrich sie mit dem einen
Ende des Pflasters , alsbald schloß sie sich wieder zusammen , und war geheilt . ‘ Nun , es hat seine Richtigkeit , sprach er zum Geist , ‘ jetzt koͤnnen wir uns trennen . ’ Der Geist dankte ihm fuͤr seine Erloͤsung , und der Schuͤler dankte dem Geist fuͤr sein Geschenk , und gieng zuruͤck zu seinem Vater .
‘ Wo bist du herumgelaufen ? ’ sprach der Vater ‘ warum hast du die Arbeit vergessen ? Jch habe es ja gleich gesagt , daß du nichts zu Stande bringen wuͤrdest . ’ ‘Gebt euch zufrieden , Vater , ich wills nachholen . ’ ‘ Ja nachholen ,’ sprach der Vater zornig , ‘ das hat keine Art.’ ‘Habt acht , Vater , den Baum da will ich gleich einhauen , daß er umkrachen soll . ’ Da nahm er sein Pflaster , bestrich die Axt damit , und that einen gewaltigen Hieb , aber weil das Eisen in Silber verwandelt war , so legte sich die Schneide um . ‘ Ei , Vater , seht einmal , was habt ihr mir fuͤr eine schlechte Axt gegeben , die ist ganz schief geworden . ’ Da erschrack der Vater , und sprach ‘ach , was hast du gemacht ! nun muß ich die Axt bezahlen und weiß nicht womit ; das ist der Nutzen , den ich von deiner Arbeit habe . ’ ‘Werdet nicht boͤs ,’ antwortete der Sohn , ‘ die Axt will ich schon bezahlen . ’ ‘ O , du Dummbart ,’ rief der Vater , ‘ wovon willst du sie bezahlen ? du hast nichts , als was ich dir gebe ; das sind Studentenkniffe , die dir im Kopf stecken , aber vom Holzhacken hast du keinen Verstand .’
Ueber ein Weilchen sprach der Schuͤler ‘Vater , ich kann doch nichts mehr arbeiten , wir wollen lieber Feierabend machen . ’ ‘ Ei was ,’ antwortete er , ‘ meinst du ich wollte die Haͤnde in den Schooß legen wie du ? ich muß noch schaffen , du kannst dich aber
heim packen . ’ ‘Vater , ich bin zum erstenmal hier in dem Wald , ich weiß den Weg nicht allein , geht nur mit mir . ’ Weil sich der Zorn gelegt hatte , so ließ der Vater sich endlich bereden , und gieng mit ihm heim . Da sprach er zum Sohn ‘ geh und verkauf die verschaͤndete Axt , und sieh zu was du dafuͤr kriegst ; das uͤbrige muß ich verdienen , um sie dem Nachbar zu bezahlen . ’ Der Sohn nahm die Axt , und trug sie in die Stadt zu einem Goldschmied , der probierte sie , legte sie auf die Wage , und sprach ‘ sie ist vierhundert Thaler werth , so viel habe ich nicht baar . ’ Der Schuͤler sprach ‘ gebt mir was ihr habt , das uͤbrige will ich euch borgen . ’ Der Goldschmied gab ihm dreihundert Thaler , und blieb einhundert schuldig . Darauf gieng der Schuͤler heim , und sprach ‘Vater , ich habe Geld , geht und fragt , was der Nachbar fuͤr die Axt haben will . ’ ‘ Das weiß ich schon ,’ antwortete der Alte , ‘ einen Thaler , sechs Groschen . ’ ‘ So gebt ihm zwei Thaler zwoͤlf Groschen , das ist das Doppelte , und ist genug ; seht ihr , ich habe Geld in Ueberfluß ;’ und gab dem Vater einhundert Thaler und sprach ‘ es soll euch niemals fehlen , lebt nach eurer Bequemlichkeit . ’ ‘ Mein Gott ,’ sprach der Alte , ‘ wie bist du zu dem Reichthum gekommen ? ’ Da erzaͤhlte er ihm wie alles zugegangen waͤre , und wie er im Vertrauen auf sein Gluͤck einen so reichen Fang gethan haͤtte . Mit dem uͤbrigen Geld aber zog er wieder hin auf die hohe Schule , und lernte weiter , und weil er mit seinem Pflaster alle Wunden heilen konnte , ward er der beruͤhmteste Doctor auf der ganzen Welt .
100.
Des Teufels rußiger Bruder .
E in abgedankter Soldat hatte nichts zu leben , und wußte sich nicht mehr zu helfen . Da gieng er hinaus in den Wald , und als er ein Weilchen gegangen war , begegnete ihm ein kleines Maͤnnchen , das war aber der Teufel . Das Maͤnnchen sagte zu ihm : ‘ was fehlt dir ? du siehst ja so truͤbselig aus . ’ Da sprach der Soldat ‘ ich habe Hunger und kein Geld . ’ Der Teufel sagte ‘ willst du dich bei mir vermiethen , und mein Knecht seyn , so sollst du fuͤr dein Lebtag genug haben . Sieben Jahre sollst du mir dienen , dann bist du wieder frei , aber eins sag ich dir , du darfst dich nicht waschen , nicht kaͤmmen , nicht schnippen , keine Naͤgel und Haare abschneiden , und kein Wasser aus den Augen wischen .’ Der Soldat sprach ‘wohlan , so solls seyn , ’ und gieng mit dem Maͤnnchen fort , das fuͤhrte ihn nun geradeswegs in die Hoͤlle hinein . Da sagte es ihm , was er zu thun haͤtte . Er muͤßte das Feuer schuͤren unter den Kesseln , wo die Hoͤllenbraten drin saͤßen , das Haus rein halten , den Kehrdreck hinter die Thuͤre tragen , und uͤberall auf Ordnung sehen , aber guckt er ein einziges Mal in die Kessel hinein , so sollts ihm schlimm gehen . Der Soldat sprach ‘ es ist gut , ich wills schon besorgen . ’ Da gieng nun der
alte Teufel wieder hinaus auf seine Wanderung , und der Soldat trat seinen Dienst an , legte Feuer zu , kehrte , und trug den Kehrdreck hinter die Thuͤre ; wie der alte Teufel wieder kam , war er zufrieden , und gieng zum zweitenmal fort . Der Soldat schaute sich nun einmal recht um , da standen die Kessel rings herum in der Hoͤlle , und war ein gewaltiges Feuer darunter , und es kochte und brutzelte darin . Da haͤtte er fuͤr sein Leben gerne hineingeschaut , es war ihm aber so streng verboten ; endlich konnte er sich nicht mehr anhalten , gieng herbei , und hob vom ersten Kessel ein klein bischen den Deckel auf , und guckte hinein . Da sah er seinen ehemaligen Unteroffizier darin sitzen : ‘ aha , Vogel ,’ sprach er , ‘ treff ich dich hier ? du hast mich gehabt , jetzt habe ich dich ,’ ließ geschwind den Deckel fallen , schuͤrte das Feuer , und legte noch frisch zu . Danach gieng er zum zweiten Kessel , hob ihn auch ein wenig auf , und guckte , da saß sein Faͤhndrich darin : ‘ aha , Vogel , treff ich dich hier , du hast mich gehabt , jetzt hab ich dich ,’ machte den Deckel wieder zu , und trug noch einen Klotz herbei , der sollt ihm erst recht heiß machen . Nun wollt er auch sehen wer im dritten Kessel saͤße , da wars gar sein General : ‘ aha , Vogel , treff ich dich hier ? du hast mich gehabt , jetzt habe ich dich ,’ holte den Blasbalg , und ließ das Hoͤllenfeuer recht unter ihm flackern . Also that er sieben Jahr seinen Dienst in der Hoͤlle , wusch sich nicht , kaͤmmte sich nicht , schnippte sich nicht , schnitt sich die Naͤgel und Haare nicht , und wischte sich kein Wasser aus den Augen , und die sieben Jahr waren ihm so kurz , daß er meinte es waͤre nur ein halbes Jahr gewesen . Als nun die Zeit vollens herum war ,
kam der Teufel und sagte ‘ nun , Hans , was hast du gemacht ? ’ ‘ Jch habe das Feuer unter den Kesseln geschuͤrt , ich habe gekehrt , und den Kehrdreck hinter die Thuͤre getragen . ’ ‘ Aber du hast auch in die Kessel geguckt ; dein Gluͤck ist , daß du noch Holz zugelegt hast , sonst war dein Leben verloren ; jetzt ist deine Zeit herum , willst du wieder heim ? ’ ‘ Ja ,’ sagte der Soldat , ‘ ich wollt auch gerne sehen , was mein Vater daheim macht . ’ Sprach der Teufel ‘ damit du deinen verdienten Lohn kriegst , geh und raffe dir deinen Ranzen voll Kehrdreck , und nimms mit nach Haus . Du sollst auch gehen ungewaschen und ungekaͤmmt , mit langen Haaren am Kopf und am Bart , mit ungeschnittenen Naͤgeln und mit truͤben Augen , und wenn du gefragt wirst , woher du kaͤmst , sollst du sagen aus der Hoͤlle ; und wenn du gefragt wirst , wer du waͤrst , sollst du sagen ? des Teufels rußiger Bruder , und mein Koͤnig auch . ’ Der Soldat schwieg still , und that was der Teufel sagte , aber er war mit seinem Lohn gar nicht zufrieden .
Wie er nun wieder auf die Welt kam , und im Wald war , hob er seinen Ranzen vom Ruͤcken und wollt ihn ausschuͤtten ; wie er ihn aber oͤffnete , so war der Kehrdreck pures Gold geworden . Als er das sah , war er vergnuͤgt , und gieng in die Stadt hinein . Vor dem Wirthshaus stand der Wirth , und wie er ihn herankommen sah , erschrack er , weil Hans so entsetzlich aussah , aͤrger als eine Vogelscheu . Er rief ihn an , und fragte ‘ woher kommst du ? ’ ‘ Aus der Hoͤlle . ’ ‘ Wer bist du ? ’ ‘ Des Teufels sein rußiger Bruder , und mein Koͤnig auch . ’ Nun wollte der Wirth ihn nicht einlassen , wie er ihm aber das Gold zeigte , gieng er und
klinkte dem Hans selber die Thuͤre auf . Da ließ er sich die beste Stube geben , koͤstlich aufwarten , aß und trank sich satt , wusch sich aber nicht und kaͤmmte sich nicht , wie ihm der Teufel geheißen hatte , und legte sich endlich schlafen . Dem Wirth aber war der Ranzen voll Gold vor den Augen , und ließ ihm keine Ruh , bis er in der Nacht hinschlich und ihn wegstahl .
Wie nun Hans am andern Morgen aufstand , den Wirth bezahlen und weiter gehen wollte , da war sein Ranzen weg . Er faßte sich aber kurz , dachte , ‘ du bist ohne Schuld ungluͤcklich gewesen ,’ und kehrte wieder um , geradezu in die Hoͤlle ; da klagte er es dem alten Teufel , und bat ihn um Huͤlfe . Der Teufel sagte ‘setz dich , ich will dich waschen , kaͤmmen , schnippen , die Haare und Naͤgel schneiden , und die Augen auswischen ,’ und als er mit ihm fertig war , gab er ihm den Ranzen wieder voll Kehrdreck , und sprach ‘geh hin , und sage dem Wirth er sollte dir dein Gold wieder herausgeben , sonst wollt ich kommen , und ihn abholen an deinen Platz . ’ Hans gieng hinauf , und sprach zum Wirth ‘ du hast mein Gold gestohlen , giebst dus nicht wieder , so kommst du in die Hoͤlle an meinen Platz , und sollst aussehen wie ich . ’ Da gab ihm der Wirth das Gold , und noch mehr dazu , und bat ihn nur still davon zu seyn , und Hans war nun ein reicher Mann .
Hans machte sich auf den Weg heim zu seinem Vater , kaufte sich einen schlechten Linnenkittel auf den Leib , gieng herum und machte Musik , denn das hatte er bei dem Teufel in der Hoͤlle gelernt . Es war aber ein alter Koͤnig im Land , vor dem mußt er
spielen , und der gerieth daruͤber in solche Freude , daß er dem Haus Hans seine aͤlteste Tochter zur Ehe versprach . Als die aber hoͤrte , daß sie so einen gemeinen Kerl im weißen Kittel heirathen sollte , sprach sie ‘ eh ich das thaͤt , wollt ich lieber ins tiefste Wasser gehen . ’ Da gab ihm der Koͤnig die juͤngste , die wollts ihrem Vater zu Liebe gerne thun ; und also bekam des Teufels rußiger Bruder die Koͤnigstochter , und als der alte Koͤnig gestorben war , auch das ganze Reich .
101.
Der Teufel Gruͤnrock .
E s waren drei Bruͤder , die stießen den juͤngsten immer zuruͤck , und als sie ausgehen und in die Welt ziehen wollten , sprachen sie zu ihm ‘ wir brauchen dich nicht , du kannst allein wandern . ’ Also verließen sie ihn , und er mußte allein fuͤr sich ziehen , kam auf eine große Heide , und war sehr hungrig . Auf der Heide aber stand ein Ring von Baͤumen , darunter setzte er sich und weinte . Auf einmal hoͤrte er ein Brausen , und wie er aufsah , da kam der Teufel daher in einem gruͤnen Rock und mit einem Pferdefuß , und redete ihn an , ‘ was fehlt dir , warum weinst du ? ’ Da klagte er ihm seine Noth , und sagte ‘ meine Bruͤder haben mich verstoßen . ’ Da sprach der Teufel ‘ ich will dir wohl helfen , zieh diesen gruͤnen Rock an , der hat Taschen , die sind immer voll Geld , du magst hineingreifen , wann du willst ; aber dafuͤr verlange ich , daß du dich in sieben Jahren nicht waͤschst , deine Haare nicht kaͤmmst , und nicht betest . Stirbst du in diesen sieben Jahren , so bist du mein , bleibst du aber leben , so bist du frei , und bist reich dazu auf dein Lebtag . ’ Da trieb ihn die Noth , daß er dem Teufel zusagte , und dieser zog den gruͤnen Rock aus , und er zog ihn an , und wie er seine Hand in die Tasche steckte , hatte er sie voll Geld .
Nun gieng er mit dem gruͤnen Rock in die Welt . Das erste Jahr wars gut , was er sich nur wuͤnschte , konnt er mit seinem Geld bezahlen , und er ward noch ziemlich fuͤr einen Menschen angesehen . Jm zweiten Jahr giengs schlimmer , da waren die Haare ihm schon so lang gewachsen , daß ihn niemand erkennen konnte , und niemand wollt ihn herbergen , weil er so abscheulich aussah . Und je laͤnger je aͤrger ward es , er gab aber den Armen uͤberall viel Geld , damit sie fuͤr ihn beten moͤchten , daß er in den sieben Jahren nicht stuͤrbe , und nicht in die Haͤnde des Teufels fiele . Da kam er einmal im vierten Jahre in ein Wirthshaus , der Wirth wollt ihn auch nicht aufnehmen , er zog aber einen Haufen Geld heraus , und bezahlte vorher , da erhielt er endlich eine Stube . Abends hoͤrte er im Nebenzimmer ein lautes Jammern , da gieng er hin , und sah einen alten Mann darin sitzen , der weinte und beklagte sich , und sagte ihm er sollte nur wieder weggehen , er koͤnnte ihm doch nicht helfen . Da fragte er was ihm fehlte . Der Alte sprach er haͤtte kein Geld , und waͤre viel im Wirthshaus schuldig , nun haͤtten sie ihn so lange festgesetzt , bis er bezahlte . Da sagte der im gruͤnen Rock ‘ wenns weiter nichts ist , Geld habe ich genug , das will ich schon bezahlen ,’ und machte den Alten frei .
Der Alte aber hatte drei schoͤne Toͤchter , und sprach er sollte mit ihm gehen , und zur Belohnung eine davon zur Frau haben . Da gieng er mit ihm , wie sie aber zu Haus ankamen , und die aͤlteste ihn sah , schrie sie , daß sie einen so entsetzlichen Menschen , der gar keine menschliche Gestalt mehr haͤtte , und wie ein Baͤr aussaͤhe , heirathen sollte ; die zweite lief auch fort , und wollte lieber
in die weite Welt gehen ; die juͤngste aber sprach ‘lieber Vater , weil ihr es versprochen habt , und er euch auch in der Noth geholfen , so will ich euch gehorsam seyn . ’ Da nahm der Gruͤnrock einen Ring von seinem Finger , und brach ihn durch , gab ihr die eine Haͤlfte , und behielt die andere fuͤr sich . Jn ihre Haͤlfte aber schrieb er seinen Namen , und in seine Haͤlfte schrieb er ihren Namen , und sagte sie moͤchte den halben Ring gut aufheben . Da blieb er noch ein Weilchen bei ihr , und sprach dann ‘ nun muß ich Abschied nehmen , drei Jahre bleib ich aus , und so lange sei mir treu , dann komm ich wieder , und soll unsere Hochzeit seyn , bin ich aber in drei Jahren nicht zuruͤck , so bist du frei , denn da bin ich todt ; bete aber fuͤr mich , daß mir Gott das Leben schenke .’
Jn den drei Jahren machten sich nun die beiden aͤltesten Schwestern recht lustig uͤber die juͤngste , und sagten sie muͤßt einen Baͤren zum Manne nehmen , und kriegte nicht einmal einen ordentlichen Menschen . Sie aber schwieg still , und dachte ‘ du mußt deinem Vater gehorchen , es mag kommen wie es will . ’ Der Gruͤnrock aber zog in der Welt herum , griff oft in die Tasche , und kaufte fuͤr seine Braut das Schoͤnste , was ihm nur vor die Augen kam , that nichts Boͤses , sondern Gutes , wo er konnte , und gab den Armen , daß sie fuͤr ihn beteten . Da erzeigte ihm Gott die Gnade , daß die drei Jahre verflossen , und er gesund und lebendig blieb . Wie nun die Zeit herum war , gieng er wieder hinaus auf die Heide , und setzte sich unter den Ring von Baͤumen . Da sauste es wieder ganz gewaltig daher , und der Teufel kam ganz brummend und giftig , und warf ihm seinen alten Rock hin ,
und forderte den gruͤnen zuruͤck . Da zog ihn der Juͤngling mit Freuden aus , und reichte ihn dem Teufel , und war nun frei und reich auf immer . Dann gieng er nach Haus , machte sich rein , und putzte sich aus , und zog fort zu seiner Braut . Als er ans Thor kam , begegnete ihm der Vater ; er gruͤßte ihn , und gab sich als den Braͤutigam an , aber der Vater erkannte ihn nicht , und wollte ihm nicht glauben . Da gieng er hinauf zur Braut , die wollte ihm auch nicht glauben . Endlich fragte er ob sie den halben Ring noch haͤtte . Da sagte sie ja , gieng hin , und holte ihn ; er aber zog den seinen heraus , und hielt ihn daran , da paßten sie zusammen , und war es gewiß , daß es niemand als ihr Braͤutigam seyn konnte . Und wie sie nun sah daß es ein schoͤner Mann war , freute sie sich , und hatte ihn lieb , und sie hielten Hochzeit mit einander ; die beiden Schwestern aber , weil sie ihr Gluͤck versaͤumt hatten , waren so boͤs , daß am Hochzeittag die eine sich ersaͤufte , die andere sich erhenkte . Am Abend klopfte und brummte etwas an der Thuͤre , und als der Braͤutigam hingieng und aufmachte , so wars der Teufel im gruͤnen Rock , der sprach ‘siehst du , da habe ich nun zwei Seelen fuͤr deine eine .’
102.
Der Zaunkoͤnig und der Baͤr .
Z ur Sommerszeit giengen einmal der Baͤr und der Wolf im Wald spazieren , da hoͤrte der Baͤr so schoͤnen Gesang von einem Vogel , und sprach ‘Bruder Wolf , was ist das fuͤr ein Vogel , der so schoͤn singt ? ’ ‘ Das ist der Koͤnig der Voͤgel ,’ sagte der Wolf , ‘ vor dem muͤssen wir uns neigen ;’ es war aber der Zaunkoͤnig . ‘ Wenn das ist ,’ sagte der Baͤr , ‘ so moͤcht ich auch gerne seinen koͤniglichen Palast sehen , komm und fuͤhre mich hin . ’ ‘ Das geht nicht so , wie du meinst ,’ sprach der Wolf , ‘ du mußt warten , bis die Frau Koͤnigin kommt . ’ Bald darauf kam die Frau Koͤnigin , und hatte Futter im Schnabel , und der Herr Koͤnig auch , und wollten ihre Jungen aͤtzen . Der Baͤr waͤre gerne nun gleich hinterdrein gegangen , aber der Wolf hielt ihn am Ermel , und sagte ‘ nein , du mußt warten bis Herr und Frau Koͤnigin wieder fort sind . ’ Also nahmen sie das Loch in Acht , wo das Nest stand , und giengen wieder ab . Der Baͤr aber hatte keine Ruhe , wollte den koͤniglichen Palast sehen , und gieng nach einer kurzen Weile wieder vor . Da waren Koͤnig und Koͤnigin wieder ausgeflogen , er guckte hinein , und sah fuͤnf oder sechs Junge , die lagen darin . ‘Jst das der koͤnigliche Palast ! ’ rief der Baͤr , ‘ das
ist ein elender Palast , ihr seyd auch keine Koͤnigskinder , ihr seyd unehrliche Kinder . ’ Wie das die jungen Zaunkoͤnige hoͤrten , wurden sie gewaltig boͤs , und schrien ‘nein , daß sind wir nicht , unsere Eltern sind ehrliche Leute ; Baͤr , das soll ausgemacht werden mit dir . ’ Dem Baͤr und dem Wolf ward angst , sie kehrten um , und setzten sich in ihre Loͤcher . Die jungen Zaunkoͤnige aber schrien und laͤrmten fort , und als ihre Eltern wieder Futter brachten , sagten sie ‘ wir essen kein Fliegenbeinchen , und sollten wir verhungern , bis ihr erst ausmacht ob wir ehrliche Kinder sind oder nicht , denn der Baͤr ist da gewesen , und hat uns gescholten . ’ Da sagte der alte Koͤnig ‘ seyd nur ruhig , das soll ausgemacht werden . ’ Flog darauf mit der Frau Koͤnigin dem Baͤren vor seine Hoͤhle , und rief hinein ‘alter Brummbaͤr , du hast meine Kinder gescholten , das soll dir uͤbel bekommen , das wollen wir in einem blutigen Krieg ausmachen . ’ Also war dem Baͤren der Krieg angekuͤndigt , und ward alles vierfuͤßige Gethier berufen , Ochs , Esel , Rind , Hirsch , Reh , und was die Erde sonst alles traͤgt . Der Zaunkoͤnig aber berief alles , was in der Luft fliegt ; nicht allein die Voͤgel groß und klein , sondern auch die Muͤcken , Hornissen , Bienen und Fliegen mußten herbei .
Als nun die Zeit kam , wo der Krieg angehen sollte , da schickte der Zaunkoͤnig Kundschafter aus , wer der kommandierende General des Feindes waͤre . Die Muͤcke war die listigste von allen , schwaͤrmte im Wald , wo der Feind sich versammelte , und setzte sich endlich unter ein Blatt auf den Baum , wo die Parole ausgegeben wurde . Da stand der Baͤr , rief den Fuchs vor sich , und sprach
‘Fuchs , du bist der schlauste unter allem Gethier , du sollst General seyn , und uns anfuͤhren ; was fuͤr Zeichen wollen wir verabreden ? ’ Da sprach der Fuchs ‘ ich habe einen schoͤnen langen bauschigen Schwanz , der sieht aus fast wie ein rother Federbusch ; wenn ich den Schwanz in die Hoͤhe halte , so geht die Sache gut , und ihr muͤßt darauf los marschieren : laß ich ihn aber herunterhaͤngen , so fangt an und lauft . ’ Als die Muͤcke das gehoͤrt hatte , flog sie wieder heim , und verrieth dem Zaunkoͤnig alles haarklein .
Als der Tag anbrach , wo die Schlacht sollte geliefert werden , hu , da kam das vierfuͤßige Gethier dahergerennt mit Gebraus , daß die Erde zitterte ; Zaunkoͤnig mit seiner Armee kam auch durch die Luft daher , die schnurrte , schrie und schwaͤrmte , daß einem angst wurde ; und giengen sie da von beiden Seiten an einander . Der Zaunkoͤnig aber schickte die Hornisse hinab , sie sollte sich dem Fuchs unter den Schwanz setzen und aus Leibeskraͤften stechen . Wie nun der Fuchs den ersten Stich bekam , zuckte er , daß er das eine Bein aufhob , doch ertrug ers , und ließ den Schwanz noch in der Hoͤhe ; beim zweiten mußt er ihn einen Augenblick herunter lassen ; beim dritten aber konnte er sich nicht mehr halten , schrie und nahm den Schwanz zwischen die Beine . Wie das die Thiere sahen , meinten sie alles waͤre verloren , und fiengen an zu laufen , jeder in seine Hoͤhle ; und hatten die Voͤgel die Schlacht gewonnen .
Da flog der Herr Koͤnig und die Frau Koͤnigin heim zu ihren Kindern , und riefen ‘Kinder , seyd froͤhlich , eßt und trinkt
nach Herzenslust , wir haben den Krieg gewonnen . ’ Die jungen Zaunkoͤnige aber sagten ‘ noch essen wir nicht , der Baͤr soll erst vors Nest kommen , und Abbitte thun , und soll sagen daß wir ehrliche Kinder sind . ’ Da flog der Zaunkoͤnig vor das Loch des Baͤren , und rief ‘Brummbaͤr , du sollst vor das Nest zu meinen Kindern gehen , und Abbitte thun , und sagen daß sie ehrliche Kinder sind , sonst sollen dir die Rippen im Leib zertreten werden . ’ Da kroch der Baͤr in der groͤßten Angst hin , und that Abbitte : und darauf setzten sich die jungen Zaunkoͤnige zusammen , aßen und tranken , und machten sich lustig bis in die spaͤte Nacht hinein .
103.
Der suͤße Brei .
E s war einmal ein armes frommes Maͤdchen , das lebte mit seiner Mutter allein , und sie hatten nichts mehr zu essen . Da gieng das Kind hinaus in den Wald , und begegnete ihm darin eine alte Frau , die wußte seinen Jammer schon , und schenkte ihm ein Toͤpfchen , zu dem sollt es sagen ‘Toͤpfchen koch ,’ so kochte es guten suͤßen Hirsenbrei , und wenn es sagte ‘Toͤpfchen steh ,’ so hoͤrte es wieder auf zu kochen . Das Maͤdchen brachte den Topf seiner Mutter heim , und nun waren sie ihrer Armuth und ihres Hungers ledig , und aßen suͤßen Brei so oft sie wollten . Auf eine Zeit war das Maͤdchen ausgegangen , da sprach die Mutter ‘Toͤpfchen koch , ’ da kocht es , und sie ißt sich satt ; nun will sie daß das Toͤpfchen wieder aufhoͤren soll , aber sie weiß das Wort nicht . Also kocht es fort , und der Brei steigt uͤber den Rand heraus , und kocht immer zu , die Kuͤche und das ganze Haus voll , und das zweite Haus und dann die Straße , als wollts die ganze Welt satt machen , und ist die groͤßte Noth , und kein Mensch weiß sich da zu helfen . Endlich , wie nur noch ein einziges Haus uͤbrig ist , da kommt das Kind heim , und spricht nur ‘Toͤpfchen steh , ’ da steht es , und hoͤrt auf zu kochen ; und wenn sie wieder in die Stadt wollten , haben sie sich durchessen muͤssen .
104.
Die treuen Thiere .
E s war einmal ein Mann , der hatte gar nicht viel Geld , und mit dem wenigen , das ihm uͤbrig blieb , zog er in die weite Welt . Da kam er in ein Dorf wo die Jungen zusammen liefen , schrien und laͤrmten . ‘ Was habt ihr vor , ihr Jungen ? ’ fragte der Mann . ‘ Ei ,’ antworteten sie , ‘ da haben wir eine Maus , die muß uns tanzen , seht einmal was das fuͤr ein Spaß ist ! wie die herumtrippelt ! ’ Den Mann aber dauerte das arme Thierchen , und er sprach ‘ laßt die Maus laufen , ihr Jungen , ich will euch auch Geld geben . ’ Da gab er ihnen Geld , und sie ließen die Maus gehen , die lief , was sie konnte , in ein Loch hinein . Der Mann gieng fort , und kam in ein anderes Dorf , da hatten die Jungen einen Affen , der mußte tanzen und Purzelbaͤume machen , und sie lachten daruͤber , und ließen dem Thier keine Ruh . Da gab ihnen der Mann auch Geld , damit sie den Affen losließen . Danach kam der Mann in ein drittes Dorf , da hatten die Jungen einen Baͤren , der mußte sich aufrecht setzen und tanzen , und wenn er dazu brummte , wars ihnen eben recht . Da kaufte ihn der Mann auch los , und der Baͤr war froh daß er wieder auf seine vier Beine kam , und trabte fort .
Der Mann aber hatte nun sein Bischen uͤbriges Geld ausgegeben und keinen rothen Heller mehr in der Tasche . Da sprach er zu sich selber ‘ der Koͤnig hat so viel in seiner Schatzkammer , was er nicht braucht : Hungers kannst du nicht sterben , du willst da etwas nehmen , und wenn du wieder zu Geld kommst , kannst dus ja wieder hineinlegen . ’ Also machte er sich uͤber die Schatzkammer , und nahm sich ein wenig davon , allein beim Herausschleichen ward er von den Leuten des Koͤnigs erwischt . Sie sagten er waͤre ein Dieb , und fuͤhrten ihn vor Gericht , da ward er verurtheilt daß er in einem Kasten sollte aufs Wasser gesetzt werden . Der Kastendeckel war voll Loͤcher , damit Luft hinein konnte ; auch ward ihm ein Krug Wasser und ein Laib Brot mit hinein gegeben . Wie er nun so auf dem Wasser schwamm und recht in Angst war , hoͤrte er was krabbeln am Schloß , nagen und schnauben : auf einmal springt das Schloß auf , und der Deckel faͤhrt in die Hoͤhe , und stehen da Maus , Affe und Baͤr , die hattens gethan ; weil er ihnen geholfen , wollten sie ihm wieder helfen . Nun wußten sie aber nicht was sie noch weiter thun sollten , und rathschlagten mit einander : indem kam ein weißer Stein auf dem Wasser daher geschwommen , der sah aus wie ein rundes Ei . Da sagte der Baͤr ‘ der kommt zu rechter Zeit , das ist ein Wunderstein , wem der eigen ist , der kann sich wuͤnschen wozu er nur Lust hat . ’ Da fieng der Mann den Stein , und wie er ihn in der Hand hielt , wuͤnschte er sich ein Schloß mit Garten und Marstall , und kaum hatte er den Wunsch gesagt , so saß er in dem Schloß
mit dem Garten und dem Marstall , und war alles so schoͤn und praͤchtig , daß er sich nicht genug verwundern konnte .
Nach einer Zeit zogen Kaufleute des Wegs vorbei . ‘Sehe einer ,’ riefen sie , ‘ was da fuͤr ein herrliches Schloß steht , und das letztemal , wie wir vorbeikamen , lag da noch schlechter Sand . ’ Weil sie nun neugierig waren , giengen sie hinein , und erkundigten sich bei dem Mann wie er alles so geschwind haͤtte bauen koͤnnen . Da sprach er ‘ das hab ich nicht gethan , sondern mein Wunderstein . ’ ‘ Was ist das fuͤr ein Stein ? ’ fragten sie . Da gieng er hin und holte ihn , und zeigte ihn den Kaufleuten . Sie hatten große Lust dazu , und fragten ob er nicht zu erhandeln waͤre , auch boten sie ihm alle ihre schoͤnen Waaren dafuͤr . Dem Manne stachen die Waaren in die Augen , und weil das Herz unbestaͤndig ist , ließ er sich bethoͤren , und meinte die schoͤnen Waaren seyen mehr werth , als sein Wunderstein , und gab ihn hin . Kaum aber hatte er ihn aus den Haͤnden gegeben , da war auch alles Gluͤck dahin , und er saß auf einmal wieder in dem verschlossenen Kasten auf dem Fluß mit einem Krug Wasser und einem Laib Brot . Die treuen Thiere , Maus , Affe und Baͤr , wie sie sein Ungluͤck sahen , kamen wieder , und wollten ihm helfen , aber sie konnten nicht einmal das Schloß aufsprengen , weils viel fester war als das erstemal . Da sprach der Baͤr ‘ wir muͤssen den Wunderstein wieder schaffen , oder es ist alles umsonst . ’ Weil nun die Kaufleute in dem Schloß noch wohnten , giengen die Thiere
mit einander hin , und wie sie nahe dabei kamen , sagte der Baͤr ‘ Maus , geh hin und guck durchs Schluͤsselloch , und sieh was anzufangen ist ; du bist klein , dich merkt kein Mensch . ’ Die Maus war willig , kam aber wieder und sagte ‘ es geht nicht , ich habe hinein geguckt , der Stein haͤngt unter dem Spiegel an einem rothen Baͤndchen , und huͤben und druͤben sitzen ein paar große Katzen mit feurigen Augen , die sollen ihn bewachen . ’ Da sagten die andern ‘ geh nur wieder hinein , und warte bis der Herr im Bett liegt und schlaͤft , dann schleich dich durch ein Loch hinein , und kriech aufs Bett , und zwick ihn an der Nase , und beiß ihm seine Haare ab .’ Die Maus gieng wieder hinein , und that wie die andern gesagt hatten , und der Herr wachte auf , rieb sich die Nase , war aͤrgerlich , und sprach ‘ die Katzen taugen nichts , sie lassen die Maͤuse herein , die mir die Haare vom Kopf abbeißen , ’ und jagte sie alle beide fort . Da hatte die Maus gewonnen Spiel .
Wie nun der Herr die andere Nacht wieder eingeschlafen war , machte sich die Maus hinein , knuperte und nagte an dem rothen Band , woran der Stein hieng , so lange bis es entzwei war , und der Stein herunter fiel : dann schleifte sie ihn bis zur Hausthuͤr . Das ward aber der armen kleinen Maus recht sauer , und sie sprach zum Affen , der schon auf der Lauer stand ‘ nimm du nun deine Pfote , und hols ganz heraus . ’ Das war dem Affen ein Leichtes , der nahm den Stein in die Hand , und sie giengen so mit einander bis zum Fluß . Da sagte der Affe ‘ wie sollen wir nun zu dem Kasten kommen ? ’ Der Baͤr antwortete ‘ das ist bald geschehen ,
ich geh ins Wasser und schwimme ; Affe , setz du dich auf meinen Ruͤcken , halt dich aber mit deinen Haͤnden fest , und nimm den Stein ins Maul ; Maͤuschen , du kannst dich in mein rechtes Ohr setzen . ’ Also thaten sie , und schwammen den Fluß hinab . Nach einer Zeit wars dem Baͤren so still , fieng an zu schwatzen , und sagte ‘ hoͤr , Affe , wir sind doch brave Cameraden , was meinst du ? ’ Der Affe aber antwortete nicht und schwieg still . ‘ Jst das Manier ? ’ sagte der Baͤr , ‘ willst du deinem Cameraden keine Antwort geben ? ein schlechter Kerl , der nicht antwortet ! ’ Da konnte sich der Affe nicht laͤnger zuruͤckhalten , er ließ den Stein ins Wasser fallen , und machte dem Baͤren Vorwuͤrfe , ‘ wie konnt ich mit dem Stein im Mund antworten ? jetzt ist er verloren , und daran bist du Schuld . ’ ‘Zank nur nicht ,’ sagte der Baͤr , ‘ wir wollen schon etwas erdenken . ’ Da berathschlagten sie sich , und riefen die Laubfroͤsche , Unken und alles Gethier , das im Wasser lebt , zusammen , und sagten ‘ es wird ein gewaltiger Feind uͤber euch kommen , macht daß ihr Steine zusammenschafft , so viel ihr koͤnnt , so wollen wir euch eine Mauer bauen , die euch schuͤtzt . ’ Da erschracken die Thiere , und brachten Steine von allen Seiten herbeigeschleppt , endlich kam auch ein alter dicker Quackfrosch aus dem Grund herauf gerudert , und hatte das rothe Band mit dem Wunderstein im Mund . Da war der Baͤr froh , nahm dem Frosch seine Last ab , sagte es waͤre alles gut , sie koͤnnten wieder nach Hause gehen , und machte einen kurzen Abschied . Darauf fuhren die drei hinab zu dem Mann im Kasten , sprengten den Deckel mit Huͤlfe des Steins , und kamen
zu rechter Zeit , denn er hatte das Brot schon aufgezehrt und das Wasser getrunken , und war schon halb verschmachtet . Wie er aber den Wunderstein wieder in die Haͤnde bekam , wuͤnschte er sich eine gute Gesundheit , und versetzte sich in sein schoͤnes Schloß mit dem Garten und Marstall ; da lebte er vergnuͤgt , und die drei Thiere blieben bei ihm , und hattens gut ihr Lebelang .
105.
Maͤrchen von der Unke .
I .
E in Kind saß vor der Hausthuͤre auf der Erde , und hatte sein Schuͤsselchen mit Milch und Weckbrocken neben sich , und aß . Da kam eine Unke gekrochen , und senkte ihr Koͤpfchen in die Schuͤssel , und aß mit . Am andern Tag kam sie wieder , und so eine Zeitlang jeden Tag . Das Kind ließ sich das gefallen , wie es aber sah daß die Unke immerfort bloß die Milch trank , und die Brocken liegen ließ , nahm es sein Loͤffelchen , schlug ihr ganz sanft auf den Kopf , und sagte ‘ Ding , iß auch Brocken . ’ Seine Mutter aber hoͤrte daß es mit jemand sprach , kam heran , und als sie die Unke erblickte , schlug sie sie todt . Und das Kind , das , seit die Unke mit ihm gegessen hatte , schoͤn und groß geworden war , magerte ab von dem Augenblicke an , und starb bald darauf .
II .
Ein Waisenkind saß an der Stadtmauer und spann , und sah eine Unke her kommen . Da breitete es ein blau seiden Tuch , das die Unken gewaltig lieben , und auf das sie allein gehen , neben sich aus . Alsobald die Unke das erblickte , kehrte
sie um , kam wieder , und brachte ein kleines goldenes Kroͤnchen getragen , legte es darauf , und gieng dann wieder fort . Da nahm das Maͤdchen die Krone auf , sie glitzerte und war von zartem Goldgespinnst . Nicht lange , so kam die Unke zum zweitenmal wieder , wie sie aber die Krone nicht mehr sah , kroch sie an die Wand , und schlug vor Leid ihr Haͤuptlein so lang dawider als sie nur noch Kraͤfte hatte , bis sie endlich todt da lag . Haͤtte das Maͤdchen die Krone liegen lassen , die Unke haͤtte wohl noch mehr von ihren Schaͤtzen aus der Hoͤhle herbeigetragen .
III.
Unke ruft ‘ huhu , huhu . ’ Kind spricht ‘ komm herut . ’ Die Unke kommt hervor , da fragt das Kind nach seinem Schwesterchen ‘ hast du Rothstruͤmpfchen nicht gesehen ? ’ Unke sagt ‘ne , ik og nit ; wie du denn ? huhu , huhu , huhu .’
106.
Der arme Muͤllerbursch und das Kaͤtzchen .
J n einer Muͤhle , worin nur ein alter Muͤller lebte ohne Frau und Kind , dienten einmal drei Muͤllerburschen . Wie sie nun etliche Jahre bei ihm gedient hatten , sagte er zu ihnen ‘ zieht einmal fort , und wer mir das beste Pferd nach Haus bringt , dem will ich die Muͤhle geben . ’ Der dritte von den Burschen war aber der Kleinknecht , der ward von den andern fuͤr albern gehalten , dem goͤnnten sie die Muͤhle nicht ; und er wollte sie hernach nicht einmal . Da giengen alle drei mit einander hinaus , und wie sie vor das Dorf kamen , sagten die zwei zu dem albernen Hans ‘ du kannst nur hier bleiben , du kriegst doch dein Lebtag keinen Gaul . ’ Hans aber gieng doch mit , und als es Nacht war , kamen sie an eine Hoͤhle , da hinein legten sie sich schlafen . Die zwei Klugen warteten bis Hans eingeschlafen war , dann stiegen sie auf , machten sich fort , ließen Haͤnschen liegen , und meintens recht fein gemacht zu haben ; ja , es wird euch doch nicht gut gehen ! Wie nun die Sonne kam , und Hans aufwachte , lag er in einer tiefen Hoͤhle : er guckte sich uͤberall um , und rief ‘ach Gott , wo bin ich ! ’ Da erhob er sich , und krappelte die Hoͤhle hinauf , gieng in den Wald , und dachte ‘ wie soll ich nun zu einem Pferd kommen ! ’ Jndem er so in Gedanken dahin gieng , begegnete ihm ein kleines
buntes Kaͤtzchen , das sprach ‘Hans , wo willst du hin ? ’ ‘ Ach , du kannst mir doch nicht helfen . ’ ‘ Was dein Begehren ist , weiß ich wohl ,’ sprach das Kaͤtzchen , ‘ du willst einen huͤbschen Gaul haben ; komm mit mir , und sey sieben Jahre lang mein treuer Knecht , so will ich dir einen geben , schoͤner als du dein Lebtag einen gesehen hast . ’ Da nahm sie ihn mit in ihr verwuͤnschtes Schloͤßchen : er mußte ihr dienen , und alle Tage Holz klein machen , dazu kriegte er eine Axt von Silber , und die Keile und Saͤge von Silber , und der Schlaͤger war von Kupfer . Nun , da machte ers klein , blieb da im Haus , hatte sein gutes Essen und Trinken , sah aber niemand als das bunte Kaͤtzchen . Einmal sagte es zu ihm ‘geh hin und maͤhe meine Wiese , und mach das Gras trocken ,’ und gab ihm von Silber eine Sense und von Gold einen Wetzstein , hieß ihn aber auch alles wieder richtig abliefern . Da gieng Hans hin und that was ihm geheißen war ; nach vollbrachter Arbeit trug er Sense , Wetzstein und Heu nach Haus , und fragte ob es ihm noch nicht seinen Lohn geben wollte . ‘Nein ,’ sagte die Katze , ‘ du sollst mir erst noch einerlei thun , da ist Bauholz von Silber , Zimmeraxt , Winkeleisen und was noͤthig ist , alles von Silber , daraus baue mir erst ein kleines Haͤuschen . ’ Da baute Hans das Haͤuschen fertig , und sagte , er haͤtte nun alles gethan , und haͤtte noch kein Pferd ; die sieben Jahre aber waren ihm herumgegangen wie ein halbes . Fragte die Katze ob er ihre Pferde sehen wollte ? ‘ Ja ,’ sagte Hans . Da machte sie ihm das Haͤuschen auf , und weil sie die Thuͤre so aufmacht , da stehen
zwoͤlf Pferde , ach , die waren gewesen ganz stolz , die hatten geblaͤnkt und gespiegelt , daß sich sein Herz im Leibe daruͤber freute . Nun gab sie ihm zu essen und zu trinken , und sprach ‘geh heim , dein Pferd geb ich dir nicht mit , in drei Tagen aber komm ich , und bringe dirs nach . ’ Also gieng Hans heim , und sie zeigte ihm den Weg zur Muͤhle . Sie hatte ihm aber nicht einmal ein neues Kleid gegeben , sondern er mußte sein altes lumpiges Kittelchen behalten , daß er mitgebracht hatte , und das ihm in den sieben Jahren uͤberall zu kurz geworden war . Wie er nun heim kam , da waren die beiden andern Muͤllerburschen auch wieder da , jeder hatte zwar ein Pferd mitgebracht , aber des einen seins war blind , des andern seins lahm . Sie fragten ‘Hans , wo hast du dein Pferd ? ’ ‘ Jn drei Tagen wirds nachkommen . ’ Da lachten sie und sagten ‘ja , du Hans , wo willst du ein Pferd herkriegen , das wird was rechtes seyn ! ’ Hans gieng in die Stube , der Muͤller sagte aber er sollte nicht an den Tisch kommen , er waͤre zu zerrissen und zerlumpt , man muͤßte sich schaͤmen , wenn jemand herein kaͤme . Da gaben sie ihm sein bischen Essen hinaus , und wie sie Abends schlafen giengen , wollten ihm die zwei andern kein Bett geben , und er mußte endlich ins Gaͤnsestaͤllchen kriechen , und sich auf ein wenig Stroh hinein legen . Am Morgen , wie er aufwacht , sind schon die drei Tage herum , und es kommt eine Kutsche mit sechs Pferden , ei , die glaͤnzten , daß es schoͤn war , und ein Bedienter , der brachte noch ein siebentes , das war fuͤr den armen Muͤllerbursch ; aus der Kutsche aber stieg eine praͤchtige
Koͤnigstochter , und gieng in die Muͤhle hinein , und die Koͤnigstochter war das kleine bunte Kaͤtzchen , dem der arme Hans sieben Jahr gedient hatte . Sie fragte den Muͤller wo der Mahlbursch , der Kleinknecht , waͤre ? Da sagte der Muͤller ‘ den koͤnnen wir nicht in die Muͤhle nehmen , der ist so verrissen , und liegt im Gaͤnsestall . ’ Da sagte die Koͤnigstochter sie sollten ihn gleich holen . Also holten sie ihn heraus , und er mußte sein Kittelchen zusammenpacken , um sich zu bedecken ; da schnallte der Bediente praͤchtige Kleider aus , und mußte ihn waschen und anziehen , und wie er fertig war , konnte kein Koͤnig schoͤner aussehen . Danach wollte die Jungfrau die Pferde sehen , welche die andern Mahlburschen mitgebracht hatten , eins war blind , das andere lahm . Da ließ sie den Bedienten das siebente Pferd bringen ; wie der Muͤller das sah , sprach er so eins waͤr ihm noch nicht auf den Hof gekommen ; ‘ und das ist fuͤr den dritten Mahlbursch ’ sagte sie . ‘ Da muß er die Muͤhle haben’ sagte der Muͤller , die Koͤnigstochter aber sprach da waͤre sein Pferd , er sollte die Muͤhle auch behalten : und nimmt ihren treuen Hans , und setzt ihn in die Kutsche , und faͤhrt mit ihm fort . Sie fuhren erst nach dem kleinen Haͤuschen , daß er mit dem silbernen Werkzeug gebaut hat , da ist es ein großes Schloß , und ist alles darin von Silber und Gold : und da hat sie ihn geheirathet , und war er reich , so reich , daß er fuͤr sein Lebtag genug hatte . Darum soll keiner sagen daß wer albern ist deshalb nichts rechtes werden koͤnne .
107.
Die Kraͤhen .
E s hatte ein rechtschaffener Soldat etwas Geld verdient und zusammengespart , weil er fleißig war , und es nicht , wie die andern , in den Wirthshaͤusern durchbrachte . Nun waren zwei von seinen Cameraden , die hatten eigentlich ein falsches Herz , und wollten ihn um sein Geld bringen , sie stellten sich aber aͤußerlich ganz freundschaftlich an . Auf eine Zeit sprachen sie zu ihm ‘ hoͤr , was sollen wir hier in der Stadt liegen , wir sind ja eingeschlossen darin , als waͤren wir Gefangene , und gar einer wie du , der koͤnnte sich daheim was ordentliches verdienen , und vergnuͤgt leben . ’ Mit solchen Reden setzten sie ihm auch so lange zu , bis er endlich einwilligte , und mit ihnen ausreißen wollte ; die zwei andern hatten aber nichts anders im Sinn , als ihm draußen sein Geld abzunehmen . Wie sie nun ein Stuͤck Wegs fortgegangen waren , sagten die zwei ‘ wir muͤssen uns da rechts einschlagen , wenn wir an die Graͤnze kommen wollen . ’ ‘ Ei , Gott bewahre , da gehts gerade wieder in die Stadt zuruͤck , links muͤssen wir weiter . ’ ‘ Was , du willst dich mausig machen ? ’ riefen die zwei , drangen auf ihn ein , schlugen ihn bis er niederfiel , und nahmen ihm sein Geld aus den Taschen ; das war aber noch nicht
genug , sie stachen ihm auch die Augen aus , schleppten ihn zum Galgen , und banden ihn daran fest . Da ließen sie ihn , und giengen mit dem gestohlenen Geld in die Stadt zuruͤck .
Der arme Blinde wußte nicht an welchem schlechten Ort er war , fuͤhlte um sich , und merkte daß er unter einem Balken Holz saß . Da meinte er es waͤre ein Kreutz , sprach ‘ es ist doch gut von ihnen , daß sie mich wenigstens unter ein Kreutz gebunden haben , Gott ist bei mir , ’ und fieng an recht zu Gott zu beten . Wie es ungefaͤhr Nacht werden mochte , hoͤrte er etwas flattern ; das waren aber drei Kraͤhen , die ließen sich auf dem Balken nieder . Danach hoͤrte er , wie eine sprach ‘Schwester , was bringt ihr Gutes ? ja , wenn die Menschen wuͤßten , was wir wissen ! die Koͤnigstochter ist krank , und der alte Koͤnig hat sie demjenigen versprochen , der sie heilt ; das kann aber keiner , denn sie wird nur gesund , wenn die Kroͤte in dem Teich dort zu Asche verbrannt wird , und sie die Asche trinkt . ’ Da sprach die zweite ‘ ja , wenn die Menschen wuͤßten , was wir wissen ! heute Nacht faͤllt ein Thau vom Himmel , so wunderbar und heilsam , wer blind ist , und bestreicht seine Augen damit , der erhaͤlt sein Gesicht wieder . ’ Da sprach auch die dritte ‘ ja , wenn die Menschen wuͤßten , was wir wissen ! Die Kroͤte hilft nur einem , und der Thau hilft nur wenigen , aber in der Stadt ist große Noth , da sind alle Brunnen vertrocknet , und niemand weiß daß der große viereckige Stein auf dem Markt muß weggenommen und darunter gegraben werden , dort quillt das schoͤnste Wasser . ’ Wie die drei Kraͤhen das gesagt hatten , hoͤrte er es wieder flattern , und sie flogen da fort .
Er machte sich allmaͤlig von seinen Banden los , und dann buͤckte er sich , und brach ein paar Graͤserchen ab , und bestrich seine Augen mit dem Thau , der darauf gefallen war . Alsbald ward er wieder sehend , und waren Mond und Sterne am Himmel , und sah er daß er neben dem Galgen stand . Danach suchte er Scherben , und sammelte von dem koͤstlichen Thau , so viel er zusammen bringen konnte , und wie das geschehen war , gieng er zum Teich , grub das Wasser davon ab , holte die Kroͤte heraus , und verbrannte sie zu Asche . Mit der Asche gieng er an des Koͤnigs Hof , und ließ die Koͤnigstochter davon einnehmen , und als sie gesund war , verlangte er sie , wie es versprochen war , zur Gemahlin . Dem Koͤnig aber gefiel er nicht , weil er so schlechte Kleider an hatte , und er sprach wer seine Tochter haben wollte , der muͤßte der Stadt erst Wasser verschaffen , und hoffte ihn damit los zu werden . Er aber gieng hin , hieß die Leute den viereckigen Stein auf dem Markt wegheben , und darunter nach Wasser graben . Kaum hatten sie angefangen zu graben , so kamen sie schon zu einer schoͤnen Quelle , aus der das Wasser hervor sprang . Der Koͤnig konnte ihm nun seine Tochter nicht laͤnger verweigern , er wurde mit ihr vermaͤhlt , und lebten sie in einer vergnuͤgten Ehe .
Auf eine Zeit , als er durchs Feld spaziren gieng , begegneten ihm seine beiden ehemaligen Cameraden , die so treulos an ihm gehandelt hatten . Sie kannten ihn nicht , er aber erkannte sie gleich , gieng auf sie zu und sprach ‘ seht , das ist euer ehemaliger Camerad , dem ihr so schaͤndlich die Augen ausgestochen habt , aber der liebe Gott hat mirs zum Gluͤck gedeihen lassen . ’ Da fielen
sie ihm zu Fuͤßen , und baten um Gnade , und weil er ein gutes Herz hatte , erbarmte er sich ihrer , und nahm sie mit sich , gab ihnen auch Nahrung und Kleider . Er erzaͤhlte ihnen danach , wie es ihm ergangen , und wie er zu diesen Ehren gekommen waͤre . Als die zwei das vernahmen , hatten sie keine Ruhe , und wollten sich eine Nacht unter den Galgen setzen , ob sie vielleicht auch etwas Gutes hoͤrten . Wie sie nun unter dem Galgen saßen , flatterte auch bald etwas uͤber ihren Haͤuptern , und kamen die drei Kraͤhen . Die eine sprach zur andern ‘hoͤrt , Schwestern , es muß uns jemand behorcht haben , denn die Koͤnigstochter ist gesund , die Kroͤte ist fort aus dem Teich , ein Blinder ist sehend geworden , und in der Stadt haben sie einen frischen Brunnen gegraben , kommt , laßt uns den Horcher suchen , vielleicht finden wir ihn . ’ Da flatterten sie herab , und fanden die beiden , und eh sich die helfen konnten , saßen ihnen die Raben auf den Koͤpfen , und hackten ihnen die Augen aus , und hackten weiter so lange ins Gesicht , bis sie ganz todt waren . Da blieben sie liegen unter dem Galgen . Als sie nun in ein paar Tagen nicht wieder kamen , dachte ihr ehemaliger Camerad ‘ wo moͤgen die zwei herumirren , ’ und gieng hinaus sie zu suchen . Da fand er aber nichts mehr , als ihre Gebeine , die trug er vom Galgen weg , und legte sie in ein Grab .
108.
Hans mein Jgel .
E s war ein reicher Bauer , der hatte mit seiner Frau keine Kinder ; oͤfters , wenn er mit den andern Bauern in die Stadt gieng , spotteten sie , und fragten warum er keine Kinder haͤtte . Da ward er einmal zornig , und als er nach Haus kam , sprach er ‘ ich will ein Kind haben , und sollts ein Jgel seyn . ’ Da kriegte seine Frau ein Kind , das war oben ein Jgel und unten ein Junge , und als sie das Kind sah , erschrack sie und sprach ‘siehst du , du hast uns verwuͤnscht . ’ Da sprach der Mann ‘ was kann das alles helfen , getauft muß der Junge werden , aber wir koͤnnen keinen Gevatter dazu nehmen . ’ Die Frau sprach ‘ wir koͤnnen ihn auch nicht anders taufen als Hans mein Jgel . ’ Als er getauft war , sagte der Pfarrer ‘ der kann wegen seiner Stacheln in kein ordentlich Bett kommen . ’ Da ward hinter dem Ofen ein wenig Stroh zurechtgemacht , und Hans mein Jgel darauf gelegt . Er konnte auch an der Mutter nicht trinken , denn er haͤtte sie mit seinen Stacheln gestochen . So lag er da hinter dem Ofen acht Jahre , und sein Vater war ihn muͤde , und dachte wenn er nur stuͤrbe ; aber er starb nicht , sondern blieb da liegen . Nun trug es sich zu daß in der Stadt ein Markt war , und der Bauer wollte hin gehen , da fragte er seine Frau , was er ihr sollte mitbringen . ‘ Ein wenig Fleisch , und ein paar Wecke , was zum Haushalt gehoͤrt ’ sprach sie . Darauf fragte er die Magd , die wollte ein paar Toffeln
und Zwickelstruͤmpfe ; endlich sagte er auch ‘Hans mein Jgel , was willst du denn haben ? ’ ‘Vaͤterchen ,’ sprach er , ‘ bringt mir doch einen Dudelsack mit .’ Wie nun der Bauer wieder nach Haus kam , gab er der Frau , was er ihr mitgebracht hatte , Fleisch und Wecke , dann gab er der Magd die Toffeln und die Zwickelstruͤmpfe , endlich gieng er hinter den Ofen , und gab dem Hans mein Jgel den Dudelsack . Und wie Hans mein Jgel den hatte , sprach er ‘Vaͤterchen geht doch vor die Schmiede , und laßt mir meinen Goͤckelhahn beschlagen , dann will ich fortreiten , und will nimmermehr wiederkommen . ’ Da war der Vater froh daß er ihn los werden sollte , und ließ ihm den Hahn beschlagen , und als er fertig war , setzte sich Hans mein Jgel darauf , ritt fort , nahm auch Schweine und Esel mit , die wollt er draußen im Walde huͤten . Jm Wald aber mußte der Hahn mit ihm auf einen hohen Baum fliegen , da saß er , und huͤtete die Esel und Schweine , und saß lange Jahre bis die Heerde ganz groß war , und wußte sein Vater nichts von ihm . Wenn er aber auf dem Baum saß , blies er seinen Dudelsack , und machte Musik , die war sehr schoͤn . Einmal kam ein Koͤnig vorbeigefahren , der hatte sich verirrt , und hoͤrte die Musik ; da verwunderte er sich daruͤber , und schickte seinen Bedienten hin , er sollte sich einmal umgucken wo die Musik herkaͤme . Der guckte sich um , sah aber nichts , als ein kleines Thier auf dem Baum oben sitzen , das war wie ein Goͤckelhahn , auf dem ein Jgel saß , und machte die Musik . Da sprach der Koͤnig zum Bedienten er sollte fragen , warum er da saͤße , und ob er nicht wuͤßte wo der Weg in sein Koͤnigreich gienge .
Da stieg Hans mein Jgel vom Baum , und sprach er wollte den Weg zeigen , wenn der Koͤnig ihm wollte verschreiben und versprechen was ihm zuerst begegnete am koͤniglichen Hofe , wenn er nach Haus kaͤme . Da dachte der Koͤnig , das kannst du leicht thun , Hans mein Jgel verstehts doch nicht , und kannst schreiben was du willst . ’ Da nahm der Koͤnig Feder und Dinte , und schrieb etwas auf , und als es geschehen war , zeigte Hans mein Jgel ihm den Weg , und er kam gluͤcklich nach Haus . Seine Tochter aber , wie sie ihn von weitem sah , war so voll Freuden , daß sie ihm entgegen gieng , und ihn kuͤßte . Da gedachte er an Hans mein Jgel , und erzaͤhlte ihr wie es ihm gegangen waͤre , und daß er einem wunderlichen Thier haͤtte verschreiben sollen was ihm daheim zuerst begegnen wuͤrde , und das Thier haͤtte auf einem Hahn wie auf einem Pferde gesessen und schoͤne Musik gemacht ; er haͤtte aber geschrieben es sollts nicht haben , denn Hans mein Jgel koͤnnt es doch nicht lesen . Daruͤber war die Prinzessin froh , und sagte das waͤre gut , denn sie waͤre doch nimmermehr hingegangen .
Hans mein Jgel aber huͤtete die Esel und Schweine , war immer lustig , saß auf dem Baum , und blies auf seinem Dudelsack . Nun geschah es , daß ein anderer Koͤnig gefahren kam mit seinen Bedienten und Laufern , und hatte sich verirrt , und wußte nicht wieder nach Haus zu kommen , weil der Wald so groß war . Da hoͤrte er gleichfalls die schoͤne Musik von weitem , und sprach zu seinem Laufer was das wohl waͤre , er sollt einmal zusehen woher es kaͤme . Da gieng der Laufer hin unter den Baum , und
sah den Goͤckelhahn sitzen , und Hans mein Jgel oben drauf . Der Laufer fragte ihn was er da oben vorhaͤtte . ‘ Jch huͤte meine Esel und Schweine ; was ist euer Begehren ? ’ Der Laufer sagte sie haͤtten sich verirrt , und koͤnnten nicht wieder ins Koͤnigreich , ob er ihnen den Weg nicht zeigen wollte . Da stieg Hans mein Jgel mit dem Hahn vom Baum herunter , und sagte zu dem alten Koͤnig er wollt ihm den Weg zeigen , wenn er ihm zu eigen geben wollte was ihm zu Haus vor seinem koͤniglichen Schlosse das erste begegnen wuͤrde . Der Koͤnig sagte ja , und unterschrieb sich dem Hans mein Jgel , er sollte es haben . Als das geschehen war , ritt er auf dem Goͤckelhahn voraus , und zeigte ihm den Weg , und gelangte er gluͤcklich wieder in sein Koͤnigreich . Wie er auf den Hof kam , war große Freude daruͤber . Nun hatte er eine einzige Tochter , die war sehr schoͤn , die kam ihm entgegen , fiel ihm um den Hals , und kuͤßte ihn , und freute sich daß ihr alter Vater wieder kam . Sie fragte ihn auch wo er so lange in der Welt gewesen waͤre , da erzaͤhlte er ihr er haͤtte sich verirrt , und waͤre beinahe gar nicht wieder gekommen , aber als er durch einen großen Wald gefahren waͤre , haͤtte einer , halb wie ein Jgel , halb wie ein Mensch , rittlings auf einem Hahn in einem hohen Baum gesessen , und schoͤne Musik gemacht , der haͤtte ihm fortgeholfen , und den Weg gezeigt , er aber haͤtte ihm dafuͤr versprochen was ihm am koͤniglichen Hofe zuerst begegnete , und das waͤre sie , und das thaͤte ihm nun so leid . Da versprach sie ihm aber sie wollte gerne mit ihm gehen wann er kaͤme , ihrem alten Vater zu Liebe .
Hans mein Jgel aber huͤtete seine Schweine , und die Schweine bekamen wieder Schweine , und diese wieder , und wurden ihrer so viel , daß der ganze Wald voll war . Da ließ Hans mein Jgel seinem Vater sagen sie sollten alle Staͤlle im Dorf ledig machen und raͤumen , denn er kaͤme mit einer so großen Heerde , daß jeder schlachten sollte , der nur schlachten koͤnnte . Da war sein Vater betruͤbt , als er das hoͤrte , denn er dachte Hans mein Jgel waͤre schon lange gestorben . Hans mein Jgel aber setzte sich auf seinen Goͤckelhahn , trieb die Schweine vor sich her ins Dorf und ließ schlachten ; hu ! da war ein Gemetzel und ein Hacken , daß mans zwei Stunden weit hoͤren konnte . Danach sagte Hans mein Jgel ‘Vaͤterchen , laßt mir meinen Goͤckelhahn noch einmal vor der Schmiede beschlagen , dann reit ich fort , und komme mein Lebtag nicht wieder . ’ Da ließ der Vater den Goͤckelhahn beschlagen , und war froh daß Hans mein Jgel nicht wieder kommen wollte .
Hans mein Jgel ritt fort in das erste Koͤnigreich , da hatten der Koͤnig befohlen wenn einer kaͤme auf einem Hahn geritten , und haͤtte einen Dudelsack bei sich , dann sollten alle auf ihn schießen , hauen und stechen , damit er nicht ins Schloß kaͤme . Als nun Hans mein Jgel daher geritten kam , drangen sie mit den Bajonetten auf ihn ein , er aber gab dem Hahn die Sporn , flog auf , uͤber das Thor hin vor des Koͤnigs Fenster , setzte sich da und rief ihm zu er sollt ihm geben , was er versprochen haͤtte , sonst so wollt er ihm und seiner Tochter das Leben nehmen . Da gab der Koͤnig seiner Tochter gute Worte , sie moͤchte zu ihm
hinaus gehen , damit sie ihm und sich das Leben rettete . Da zog sie sich weiß an , und ihr Vater gab ihr einen Wagen mit sechs Pferden und herrliche Bedienten , Geld und Gut . Sie setzte sich ein , und Hans mein Jgel mit seinem Hahn und Dudelsack neben sie , dann nahmen sie Abschied , und zogen fort , und der Koͤnig dachte er kriegte sie nicht wieder zu sehen . Es gieng aber anders als er dachte , denn als sie ein Stuͤck Wegs von der Stadt waren , da zog ihr Hans mein Jgel die schoͤnen Kleider aus , und stach sie mit seiner Jgelhaut bis sie ganz blutig war , sagte ‘ das ist der Lohn fuͤr eure Falschheit , geh hin , ich will dich nicht , ’ und jagte sie damit nach Haus , und war sie beschimpft ihr Lebtag .
Hans mein Jgel aber ritt weiter auf seinem Goͤckelhahn und mit seinem Dudelsack nach dem zweiten Koͤnigreich , wo er dem Koͤnig auch den Weg gezeigt hatte . Der aber hatte bestellt , wenn einer kaͤme , wie Hans mein Jgel , sollten sie das Gewehr vor ihm praͤsentieren , ihn frei hereinfuͤhren , Vivat rufen , und ihn ins koͤnigliche Schloß bringen . Wie ihn nun die Koͤnigstochter sah , war sie erschrocken , weil er doch gar zu wunderlich aussah , sie dachte aber es waͤre nicht anders , sie haͤtte es ihrem Vater versprochen . Da ward Hans mein Jgel von ihr bewillkommt , mußte mit an die koͤnigliche Tafel gehen , und sie setzte sich zu seiner Seite , und sie aßen und tranken . Wies nun Abend ward , daß sie wollten schlafen gehen , da fuͤrchtete sie sich sehr vor seinen Stacheln , er aber sprach , sie sollte sich nicht fuͤrchten , es geschaͤhe ihr kein Leid , und sagte zu dem alten Koͤnig , er sollte vier Mann bestellen , die sollten wachen vor der Kammerthuͤre , und ein großes
Feuer anmachen , und wann er in die Kammer eingienge , und sich ins Bett legen wollte , wuͤrde er aus seiner Jgelshaut herauskriechen , und sie vor dem Bett liegen lassen ; dann sollten die Maͤnner hurtig herbeispringen und sie ins Feuer werfen , auch dabei bleiben , bis sie vom Feuer verzehrt waͤre . Wie die Glocke nun elfe schlug , da gieng er in die Kammer , und streifte die Jgelshaut ab , und ließ sie vor dem Bett liegen , da kamen die Maͤnner , und holten sie geschwind , und warfen sie ins Feuer ; und als sie das Feuer verzehrt hatte , da war er erloͤst , und lag da im Bett ganz als ein Mensch gestaltet , aber er war kohlschwarz wie gebrannt . Der Koͤnig schickte zu seinem Arzt , der wusch ihn mit guten Salben , und balsamirte ihn , da ward er weiß , und war ein schoͤner junger Herr . Wie das die Koͤnigstochter sah , war sie froh , und sie stiegen auf mit Freuden , aßen und tranken , und ward die Vermaͤhlung gehalten , und Hans mein Jgel bekam das Koͤnigreich von dem alten Konig Koͤnig .
Wie etliche Jahre herum waren , fuhr er mit seiner Gemahlin zu seinem Vater , und sagte er waͤre sein Sohn ; der Vater aber sprach er haͤtte keinen , er haͤtte nur einen gehabt , der waͤre aber wie ein Jgel mit Stacheln geboren worden , und waͤre in die Welt gegangen . Da gab er sich zu erkennen , und der alte Vater freute sich , und gieng mit ihm in sein Koͤnigreich .
Mein Maͤrchen ist aus ,
und geht vor Gustchen sein Haus .
109.
Das Todtenhemdchen .
E s hatte eine Mutter ein Buͤblein von sieben Jahren , das war so schoͤn und lieblich , daß es niemand ansehen konnte ohne ihm gut zu seyn , und sie hatte es auch lieber , als alles auf der Welt . Nun geschah es , daß es ploͤtzlich krank wurde , und der liebe Gott es zu sich nahm ; daruͤber konnte sich die Mutter nicht troͤsten , und weinte Tag und Nacht . Bald darauf aber , nachdem es begraben war , zeigte sich das Kind Nachts an den Plaͤtzen , wo es sonst im Leben gesessen und gespielt hatte ; weinte die Mutter , so weinte es auch , und wenn der Morgen kam , war es verschwunden . Als aber die Mutter gar nicht aufhoͤren wollte zu weinen , kam es in einer Nacht mit seinem weißen Todtenhemdchen , in welchem es in den Sarg gelegt war , und mit dem Kraͤnzchen auf dem Kopf , setzte sich zu ihren Fuͤßen auf das Bett , und sprach ‘ ach Mutter , hoͤr doch auf zu weinen , sonst kann ich in meinem Sarge nicht einschlafen , denn mein Todtenhemdchen wird nicht trocken von deinen Thraͤnen , die alle darauf fallen . ’ Da erschrack die Mutter , als sie das hoͤrte , und weinte nicht mehr . Und in der andern Nacht kam das Kindchen wieder , hielt in der Hand ein Lichtchen , und sagte ‘ siehst du , nun ist mein Hemdchen bald trocken , und ich habe Ruhe in meinem Grab . ’ Da befahl die Mutter dem lieben Gott ihr Leid , und ertrug es still und geduldig , und das Kind kam nicht wieder , sondern schlief in seinem unterirdischen Bettchen .
110.
Der Jude im Dorn .
E s war einmal ein reicher Mann , der hatte einen Knecht , der diente ihm fleißig und redlich , war alle Morgen der erste aus dem Bett , und Abends der letzte hinein , und wenns eine saure Arbeit gab , wo keiner anpacken wollte , so stellte er sich immer zuerst daran . Dabei klagte er nicht , sondern war mit allem zufrieden , und immer guter Dinge . Als sein Jahr herum war , gab ihm der Herr keinen Lohn , und dachte ‘ das ist das gescheidtste , so spare ich etwas , und er geht nicht weg , sondern bleibt huͤbsch im Dienst .’ Der Knecht schwieg auch still , that das zweite Jahr wie das erste seine Arbeit , und als er am Ende desselben abermals keinen Lohn bekam , ließ er sichs gefallen , und blieb noch laͤnger . Als endlich das dritte Jahr herum war , bedachte sich der Herr , griff in die Tasche , holte aber nichts heraus . Da fieng der Knecht endlich an und sprach ‘Herr , ich habe euch drei Jahre ehrlich gedient , seyd so gut und gebt mir was mir von Rechtswegen zukommt : ich wollte fort und mich gerne weiter in der Welt umsehen . ’ Da antwortete der Geizhals ‘ ja , mein lieber Knecht , du hast mir unverdrossen gedient , dafuͤr sollst du mildiglich belohnet werden ,’ griff abermals in die Tasche ,
und zaͤhlte dem Knecht drei Heller einzeln auf ‘ da hast du fuͤr jedes Jahr einen Heller , das ist ein großer und reichlicher Lohn , wie du ihn bei wenigen Herrn empfangen haͤttest .’ Der gute Knecht , der vom Geld wenig verstand , strich sein Capital ein , und dachte ‘ nun hast du vollauf in der Tasche , was willst du sorgen , und dich mit schwerer Arbeit laͤnger plagen .’
Da zog er fort , bergauf , bergab , sang und sprang nach Herzenslust . Nun trug es sich zu , als er an einem Buschwerk voruͤber kam , daß ein kleines Maͤnnchen hervortrat , und ihn anrief ‘ wo hinaus , Bruder Lustig ? ich sehe , du traͤgst nicht schwer an deinen Sorgen . ’ ‘ Was soll ich traurig seyn ,’ antwortete der Knecht , ‘ ich habe vollauf , der Lohn von drei Jahren klingelt in meiner Tasche . ’ ‘ Wie viel ist denn deines Schatzes ? ’ fragte ihn das Maͤnnchen . ‘ Wie viel ? drei baare Heller , richtig gezaͤhlt . ’ ‘Hoͤr ,’ sagte der Zwerg , ‘ ich bin ein armer beduͤrftiger Mann , schenke mir deine drei Heller , ich kann nichts mehr arbeiten , du aber bist jung , und kannst dir dein Brot leicht verdienen . ’ Und weil der Knecht ein gutes Herz hatte , und Mitleid mit dem Maͤnnchen fuͤhlte , so reichte er ihm seine drei Heller , und sprach ‘ in Gottes Namen , es wird mir doch nicht fehlen . ’ Da sprach das Maͤnnchen ‘ weil ich dein gutes Herz sehe , so gewaͤhre ich dir drei Wuͤnsche , fuͤr jeden Pfennig einen , die sollen dir in Erfuͤllung gehen . ’ ‘ Aha ,’ sprach der Knecht , ‘ du bist einer , der blau pfeifen kann : wohlan , wenns doch seyn soll , so wuͤnsche ich mir erstlich ein Vogelrohr , das alles trifft , wonach ich ziele ; zweitens eine Fidel , wenn ich darauf streiche , so muß alles tanzen ,
was den Klang hoͤrt ; und drittens , wenn ich an jemand eine Bitte thue , so darf er sie nicht abschlagen . ’ ‘ Das sollst du alles haben’ sprach das Maͤnnchen , griff in den Busch , und , denk einer , da lag schon Fidel und Vogelrohr in Bereitschaft , als wenn sie bestellt waͤren : er gab sie dem Knecht , und sprach ‘ was du dir immer erbitten wirst , kein Mensch auf der Welt soll dirs abschlagen .’
‘Herz , was begehrst du nun ? ’ sprach der Knecht zu sich selber , und zog lustig weiter . Bald darauf begegnete er einem Juden mit einem langen Ziegenbart , der stand und horchte auf den Gesang eines Vogels , der hoch oben in der Spitze eines Baumes saß . ‘Gottes Wunder ! ’ rief er aus , ‘ so ein kleines Thier hat so eine grausam maͤchtige Stimme ! wenns doch mein waͤre ! wer ihm doch Salz auf den Schwanz streuen koͤnnte ! ’ ‘ Wenns weiter nichts ist ,’ sprach der Knecht , ‘ der Vogel soll bald herunter seyn ,’ legte an , und traf aufs Haar , und der Vogel fiel herab in die Dornhecken . ‘ Geh , Spitzbub ,’ sagte er zum Juden , ‘ und hol dir den Vogel heraus . ’ ‘ Mein ,’ sprach der Jude , ‘ laßt den Bub weg , so kommt der Hund gelaufen ; ich will mir den Vogel auflesen , weil ihr ihn doch einmal getroffen habt ,’ legte sich auf die Erde , und fieng an sich in den Busch hinein zu arbeiten . Wie er nun mitten in dem Dorn steckte , plagte der Muthwille den guten Knecht , daß er seine Fidel abnahm , und anfieng zu geigen . Gleich fieng auch der Jude an die Beine zu heben , und in die Hoͤhe zu springen : und je mehr der Knecht strich , desto besser gieng der Tanz . Aber die Doͤrner zerrissen
ihm den schaͤbigen Rock , kaͤmmten ihm den Ziegenbart , und stachen und zwickten ihn am ganzen Leib . ‘ Mein ,’ rief der Jude , was soll mir das Geigen ! laß der Herr das Geigen , ich begehre nicht zu tanzen . ’ Aber der Knecht hoͤrte nicht darauf , und dachte ‘ du hast die Leute genug geschunden , nun soll dirs die Dornhecke nicht besser machen , ’ und fieng von neuem an zu geigen , daß der Jude noch hoͤher aufspringen mußte , und die Fetzen von seinem Rock an den Stacheln haͤngen blieben . ‘ Au weih geschrien ! ’ rief der Jude , ‘geb ich doch dem Herrn , was er verlangt , wenn er nur das Geigen laͤßt , einen ganzen Beutel mit Gold . ’ ‘ Wenn du so spendabel bist ,’ sprach der Knecht , ‘ so will ich wohl mit meiner Musik aufhoͤren , aber das muß ich dir nachruͤhmen du machst deinen Tanz noch mit , daß es eine Art hat ;’ nahm darauf den Beutel , und gieng seiner Wege .
Der Jude blieb stehen , und sah ihm nach , und war still bis der Knecht weit weg und ihm ganz aus den Augen war , dann schrie er aus Leibeskraͤften , ‘ du miserabler Musikant , du Bierfidler : wart , wenn ich dich allein erwische ! ich will dich jagen , daß du die Schuhsohlen verlieren sollst : du Lump , steck einen Groschen ins Maul , daß du sechs Heller werth bist ,’ und schimpfte weiter was er nur los bringen konnte . Und als er sich damit etwas zu Gute gethan und Luft gemacht hatte , lief er in die Stadt zum Richter . ‘Herr Richter , au weih geschrien ! ich bin auf offener Landstraße beraubt und uͤbel zugerichtet worden von einem gottlosen Menschen , ein Stein auf dem Erdboden moͤcht sich erbarmen : die Kleider zerfetzt ! der Leib zerstochen
und zerkratzt ! das Gold mit dem Beutel genommen ! lauter Ducaten , ein Stuͤck schoͤner als das andere : um Gotteswillen , laßt den Menschen ins Gefaͤngnis werfen . ’ Sprach der Richter ‘ wars ein Soldat , der dich mit seinem Saͤbel so zurichtet hat ? ’ ‘Gott bewahr ! ’ sagte der Jude , ‘ einen nackten Degen hat er nicht gehabt , aber ein Rohr hat er gehabt auf dem Buckel haͤngen , und eine Geige am Hals ; daran ist er leicht zu erkennen . ’ Der Richter schickte seine Leute nach ihm aus , die fanden den guten Knecht , der ganz langsam weiter gezogen war , und fanden auch den Beutel mit Gold bei ihm . Als er vor Gericht gestellt wurde , sagte er ‘ ich habe den Juden nicht angeruͤhrt , und ihm das Gold nicht genommen , er hat mirs aus freien Stuͤcken angeboten , damit ich nur aufhoͤrte zu geigen , weil er meine Musik nicht vertragen konnte . ’ ‘Gott bewahr ! ’ schrie der Jude , ‘er greift die Luͤgen , wie Fliegen an der Wand . ’ Aber der Richter glaubte es auch nicht , und sprach ‘ das ist eine schlechte Entschuldigung , das thut kein Jude ,’ und verurtheilte den guten Knecht , weil er auf offener Straße einen Raub begangen haͤtte , zum Galgen . Als er aber abgefuͤhrt wurde , schrie ihm noch der Jude zu ‘ du Baͤrenhaͤuter , du Hundemusikant , jetzt kriegst du deinen wohlverdienten Lohn .’ Der Knecht stieg ganz ruhig mit dem Henker die Leiter hinauf , auf der letzten Sproße aber drehte er sich um , und sprach zum Richter ‘ gewaͤhrt mir noch eine Bitte , eh ich sterbe . ’ ‘ Ja ,’ sprach der Richter , ‘ wenn du nicht um dein Leben bittest . ’ ‘ Nicht ums Leben ,’ antwortete der Knecht , ‘ ich bitte , laßt mich zu guter Letzt noch einmal auf meiner Geige
spielen . ’ Der Jude erhob ein Zetergeschrei , ‘ um Gotteswillen , erlaubts nicht , erlaubts nicht . ’ Allein der Richter sprach ‘ warum soll ich ihm die kurze Freude nicht goͤnnen : es ist ihm zugestanden , und dabei soll es seyn Bewenden haben . ’ Auch konnte er es ihm nicht abschlagen , wegen der Gabe , die dem Knecht verliehen war . Der Jude aber rief ‘ au weih ! au weih ! bindet mich an , bindet mich fest . ’ Da nahm der gute Knecht seine Geige vom Hals , legte sie zurecht , und wie er den ersten Strich that , fieng alles an zu wabern und zu wanken , der Richter , die Schreiber , und die Gerichtsdiener , und dem , welcher den Juden festbinden wollte , fiel der Strick aus der Hand ; beim zweiten Strich hoben alle die Beine , und der Henker ließ den guten Knecht los , und machte sich zum Tanze fertig , und bei dem dritten sprang alles in die Hoͤhe , und fieng an zu tanzen , und der Richter und der Jude waren vorne , und sprangen am besten . Bald tanzte alles mit , was auf den Markt aus Neugierde herbei gekommen war , alte und junge , dicke und magere Leute untereinander : und die Hunde , die mitgelaufen waren , setzten sich auf die Hinterfuͤße , und tanzten auch mit . Und je laͤnger er spielte , desto hoͤher sprangen die Taͤnzer , daß sie sich einander an die Koͤpfe stießen , und anfiengen jaͤmmerlich zu schreien . Endlich rief der Richter ganz außer Athem , ‘ ich schenke dir dein Leben , hoͤre nur auf zu geigen .’ Der gute Knecht ließ sich bewegen , setzte die Geige ab , hieng sie wieder um den Hals , und stieg die Leiter herab . Da trat er zu dem Juden , der auf der Erde lag und nach Athem schnappte , und sagte ‘Spitzbube ,
jetzt gestehe wo du das Geld her hast , oder ich nehme meine Geige vom Hals , und fange wieder an zu spielen . ’ ‘ Jch habs gestohlen , ich habs gestohlen ,’ schrie er , ‘ du aber hasts redlich verdient . ’ Da ließ der Richter den Juden zum Galgen fuͤhren , und als einen Dieb aufhaͤngen .
111.
Der gelernte Jaͤger .
E s war einmal ein junger Bursch , der hatte die Schlosserhandthierung gelernt , und sprach zu seinem Vater er muͤßte in die Welt gehen , und sich versuchen . ‘ Ja ,’ sagte der Vater , ‘ das bin ich zufrieden’ und gab ihm etwas Geld auf die Reise . Also zog er herum und suchte Arbeit . Auf eine Zeit , da wollt ihm das Schlosserwerk nicht mehr folgen , und stand ihm auch nicht mehr an , aber er kriegte Lust zur Jaͤgerei . Da begegnete ihm auf der Wanderschaft ein Jaͤger in gruͤnem Kleide , der fragte wo er her kaͤme , und hin wollte ? Er waͤr ein Schlossergesell , sagte der Bursch , aber das Handwerk gefiele ihm nicht mehr , und haͤtte Lust zur Jaͤgerei , ob er sie ihm lehren wollte . ‘ O ja , wenn du mit mir gehen willst . ’ Da gieng der junge Bursch mit , und vermiethete sich etliche Jahre bei ihm , und lernte die Jaͤgerei . Danach wollt er sich weiter versuchen , und der Jaͤger gab ihm nichts zum Lohn als eine Windbuͤchse , die hatte aber die Eigenschaft , wenn er damit schoß , so traf er ohnfehlbar . Da gieng er nun fort , und kam in einen sehr großen Wald , von dem konnt er in einem Tag das Ende nicht finden . Wies Abend war , setzte er sich auf einen hohen Baum , damit er aus den wilden
Thieren kaͤme . Gegen Mitternacht zu , daͤuchte ihn , schimmerte ein kleines Lichtchen von weitem , da sah er durch die Aeste darauf hin , und behielt in acht wo es war . Doch nahm er erst noch seinen Hut , und warf ihn nach dem Licht zu herunter , daß er danach gehen wollte , wann er herabgestiegen waͤre , als nach einem Zeichen . Nun kletterte er herunter , gieng auf seinen Hut los , setzte ihn wieder auf , und zog gerades Wegs fort . Je weiter er gieng , je groͤßer ward das Licht , und wie er nahe dabei kam , sah er daß es ein gewaltiges Feuer war , und saßen drei Riesen dabei , und hatten einen Ochsen am Spieß , und ließen ihn braten . Nun sprach der eine ‘ ich muß doch schmecken ob das Fleisch bald gahr ist ,’ riß ein Stuͤck herab , und wollt es eben in den Mund stecken , indem schoß es ihm der Jaͤger aus der Hand . ‘ Nun ja ,’ sprach der Riese , ‘ da weht mir der Wind das Stuͤck aus der Hand , ’ und nahm sich ein anderes . Wie er eben anbeißen wollte , schoß es ihm der Jaͤger abermals weg ; da gab der Riese dem , der neben ihm saß , eine Ohrfeige , und rief zornig ‘ was reißt du mir mein Stuͤck weg ? ’ ‘ Jch habe es dir nicht weggerissen ,’ sprach der andere ‘ es wird dirs ein Scharfschuͤtz weggeschossen haben . ’ Der Riese nahm sich das dritte Stuͤck , er konnte es aber nicht in der Hand behalten , der Jaͤger schoß es ihm heraus . Da sprachen die Riesen ‘ das muß ein guter Schuͤtze seyn , der den Bissen vor dem Maul wegschießen kann , so einer waͤr uns nuͤtzlich ,’ und riefen laut ‘komm herbei , du Scharfschuͤtze , setz dich ans Feuer , und iß dich satt , wir wollen dir nichts thun ; aber kommst du nicht , und wir holen dich mit Gewalt ,
so bist du verloren . ’ Da trat der Bursch herzu , und sagte er waͤre ein gelernter Jaͤger , und wonach er mit seiner Buͤchse ziele , das treffe er auch sicher und gewiß . Da sprachen sie wenn er mit ihnen gehen wollte , sollte ers gut haben , und erzaͤhlten ihm vor dem Wald sey ein großes Wasser , dahinter staͤnd ein Thurm , und in dem Thurm saͤß eine schoͤne Koͤnigstochter , die wollten sie gern rauben . ‘ Ja ,’ sprach er , ‘ die will ich bald geschafft haben . ’ Sagten sie weiter ‘ es ist aber noch etwas dabei , es liegt ein kleines Huͤndchen dort , das faͤngt gleich an zu bellen , wann sich jemand naͤhert , und sobald das bellt , wacht auch alles am koͤniglichen Hofe auf , und deshalb koͤnnen wir nicht hinein kommen ; unterstehst du dich , das Huͤndchen todt zu schießen ? ’ ‘ Ja ,’ sprach er , ‘ das ist mir ein kleiner Spaß . ’ Danach setzte er sich auf ein Schiff , und fuhr uͤber das Wasser , und wie er bald beim Land war , kam das Huͤndchen gelaufen , und wollte bellen , aber er kriegte seine Windbuͤchse , und schoß es todt . Wie die Riesen das sahen , freuten sie sich , und meinten , sie haͤtten die Koͤnigstochter schon gewiß , er sprach aber zu ihnen sie sollten haußen bleiben bis er ihnen riefe . Da gieng er in das Schloß , und es war maͤuschenstill , und schlief alles ; wie er das erste Zimmer aufmachte , hieng da ein Saͤbel an der Wand , der war von purem Silber , und ein goldener Stern darauf und des Koͤnigs Name ; daneben aber stand ein Tisch , und auf dem Tisch lag ein versiegelter Brief , den brach er auf , und stand darin wer den Saͤbel haͤtte , koͤnnte alles ums Leben bringen , was ihm vorkaͤme . Da nahm er den Saͤbel von der Wand , hieng ihn um , und gieng
weiter , da kam er in das Zimmer , wo die Koͤnigstochter lag , und schlief , und sie war so schoͤn , daß er still stand und sie betrachtete , und den Athem anhielt . Wie er sich weiter umschaute , da standen unter dem Bett ein Paar Pantoffeln , auf dem rechten stand ihres Vaters Name mit einem Stern , und auf dem linken ihr Name mit einem Stern . Sie hatte auch ein großes Halstuch um , von Seide mit Gold ausgestickt , auf der rechten Seite ihres Vaters Name , auf der linken ihr Name , alles mit goldenen Buchstaben . Da nahm der Jaͤger eine Scheere und schnitt den rechten Schlippen ab , und that ihn in seinen Ranzen , und dann nahm er auch den rechten Pantoffel mit des Koͤnigs Namen , und steckte ihn hinein . Nun lag die Jungfrau noch immer und schlief , und sie war ganz in ihr Hemd eingenaͤht , da schnitt er auch ein Stuͤckchen von dem Hemd ab , und steckte es zu dem andern , doch that er das alles , ohne sie anzuruͤhren . Dann gieng er fort , und ließ sie ungestoͤrt schlafen , und als er wieder ans Thor kam , standen da die Riesen noch draußen , warteten auf ihn , und dachten er wuͤrde die Koͤnigstochter bringen . Er rief ihnen aber zu sie sollten auch herein kommen , die Jungfrau waͤre schon in seiner Gewalt ; die Thuͤre koͤnnte er ihnen aber nicht aufmachen , da waͤr ein Loch , durch welches sie kriechen muͤßten . Nun kam der erste naͤher , da wickelte der Jaͤger des Riesen Haar um seine Hand , zog den Kopf herein , und hieb ihn mit seinem Saͤbel in einem Streich ab , und duns ( zog ) ihn dann vollends herein . Dann rief er den zweiten , und hieb ihm gleichfalls das Haupt ab , und endlich auch dem dritten , und war froh daß er die schoͤne
Jungfrau von ihren Feinden befreit hatte , und schnitt ihnen die Zungen aus , und steckte sie in seinen Ranzen . Da dacht er ‘ ich will heim gehen zu meinem Vater , und ihm zeigen was ich schon gethan habe , dann will ich in der Welt herum ziehen ; das Gluͤck , das mir Gott bescheren will , wird mich schon erreichen .’
Der Koͤnig in dem Schloß aber , als er aufwachte , sah drei Riesen da todt liegen ; gieng in die Schlafkammer seiner Tochter , weckte sie auf , und fragte wer das wohl gewesen waͤre , der die Riesen ums Leben gebracht haͤtte . Da sagte sie ‘ lieber Vater , ich weiß es nicht , ich habe geschlafen . ’ Wie sie nun aufstand , und ihre Pantoffeln anziehen wollte , da war der rechte weg , und wie sie ihr Halstuch betrachtete , war es durchschnitten , und fehlte der rechte Schlippen , und wie sie ihr Hemd ansah , war ein Stuͤckchen heraus . Der Koͤnig ließ den ganzen Hof zusammen kommen , Soldaten und alles was da war , und fragte wer seine Tochter befreit , und die Riesen ums Leben gebracht haͤtten ? Nun hatte er einen Hauptmann , der war einaͤugig und ein haͤßlicher Mensch , der sagte er haͤtte es gethan . Da sprach der alte Koͤnig so er das vollbracht , sollte er seine Tochter auch heirathen . Die Jungfrau aber sagte ‘ lieber Vater , dafuͤr , daß ich den heirathen soll , will ich lieber in die Welt gehen , so weit als mich meine Beine tragen . ’ Da sprach der Koͤnig wenn sie den nicht heirathen wollte , sollte sie die koͤniglichen Kleider ausziehen , und Bauernkleider anthun , und fortgehen ; und sie sollte zu einem Toͤpfer gehen , und sich einen irden Geschirr Handel anfangen . Da thaͤt sie ihre koͤniglichen Kleider aus , und gieng zu einem Toͤpfer , und borgte sich
einen Kram irden Werk ; versprach ihm auch , wenn sies am Abend verkauft haͤtte , wollte sie es bezahlen . Nun sagte der Koͤnig sie sollte sich an eine Ecke damit setzen , und es verkaufen , dann bestellte er etliche Bauernwagen , die sollten mitten durchfahren , daß alles in tausend Stuͤcke gienge . Wie nun die Koͤnigstochter ihren Kram auf die Straße hingestellt hatte , kamen die Wagen und zerbrachen ihn zu lauter Scherben ; sie fieng an zu weinen , und sprach ‘ach Gott , wie will ich nun dem Toͤpfer bezahlen .’ Der Koͤnig aber hatte sie damit zwingen wollen den Hauptmann zu heirathen , statt dessen gieng sie wieder zum Toͤpfer , und fragte ihn ob er ihr noch einmal borgen wollte . Er antwortete nein , sie sollte erst das Vorige bezahlen . Da gieng sie zu ihrem Vater , schrie und jammerte , und sagte sie wollte in die Welt hineingehen . Da sprach er sie sollte hingehen in den Wald , da wollt er ihr ein Haͤuschen bauen , darin sollte sie ihr Lebtag sitzen , und fuͤr jedermann kochen , duͤrfte aber kein Geld nehmen . Also ließ er ihr ein Haͤuschen im Wald bauen , und vor die Thuͤre hieng ein Schild , darauf stand geschrieben ‘ heute umsonst , morgen fuͤr Geld . ’ Da saß sie lange Zeit , und sprach es sich in der Welt herum , da saͤß eine Jungfrau , die kochte umsonst , und das staͤnde vor der Thuͤre an einem Schild . Das hoͤrte auch der Jaͤger und dachte ‘ das waͤr etwas fuͤr dich , du bist doch arm , und hast kein Geld ;’ nahm also seine Windbuͤchse und seinen Ranzen , worin noch alles steckte , was er damals im Schloß als Wahrzeichen hineingethan hatte , und gieng in den Wald , und fand auch das Haͤuschen mit dem Schild ‘ heute umsonst , morgen fuͤr Geld . ’ Er hatte aber den Degen
umhaͤngen , womit er den drei Riesen den Kopf abgehauen hatte , trat so in das Haͤuschen hinein , und ließ sich etwas zu essen geben . Er freute sich uͤber das schoͤne Maͤdchen , es war aber auch bildschoͤn . Sie fragte wo er her kaͤme und hin wollte , da sagte er ‘ ich reise in der Welt herum . ’ Da fragte sie ihn wo er den Degen her haͤtte , da staͤnde ja ihres Vaters Name darauf . ’ Fragte er ob sie des Koͤnigs Tochter waͤre ? ‘ Ja ,’ antwortete sie . ‘ Mit diesem Saͤbel ,’ sprach er , ‘ habe ich drei Riesen den Kopf abgehauen , ’ und holte zum Zeichen ihre Zungen aus dem Ranzen , dann zeigte er ihr auch den Pantoffel , den Schlippen vom Halstuch , und das Stuͤck vom Hemd . Da war sie voller Freude , und sagte er waͤre derjenige , der sie erloͤst haͤtte . Darauf giengen sie zusammen zum alten Koͤnig , und sie fuͤhrte ihn in ihre Kammer , und sagte ihm der Jaͤger waͤre der rechte , der sie von den Riesen erloͤst haͤtte . Und wie der alte Koͤnig die Wahrzeigen alle sah , da konnt er nicht mehr zweifeln , und sagte das war ihm lieb , und er sollte sie nun auch zur Gemahlin haben ; daruͤber war die Jungfrau von Herzen froh . Darauf kleideten sie ihn , als wenn er ein fremder Herr waͤre , und der Koͤnig ließ ein Gastmahl anstellen . Als sie nun zu Tisch giengen , kam der Hauptmann auf die linke Seite der Koͤnigstochter , der Jaͤger aber auf die rechte , und der Hauptmann meinte das waͤre ein fremder Herr , und waͤre zum Besuch gekommen . Wie sie gegessen und getrunken hatten , sprach der alte Koͤnig zum Hauptmann er wollte ihm etwas aufgeben , das sollt er errathen : wenn einer spraͤche , er haͤtte drei Riesen ums Leben gebracht , und er gefragt wuͤrde , wo die Zungen der Riesen
waͤren , und er muͤßte zusehen , und waͤren keine in ihren Koͤpfen , wie das zugienge ? Da sagte der Hauptmann ‘ sie werden keine gehabt haben . ’ ‘ Ei ,’ sagte der Koͤnig , ‘ jedes Gethier hat eine Zunge ,’ und fragte weiter was der werth waͤre , daß ihm widerfuͤhre ? Da sprach der Hauptmann ‘ der gehoͤrt in Stuͤcken zerrissen zu werden . ’ Da sagte der Koͤnig er haͤtte sich selber sein Urtheil gesprochen , und ward der Hauptmann gefaͤnglich gesetzt , und dann in vier Stuͤcke zerrissen , die Koͤnigstochter aber mit dem Jaͤger vermaͤhlt , der holte seinen Vater und seine Mutter , und die lebten in Freude bei ihrem Sohn , und nach des alten Koͤnigs Tod bekam er das Reich .
112.
Der Dreschflegel vom Himmel .
E s zog einmal ein Bauer mit einem Paar Ochsen zum Pfluͤgen aus , als er aufs Land kam , da fiengen den beiden Thieren die Hoͤrner an zu wachsen , wuchsen fort , und als er nach Haus wollte , waren sie so groß , daß er nicht mit zum Thor hinein konnte . Zu gutem Gluͤck kam gerade ein Metzger daher , dem uͤberließ er sie , und schlossen sie den Handel dergestalt , daß er sollte dem Metzger ein Maaß Ruͤbsamen bringen , der wollt ihm dann fuͤr jedes Korn einen brabanter Thaler aufzaͤhlen . Das heiß ich mir gut verkauft ! Der Bauer gieng nun heim , und trug das Maaß Ruͤbsamen auf dem Ruͤcken herbei ; unterwegs verlor er aber aus dem Sack ein Koͤrnchen . Der Metzger bezahlte ihn dem Handel gemaͤß richtig aus ; haͤtte der Bauer daß eine Korn nicht verloren , so haͤtte er einen brabanter Thaler mehr gehabt . Jndessen , wie er wieder des Wegs zuruͤck kam , war aus dem Korn ein Baum gewachsen , der reichte bis an den Himmel . Da dachte der Bauer ‘ weil die Gelegenheit da ist , mußt du doch sehen , was die Engel da droben machen , und ihnen einmal unter die Augen gucken .’ Also stieg er hinauf , und sah daß die Engel oben Hafer droschen , und schaute das mit an ; wie er so schaute , merkte
er , daß der Baum , worauf er stand , anfieng zu wackeln , und guckte hinunter , und sah daß ihn eben einer umhauen wollte . ‘ Wenn du da herab stuͤrztest , das waͤr ein boͤses Ding ’ dachte er , und in der Noth wußt er sich nicht besser zu helfen , als daß er die Spreu vom Hafer nahm , die haufenweis da lag , und daraus einen Strick drehte , auch griff er nach einer Hacke und einem Dreschflegel , die da herum im Himmel lagen , und ließ sich an dem Seil herunter . Er kam aber unten auf der Erde gerade in ein tiefes , tiefes Loch , und da war es ein rechtes Gluͤck , daß er die Hacke hatte , denn er nahm sie , und hackte sich eine Treppe , stieg darauf in die Hoͤhe , und brachte den Dreschflegel zum Wahrzeichen mit , so daß niemand an seiner Erzaͤhlung mehr zweifeln konnte .
113.
De beiden Kuͤnigeskinner .
E t was mol en Kuͤnig west , de hadde en kleinen Jungen kregen , in den sin Teiken ( Zeichen ) hadde stahn , he sull von einen Hirsch uͤmmebracht weren , wenn he sestein Johr alt waͤre . Ase he nu so wit anewassen was , do giengen de Jaͤgers mol mit uͤnne up de Jagd . Jn den Holte , do kuͤmmt de Kuͤnigssuhn bie de anneren denne ( von den andern weg ) , up ein mol suͤht he do ein grooten Hirsch , den wull he scheiten , he kunn en awerst nig dreppen ; up’t lest is de Hirsch so lange fuͤr uͤnne herut laupen , bis gans ut den Holte , do steiht do up einmol so ein grot lank Mann stad des Hirsches , de segd ‘ nu dat is gut , dat ik dik hewe ; ik hewe schon sess paar gleserne Schlitschau hinner die caput jaget , un hewe dik nig kriegen koͤnnt . ’ Do nuͤmmet he uͤn mit sik , un schlippet em dur ein grot Water bis fuͤr en grot Kuͤnigsschlott , da mut he mit an’n Disk , un eten wat . Ase se tosammen wat geeten het , segd de Kuͤnig ‘ ik hewe drei Doͤchter , bie der oͤlesten mußt du en Nacht waken , von des Obends niegen Uhr bis Morgen sesse , un ik kumme jedesmol , wenn de Klocke schlaͤtt , suͤlwens , un rope , un wenne du mie dann kine Antwort gifst , so werst du Morgen ummebracht , wenn du awerst mie immer Antwort givst ,
so salst du se tor Fruen hewen . ’ Ase do die jungen Lude up de Schlopkammer kaͤmen , do stund der en steineren Christoffel , do segd de Kuͤnigsdochter to emme ‘ um niegen Uhr kummet min Teite ( Vater ) , alle Stunne bis et dreie schlaͤtt , wenn he froget , so giwet gi em Antwort statt des Kuͤnigssuhns ;’ do nickede de steinerne Christoffel mit den Koppe gans schwinne un dann juͤmmer lanksamer , bis he to leste wier stille stand . Den anneren Morgen , do segd de Kuͤnig to emme ‘ du hest dine Sacken gut macket , awerst mine Dochter kann ik nig hergiewen , du moͤstest dann en Nacht bie de tweiten Dochter wacken , dann will ik mie mal drup bedenken , ob du mine oͤlleste Dochter tor Frugge hewen kannst ; awerst ik kumme olle Stunne suͤlwenst , un wenn ik die rope , so antworte mie , un wenn ik die rope , un du antwortest nig , so soll fleiten din Blaud fuͤr mie . ’ Un do gengen de beiden up de Schlopkammer , do stand do noch en groͤteren steineren Christoffel , dato seg de Kuͤnigsdochter : ‘ wenn min Teite froͤgt , so antworte du ;’ do nickede de grote steinerne Christoffel wier mit den Koppe gans schwinne un dann juͤmmer lanksamer , bis he to leste wier stille stand . Un de Kuͤnigssohn legte sik up den Doͤrsuͤll ( Thuͤrschwelle ) , legte de Hand unner den Kopp , un schlaͤp inne . Den anneren Morgen seh de Kuͤnig to uͤnne ‘ du hast dine Sacken twaren gut macket , awerst mine Dochter kann ik nig hergiewen , du moͤstest suͤs bie der jungesten Kuͤnigsdochter en Nacht wacken , dann will ik mie bedenken , ob du mine tweide Dochter tor Frugge hewen kannst ; awerst ik kumme alle Stunne suͤlwenst , un wenn ik rope , so antworte mie , un wenn ik die rope , un du antwortest nig , so soll fleiten din Blaud
fuͤr mie . ’ Do giengen se wier tohope ( zusammen ) up ehre Schlopkammer , do was do noch en viel groͤtern un viel laͤngern Christoffel , ase bie de twei ersten ; dato segde de Kuͤnigsdochter ‘ wenn min Teite roͤpet , so antworte du ,’ do nickede de grote lange steinerne Christoffel wohl ene halwe Stunne mit den Koppe , bis de Kopp tolest wier stille stand . Un de Kuͤnigssuhn legte sik up de Doͤrsuͤl , und schlaͤp inne . Den annern Morgen , do segd de Kuͤnig ‘ du hast twaren gut wacket , awerst ik kann die nau mine Dochter nig giewen , ik hewe so en groten Wall , wenn du mie den von huͤte Morgen sesse bis tin Morgen afhoggest , so will ik mie drup bedenken . ’ Do dehe ( that d. i. gab ) he uͤnne en gleserne Exen , en glaͤsernen Kiel , un en gleserne Holthacke midde . Wie he in dat Holt kummen is , do hoggete he einmal to , do was de Exen entwei , do nam he den Kiel , un schlett einmal mit de Holthacke daruppe , do is et so kurt un so klein ase Grutt ( Sand ) . Do was he so bedroͤwet un gloͤvte nu moͤste he sterwen , un he geit sitten un grient ( weint ) . Asset nu Middag is , do segd de Kuͤnig ‘ eine von juck Maͤken mott uͤnne wat to etten bringen . ’ ‘ Nee ,’ segged de beiden oͤllesten , ‘ wie willt uͤn nicks bringen , wo he dat leste bie wacket het , de kann uͤn auck wat bringen .’ Do mutt de jungeste weg , un bringen uͤnne wat to etten . Ase in den Walle kummet , do fraͤgt se uͤn wie et uͤnne gienge ? ’ ‘ O ,’ sehe he , ‘ et gienge uͤn gans schlechte .’ Do sehe se he sull herkummen un etten eest en bitken ; ‘ nee ,’ seh he , ‘ dat kuͤnne he nig , he moͤste jo doch sterwen , etten wull he nig mehr . ’ Do gav se uͤnne so viel gute Woore he moͤchte et doch versoͤken ; do kuͤmmt
he , un ett wat . Ase he wat getten het , do sehe se ‘ ik will die eest en bitken lusen , dann werst du annerst to Sinnen . ’ Do se uͤn luset , do werd he so moͤhe , un schloͤppet in , un do nuͤmmet se ehren Doock , un binnet en Knupp do in , und schlaͤtt uͤn dreimol up de Eere , un segd ‘Arweggers , herut ! ’ Do wuͤren glick so viele Eerdmaͤnneken herfurkummen un hadden froget wat de Kuͤnigsdochter befelde . Do seh se ‘ in Tied von drei Stunnen mutt de groote Wall afhoggen un olle dat Holt in Hoͤpen settet sien . ’ Do giengen de Eerdmaͤnnekens herum , und boen ehre ganse Verwanschap up , dat se ehnen an de Arweit helpen sullen . Do fiengen se glick an , un ase de drei Stunne uͤmme wuͤren , do is alles to Enne ( zu Ende ) west ; un do keimen se wier to der Kuͤnigsdochter un sehent ehr . Do nuͤmmet se wier ehren witten Doock , un segd ‘Arweggers , nah Hues !’ Do siet se olle wier wege west . Do de Kuͤnigssuhn upwacket , do werd he so frau , do segd se ‘ wenn et nu sesse schloen het , so kumme nah Hus . Dat het he auk bevolget , un do fraͤgt de Kuͤnig ‘ hest du den Wall aawe ? ’ ‘ Jo ’ segd de Kuͤnigssuhn . Ase se do an een Diske sittet , do seh de Kuͤnig ‘ ik kann die nau mine Dochter nie tor Frugge giewen , ’ he moͤste eest nau wat umme se dohen . Do fraͤgt he wat dat den sien sulle . ‘ Jk hewe so en grot Dieck ,’ seh de Kuͤnig , ‘ do most du den annern Morgen hoͤnne , un most en utschloen , dat he so blank is ase en Spegel , un et muͤttet von ollerhand Fiske dorinne sien . ’ Den anneren Morgen do gav uͤnne de Kuͤnig ene gleserne Schute ( Schuͤppe ) , un segd ‘ umme sess Uher mot de Dieck ferig sien .’ Do geit he weg , ase he bie den Dieck kummet , do
stecket he mit de Schute in de Muhe ( Moor , Sumpf ) , do brack se af ; do stecket he mit de Hacken in de Muhe , un et was wier caput . Do werd he gans bedroͤwet . Den Middag brachte de juͤngeste Dochter uͤnne wat to etten , do fraͤgt se wo et uͤnne gienge ? Do seh de Kuͤnigssuhn et gienge uͤnne gans schlechte , he sull sienen Kopp wohl mißen mutten ; ‘ dat Geschirr is mie wier klein gohen . ’ O , seh se , he sull kummen , un etten eest wat , ‘ dann west du anneren Sinnes . ’ Nee , segde he , etten kunn he nig , he wer gar to bedroͤwet . Do givt se uͤnne viel gude Woore bis he kummet , un ett wat . Do luset se uͤnn wier , un he schloppet in , se nuͤmmet von niggen en Doock , schlett en Knupp do inne , un kloppet mit den Knuppe dreimol up de Eere , un segd ‘Arweggers , herut ! ’ do kummt glick so viele Eerdmaͤnnekens , un froget olle wat ehr Begeren wuͤr . Jn Tied von drei Stunne mosten se den Dieck gans utschloen hewen , und he moͤste so blank sien , dat man sik inne speigelen kuͤnne , un von ollerhand Fiske mosten dorinne sien . Do giengen de Eerdmaͤnnekens huͤnn , un boen ehre Verwanschap up , dat se uͤnnen helpen sullen ; un et is auck in twei Stunnen ferrig west . Do kummet se wier un seged ‘ wie haͤt dohen , so us befolen is . ’ Do nuͤmmet de Kuͤnigsdochter den Doock , un schlett wier dremol up de Eere , un segd ‘Arweggers , to Hues ! ’ do siet se olle wier weg . Ase do de Kuͤnigssuhn upwecket , do is de Dieck ferrig . Do geit de Kuͤnigsdochter auck weg , und segd wenn et sesse waͤr , dann sull he nah Hus kummen . Ase he do nah Hus kummet , do fraͤgt de Kuͤnig ‘ hes du den Dieck ferrig ? ’ ‘ Jo’ seh de Kuͤnigssuhn . Dat wuͤr schoͤne . Do se do
wier to Diske sittet , do seh de Kuͤnig ‘ du hast den Dieck twaren ferrig , awerst ik kann die mine Dochter noch nie giewen , du most eest nau eins dohen . ’ ‘ Wat is dat den ? ’ froͤgte de Kuͤnigssuhn . He hedde so en grot Berg , do wuͤren luter Dorenbuske anne , de mosten olle afhoggen weren , un bowen up moste he en grot Schlott buggen , dat moste so wacker sien , ase’t nu en Menske denken kunne , un olle Jngedoͤmse , de in den Schlott gehorden , de moͤsten der olle inne sien . Do he nu den annern Morgen up steit , do gav uͤnne de Kuͤnig en glesernen Exen , un en gleseren Boren mie , et mott awerst um sess Uhr ferrig sien . Do he an den eersten Dorenbuske mit de Exen an hogget , do gieng se so kurt un so klein , dat de Stuͤcker rund um uͤnne herfloen , un de Boren kunn he auck nig brucken . Do war he gans bedroͤwet , un toffte ( wartete ) up sine Leiweste , op de nie keime , un uͤnn ut der Naud huͤlpe . Ase’t do Middag is , do kummet se , und bringet wat to etten , do geit he ehr in de Moͤte ( entgegen ) , un vertellt ehr olles , un ett wat , un lett sik von ehr lusen , un schloppet in . Do nuͤmmet se wier den Knupp , un schlett domit up de Eere un segd ‘Arweggers , herut ! ’ Do kummet wier so viel Eerdmaͤnnekens , un froget wat ehr Begeren wuͤr ? Do seh se ‘ in Tied von drei Stunnen muͤttet ju de gansen Busk afhoggen , un bowen uppe den Berge do mot en Schlott stohen , dat mot so wacker sien , ase’t nu ener denken kann , un olle Jngedoͤmse muttet do inne sien . Do gienge se huͤnne , un boen ehre Verwanschap up , dat se helpen sullen , un ase de Tied umme was , do was alles ferrig . Do kuͤmmet se to der Kuͤnigsdochter , un segget dat , un de Kuͤnigsdochter nuͤmmet
den Doock , un schlett dreimol domit up de Eere , un segd ‘ Arweggers to Hues !’ Do siet se glick olle wier weg west . Do nu de Kuͤnigssuhn upwecket , un olles soh , do was he so frau ase en Vugel in der Luft. Do et do sesse schloen hadde , do giengen se tohaupe nah Hues . Do segd de Kuͤnig ‘ is dat Schlott auck ferrig ? ’ ‘ Jo’ seh de Kuͤnigssuhn . Ase do to Diske sittet , do segd de Kuͤnig ‘ mine jungeste Dochter kann ik nie giewen , befur de twei oͤllesten frigget het . ’ Do wor de Kuͤnigssuhn und de Kuͤnigsdochter gans bedroͤwet , un de Kuͤnigssuhn wuste sik gar nig to bergen ( helfen ) . Do kummet he mol bie Nachte to der Kuͤnigsdochter , un loͤppet dermit furt . Ase do en bitken wegsiet , do kicket sik de Dochter mol umme , un suͤht ehren Vader hinner sik . ‘ O ,’ seh se , ‘ wo sull wie dat macken ? min Vader is hinner us , un will us ummeholen , ik will die grade to’n Doͤrenbusk macken un mie tor Rose , un ik will mie uͤmmer midden in den Busk waaren ( schuͤtzen ) .’ Ase do de Vader an de Stelle kummet , do steit do en Doͤrenbusk un ene Rose do anne ; do will he de Rose afbrecken , do kummet de Doͤren , un stecket uͤn in de Finger , dat he wier nah Hus gehen mut. Do fraͤgt sine Frugge worumme he se nig haͤdde middebrocht . Do seh he he wuͤr der bald bie west , awerst he hedde se uppen mol ut den Gesichte verloren , un do haͤdde do en Doͤrenbusk un ene Rose stohen . Do seh de Kuͤnigin ‘ heddest du ment ( nur ) de Rose afbrocken , de Busk hedde sullen wohl kummen .’ Do geit he wier weg , un will de Rose herholen . Unnerdes waren awerst de beiden schon wiet oͤwer Feld , un de Kuͤnig loͤppet der hinner her . Do kicket sik de Dochter wier umme ,
un suͤht ehren Vader kummen , do seh se ‘o , wo sull wie et nu macken ? ik will die grade tor Kerke macken un mie tom Pastoer ; do will ik up de Kanzel stohn un priedigen . ’ Ase do de Kuͤnig an de Stelle kummet , do steiht do ene Kerke , un up de Kanzel is en Pastoer , un priediget , do hort he de Priedig to , un geit wier nah Hues. Do fraͤgt de Kuͤniginne worumme he se nig midde brocht hedde , do segd he ‘ nee , ik hewe se so lange nachlaupen , un as ik glovte ik wer der bold bie , do steit do en Kerke un up de Kanzel en Pastoer , de priedigte . ’ ‘ Du haͤddest sullen ment den Pastoer bringen ,’ seh de Fru , ‘de Kerke haͤdde sullen wohl kummen ; dat ik die auck ( wenn ich gleich dich ) schicke , dat kann nig mer helpen , ik mut sulwenst huͤnne gohen . ’ Ase se do ene Wiele wege is , un de beiden von feren suͤht , do kicket sik de Kuͤnigsdochter umme , un suͤht ehre Moder kummen , un segd ‘ nu sie wie ungluͤcksk , nu kuͤmmet miene Moder sulwenst , ik will die grade tom Dieck macken un mie tom Fisk . ’ Do de Moder up de Stelle kummet , do is do en grot Dieck , un in de Midde sprank en Fisk herumme , un kickete mit den Kopp ut den Water , un was gans lustig . Do wull se geren den Fisk krigen , awerst se kunn uͤn gar nig fangen . Do werd se gans boͤse , un drinket den gansen Dieck ut , dat se den Fisk kriegen will , awerst do werd se so uͤwel , dat se sick spiggen mott , un spigget den gansen Dieck wier ut . Do seh se ‘ ik sehe do wohl dat et olle nig mehr helpen kann ’ ; sei mogten nu wier to ehr kummen . Do gohet se dann auck wier huͤnne , un de Kuͤniginne givt der Dochter drei Wallnuͤtte , un segd ‘ do kannst du die mit helpen , wenn du in dine
hoͤgste Naud bist . ’ Un do giengen de jungen Luͤde wier tohaupe weg . Do se do wohl tein Stunne gohen hadden , do kummet se an dat Schlott , wovon de Kuͤnigssuhn was , un dobie was en Dorp . Ase se do anne keimen , do segd de Kuͤnigssuhn ‘ blief hie , mine Leiweste , ik will eest up dat Schlott gohen , un dann will ik mit den Wagen un Bedeinten kummen , un will die afholen . ’ Ase he do up dat Schlott kummet , do werd se olle so frau dat se den Kuͤnigssuhn nu wier hett ; do vertellt he he hedde ene Brut , un de wuͤr ietzt in den Dorpe , se wullen mit den Wagen hintreten , un se holen . Do spannt se auck glick an , un viele Bedeinten setten sik up den Wagen . Ase do de Kuͤnigssuhn instiegen wull , do gab uͤn sine Moder en Kus , do hadde he alles vergeten wat schehen was , un auck wat he dohen will . Do befal de Moder se sullen wier utspannen , un do giengen se olle wier in’t Hues . Dat Maͤken awerst sitt im Dorpe , un luert un luert , un meint he sull se afholen , et kummet awerst keiner . Do vermaiet ( vermiethet ) sik de Kuͤnigsdochter in de Muhle , de hoerde bie dat Schlott , do moste se olle Nohmiddage bie den Water sitten , un Stunze schuͤren ( Gefaͤße reinigen ) . Do kummet de Kuͤniginne mol von den Schlotte gegohen , un gohet an den Water spatzeiern , un seihet dat wackere Maͤken do sitten , do segd se ‘ wat is dat fur en wackker Maͤken ! wat gefoͤllt mie dat gut ! ’ Da kicket se et olle an , awerst keen Menske hadde et kand. Do geit wohl ene lange Tied vorbie , dat dat Maͤken eerlick un getrugge bie den Muͤller deint . Unnerdes hadde de Kuͤniginne ene Frugge fur ehren Suhn socht , de is gans feren ut der Weld west . Ase do de
Brut ankuͤmmet , do soͤllt se glick tohaupe giewen weren . Et laupet so viele Lude tosamen , de dat olle seihen willt , do segd dat Maͤken to den Muͤller he moͤgte ehr doch auck Verloͤv giewen . Do seh de Muͤller ‘ goh menten huͤnne . ’ Ase’t do weg will , do macket et ene van den drei Wallnuͤtten up , do legt do so en wacker Kleid inne , dat trecket et an , un gienk domie in de Kerke gigen den Altor stohen . Up enmol kummt de Brut un de Bruͤme ( Braͤutigam ) , un settet sik fuͤr den Altor , un ase de Pastoer se do insegnen wull , do kicket sik de Brut van der halwe ( seitwaͤrts ) , un suͤht et do stohen , do steit se wier up , un segd se wull sik nie giewen loten , bis se auck so en wacker Kleid haͤdde , ase de Dame. Do giengen se wier nah Hues , un laͤten de Dame froen ob se dat Kleid wohl verkofte . Nee , verkaupen dau se’t nig , awerst verdeinen , dat moͤgte wohl sien . Do frogten se ehr wat se denn dohen sullen . Do segd se wenn se van Nachte fur dat Dohr van den Kuͤnigssuhn schlapen doffte , dann wull se et wohl dohen . Do seget se jo , dat sull se menten dohen . Do muttet de Bedeinten den Kuͤnigssuhn en Schlopdrunk ingiewen , und do legt se sik up den Suͤll , un guͤnselt ( winselt ) de heile Nacht , se haͤdde den Wall fur uͤn afhoggen loten , se haͤdde den Dieck fur uͤn utschloen , se haͤdde dat Schlott fur uͤn bugget , se haͤdde uͤnne ton Doͤrenbusk macket , dann wier tor Kerke ; un tolest tom Dieck , un he haͤdde se so geschwinne vergeten . De Kuͤnigssuhn hadde nicks davon hoͤrt , de Bedeinten awerst wuͤren upwacket , un hadden tolustert , un hadden nie wust wat et sull beduͤen . Den anneren Morgen ase se upstohen wuͤren , do trock de Brut dat Kleid an , un fort
mit den Bruͤmen nah der Kerke ; uͤnnerdes macket dat wackere Maͤken de tweide Wallnutt up , un do is nau en schoͤner Kleid inne , dat thuͤt et wier an , un geit domie in de Kerke gigen den Altor stohen , do geit et dann ewen , wie dat vuͤrge mol . Un dat Maͤken liegt wier en Nacht fur den Suͤll , de nah des Kuͤnigssuhns Stobe geit , un de Bedeinten suͤllt uͤn wier en Schlopdrunk ingiewen ; de Bedeinten kummet awerst un giewet uͤnne wat to wacken , domie legt he sik to Bedde ; un de Muͤllersmaged fur den Doͤrsuͤll guͤnselt wier so viel , un segd wat se dohen haͤdde . Dat hoͤrt olle de Kuͤnigssuhn , un werd gans bedroͤwet , un et foͤllt uͤnne olle wier bie wat vergangen was . Do will he nah ehr gohen , awerst sine Moder hadde de Doͤr toschlotten . Den annern Morgen awerst gieng he glies to siner Leiwesten , un vertellte ehr olles , wie et mit uͤnne togangen wuͤr , un se moͤgte uͤnne doch nig beuse sin dat he se so lange vergetten haͤdde . Do macket de Kuͤnigsdochter de dridde Wallnutt up , do is nau en viel wacker Kleid inne , dat trecket se an , un foͤrt mit ehren Brumen nah de Kerke , un do keimen so viele Kinner , de geiwen uͤnne Blomen , un hellen uͤnne bunte Baͤnner fur de Foͤte , un se leiten sik insegnen , un hellen ene lustige Hochtied ; awerst de falske Moder un Brut mosten weg . Un we dat lest vertellt het , den is de Mund noch waͤrm .
114.
Vom klugen Schneiderlein .
E s war einmal ein Prinzessin gewaltig stolz ; kam ein Freier , so gab sie ihm etwas zu rathen auf , und wenn ers nicht errathen konnte , so ward er mit Spott fortgeschickt . Sie ließ auch bekannt machen wers erriethe , sollte sich mit ihr vermaͤhlen , und moͤchte kommen wer da wollte . Endlich fanden sich auch drei Schneider zusammen , davon meinten die zwei aͤltesten sie haͤtten so manchen feinen Stich gethan , und haͤttens getroffen , da koͤnnts ihnen nicht fehlen , sie muͤßtens wohl auch hier treffen ; der dritte war ein kleiner unnuͤtzer Springinsfeld , der nicht einmal sein Handwerk verstand , aber meinte er muͤßte sein Gluͤck versuchen . Da sprachen die zwei andern zu ihm ‘ bleib nur zu Haus , du wirst mit deinem Bischen Verstand nicht weit kommen . ’ Das Schneiderlein ließ sich aber nicht irre machen , und sagte es haͤtte einmal seinen Kopf darauf gesetzt , und wollte sich schon helfen , und gieng dahin , als waͤre die ganze Welt sein .
Da meldeten sich alle drei bei der Prinzessin , und sagten sie sollte ihnen ihr Raͤthsel vorlegen : es waͤren die rechten Leute angekommen , die haͤtten einen feinen Verstand , den koͤnnte man wohl in eine Nadel faͤdeln . Da sprach die Prinzessin ‘ ich habe
zweierlei Haar auf dem Kopf , von was fuͤr Farben ist das ? ’ ‘ Wenns weiter nichts ist ,’ sagte der erste , ‘ es wird schwarz und weiß seyn , wie Kuͤmmel und Salz . ’ Die Prinzessin sprach ‘falsch gerathen ; antworte der zweite . ’ Da sagte der zweite ‘ ists nicht schwarz und weiß , so ists braun und roth , wie meines Herrn Vaters Bratenrock . ’ ‘Falsch gerathen ,’ sagte die Prinzessin , ‘ antworte der dritte , dem seh ichs an , der weiß es sicherlich . ’ Da trat das Schneiderlein hervor , und sprach ‘ die Prinzessin hat ein silbernes und goldenes Haar auf dem Kopf , und das sind die zweierlei Farben . ’ Wie die Prinzessin das hoͤrte , ward sie blaß , und waͤre vor Schrecken beinah hingefallen , denn das Schneiderlein hatte es getroffen , und sie hatte sicher geglaubt das wuͤrde kein Mensch auf der Welt herausbringen . Als ihr das Herz wieder kam , sprach sie ‘ damit hast du mich noch nicht gewonnen , du mußt noch eins thun ; unten im Stall liegt ein Baͤr , bei dem sollst du die Nacht zubringen , wenn ich dann morgen aufstehe , und du bist noch lebendig , so sollst du mich heirathen . ’ Sie dachte aber damit wollte sie das Schneiderlein los werden , denn der Baͤr hatte noch keinen Menschen lebendig gelassen , der ihm unter die Tatzen gekommen war . Das Schneiderlein ließ sich nicht abschrecken , war ganz vergnuͤgt , und sprach ‘ das will ich auch noch vollbringen .’
Als nun der Abend kam , ward mein Schneiderlein hinunter zum Baͤren gebracht ; der Baͤr wollt auch gleich auf es los , und ihm mit seiner Tatze einen guten Willkommen geben . ‘Sachte , sachte ,’ sprach das Schneiderlein , ‘ ich kann dich noch zur Ruhe bringen . ’ Da holte es ganz gemaͤchlich , als haͤtt es keine Sorgen ,
welsche Nuͤsse aus der Tasche , biß sie auf und aß die Kerne ; wie der Baͤr das sah , kriegte er Lust , und wollte auch Nuͤsse haben . Das Schneiderlein griff in die Tasche , und reichte ihm eine Hand voll ; es waren aber keine Nuͤsse , sondern Wackersteine . Der Baͤr steckte sie ins Maul , konnte aber nichts aufbringen , er mochte beißen wie er wollte . ‘ Ei ,’ dachte er , ‘ was bist du fuͤr ein dummer Klotz ! kannst nicht einmal die Nuͤsse aufbeißen ,’ und sprach zum Schneiderlein ‘ mein , beiß mir die Nuͤsse auf . ’ ‘ Da siehst du was du fuͤr ein Kerl bist ,’ sprach das Schneiderlein , ‘ hast so ein großes Maul , und kannst die kleine Nuß nicht aufbeißen . ’ Da nahm es die Steine , war hurtig , steckte dafuͤr eine Nuß in den Mund , und knack , war sie entzwei . ‘ Jch muß das Ding noch einmal probieren ,’ sprach der Baͤr , ‘ wenn ichs so ansehe , ich mein ich muͤßts koͤnnen . ’ Da gab ihm das Schneiderlein wieder die Wackersteine , und der Baͤr arbeitete und biß aus allen Leibeskraͤften hinein : aber du glaubst auch nicht daß er sie aufgebracht hat . Wie das vorbei war , holte das Schneiderlein eine Violine unter dem Rock hervor , und spielte sich ein Stuͤckchen darauf . Als der Baͤr das hoͤrte , konnte er es nicht lassen , und fieng an zu tanzen , und als er ein Weilchen getanzt hatte , gefiel ihm das Ding so wohl , daß er zum Schneiderlein sprach ‘ hoͤr , ist das Geigen schwer ? ’ ‘Gar nicht , siehst du , mit der Linken leg ich die Finger auf , und mit der Rechten streich ich mit dem Bogen drauf los , da gehts lustig , hopsasa , vivallalera ! ’ ‘Willst du mir Unterricht geben ? ’ sprach der Baͤr , ‘ so geigen , das moͤcht ich auch verstehen , damit ich
tanzen koͤnnte wann ich Lust haͤtte . ’ ‘ Von Herzen gern ,’ sagte das Schneiderlein , ‘ wenn dus lernen willst : aber weis einmal deine Tatzen her , die sind gewaltig lang , ich muß dir erst die Naͤgel ein wenig abschneiden . ’ Da ward ein Schraubstock herbei geholt , und der Baͤr legte seine Tatzen darauf , das Schneiderlein aber schraubte sie fest , und sprach ‘ nun warte bis ich mit der Scheere komme ,’ ließ den Baͤr brummen , so viel er wollte , legte sich in die Ecke auf ein Bund Stroh , und schlief ein .
Die Prinzessin , als sie am Abend den Baͤren so gewaltig brummen hoͤrte , glaubte nicht anders , als der brummte vor Freuden , und mit dem Schneider waͤrs jetzt vorbei . Am Morgen stand sie ganz unbesorgt und vergnuͤgt auf , wie sie aber nach dem Stall guckt , so steht das Schneiderlein ganz munter davor , und ist gesund wie ein Fisch im Wasser . Da konnte sie nun kein Wort mehr dagegen sagen , weil sies oͤffentlich versprochen hatte , und der Koͤnig ließ einen Wagen kommen , darin mußte sie mit dem Schneiderlein zur Kirche fahren , und sollte sie da vermaͤhlt werden . Wie sie eingestiegen waren , giengen die beiden andern Schneider , die falsch waren und ihm sein Gluͤck nicht goͤnnten , in den Stall , und schraubten den Baͤren los ; der war nun voller Wuth , und rannte hinter dem Wagen her . Die Prinzessin hoͤrte ihn schnauben , und ward ihr angst , da sagte sie ‘ach , der Baͤr ist hinter uns , und will dich holen . ’ Das Schneiderlein war bei der Hand , stellte sich auf den Kopf , steckte die Beine zum Fenster hinaus , und rief ‘ siehst du den Schraubstock ? wann
du nicht gehst , so sollst du wieder hinein . ’ Wie der Baͤr das sah , drehte er um und lief fort . Mein Schneiderlein fuhr da ruhig in die Kirche , und die Prinzessin ward ihm an die Hand getraut , und lebte er mit ihr vergnuͤgt wie eine Heidlerche . Wers nicht glaubt , bezahlt einen Thaler .
115.
Die klare Sonne bringt ’s an den Tag .
E in Schneidergesell reiste in der Welt auf sein Handwerk herum ; nun konnt er einmal keine Arbeit finden , und war die Armuth bei ihm so groß , daß er keinen Heller Zehrgeld hatte . Jn der Zeit begegnete ihm auf dem Weg ein Jude , und da dachte er der haͤtte viel Geld bei sich , und stieß Gott aus seinem Herzen , gieng auf ihn los und sprach ‘ gib mir dein Geld , oder ich schlag dich todt . ’ Da sagte der Jude ‘ schenkt mir doch das Leben , Geld hab ich keins , und nicht mehr als acht Heller .’ Der Schneider aber sprach ‘ du hast doch Geld , und das soll auch heraus ,’ brauchte Gewalt , und schlug ihn so lange bis er nah am Tod war . Und wie der Jude nun sterben wollte , sprach er das letzte Wort ‘ die klare Sonne wird es an den Tag bringen ! ’ und starb damit . Der Schneidergesell griff ihm in die Taschen , und suchte nach Geld , aber er fand nicht mehr als die acht Heller , wie der Jude gesagt hatte . Da packte er auf , trug ihn hinter einen Busch , und zog weiter auf sein Handwerk . Wie er nun lange Zeit gereist war , kam er in eine Stadt bei einem Meister in Arbeit , der hatte eine schoͤne Tochter , in die verliebte er sich , und heirathete sie , und lebte in einer guten vergnuͤgten Ehe .
Ueberlang , als sie schon zwei Kinder hatten , starben Schwiegervater
und Schwiegermutter , und die jungen Leute hatten den Haushalt allein . Eines Morgens , wie der Mann auf dem Tisch vor dem Fenster saß , brachte ihm die Frau den Kaffee , und als er ihn in die Unterschale ausgegossen hatte und eben trinken wollte , da schien die Sonne darauf , und blinkte oben an der Wand so hin und her , und machte Kringel daran . Da sah der Schneider hinauf und sprach ‘ja , die wills gern an den Tag bringen und kanns nicht ! ’ Die Frau sprach ‘ei , lieber Mann , was ist denn das ? was meinst du damit ? ’ Er antwortete ‘ das darf ich dir nicht sagen . ’ Sie aber sprach ‘ wenn du mich lieb hast , mußt du mirs sagen ,’ und gab ihm die allerbesten Worte , es sollts kein Mensch wieder erfahren , und ließ ihm keine Ruhe . Da erzaͤhlte er , vor langen Jahren , wie er auf der Wanderschaft ganz abgerissen und ohne Geld gewesen , habe er einen Juden erschlagen , und der Jude habe in der letzten Todesangst die Worte gesprochen ‘ die klare Sonne wirds an den Tag bringen ! ’ Nun haͤtts die Sonne eben gern an den Tag bringen wollen , und haͤtt an der Wand geblinket , und Kringel gemacht , sie haͤtts aber nicht gekonnt . Danach bat er sie noch besonders , sie duͤrfte es niemand sagen , sonst kaͤm er um sein Leben , das versprach sie auch ; als er sich aber zur Arbeit gesetzt hatte , gieng sie zu ihrer Gevatterin , und erzaͤhlte es der , wenn sies keinem Menschen wieder sagen wollte ; eh aber drei Tage vergiengen , wußt es die ganze Stadt , und der Schneider kam vor das Gericht , und er ward gerichtet . Da brachte es doch die klare Sonne an den Tag .
116.
Das blaue Licht .
E s war einmal ein Koͤnig , der hatte einen Soldaten , der ihm lange Jahre treu gedient hatte , der ihm aber , weil er alt und unbrauchbar geworden war , nicht mehr gefiel ; da schickte er ihn fort , und gab ihm nichts . Der Soldat wußte nicht womit er sein Leben fristen sollte , war traurig , und gieng fort den langen Tag , und kam Abends in einen Wald . Wie er ein Weilchen gegangen war , sah er ein Licht , dem naͤherte er sich , und kam zu einem kleinen Haus , darin wohnte eine alte Hexe . Er bat um ein Nachtlager und ein wenig Essen und Trinken , sie schlugs ihm aber ab ; endlich sagte sie ‘ ich will dich doch aus Barmherzigkeit aufnehmen , du mußt mir aber morgen meinen ganzen Garten umgraben .’ Der Soldat versprachs , und ward also beherbergt . Am andern Tag grub er der Hexe den Garten um , und hatte damit Arbeit bis zum Abend . Nun wollte sie ihn wegschicken , er sprach aber ‘ ich bin so muͤde , laß mich noch die Nacht hier bleiben . ’ Sie wollte nicht , endlich gab sies zu , doch sollt er ihr andern Tags ein Fuder Holz klein spalten . Der Soldat hackte den zweiten Tag das Holz , und hatte sich Abens so abgearbeitet , daß er wieder nicht fort konnte , also bat er um die dritte Nacht ; dafuͤr sollte er aber den folgenden Tag das blaue Licht aus dem
Brunnen holen . Da fuͤhrte ihn die Hexe an einen Brunnen , und band ihn an ein langes Seil , daran ließ sie ihn hinab ; und als er unten war , fand er das blaue Licht , und machte das Zeichen , daß sie ihn wieder hinaufziehen sollte . Sie zog ihn auch in die Hoͤhe , wie er aber am Rand war , so nah , daß man sich die Haͤnde reichen konnte , wollte sie das Licht haben , um ihn dann wieder hinunter fallen zu lassen . Aber er merkte ihre boͤsen Gedanken , und sagte ‘ nein , ehe geb ich das blaue Licht nicht , als bis ich mit meinen Fuͤßen auf dem Erdboden stehe . ’ Da erboßte die Hexe , und stieß ihn mit sammt dem Licht hinunter in den Brunnen , und gieng fort . Der Soldat sah wohl daß ihm unten in dem dunkeln feuchten Morast sein Ende bevor stehen , da fiel ihm seine Pfeife in die Hand , die war noch halb voll , und er dachte ‘ die willst du zum letzten Vergnuͤgen doch noch ausrauchen . ’ Also steckte er sie an dem blauen Licht an , und fieng an zu rauchen . Als der Dampf ein wenig herumzog , so kam ein klein schwarz Maͤnnlein daher , und fragte ‘Herr , was befiehlst du mir ? ’ ‘ Was hab ich dir zu befehlen ? ’ sagte der Soldat . Das Maͤnnlein sprach ‘ ich muß dir in allem dienen . ’ ‘ So hilf mir vor allen Dingen aus dem Brunnen . ’ Da faßte ihn das schwarze Maͤnnchen bei der Hand , und fuͤhrte ihn herauf , und das blaue Licht nahmen sie mit . Als sie oben waren , sagte der Soldat ‘ nun schlag mir die alte Hexe todt . ’ Als das Maͤnnchen das gethan hatte , offenbarte es ihm die Schaͤtze , und das Gold der Hexe , das lud der Soldat auf , und nahm es mit sich . Dann sprach das Maͤnnchen ‘ wenn du mich brauchst , so zuͤnde nur deine Pfeife
an dem blauen Licht an . ’ Darauf gieng der Soldat in die Stadt und in den besten Gasthof , da ließ er sich schoͤne Kleider machen , und ein Zimmer praͤchtig einrichten . Wie das fertig war , rief er sein Maͤnnchen , und sprach ‘ der Koͤnig hat mich fortgeschickt und mich hungern lassen , weil ich seine Dienste nicht mehr thun konnte , nun bring mir die Koͤnigstochter heut Abend hierher , die soll mir aufwarten wie eine Magd , und thun was ich ihr heiße . ’ Das Maͤnnchen sprach ‘ das ist ein gefaͤhrlich Ding .’ Doch gieng es hin , und holte die Koͤnigstochter schlafend aus ihrem Bett , und brachte sie dem Soldaten , dem mußte sie gehorchen , und thun was er verlangte ; den Morgen vor Hahnenschrei trug das schwarze Maͤnnchen sie wieder zuruͤck . Als sie aufgestanden war , erzaͤhlte sie ihrem Vater ‘ ich habe diese Nacht einen wunderlichen Traum gehabt , als waͤr ich weggeholt worden , und die Magd von einem Soldaten gewesen , dem mußte ich aufwarten , die Stube kehren und die Stiefel putzen . ’ Da sprach der Koͤnig ‘ steck deine Tasche voll Erbsen , und mach ein Loch hinein : der Traum koͤnnte wahr sein , dann fallen sie heraus , und lassen die Spur auf der Straße .’ Also that sie auch , aber das Maͤnnchen hatte gehoͤrt , was der Koͤnig ihr angerathen hatte . Wie nun der Abend kam , und der Soldat sagte er sollte ihm wieder die Koͤnigstochter holen , da streute das Maͤnnchen die ganze Stadt vorher voll Erbsen und konnten die wenigen , die aus ihrer Tasche fielen , keine Spur machen , und am andern Morgen hatten die Leute den ganzen Tag Erbsen zu lesen . Die Koͤnigstochter erzaͤhlte ihrem Vater wieder was ihr begegnet war , da sprach er ‘ behalt einen
Schuh an wenn du dich zu Bette legst , und verstecke ihn heimlich , an dem Ort , wohin du getragen wirst . ’ Das schwarze Maͤnnchen hoͤrte das mit an , und wie der Soldat wiederum die Koͤnigstochter wollte hergebracht haben , sagte es zu ihm ‘ jetzt kann ich dir nicht mehr helfen , du wirst ungluͤcklich wenns heraus kommt . ’ Der Soldat aber bestand auf seinem Willen . ‘ So mach dich nur gleich fruͤhmorgens aus dem Thor hinaus ,’ sagte das Maͤnnchen ‘ wenn ich sie fortgetragen habe .’
Die Koͤnigstochter behielt nun einen Schuh an , und versteckte ihn bei dem Soldaten unter das Bett ; am andern Morgen , wie sie wieder bei ihrem Vater war , ließ der uͤberall in der Stadt danach suchen , und da ward er bei dem Soldaten gefunden . Er hatte sich zwar aus dem Staube gemacht , wurde aber bald eingeholt , und in ein festes Gefaͤngniß geworfen . Da saß er nun in Ketten und Banden , und uͤber der eiligen Flucht war sein Bestes stehn geblieben , das blaue Licht und das Gold , und war ihm nichts uͤbrig als ein Dukaten . Wie er nun so traurig an dem Fenster seines Gefaͤngnisses stand , sah er einen Cameraden vorbeigehen , den rief er an und sprach ‘ wenn du mir das kleine Buͤndelchen holst , das ich im Gasthause habe liegen lassen , so geb ich dir einen Dukaten . ’ Da gieng der Camerad hin , und brachte ihm fuͤr den Dukaten das blaue Licht und das Gold . Der Gefangene steckte alsbald seine Pfeife an , und ließ das schwarze Maͤnnchen kommen , das sprach ‘ sei ohne Furcht , geh getrost zum Gericht , und laß alles geschehen , nur nimm das blaue Licht mit . ’ Darauf ward er verhoͤrt , und ihm , obgleich er nichts Boͤses gethan
hatte , das Urtheil gesprochen , daß er sollte an den Galgen gehaͤngt werden . Wie er hinaus gefuͤhrt wurde , bat er den Koͤnig um eine Gnade . ‘ Was fuͤr eine ? ’ sprach der Koͤnig . ‘ Daß ich noch eine Pfeife auf dem Wege rauchen darf . ’ ‘ Du kannst drei rauchen , wenn du willst ,’ antwortete der Koͤnig , ‘ aber denke nicht daß ich dir das Leben schenke . ’ Da zog er seine Pfeife heraus , und zuͤndete sie an dem blauen Flaͤmmchen an , alsbald trat das schwarze Maͤnnchen vor ihn ; ‘ schlag mir da die falschen Richter und ihre Leute todt ,’ sprach der Soldat , ‘ und den Koͤnig in drei Stuͤcke .’ Also fieng das Maͤnnchen an , und schlug die Leute rings herum todt , da legte sich der Koͤnig auf Gnadebitten , und um nur sein Leben zu erhalten , gab er dem Soldaten das Reich und seine Tochter zur Frau .
117.
Das eigensinnige Kind .
E s war einmal ein Kind eigensinnig , und that nicht was seine Mutter haben wollte . Darum hatte der liebe Gott kein Wohlgefallen an ihm , und ließ es krank werden , und kein Arzt konnte ihm helfen , und in kurzem lag es auf dem Todtenbettchen . Als es nun ins Grab versenkt war , und Erde uͤber es hingedeckt , so kam auf einmal sein Aermchen wieder hervor , und reichte in die Hoͤhe , und wenn sie es hineinlegten und frische Erde daruͤber thaten , so half das nicht , es kam immer wieder heraus . Da mußte die Mutter selbst zum Grabe gehn , und mit der Ruthe aufs Aermchen schlagen , und wie sie das gethan hatte , zog es sich hinein , und das Kind hatte nun erst Ruhe unter der Erde .
118.
Die drei Feldscherer .
D rei Feldscherer reisten in der Welt , meinten ihre Kunst ausgelernt zu haben , und kamen in ein Wirthshaus , wo sie uͤbernachten wollten . Der Wirth fragte wo sie her waͤren und hinaus wollten . ‘ Sie zoͤgen auf ihre Kunst in der Welt herum . ’ ‘Zeigt mir doch einmal , was ihr koͤnnt ’ sagte der Wirth . Da sprach der erste er wollte seine Hand abschneiden und morgen fruͤh wieder anheilen ; der zweite sprach er wollte sein Herz ausreißen und morgen fruͤh wieder anheilen ; der dritte sprach er wollte seine Augen ausstechen und morgen fruͤh wieder einheilen . Sie hatten aber eine Salbe , was sie damit bestrichen , das heilte zusammen , und das Flaͤschchen , wo sie drin war , trugen sie bestaͤndig bei sich . Da schnitten sie Hand , Herz und Auge vom Leibe , wie sie gesagt hatten , legtens zusammen auf einen Teller und gabens dem Wirth , der Wirth gabs einem Maͤdchen , das sollts in den Schrank stellen , und wohl aufheben . Das Maͤdchen aber hatte einen heimlichen Schatz , der war ein Soldat ; wie nun der Wirth , die drei Feldscherer und alle Leute im Haus schliefen , kam der Soldat , und wollte was zu essen haben . Da schloß das Maͤdchen den Schrank auf und holte ihm etwas , und uͤber der großen Liebe vergaß es die
Schrankthuͤre zuzumachen , setzte sich zum Liebsten an Tisch , und sie sprachen mit einander . Wie es so vergnuͤgt saß , und an kein Ungluͤck dachte , kam die Katze hereingeschlichen , fand den Schrank offen , und nahm die Hand , das Herz und die Augen der drei Feldscherer , und lief damit hinaus . Als nun der Soldat gegessen hatte , und das Maͤdchen das Geraͤth aufheben und den Schrank zuschließen wollte , da sah es wohl daß der Teller , den ihr der Wirth aufzuheben gegeben hatte , ledig war . Da sagte es erschrocken zu seinem Schatz ‘ach , was will ich armes Maͤdchen anfangen ! Die Hand ist fort , das Herz und die Augen sind auch fort , wie wird mirs morgen fruͤh ergehen ! ’ Da sprach er ‘ sey still , ich will dir davon helfen , gib mir nur ein scharfes Messer ; es haͤngt ein Dieb am Galgen , dem will ich die Hand abschneiden ; Welche Hand wars denn ? ’ ‘ Die rechte . ’ Da gab ihm das Maͤdchen ein scharfes Messer , und er gieng hin , schnitt dem armen Suͤnder die rechte Hand ab , und brachte sie . Darauf packte er die Katze , und stach ihr die Augen aus ; nun fehlte nur noch das Herz . ‘Habt ihr nicht geschlachtet , und Schweinefleisch im Keller ? ’ ‘ Ja ’ sagte das Maͤdchen . ‘ Nun , das ist gut’ sagte der Soldat , gieng hinunter , und holte ein Schweineherz und gabs dem Maͤdchen . Das that alles wieder auf den Teller , und stellte es in den Schrank , und als ihr Liebster darauf Abschied genommen hatte , legte es sich ruhig ins Bett .
Morgens , als die Feldscherer aufstanden , sagten sie dem Maͤdchen , es sollte ihnen den Teller holen , darauf Hand , Herz und Augen laͤgen . Da brachte es ihn aus dem Schrank , und der erste
hielt sich die Diebshand an , bestrich sie mit seiner Salbe , alsbald war sie ihm angewachsen . Der zweite nahm die Katzenaugen und heilte sie ein ; der dritte machte das Schweineherz fest . Der Wirth aber stand dabei , bewunderte ihre Kunst , und sagte dergleichen haͤtte er noch nicht gesehen , er wollte sie bei jedermann ruͤhmen und empfehlen . Darauf bezahlten sie ihre Zeche , und reisten weiter .
Wie sie so dahin giengen , so blieb der mit dem Schweineherzen gar nicht bei ihnen , sondern wo eine Ecke war , lief er hin und schnuͤffelte darin herum , wie Schweine thun . Die andern wollten ihn an dem Rockschlippen zuruͤckhalten , aber das half nichts , er riß sich los , und lief hin , wo der dickste Unrath lag . Der zweite stellte sich auch wunderlich an , rieb die Augen , und sagte zu dem andern ‘Camerad , was ist das ? das sind meine Augen nicht , ich sehe ja nichts , leit mich doch einer , daß ich nicht falle . ’ Da giengen sie mit Muͤhe fort bis zum Abend , wo sie zu einer andern Herberge kamen . Sie traten zusammen in die Wirthsstube , da saß in einer Ecke ein reicher Herr vorm Tisch , und zaͤhlte Geld . Der mit der Diebshand gieng um ihn herum , zuckt ein paarmal , endlich wie der Herr sich umwendete , griff er in den Haufen hinein , und nahm eine Hand voll Geld heraus . Der eine sahs und sprach ‘Camerad , was machst du ? stehlen darfst du nicht , schaͤm dich ! ’ ‘ Ei ,’ sagte er , ‘ was kann ich dafuͤr ! es zuckt mir in der Hand , ich muß zugreifen , ich mag wollen oder nicht . ’ Sie legten sich danach schlafen , und wie sie da liegen , ists so finster , daß man keine Hand vor den Augen sehen kann . Auf einmal erwachte
der mit den Katzenaugen , weckte die andern , und sprach ‘Bruͤder , schaut einmal auf , seht ihr die weißen Maͤuschen , die da herumlaufen ? ’ Die zwei richteten sich auf , konnten aber nichts sehen . Da sprach er ‘ es ist mit uns nicht richtig , wir haben das Unsrige nicht wieder gekriegt , wir muͤssen zuruͤck zu dem Wirth , der hat uns betrogen . ’ Also machten sie sich am andern Morgen dahin auf , und sagten dem Wirth sie haͤtten ihr richtig Werk nicht wieder kriegt , der eine haͤtte eine Diebshand , der zweite Katzenaugen , und der dritte ein Schweineherz . Der Wirth sprach daran muͤßte das Maͤdchen Schuld seyn , und wollte es rufen , aber wie das die drei hatte kommen sehen , war es zum Hinterpfoͤrtchen fortgelaufen , und kam nicht wieder . Da sprachen die drei , er sollte ihnen viel Geld geben , sonst ließen sie ihm den rothen Hahn uͤbers Haus fliegen ; da gab er was er hatte , und nur aufbringen konnte , und die drei zogen damit fort . Es war fuͤr ihr Lebtag genug , sie haͤtten aber doch lieber ihr richtig Werk gehabt .
119.
Die sieben Schwaben .
E inmal waren sieben Schwaben beisammen , der erste war der Herr Schulz , der zweite der Jackli , der dritte der Marli , der vierte der Jergli , der fuͤnfte der Michal , der sechste der Hans , der siebente der Veitli ; die hatten sich alle siebene vorgenommen die Welt zu durchziehen , Abenteuer zu suchen , und große Thaten zu vollbringen . Damit sie aber auch mit bewaffneter Hand und sicher giengen , sahen sies fuͤr gut an , daß sie sich zwar nur einen einzigen , aber recht starken und langen Spieß machen ließen . Diesen Spieß faßten sie alle siebene zusammen an , vornen gieng der kuͤhnste und maͤnnlichste , das mußte der Herr Schulz seyn , und dann folgten die andern nach der Reihe , und der Veitli war der letzte .
Nun geschah es , daß als sie im Heumonat einer Tags einen weiten Weg gegangen , auch noch ein gut Stuͤck bis in das Dorf hatten , wo sie uͤber Nacht bleiben mußten , in der Daͤmmerung auf einer Wiese ein großer Roßkaͤfer oder eine Hornisse nicht weit von ihnen hinter einer Staude vorbeiflog , und feindlich brummelte . Der Herr Schulz erschrack , daß er fast den Spieß haͤtte fallen lassen , und ihm der Angstschweiß am ganzen Leibe ausbrach . ‘Horcht , horcht ,’ rief er seinen Gesellen , ‘Gott , ich hoͤre eine Trommel ! ’ Der Jackli , der hinter ihm den Spieß hielt , und dem ich weiß nicht was fuͤr ein Geruch in die Nase kam , sprach
‘ etwas ist ohne Zweifel vorhanden , denn ich schmeck das Pulver und den Zuͤndstrick . ’ Bei diesen Worten hub der Herr Schulz an die Flucht zu ergreifen , und sprang im Hui uͤber einen Zaun , weil er aber gerade auf die Zinken eines Rechen sprang , der vom Heumachen da liegen geblieben war , so fuhr ihm der Stiel ins Gesicht , und gab ihm einen ungewaschenen Schlag . ‘ O wey , o wey ,’ schrie der Herr Schulz , ‘ nimm mich gefangen , ich ergeb mich ! ich ergeb mich ! ’ Die andern sechs huͤpften auch alle einer uͤber den andern herzu , und schrien ‘giebst du dich , so geb ich mich auch : giebst du dich , so geb ich mich auch . ’ Endlich , wie kein Feind da war , der sie binden und fortfuͤhren wollte , merkten sie daß sie betrogen waren , und damit die Geschichte nicht unter die Leute kaͤme , und sie nicht damit genarrt und gespottet wuͤrden , verschwuren sie sich unter einander so lang davon still zu schweigen , bis einer das Maul aufthaͤt .
Hierauf zogen sie weiter . Die zweite Gefaͤhrlichkeit , die sie erlebten , kann aber mit der ersten nicht verglichen werden . Nach etlichen Tagen trug sie ihr Weg durch ein Brachfeld , da saß ein Hase in der Sonne , und schlief , streckte die Ohren in die Hoͤhe , und hatte die großen glaͤsernen Augen starr aufstehen . Da erschracken sie bei dem Anblick des grausamen und wilden Thieres insgesammt , und hielten Rath was zu thun das wenigst gefaͤhrliche waͤre . Denn so sie fliehen wollten , war zu besorgen , das Ungeheuer setzte ihnen nach , und verschlaͤnge sie alle mit Haut und Haar . Also sprachen sie ‘ wir muͤssen einen großen und gefaͤhrlichen Kampf bestehen , frisch gewagt ist halb gewonnen ! ’ faßten alle
siebene den Spieß an , der Herr Schulz vornen , und der Veitli hinten . Der Herr Schulz wollte den Spieß noch immer anhalten , der Veitli aber war hinten ganz muthig geworden , wollte losbrechen und rief
‘ stoß zu in aller Schwabe Name ,
sonst wuͤnsch i , daß ihr moͤcht erlahme .’
Aber der Hans wußt ihn zu treffen , und sprach
‘beim Element , du hascht gut schwaͤtze ,
bischt stets der letscht beim Drachehetze .’
Der Michal rief
‘ es wird nit fehle um ei Haar ,
so ischt es wohl der Teufel gar .’
Drauf kam an den Jergli die Reihe , der sprach
‘ ischt er es nit , so ischts sei Muter
oder des Teufels Stiefbruder .’
Der Marli hatte da einen guten Gedanken , und sagte zum Veitli
‘gang , Veitli , gang , gang du voran ,
i will dahinte vor di stahn .’
Der Veitli hoͤrte aber nicht drauf , und der Jackli sagte
‘ der Schulz , der muß der erschte sei ,
denn ihm gebuͤhrt die Ehr allei .’
Da nahm sich der Herr Schulz ein Herz , und sprach gravitaͤtisch
‘ so zieht denn herzhaft in den Streit ,
hieran erkennt man tapfre Leut .’
Und da giengen sie insgesammt auf den Drachen los , der Herr Schulz segnete sich , und rief Gott um Beistand an ; wie aber das alles nicht helfen wollte , und er dem Feind immer naͤher kam ,
schrie er in großer Angst ‘ hau ! hurlehau ! hau ! hauhau ! ’ Davon erwachte der Has , erschrack , und sprang eilig davon . Als ihn der Herr Schulz so feldfluͤchtig sah , da rief er voll Freude
‘potz , Veitli , lueg , lueg , was isch das ?
das Ungehuͤer ischt a Has .’
Der Schwabenbund suchte aber weiter Abenteuer , und kam an die Mosel , ein mosiges , stilles und tiefes Wasser , daruͤber nicht viel Bruͤcken sind , sondern man an mehrern Orten sich muß in Schiffen uͤberfahren lassen . Weil die sieben Schwaben dessen unberichtet waren , riefen sie einem Mann , der jenseits des Wassers seine Arbeit vollbrachte , zu , wie man doch hinuͤber kommen koͤnnte ? Der Mann verstand wegen der Weite , auch wegen ihrer Sprache nicht , was sie wollten , und fragte auf sein trierisch ‘ wat ? wat ? ’ Da meinte der Herr Schulz , er spraͤche nicht anders als ‘ wade , wade durchs Wasser ,’ und hub an , weil er der Vorderste war , sich auf den Weg zu machen , und in die Mosel hineinzugehen . Nicht lang , so versank er in den Schlamm und in die antreibenden , tiefen Wellen , seinen Hut aber jagte der Wind hinuͤber an das jenseitige Ufer , und ein Frosch setzte sich dabei , und quackte ‘ wat , wat , wat . ’ Die sechs andern hoͤrten das druͤben , und sprachen ‘ unser Gesell , der Herr Schulz , ruft uns , kann er hinuͤber waden , warum wir nicht auch ? ’ Sprangen darum eilig alle zusammen in das Wasser , und ertranken , also daß ein Frosch allein ihrer sechse ums Leben brachte , und niemand von dem Schwabenbund wieder nach Haus kam .
120.
Die drei Handwerksburschen .
E s waren drei Handwerksbursche , die hatten es verabredet , immer mit einander zu wandern , und in einer Stadt zu arbeiten . Auf eine Zeit aber war kein Verdienst mehr , so daß sie ganz abgerissen wurden , und nichts zu leben hatten . Da sprach der eine ‘ was sollen wir anfangen ? zusammenbleiben koͤnnen wir nicht laͤnger , das soll die letzte Stadt seyn , wo wir jetzt hineinkommen ; finden wir keine Arbeit , so wollen wir beim Herbergsvater ausmachen daß wir ihm schreiben wo wir uns aufhalten , und einer vom andern Nachricht haben kann , und dann wollen wir uns trennen ;’ das schien den andern auch das Beste . Wie sie noch im Gerede waren , so kam ihnen ein reich gekleideter Mann entgegen der fragte wer sie waͤren . ‘ Wir sind Handwerksleute , suchen Arbeit , und haben uns bisher zusammen gehalten , weil wir aber keine mehr finden , wollen wir uns trennen . ’ ‘ Ei , das hat keine Noth ,’ sprach der Mann , ‘ wenn ihr thun wollt , was ich euch sage , solls euch an Geld und Arbeit nicht fehlen ; ja ihr sollt große Herren werden und in Kutschen fahren . ’ Der eine sprach ‘ wenns unserer Seele und Seligkeit nicht schadet , so wollen wirs wohl thun . ’ ‘Nein ,’ antwortete der Mann , ‘ ich habe kein Theil an euch .’ Der andere aber hatte nach seinen Fuͤßen gesehen , und als er da einen Pferdefuß und einen Menschenfuß erblickte , wollte er sich nicht mit ihm einlassen . Der Teufel aber sprach ‘ gebt
euch zufrieden , es ist nicht auf euch abgesehen , sondern auf eines anderen Seele , der schon halb mein ist , und dessen Maaß nur voll laufen soll . ’ Weil sie nun sicher waren , willigten sie ein , und der Teufel sagte ihnen was er verlangte , der erste sollte auf jede Frage antworten ‘ wir alle drei ;’ der zweite ‘ ums Geld ;’ der dritte ‘ und das war Recht . ’ Das sollten sie immer hinter einander sagen , weiter aber duͤrften sie kein Wort sprechen , und uͤbertraͤten sie das Gebot , so waͤre gleich alles Geld verschwunden ; so lange sie es aber befolgten , sollten ihre Taschen immer voll seyn . Zum Anfang gab er ihnen auch gleich so viel , als sie tragen konnten , und hieß sie in die Stadt in das und das Wirthshaus gehen . Sie giengen hinein , der Wirth kam ihnen entgegen , und fragte ‘ wollt ihr etwas zu essen ? ’ Der erste antwortete ‘ wir alle drei . ’ ‘ Ja ,’ sagte der Wirth , ‘ das mein ich auch . ’ Der zweite ‘ ums Geld . ’ ‘ Das versteht sich’ sagte der Wirth . Der dritte ‘ und das war Recht . ’ ‘ Ja wohl wars Recht ’ sagte der Wirth . Es ward ihnen nun gut Essen und Trinken gebracht , und wohl aufgewartet , nach dem Essen mußte die Bezahlung geschehen , da hielt der Wirth dem einen die Rechnung hin , der sprach ‘ wir alle drei ,’ der zweite ‘ ums Geld ,’ der dritte ‘ und das war Recht . ’ ‘Freilich ists Recht ,’ sagte der Wirth , ‘ alle drei bezahlen , und ohne Geld kann ich nichts geben . ’ Sie bezahlten aber noch mehr als er gefordert hatte . Die Gaͤste sahen das mit an , und sprachen ‘ die Leute muͤssen toll seyn . ’ ‘ Ja , das sind sie auch ,’ sagte der Wirth , ‘ sie sind nicht recht klug . ’ So blieben sie eine Zeit lang in dem Wirthshaus , und sprachen kein ander
Wort als ‘ wir alle drei , ums Geld , und das war Recht . ’ Sie sahen aber , und wußten alles was darin vorgieng . Es trug sich zu , daß ein großer Kaufmann kam mit vielem Geld , der sprach ‘Herr Wirth , heb er mir mein Geld auf , da sind die drei naͤrrischen Handwerksbursche , die moͤchten mirs stehlen . ’ Das that der Wirth ; wie er den Mantelsack in seine Stube trug , fuͤhlte er , daß er schwer von Gold war , darauf gab er den drei Handwerkern unten ein Lager , der Kaufmann aber kam oben hin in eine besondere Stube . Als Mitternacht war , und der Wirth dachte sie schliefen alle , kam er mit seiner Frau , und sie hatten eine Holzaxt , und schlugen den reichen Kaufmann todt ; nach vollbrachtem Mord legten sie sich wieder schlafen . Wies nun Tag war , gabs großen Laͤrm , der Kaufmann lag todt im Bett , und schwamm in seinem Blut ; da liefen alle Gaͤste zusammen , der Wirth aber sprach ‘ das haben die drei tollen Handwerker gethan .’ Die Gaͤste bestaͤtigten es , und sagten ‘ niemand anders kanns gewesen seyn . ’ Der Wirth aber ließ sie rufen , und sagte zu ihnen ‘ habt ihr den Kaufmann getoͤdtet ? ’ ‘ Wir alle drei’ sagte der erste , ‘ ums Geld’ der zweite , ‘ und das war Recht’ der dritte . ‘ Da hoͤrt ihrs nun ,’ sprach der Wirth , ‘ sie gestehens selber . ’ Sie wurden also ins Gefaͤngnis gebracht , und sollten gerichtet werden . Wie sie nun sahen , daß es so ernsthaft gieng , ward ihnen doch Angst , aber Nachts kam der Teufel , und sprach ‘haltet nur noch einen Tag aus , und verscherzt euer Gluͤck nicht , es soll euch kein Haar gekruͤmmt werden . ’ Am andern Morgen wurden sie vor Gericht gefuͤhrt ; da sprach der Richter ‘ seyd ihr die Moͤrder ? ’ ‘ Wir alle
drei . ’ ‘Warum habt ihr den Kaufmann erschlagen ? ’ ‘ Ums Geld . ’ ‘ Jhr Boͤsewichter ’ , sagte der Richter , ‘ habt ihr euch nicht der Suͤnde gescheut ? ’ ‘ Und das war Recht . ’ ‘ Sie haben bekannt , und sind noch dazu halsstarrig ,’ sprach der Richter , ‘ fuͤhrt sie gleich zum Tod . ’ Also wurden sie hinaus gebracht , und der Wirth mußte mit in den Kreiß treten ; wie sie nun von den Henkersknechten gefaßt , und eben aufs Geruͤst gefuͤhrt wurden , wo der Scharfrichter mit bloßem Schwerte stand , kam auf einmal eine Kutsche , mit vier blutrothen Fuͤchsen bespannt , und fuhr , daß das Feuer aus den Steinen sprang , aus dem Fenster aber winkte einer mit einem weißen Tuche . Da sprach der Scharfrichter ‘ es kommt Gnade , ’ und ward auch aus dem Wagen ‘ Gnade ! Gnade ! ’ gerufen . Da trat der Teufel heraus , als ein sehr vornehmer Herr , praͤchtig gekleidet und sprach ‘ ihr drei seyd unschuldig ; ihr duͤrft nun sprechen , sagt heraus was ihr gesehen und gehoͤrt habt . ’ Da sprach der aͤlteste ‘ wir haben den Kaufmann nicht getoͤdtet , der Moͤrder steht da im Kreiß ,’ und deutete auf den Wirth , ‘ zum Wahrzeichen geht hin in seinen Keller , da haͤngen noch viele andere , die er ums Leben gebracht . ’ Da schickte der Richter die Henkersknechte hin , die fanden es , wies gesagt war , und als sie dem Richter das berichtet hatten , ließ er den Wirth hinauf fuͤhren , und ihm das Haupt abschlagen . Da sprach der Teufel zu den Dreien ‘ nun hab ich die Seele , die ich haben wollte , ihr seyd aber frei , und habt Geld fuͤr euer Lebtag .’
121.
Der Koͤnigssohn der sich vor nichts fuͤrchtet .
E s war einmal ein Koͤnigssohn , dem gefiels nicht mehr daheim in seines Vaters Haus , und weil er vor nichts Furcht hatte , so dachte er ‘ ich will in die weite Welt gehen , da wird mir Zeit und Weile nicht lang , und ich werde wunderliche Dinge genug sehen . ’ Also nahm er von seinen Eltern Abschied , und gieng fort , immer zu , von Morgen bis Abend , und es war ihm einerlei , wo hinaus ihn der Weg fuͤhrte . Es trug sich zu , daß er vor eines Riesen Haus kam , und weil er muͤde war , setzte er sich vor die Thuͤre , und ruhte . Und als er seine Augen so hin und hergehen ließ , sah er auf dem Hof des Riesen Spielwerk liegen ; das waren ein Paar große Kugeln und maͤchtige Kegel dabei . Ueber ein Weilchen bekam der Koͤnigssohn Lust , stellte sich die Kegel auf , und schob mit den Kugeln danach , schrie und rief wenn die Kegel fielen , und war guter Dinge . Der Riese hoͤrte den Laͤrm , streckte seinen gewaltigen Kopf heraus , und erblickte einen Menschen , der nicht groͤßer war als die andern Menschen , und doch mit seinen Kegeln spielte . Da rief er ‘Wuͤrmchen , kegelst du mit meinen Kegeln ? wer hat dir die Staͤrke dazu gegeben ? ’ Der Koͤnigssohn schaute auf , sah den Riesen an , und sprach ‘o du
Klotz , du meinst wohl , deine Arme waͤren allein stark ? ich kann alles wozu ich Lust habe . ’ Der Riese kam herab , sah den Koͤnigssohn ganz verwundert an , und sprach ‘Menschenkind , wenns so mit dir beschaffen ist , so geh doch , und hol mir einen Apfel vom Baum des Lebens . ’ ‘ Was willst du damit ? ’ sprach der Koͤnigssohn . ‘ Jch will den Apfel nicht fuͤr mich ,’ antwortete der Riese , ‘ aber meine Braut die verlangt danach ; ich bin schon ausgewesen , aber ich kann den Baum nicht einmal finden . ’ ‘ Wenn ich mich erst aufmache ,’ sagte der Koͤnigssohn , ‘ will ich den Baum schon finden , und es sollte mir wunderlich vorkommen wenn ich den Apfel nicht herunterholte . ’ Der Riese sprach ‘ es ist nicht so leicht , wie du meinst ; der Garten , worin der Baum steht , ist mit einem eisernen Gitter eingefaßt , und vor dem Gitter liegen wilde Thiere , eins an dem andern , die halten Wache , und lassen keinen Menschen hinein . ’ ‘ Mich werden sie schon einlassen ,’ sagte der Koͤnigssohn , ‘ ich fuͤrchte mich vor nichts . ’ ‘ Ja , bist du auch in dem Garten , und siehst den Apfel am Baum haͤngen , so ist er doch noch nicht dein , es haͤngt ein Ring davor , durch den muß einer die Hand stecken , der den Apfel erreichen und abbrechen will , und das ist noch keinem gegluͤckt . ’ ‘ O , das ist mir aufgehoben ,’ sprach der Koͤnigssohn , ‘ mir solls schon gluͤcken .’
Da nahm er Abschied von dem Riesen , gieng fort uͤber Berg und Thal , durch Felder und Waͤlder , bis er endlich den Wundergarten fand . Die Thiere lagen rings herum , aber sie hatten die Koͤpfe gesenkt , und schliefen . Sie erwachten auch nicht , und er stieg uͤber sie weg , und an dem Gitter hinan , und kam gluͤcklich
in den Garten . Da sah er mitten inne den Baum des Lebens stehen , und die rothen Aepfel leuchteten an den Aesten . Er kletterte an dem Stamm in die Hoͤhe , und wie er nach einem Apfel reichen wollte , sah er einen Ring davor haͤngen , aber er konnte ohne Muͤhe seine Hand durchstecken , und den Apfel brechen . Der Ring aber blieb an seinem Arme fest haͤngen , und der Koͤnigssohn fuͤhlte auf einmal eine solche Kraft darin , daß er merkte er wuͤrde jetzt alles baͤndigen koͤnnen . Als er von dem Baum herabgestiegen war , wollte er nicht uͤber das Gitter klettern , sondern faßte das große Thor , schuͤttelte einmal daran , und es sprang mit Krachen vor ihm auf . Da gieng er hinaus , und der Loͤwe , der davor gelegen hatte , war wach geworden , und sprang ihm nach , aber nicht in Wuth und Wildheit , sondern er folgte ihm demuͤthig als seinem Herrn , gehorchte ihm , und wollte seine Spur nicht wieder verlassen .
Der Koͤnigssohn brachte dem Riesen den versprochenen Apfel . ‘Siehst du ,’ sprach er , ‘ ich habe ihn ohne Muͤhe geholt . ’ Der Riese war froh daß er so leicht erhalten hatte , was er sich so sehr gewuͤnscht , eilte zu seiner Braut , und gab ihr den Apfel . Es war eine schoͤne und kluge Jungfrau , da sie den Ring nicht an seinem Arm sah , sprach sie ‘ ich glaube nicht eher daß du den Apfel geholt , als bis ich den Ring an deinem Arm erblicke . ’ ‘ O ,’ sagte der Riese , ‘ ich will heimgehen , und ihn holen ,’ und meinte es waͤre ein leichtes dem schwachen Menschenkind ihn abzunehmen , wenn es ihn nicht gutwillig geben wollte . Da gieng er zuruͤck , und forderte den Ring von dem Koͤnigssohn ; der aber wollte ihn
nicht geben . ‘ Wo der Apfel ist muß auch der Ring seyn ,’ sprach der Riese , ‘ giebst du ihn nicht gutwillig , so mußt du mit mir darum kaͤmpfen .’
Sie rangen lange Zeit mit einander , aber der Riese konnte dem Koͤnigssohn nichts anhaben , so stark war dieser durch die Kraft des Ringes . Da erdachte der Riese eine List , und sprach zu ihm ‘ es ist uns warm geworden bei dem Kampf , wir wollen uns erst im Flusse baden und kuͤhlen , eh wir wieder anfangen .’ Der Koͤnigssohn , der von Falschheit nichts wußte , gieng mit ihm zu dem Wasser , zog seine Kleider ab , streifte auch den Ring vom Arm , legte ihn daneben , und gieng in den Fluß . Alsbald ergriff der Riese den Ring , und lief damit fort , aber der Loͤwe , der seinem Herrn gefolgt war , und den Diebstahl bemerkt hatte , setzte dem Riesen nach , und nahm ihm den Ring wieder ab . Da gerieth der Riese in Wuth , und sprang nach dem Wasser zuruͤck , und da der Koͤnigssohn eben beschaͤftigt war seine Kleider wieder anzuziehen , faßte er ihn , und stach ihm beide Augen aus .
Nun war der arme Koͤnigssohn blind , und stand da , und wußte sich nicht zu helfen . Da trat der Riese wieder zu ihm , und hatte Boͤses im Sinn . Schweigend faßte er den Blinden bei der Hand , wie jemand der ihn leiten wollte , fuͤhrte ihn fort auf die Spitze eines hohen Felsens . Da verließ er ihn , und dachte ‘ wenn er noch ein paar Schritte geht , so stuͤrzt er sich todt , und ich kann ihm den Ring abnehmen . ’ Aber der treue Loͤwe hatte seinen Herrn nicht verlassen , hielt ihn am Kleide fest , und zog ihn allmaͤlig wieder zuruͤck . Als der Riese zuruͤck kam , und den Todten
berauben wollte , da fand er ihn gerettet . ‘ Jst denn ein so schwaches Menschenkind nicht zu verderben ! ’ sprach er zornig zu sich selbst , faßte den Koͤnigssohn , und fuͤhrte ihn zum zweitenmal auf einem andern Weg zum Abgrund ; aber der Loͤwe , der die boͤse Absicht merkte , half seinem Herrn treulich aus der Gefahr . Als sie bis zum Rand gekommen waren , und der Riese die Hand des Koͤnigssohns fahren ließ , um ihn allein zuruͤckzulassen , da sprang der Loͤwe mit aller Macht gegen das Ungeheuer daß es hinabstuͤrzte , und ganz zerschmettert wurde .
Danach zog er seinen Herrn wieder herab , und leitete ihn zu einem Baum , an dem ein klarer Bach floß . Der Koͤnigssohn setzte sich da nieder , der Loͤwe aber legte sich an das Wasser , und spritzte , so gut er konnte , ihm davon ins Antlitz . Ein paar Troͤpfchen trafen auch gluͤcklich die Augen , und benetzten sie , und der Koͤnigssohn merkte , daß sein Gesicht etwas wiederkam , denn er hatte einigen Schein , und konnte etwas in der Naͤhe unterscheiden . Er wußte aber nicht woher das gekommen war . Da sah er ein Voͤglein , das flog ganz nah an seinem Gesicht vorbei , gerade wider den Baumstamm , so daß es sich daran stieß , gleich als waͤr es blind ; es senkte sich aber in das Wasser , und badete sich darin , dann flog es wider auf , und strich ganz sicher zwischen den Baͤumen hin , so daß man wohl merken konnte es sey jetzt wieder sehend . Da dachte der Koͤnigssohn das waͤre ein Wink Gottes , und neigte sich herab zu dem Wasser , und wusch und badete sich darin das Gesicht . Und wie er sich aufrichtete , hatte er seine Augen wieder , so hell und rein , wie sie nie gewesen waren .
Der Koͤnigssohn dankte Gott fuͤr die große Gnade , und zog mit seinem Loͤwen weiter in der Welt herum . Nun trug es sich zu daß er vor ein Schloß kam , welches verwuͤnscht war ; in dem Thor stand eine Jungfrau von schoͤner Gestalt und feinem Antlitz , aber sie war ganz schwarz . Sie redete ihn an , und sprach ‘ach , koͤnntest du mich erloͤsen aus dem Zauber , der mich hier haͤlt , und Gewalt uͤber mich hat ! ’ Da sagte der Koͤnigssohn ‘ was soll ich thun , dich zu befreien ? ’ Die Jungfrau antwortete ‘ drei Naͤchte mußt du in dem großen Saal des verwuͤnschten Schlosses zubringen , aber es darf keine Furcht in dein Herz kommen . Haͤltst du aus was dir boͤses angethan wird , ohne einen Laut von dir zu geben , so bin ich erloͤst ; das Leben duͤrfen sie dir doch nicht nehmen . ’ Da sprach der Koͤnigssohn ‘ ich wills mit Gottes Huͤlfe versuchen , ich fuͤrchte nichts auf der ganzen Welt .’ Also gieng er froͤhlich in das Schloß , setzte sich in den großen Saal , und wartete bis die Nacht kam . Es war still und ruhig bis Mitternacht , da fieng der Laͤrm an , nicht blos durch die Thuͤren , aus allen Ecken und Winkeln kamen kleine Teufel herbei . Sie thaten als ob sie ihn nicht saͤhen , setzten sich mitten in die Stube , machten ein Feuer an und fiengen an zu spielen . Wenn einer verlor , sprach er ‘ es ist nicht richtig , es ist einer da , der nicht zu uns gehoͤrt , der ist schuld , daß ich verliere . ’ ‘Wart ich komme , du hinter dem Ofen ,’ sagte ein anderer . Das Schreien ward auch immer groͤßer und so arg , daß es niemand ohne Schrecken haͤtte anhoͤren koͤnnen . Der Koͤnigssohn aber fuͤrchtete sich nicht , doch endlich sprangen die Teufel auf , und fielen uͤber ihn her , und es
waren so viel , daß er sich ihrer nicht erwehren konnte . Sie zerrten ihn auf die Erde , und zwickten , druͤckten , schlugen und quaͤlten ihn , aber er ertrugs ohne Furcht , und gab keinen Laut von sich . Gegen Morgen verschwanden sie , und er war so abgemattet , daß er kaum seine Glieder regen konnte ; als aber der Tag anbrach , da trat die schwarze Jungfrau zu ihm herein . Sie trug in ihrer Hand eine kleine Flasche , worin Wasser des Lebens war , damit wusch sie ihn , und alsbald fuͤhlt er alle Schmerzen verschwinden , war frisch und munter . Sie sprach ‘ eine Nacht hast du gluͤcklich ausgehalten , aber noch zwei stehen dir bevor . ’ Da gieng sie wieder weg , und im Weggehen bemerkte er , daß ihre Fuͤße weiß geworden waren . Jn der folgenden Nacht kamen die Teufel wieder , und fiengen ihr Spiel an , fielen aber bald uͤber den Koͤnigssohn her , und schlugen ihn gewaltig , viel haͤrter als in der vorigen Nacht , daß sein Leib voll Wunden ward . Doch da er alles still ertrug , mußten sie von ihm lassen , und als die Morgenroͤthe anbrach , erschien die Jungfrau , und heilte ihn mit dem Lebenswasser . Und als sie weggieng , sah er mit Freuden daß sie schon halb weiß geworden war bis zu den Fingerspitzen . Nun hatte er nur noch eine Nacht auszuhalten , aber die war die schlimmste . Der Teufelsspuk kam wieder ; ‘ bist du noch da ? ’ schrien sie , ‘ wart du sollst gepeinigt werden , daß dir der Athem stehen bleibt . ’ Sie stachen und schlugen ihn , warfen ihn hin und her , und rissen ihn an den Gliedern , als wollten sie ihn zerreißen , aber er gab keinen Laut von Schmerz und Angst von sich , troͤstete sich , und dachte es wird voruͤbergehen , und dann ist die
Jungfrau aus ihrer Gewalt befreit . Doch als die Teufel ihn verließen , so lag er da ohnmaͤchtig , und konnte sich nicht regen ; er konnte auch nicht die Augen aufheben , um die Jungfrau zu sehen , die herein kam , und ihn mit dem Wasser des Lebens benetzte und begoß . Aber auf einmal war er von allen Schmerzen befreit , und fuͤhlte sich frisch und gesund , als waͤr er aus einem Schlaf erwacht , und wie er die Augen aufschlug , so sah er die Jungfrau neben sich stehen , die war schneeweiß und so schoͤn , daß sie leuchtete wie der helle Tag . Sie sprach zu ihm ‘steh auf , und schwing dein Schwert dreimal uͤber die Treppe , so wird alles erloͤst seyn . ’ Und als er das gethan hatte , da war das ganze Schloß vom Zauber befreit . Die Jungfrau war eine reiche Koͤnigstochter ; die Diener kamen und sagten im großen Saale waͤre die Tafel schon zubereitet und die Speisen aufgetragen . Da setzten sie sich nieder , aßen und tranken zusammen , und Abends ward in großen Freuden die Hochzeit gefeiert .
122.
Der Krautesel .
E s war einmal ein junger Jaͤger , der hatte ein frisches und froͤhliches Herz , und gieng in den Wald auf Anstand , und wie er so gieng , und auf dem Blatt pfiff , kam ein altes haͤßliches Muͤtterchen daher , das redete ihn an , und sprach ‘ guten Tag , lieber Jaͤger , du bist wohl guter Dinge , aber ich leide Hunger und Durst , gieb mir doch ein Almosen . ’ Da dauerte den Jaͤger das arme Muͤtterchen , daß er in seine Tasche griff , und ihr nach seinem Vermoͤgen etwas reichte . Nun wollte er weiter gehen , aber die alte Frau hielt ihn an , und sprach ‘ hoͤr an , lieber Jaͤger , was ich dir sage : fuͤr dein gutes Herz will ich dir ein Geschenk machen , geh nur immer deiner Wege , uͤber ein Weilchen wirst du an einen Baum kommen , darauf sitzen neun Voͤgel , die haben einen Mantel in den Krallen , und raufen sich darum . Da leg du deine Buͤchse an , und schieß mitten drunter , den Mantel werden sie dir wohl fallen lassen , aber auch einer von den Voͤgeln wird getroffen seyn , und todt herabstuͤrzen . Den Mantel nimm mit dir , es ist ein Wunschmantel , wenn du ihn um die Schultern wirfst , brauchst du dich nur an einen Ort zu wuͤnschen , und gedacht , vollbracht , augenblicklich bist du dort . Den todten Vogel aber schneid auf , und nimm das Herz heraus , und verschluck es ganz , dann wirst du allen und jeden Morgen fruͤh beim Aufstehen ein Goldstuͤck unter deinem Kopfkissen finden , und das kommt dir zu von wegen des Vogelherzens .’
Der Jaͤger dankte der weisen Frau , und dachte bei sich ‘ schoͤne Dinge , die sie mir versprochen hat , wenns nur auch all so eintraͤfe . ’ Doch , wie er etwa hundert Schritte gegangen war , hoͤrte er uͤber sich in den Aesten ein Geschrei und Gezwitscher , daß er aufschaute ; da sah er einen Haufen Voͤgel , die rissen mit den Schnaͤbeln und Fuͤßen ein Tuch herum , schrien , zerrten und balgten sich , als wollts ein jeder allein haben . ‘ Nun ,’ sprach der Jaͤger , das ist wunderlich , ‘ es kommt ja gerade so , wie das Muͤtterchen gesagt hat ,’ nahm die Buͤchse von der Schulter , legte an , und that seinen Schuß mitten hinein , daß die Federn herumflogen . Alsbald nahm das Gethier mit großem Schreien die Flucht , aber einer fiel todt herab , und der Mantel sank ebenfalls herunter . Da that der Jaͤger wie ihm die Alte geheißen hatte , schnitt den Vogel auf , suchte das Herz , schluckte es hinunter , und nahm den Mantel mit nach Haus .
Am andern Morgen , als er aufwachte , fiel ihm die Verheißung ein , und er wollte sehen ob die auch eintraͤfe . Wie er aber sein Kopfkissen in die Hoͤhe hob , da schimmerte ihm das Goldstuͤck entgegen , und am andern Morgen fand er wieder eins , und so weiter jedesmal , wenn er aufstand . Er sammelte sich einen Haufen Gold , endlich aber dachte er ‘ was hilft mir all mein Gold , wenn ich daheim bleibe ? ich will ausziehen und mich in der Welt umsehen .’
Da nahm er von seinen Eltern Abschied , hieng seinen Jaͤgerranzen und seine Flinte um , und zog in die Welt . Es trug sich zu , daß er eines Tages durch einen dicken Wald kam , und wie der zu Ende war , lag in einer Ebene vor ihm ein ansehnliches
Schloß . Jn einem Fenster desselben stand gerade eine Alte mit einer wunderschoͤnen Jungfrau , und schaute herab . Die Alte aber war eine Hexe , und sprach zu dem Maͤdchen ‘ dort kommt einer aus dem Wald , der hat einen wunderbaren Schatz im Leib , den muͤssen wir darum beruͤcken , mein Herzenstoͤchterchen , uns steht das besser an als ihm . Er hat ein Vogelherz bei sich , deshalb liegt jeden Morgen ein Goldstuͤck unter seinem Kopfkissen .’ Und erzaͤhlte ihr , wie es damit beschaffen waͤre , und wie sie darum zu spielen haͤtte , und zuletzt drohte sie , und sprach mit zornigen Augen ‘ und wenn du mir nicht gehorchst , so bist du ungluͤcklich . ’ Als nun der Jaͤger naͤher kam , erblickte er das Maͤdchen , und sprach zu sich ‘ ich bin nun so lang herum gezogen , ich will einmal ausruhen , und in das schoͤne Schloß einkehren , Geld hab ich ja vollauf . ’ Eigentlich aber war die Ursache , daß er ein Auge auf das schoͤne Bild geworfen hatte .
Nun trat er in das Haus ein , und wurde freundlich empfangen , und hoͤflich bewirthet . Es dauerte nicht lange , da war er so in das Hexenmaͤdchen verliebt , daß er an nichts anders mehr dachte , und nur nach seinen Augen sah , und was es verlangte , das that er gerne . Da sprach die Alte ‘ nun muͤssen wir das Vogelherz haben , er wirds nicht spuͤren , wenn es ihm fehlt . ’ Sie richtete einen Trank zu , und wie der gekocht war , that sie ihn in einen Becher , und gab ihn dem Maͤdchen , das mußte ihn dem Jaͤger reichen . Sprach es ‘ nun , mein Liebster , trink mir zu . ’ Da nahm er den Becher , und wie er den Trank geschluckt hatte , brach er das Herz des Vogels aus dem Leibe . Das Maͤdchen mußte
es heimlich fortschaffen , und dann selbst verschlucken , denn die Alte wollte es haben . Von nun an fand er kein Gold mehr unter seinem Kopfkissen , sondern es lag unter dem Kissen des Maͤdchens , wo es die Alte jeden Morgen holte ; aber er war so verliebt und vernarrt , daß er an nichts anders dachte , als sich mit dem Maͤdchen die Zeit zu vertreiben .
Da sprach die alte Hexe ‘ das Vogelherz haben wir , aber den Wunschmantel muͤssen wir ihm auch abnehmen . ’ Antwortete das Maͤdchen ‘ den wollen wir ihm lassen , er hat ja doch seinen Reichthum verloren . ’ Da ward die Alte boͤs und sprach ‘ so ein Mantel ist ein wunderbares Ding , das selten auf der Welt gefunden wird , den soll und muß ich haben . ’ Und gab dem Maͤdchen Anschlaͤge , und sagte wenn es ihr nicht gehorchte , sollte es ihr schlimm ergehen . Da that es nach dem Geheiß der Alten , und stellte sich einmal ans Fenster , und schaute in die weite Gegend , als waͤr es ganz traurig . Fragte der Jaͤger ‘ was stehst du so traurig da ? ’ ‘ Ach , mein Schatz ,’ gab es zur Antwort , ‘ da gegenuͤber liegt der Granatenberg , wo die koͤstlichen Edelsteine wachsen . Danach trag ich so großes Verlangen , daß wenn ich daran denke , ich traurig seyn muß ; aber wer kann sie holen ! nur die Voͤgel , die fliegen koͤnnen , kommen hin , ein Mensch nimmermehr . ’ ‘Hast du weiter nichts zu klagen ,’ sagte der Jaͤger , ‘ den Kummer will ich euch bald vom Herzen nehmen . ’ Damit faßte er sie unter seinen Mantel , und wuͤnschte sich hinuͤber auf den Granatenberg , und im Augenblick saßen sie auch beide drauf . Da schimmerte das edele Gestein von allen Seiten , daß es eine Freude war anzusehen ,
und sie lasen das schoͤnste und kostbarste zusammen . Nun hatte es aber die Alte durch ihre Hexenkunst bewirkt , daß dem Jaͤger die Augen schwer wurden ; er sprach zu dem Maͤdchen ‘ wir wollen ein wenig niedersitzen und ruhen , ich bin so muͤde , daß ich mich nicht mehr auf den Fuͤßen erhalten kann . ’ Da setzten sie sich , und er legte sein Haupt in ihren Schooß , und schlief ein . Wie er entschlafen war , da band es ihm den Mantel von den Schultern , und hieng ihn um , las die Granaten und Steine auf , und wuͤnschte sich damit nach Haus .
Als aber der Jaͤger seinen Schlaf ausgethan hatte und aufwachte , sah er daß seine Liebste ihn betrogen und auf dem wilden Gebirg allein gelassen hatte . ‘ O ,’ sprach er , ‘ wie ist die Untreue so groß auf der Welt ! ’ saß da in Sorg und Herzeleid , und wußte nicht was er anfangen sollte . Der Berg aber gehoͤrte wilden und ungeheuern Riesen , die darauf wohnten und ihr Wesen trieben , und wie er so saß , sah er ihrer drei daher schreiten . Da dachte er ‘ wie kann ich mich anders retten , als daß ich mich schlafend stelle , ’ und legte sich geschwind nieder , als waͤr er in tiefen Schlaf versunken . Nun kamen die Riesen herbei , und der erste stieß ihn mit dem Fuß an , und sprach ‘ was liegt da fuͤr ein Erdwurm , und beschaut sich inwendig ? ’ Der zweite sprach ‘ tritt ihn todt . ’ Der dritte aber sprach veraͤchtlich ‘ das waͤre der Muͤhe werth ! laßt ihn nur leben , hier kann er nicht bleiben , und wenn er hoͤher bis auf die Bergspitze steigt , so packen ihn die Wolken und tragen ihn fort . ’ Unter diesem Gespraͤch giengen sie voruͤber , der Jaͤger aber hatte auf ihre Worte gemerkt , und sobald sie fort
waren , stand er auf , und klimmte den Berggipfel hinauf . Als er ein Weilchen da gesessen hatte , so schwebte eine Wolke heran , ergriff ihn , und trug ihn fort , und zog eine Zeit lang am Himmel her , dann senkte sie sich , und ließ sich uͤber einen großen , rings mit Mauern umgebenen Krautgarten nieder , also daß er zwischen Kohl und Gemuͤsen sanft auf den Boden kam .
Da sah der Jaͤger sich um , und sprach ‘ wenn ich nur etwas zu essen haͤtte , ich bin so hungrig , und mit dem Weiterkommen wirds schwer fallen ; aber hier seh ich keinen Apfel und keine Birne und keinerlei Obst , uͤberall nichts als Krautwerk . ’ Endlich dachte er ‘ zur Noth kann ich von dem Salat essen , der schmeckt nicht sonderlich , wird mich aber erfrischen . ’ Also suchte er sich ein schoͤnes Haupt aus , und aß davon , aber kaum hatte er ein paar Bissen hinab geschluckt , so war ihm so wunderlich zu Muthe , und er fuͤhlte sich ganz veraͤndert und bekam vier Beine , einen dicken Kopf und lange Ohren , und sah mit Schrecken daß er in einen Esel verwandelt war . Doch weil er dabei immer noch großen Hunger spuͤrte , und ihm der saftige Salat nach seiner jetzigen Natur ordentlich gut schmeckte , so aß er mit großer Gier immer zu . Endlich gelangte er an eine andere Art Salat , aber kaum hatte er etwas davon verschluckt , so fuͤhlte er aufs neue eine Veraͤnderung , und er kehrte gluͤcklich in seine menschliche Gestalt zuruͤck .
Nun legte sich der Jaͤger nieder , und schlief seine Muͤdigkeit aus , und als er am andern Morgen erwachte , brach er ein Haupt von dem boͤsen und dem guten Salat ab , und dachte ‘ das soll mir zu dem Meinigen wieder helfen , und die Treulosigkeit bestrafen . ’
Dann steckte er die Haͤupter zu sich , und kletterte uͤber die Mauer und gieng fort , das Schloß seiner Liebsten zu suchen . Als er ein paar Tage herumgestrichen war , fand er es gluͤcklicherweise wieder . Da braͤunte er sich schnell sein Gesicht , daß ihn seine eigene Mutter nicht erkannt haͤtte , gieng in das Schloß , und bat um eine Herberge . ‘Jch bin so muͤde ,’ sprach er , ‘ und kann nicht weiter . ’ Fragte die Hexe ‘Landsmann , wer seyd ihr , und was ist euer Geschaͤft ? ’ Er antwortete ‘ ich bin ein Bote , und war ausgeschickt , den koͤstlichsten Salat zu suchen , der unter der Sonne waͤchst . Jch bin auch so gluͤcklich gewesen ihn zu finden , und trage ihn bei mir , aber die Sonnenhitze brennt gar zu stark , daß mir das zarte Kraut zu welken droht , und ich nicht weiß ob ich es weiter bringen werde .’
Als die Alte von dem koͤstlichen Salat hoͤrte , ward sie luͤstern und sprach ‘lieber Landsmann , laßt mich doch den wunderbaren Salat versuchen . ’ ‘Warum nicht ? ’ antwortete er , ‘ ich habe zwei Haͤupter mitgebracht , und will euch eins geben ,’ machte seinen Sack auf , und reichte ihr das boͤse hin . Die Hexe dachte an nichts Arges , und der Mund waͤsserte ihr so sehr nach dem neuen Gericht , daß sie selbst in die Kuͤche gieng , und es zubereitete . Als er fertig war , konnte sie nicht warten , bis es auf dem Tisch stand , sondern sie nahm gleich ein paar Blaͤtter , und steckte sie in den Mund , kaum aber waren sie verschluckt , so war auch die menschliche Gestalt verloren , und sie lief als eine Eselin hinab in den Hof . Nun kam die Magd in die Kuͤche , sah den fertigen Salat da stehen , und wollte ihn auftragen , unterwegs aber uͤberfiel sie ,
nach alter Gewohnheit , die Lust zu versuchen , und sie aß ein paar Blaͤtter . Alsbald zeigte sich ihre Wunderkraft , und sie ward ebenfalls zu einer Eselin , und lief hinaus zu der Alten , und die Schuͤssel mit Salat fiel auf die Erde . Der Bote saß in der Zeit bei dem schoͤnen Maͤdchen , und als niemand mit dem Salat kam , und es doch auch luͤstern danach war , sprach es ‘ ich weiß nicht , wo der Salat bleibt . ’ Da dachte der Jaͤger ‘ das Kraut wird schon gewirkt haben ,’ und sprach ‘ ich will einmal nach der Kuͤche gehen ,’ und wie er hinab kam , sah er die zwei Eselinnen im Hof herumlaufen , und den Salat auf der Erde liegen . ‘Schon recht ,’ sprach er , ‘ die zwei haben ihr Theil weg ,’ und hob die uͤbrigen Blaͤtter auf , legte sie auf die Schuͤssel , und brachte sie dem Maͤdchen . ‘Jch bring euch selbst das koͤstliche Essen ,’ sprach er , ‘ damit ihr nicht laͤnger zu warten braucht . ’ Da aß sie davon , und war alsbald wie die uͤbrigen ihrer menschlichen Gestalt beraubt , und lief als eine Eselin in den Hof .
Nachdem sich der Jaͤger sein Angesicht gewaschen hatte , also daß ihn die Verwandelten erkennen konnten , gieng er hinab in den Hof , und sprach ‘ jetzt sollt ihr den Lohn fuͤr eure Untreue empfangen .’ Er band sie alle drei an ein Seil , und trieb sie fort , bis er zu einer Muͤhle kam . Er klopfte an das Fenster , der Muͤller streckte den Kopf heraus , und fragte was er wollte . ‘ Jch habe drei boͤse Thiere ,’ antwortete er , ‘ die ich nicht laͤnger behalten mag . Wollt ihr sie bei euch nehmen , Futter und Lager geben , und sie halten wie ich euch sage , so zahl ich dafuͤr , was ihr verlangt . ’ Sprach der Muͤller ‘ warum das nicht ? wie
soll ich sie aber halten ? ’ Da sagte der Jaͤger der alten Eselin , welche die Hexe war , sollte er taͤglich dreimal Pruͤgel und keinmal zu fressen geben ; der juͤngern , welche die Magd war , einmal Pruͤgel und dreimal Futter ; und der juͤngsten , welche das Maͤdchen war , keinmal Pruͤgel und dreimal zu fressen ; denn er konnte es doch nicht uͤber das Herz bringen , daß das Maͤdchen sollte geschlagen werden . Darauf gieng er zuruͤck in das Schloß , und was er noͤthig hatte , das fand er alles darin .
Nach ein paar Tagen kam der Muͤller , und sprach er muͤßte melden , daß die alte Eselin , die nur Schlaͤge bekommen haͤtte und nichts zu fressen , gestorben waͤre ; ‘ die zwei andern ,’ sagte er weiter , ‘ sind zwar nicht gestorben , und kriegen auch zu fressen , aber sie sind so traurig , daß es nicht lang mit ihnen dauern kann . ’ Da erbarmte sich der Jaͤger , und ließ allen Zorn fahren , und sprach zum Muͤller , er sollte sie wieder hertreiben . Und wie sie kamen , gab er ihnen von dem guten Salat zu fressen , daß sie wieder zu Menschen wurden . Da fiel das schoͤne Maͤdchen vor ihm auf die Knie und sprach ‘ ach , mein Liebster , verzeiht mir was ich Boͤses an euch gethan , meine Mutter hatte mich dazu gezwungen ; es ist gegen meinen Willen geschehen , denn ich habe euch von Herzen lieb . Euer Wunschmantel haͤngt in einem Schrank , und fuͤr das Vogelherz will ich einen Brechtrunk einnehmen . ’ Da ward er anderes Sinnes , und sprach ‘behalt es nur , es ist gleich eins , denn ich will dich zu meiner treuen Ehegemahlin annehmen . ’ Und da ward Hochzeit gehalten , und sie lebten vergnuͤgt mit einander bis an ihren Tod .
123.
Die Alte im Wald .
E s fuhr einmal ein armes Dienstmaͤdchen mit seiner Herrschaft durch einen großen Wald , und als sie mitten darin waren , kamen Raͤuber aus dem Dickicht hervor , und ermordeten wen sie fanden . Da kamen alle mit einander um bis auf das Maͤdchen , das war in der Angst aus dem Wagen gesprungen , und hatte sich hinter einen Baum verborgen . Wie die Raͤuber mit ihrer Beute fort waren , trat es herbei , und sah das große Ungluͤck . Da fieng es an bitterlich zu weinen , und sagte ‘ was soll ich armes Maͤdchen nun anfangen , ich weiß mich nicht aus dem Wald heraus zu finden , keine Menschenseele wohnt darin , so muß ich gewiß verhungern . ’ Es gieng herum , suchte einen Weg , konnte aber keinen finden . Als es Abend war , setzte es sich unter einen Baum , befahl sich Gott , und wollte da sitzen bleiben , und nicht weggehen , moͤchte geschehen was immer wollte . Als es aber eine Weile da gesessen hatte , kam ein weiß Taͤubchen zu ihm geflogen , und hatte ein kleines goldenes Schluͤsselchen im Schnabel . Das Schluͤsselchen legte es ihm in die Hand , und sprach ‘siehst du dort den großen Baum , daran ist ein kleines Schloß , das schließ mit dem Schluͤsselchen auf , so wirst du Speise genug finden , und keinen
Hunger mehr leiden . ’ Da gieng es zu dem Baum , und schloß ihn auf , und fand Milch in einem kleinen Schuͤsselchen , und Weißbrot zum Einbrocken dabei , daß es sich satt essen konnte . Als es satt war , sprach es ‘ jetzt ist die Zeit , wo die Huͤhner daheim auffliegen , ich bin so muͤde , koͤnnt ich mich doch auch in mein Bett legen . ’ Da kam das Taͤubchen wieder geflogen , und brachte ein anderes goldenes Schluͤsselchen im Schnabel , und sagte ‘ schließ dort den Baum auf , so wirst du ein Bett finden . ’ Da schloß es auf , und fand ein schoͤnes weiches Bettchen , da betete es zum lieben Gott , er moͤchte es behuͤten in der Nacht , legte sich , und schlief ein . Am Morgen kam das Taͤubchen zum drittenmal , brachte wieder ein Schluͤsselchen , und sprach ‘schließ dort den Baum auf , da wirst du Kleider finden ,’ und wie es aufschloß , fand es Kleider mit Gold und Edelsteinen besetzt , so herrlich , wie sie keine Koͤnigstochter hat . Also lebte es da eine Zeit lang , und kam das Taͤubchen alle Tage , und sorgte fuͤr alles , was es bedurfte , und war das ein stilles , gutes Leben .
Einmal aber kam das Taͤubchen , und sprach ‘willst du mir etwas zu Liebe thun ? ’ ‘ Von Herzen gerne ’ sagte das Maͤdchen . Da sprach das Taͤubchen ‘ ich will dich zu einem kleinen Haͤuschen fuͤhren , da geh hinein , mittendrin am Heerd wird eine alte Frau sitzen und guten Tag sagen . Aber gib ihr bei Leibe keine Antwort , sie mag auch anfangen was sie will , sondern geh zu ihrer rechten Hand weiter , da ist eine Thuͤre , die mach auf , so wirst du in eine Stube kommen , wo eine große Menge von Ringen allerlei Art auf dem Tisch liegt , darunter sind praͤchtige mit
glitzerigen Steinen , die laß aber liegen , und suche einen schlichten heraus , der auch darunter seyn muß , und bring ihn zu mir her , so geschwind du kannst . ’ Da gieng das Maͤdchen hin zu dem Haͤuschen , und trat zu der Thuͤre ein , da saß eine Alte , die machte große Augen wie sie es sah , und sprach ‘ guten Tag mein Kind . ’ Es gab ihr keine Antwort , und gieng auf die Thuͤre zu . ‘ Wo hinaus ? ’ rief sie , und faßte es beim Rock , und wollt es festhalten , ‘ das ist mein Haus , da darf niemand herein , wenn ichs nicht haben will . ’ Aber das Maͤdchen schwieg immer still , machte sich von ihr los , und gieng gerade in die Stube hinein . Da lag nun auf dem Tisch eine uͤbergroße Menge von Ringen , die glitzten und glimmerten ihm vor den Augen , es warf sie herum , und suchte nach dem schlichten , konnte ihn aber nicht finden . Wie es so suchte , sah es die Alte , wie sie daher schlich , und einen Vogelkaͤfig in der Hand hatte , und damit fort wollte ; da gieng es auf sie zu , und nahm ihr den Kaͤfig aus der Hand , und wie es ihn aufhob , und hinein sah , saß ein Vogel darin , der hatte den schlichten Ring im Schnabel . Da nahm es den Ring , und lief ganz froh damit zum Haus hinaus , und dachte das weiße Taͤubchen wuͤrde kommen , und den Ring holen , aber es kam nicht . Da lehnte es sich an einen Baum , und wollte auf das Taͤubchen warten , und wie es so stand , da war es als waͤre der Baum weich und biegsam , und senkte seine Zweige herab . Und auf einmal schlangen sich die Zweige um es herum , und waren zwei Arme , und wie es sich umsah , war der Baum ein schoͤner Mann , der es umfaßte , und herzlich kuͤßte , und sagte ‘ du
hast mich erloͤst und aus der Gewalt der Alten befreit , die eine boͤse Hexe ist . Sie hatte mich in einen Baum verwandelt , und alle Tage ein paar Stunden war ich eine weiße Taube , und so lang sie den Ring besaß , konnte ich meine menschliche Gestalt nicht wieder erhalten . ’ Da waren auch seine Bedienten und Pferde von dem Zauber frei , und keine Baͤume mehr , und standen neben ihm ; da fuhren sie fort in sein Reich , denn er war eines Koͤnigs Sohn , heiratheten sich , und lebten gluͤcklich .
124.
Die drei Bruͤder .
E s war ein Mann , der hatte drei Soͤhne , und weiter nichts im Vermoͤgen als das Haus , worin er wohnte . Nun haͤtte jeder gerne nach seinem Tod das Haus gehabt , dem Vater war aber einer so lieb als der andere , da wußt er gar nicht wie ers anfangen sollte , daß er keinem zu nahe thaͤt ; verkaufen wollt er das Haus auch nicht , weils von seinen Voreltern war , sonst haͤtte er das Geld unter sie getheilt . Da fiel ihm endlich ein Rath ein , und er sprach zu seinen Soͤhnen ‘ geht in die Welt , und versucht euch , und lerne jeder ein Handwerk , wenn ihr dann wiederkommt , wer das beste Meisterstuͤck macht , der soll das Haus haben .’
Das waren die Soͤhne zufrieden , und der aͤltste wollte ein Hufschmied , der zweite ein Barbier , der dritte aber ein Fechtmeister werden . Darauf bestimmten sie eine Zeit , wo sie wieder nach Haus zusammen kommen wollten , und zogen fort . Es traf sich auch , daß jeder einen tuͤchtigen Meister fand , wo er was rechtschaffenes lernte . Der Schmied mußte des Koͤnigs Pferde beschlagen , und dachte ‘ nun kann dirs nicht fehlen , du kriegst das Haus . ’ Der Barbier rasirte lauter vornehme Herrn , und meinte
auch das Haus waͤre schon sein . Der Fechtmeister kriegte manchen Hieb , biß aber die Zaͤhne zusammen , und ließ sichs nicht verdrießen , denn er dachte bei sich ‘ fuͤrchtest du dich vor einem Hieb , so kriegst du das Haus nimmermehr . ’ Als nun die gesetzte Zeit herum war , kamen sie bei ihrem Vater wieder zusammen , sie wußten aber nicht wie sie die beste Gelegenheit finden sollten , ihre Kunst zu zeigen , saßen beisammen und rathschlagten . Wie sie so saßen , kam auf einmal ein Hase uͤbers Feld daher gelaufen . ‘ Ei ,’ sagte der Barbier , ‘ der kommt wie gerufen ,’ nahm Becken und Seife , schaumte , bis der Hase in die Naͤhe kam , dann seifte er ihn in vollem Laufe ein , und rasierte ihm auch in vollem Laufe ein Stutzbaͤrtchen , und dabei schnitt er ihn nicht , und that ihm an keinem Haare weh . ‘ Das gefaͤllt mir ,’ sagte der Vater , ‘ wenn sich die andern nicht gewaltig angreifen , so ist das Haus dein . ’ Es waͤhrte nicht lang , so kam ein Herr in einem Wagen daher gerennt in vollem Jagen . ‘ Nun sollt ihr sehen , Vater , was ich kann ,’ sprach der Hufschmied , sprang dem Wagen nach , riß dem Pferd , das in einem fort jagte , die vier Hufeisen ab , und schlug ihm auch im Jagen vier neue wieder an . ‘ Du bist ein ganzer Kerl ,’ sprach der Vater , ‘ du machst deine Sachen so gut , wie dein Bruder ; ich weiß nicht , wem ich das Haus geben soll . ’ Da sprach der dritte ‘Vater , laßt mich auch einmal gewaͤhren ,’ und weil es anfieng zu regnen zog er seinen Degen , und schwenkte ihn in Kreuzhieben uͤber seinem Kopf , daß kein Tropfen auf ihn fiel ; und als der Regen staͤrker ward , und endlich so stark , als ob man mit Mulden vom Himmel goͤße , schwang er den Degen
immer schneller , und blieb so trocken , als saͤß er unter Dach und Fach . Wie der Vater das sah , erstaunte er , und sprach ‘ du hast das beste Meisterstuͤck gemacht , das Haus ist dein .’
Die beiden andern Bruͤder waren damit zufrieden , wie sie vorher gelobt hatten , und weil sie sich einander so lieb hatten , blieben sie alle drei zusammen im Haus , und trieben ihr Handwerk ; und da sie so gut ausgelernt hatten und so geschickt waren , verdienten sie viel Geld . So lebten sie vergnuͤgt bis in ihr Alter zusammen , und als der eine krank ward und starb , graͤmten sich die zwei andern so sehr daruͤber , daß sie auch krank wurden und bald starben . Da wurden sie , weil sie so geschickt gewesen und sich so lieb gehabt , alle drei in ein Grab gelegt .
125.
Der Teufel und seine Großmutter .
E s war ein großer Krieg , und der Koͤnig gab seinen Soldaten wenig Sold , so daß sie nicht davon leben konnten . Da thaten sich drei zusammen , und wollten ausreißen . Einer sprach zum andern ‘ wenn wir aber gekriegt werden , haͤngt man uns an den Galgenbaum ; wie wollen wir das machen ? ’ Sprach der andere ‘ da steht ein großes Kornfeld , wenn wir hineinkriechen , findet uns kein Mensch , das Heer kommt nicht hinein . ’ Da krochen sie hinein , und saßen zwei Tage und zwei Naͤchte im Korn , hatten aber so großen Hunger , daß sie beinah gestorben waͤren , denn sie durften nicht heraus . Da sprachen sie ‘ was hilft uns unser Ausreißen , wir muͤssen elendig im Korn sterben . ’ Jndem kam ein feuriger Drache uͤber das Kornfeld durch die Luft geflogen , der sah sie liegen , und fragte ‘ was thut ihr drei da im Korn ? ’ Sie antworteten ‘ wir sind drei ausgerissene Soldaten , wir konnten von unserem Sold nicht laͤnger im Heer leben , nun muͤssen wir hier Hungers sterben , weil das Heer rund herum liegt , und wir nicht entrinnen koͤnnen . ’ ‘ Wollt ihr mir sieben Jahre dienen ,’ sagte der Drache , ‘ so will ich euch mitten durchs Heer fuͤhren , daß euch niemand kriegen soll ? ’ ‘ Wir haben keine Wahl , und sinds
zufrieden ’ antworteten sie . Da nahm sie der Drache in seine Klauen , und unter seine Fittiche , brachte sie durch die Luft uͤber das Heer weg in Sicherheit , und setzte sie wieder auf die Erde . Er war aber der Teufel , und gab ihnen ein kleines Peitschchen , womit sie sich Geld peitschen konnten so viel sie wollten . ‘ Damit ,’ sprach er , ‘ koͤnnt ihr große Herren werden , und in Wagen fahren ; nach Verlauf der sieben Jahre aber seyd ihr mein eigen , ’ und hielt ihnen ein Buch vor , in das mußten sie alle drei unterschreiben . ‘ Doch will ich euch ,’ sagte er , ‘ dann erst noch ein Raͤthsel geben , koͤnnt ihr das rathen , sollt ihr frei und aus meiner Gewalt seyn . ’ Da gieng der Drache von ihnen weg , und sie reisten fort mit ihren Peitschchen , hatten Geld die Fuͤlle , ließen sich Herrenkleider machen , und zogen in der Welt herum . Wo sie waren , lebten sie in Freuden und Herrlichkeit , fuhren mit Pferden und Wagen , aßen und tranken , und die sieben Jahre strichen in kurzer Zeit um . Als es nun bald ans Ende kam , wurde ihnen angst und bang , zwei waren ganz betruͤbt , der dritte aber nahms auf die leichte Schulter , und sprach ‘Bruͤder , fuͤrchtet nichts , vielleicht koͤnnen wir das Raͤthsel rathen . ’ Wie sie so zusammen saßen , kam eine alte Frau daher , die fragte warum sie so traurig waͤren . ‘ Ach , was liegt euch daran , ihr koͤnnt uns doch nicht helfen . ’ ‘ Wer weiß das , vertraut mir nur euren Kummer . ’ Da erzaͤhlten sie ihr daß sie fast sieben Jahr dem Teufel gedient haͤtten , der haͤtte ihnen Geld wie Heu geschafft , sie haͤtten sich ihm aber verschrieben , und waͤren sein Eigenthum , wenn sie nach den sieben Jahren nicht ein Raͤthsel aufloͤsen koͤnnten . Die Alte
sprach ‘ soll euch geholfen werden , so muß einer von euch zum Wald hinein gehen , und da wird er an eine zerfallene Klippe kommen , die aussieht wie ein Haͤuschen . ’ Die zwei traurigen dachten ‘ das wird uns doch nicht retten ,’ und blieben vor dem Wald , der dritte lustige machte sich auf , und fand alles so , wie die Frau gesagt hatte ; in dem Haͤuschen aber saß eine steinalte Frau , die war des Teufels Großmutter , und fragte ihn woher er kaͤme und was er wollte . Da erzaͤhlte er ihr alles , und weil er ein gar schoͤner Mensch war , hatte sie Erbarmen , und hob einen großen Stein auf . ‘Darunter sitz ganz still , wann der Drache kommt , will ich ihn um die Raͤthsel fragen . ’ Um zwoͤlf Uhr Nachts kam der Drache geflogen , und wollte sein Essen , da deckte ihm seine Großmutter den Tisch , und trug Trank und Speise auf , daß er vergnuͤgt war , und sie aßen und tranken zusammen . Da fragte sie ihn im Gespraͤch wies den Tag ergangen waͤre , wie viel Seelen er kriegt haͤtte . ‘ Jch habe noch drei Soldaten , die sind mein’ sprach er . ‘ Ja , drei Soldaten ,’ sagte sie , ‘ die haben etwas an sich , die koͤnnen dir noch entkommen . ’ Sprach der Teufel hoͤhnisch ‘ die sind mir gewiß , denen gebe ich ein Raͤthsel auf , daß sie nimmermehr rathen koͤnnen . ’ ‘ Was ist das fuͤr ein Raͤthsel ? ’ fragte sie . ‘ Das will ich dir sagen : in der großen Nordsee liegt eine todte Meerkatze , das soll ihr Braten seyn ; und von einem Wallfisch die Rippe , das soll ihr silberner Loͤffel seyn ; und ein alter Pferdefuß , das soll ihr Weinglas seyn . ’ Da gieng der Teufel fort zu schlafen , und die alte Großmutter hob den Stein auf , und ließ den Soldaten heraus . ‘Hast du auch alles wohl in
Acht genommen ? ’ ‘ Ja ,’ sprach er , ‘ ich weiß genug , und will mir schon helfen . ’ Darauf mußte er einen andern Weg durchs Fenster schnell zu seinen Gesellen gehen , damit ihn der Teufel nicht merkte . Wie er nun zu den andern kam , erzaͤhlte er ihnen was er gehoͤrt hatte , und sie konnten nun rathen was sonst keine Seele gerathen haͤtte . Da waren sie alle froͤhlich und guter Dinge , und peitschten sich Geld genug . Als nun die sieben Jahre voͤllig herum waren , kam der Teufel mit dem Buche , zeigte die Unterschriften und sprach ‘ ich will euch nun in die Hoͤlle mitnehmen , da sollt ihr eine Mahlzeit haben , koͤnnt ihr mir rathen , was ihr fuͤr einen Braten werdet zu essen kriegen , so sollt ihr frei , und los seyn , und das Peitschchen dazu behalten . ’ Da fieng der erste Soldat an ‘ in der großen Nordsee liegt eine todte Meerkatze , das wird wohl der Braten seyn . ’ Der Teufel aͤrgerte sich , machte ‘ hm ! hm ! hm ! ’ und fragte den zweiten ‘ was soll aber euer Loͤffel seyn ? ’ Da antwortete er ‘ von einem Wallfisch die Rippe , das soll unser silberner Loͤffel seyn . ’ Der Teufel schnitt ein Gesicht , knurrte wieder dreimal ‘ hm ! hm ! hm ! ’ und sprach zum dritten ‘ wißt ihr auch was euer Weinglas seyn soll ? ’ ‘ Ein alter Pferdefuß ,’ antwortete er , ‘ das soll unser Weinglas seyn . ’ Da flog der Teufel fort , ließ sie im Stich , und hatte keine Gewalt mehr uͤber sie ; aber die drei behielten das Peitschchen , schlugen Geld hervor , so viel sie wollten , und lebten vergnuͤgt bis an ihr Ende .
126.
Ferenand getruͤ un Ferenand ungetruͤ .
E t was mal en Mann un ’ne Fru west , de hadden so lange se rick woͤren kene Kinner , as se awerst arm woren , da kregen se en kleinen Jungen. Se kunnen awerst kenen Paen dato kregen , da segde de Mann , he wulle mal na den annern Ohre ( Orte ) gahn , un tosehn ob he da enen krege . Wie he so gienk , begegnete uͤnn en armen Mann , de frog en wo he huͤnne wulle , he segde he wulle huͤnn , un tosehn dat he ’n Paen kriegte , he sie arm , un da wulle uͤnn ken Minske to Gevaher stahn . ‘ O ,’ segde de arme Mann , ‘ gi sied arm , un ik sie arm , ik will guhe ( euer ) Gevaher weren ; ik sie awerst so arm , ik kann dem Kinne nix giwen , gahet hen , un segget de Baͤhmoer ( Wehmutter ) se sulle man mit den Kinne na der Kerken kummen . ’ Ase se nu tohaupe na der Kerken kummet , da is de Bettler schaun darinne , de givt dem Kinne den Namen Ferenand getruͤ .
Wie he nu ut der Kerken gahet , da segd de Bettler , ‘ nu gahet man na Hus , ik kann guh ( euch ) nix giwen , un gi suͤllt mi ok nix giwen . ’ De Baͤhmoer awerst gav he ’n Schluͤttel , un segd er se moͤgt en , wenn se na Hus kaͤme , dem Vaer giwen , de sull ’n verwahren , bis dat Kind vertein Johr old woͤre , dann
sull et up de Heide gahn , da woͤre ’n Schlott , dato paßte de Schluͤttel , wat darin woͤre , dat sulle em hoͤren . Wie dat Kind nu sewen Johr alt wor un duͤet ( tuͤchtig ) wassen wor , gienk et mal spilen mit annern Jungens , da hadde de eine noch mehr vom Paen kriegt , ase de annere , he awerst kunne nix seggen , un da grinde he , un gienk na Hus , un segde tom Vaer ‘ hewe ik denn gar nix vom Paen kriegt ? ’ ‘ O ja ,’ segde de Vaer , ‘ du hest en Schluͤttel kriegt , wenn up de Heide ’n Schlott steit , so gah man hen un schlut et up . ’ Da gienk he hen , awerst et was kein Schlott to hoͤren un to sehen . Wier na sewen Jahren , ase he vertein Johr old is , geit he nochmals hen , da steit en Schlott darup . Wie he et upschloten het , da is der nix enne , ase ’n Perd , ’n Schuͤmmel . Da werd de Junge so vuller Fruͤden , dat he dat Perd hadde , dat he sik darup sett , un to sinen Vaer jegd ( jagt ) . ‘ Nu hew ik auck ’n Schuͤmmel , nu will ik auck reisen ’ segd he .
Da treckt he weg , un wie he unnerweges is , ligd da ’ne Schriffedder up ’n Wegge , he will se eist ( erst ) upnuͤmmen , da denkt he awerst wier bie sich ‘o , du suͤst se auck liggen laten , du findst ja wul , wo du hen kuͤmmst , ’ne Schriffedder , wenn du eine bruckest . ’ Wie he so weggeit , da roppt et hinner uͤm ‘Ferenand getruͤ , nuͤmm se mit .’ He suͤt sik uͤmme , suͤt awerst keinen , da geit he wier torugge , un nuͤmmt se up . Wie he wier ’ne Wile rien ( geritten ) is , kuͤmmt he bie ’n Water vorbie , so ligd da en Fisk am Oewer ( Ufer ) , un snappet un happet na Luft ; so segd he ‘ toͤv , min lewe Fisk , ik will die helpen , dat du in’t Water
kuͤmmst ,’ un gript ’n bie’n Schwans , un werpt ’n in’t Water . Da steckt de Fisk den Kopp ut den Water , un segd ‘ nu du mie ut den Koth holpen hest , will ik die ’ne Floͤtenpiepen giwen , wenn du in de Naud bist , so floͤte derup : dann will ik die helpen ; wenn du mal wat in’t Water hest fallen laten , so floͤte man , so will ik et die herut reicken . ’ Nu ritt he weg , da kuͤmmt so ’n Minsk to uͤm , de fraͤgt ’n , wo he hen wull . ‘ O , na den neggsten Ohre . ’ ‘ Wu he dann heite ? ’ ‘Ferenand getruͤ . ’ ‘Suͤ , da hewe wie ja fast den suͤlwigen Namen , ik heite Ferenand ungetruͤ . ’ Da trecket se beide na den neggsten Ohre in dat Wertshus .
Nu was et schlimm , dat de Ferenand ungetruͤ allet wuste , wat ’n annerer dacht hadde , un doen wulle ; dat wust he doͤre so allerhand slimme Kunste . Et was awerst im Werthshuse so ’n wacker Maͤken , dat hadde ’n schier ( klares ) Angesicht , un drog sik so huͤbsch ; dat verleiv sik in den Ferenand getruͤ , denn et was ’n huͤbschen Minschen west , un frog’n , wo he hen to wulle . ‘ O , he wulle so heruͤmmer reisen . ’ Da segd se so sull he doch nur da bliewen , et woͤre hier to Lanne ’n Kuͤnig , de neime wul geren n’ Bedeenten oder ’n Vorruͤter ; dabie sulle he in Diensten gahn . He antworde ‘ he kuͤnne nig gud so to einen hingahen , un been sik an .’ Da segde det Maͤken ‘o , dat will ik dann schun dauen . ’ Un so gienk se auck stracks hen na den Kuͤnig , un sehde uͤnn se wuͤste uͤnn ’n huͤbschen Bedeenten . Dat was de wol tofreen , un leit ’n to sik kummen , un wull ’n tom Bedeenten macken . He wull awerst leewer Vorruͤter sin , denn wo sin Perd woͤre , da moͤst he auck sin ; da mackt ’n de Kuͤnig tom Vorruͤter . Wie duͤ
de Ferenand ungetruͤ gewahr wore , da segd he to den Maͤken ‘ toͤv , helpest du den an , un mie nig ? ’ ‘ O ,’ segd dat Maͤken , ‘ ik will ’n auck anhelpen . ’ Se dachte ‘ den most du die tom Fruͤnne wahren , denn he is nig to truen . ’ Se geit alse vorm Kuͤnig stahn , un beed ’n als Bedeenten an ; dat is de Kuͤnig tofreen .
Wenn he nu also det Morgens den Heren antrock , da jammerte de juͤmmer ‘o wenn ik doch eist mine Leiveste bie mie haͤdde . ’ De Ferenand ungetruͤ war awerst dem Ferenand getruͤ juͤmmer uppsettsig , wie asso de Kuͤnig mal wier so jammerte , da segd he ‘ Sie haben ja den Vorreiter , den schicken Sie hin , der muß sie herbeischaffen , und wenn er es nicht thut , so muß ihm der Kopf vor die Fuͤße gelegt werden . ’ Do leit de Kuͤnig den Ferenand getruͤ to sik kummen , un sehde uͤm he haͤdde da un da ’ne Leiweste , de sull he uͤnn herschappen , wenn he dat nig deie , sull he sterwen .
De Ferenand getruͤ gienk in Stall to sinen Schuͤmmel , un grinde un jammerde . ‘ O wat sin ik ’n ungluͤcksch Minschenkind . ’ Da roͤppet jeimes hinner uͤm ‘Ferdinand getreu , was weinst du ? ’ He suͤt sik um , suͤt awerst neimes , un jammerd juͤmmer fort ‘o min lewe Schuͤmmelken , nu mot ik die verlaten , nu mot ik sterwen . ’ Do roͤppet et wier ‘Ferdinand getreu , was weinst du ? ’ Do merke he eist dat dat sin Schuͤmmelken deit , dat Fragen . ‘Doͤst du dat , min Schuͤmmelken , kast du kuͤren ( reden ) ? ’ Un segd wier ‘ ik sull da un da hen , un sull de Brut halen , west du nig wie ik dat wol anfange . ’ Da antwoerd dat Schuͤmmelken
‘ gah du na den Kuͤnig , un segg wenn he die giwen wulle wat du hewen moͤstest , so wullest du se uͤnn schappen : wenn he die ’n Schipp vull Fleisk , un ’n Schipp vull Brod giwen wulle , so sull et gelingen ; da woͤren de grauten Riesen up den Water , wenn du denen ken Fleisk midde braͤchtes , so terreitn se die : un da woͤren de grauten Vuͤggel , de pickeden die de Ogen ut den Koppe , wenn du ken Brod vor se haͤddest . ’ Da lett de Kuͤnig alle Slaͤchter im Lanne slachten , un alle Becker backen , dat de Schippe vull werdt . Wie se vull sied , segd dat Schuͤmmelken tom Ferenand getruͤ ‘nu gah man up mie sitten , un treck mit mie in’t Schipp , wenn dann de Riesen kuͤmmet , so segg
‘ still , still , meine lieben Riesechen ,
ich hab euch wohl bedacht ,
ich hab euch was mitgebracht .’
Un wenn de Vuͤggel kuͤmmet , so seggst du wier
‘ still , still , meine lieben Voͤgelchen ,
ich hab euch wohl bedacht ,
ich hab euch was mitgebracht .’
Dann doet sie die nix , un wenn du dann bie dat Schlott kuͤmmst , dann helpet die de Riesen , dann gah up dat Schlott un nuͤmm ’n Paar Riesen mit , da ligd de Prinzessin , un schloͤppet ; du darfst se awerst nig upwecken , sonnern de Riesen moͤtt se mit den Bedde upnuͤmmen , un in dat Schipp dregen .’ ( Und da geschah nun alles , wie das Schimmelchen gesagt hatte , und den Riesen und den Voͤgeln gab der Ferenand getruͤ was er ihnen mitgebracht hatte , dafuͤr wurden die Riesen willig , und trugen die Prinzessin im Bett
zum Koͤnig . ) Un ase se tom Kuͤnig kuͤmmet , segd se se kuͤnne nig liwen , se moͤste ere Schrifften hewen , de woͤren up eren Schlotte liggen bliwen . Da werd de Ferenand getruͤ up Anstifften det Ferenand ungetruͤ roopen , un de Kuͤnig beduͤtt uͤnn he sulle de Schriften von den Schlotte halen , suͤst sull he sterwen . Da geit he wier in Stall , un grind , un segd ‘o min lewe Schuͤmmelken , nu sull ik noch ’n mal weg , wie suͤll wie dat macken ? ’ Da segd de Schuͤmmel se sullen dat Schipp man wier vull laen ( laden ) . ( Da geht es wieder wie das vorigemal , und die Riesen und Voͤgel werden von dem Fleisch gesaͤttigt und besaͤnftigt . ) Ase se bie dat Schlott kuͤmmet , segd de Schuͤmmel to uͤnn he sulle man herin gahn , in den Schlapzimmer der Prinzessin , up den Diske , da laͤgen de Schrifften . Da geit Ferenand getruͤ huͤn , un langet se . Ase se up ’n Water sind , da let he sine Schriffedder in’t Water fallen , da segd de Schuͤmmel ‘ nu kann ik die awerst nig helpen .’ Da faͤllt’n dat bie mit de Floͤtepiepen , he faͤnkt an to floͤten , da kuͤmmt de Fisk , un het de Fedder im Mule , un langet se’m hen . Nu bringet he de Schrifften na den Schlotte , wo de Hochtid hallen werd .
De Kuͤnigin mogte awerst den Kuͤnig nig lien , weil he keine Nese hadde , sonnern se mogte den Ferenand getruͤ geren lien . Wie nu mal alle Herens vom Hove tosammen sied , so segd de Kuͤnigin , se koͤnne auck Kunstuͤcke macken , se kuͤnne einen den Kopp afhoggen , un wier upsetten , et sull nur mant einer versoͤcken . Da wull awerst kener de eiste sien , da mott Ferenand getruͤ daran , wier up Anstifften von Ferenand ungetruͤ , den hogget se den
Kopp af , un sett ’n uͤnn auck wier up , et is auck glick wier tau heilt , dat et ut sach ase haͤdde he’n roen Faen ( Faden ) uͤm ’n Hals . Da segd de Kuͤnig to ehr ‘ mein Kind , wo hast du denn das gelernt ? ’ ‘ Ja ,’ segd se , ‘ die Kunst versteh ich , soll ich es an dir auch einmal versuchen ? ’ ‘ O ja’ segd he . Da hogget se en awerst den Kopp af , un sett ’n en nig wier upp , se doet as ob se’n nig darup kriegen kuͤnne , un as ob he nig fest sitten wulle . Da werd de Kuͤnig begrawen , se awerst frigget den Ferenand getruͤ .
He ride awerst juͤmmer sinen Schuͤmmel , un ase he mal darup sat , da segd de to em he sulle mal up ’ ne annere Heide , de he em wist , trecken , und da dreimal mit em herummerjagen . Wie he dat dahen hadde , da geit de Schuͤmmel up de Hinnerbeine stahn , un verwannelt sik in ’n Kuͤnigssuhn .
127.
Der Eisenofen .
Z ur Zeit , wo das Wuͤnschen noch geholfen hat , ward ein Koͤnigssohn von einer alten Hexe verwuͤnscht , daß er im Walde in einem großen Eisenofen sitzen sollte . Da brachte er nun viele Jahre zu , und konnte ihn niemand erloͤsen . Einmal kam eine Koͤnigstochter in den Wald , die hatte sich irre gegangen , und konnte ihres Vaters Reich nicht wieder finden ; neun Tage war sie so herum gegangen , und stand zuletzt vor dem eisernen Kasten . Da fragte er sie ‘ wo kommst du her , und wo willst du hin ? ’ Sie antwortete ‘ ich habe meines Vaters Koͤnigreich verloren , und kann nicht wieder nach Haus kommen . ’ Da sprachs aus dem Eisenofen ‘ ich will dir wieder nach Haus verhelfen in einer kurzen Zeit , wann du dich willst unterschreiben zu thun was ich verlange . Jch bin ein groͤßerer Koͤnigssohn , als du eine Koͤnigstochter , und will dich heirathen . ’ Da erschrak sie , und dachte ‘lieber Gott , was soll ich mit dem Eisenofen anfangen ! ’ Weil sie aber gerne wieder zu ihrem Vater heim wollte , unterschrieb sie sich doch zu thun was er verlangte . Er sprach aber ‘ du sollst wiederkommen , ein Messer mitbringen und ein Loch in das Eisen schrappen .’ Dann gab er ihr jemand zum Gefaͤhrten , der gieng
nebenher , und sprach nicht ; er brachte sie aber in zwei Stunden nach Haus . Nun war große Freude im Schloß , als die Koͤnigstochter wieder kam , und der alte Koͤnig fiel ihr um den Hals , und kuͤßte sie . Sie war aber sehr betruͤbt , und sprach ‘lieber Vater , wie mirs gegangen hat ! ich waͤre nicht wieder nach Haus gekommen aus dem großen wilden Walde , wann ich nicht waͤre bei einen eisernen Ofen gekommen , dem habe ich mich muͤssen dafuͤr unterschreiben , daß ich wollte wieder zu ihm zuruͤckkehren , ihn erloͤsen , und heirathen . ’ Da erschrak der alte Koͤnig so sehr , daß er beinahe in eine Ohnmacht gefallen waͤre , denn er hatte nur die einzige Tochter . Berathschlagten sich also , sie wollten die Muͤllerstochter , die schoͤn waͤre , an ihre Stelle nehmen ; fuͤhrten die hinaus , gaben ihr ein Messer , und hießen ihr an dem Eisenofen schaben . Sie schrappte auch vier und zwanzig Stunden lang , konnte aber nicht das geringste herabbringen . Wie nun der Tag anbrach , riefs in dem Eisenofen ‘ mich daͤucht es ist Tag draußen . ’ Da antwortete sie ‘ das daͤucht mich auch , ich meint ich hoͤrte meines Vaters Muͤhle rappeln . ’ ‘ So bist du ja eine Muͤllerstochter , dann geh gleich hinaus , und laß die Koͤnigstochter herkommen . ’ Da gieng sie hin , und sagte dem alten Koͤnig der draußen wollte sie nicht , er wollte seine Tochter . Da erschrack der alte Koͤnig , und die Tochter weinte ; sie hatten aber noch eine schoͤne Schweinehirtentochter , die war noch schoͤner , als die Muͤllerstochter , der wollten sie ein Stuͤck Geld geben , damit sie fuͤr die Koͤnigstochter zum eisernen Ofen gienge . Also ward sie hinausgebracht , und mußte auch vier und zwanzig Stunden lang
schrappen , sie brachte aber nichts davon . Wie nun der Tag anbrach , riefs im Ofen ‘ mich daͤucht es ist Tag draußen . ’ Da antwortete sie ‘ das daͤucht mich auch , ich meint ich hoͤrte meines Vaters Hoͤrnchen tuͤten . ’ ‘ So bist du ja eine Schweinehirtentochter , dann geh gleich hinaus , und laß die Koͤnigstochter kommen ; und sag ihr es sollt ihr widerfahren , was ich ihr versprochen haͤtte , und wann sie nicht kaͤme , sollte im ganzen Reich alles zerfallen und einstuͤrzen , und kein Stein auf dem andern bleiben . ’ Als die Koͤnigstochter das hoͤrte , fieng sie an zu weinen , es war aber nun nicht anders , sie mußte ihr Versprechen halten . Da nahm sie Abschied von ihrem Vater , steckte ein Messer ein , und gieng zu dem Eisenofen in den Wald hinaus . Wie sie nun angekommen war , hub sie an zu schrappen , und das Eisen gab nach , und wie zwei Stunden vorbei waren , hatte sie schon ein kleines Loch geschabt . Da guckte sie hinein , und sah einen so schoͤnen Koͤnigssohn , ach , der glimmerte , daß er ihr recht in der Seele gefiel . Nun da schrappte sie noch weiter fort , und machte das Loch so groß , daß er heraus konnte . Da sprach er ‘ du bist mein , und ich bin dein , du bist meine Braut , und hast mich erloͤst . ’ Sie bat sich aus daß sie noch einmal duͤrfte zu ihrem Vater gehen , und der Koͤnigssohn erlaubte es ihr , sie sollte aber nicht mehr mit ihrem Vater sprechen als drei Worte , und dann sollte sie wiederkommen . Also gieng sie heim , sie sprach aber mehr als drei Worte , da verschwand alsbald der Eisenofen und war weit weg uͤber glaͤserne Berge und schneidende Schwerter ; doch war der Koͤnigssohn erloͤst , und nicht mehr darin eingeschlossen .
Danach nahm sie Abschied von ihrem Vater , und nahm etwas Geld mit , aber nicht viel , gieng wieder in den großen Wald , und suchte den Eisenofen , allein der war nicht wieder zu finden . Neun Tage suchte sie , da ward ihr Hunger so groß , daß sie sich nicht zu helfen wußte , denn sie hatte nichts mehr zu leben . Und als es Abend wurde , setzte sie sich auf einen kleinen Baum , und gedachte darauf die Nacht hinzubringen , weil sie sich vor den wilden Thieren fuͤrchtete . Als nun Mitternacht heran kam , sah sie von ferne ein kleines Lichtchen , dacht sie ‘ach , da waͤr ich wohl erloͤst ,’ stieg vom Baum , und gieng dem Lichtchen nach , auf dem Weg aber betete sie . Da kam sie zu einem kleinen alten Haͤuschen , da war viel Gras umgewachsen , und stand ein kleines Haͤufchen Holz davor . Dachte sie ‘ach , wo kommst du hier hin ! ’ guckte durchs Fenster hinein , so sah sie nichts darin , als dicke und kleine Jtschen ( Kroͤten ) , aber einen Tisch , schoͤn gedeckt mit Wein und Braten , und Teller und Becher waren von Silber . Da nahm sie sich das Herz und klopfte an ; alsbald rief die Dicke
‘Jungfer gruͤn und klein ,
Hutzelbein ,
Hutzelbeins Huͤndchen ,
Hutzel hin und her ,
Laß geschwind sehen wer draußen waͤr .’
Da kam eine kleine Jtsche herbei gegangen , und machte ihr auf . Wie sie eintrat , hießen alle sie willkommen , und sie mußte sich setzen . ‘ Wo kommt ihr her ? wo wollt ihr hin ? ’ Da erzaͤhlte
sie alles , wie es ihr gegangen waͤre , und weil sie das Gebot uͤbertreten , nicht mehr als drei Worte zu sprechen , waͤre der Ofen weg sammt dem Koͤnigssohn ; nun wollte sie so lange suchen , und uͤber Berg und Thal wandern bis sie ihn faͤnde . Da sprach die alte Dicke
‘Jungfer gruͤn und klein ,
Hutzelbein ,
Hutzelbeins Huͤndchen ,
Hutzel hin und her ,
bring mir die große Schachtel her .’
Da gieng die kleine hin , und brachte die Schachtel herbeigetragen ; hernach gaben sie ihr Essen und Trinken , und brachten sie zu einem schoͤnen gemachten Bett , das war wie Seide und Sammet , da legt sie sich hinein , und schlief in Gottes Namen . Als der Tag kam , stieg sie auf , und gab ihr die alte Jtsche drei Nadeln aus der großen Schachtel , die sollte sie mitnehmen ; sie wuͤrden ihr noͤthig thun , denn sie muͤßte uͤber einen hohen glaͤsernen Berg , und uͤber drei schneidende Schwerter , und uͤber ein großes Wasser ; wenn sie das durchsetzte , wuͤrde sie ihren Liebsten wiederkriegen . Nun gab sie hiermit drei Theile ( Stuͤcke ) , die sollte sie recht in Acht nehmen , naͤmlich drei große Nadeln , ein Pflugrad , und drei Nuͤsse . Hiermit reiste sie ab , und wie sie vor den glaͤsernen Berg kam , der so glatt war , steckte sie die drei Nadeln als hinter die Fuͤße , und dann wieder vorwaͤrts , und gelangte so hinuͤber , und als sie hinuͤber war , steckte sie sie an einen Ort , den sie wohl in Acht nahm . Danach kam sie vor die
drei schneidenden Schwerter , da stellte sie sich auf ihr Pflugrad , und rollte hinuͤber . Endlich kam sie vor ein großes Wasser , und wie sie uͤbergefahren war , in ein großes schoͤnes Schloß . Sie gieng hinein , und hielt um einen Dienst an , sie waͤr eine arme Magd , und wollte sich gerne vermiethen ; sie wußte aber , daß der Koͤnigssohn drinne war , den sie erloͤst hatte aus dem eisernen Ofen im großen Wald . Also ward sie angenommen zum Kuͤchenmaͤdchen fuͤr geringen Lohn . Nun hatte der Koͤnigssohn schon wieder eine andere an der Seite , die wollte er heirathen , denn er dachte sie waͤre laͤngst gestorben . Abends nun , wie sie aufgewaschen hatte und fertig war , fuͤhlte sie in ihre Tasche , und fand die drei Nuͤsse , welche ihr die alte Jtsche gegeben hatte . Biß eine auf , und wollte den Kern essen , siehe , da war ein stolzes koͤnigliches Kleid drin . Wies nun die Braut hoͤrte , kam sie und hielt um das Kleid an , und wollte es kaufen , ‘ es waͤre kein Kleid fuͤr eine Dienstmagd . ’ Da sprach sie , ja sie wollts nicht verkaufen , doch wann sie ihr einerlei ( ein Ding ) wollte erlauben , so sollte sies haben , naͤmlich eine Nacht in der Kammer ihres Braͤutigams zu schlafen . Die Braut erlaubt es ihr , weil das Kleid so schoͤn war , und sie noch keins so hatte . Wies nun Abend war , sagte sie zu ihrem Braͤutigam ‘ das naͤrrische Maͤdchen will in deiner Kammer schlafen . ’ ‘ Wenn dus zufrieden bist , bin ichs auch’ sprach er . Sie gab aber dem Mann ein Glas Wein , in das sie einen Schlaftrunk gethan hatte . Also giengen beide in die Kammer schlafen , und er schlief so fest , daß sie ihn nicht erwecken konnte . Sie weinte aber die ganze Nacht und rief ‘ ich habe dich erloͤst
aus einem wilden Wald und aus einem eisernen Ofen , ich habe dich gesucht , und bin gegangen uͤber einen glaͤsernen Berg , uͤber drei schneidende Schwerter und uͤber ein großes Wasser , ehe ich dich gefunden habe , und willst mich doch nicht hoͤren . ’ Die Bedienten saßen vor der Stubenthuͤre , und hoͤrten wie sie so die ganze Nacht weinte , und sagtens am Morgen ihrem Herrn . Und wie sie am andern Abend aufgewaschen hatte , biß sie die zweite Nuß auf , da war noch ein weit schoͤneres Kleid drin ; wie das die Braut sah , wollte sie es auch kaufen . Aber Geld wollte das Maͤdchen nicht , und bat sich aus daß es noch einmal in der Kammer des Braͤutigams schlafen duͤrfte . Die Braut gab ihm aber wieder einen Schlaftrunk , und er schlief so fest , daß er nichts hoͤren konnte . Das Kuͤchenmaͤdchen weinte aber die ganze Nacht und rief ‘ ich habe dich erloͤst aus einem wilden Walde und aus einem eisernen Ofen , ich habe dich gesucht , und bin gegangen uͤber einen glaͤsernen Berg , uͤber drei schneidende Schwerter und uͤber ein großes Wasser , ehe ich dich gefunden habe , und willst mich doch nicht hoͤren . ’ Die Bedienten saßen vor der Stubenthuͤre , und hoͤrten wie sie so die ganze Nacht weinte , und sagtens am Morgen ihrem Herrn . Und wie sie am dritten Abend aufgewaschen hatte , biß sie die dritte Nuß auf , da war ein noch schoͤneres Kleid darin , das starrte von purem Gold . Wie die Braut das sah , wollte sie es haben , das Maͤdchen aber gab es nur hin , wenn es zum drittenmal duͤrfte in der Kammer des Braͤutigams schlafen . Der Koͤnigssohn aber huͤtete sich , und ließ den Schlaftrunk vorbeilaufen . Wie sie nun anfieng zu weinen
und zu rufen ‘ liebster Schatz , ich habe dich erloͤst aus dem grausamen , wilden Walde und aus einem eisernen Ofen ,’ so sprang der Koͤnigssohn auf und sprach ‘ du bist mein , und ich bin dein . ’ Darauf setzte er sich noch in der Nacht mit ihr in einen Wagen , und der falschen Braut nahmen sie die Kleider weg , daß sie nicht aufstehen konnte . Als sie zu dem großen Wasser kamen , da schifften sie hinuͤber , und vor den drei schneidenden Schwertern , da setzten sie sich aufs Pflugrad , und vor dem glaͤsernen Berg , da steckten sie die drei Nadeln hinein ; und so gelangten sie endlich zu dem alten kleinen Haͤuschen , aber wie sie hineintraten , wars ein großes Schloß , die Jtschen waren alle erloͤst , und lauter Koͤnigskinder , und waren in voller Freude . Da ward Vermaͤhlung gehalten , und sie blieben in dem Schloß , das war viel groͤßer als ihres Vaters Schloß . Weil aber der Alte jammerte daß er allein bleiben sollte , so fuhren sie weg , und holten ihn zu sich , und hatten zwei Koͤnigreiche , und lebten in gutem Ehestand .
Da kam eine Maus ,
das Maͤrchen war aus .
128.
Die faule Spinnerin .
A uf einem Dorfe lebte ein Mann und eine Frau , und die Frau war so faul , daß sie immer nichts arbeiten wollte , und was ihr der Mann zu spinnen gab , das spann sie nicht fertig , und was sie auch spann , haspelte sie nicht , sondern ließ alles auf dem Klauel gewickelt liegen . Schalt sie nun der Mann , so war sie mit ihrem Maul doch vornen , und sprach ‘ei , wie sollt ich haspeln , da ich keinen Haspel habe , geh du erst in den Wald , und schaff mir einen . ’ ‘Wenns daran liegt ,’ sagte der Mann , ‘ so will ich in den Wald gehen , und Haspelholz holen . ’ Da fuͤrchtete sich die Frau , wenn er das Holz haͤtte , daß er daraus einen Haspel machte , und sie abhaspeln und dann wieder frisch spinnen muͤßte . Sie besann sich ein Bischen , da kam ihr ein guter Einfall , und sie lief dem Manne heimlich nach in den Wald . Wie er nun auf einen Baum gestiegen war , das Holz auszulesen und zu hauen , schlich sie darunter in das Gebuͤsch , wo er sie nicht sehen konnte , und rief hinauf
‘ wer Haspelholz haut , der stirbt ,
wer da haspelt , der verdirbt’
Der Mann horchte auf , legte die Axt eine Weile nieder , und
dachte nach was das wohl zu bedeuten haͤtte . ‘ Ei was ,’ sprach er endlich , ‘ was wirds gewesen seyn , es hat dir in den Ohren geklungen , mach dir keine unnoͤthige Furcht . ’ Also ergriff er die Axt von neuem , und wollte zuhauen , da riefs wieder unten
‘ wer Haspelholz haut , der stirbt ,
wer da haspelt , der verdirbt .’
Er hielt ein , kriegte Angst und Bang , und sann dem Ding nach ; wie aber ein Weilchen vorbei war , kam ihm das Herz wieder , und er langte zum drittenmal nach der Axt , und wollte zuhauen . Aber zum drittenmal riefs und sprachs laut
‘ wer Haspelholz haut , der stirbt ,
wer da haspelt , der verdirbt .’
Da hatte ers genug , und alle Lust war ihm vergangen , so daß er eilends den Baum herunter stieg , und sich auf den Heimweg machte . Die Frau lief , was sie konnte , auf Nebenwegen , damit sie eher nach Haus kaͤme ; wie er nun in die Stube trat , that sie unschuldig , als waͤre nichts vorgefallen , und sagte ‘ nun , bringst du ein gutes Haspelholz ? ’ ‘Nein ,’ sprach er , ‘ ich sehe wohl , es geht mit dem Haspeln nicht ,’ erzaͤhlte ihr was ihm im Walde begegnet war , und ließ sie von nun an damit in Ruhe .
Bald hernach fieng der Mann doch wieder an sich uͤber die Unordnung im Hause zu aͤrgern . ‘Frau ,’ sagte er , ‘ es ist doch eine Schande daß das gesponnene Garn da auf dem Klauel liegen bleibt . ’ ‘Weißt du was ,’ sprach sie , ‘ weil wir doch zu keinem Haspel kommen , so stell dich auf den Boden und ich steh unten , da will ich dir den Klauel hinauf werfen , und du wirfst ihn herunter ,
so gibts doch einen Strang . ’ ‘ Ja , das geht ,’ sagte der Mann ; also thaten sie das , und wie sie fertig waren , sprach er ‘ das Garn ist nun gestraͤngt , nun muß es auch gekocht werden . ’ Der Frau ward wieder Angst ; sie sprach zwar ‘ja , wir wollens gleich morgen fruͤh kochen ,’ dachte aber bei sich auf einen neuen Streich . Fruͤhmorgens stand sie auf , machte Feuer an , und stellte den Kessel bei , allein statt des Garns legte sie einen Klumpen Werg hinein , und ließ es so zukochen . Darauf gieng sie zum Manne , der noch im Bette lag , und sprach zu ihm ‘ ich muß einmal ausgehen , steh derweil auf , und sieh nach dem Garn , das im Kessel uͤberm Feuer steht , aber du mußts bei Zeit thun , gib wohl Acht , denn wo der Hahn kraͤht , und du saͤhest nicht nach , wird das Garn zu Werg . ’ Der Mann war bei der Hand , und wollte nichts versaͤumen , stand eilend auf , so schnell er konnte , und gieng in die Kuͤche ; wie er aber zum Kessel kam , und hinein sah , da erblickte er mit Schrecken nichts als einen Klumpen Werg . Da schwieg er maͤuschenstill , dachte er haͤtts versehen , und waͤre Schuld daran , und ließ in Zukunft die Frau mit Garn und Spinnen immer zufrieden .
129.
Die vier kunstreichen Bruͤder .
E s war ein armer Mann , der hatte vier Soͤhne , wie die nun herangewachsen waren , sprach er zu ihnen ‘liebe Kinder , ihr muͤßt hinaus in die Welt , ich habe nichts , das ich euch geben koͤnnte : macht euch auf in die Fremde , lernt ein Handwerk , und seht wie ihr euch durchschlagt . ’ Da ergriffen die vier Bruͤder den Wanderstab , nahmen Abschied von ihrem Vater , und zogen zusammen zum Thor hinaus . Als sie ein Stuͤck Wegs gemacht hatten , kamen sie an einen Kreuzweg , der nach vier verschiedenen Gegenden fuͤhrte . Da sprach der aͤlteste ‘ hier muͤssen wir uns trennen , aber heut uͤber vier Jahre wollen wir an dieser Stelle wieder zusammen treffen , und in der Zeit unser Gluͤck versuchen .’
Nun gieng jeder seinen Weg , und dem aͤltesten begegnete ein Mann , der fragte ihn wo er hinaus wollte , und was er vor haͤtte . ‘ Jch will ein Handwerk lernen ’ antwortete er . Da sprach der Mann ‘geh mit mir , und werde ein Dieb . ’ ‘Nein ,’ antwortete er , ‘ das gilt fuͤr kein ehrliches Handwerk mehr , und das Ende vom Lied ist , daß einer als Schwengel in der Feldglocke gebraucht wird . ’ ‘ O ,’ sprach der Mann , ‘ vor dem Galgen
brauchst du dich nicht zu fuͤrchten : ich will dich bloß lehren wie du holst was sonst kein Mensch kriegen kann , und wo dir niemand auf die Spur kommt . ’ Da ließ er sich uͤberreden , und ward bei dem Manne ein gelernter Dieb , und so geschickt , daß vor ihm nichts sicher war , was er einmal haben wollte . Der zweite Bruder begegnete einem Mann , der dieselbe Frage an ihn that , was er in der Welt lernen wollte . ‘ Jch weiß es noch nicht ,’ antwortete er . ‘ So geh mit mir , und werde ein Sterngucker : nichts besser als das , es bleibt einem nichts verborgen .’ Er ließ sich das gefallen , und ward ein so geschickter Sterngucker , daß sein Meister , als er ausgelernt hatte , und weiter ziehen wollte , ihm ein Glas gab , und zu ihm sprach ‘ damit kannst du sehen was auf Erden und am Himmel vorgeht , und kann dir nichts verborgen bleiben . ’ Den dritten Bruder nahm ein Jaͤger mit in die Lehre , und gab ihm in allem , was zur Jaͤgerei gehoͤrte , so guten Unterricht , daß er ein ausgelernter Jaͤger ward . Der Meister schenkte ihm beim Abschied eine Buͤchse , und sprach ‘ die fehlt nicht , was du damit aufs Korn nimmst , das triffst du auch . ’ Der juͤngste Bruder begegnete gleichfalls einem Manne , der ihn anredete , und nach seinem Vorhaben fragte . ‘Hast du nicht Lust ein Schneider zu werden ? ’ ‘ Daß ich nicht wuͤßte ,’ sprach der Junge , ‘ das Krummsitzen von Morgens bis Abends , das Hin- und Herfegen mit der Nadel , und das Buͤgeleisen will mir nicht in den Sinn . ’ ‘ Ei was ,’ antwortete der Mann , ‘ du sprichst wie dus verstehst : bei mir lernst du eine ganz andere Schneiderkunst , die ist anstaͤndig
und ziemlich , zum Theil sehr ehrenvoll . ’ Da ließ er sich uͤberreden , gieng mit , und lernte die Kunst des Mannes aus dem Fundament . Beim Abschied gab ihm dieser eine Nadel , und sprach ‘ damit kannst du zusammennaͤhen was dir vorkommt , es sey so weich wie ein Ei oder so hart als Stahl ; und es wird so zu einem Stuͤck , daß keine Naht mehr zu sehen ist .’
Als die bestimmten vier Jahre herum waren , kamen die vier Bruͤder zu gleicher Zeit an dem Kreuzwege zusammen , herzten und kuͤßten sich , und kehrten heim zu ihrem Vater . Sie erzaͤhlten wie es ihnen ergangen war , und daß jeder das Seinige gelernt haͤtte . Nun saßen sie gerade vor dem Haus unter einem großen Baum , da sprach der Vater ‘ jetzt will ich euch auf die Probe stellen , und sehen was ihr koͤnnt . ’ Danach schaute er auf , und sagte zu dem zweiten Sohne ‘ oben im Gipfel dieses Baums sitzt zwischen zwei Aesten ein Buchfinkennest , sag mir wie viel Eier liegen darin ? ’ Der Sterngucker nahm sein Glas , schaute hinauf , und sprach ‘fuͤnfe sinds . ’ Sprach der Vater zum aͤltesten ‘ hol du die Eier herunter , ohne daß der Vogel , der darauf sitzt und bruͤtet , gestoͤrt wird . ’ Der kunstreiche Dieb stieg hinauf , und nahm dem Voͤglein , daß gar nichts davon merkte , und ruhig sitzen blieb , die fuͤnf Eier unter dem Leib weg , und brachte sie dem Vater herab . Der Vater nahm sie , legte an jede Ecke des Tisches eins , und das fuͤnfte in die Mitte , und sprach zum Jaͤger ‘ du schießest mir mit einem Schuß die fuͤnf Eier in der Mitte entzwei .’ Der Jaͤger legte seine Buͤchse an , und schoß die Eier , wie es der
Vater verlangt hatte , alle fuͤnfe , und zwar in einem Schuß . ‘ Nun kommt die Reihe an dich ,’ sprach der Vater zu dem vierten Sohn , ‘ du naͤhst die Eier wieder zusammen , und auch die jungen Voͤglein , die darin sind , und zwar so , daß ihnen der Schuß nichts schadet .’ Der Schneider holte seine Nadel , und naͤhte nach Vorschrift . Als er fertig war , mußte der Dieb die Eier wieder auf den Baum ins Nest tragen , und dem Vogel , ohne daß er etwas gewahr ward , wieder unter legen . Das Thierchen bruͤtete sie vollens aus , und nach ein paar Tagen krochen die Jungen hervor , und hatten da , wo der Schneider sie zusammengenaͤht , ein rothes Streifchen um den Hals .
‘ Ja ,’ sprach der Alte zu seinen Soͤhnen , ‘ ich muß gestehen , ihr habt eure Zeit wohl benutzt , und was rechtschaffenes gelernt : ich kann nicht sagen wem von euch der Vorzug gebuͤhrt . Wenn ihr nur bald Gelegenheit habt eure Kunst anzuwenden . ’ Nicht lange danach kam ein großer Laͤrm ins Land , die Koͤnigstochter waͤre von einem Drachen entfuͤhrt worden . Der Koͤnig war Tag und Nacht daruͤber in Sorgen , und ließ bekannt machen wer sie zuruͤck braͤchte sollte sie zur Gemahlin haben . Die vier Bruͤder sprachen unter einander ‘ das waͤre eine Gelegenheit , wo wir uns koͤnnten sehen lassen ,’ und beschlossen die Koͤnigstochter zu befreien . ‘ Wo sie ist , will ich bald wissen ’ sprach der Sterngucker , schaute durch sein Glas , und sprach ‘ ich sehe sie , sie sitzt weit von hier auf einem Felsen im Meer bei dem Drachen , der sie huͤtet . ’ Da gieng er zu dem Koͤnig , und bat um ein Schiff fuͤr sich und seine Bruͤder , und fuhr mit ihnen
uͤber das Meer bis sie zur Staͤtte hin kamen . Die Koͤnigstochter saß da , und der Drache lag in ihrem Schooß und schlief . Der Jaͤger sprach ‘ ich darf nicht schießen , ich wuͤrde die schoͤne Jungfrau zugleich toͤdten . ’ ‘ So will ich mein Heil versuchen ’ sagte der Dieb , und stahl sie unter dem Drachen weg , so leis und behend , daß das Unthier nichts merkte , sondern fortschnarchte . Sie eilten voll Freude mit ihr aufs Schiff , und steuerten in die offene See ; da kam der Drache , der bei seinem Erwachen die Koͤnigstochter nicht mehr gefunden hatte , hinter ihnen her , und schnaubte wuͤthend durch die Luft ; und als er gerade uͤber dem Schiff war , und sich herablassen wollte , da legte der Jaͤger seine Buͤchse an , und schoß ihm mitten ins Herz , daß er todt herabfiel . Es war aber ein so gewaltiges Unthier , daß es im Herabfallen das ganze Schiff zertruͤmmerte , und die fuͤnfe nur noch auf ein paar Brettern auf dem weiten Meer umher schwammen . Da war der Schneider nicht faul , nahm seine wunderbare Nadel , naͤhte die Bretter mit ein paar großen Stichen in der Eile zusammen , setzte sich darauf , schiffte hin , und sammelte alle Stuͤcke des Schiffs . Dann naͤhte er auch diese so behend zusammen , daß in kurzer Zeit das Schiff wieder segelfertig war , und sie gluͤcklich heim fahren konnten .
Als der Koͤnig seine Tochter wieder erblickte , war große Freude , und er sprach zu den vier Bruͤdern ‘ einer von euch soll sie zur Gemahlin haben , aber welcher das ist , macht unter euch aus . ’ Da entstand Streit unter ihnen , der Sterngucker sprach ‘haͤtte ich nicht die Koͤnigstochter gesehen , so waͤren alle
eure Kuͤnste umsonst gewesen : darum ist sie mein . ’ Der Dieb sprach ‘ was haͤtte das Sehen geholfen , wenn ich sie nicht unter dem Drachen weggenommen haͤtte ; darum ist sie mein . ’ Der Jaͤger sprach ‘ ihr waͤrt doch sammt der Koͤnigstochter von dem Unthier zerrissen worden , haͤtte es meine Kugel nicht getroffen ; darum ist sie mein . ’ Der Schneider sprach ‘ und haͤtte ich euch mit meiner Kunst nicht das Schiff wieder zusammengebracht , ihr waͤrt alle jaͤmmerlich ertrunken ; darum ist sie mein . ’ Da that der Koͤnig den Ausspruch ‘ jeder von euch hat ein gleiches Recht , und weil ein jeder die Jungfrau nicht haben kann , so soll sie keiner von euch haben , aber ich will jedem zur Belohnung ein halbes Koͤnigreich geben . ’ Den Bruͤdern gefiel diese Entscheidung , und sie sprachen ‘ es ist so besser , als daß wir uneins werden . ’ Der Koͤnig gab jedem ein halbes Koͤnigreich , und sie lebten mit ihrem Vater in aller Gluͤckseligkeit , so lange es Gott gefiel .
130.
Einaͤuglein , Zweiaͤuglein und Dreiaͤuglein .
E s war eine Frau , die hatte drei Toͤchter , davon hieß die aͤlteste Einaͤuglein , weil sie nur ein einziges Auge mitten auf der Stirn hatte , und die mittelste Zweiaͤuglein , weil sie zwei Augen hatte , wie andere Menschen , und die juͤngste Dreiaͤuglein , weil sie drei Augen hatte , und das dritte stand bei ihr gleichfalls mitten auf der Stirne . Darum aber , daß Zweiaͤuglein nicht anders aussah , als andere Menschenkinder , konnten es die Schwestern und die Mutter nicht leiden , und sie sprachen zu ihm ‘ du siehst mit deinen zwei Augen nicht besser aus als das gemeine Volk , du gehoͤrst nicht zu uns ;’ und stießen es herum , und warfen ihm schlechte alte Kleider hin , und gaben ihm nicht mehr zu essen als was sie uͤbrig ließen , und thaten ihm Herzeleid an , wo sie nur konnten .
Es trug sich zu , daß Zweiaͤuglein hinaus ins Feld gehen und die Ziege huͤten mußte , und noch ganz hungrig war , weil ihm seine Schwestern so wenig zu essen gegeben hatten . Da setzte es sich auf einen Rain , und fieng an zu weinen , und so zu weinen , daß zwei Baͤchlein aus seinen Augen herabflossen . Und wie es einmal aufsah , stand eine Frau neben ihm , die
fragte ‘Zweiaͤuglein , was weinst du ? ’ Zweiaͤuglein antwortete ‘ soll ich nicht weinen ! weil ich zwei Augen habe wie andere Menschen , so koͤnnen mich meine Schwestern und meine Mutter nicht leiden , stoßen mich herum , werfen mir alte schlechte Kleider hin , und geben mir nichts zu essen als was sie uͤbrig lassen . Heute haben sie mir so wenig gegeben , daß ich noch ganz hungrig bin . ’ Sprach die weise Frau ‘Zweiaͤuglein , trockne dir dein Angesicht , ich will dir etwas sagen , daß du nicht mehr hungern sollst . Sprich nur zu deiner Ziege
‘Zicklein , meck ,
Tischlein deck ,’
so wird ein sauber gedecktes Tischlein vor dir stehen , und das schoͤnste Essen darauf , daß du essen kannst so viel du Lust hast . Und wenn du satt bist , und das Tischlein nicht mehr brauchst , so sprich nur
‘Zicklein meck ,
Tischlein weg ,’
so wirds vor deinen Augen wieder verschwinden . ’ Darauf gieng die weise Frau fort . Zweiaͤuglein aber dachte ‘ ich muß gleich einmal versuchen ob es wahr ist , war sie gesagt hat , denn mich hungert gar zu sehr ,’ und sprach
‘Zicklein , meck ,
Tischlein deck ,’
und kaum hatte es die Worte ausgesprochen , so stand da ein Tischlein mit einem weißen Tuͤchlein gedeckt , darauf ein Teller mit Messer und Gabel und Loͤffel , und die schoͤnsten Speisen
standen rund herum , und waren noch warm , als waͤren sie eben aus der Kuͤche gekommen . Da sagte Zweiaͤuglein das kuͤrzeste Gebetlein her , das es wußte , ‘Herr Gott , sey unser Gast zu aller Zeit , Amen ;’ und langte zu , und ließ sichs wohl schmecken . Und als es satt war , sprach es , wie die weise Frau gelehrt hatte ,
‘Zicklein , meck ,
Tischlein weg .’
Alsbald war das Tischchen und alles , was darauf stand , wieder verschwunden . ‘ Das ist ein schoͤner Haushalt ’ dachte Zweiaͤuglein , und war ganz vergnuͤgt und guter Dinge .
Abends , als es mit seiner Ziege heim gekommen war , beruͤhrte es das irdene Schuͤsselchen mit Essen , das ihm die Schwestern hingestellt hatten , gar nicht , und am andern Tag zog es mit seiner Ziege wieder hinaus , und ließ auch die paar Brocken , die ihm gereicht wurden , liegen . Das erstemal und das zweitemal beachteten es die Schwestern gar nicht , wie es aber jedesmal geschah , merkten sie auf , und sprachen ‘ es ist nicht richtig mit dem Zweiaͤuglein , das laͤßt jedesmal das Essen stehen , und hat doch sonst alles aufgezehrt , was ihm gereicht wurde , das muß andere Wege gefunden haben . ’ Damit sie aber hinter die Wahrheit kaͤmen , sollte Einaͤuglein mitgehen , wenn Zweiaͤuglein auf die Weide gieng , und sollte Acht haben was es da vor haͤtte , und ob ihm jemand etwa Essen und Trinken braͤchte .
Als nun Zweiaͤuglein die Ziege wieder hinaustrieb , trat Einaͤuglein zu ihm , und sprach ‘ ich will mitgehen und sehen daß die Ziege auch recht gehuͤtet und ins Futter getrieben wird . ’ Aber Zweiaͤuglein merkte was Einaͤuglein im Sinne hatte , und trieb die Ziege hinaus in hohes Gras , und sprach ‘ komm , Einaͤuglein , wir wollen uns hinsetzen , ich will dir was vorsingen . ’ Einaͤuglein setzte sich hin , und war von dem ungewohnten Weg und von der Sonnenhitze muͤde , und Zweiaͤuglein sang immer
‘Einaͤuglein , wachst du ?
Einaͤuglein , schlaͤfst du ? ’
Da that Einaͤuglein das eine Auge zu , und schlief ein . Und als Zweiaͤuglein sah daß Einaͤuglein fest schlief und nichts verrathen konnte , sprach es
‘Zicklein , meck ,
Tischlein deck ,’
und setzte sich an sein Tischlein , und aß und trank bis es satt war , dann rief es wieder
‘Zicklein , meck ,
Tischlein weg ,’
und es verschwand alles , und Zweiaͤuglein weckte nun das Einaͤuglein , und sprach ‘Einaͤuglein , du willst huͤten , und schlaͤfst dabei ein , derweil haͤtte die Ziege in alle Welt laufen koͤnnen ! komm , wir wollen nach Haus gehen . ’ Da giengen sie nach Haus , und Zweiaͤuglein ließ wieder sein Schuͤsselchen unangeruͤhrt stehen , und Einaͤuglein konnte der Mutter nicht sagen
warum es nicht essen wollte , und sprach ‘ ich war draußen eingeschlafen .’
Am andern Tag sprach die Mutter zu Dreiaͤuglein ‘geh du mit hinaus , und hab Acht ob Zweiaͤuglein draußen ißt , und ob ihm jemand Essen und Trinken bringt , denn essen und trinken muß es heimlich . ’ Da trat Dreiaͤuglein zum Zweiaͤuglein , und sprach ‘ ich will mitgehen , und sehen ob auch die Ziege recht gehuͤtet und ins Futter getrieben wird . ’ Aber Zweiaͤuglein merkte was Dreiaͤuglein im Sinne hatte , und trieb die Ziege hinaus ins hohe Gras , und sprach ‘ wir wollen uns dahin setzen , Dreiaͤuglein , ich will dir was vorsingen . ’ Dreiaͤuglein setzte sich , und war muͤde von dem Weg und der Sonnenhitze , und Zweiaͤuglein hub wieder das vorige Liedlein an , und sang
‘Dreiaͤuglein , wachst du ? ’
aber statt daß es nun singen mußte
‘Dreiaͤuglein , schlaͤfst du ?’
sang es aus Unbedachtsamkeit
‘ Zweiaͤuglein , schlaͤfst du ? ’
und sang immer
‘Dreiaͤuglein , wachst du ?
Zweiaͤuglein , schlaͤfst du ? ’
Da fielen dem Dreiaͤuglein seine zwei Augen zu , und schliefen , aber das dritte , das von dem Spruͤchlein nicht angeredet wurde , schlief nicht ein : zwar that es Dreiaͤuglein zu , aber aus List , gleich als schlief es damit , doch blinzelte es , und konnte
alles gar wohl sehen . Und als Zweiaͤuglein meinte Dreiaͤuglein schliefe fest , sagte es sein Spruͤchlein
‘Zicklein meck ,
Tischlein deck ,’
aß und trank nach Herzenslust , und hieß dann das Tischlein wieder fortgehen ,
‘Zicklein , meck ,
Tischlein weg ,’
und Dreiaͤuglein hatte alles mit angesehen . Da kam Zweiaͤuglein zu ihm , und weckte es , und sprach ‘ ei , Dreiaͤuglein , bist du eingeschlafen ? du kannst gut huͤten ! komm , wir wollen heim gehen . ’ Und als sie nach Haus kamen , aß Zweiaͤuglein wieder nicht , und Dreiaͤuglein sprach zur Mutter ‘ ich weiß nun warum das hochmuͤthige Ding nicht ißt ; wenn sie draußen zur Ziege spricht
‘Zicklein , meck ,
Tischlein deck ,’
so steht ein Tischlein vor ihr , das ist mit dem besten Essen besetzt , viel besser als wirs hier haben : und wenn sie satt ist , so spricht sie
‘Zicklein , meck ,
Tischlein weg ,’
und alles ist wieder verschwunden ; ich hab es genau mit angesehen . Zwei Augen hatte sie mir mit einem Spruͤchlein eingeschlaͤfert , aber das eine auf der Stirne , das war zum Gluͤck wach geblieben . ’ Da rief die neidische Mutter ‘ willst dus besser
haben , als wir ? die Lust soll dir vergehen ! ’ und holte ein Schlachtmesser , und stieß es der Ziege ins Herz , daß sie todt hinfiel .
Als Zweiaͤuglein das sah , gieng es voll Trauer hinaus , und setzte sich auf den Feldrain , und weinte seine bitteren Thraͤnen . Da stand auf einmal die weise Frau wieder neben ihm , und sprach ‘Zweiaͤuglein , was weinst du ? ’ ‘ Soll ich nicht weinen ! ’ antwortete es , ‘ die Ziege , die mir jeden Tag auf euer Spruͤchlein den Tisch so schoͤn deckte , ist von meiner Mutter todt gestochen ; nun muß ich wieder Hunger und Kummer leiden . ’ Die weise Frau sprach ‘Zweiaͤuglein , ich will dir einen guten Rath ertheilen , bitt deine Schwestern daß sie dir das Eingeweide von der geschlachteten Ziege geben , und vergrabs vor der Hausthuͤr , so wirds dein Gluͤck sein . ’ Da verschwand sie , und Zweiaͤuglein gieng heim , und sprach zu den Schwestern ‘liebe Schwestern , gebt mir doch etwas von meiner Ziege , ich verlange nichts Gutes , gebt mir nur das Eingeweide . ’ Da lachten sie , und sprachen ‘ das koͤnnen wir dir wohl geben , wenn du weiter nichts willst . ’ Und Zweiaͤuglein nahm das Eingeweide , und vergrubs Abends in aller Stille nach dem Rathe der weisen Frau vor die Hausthuͤre .
Am andern Morgen , als sie insgesammt erwachten und vor die Hausthuͤre traten , so stand da ein wunderbarer praͤchtiger Baum , der hatte Blaͤtter von Silber , und Fruͤchte von Gold hiengen dazwischen , daß wohl nichts schoͤneres und koͤstlicheres auf der Welt zu sehen war . Sie wußten aber nicht
wie der Baum auf einmal in der Nacht gewachsen war , nur Zweiaͤuglein merkte es , daß er aus den Eingeweiden der Ziege aufgesproßt war , denn er stand gerade da , wo es sie hinbegraben hatte . Da sprach die Mutter zu Einaͤuglein ‘ steig hinauf , mein Kind , und brich uns die Fruͤchte von dem Baume ab . ’ Einaͤuglein stieg hinauf , aber wie es einen von den goldenen Aepfeln greifen wollte , so fuhr ihm der Zweig aus den Haͤnden , und das geschah jedesmal , so daß es keinen einzigen Apfel brechen konnte , es mochte sich anstellen wie es wollte . Da sprach die Mutter ‘Dreiaͤuglein , steig du hinauf , du kannst mit deinen drei Augen besser um dich schauen als Einaͤuglein . ’ Einaͤuglein rutschte herunter , und Dreiaͤuglein stieg hinauf : aber Dreiaͤuglein war nicht geschickter , und mochte schauen wie es wollte , die goldenen Aepfel wichen immer zuruͤck . Endlich ward die Mutter ungeduldig , und stieg selbst hinauf , konnte aber so wenig wie Einaͤuglein und Dreiaͤuglein die Frucht fassen , und griff immer in die leere Luft hinein . Da sprach Zweiaͤuglein ‘ ich will mich einmal hinaufmachen , vielleicht gelingt mirs eher . ’ Die Schwestern riefen zwar ‘ du mit deinen zwei Augen , was willst du wohl ! ’ aber Zweiaͤuglein stieg hinauf , und die goldenen Aepfel zogen sich nicht vor ihm zuruͤck , sondern es war ordentlich als spraͤngen sie seinen Haͤnden entgegen , also daß es einen nach dem andern abpfluͤcken konnte , und einen ganzen Schurz voll mit herunter brachte . Die Mutter nahm sie ihm ab , und statt daß sie , Einaͤuglein und Dreiaͤuglein dafuͤr das arme Zweiaͤuglein haͤtten besser behandeln sollen , so wurden sie
nur neidisch daß es allein die Fruͤchte holen konnte , und giengen noch haͤrter mit ihm um .
Es trug sich zu , als sie einmal beisammen an dem Baum standen , daß ein junger Ritter daher kam . ‘Geschwind , Zweiaͤuglein ,’ riefen die zwei Schwestern , ‘ kriech unter , daß wir uns deiner nicht schaͤmen muͤssen ,’ und stießen das arme Zweiaͤuglein mit Gewalt unter ein leeres Faß , das neben dem Baume stand , und stopften die goldenen Aepfel , die es abgebrochen hatte , auch darunter . Als nun der Ritter naͤher kam , war es ein schoͤner Herr , der bewunderte den praͤchtigen Baum von Gold und Silber , und sprach zu den beiden Schwestern ‘ wem gehoͤrt dieser schoͤne Baum ? wer mit einen Zweig davon gaͤbe , koͤnnte dafuͤr verlangen was er wollte . ’ Da antworteten Einaͤuglein und Dreiaͤuglein der Baum gehoͤrte ihnen zu , und sie wollten ihm einen Zweig wohl abbrechen . Sie gaben sich auch beide große Muͤhe , aber sie waren es nicht im Stande , denn die Zweige und die Fruͤchte wichen jedesmal vor ihnen zuruͤck . Da sprach der Ritter ‘ das ist ja wunderlich , daß der Baum euch zugehoͤren soll , und ihr doch nicht Macht habt etwas davon abzubrechen . ’ Sie blieben dabei , der Baum waͤre ihr Eigenthum ; indem sie aber so sprachen , rollte Zweiaͤuglein unter dem Fasse ein paar goldene Aepfel heraus , so daß sie zu den Fuͤßen des Ritters liefen , denn es war boͤs daß Einaͤuglein und Dreiaͤuglein nicht die Wahrheit sprachen . Wie der Ritter die Aepfel sah , da erstaunte er , und fragte wo sie herkaͤmen ? Einaͤuglein und Dreiaͤuglein antworteten sie haͤtten noch eine
Schwester , die duͤrfte sich aber nicht sehen lassen , weil sie nur zwei Augen haͤtte , wie andere gemeine Menschen . Der Ritter aber wollte sie sehen , und rief ‘Zweiaͤuglein , komm hervor . ’ Da kam Zweiaͤuglein ganz getrost unter dem Faß hervor , und der Ritter war verwundert uͤber die große Schoͤnheit , und sprach ‘gewiß , Zweiaͤuglein , kannst du mir einen Zweig von dem Baum abbrechen . ’ ‘ Ja ,’ antwortete Zweiaͤuglein , ‘ das will ich wohl koͤnnen , denn der Baum gehoͤrt mir ; ’ und stieg hinauf , und brach mit leichter Muͤhe einen Zweig mit seinen silbernen Blaͤttern und goldenen Fruͤchten ab , und gab ihn dem Ritter . Da sprach der Ritter ‘Zweiaͤuglein , was soll ich dir dafuͤr geben ? ’ ‘ Ach ,’ antwortete Zweiaͤuglein , ‘ ich leide Hunger und Durst , Kummer und Noth , vom Morgen bis zum Abend , wenn ihr mich mitnehmen und erloͤsen wollt , so waͤre ich gluͤcklich . ’ Da hob der Ritter das Zweiaͤuglein auf sein Pferd , und brachte es heim auf sein vaͤterliches Schloß , dort gab er ihm schoͤne Kleider , Essen und Trinken nach Herzenslust , und weil er es so lieb hatte , ließ er sich mit ihm einsegnen , und ward die Hochzeit in großer Freude gehalten .
Wie nun Zweiaͤuglein so von dem schoͤnen Rittersmann fortgefuͤhrt wurde , da waren die zwei Schwestern recht neidisch uͤber sein Gluͤck . ‘ Der wunderbare Baum bleibt uns doch ,’ dachten sie , ‘ koͤnnen wir auch keine Fruͤchte davon brechen , so wird doch jedermann davor stehen bleiben , zu uns kommen , und ihn ruͤhmen ; wer weiß was uns noch fuͤr ein Gluͤck bluͤht ! ’ Aber am andern Morgen war der Baum verschwunden , und
ihre Hoffnung dahin : und wie Zweiaͤuglein zu seinem Kaͤmmerlein hinaussah , so stand er zu seiner großen Freude davor , und war ihm also nach gefolgt .
Zweiaͤuglein lebte lange Zeit vergnuͤgt ; da kamen einmal zwei arme Frauen auf ihr Schloß , und baten um ein Almosen . Da sah ihnen Zweiaͤuglein ins Gesicht , und erkannte ihre Schwestern Einaͤuglein und Dreiaͤuglein , die so in Armuth gerathen waren , daß sie umher ziehen und vor den Thuͤren ihr Brot suchen mußten . Zweiaͤuglein aber hieß sie willkommen , und that ihnen Gutes , und pflegte sie , also daß die beiden von Herzen bereuten was sie ihrer Schwester in der Jugend Boͤses angethan hatten .
131.
Die schoͤne Katrinelje und Pif , Paf , Poltrie .
‘G uten Tag , Vater Hollenthe . ’ ‘Großen Dank , Pif , Paf , Poltrie . ’ ‘Koͤnnt ich wohl eure Tochter kriegen ? ’ ‘ O ja , wenns die Mutter Malcho ( Melk- Kuh ) , der Bruder Hohenstolz , die Schwester Kaͤsetraut , und die schoͤne Katrinelje will , so kanns geschehen .’
‘ Wo ist dann die Mutter Malcho ? ’
‘ Sie ist im Stall , und melkt die Kuh .’
‘Guten Tag , Mutter Malcho . ’ ‘Großen Dank , Pif , Paf , Poltrie . ’ ‘Koͤnnt ich wohl eure Tochter kriegen ? ’ ‘ O ja , wenns der Vater Hollenthe , der Bruder Hohenstolz , die Schwester Kaͤsetraut , und die schoͤne Katrinelje will , so kanns geschehen .’
‘ Wo ist dann der Bruder Hohenstolz ? ’
‘ Er ist in der Kammer , und hackt das Holz .’
‘Guten Tag , Bruder Hohenstolz . ’ ‘Großen Dank , Pif , Paf , Poltrie . ’ ‘Koͤnnt ich wohl eure Schwester kriegen ? ’ ‘ O ja , wenns der Vater Hollenthe , die Mutter Malcho , die Schwester Kaͤsetraut , und die schoͤne Katrinelje will , so kanns geschehen .’
‘ Wo ist dann die Schwester Kaͤsetraut ? ’
‘ Sie ist im Garten , und schneidet das Kraut .’
‘Guten Tag , Schwester Kaͤsetraut . ’ ‘Großen Dank , Pif , Paf , Poltrie . ’ ‘Koͤnnt ich wohl eure Schwester kriegen ? ’ ‘ O ja , wenns der Vater Hollenthe , die Mutter Malcho , der Bruder Hohenstolz , und die schoͤne Katrinelje will , so kanns geschehen .’
‘ Wo ist dann die schoͤne Katrinelje ? ’
‘ Sie ist in der Kammer , und zaͤhlt ihre Pfennige .’
‘Guten Tag , schoͤne Katrinelje . ’ ‘Großen Dank , Pif , Paf , Poltrie . ’ ‘Willst du wohl mein Schatz seyn ? ’ ‘ O ja , wenns der Vater Hollenthe , die Mutter Malcho , der Bruder Hohenstolz , die Schwester Kaͤsetraut will , so kanns geschehen .’
‘Schoͤn Katrinelje , wie viel hast du an Brautschatz ? ’ ‘Vierzehn Pfennige baares Geld , drittehalb Groschen Schuld , ein halb Pfund Hutzeln , eine Hand voll Prutzeln , eine Hand voll Wurzeln ,
un so der watt :
is dat nig en guden Brutschatt ?’
‘ Pif , Paf , Poltrie , was kannst du fuͤr ein Handwerk ? bist du ein Schneider ? ’ ‘ Noch viel besser . ’ ‘ Ein Schuster ? ’ ‘ Noch viel besser . ’ ‘ Ein Ackersmann ? ’ ‘ Noch viel besser . ’ ‘ Ein Schreiner ? ’ ‘ Noch viel besser . ’ ‘ Ein Schmied ? ’ ‘ Noch viel besser . ’ ‘ Ein Muͤller ? ’ ‘ Noch viel besser . ’ ‘Vielleicht ein Besenbinder ? ’ ‘ Ja , ist das nicht ein schoͤnes Handwerk ? ’
132.
Der Fuchs und das Pferd .
E s hatte ein Bauer ein treues Pferd , das war alt geworden und konnte keine Dienste mehr thun , da wollt ihm sein Herr nichts mehr zu fressen geben , und sprach ‘brauchen kann ich dich freilich nicht mehr , indeß mein ich es gut mit dir , zeigst du dich noch so stark , daß du mir einen Loͤwen hierher bringst , so will ich dich behalten , jetzt aber mach dich fort aus meinem Stall ; ’ und jagte es damit ins Feld . Das Pferd war traurig , und gieng nach dem Wald zu , dort ein wenig Schutz vor dem Wetter zu suchen ; da begegnete ihm der Fuchs , und sprach ‘ was haͤngst du so den Kopf , und gehst so einsam herum ? ’ ‘ Ach ,’ sagte das Pferd , ‘ Geitz und Treue wohnen nicht beisammen in einem Haus ; mein Herr hat vergessen was ich ihm alles in so vielen Jahren gethan habe , und weil ich nicht recht mehr ackern kann , will er mir kein Futter mehr geben , und hat mich fortgejagt . ’ ‘ Ohne allen Trost ? ’ fragte der Fuchs . ‘ Der Trost war schlecht , er hat gesagt , wenn ich so stark waͤre , daß ich ihm einen Loͤwen braͤchte , wollt er mich behalten , aber er weiß wohl daß ich das nicht vermag . ’ Der Fuchs sprach ‘ da will ich dir helfen , leg dich nur hin , streck dich aus , und rege dich nicht , als waͤrst du todt . ’ Das Pferd that was der Fuchs verlangte , der Fuchs aber gieng zum Loͤwen , der seine Hoͤhle nicht
weit davon hatte , und sprach ‘ da draußen liegt ein todtes Pferd , komm doch mit hinaus , da kannst du eine fette Mahlzeit halten .’ Der Loͤwe gieng mit ; wie sie bei dem Pferd standen , sprach der Fuchs ‘ hier hast dus doch nicht nach deiner Gemaͤchlichkeit , weißt du was ? ich wills mit dem Schweif an dich binden , so kannst dus in deine Hoͤhle ziehen , und in aller Ruhe verzehren .’ Dem Loͤwen gefiel der Rath , und er stellte sich hin , damit ihm der Fuchs das Pferd anknuͤpfen koͤnne , hielt auch fein still . Der Fuchs aber band mit des Pferdes Schweif dem Loͤwen die Beine zusammen , und drehte und schnuͤrte alles so wohl und stark , daß es mit keiner Kraft zu zerreißen war . Als er nun sein Werk vollendet hatte , klopfte er dem Pferd auf die Schulter , und sprach ‘zieh Schimmel , zieh . ’ Da sprang das Pferd mit einmal auf , und zog den Loͤwen mit sich fort ; der Loͤwe fieng an zu bruͤllen , daß die Voͤgel in dem ganzen Wald vor Schrecken aufflogen , aber das Pferd ließ ihn bruͤllen , zog und schleppte ihn uͤber das Feld vor seines Herrn Thuͤr . Wie der Herr das sah , besann er sich eines bessern , und sprach zu dem Pferd ‘ du sollst bei mir bleiben , und es gut haben ,’ und gab ihm satt zu fressen bis es starb .
133.
Die zertanzten Schuhe .
E s war einmal ein Koͤnig , der hatte zwoͤlf Toͤchter , eine immer schoͤner als die andere , die hatten ihre zwoͤlf Betten zusammen in einem Saal , und wann sie waren schlafen gegangen , wurde die Thuͤre verschlossen und verriegelt , und doch waren jeden Morgen ihre Schuhe zertanzt , und wußte niemand , wo sie gewesen und wie es zugegangen war . Da ließ der Koͤnig ausrufen wers koͤnnte ausfindig machen , wo sie in der Nacht tanzten , der sollte sich eine davon zur Frau waͤhlen , und nach seinem Tod Koͤnig seyn ; wer sich aber meldete , und es nach drei Tagen und Naͤchten nicht herausbraͤchte , der haͤtte sein Leben verwirkt . Es kam bald ein Koͤnigssohn , der ward wohl aufgenommen , und Abends in das Zimmer gefuͤhrt , das vor dem Schlafsaal der zwoͤlf Toͤchter war , da stand sein Bett , und da sollte er Acht haben , wo sie hingiengen und tanzten ; und damit sie nichts heimlich treiben konnten oder zu einem andern Ort hinausgiengen , war auch die Saalthuͤre offen gelassen . Der Koͤnigssohn aber schlief ein , und als er am Morgen aufwachte , waren alle zwoͤlfe zum Tanz gewesen , denn ihre Schuhe standen da , und hatten Loͤcher in den Sohlen . Den zweiten und dritten Abend giengs eben so , und da ward ihm sein Haupt abgeschlagen ; und so kamen noch viele und
meldeten sich zu dem Wagestuͤck , sie mußten aber alle ihr Leben lassen . Nun trug sichs zu , daß ein armer Soldat , der eine Wunde hatte , und nicht mehr dienen konnte , nach der Stadt zugieng , wo der Koͤnig wohnte . Da begegnete ihm eine alte Frau , die fragte ihn wo er hin wollte . ‘ Jch weiß selber nicht recht ,’ sprach er , ‘ aber ich haͤtte wohl Lust Koͤnig zu werden , und auszumachen wo die Koͤnigstoͤchter ihre Schuhe vertanzen . ’ ‘ Das ist so schwer nicht ,’ sagte die Alte , ‘ du mußt nur den Wein nicht trinken , den dir die eine Abends bringt , und mußt thun , als waͤrst du fest eingeschlafen . ’ Darauf gab sie ihm ein Maͤntelchen , und sprach ‘ wenn du das umhaͤngst , so bist du unsichtbar , und kannst den Zwoͤlfen dann nachschleichen . ’ Wie der Soldat den guten Rath bekommen hatte , wards Ernst bei ihm , so daß er sich ein Herz faßte , vor den Koͤnig gieng , und sich als Freier meldete . Er ward so gut aufgenommen wie die andern auch , und wurden ihm koͤnigliche Kleider angethan . Abends zur Schlafenszeit wurde er in das Vorzimmer gefuͤhrt , und als er zu Bette gehen wollte , kam die aͤlteste , und brachte ihm einen Becher Wein , aber er hatte sich einen Schwamm unter das Kinn gebunden , und ließ den Wein da hineinlaufen , und trank keinen Tropfen . Dann legte er sich nieder , und als er ein Weilchen gelegen hatte , fieng er an zu schnarchen wie im tiefsten Schlaf . Das hoͤrten die zwoͤlf Koͤnigstoͤchter , lachten , und die aͤlteste sprach ‘ der haͤtte auch sein Leben sparen koͤnnen . ’ Danach standen sie auf , oͤffneten Schraͤnke , Kisten und Kasten , und holten praͤchtige Kleider heraus , putzten sich vor den Spiegeln , sprangen herum , und freuten sich auf den Tanz . Nur
die juͤngste sagte ‘ ich weiß nicht , ihr freut euch , aber mir ist so wunderlich zu Muthe , gewiß widerfaͤhrt und ein Ungluͤck . ’ ‘ Du bist eine Schneegans ,’ sagte die aͤlteste , ‘ du fuͤrchtest dich immer ; hast du vergessen wie viel Koͤnigssoͤhne schon umsonst da gewesen sind ; dem Soldaten haͤtt ich nicht einmal brauchen einen Schlaftrunk zu geben , er waͤre doch nicht aufgewacht . ’ Wie sie alle fertig waren , sahen sie erst nach dem Soldaten , aber der ruͤhrte und regte sich nicht ; und wie sie nun glaubten ganz sicher zu seyn , so gieng die aͤlteste an ihr Bett , und klopfte daran , alsbald sank es in die Erde , und oͤffnete sich eine Fallthuͤr . Da sah der Soldat wie sie herunter stiegen , eine nach der andern , die aͤlteste voran . Er zauderte nicht lange , richtete sich auf , hieng sein Maͤntelchen um , und stieg hinter der juͤngsten mit hinab . Mitten auf der Treppe trat er ihr ein wenig aufs Kleid , da erschrack sie , und rief ‘ es ist nicht richtig , es haͤlt mich Jemand am Kleid . ’ ‘ Sey nicht so einfaͤltig ,’ sagte die aͤlteste , ‘ du bist an einem Haken haͤngen geblieben . ’ Da giengen sie vollends hinab , und wie sie unten waren , standen sie in einem wunderpraͤchtigen Baumgang , da waren alle Blaͤtter von Silber , und schimmerten und glaͤnzten . Der Soldat dachte ‘ du willst dir ein Wahrzeichen mitnehmen , ’ und brach einen Zweig davon ab , da kam ein gewaltiger Krach aus dem Baume . Die juͤngste rief wieder ‘ es ist nicht richtig , habt ihr den Knall gehoͤrt , das ist noch nie hier geschehen . ’ Die aͤlteste aber sprach ‘ das sind Freudenschuͤsse , weil wir unsere Prinzen bald erloͤst haben . ’ Sie kamen darauf in einen Baumgang , wo alle Blaͤtter von Gold , und endlich in einen dritten , wo sie
klarer Demant waren ; von beiden brach er einen Zweig ab , wobei es jedesmal krachte , daß die juͤngste vor Schrecken zusammenfuhr , aber die aͤlteste blieb dabei , es waͤren Freudenschuͤsse . Da giengen sie weiter bis zu einem großen Wasser , darauf standen zwoͤlf Schifflein , und in jedem Schifflein saß ein schoͤner Prinz , die hatten auf die zwoͤlfe gewartet , und jeder nahm eine zu sich , der Soldat aber setzte sich mit der juͤngsten ein . Da sprach der Prinz ‘ ich weiß nicht , das Schiff ist heute viel schwerer , und ich muß aus allen Kraͤften rudern , wenn ich es fort bringen soll . ’ ‘Wovon sollte das kommen ,’ sprach die juͤngste , ‘ als vom warmen Wetter , es ist mir auch so heiß zu Muth . ’ Jenseits des Wassers aber stand ein schoͤnes hellerleuchtetes Schloß , woraus eine lustige Musik erschallte von Pauken und Trompeten ; sie ruderten hinuͤber , giengen ein , und jeder Prinz tanzte mit seiner Liebsten ; der Soldat aber tanzte unsichtbar mit , und wenn eine einen Becher mit Wein hielt , so trank er ihn aus , daß er leer war , wenn sie ihn an den Mund brachte ; und der juͤngsten ward auch angst daruͤber , aber die aͤlteste brachte sie immer zum Schweigen . Sie tanzten da bis drei Uhr am andern Morgen , wo alle Schuhe durchgetanzt waren , und sie aufhoͤren mußten . Die Prinzen fuhren sie uͤber das Wasser wieder zuruͤck , und der Soldat setzte sich diesmal vornen hin zur aͤltesten ; am Ufer nahmen sie von ihren Prinzen Abschied , und versprachen in der folgenden Nacht wieder zu kommen . Als sie an der Treppe waren , lief der Soldat voraus , legte sich ins Bett , und als die Zwoͤlf langsam und muͤde herauf getrippelt kamen , schnarchte er schon wieder laut , so daß
sie sprachen ‘ nun , vor dem sind wir sicher . ’ Da thaten sie ihre schoͤnen Kleider aus , brachten sie weg , stellten die zertanzten Schuhe unter das Bett , und legten sich nieder . Am andern Morgen wollte der Soldat nichts sagen , sondern das wunderliche Wesen noch mit ansehen , und gieng die zweite und die dritte Nacht wieder mit , und da war alles , wie das erstemal , und sie tanzten jedesmal bis die Schuhe entzwei waren ; nur das drittemal nahm er noch einen Becher mit zum Wahrzeichen . Zu der Stunde nun , wo er antworten sollte , nahm er die drei Zweige und den Becher zu sich , und gieng vor den Koͤnig , und die Zwoͤlfe standen hinter der Thuͤre , und horchten was er sagen wuͤrde . Wie der Koͤnig nun fragte , ‘ wo haben meine zwoͤlf Toͤchter ihre Schuhe in der Nacht vertanzt ? ’ antwortete er ‘ mit zwoͤlf Prinzen in einem unterirdischen Schloß ,’ und erzaͤhlte alles , und holte die Wahrzeichen hervor . Da rief der Koͤnig seine Toͤchter , und fragte sie ob der Soldat die Wahrheit gesagt haͤtte , und da sie sahen daß sie verrathen waren , und Laͤugnen nichts half , gestanden sie alles . Darauf fragte ihn der Koͤnig ‘ welche er zur Frau haben wollte . ’ Er antwortete ‘ ich bin nicht mehr jung , so gebt mir die aͤlteste . ’ Da ward noch an selbigem Tage die Hochzeit gehalten , und ihm das Reich nach des Koͤnigs Tode versprochen ; aber die Prinzen wurden auf so viel Tage wieder verwuͤnscht , als sie Naͤchte mit den Zwoͤlfen getanzt hatten .
134.
Die sechs Diener .
V or Zeiten lebte eine alte Koͤnigin , die war eine Zauberin , und ihre Tochter war das schoͤnste Maͤdchen unter der Sonne . Sie dachte aber nur darauf , wie sie die Menschen ins Verderben locken koͤnnte , und wenn ein Freier kam , so sprach sie wer ihre Tochter haben wollte , muͤsse einen Bund ( eine Aufgabe ) loͤsen oder sterben . Viele , von der Schoͤnheit der Jungfrau verblendet , wagten es wohl , aber sie konnten nicht vollbringen was die Alte ihnen auflegte , und dann war keine Gnade , sie mußten niederknien , und das Haupt ward ihnen abgeschlagen . Nun geschah es , daß ein Koͤnigssohn auch von der großen Schoͤnheit der Jungfrau hoͤrte , und zu seinem Vater sprach ‘lieber Vater , laßt mich hinziehen , ich will um sie werben . ’ ‘Nimmermehr ,’ antwortete der Koͤnig , ‘ gehst du fort , so gehst du in deinen Tod .’ Da legte der Sohn sich nieder , und ward sterbenskrank , und lag sieben Jahre lang , und kein Arzt konnte ihm helfen . Als der Vater nun sah daß er doch verloren waͤre , sprach er voll Herzenstraurigkeit zu ihm ‘ziehe hin , und versuche dein Gluͤck , ich weiß dir sonst nicht zu helfen . ’ Wie der Sohn das hoͤrte , stand er auf von seinem Lager , war gesund , und machte sich froͤhlich auf den Weg .
Es trug sich zu , als er durch ein Holz zu reiten kam , daß er von weitem etwas großes auf der Erde liegen sah , und wie er sich naͤherte , konnte er unterscheiden daß es der Bauch eines Menschen war , der sich dahin gestreckt hatte ; der Bauch aber sah aus , wie ein kleiner Berg . Der Dicke , wie er den Reisenden erblickte , richtete sich in die Hoͤhe , und sprach ‘ wenn ihr jemand braucht , so nehmt mich in eure Dienste . ’ Der Koͤnigssohn antwortete ‘ was soll ich mit einem so dicken Manne anfangen ? ’ ‘ O ,’ sprach der Dicke , ‘ das will nichts sagen , wenn ich mich recht aus einander thue , bin ich noch dreitausendmal so dick . ’ ‘ Wenn das ist ,’ sagte der Koͤnigssohn , ‘ so kann ich dich brauchen , komm mit mir . ’ Da gieng der Dicke hinter dem Koͤnigssohn her , und uͤber eine Weile fanden sie einen andern , der lag da auf der Erde , und hatte das Ohr auf den Rasen gelegt . Fragte der Koͤnigssohn ‘ was machst du da ? ’ ‘ Jch horche ,’ antwortete der Mann . ‘Wonach horchst du so aufmerksam ? ’ ‘ Jch horche nach dem was in der Welt sich eben zutraͤgt , denn ich hoͤre alles , so gar das Gras hoͤre ich wachsen . ’ Fragte der Koͤnigssohn ‘sage mir , was hoͤrst du am Hofe der alten Koͤnigin , welche die schoͤne Tochter hat .’ Da antwortete er ‘ ich hoͤre das Schwert sausen , das einem Freier den Kopf abschlaͤgt .’ Der Koͤnigssohn sprach ‘ ich kann dich brauchen , komm mit mir . ’ Da zogen sie weiter , und sahen einmal ein paar Fuͤße da liegen und auch etwas von den Beinen , aber das Ende konnten sie nicht sehen . Als sie eine gute Strecke fortgegangen waren , kamen sie zu dem Leib und endlich auch zu dem Kopf . ‘ Ei ,’ sprach der Koͤnigssohn , ‘ was bist du fuͤr ein langer Strick ! ’ ‘ O ,’
antwortete der Lange , ‘ das ist noch gar nichts , wenn ich mich erst recht ausstrecke , bin ich noch dreitausendmal so lang , und groͤßer , als der hoͤchste Berg auf Erden . Jch will euch gerne dienen , wenn ihr mich wollt . ’ ‘Komm mit ,’ sprach der Koͤnigssohn , ‘ ich kann dich brauchen . ’ Sie zogen weiter , und fanden einen am Weg sitzen , der hatte die Augen zugebunden . Sprach der Koͤnigssohn zu ihm ‘ bist du blind oder hast du bloͤde Augen , daß du nicht in das Licht sehen kannst ? ’ ‘Nein ,’ antwortete der Mann , ‘ ich darf die Binde nicht abnehmen , denn was ich mit meinen Augen ansehe , das springt aus einander , solch eine große Gewalt liegt in meinem Blick . Kann euch das nuͤtzen , so will ich euch gern dienen . ’ ‘Komm mit ,’ antwortete der Koͤnigssohn , ‘ ich kann dich brauchen . ’ Sie zogen weiter , und fanden einen Mann , der lag mitten im heißen Sonnenschein , und zitterte , und fror am ganzen Leibe , so daß ihm kein Glied still stand . ‘ Wie kannst du mitten im Sommer so frieren ? ’ sprach der Koͤnigssohn , ‘ die Sonne scheint ja warm genug . ’ ‘ Ach ,’ antwortete der Mann , ‘ je heißer es ist , destomehr frier ich , und der Frost dringt mir dann durch alle Knochen , und je kaͤlter es ist , desto heißer wird mir , und mitten im Eis kann ichs vor Hitze , und mitten im Feuer vor Kaͤlte nicht aushalten . ’ ‘ Du bist ein wunderlicher Kerl ,’ sprach der Koͤnigssohn , ‘ aber wenn du mir dienen willst , so komm mit . ’ Nun zogen sie weiter , und sahen einen Mann stehen , der machte einen langen Hals , und schaute sich um , und schaute uͤber alle Berge hinaus . Sprach der Koͤnigssohn ‘ wonach siehst du so eifrig ? ’ Da antwortete der Mann ‘ ich habe so
helle Augen , daß ich uͤber alle Waͤlder und Felder , Thaͤler und Berge hinaus und durch die ganze Welt sehen kann . ’ Der Koͤnigssohn sprach ‘willst du , so komm mit mir , denn so einer fehlte mir noch .’
Nun zog der Koͤnigssohn mit seinen sechs Dienern in die Stadt ein , wo die alte Koͤnigin lebte , trat vor sie , und sprach ‘ so ihr mir eure schoͤne Tochter geben wollt , will ich vollbringen , was ihr auferlegt . ’ ‘ Ja ,’ antwortete die Zauberin , ‘ dreimal will ich dir einen Bund aufgeben , loͤsest du ihn jedesmal , so sollst du der Herr und Gemahl meiner Tochter werden . ’ Sprach er ‘ was wollt ihr mir zuerst aufgeben ? ’ ‘ Daß du mir einen Ring wiederbringst , den ich ins rothe Meer habe fallen lassen . ’ Da gieng der Koͤnigssohn heim zu seinen Dienern , und sprach ‘ der erste Bund ist nicht leicht , ein Ring soll aus dem rothen Meer geholt werden , nun schafft Rath . ’ Da sprach der mit den hellen Augen ‘ ich will sehen wo er liegt ,’ und schaute in das Meer hinab , und sagte ‘ dort liegt er , neben einem Stein . ’ ‘ Jch wollte ihn wohl herausholen ,’ sprach der Lange , ‘ wenn ich ihn nur sehen koͤnnte . ’ ‘ Da will ich dir helfen ’ rief der Dicke , legte sich nieder , und hielt seinen Mund ins Wasser , und ließ die Wellen hineinlaufen , und trank das ganze Meer aus , daß es trocken ward wie eine Wiese . Nun buͤckte sich der Lange nur ein wenig , und holte den Ring mit der einen Hand heraus . Da war der Koͤnigssohn froh , und brachte ihn der Alten . Sie sah den Ring an , und sprach mit Verwunderung ‘ja , es ist der rechte ; den ersten Bund hast du gluͤcklich geloͤst , aber nun kommt der zweite . Siehst
du dort auf der Wiese vor meinem Schlosse , da weiden dreihundert fette Ochsen , die mußt du mit Haut und Haar , Knochen und Hoͤrnern verzehren , und unten im Keller liegen dreihundert Faͤsser Wein , die mußt du dazu austrinken , und bleibt von den Ochsen ein Haar , und von dem Wein ein Troͤpfchen uͤbrig , so ist mir dein Leben verfallen . ’ Sprach der Koͤnigssohn ‘ darf ich mir keine Gaͤste dazu laden ? ohne Gesellschaft schmeckt keine Mahlzeit . ’ Die Alte lachte in Bosheit , und antwortete ‘ einen darfst du dir dazu laden , damit du Gesellschaft hast , aber weiter keinen .’
Da gieng der Koͤnigssohn zu seinen Dienern , und sprach zu dem Dicken ‘ du sollst heute mein Gast seyn , und dich einmal satt essen . ’ Da that sich der Dicke von einander , und aß die dreihundert Ochsen , daß kein Haar uͤbrig blieb , und fragte ob weiter nichts als das Fruͤhstuͤck da waͤre ; den Wein aber trank er gleich aus den Faͤssern , ohne daß er ein Glas noͤthig hatte , und trank den letzten Tropfen vom Nagel herunter . Als die Mahlzeit zu Ende war , gieng der Koͤnigssohn zur Alten , und sagte ihr der zweite Bund waͤre geloͤst . Sie verwunderte sich , und sprach ‘ so weit wie du hats noch keiner gebracht , aber es ist noch ein Bund uͤbrig ,’ und dachte ‘ du sollst mir nicht entgehen , und sollst deinen Kopf nicht oben erhalten . ’ ‘Heut Abend ,’ sprach sie , ‘ bring ich meine Tochter zu dir in deine Kammer und in deinen Arm , da sollt ihr beisammen sitzen , aber huͤte dich daß du nicht einschlaͤfst ; ich komme Schlag zwoͤlf Uhr , und ist sie dann nicht mehr in deinen Armen , so hast du verloren . ’ ‘ O ,’ dachte der Koͤnigssohn , ‘ der Bund ist leicht , ich will wohl meine Augen offen behalten ,’ doch
rief er seine Diener , erzaͤhlte ihnen was die Alte gesagt hatte , und sprach ‘ wer weiß , was fuͤr eine List dahinter steckt , Vorsicht ist gut , haltet Wache , und sorgt daß die Jungfrau nicht wieder aus meiner Kammer kommt . ’ Als es nun Nacht wurde , da brachte die Alte ihre Tochter , und fuͤhrte sie in die Arme des Koͤnigssohns , und danach schlang sich der Lange um sie beide in einen Kreiß , und der Dicke stellte sich vor die Thuͤre , also daß keine lebendige Seele herein konnte . Da saßen sie beide , und die Jungfrau sprach kein Wort , aber der Mond schien durchs Fenster auf ihr Angesicht , daß er ihre wunderbare Schoͤnheit sehen konnte . Er that nichts als sie anschauen , und war voll Freude und Liebe , und seine Augen wurden nicht muͤde ; das dauerte bis elf Uhr , da fiel , durch die Kuͤnste der Alten , ein Zauber uͤber alle , daß sie sichs nicht erwehren konnten und einschliefen , und in dem Augenblick war auch die Jungfrau entruͤckt .
Nun schliefen sie hart bis ein Viertel vor zwoͤlf , da war der Zauber kraftlos , und sie erwachten alle wieder . ‘ O Jammer und Ungluͤck ,’ rief der Koͤnigssohn , ‘ nun bin ich verloren ! ’ Die treuen Diener fiengen auch an zu klagen , aber der Horcher sprach ‘ seyd einmal still , ich will horchen ,’ da horchte er einen Augenblick , und dann sprach er ‘ sie sitzt in einem Felsen dreihundert Stunden von hier , und bejammert ihr Schicksal ; du kannst helfen , Langer , wenn du dich aufrichtest , so bist du mit ein paar Schritten dort . ’ ‘ Ja ,’ antwortete der Lange , ‘ aber der mit den scharfen Augen muß mitgehen , damit wir den Felsen wegschaffen . ’ Da huckte der Lange den mit verbundenen Augen auf , und im Augenblick , wie man
eine Hand umwendet , waren sie vor dem verwuͤnschten Felsen . Alsbald nahm der Lange dem andern die Binde von den Augen , der sich nur umschaute , so war der Felsen in tausend Stuͤcke zersprungen . Da nahm der Lange die Jungfrau auf den Arm , trug sie in einem Nu zuruͤck , und kam wieder , und holte auch noch seinen Kameraden , und eh es zwoͤlfe schlug , saßen sie alle wieder , wie vorher , und waren munter und guter Dinge . Jm Schlag zwoͤlf schlich die alte Zauberin herzu mit einem hoͤhnischen Gesicht , als wollte sie sagen ‘ nun ist er mein ,’ und glaubte nicht anders , als ihre Tochter saͤße dreihundert Stunden weit im Felsen . Als sie aber herbei kam , und ihre Tochter in den Armen des Koͤnigssohns sah , erschrack sie , und sprach ‘ da ist einer , der kann mehr als ich . ’ Aber sie durfte nichts einwenden , und mußte ihm die Jungfrau zusagen . Doch sprach sie ihr ins Ohr ‘ es ist eine Schande fuͤr dich , daß du durch gemeine Diener gewonnen wirst , und dir einen Gemahl nicht nach deinem Gefallen waͤhlen darfst .’
Nun hatte die Jungfrau wirklich ein so stolzes Herz , daß sie daruͤber mit Zorn erfuͤllt wurde , und am andern Morgen ließ sie dreihundert Malter Holz zusammenfahren , und sprach zu dem Koͤnigssohn , die drei Buͤnde waͤren geloͤst , aber wenn sie ihn heirathen sollte , muͤste jemand sich mitten in das Holz setzen , und das Feuer aushalten . Dabei dachte sie wenn die Diener ihm auch alles thaͤten , wuͤrde sich doch keiner fuͤr ihn verbrennen , und aus Liebe zu ihr wuͤrde er selber sich hinein setzen , und dann waͤre sie frei . Wie aber die Diener das hoͤrten , sprachen sie ‘ wir haben alle etwas gethan , nur der Frostige noch nicht , der muß auch daran ,’ und nahmen
ihn , und trugen ihn ins Holz hinein , und stecktens an . Da hub das Feuer an , und brannte drei Tage , bis alles Holz verzehrt war , und als es verlosch , stand der Frostige mitten in der Asche , und zitterte wie ein Espenlaub und sprach ‘ so hab ich mein Lebtage nicht gefroren , und wenns laͤnger gedauert haͤtte , waͤr ich im Frost erstarrt .’
Nun war keine Ausflucht mehr zu finden , die schoͤne Jungfrau mußte mit dem Koͤnigssohn sich vermaͤhlen . Als sie aber nach der Kirche fuhren , sprach die Alte ‘ ich kanns nimmermehr zugeben ,’ und schickte ihr Kriegsvolk nach , das sollte alles niedermachen , was ihm vorkaͤme , und ihr die Tochter zuruͤckbringen . Der Horcher aber hatte die Ohren gespitzt , und die heimlichen Reden der Alten angehoͤrt , und sagte es dem Dicken , der wußte Rath , speite einmal oder zweimal aus hinter dem Wagen , da entstand ein groß Wasser , worin die Kriegsvoͤlker stecken blieben und ertranken . Als sie nicht zuruͤckkamen , schickte die Alte ganz geharnischte Reiter , aber der Horcher hoͤrte sie kommen , und band dem einen die Augen auf , der guckte die Feinde ein bischen scharf an , da sprangen sie aus einander wie Glas . Nun fuhren sie ungestoͤrt weiter , und als sie in der Kirche verheirathet und eingesegnet waren , nahmen die sechs Diener ihren Abschied , und sprachen ‘ wir wollen weiter unser Gluͤck in der Welt versuchen .’
Eine halbe Stunde vor dem Schloß war ein Dorf , vor dem huͤtete ein Schweinehirt seine Heerde ; wie sie dahin kamen , sprach er zu seiner Frau ‘ weißt du auch recht wer ich bin ? ich bin kein Koͤnigssohn , sondern ein Schweinehirt , und der mit der Herde
dort , das ist mein Vater , und nun muͤssen wir zwei auch daran , und ihm helfen huͤten .’ Dann stieg er mit ihr in ein Wirthshaus ab , und sagte heimlich zu den Wirthsleuten in der Nacht sollten sie ihr die koͤniglichen Kleider wegnehmen . Wie sie nun am Morgen aufwachte , hatte sie nichts anzuthun , und die Wirthin gab ihr einen alten Rock , und ein Paar alte wollene Struͤmpfe , und that noch als waͤrs ein großes Geschenk , und sprach ‘ wenn nicht euer Mann waͤre , haͤtt ichs euch gar nicht gegeben . ’ Da glaubte sie er waͤre wirklich ein Schweinehirt , und huͤtete mit ihm die Herde , und dachte ‘ ich habe es verdient mit meinem Uebermuth und Stolz . ’ Das dauerte acht Tage , da konnte sie es nicht mehr aushalten , denn die Fuͤße waren ihr ganz wund geworden . Da kamen ein paar Leute , und fragten ob sie recht wuͤßte wer ihr Mann waͤre . ‘ Ja ,’ antwortete sie , ‘er ist ein Schweinehirt , und ist eben ausgegangen mit ein wenig Band zu handeln . ’ Sie sprachen aber ‘ kommt einmal mit , wir wollen euch zu ihm hinfuͤhren ,’ und brachten sie ins Schloß hinauf ; und wie sie in den Saal kam , stand da ihr Mann in koͤniglichen Kleidern . Sie erkannte ihn aber nicht , bis er ihr um den Hals fiel , sie kuͤßte und sprach ‘ ich habe so viel fuͤr dich gelitten , da hast du auch fuͤr mich leiden sollen . ’ Nun ward erst recht die Hochzeit gefeiert , und ders erzaͤhlt hat , wollte er waͤre auch dabei gewesen .
135.
Die weiße und die schwarze Braut .
E ine Frau gieng mit ihrer Tochter und Stieftochter uͤber Feld , Futter zu schneiden . Da kam der liebe Gott als ein armer Mann zu ihnen gegangen , und fragte ‘ wo fuͤhrt der Weg ins Dorf ? ’ ‘ Ei ,’ sprach die Mutter , ‘ sucht ihn selber ,’ und die Tochter setzte noch hinzu ‘ habt ihr Sorge daß ihr ihn nicht findet , so bringt euch einen Wegweiser mit .’ Die Stieftochter aber sprach ‘ armer Mann , ich will dich fuͤhren , komm mit mir . ’ Da erzuͤrnte der liebe Gott uͤber die Mutter und Tochter , wendete ihnen den Ruͤcken zu , und verwuͤnschte sie , daß sie sollten schwarz werden wie die Nacht , und haͤßlich wie die Suͤnde . Der armen Stieftochter aber war Gott gnaͤdig , und gieng mit ihr , und als sie nahe am Dorf waren , sprach er einen Segen uͤber sie , und sagte ‘ waͤhle dir drei Sachen aus , die will ich dir gewaͤhren . ’ Da sprach das Maͤdchen ‘ ich moͤchte gern schoͤn werden wie die Sonne ;’ alsbald wurde sie weiß und schoͤn wie der Tag . ‘ Dann moͤchte ich einen Geldbeutel haben , der nie leer wuͤrde ;’ den gab der liebe Gott auch , sprach aber ‘ vergiß das Beste nicht , meine Tochter . ’ Sagte sie ‘ ich wuͤnsche mir zum dritten das ewige Himmelreich nach meinem Tode . ’ Das wurde ihr auch zugesagt , und also schied der liebe Gott von ihr .
Wie nun die Stiefmutter mit ihrer Tochter nach Hause kam , und sah daß sie beide kohlschwarz und haͤßlich waren , die Stieftochter aber weiß und schoͤn , ward sie ihr im Herzen noch boͤser , und hatte nur im Sinn wie sie ihr ein Leid anthun koͤnnte . Die Stieftochter aber hatte einen Bruder Namens Reginer , den liebte sie sehr , und erzaͤhlte ihm alles was geschehen war . Nun sprach Reginer einmal zu ihr ‘liebe Schwester , ich will dich abmahlen , damit ich dich bestaͤndig vor Augen sehe , denn meine Liebe zu dir ist so groß , daß ich dich immer in Gedanken habe . ’ Da antwortete sie ‘ aber laß niemand das Bild sehen .’ Er mahlte sich nun seine Schwester ab , und hieng das Bild in seiner Stube auf , in des Koͤnigs Schloß , bei dem er Kutscher war , und alle Tage gieng er davor stehen , und dankte Gott fuͤr das Gluͤck seiner lieben Schwester . Nun war aber gerade dem Koͤnig , bei dem er diente , seine Gemahlin verstorben , welche so schoͤn gewesen war , daß man keine finden konnte , die ihr gliche , und der Koͤnig war daruͤber in tiefer Trauer . Die Hofdiener sahen es indessen dem Kutscher ab wie er taͤglich vor dem schoͤnen Bilde stand , mißgoͤnntens ihm , und meldeten es dem Koͤnig . Da ließ dieser das Bild vor sich bringen , und sah daß es in allem seiner verstorbenen Frau glich , nur noch schoͤner war , so daß er sich sterblich hinein verliebte . Er ließ den Kutscher vor sich kommen , und fragte wen das Bild vorstellte . Als der Kutscher gesagt hatte daß es seine Schwester waͤre , entschloß sich der Koͤnig keine andere als diese zur Gemahlin zu nehmen , gab ihm Wagen und Pferde und praͤchtige Goldkleider , und schickte ihn fort ,
seine erwaͤhlte Braut ab zu holen . Wie Reginer mit der Botschaft an kam , freute sich seine Schwester , allein die Schwarze aͤrgerte sich uͤber alle Maßen vor großer Eifersucht , und sprach zu ihrer Mutter ‘ was helfen nun all eure Kuͤnste , da ihr mir kein solches Gluͤck verschaffen koͤnnt . ’ Da sagte die Alte ‘ sey still , ich will dirs schon zuwenden ;’ und durch ihre Hexenkuͤnste truͤbte sie dem Kutscher die Augen , daß er halb blind war , und der Weißen verstopfte sie die Ohren , daß sie halb taub war . Darauf stiegen sie in den Wagen , erst die Braut in den herrlichen koͤniglichen Kleidern , dann die Stiefmutter mit ihrer Tochter , und Reginer saß auf dem Bock , um zu fahren . Wie sie eine Weile gereist waren , unterwegs , rief der Kutscher
‘ deck dich zu , mein Schwesterlein ,
daß Regen dich nicht naͤßt ,
daß Wind dich nicht bestaͤubt ,
daß du fein schoͤn zum Koͤnig kommst .’
Die Braut fragte ‘ was sagt mein lieber Bruder ? ’ ‘ Ach ,’ sprach die Alte , ‘er hat gesagt du solltest dein guͤlden Kleid aus ziehen , und es deiner Schwester geben . ’ Da zog sies aus , und thats der Schwarzen an , die gab ihr dafuͤr einen schlechten grauen Kittel . So fuhren sie weiter ; uͤber ein Weilchen rief der Bruder abermals
‘ deck dich zu , mein Schwesterlein ,
daß Regen dich nicht naͤßt ,
daß Wind dich nicht bestaͤubt ,
und du fein schoͤn zum Koͤnig kommst .’
Die Braut fragte ‘ was sagt mein lieber Bruder ? ’ ‘ Ach ,’ sprach die
Alte , ‘er hat gesagt du solltest deine guͤldene Haube ab thun , und deiner Schwester geben . ’ Da that sie die Haube ab und der Schwarzen auf , und saß im bloßen Haar . So fuhren sie weiter ; wiederum uͤber ein Weilchen rief der Bruder
‘ deck dich zu , mein Schwesterlein ,
daß Regen dich nicht naͤßt ,
daß Wind dich nicht bestaͤubt ,
und du fein schoͤn zum Koͤnig kommst .’
Die Braut fragte ‘ was sagt mein lieber Bruder ? ’ ‘ Ach ,’ sprach die Alte , ‘er hat gesagt du moͤchtest einmal aus dem Wagen sehen ;’ sie fuhren aber gerade uͤber ein tiefes Wasser . Wie nun die Braut aufstand und aus dem Fenster sah , da stießen sie die beiden andern hinaus , daß sie gerad ins Wasser fiel . Als sie aber versunken war , in demselben Augenblick , stieg eine schneeweiße Ente hervor , und schwamm den Fluß hinab . Der Bruder hatte gar nichts davon gemerkt , und fuhr den Wagen weiter , bis sie an den Hof kamen , da brachte er dem Koͤnig die Schwarze als seine Schwester , und meinte auch sie waͤrs , weil es ihm truͤbe vor den Augen war , und er doch die Goldkleider schimmern sah . Der Koͤnig , wie er die grundlose Haͤßlichkeit an seiner vermeinten Braut erblickte , ward sehr boͤs , und befahl den Kutscher in eine Grube zu werfen , die voll Ottern und Schlangengezuͤcht war . Die alte Hexe aber wußte den Koͤnig doch so zu bestricken , und ihm die Augen zu verblenden , daß er sie und ihre Tochter behielt und zu sich nahm , ja daß sie ihm ganz leidlich vorkam , und er sich wirklich mit ihr verheirathete .
Einmal Abends , waͤhrend die schwarze Braut dem Koͤnig auf dem Schooße saß , kam eine weiße Ente zum Gossenstein in die Kuͤche geschwommen , und sagte zum Kuͤchenjungen
‘Juͤngelchen , mach Feuer an ,
daß ich meine Federn waͤrmen kann .’
Das that der Kuͤchenjunge , und machte ihr ein Feuer auf dem Herd , da kam die Ente und setzte sich daneben , schuͤttelte sich und strich sich die Federn mit dem Schnabel zurecht . Waͤhrend sie so saß und sich wohlthat , fragte sie
‘ was macht mein Bruder Reginer ?’
Der Kuͤchenjunge antwortete
‘ liegt tief bei Ottern und Schlangen .’
Fragte sie weiter
‘ was macht die schwarze Hexe im Haus ?’
Der Kuͤchenjunge antwortete
‘ die sitzt warm
ins Koͤnigs Arm .’
Sagte die Ente
‘ daß Gott erbarm ! ’
und schwamm den Gossenstein hinaus .
Den folgenden Abend kam sie wieder , und that dieselben Fragen , und den dritten Abend noch einmal . Da konnte es der Kuͤchenjunge nicht laͤnger uͤbers Herz bringen , und sagte dem Koͤnig alles . Der Koͤnig aber gieng den andern Abend hin , und wie die Ente den Kopf durch den Gossenstein herein streckte , nahm er sein Schwert , und hieb ihr den Hals durch ,
da wurde sie auf einmal zum schoͤnsten Maͤdchen , und glich genau dem Bild , das der Bruder von ihr gemacht hatte . Der Koͤnig aber war voll Freuden , und weil sie ganz naß da stand , ließ er ihr koͤstliche Kleider bringen , und ließ sie damit bekleiden . Dann erzaͤhlte sie ihm wie sie war betrogen und endlich in den Fluß hinab geworfen worden ; und ihre erste Bitte war daß ihr Bruder aus der Schlangenhoͤhle herausgeholt wuͤrde . Und als der Koͤnig diese Bitte erfuͤllt hatte , gieng er in die Kammer , wo die alte Hexe saß , und fragte ‘ was verdient die , welche das und das thut ? ’ und erzaͤhlte den ganzen Hergang . Da war sie verblendet , merkte nichts , und sprach ‘ die verdient daß man sie nackt auszieht , und in ein Faß mit Naͤgeln legt , und vor das Faß ein Pferd spannt , und das Pferd in alle Welt schickt . ’ Das geschah alles an ihr und ihrer schwarzen Tochter . Der Koͤnig heirathete die weiße schoͤne Braut , und belohnte den treuen Bruder , indem er ihn zu einem reichen und angesehenen Mann machte .
136.
De wilde Mann .
E t was emoel en wilden Mann , de was verwuͤnsket , un genk bie de Bueren in den Goren ( Garten ) , un in’t Korn , un moek alles to Schande. Do klagden se an eeren Gutsheeren se koͤnnen eere Pacht nig mehr betalen , un do leit de Gutsheer alle Jaͤgers bie ene kummen , we dat Dier fangen koͤnne , de soll ’ ne graute Belohnung hebben . Do kuͤmmt do en ollen Jaͤger an , de segd he wuͤll dat Dier wull fangen . Do moͤtt se em ’ne Pulle met Fusel ( Branntwein ) , un ’ne Pulle met Wien , un ’ne Pulle met Beer gierwen ( geben ) , de settet he an dat Water , wo sik dat Dier alle Dage waͤskt . Un do geit he achter en Baum stohn , do kuͤmmt dat Dier , un drinket ut de Pullen , do leckt et alle de Mund , un kickt heruͤm ov dat auck well suͤht . Do werd et drunken , un do geit et liegen un schloͤpd . Do geit de Jaͤger to , un bind et an Haͤnden un Foͤten , do weckt he et wier up , un segd ‘ du wilde Mann , goh met , soͤck sast du alle Dage drinken .’ Do nimmt he et mit noh dat adlicke Schloß , do settet se et do in den Thornt , un de Heer geit to andre Nobers , de soͤllt seihn ( sehen ) wat he foͤr’n Dier fangen hed . Do spierlt ene von de jungen Heerens met ’n Ball , un let de in den Thornt fallen , un dat Kind segd ‘ wilde Mann , schmiet mie den Ball wier to .’ Do segd de wilde Mann
‘ den Ball most du soͤlvst wier hahlen . ’ ‘ Je ,’ segd dat Kind , ‘ ick heve kinen Schluͤrtel . ’ ‘ Dann mack du dat du bie dien Moder eere Tasken kuͤmmst , un stehl eer den Schluͤrtel . ’ Do schluͤt dat Kind den Thornt orpen , un de wilde Mann loͤpd derut . Do faͤnk dat Kind an to schreien ‘o wilde Mann , bliev doch hier , ick kriege suͤs Schlaͤge . ’ Do niermt de wilde Mann dat Kind uv de Nacken , un lopd dermet de Wildnis herin ; de wilde Mann was weg , dat Kind was verloren . De wilde Mann de tuͤt dat Kind en schlechten Kiel ( Kittel ) an , un schickt et noh den Goͤrner an den Kaisers Hof , do mot et frogen ov de kinen Goͤrnersjungen van dohn ( noͤthig ) hed . Do segd de he woͤre so schmeerig antrocken , de annern wullen nig bie em schlopen . Do seg he he wull int Strauh liegen , un geit alltied des Morgens froͤh in den Goren , do kuͤmmt em de wilde Mann entgiergen , do seg he , ‘ nu waske die , nu kaͤmme die . ’ Un de wilde Mann mackt den Goren so schoͤn , dat de Goͤrner et soͤlvst nig so gut kann . Un de Prinzessin suͤt alle Morgen den schoͤnen Jungen , do seg se to den Goͤrner de kleine Lehrjunge soͤll eer en Busk Blomen brengen . Un se froͤg dat Kind van wat foͤr Stand dat et woͤre ; do seg et ja dat wuͤs et nig , do giv se em en broden Hohn voll Ducoeten . Es he in kuͤmmt , giv he dat Geld sinen Heeren , un seg ‘ wat sall ick do met dohn , dat bruckt ji men . ’ Un he moste eer noh enen Busk Blomen brengen , do giv se em ’ne Aant ( Ente ) vull Ducoeten , de giv he wier an sinen Heeren . Un do noh enmoel , do giv se em ’ne Gans vull Ducoeten , de giv de Junge wier an sinen Heeren . Do meent de Prinzessin he hev Geld , un he hev nix , un
do hierothet se em in’t geheem , un do weeret eere Oeldern so beise , un setten se in dat Brauhuse , do mot se sick met spinnen ernaͤhren , un he geit in de Kuͤcke , un helpt den Kock de Broden dreien , un steld manxden ( zuweilen ) en Stuͤck Fleesk , un bringd et an sine Frau .
Do kuͤmmt so ’n gewoltigen Krieg in Engelland , wo de Kaiser hin mott un alle de grauten Heerens , do segd de junge Mann , he wull do auck hen , ov se nig no en Perd in Stall hedden , un se saden se hedden noh ent , dat goͤnk up drei Beenen , dat woͤr em gut genog . He settet sick up dat Perd , dat Perd dat geit alle husepus , husepus . Do kuͤmmt em de wilde Mann in de moͤte ( entgegen ) , do doͤt sick so ’n grauten Berg up , do sind wull dusend Regimenter Soldaten un Offzeers in , do daͤt he schoͤne Kleeder an , un krigd so ’n schoͤn Perd . Do tuͤt ( zieht ) he met alle sin Volk in den Krieg noh Engelland , de Kaiser enfaͤnk en so froͤndlick , un begerd en he moͤg em doh biestoen . He gewinnt de Schlacht , un verschleit alles . Do daͤt sick de Kaiser so bedanken voͤr em , un fraͤgd wat he foͤr ’n Heer woͤre , he segd ‘ dat froget mie men nig , dat kann ick ju nig seggen .’ He ritt met sin Volk wier ut Engelland , do kuͤmmt em de wilde Mann wier entgiergen , un doͤt alle dat Volk wier in den Berg , un he geit wier up sien dreibeenige Perd sitten . Do seget de Luide ‘ do kuͤmmt usse Hunkepus wier an met dat dreibeenige Perd ,’ un se froget ‘ wo hest du achter de Hierge ( Hecke ) laͤgen , un hest schlopen ? ’ ‘ Je ,’ segd he , ‘ wenn ick der nig woͤr west , dann haͤdde et in Engelland nig gut gohn . ’ Se segget ‘Junge , schwieg stille , suͤs giv die de
Heer wat upd’ Jack . ’ Un so genk et noh tweenmoel , un ton derdenmoel gewient he alles ; do kreeg he en Stick in den Arm , do niermt de Kaiser sinen Dock ( Tuch ) , und verbind em de Wunden . Do neidigt ( noͤthigt ) se em he moͤg do bie ihnen bliewen , ‘ne , ick bliewe nig bie ju , un wat ick sin , geit ju nig an .’ Do kuͤmmet em de wilde Mann wier entgiergen , un deih alle dat Volk wier in den Berg , un he genk wier up sin Perd sitten , un genk wier noh Hues. Do lachten de Luide , un segden ‘ do kuͤmmt usse Hunkepus wier an , wo hest du doh laͤgen un schlopen ? ’ He seg ‘ ick heve foͤrwohr nig slopen , nu is ganz Engelland gewunnen , un et is en wohren Frerden ( Frieden ) .’
Do segde de Kaiser von den schoͤnen Ritter , de em hev biestohen ; do seg de junge Mann to en Kaiser ‘ woͤre ick nig bie ju west , et woͤre nig guet gahen . ’ Do will de Kaiser em wat upn Buckel gierwen , ‘ ji ,’ seg he , ‘ wenn ji dat nig gleiwen willt , will ick ju minen Arm wiesen ;’ un asse he den Arm wiest , un asse de Kaiser de Wunde suͤt , do wert he gans verwuͤndert , un segd ‘ viellicht buͤst du Gott soͤlvst ader en Engel , den mie Gott toschickt hev ,’ un bat em uͤm Verzeihnuͤs dat he so grov met em handelt haͤdde , un schenket em sin ganse Kaisers Gut. Un de wilde Mann was erloͤset , un stund ase en grauten Kuͤnig foͤr em , un vertelde em de ganse Sacke , un de Berg was en gans Kuͤnigsschloß , un he trock met sine Frau derup , im lerweten vergnoͤgt bis an eeren Daud .
137.
De drei schwatten Princessinnen .
O stindien was von den Fiend belagert , he wull de Stadt nig verloeten , he wull ersten seshundert Dahler hebben . Do leiten se dat ut trummen , well de schaffen koͤnne , de soll Boͤrgemester weren . Do was der en armen Fisker , de fiskede up de See mit sinen Sohn , do kam de Fiend , un nam den Sohn gefangen , un gav em dofoͤr seshundert Dahler . Do genk de Vader hen , un gav dat de Heerens in de Stadt , un de Fiend trock av , un de Fisker wurde Boͤrgemester . Do word utropen wer nig Heer Boͤrgemester segde , de soll an de Galge richtet weren .
De Sohn de kam de Fiend wier ut de Haͤnde , un kam in en grauten Wold up en haujen Berg . De Berg de deih sick up , da kam he in en graut verwuͤnsket Schloß , woin Stohle , Diske un Baͤnke alle schwatt behangen woͤren . Do queimen drei Princessinnen , de gans schwatt antrocken woͤren , de men en luͤck ( wenig ) witt in’t Gesicht haͤdden , de segden to em he soll men nig bange sien , se wullen em nix dohn , he koͤnn eer erloͤsen . Do seg he je dat wull he gern dohn , wann he men wuͤste wo he dat macken soͤll . Do segget se he soͤll en gans Johr nig met en kuͤhren ( sprechen ) , un soͤll se auck nig anseihen ; wat he gern hebben wull , dat
soͤll he men seggen , wann se Antwort gierwen droͤfden ( geben duͤrften ) , wullen se et dohn . As he ’ne Tied lang der west was , sede he he wull asse gern noh sin Vader gohn , da segget se dat soͤll he men dohn , duͤssen Buel ( Beutel ) met Geld soͤll he met niermen , duͤsse Kloͤder soͤll he antrecken , un in acht Dage moͤst he der wier sien .
Do werd he upnurmen ( aufgehoben ) , un is glick in Ostindien , do kann he sin Vader in de Fiskhuͤtte nig mer finden , un froͤg de Luide wo doh de arme Fisker blierwen woͤre , do segget se dat moͤst he nig seggen , dann queim he an de Galge . Do kuͤmmt he bie sin Vader , do seg he ‘Fisker , wo sin ji do to kummen ? ’ Do seg de ‘ dat moͤt ji nig seggen , wann dat de Heerens van de Stadt gewahr weeret , kuͤmme ji an de Galge .’ He willt ober gar nig loten , he werd noh de Galge bracht ; es he do is , seg he ‘o mine Heerens , gierwet mie doh Verloͤv dat ick noh de olle Fiskhuͤtte gohn mag .’ Do tuͤt he sinen ollen Kiel an , do kuͤmmt he wier noh de Heerens , un seg ‘ seih ji et nu wull , sin ick nig en armen Fisker sinen Sohn ? in duͤt Tueg heve ick minen Vader un Moder dat Braud gewunnen . ’ Do erkennet se en , un badden uͤm Vergiebnuͤs , un niermt en met noh sin Hues , do verteld he alle wuͤ et em gohn hev , dat he woͤre in en Wold kummen up en haujen Berg , do haͤdde sick de Berg updohn , do woͤre he in en verwuͤnsket Schloß kummen , wo alles schwatt west woͤre , un drei Princessinnen woͤren der an kummen , de woͤren schwatt west , men en luͤck witt in’t Gesicht . De haͤdden em segd he soͤll nig bange sien , he koͤnn eer erloͤsen . Do seg sine Moder dat moͤg wull nig
gut sien , he soll ’ ne gewiehte Wasskeefze met niermen un druͤppen ( tropfen ) eer gleinig ( gluͤhend ) Wass in’t Gesicht .
He geit wier hen , un do gruelte ( graute ) em so , un he druͤppde er Wass in’t Gesicht , asse se sleipen , un se woͤren all halv witt ; do spruͤngen alle de drei Princessinnen up un segden ‘ de verfluchte Hund , usse Bloet soll oͤrfer die Rache schreien , nu is kin Mensk up de Welt geboren , un werd geboren , de us erloͤsen kann , wie hevet noh drei Broͤders , de sind in siewen Ketten anschloeten , de soͤllt die terrieten . ’ Do givd et en Gekriesk in’t ganse Schloß , un he sprank noh ut dat Fenster , un terbrack dat Been , un dat Schloß sunk wier in den Grunde , de Berg was wier to , un nuͤmmes wust wo et west was .
138.
Knoist un sine dre Suͤhne .
T wisken Werrel un Soist , do wuhnde ’n Mann , un de hede Knoist , de hadde dre Suͤhne , de eene was blind , de annre was lahm , un de dridde was splenternaket . Do giengen se mohl oͤwer Feld , do sehen se eenen Hasen. De blinne de schoͤt en , de lahme de fienk en , de nackede de stack en in de Tasken. Do kaͤimen se fuͤr een groot allmaͤchtig Waater , do wuren dre Schippe uppe , dat eene dat rann , dat annre dat sank , dat dridde , do was keen Buoden inne . Wo keen Buoden inne was , do giengen se olle dre inne . Do kaͤimen se an eenen allmaͤchtig grooten Walle ( Wald ) , do was een groot allmaͤchtig Boom inne , in den Boom was eene allmaͤchtig groote Capelle , in de Capelle was een hageboͤcken Koͤster un een bußboomen Pastoer , de deelden dat Wiggewaater mit Knuppeln uit .
Sielig is de Mann ,
de den Wiggewaater entlaupen kann .
139.
Dat Maͤken von Brakel .
E t gienk mal ’n Maͤken von Brackel na de suͤnt Annen Capellen unner de Hinnenborg , un weil et gierne ’n Mann heven wulle , un ock meinde et waͤre suͤs neimes in de Capellen , sau sank et
‘ O hilge suͤnte Anne ,
help mie doch bald tom Manne ,
du kennst ’n ja wull :
he wuhnt var ’m Suttmerdore ,
hed gele Hore :
du kennst ’n ja wull .’
De Koͤster stand awerst huͤnner den Altare , un hoͤre dat , da rep he mit ’ner gans schroͤgerigen Stimme ‘ du kriggst ’n nig , du kriggst’n nig . ’ Dat Maͤken awerst meinde dat Marienkinneken , dat bie de Mudder Anne steiht , hedde uͤm dat to ropen , da wor et beuse , un reip ‘ pepperlepep , dumme Blae , halt de Schnuten un lat de Moͤhme kuͤhren ( die Mutter reden ) .’
140.
Das Hausgesinde .
‘ W o wust du henne ? ’ ‘ Nah Walpe . ’ ‘ Jck nah Walpe , du nach Walpe ; sam , sam , goh wie dann .’
‘Haͤst du auck ’n Mann ? wie hedd din Mann ? ’ ‘ Cham . ’ ‘ Min Mann Cham , din Mann Cham ; ick nah Walpe , du nah Walpe ; sam , sam , goh wie dann .’
‘Haͤst du auck ’n Kind ? wie hedd din Kind ? ’ ‘ Grind .’ ‘ Min Kind Grind , din Kind Grind ; min Mann Cham , din Mann Cham ; ick nah Walpe , du nah Walpe ; sam , sam , goh wie dann .’
‘Haͤst du auck ’n Weige ? wie hedd dine Weige ? ’ ‘ Hippodeige . ’ ‘Mine Weige Hippodeige , dine Weige Hippodeige ; min Kind Grind , din Kind Grind ; min Mann Cham , din Mann Cham ; ick nah Walpe , du nah Walpe ; sam , sam , goh wie dann .’
‘Haͤst du auck’n Knecht ? wie hedd din Knecht ? ’ ‘ Mach mirs recht . ’ ‘ Min Knecht Mach mirs recht , din Knecht Mach mirs recht ; mine Weige Hippodeige , dine Weige Hippodeige ; min Kind Grind , din Kind Grind ; min Mann Cham , din Mann Cham ; ick nah Walpe , du nah Walpe ; sam , sam , goh wie dann .’
141.
Das Laͤmmchen und Fischchen .
E s war einmal ein Bruͤderchen und Schwesterchen , die hatten sich herzlich lieb , ihre rechte Mutter war aber todt , und sie hatten eine Stiefmutter , die war ihnen nicht gut , und that ihnen heimlich alles Leid an . Es trug sich zu , daß die zwei mit andern Kindern auf einer Wiese vor dem Haus spielten , und an der Wiese war ein Teich , der gieng bis an die eine Seite vom Haus . Die Kinder liefen da herum , kriegten sich , und spielten Abzaͤhlens :
‘Enecke , Benecke , lat mie liewen ,
will die ock min Vuͤgelken giewen .
Vuͤgelken sall mie Strau soͤken ,
Strau will ick den Koͤseken giewen ,
Koͤseken sall mie Melk giewen ,
Melk will ick den Baͤcker giewen ,
Baͤcker sall mie ’n Kocken backen ,
Kocken will ick den Kaͤtken giewen ,
Kaͤtken sall mie Muͤse fangen ,
Muͤse will ick in ’n Rauck hangen
un will se anschnien .’
Dabei standen sie in einem Kreiß , und auf welchen nun das Wort
‘ anschnien ’ fiel , der mußte fortlaufen und die andern liefen ihm nach , und fiengen ihn . Wie sie so froͤhlich dahinsprangen , sah ’s die Stiefmutter vom Fenster mit an , und aͤrgerte sich . Weil sie aber Hexenkuͤnste verstand , so verwuͤnschte sie beide , das Bruͤderchen in einen Fisch , und das Schwesterchen in ein Lamm . Da schwamm das Fischchen im Teich hin und her , und war traurig , und das Laͤmmchen gieng auf der Wiese hin und her , und war traurig , und fraß nicht , und ruͤhrte kein Haͤlmchen an . So gieng eine lange Zeit hin , da kamen fremde Gaͤste auf das Schloß . Die falsche Stiefmutter dachte ‘ jetzt ist die Gelegenheit gut ,’ rief den Koch , und sprach zu ihm ‘ geh , und hol das Lamm von der Wiese , und schlachts , wir haben sonst nichts fuͤr die Gaͤste . ’ Da gieng der Koch hin , und holte das Laͤmmchen , und fuͤhrte es in die Kuͤche , band ihm die Fuͤßchen , das litt es alles geduldig . Wie er nun sein Messer herausgezogen hatte , und auf der Schwelle wetzte , um es abzustechen , sah es , wie ein Fischlein in dem Wasser vor dem Gossenstein hin und herschwamm , und zu ihm hinaufblickte . Das war aber das Bruͤderchen , denn als das Fischchen gesehen hatte , wie der Koch das Laͤmmchen fortfuͤhrte , war es mitgeschwommen im Teich bis zum Haus . Da rief das Laͤmmchen hinab
‘ ach Bruͤderchen im tiefen See ,
wie thut mir doch mein Herz so weh !
der Koch der wetzt das Messer ,
will mir mein Herz durchstechen .’
Das Fischchen antwortete
‘ ach Schwesterchen in der Hoͤh ,
wie thut mir doch mein Herz so weh
in dieser tiefen See ! ’
Wie der Koch hoͤrte , daß das Laͤmmchen sprechen konnte , und so traurige Worte zu dem Fischchen hinabrief , erschrack er , und dachte es muͤßte kein natuͤrliches Laͤmmchen seyn , sondern von der boͤsen Frau im Haus verwuͤnscht . Da sprach er ‘ sey ruhig , ich will dich nicht schlachten ,’ nahm ein anderes Thier , und bereitete das fuͤr die Gaͤste , und brachte das Laͤmmchen zu einer guten Baͤuerin , der erzaͤhlte er alles was er gesehen und gehoͤrt hatte . Die Baͤuerin war aber gerade die Amme von dem Schwesterchen gewesen , vermuthete gleich wer’s seyn wuͤrde , und gieng mit ihm zu einer weisen Frau . Das sprach die weise Frau einen Segen uͤber das Laͤmmchen und Fischchen , wovon sie ihre menschliche Gestalt wieder bekamen , und danach fuͤhrte sie beide in einen großen Wald in ein klein Haͤuschen , wo sie zufrieden und gluͤcklich lebten .
142.
Simeliberg .
E s waren zwei Bruͤder , einer war reich , der andere arm . Der Reiche aber gab dem Armen nichts , und er mußte sich vom Kornhandel kuͤmmerlich ernaͤhren , da gieng es ihm oft so schlecht , daß er fuͤr seine Frau und Kinder kein Brot hatte . Einmal fuhr er mit seinem Karren durch den Wald , da erblickte er zur Seite einen großen kahlen Berg , und weil er den noch nie gesehen hatte , hielt er still , und betrachtete ihn mit Verwunderung . Wie er so stand , sah er zwoͤlf wilde große Maͤnner daher kommen ; weil er nun glaubte das waͤren Raͤuber , schob er seinen Karren ins Gebuͤsch , und stieg auf einen Baum , und wartete was da geschehen wuͤrde . Die zwoͤlf Maͤnner giengen aber vor den Berg und riefen ‘Berg Semsi , Berg Semsi , thu dich auf . ’ Alsbald that sich der kahle Berg in der Mitte von einander , und die zwoͤlfe giengen hinein , und wie sie drin waren , schloß er sich zu . Ueber eine kleine Weile aber that er sich wieder auf , und die Maͤnner kamen , mit schweren Saͤcken auf den Ruͤcken , heraus , und wie sie alle wieder am Tageslicht waren , sprachen sie ‘ Berg Semsi , Berg Semsi , thu dich zu . ’ Da fuhr der Berg zusammen , und war kein Eingang mehr an ihm zu sehen , und die Zwoͤlfe giengen fort . Als sie ihm nun ganz aus den Augen waren , stieg der Arme
vom Baum herunter , und war neugierig was wohl im Berge heimliches verborgen waͤre . Also gieng er davor , und sprach ‘Berg Semsi , Berg Semsi , thu dich auf ,’ und der Berg that sich auch vor ihm auf . Da trat er hinein , und der ganze Berg war eine Hoͤhle voll Silber und Gold , und hinten lagen große Haufen Perlen und blitzende Edelsteine , wie Korn aufgeschuͤttet . Der Arme wußte gar nicht , was er anfangen sollte , und ob er sich etwas von den Schaͤtzen nehmen duͤrfte ; endlich fuͤllte er sich die Taschen mit Gold , die Perlen und Edelsteine aber ließ er liegen . Als er wieder heraus kam , sprach er gleichfalls ‘Berg Semsi , Berg Semsi , thu dich zu ,’ da schloß sich der Berg , und er fuhr mit seinem Karren nach Haus . Nun brauchte er nicht mehr zu sorgen , und konnte mit seinem Golde fuͤr Frau und Kind Brot und auch Wein dazu kaufen , lebte froͤhlich und redlich , gab den Armen , und that jedermann Gutes . Als aber das Gold zu Ende war , gieng er zu seinem Bruder , lieh einen Scheffel , und holte sich von neuem ; doch ruͤhrte er von den großen Schaͤtzen nichts an . Wie er sich zum drittenmal etwas holen wollte , borgte er bei seinem Bruder wieder den Scheffel . Der Reiche war aber schon lange neidisch uͤber sein Vermoͤgen , und den schoͤnen Haushalt , den er sich eingerichtet hatte , und konnte nicht begreifen woher der Reichthum kaͤme , und was sein Bruder mit dem Scheffel anfienge . Da dachte er eine List aus , und bestrich den Boden mit Pech , und wie er das Maß zuruͤck bekam , so war ein Goldstuͤck darin haͤngen geblieben . Alsbald gieng er zu seinem Bruder , und fragte ihn ‘ was hast du mit dem Scheffel
gemessen ? ’ ‘ Korn und Gerste ’ sagte der andere . Da zeigte er ihm das Goldstuͤck , und drohte ihm , wenn er nicht die Wahrheit sagte , so wollt er ihn beim Gericht verklagen . Er erzaͤhlte ihm nun alles , wie es zugegangen war ; der Reiche aber ließ gleich einen Wagen anspannen , fuhr hinaus , und dachte ganz andere Schaͤtze mitzubringen . Wie er vor den Berg kam , rief er ‘ Berg Semsi , Berg Semsi , thu dich auf . ’ Der Berg that sich auf , und er gieng hinein . Da lagen die Reichthuͤmer alle vor ihm , und er wußte lange nicht , wozu er am ersten greifen sollte , endlich lud er Edelsteine auf , so viel er tragen konnte . Er wollte seine Last hinausbringen , weil aber Herz und Sinn ganz voll von den Schaͤtzen waren , hatte er daruͤber den Namen des Bergs vergessen , und rief ‘ Berg Simeli , Berg Simeli , thu dich auf . ’ Aber das war der rechte Name nicht , und der Berg regte sich nicht , und blieb verschlossen . Da ward ihm angst , aber je laͤnger er nachsann , desto mehr verwirrten sich seine Gedanken , und halfen ihm alle Schaͤtze nichts mehr . Am Abend that sich der Berg auf , und die zwoͤlf Raͤuber kamen herein , und als sie ihn sahen , lachten sie , und riefen ‘Vogel , haben wir dich endlich , meinst du wir haͤttens nicht gemerkt daß du zwei Mal hereingekommen bist , aber wir konnten dich nicht fangen , zum drittenmal sollst du nicht wieder heraus . ’ Da rief er ‘ ich wars nicht ; mein Bruder wars ,’ aber er mochte bitten um sein Leben , und sagen was er wollte , sie schlugen ihm das Haupt ab .
143.
Up Reisen gohn .
E t was emol ne arme Frau , de hadde enen Suhn , de wull so gerne reisen , do seg de Mohr ‘ wu kannst du reisen ? wi hebt je gar kien Geld , dat du mitniemen kannst . ’ Do seg de Suhn ‘ ick will mi gut behelpen , ick will alltied seggen nig viel , nig viel , nig viel .’
Do genk he ene gude Tied , un sede alltied ‘ nig viel , nig viel , nig viel . ’ Kam do bi en Trop Fisker , un seg ‘ Gott helpe ju ! nig viel , nig viel , nig viel ,’ ‘ Wat segst du , Kerl , nig viel ? ’ Un asse dat Goͤren ( Garn ) uttrocken , kregen se auck nig viel Fiske. Se met enen Stock up de Jungen , un ‘ hest du mi nig dresken ( dreschen ) seihn ? ’ ‘ Wat sall ick denn seggen ? ’ seg de Junge . ‘ Du sallst seggen fank vull , fank vull .’
Do geit he wier ene ganze Tied , un seg ‘ fank vull , fank vull ,’ bis he kuͤmmt an enen Galgen , do hebt se en armen Suͤnder , den willt se richten . Do seg he ‘guden Morgen , fank vull , fank vull . ’ ‘ Wat segst du , Kerl , fank vull ? soͤllt der noch mehr leige ( leidige , boͤse ) Lude in de Welt sien ? is duͤt noch nig genog ? ’ He krig wier wat up den Puckel . ‘ Wat sall ick denn seggen ? ’ ‘ Du sallst seggen Gott troͤst de arme Seele .’
De Junge geit wier ene ganze Tied , un seg ‘Gott troͤst de arme Seele ! ’ Do kuͤmmt he an en Grawen , do steit en Filler ( Schinder ) , de tuͤt en Perd af . De Junge seg ‘guden Morgen , Gott troͤst de arme Seele ! ’ ‘ Wat segst du , leige Kerl ? ’ un schleit en met sinen Filhacken uͤm de Ohren , dat he ut den Augen nig seihen kann . ‘ Wu sall ick denn seggen ? ’ ‘ Du sallst seggen do ligge du Aas in en Grawen .’
Do geit he , un seg alltied ‘ do ligge du Aas in en Grawen ! do ligge du Aas in en Grawen ! ’ Nu kuͤmmt he bi enen Wagen vull Luͤde , do seg he ‘guden Morgen , do ligge du Aas in en Grawen ! ’ Do foͤllt de Wagen uͤm in en Grawen , de Knecht kreg de Pietske , un knapt den Jungen , dat he wier to sine Mohr krupen moste , un he is sien Lewen nig wier up reisen gohn .
144.
Das Eselein .
E s lebte einmal ein Koͤnig und eine Koͤnigin , die waren reich und hatten alles , was sie sich wuͤnschten , nur keine Kinder . Daruͤber klagte sie Tag und Nacht , und sprach ‘ ich bin wie ein Acker , auf dem nichts waͤchst . ’ Endlich erfuͤllte Gott ihre Wuͤnsche , als das Kind aber zur Welt kam , sahs nicht aus wie ein Menschenkind , sondern war ein junges Eselein . Wie die Mutter das erblickte , fieng ihr Jammer und Geschrei erst recht an , sie haͤtte lieber gar kein Kind gehabt , als einen Esel , und sagte man sollt ihn ins Wasser werfen , damit ihn die Fische fraͤßen . Der Koͤnig aber sprach ‘ nein , hat Gott ihn gegeben , soll er auch mein Sohn und Erbe sein , nach meinem Tod auf dem koͤniglichen Thron sitzen , und die koͤnigliche Krone tragen .’ Also ward das Eselein aufgezogen , nahm zu , und die Ohren wuchsen ihm auch fein hoch und gerad hinauf . Es war aber sonst froͤhlicher Art , sprang herum , spielte , und hatte besonders seine Lust an der Musik , so daß es zu einem beruͤhmten Spielmann gieng , und sprach ‘ lehr mich deine Kunst , daß ich so gut die Laute schlagen kann , als du . ’ ‘ Ach , liebes Herrlein ,’ antwortete der Spielmann , ‘ das sollt euch schwer fallen , eure Finger sind nicht allerdings dazu gemacht , und
gar zu groß ; ich sorge die Saiten haltens nicht aus . ’ Es half aber keine Ausrede , das Eselein wollt und mußte die Laute schlagen , war beharrlich und fleißig , und lernte es am Ende so gut , als sein Meister selber . Einmal gieng das junge Herrlein nachdenksam spazieren , und kam an einen Brunnen , da schaute es hinein , und sah im spiegelhellen Wasser seine Eseleinsgestalt , daruͤber ward es so betruͤbt , daß es in die weite Welt gieng , und nur einen treuen Gesellen mitnahm . Sie zogen auf und ab , zuletzt kamen sie in ein Reich , wo ein alter Koͤnig herrschte , der nur eine einzige aber wunderschoͤne Tochter hatte . Das Eselein sagte ‘ hier wollen wir weilen ,’ klopfte ans Thor , und rief ‘ es ist ein Gast haußen , macht auf , damit er eingehen kann . ’ Als aber nicht aufgethan ward , setzte es sich hin , nahm seine Laute , und schlug sie mit seinen zwei Vorderfuͤßen aufs lieblichste . Da sperrte der Thuͤrhuͤter gewaltig die Augen auf , lief zum Koͤnig und sprach ‘ da draußen sitzt ein junges Eselein vor dem Thor , das schlaͤgt die Laute so gut als ein gelernter Meister . ’ ‘ So laß mir den Musikant hereinkommen ’ sprach der Koͤnig . Wie aber ein Eselein hereintrat , fieng alles an uͤber den Lautenschlaͤger zu lachen . Nun sollte das Eselein unten zu den Knechten gesetzt und gespeist werden , es ward aber unwillig , und sprach ‘ ich bin kein gemeines Stalleselein , ich bin ein vornehmes . ’ Da sagten sie ‘ wenn du das bist , so setze dich zu dem Kriegsvolk . ’ ‘Nein ,’ sprach es ‘ ich will beim Koͤnig sitzen .’ Der Koͤnig lachte , und sagte in gutem Muth ‘ja , es soll so sein , wie du verlangst , Eselein , komm her zu mir . ’ Danach fragte er ‘Eselein , wie gefaͤllt dir
meine Tochter ? ’ Das Eselein drehte den Kopf nach ihr , schaute sie an , nickte und sprach ‘ aus der Maßen wohl , sie ist so schoͤn wie ich noch keine gesehen habe . ’ ‘ Nun , so sollst du auch neben ihr sitzen ’ sagte der Koͤnig . ‘ Das ist mir eben recht’ sprach das Eselein , und setzte sich an ihre Seite , aß und trank , und wußte sich fein und saͤuberlich zu betragen . Als das edle Thierlein eine gute Zeit an des Koͤnigs Hof geblieben war , dachte es ‘ was hilft das alles , du mußt wieder heim ,’ ließ den Kopf traurig haͤngen , trat vor den Koͤnig , und verlangte seinen Abschied . Der Koͤnig hatte es aber lieb gewonnen , und sprach ‘Eselein , was ist dir , du schaust ja sauer , wie ein Essigkrug , bleib bei mir , ich will dir geben , was du verlangst ; willst du Gold ? ’ ‘ Nein ’ sagte das Eselein , und schuͤttelte mit dem Kopf . ‘Willst du Kostbarkeiten und Schmuck ? ’ ‘Nein .’ ‘Willst du mein halbes Reich ? ’ ‘ Ach nein . ’ Da sprach der Koͤnig ‘ wenn ich nur wuͤßte was dich vergnuͤgt machen koͤnnte ; willst du meine schoͤne Tochter zur Frau ? ’ ‘ Ach ja ,’ sagte das Eselein , ‘ die moͤchte ich wohl haben ,’ war auf einmal ganz lustig und guter Dinge , denn das wars gerade , was es sich gewuͤnscht hatte . Also ward eine große und praͤchtige Hochzeit gehalten . Abends , wie Braut und Braͤutigam in ihr Schlafkaͤmmerlein gefuͤhrt wurden , wollte der Koͤnig wissen ob sich das Eselein auch fein artig und manierlich betruͤge , und hieß einem Diener sich dort verstecken . Wie sie nun beide drinnen waren , schob der Braͤutigam den Riegel vor die Thuͤre , blickte sich um , und wie er glaubte daß sie ganz allein waͤren , da warf er auf einmal seine Eselhaut ab , und stand da als ein schoͤner koͤniglicher
Juͤngling , ‘siehst du ,’ sprach er , ‘ wer ich bin , und daß ich deiner werth war . ’ Da ward die Braut froh , kuͤßte ihn , und hatte ihn von Herzen lieb . Als es aber Morgen ward , sprang er auf , zog seine Thierhaut wieder uͤber , und haͤtte kein Mensch gedacht was fuͤr einer dahinter steckte . Bald kam auch der alte Koͤnig gegangen , ‘ ei ,’ rief er , ‘ ist das Eselein schon munter ! du bist wohl recht traurig ,’ sagte er zu seiner Tochter , ‘ daß du keinen ordentlichen Menschen zum Mann bekommen hast ? ’ ‘ Ach nein , lieber Vater , ich habe ihn so lieb , als wenn er der allerschoͤnste waͤre , und will ihn mein Lebtag behalten .’ Der Koͤnig wunderte sich , aber der Diener , der sich versteckt hatte , kam , und offenbarte ihm alles . Der Koͤnig sprach ‘ das ist nimmermehr wahr . ’ ‘ So wacht selber die folgende Nacht , ihr werdets mit eigenen Augen sehen ; und wißt ihr was , Herr Koͤnig , nehmt ihm die Haut weg , und werft sie ins Feuer , so muß er sich wohl in seiner rechten Gestalt zeigen . ’ ‘ Dein Rath ist gut’ sprach der Koͤnig , und Abends , als sie schliefen , schlich er sich hinein , und wie er zum Bett kam , sah er im Mondschein einen stolzen Juͤngling da ruhen , und die Haut lag abgestreift auf der Erde . Da nahm er sie weg , und ließ draußen ein gewaltiges Feuer anmachen , und die Haut hineinwerfen , und blieb selber dabei , bis sie ganz zu Asche verbrannt war . Weil er aber sehen wollte wie sich der Beraubte anstellen wuͤrde , blieb er die Nacht wach , und lauschte . Als der Juͤngling ausgeschlafen hatte , beim ersten Morgenschein , stand er auf , und wollte die Eselshaut anziehen , aber sie war nicht zu finden Da erschrack er , und sprach voll Trauer und Angst ‘ nun muß ich
sehen daß ich entfliehe . ’ Wie er hinaustrat , stand aber der Koͤnig da , und sprach ‘ mein Sohn , wohin so eilig , was hast du im Sinn ? Bleib hier , du bist ein so schoͤner Mann , du sollst nicht ieder wieder von mir ; ich gebe dir jetzt mein Reich halb , und nach meinem Tod bekommst du es ganz . ’ ‘ So wuͤnsch ich daß der gute Anfang auch ein gutes Ende nehme ’ sprach der Juͤngling , ‘ ich bleibe bei euch . ’ Da gab ihm der Alte das halbe Reich , und als er nach einem Jahr starb , hatte er das ganze , und nach dem Tode seines Vaters noch eins dazu , und lebte in aller Herrlichkeit .
145.
Der undankbare Sohn .
E s saß einmal ein Mann mit seiner Frau vor der Hausthuͤr , und hatten ein gebraten Huhn vor sich stehen , und wollten das zusammen verzehren . Da sah der Mann wie sein alter Vater daher kam , geschwind nahm er das Huhn , und versteckte es , weil er ihm nichts davon goͤnnte . Der Alte kam , that einen Trunk , und gieng fort . Nun wollte der Sohn das gebratene Huhn wieder auf den Tisch tragen , aber als er danach griff , war es eine große Kroͤte geworden , die sprang ihm ins Angesicht , und saß da , und gieng nicht wieder weg ; und wenn sie jemand wegthun wollte , sah sie ihn giftig an , als wollte sie ihm ins Angesicht springen , so daß keiner sie anzuruͤhren getraute . Und die Kroͤte mußte der undankbare Sohn alle Tage fuͤttern , sonst fraß sie ihm aus seinem Angesicht , und also gieng er ohne Ruhe in der Welt hin und her .
146.
Die Ruͤbe .
E s waren einmal zwei Bruͤder , die dienten beide als Soldaten , und war der eine reich , der andere arm . Da wollte der Arme sich aus seiner Noth helfen , zog den Soldatenrock aus , und ward ein Bauer . Also grub und hackte er sein Stuͤckchen Acker , und saͤte Ruͤbsamen . Der Same gieng auf , und es wuchs da eine Ruͤbe , die ward groß und stark , und zusehends dicker , und wollte gar nicht aufhoͤren zu wachsen , so daß sie eine Fuͤrstin aller Ruͤben heißen konnte , denn nimmer war so eine gesehen , und wird auch nimmer wieder gesehen werden . Zuletzt war sie so groß , daß sie allein einen ganzen Wagen anfuͤllte , und zwei Ochsen daran ziehen mußten , und der Bauer wußte nicht was er damit anfangen sollte , und obs sein Gluͤck oder sein Ungluͤck waͤre . Endlich dachte er ‘ verkaufst du sie , was wirst du großes dafuͤr bekommen , und willst du sie selber essen , so thun die kleinen Ruͤben denselben Dienst , am besten ist , du bringst sie dem Koͤnig und machst ihm eine Verehrung damit . ’ Also lud er sie auf den Wagen , spannte zwei Ochsen vor , brachte sie an den Hof , und schenkte sie dem Koͤnig . ‘ Was ist das fuͤr ein seltsam Ding ? ’ sagte der Koͤnig , ‘ mir ist viel Wunderliches vor die Augen gekommen , aber
so ein Ungethuͤm noch nicht ; aus was fuͤr Samen mag die gewachsen seyn ? oder dir geraͤths allein , und du bist ein Gluͤckskind . ’ ‘ Ach nein ,’ sagte der Bauer , ‘ ein Gluͤckskind bin ich nicht , ich bin ein armer Soldat , der sich nicht mehr naͤhren konnte , den Soldatenrock an den Nagel hieng , und das Land baute ; ich habe noch einen Bruder , der ist reich , und Euch , Herr Koͤnig , auch wohl bekannt , ich aber , weil ich nichts habe , bin von aller Welt vergessen . ’ Da empfand der Koͤnig Mitleid mit ihm , und sprach ‘ deiner Armuth sollst du uͤberhoben und so von mir beschenkt werden , daß du wohl deinem reichen Bruder gleich kommst . ’ Da schenkte er ihm eine Menge Gold , Äcker , Wiesen und Heerden , und machte ihn steinreich , so daß des andern Bruders Reichthum gar nicht konnte damit verglichen werden . Als dieser hoͤrte , was sein Bruder mit einer einzigen Ruͤbe erworben hatte , beneidete er ihn , und sann hin und her wie er sich auch ein solches Gluͤck zuwenden koͤnnte . Er wollts aber noch viel gescheidter anfangen , nahm Gold und Pferde , und brachte sie dem Koͤnig , und meinte nicht anders , der wuͤrde ihm ein viel groͤßeres Gegengeschenk machen , denn haͤtte sein Bruder so viel fuͤr eine Ruͤbe bekommen , was wuͤrde es ihm fuͤr so schoͤne Dinge nicht alles tragen . Der Koͤnig nahm das Geschenk , und sagte er wuͤßte ihm nichts wieder zu geben , das seltner und besser waͤre , als die große Ruͤbe . Also mußte der Reiche seines Bruders Ruͤbe auf einen Wagen legen , und nach Haus fahren lassen . Daheim wußte er nicht an wem er seinen Zorn und Aerger auslassen sollte , bis ihm boͤse Gedanken kamen , und er beschloß seinen Bruder zu toͤdten . Er gewann
Moͤrder , die mußten sich in einen Hinterhalt stellen , und darauf gieng er zu seinem Bruder , und sprach ‘lieber Bruder , ich weiß einen heimlichen Schatz , den wollen wir mit einander heben , und theilen .’ Der andere ließ sichs auch gefallen , und gieng ohne Arg mit ; als sie aber hinauskamen , stuͤrzten die Moͤrder uͤber ihn her , banden ihn , und wollten ihn an einen Baum haͤngen . Jndem sie eben daruͤber waren , erscholl aus der Ferne lauter Gesang und Hufschlag , daß ihnen der Schrecken in den Leib fuhr , und sie uͤber Hals und Kopf ihren Gefangenen in den Sack steckten , am Ast hinaufwanden , und die Flucht ergriffen . Er aber arbeitete oben bis er ein Loch im Sack hatte , wodurch er den Kopf stecken konnte . Wer aber des Wegs kam , war nichts als ein fahrender Schuͤler , ein junger Geselle , der froͤhlich sein Lied singend durch den Wald auf der Straße daher ritt . Wie der oben nun merkte daß einer unter ihm vorbei gieng , rief er ‘ sey mir gegruͤßt , zu guter Stunde .’ Der Schuͤler guckte sich uͤberall um , wußte nicht , wo die Stimme herschallte , endlich sprach er ‘ wer ruft mir ? ’ Da antwortete es aus dem Wipfel ‘ erhebe deine Augen , ich sitze hier oben im Sack der Weisheit ; in kurzer Zeit habe ich große Dinge gelernt , dagegen sind alle Schulen ein Wind , um ein Weniges , so werde ich ausgelernt haben , herabsteigen und weiser seyn als alle Menschen . Jch verstehe die Gestirne und Himmelszeichen , das Wehen aller Winde , und den Sand im Meer , Heilung der Krankheit , die Kraͤfte der Kraͤuter , Voͤgel und Steine . Waͤrst du einmal darin , du wuͤrdest fuͤhlen , was fuͤr Herrlichkeit aus dem Sack der Weisheit fließt .’ Der Schuͤler , wie er das
alles hoͤrte , erstaunte , und sprach ‘gesegnet sey die Stunde , wo ich dich gefunden , koͤnnt ich nicht auch ein wenig in den Sack kommen ? ’ Oben der antwortete , als thaͤt ers nicht gerne , ‘ eine kleine Weile will ich dich wohl hinein lassen fuͤr Lohn und gute Worte , aber du mußt doch noch eine Stunde warten , es ist ein Stuͤck uͤbrig , das ich erst lernen muß . ’ Als der Schuͤler ein wenig gewartet hatte , war ihm die Zeit zu lang , und er bat daß er doch moͤchte hineingelassen werden , sein Durst nach Weisheit waͤre gar zu groß . Da stellte sich der oben als gaͤbe er endlich nach und sprach ‘ damit ich aus dem Haus der Weisheit heraus kann , mußt du den Sack am Strick herunterlassen , so sollst du eingehen .’ Also ließ der Schuͤler ihn herunter , band den Sack auf , und befreite ihn , dann rief er selber ‘ nun zieh mich recht geschwind hinauf , ’ und wollt geradstehend in den Sack einschreiten . ‘Halt ! ’ sagte der andere , ‘ so gehts nicht an ,’ packte ihn beim Kopf , steckte ihn umgekehrt in den Sack , schnuͤrte zu , und zog den Juͤnger der Weisheit am Strick baumwaͤrts ; dann schwengelte er ihn in der Luft , und sprach ‘ wie stehts , mein lieber Geselle ? siehe , schon fuͤhlst du daß dir die Weisheit kommt , und machst gute Erfahrung , sitze also fein ruhig , bis du kluͤger wirst . ’ Damit stieg er auf des Schuͤlers Pferd , und ritt fort .
147.
Das junggegluͤhte Maͤnnlein .
Z ur Zeit da unser Herr noch auf Erden gieng , kehrte er eines Abends mit dem heiligen Petrus bei einem Schmied ein , und bekam willig Herberge . Nun geschahs , daß ein armer Bettelmann , von Alter und Gebrechen hart gedruͤckt , in dieses Haus kam , und vom Schmied Almosen forderte . Deß erbarmte sich Petrus und sprach ‘ Herr und Meister , so dirs gefaͤllt , heil ihm doch seine Plage , daß er sich selbst sein Brot moͤge gewinnen . ’ Sanftmuͤthig sprach der Herr ‘Schmied , leih mir deine Esse , und lege mir Kohlen an , so will ich den alten kranken Mann zu dieser Zeit verjuͤngen .’ Der Schmied war ganz bereit , und St. Petrus zog die Baͤlge , und als das Kohlenfeuer auffunkte , groß und hoch , nahm unser Herr das alte Maͤnnlein , schobs in die Esse , mitten ins rothe Feuer , daß es drin gluͤhte wie ein Rosenstock , und Gott lobte mit lauter Stimme . Nachdem trat der Herr zum Loͤschtrog , zog das gluͤhende Maͤnnlein hinein , daß das Wasser uͤber ihm zusammenschlug , und nachdem ers fein sittlich abgekuͤhlt , gab er ihm seinen Segen ; siehe , zuhand sprang das Maͤnnlein heraus , zart , gerade , gesund , und wie von zwanzig Jahren . Der Schmied , der eben und genau zugesehen , lud sie alle zum Nachtmahl . Er hatte aber eine alte halbblinde bucklichte Schwieger , die machte sich zum Juͤngling hin , und forschte ernstlich ob ihn das Feuer hart gebrennet habe . Nie sey ihm besser gewesen antwortete
jener , er habe da in der Glut gesessen , wie in einem kuͤhlen Thau .
Was der Juͤngling gesagt hatte , das klang die ganze Nacht in den Ohren der alten Frau , und als der Herr fruͤhmorgens die Straße weiter gezogen war , und dem Schmied wohl gedankt hatte , meinte dieser er koͤnnte seine alte Schwieger auch jung machen , da er fein ordentlich alles mit angesehen habe , und es in seine Kunst schlage . Rief sie deshalb an , ob sie auch wie ein Maͤgdlein von achtzehn Jahren in Spruͤngen daher wolle gehen . Sie sprach ‘ von ganzem Herzen ,’ weil es dem Juͤngling auch so sanft angekommen war . Machte also der Schmied große Glut , und stieß die Alte hinein , die sich hin und wieder bog , und grausames Mordgeschrei anstimmte . ‘Sitz still , was schreist und huͤpfst du , ich will erst weidlich zublasen ;’ zog damit die Baͤlge von neuem bis ihr alle Haderlumpen brannten . Das alte Weib schrie ohne Ruhe , und der Schmied dachte ‘Kunst geht nicht recht zu ,’ nahm sie heraus , und warf sie in den Loͤschtrog . Da schrie sie ganz uͤberlaut , daß es droben im Haus die Schmiedin und ihre Schnur hoͤrten : die liefen beide die Stiegen herab , und sahen die Alte heulend und maulend ganz zusammen geschnurrt im Trog liegen , das Angesicht gerunzelt , gefaltet und ungeschaffen . Darob sich die zwei , die beide mit Kindern giengen , so entsetzten , daß sie noch dieselbe Nacht zwei Junge gebaren , die waren nicht wie Menschen geschaffen , sondern wie Affen , liefen zum Wald hinein , und von ihnen stammt das Geschlecht der Affen her .
148.
Des Herrn und des Teufels Gethier .
G ott der Herr hatte alle Thiere erschaffen , und sich die Woͤlfe zu seinen Hunden auserwaͤhlet ; blos der Geis hatte er vergessen . Da richtete sich der Teufel an , wollte auch schaffen , und machte die Geise mit seinen langen Schwaͤnzen . Wenn sie nun zur Weide giengen , blieben sie gewoͤhnlich mit ihren Schwaͤnzen in den Dornhecken haͤngen , da mußte der Teufel hineingehen , und sie mit vieler Muͤhe losknuͤpfen . Das verdroß ihn zuletzt , war her , und biß jeder Geis den Schwanz ab , wie noch heut des Tags an den Stuͤmpfen zu sehen ist .
Nun ließ er sie zwar allein weiden , aber es geschah , daß Gott der Herr zusah wie sie bald einen fruchtbaren Baum benagten , bald die edlen Reben beschaͤdigten , bald andere zarte Pflanzen verderbten . Deß jammerte ihn , so daß er aus Guͤte und Gnaden seine Woͤlfe dran hetzte , welche die Geise , die da giengen , bald zerrissen . Wie der Teufel das vernahm , trat er bald vor den Herrn , und sprach ‘ dein Geschoͤpf hat mir das meine zerrissen . ’ Der Herr antwortete ‘ was hattest du es zu Schaden erschaffen ? ’ Der Teufel sagte ‘ ich mußte das ; gleichwie selbst mein Sinn auf Schaden geht , konnte , was ich erschaffen , keine andere
Natur haben , und mußt mirs theuer zahlen . ’ ‘ Jch zahl dirs , sobald das Eichenlaub abfaͤllt , dann komm , dein Geld ist schon gezaͤhlt . ’ Als das Eichenlaub abgefallen war , kam der Teufel und forderte seine Schuld . Der Herr aber sprach ‘ in der Kirche zu Constantinopel steht eine hohe Eiche , die hat noch alles ihr Laub . ’ Mit Toben und Fluchen entwich der Teufel , und wollte die Eiche suchen , irrte sechs Monate in der Wuͤstenei , eh er sie befand , und als er wieder kam , waren derweil wieder alle andere Eichen voll gruͤner Blaͤtter . Da mußte er seine Schuld fahren lassen , stach im Zorn allen uͤbrigen Geisen die Augen aus , und setzte ihnen seine eigene ein .
Darum haben alle Geise Teufelsaugen und abgebißne Schwaͤnze , und er nimmt gern ihre Gestalt an .
149.
Der Hahnenbalken .
E s war einmal ein Zauberer , der stand mitten in einer großen Menge Volks und vollbrachte seine Wunderdinge . Da ließ er auch einen Hahn einher schreiten , der hob einen schweren Balken und trug ihn , als waͤre er federleicht . Nun war aber ein Maͤdchen , das hatte eben ein vierblaͤttriges Kleeblatt gefunden , und war dadurch klug geworden , so daß kein Blendwerk vor ihm bestehen konnte , und es sah daß der Balken nichts war als ein Strohhalm . Da rief es ‘ ihr Leute , seht ihr nicht , das ist ein bloßer Strohhalm und kein Balken , was der Hahn da traͤgt . ’ Alsbald verschwand der Zauber , und die Leute sahen was es war , und jagten den Hexenmeister mit Schimpf und Schande fort . Er aber , voll innerlichen Zornes , sprach ‘ ich will mich schon raͤchen . ’ Nach einiger Zeit hielt das Maͤdchen Hochzeit , war geputzt , und gieng in einem großen Zug uͤber das Feld nach dem Ort , wo die Kirche stand . Auf einmal kamen sie an einen stark angeschwollenen Bach , und war keine Bruͤcke und kein Steg daruͤber zu gehen . Da war die Braut flink , hob ihre Kleider auf und wollte durchwaten . Wie sie nun eben im Wasser so steht , ruft ein Mann , und das war der Zauberer , neben ihr ganz spoͤttisch ‘ ei ! wo hast
du deine Augen , daß du das fuͤr ein Wasser haͤltst ? ’ Da giengen ihr die Augen auf , und sie sah daß sie mit ihren aufgehobenen Kleidern mitten in einem blaubluͤhenden Flachsfeld stand . Da sahen es die Leute auch allesammt , und jagten sie mit Schimpf und Gelaͤchter fort .
150.
Die alte Bettelfrau .
E s war einmal eine alte Frau , du hast wohl ehe eine alte Frau sehn betteln gehn ? diese alte Frau bettelte auch , und wenn sie etwas bekam , dann sagte sie ‘ Gott lohn euch . ’ Die Bettelfrau kam an eine Thuͤr , da stand ein freundlicher Schelm von Jungen am Feuer , und waͤrmte sich . Der Junge sagte freundlich zu der armen alten Frau , wie sie so an der Thuͤr stand , und zitterte ‘kommt , Altmutter , und erwaͤrmt euch . ’ Sie kam herzu , gieng aber zu nahe ans Feuer stehn , und ihre alten Lumpen fiengen an zu brennen , und sie wards nicht gewahr . Der Junge stand und sah das , er haͤtts doch loͤschen sollen ? Nicht wahr , er haͤtte loͤschen sollen ? Und wenn er kein Wasser gehabt haͤtte , dann haͤtte er alles Wasser in seinem Leibe zu den Augen herausweinen sollen , das haͤtte so zwei huͤbsche Baͤchlein gegeben zu loͤschen .
151.
Die drei Faulen .
E in Koͤnig hatte drei Soͤhne , die waren ihm alle gleich lieb , und er wußte nicht welchen er zum Koͤnig nach seinem Tode bestimmen sollte . Als die Zeit kam , daß er sterben wollte , rief er sie vor sich , und sprach ‘liebe Kinder , ich habe etwas bei mir bedacht , das will ich euch sagen : welcher von euch der Faulste ist , der soll nach mir Koͤnig werden . ’ Da sprach der aͤlteste ‘Vater , so gehoͤrt das Reich mir , denn ich bin so faul , wenn ich liege und will schlafen , und es faͤllt mir ein Tropfen in die Augen , so mag ich sie nicht zuthun , damit ich einschlafe . ’ Der zweite sprach ‘Vater , das Reich gehoͤrt mir , denn ich bin so faul , wenn ich beim Feuer sitze mich zu waͤrmen , so ließ ich mir eher die Fersen verbrennen , eh ich die Beine zuruͤckzoͤge . ’ Der dritte sprach ‘Vater , das Reich ist mein , denn ich bin so faul , sollt ich aufgehenkt werden , und haͤtte den Strick schon um den Hals , und einer gaͤbe mir ein scharf Messer in die Hand , damit ich den Strick zerschneiden duͤrfte , so ließ ich mich eher henken , eh ich meine Hand aufhuͤbe zum Strick . ’ Wie der Vater das hoͤrte , sprach er ‘ du sollst der Koͤnig seyn .’
152.
Das Hirtenbuͤblein .
E s war einmal ein Hirtenbuͤbchen , das war wegen seiner weisen Antworten , die es auf alle Fragen gab , weit und breit beruͤhmt . Der Koͤnig des Landes hoͤrte auch davon , glaubte es nicht , und ließ das Buͤbchen kommen . Da sprach er zu ihm ‘ kannst du mir auf drei Fragen , die ich dir vorlegen will , Antwort geben , so will ich dich ansehen wie mein eigen Kind , und du sollst bei mir in meinem koͤniglichen Schloß wohnen . ’ Sprach das Buͤblein ‘ wie lauten die drei Fragen ? ’ Der Koͤnig sagte ‘ die erste lautet wie viel Tropfen Wasser sind in dem Weltmeer ? ’ Das Hirtenbuͤblein antwortete ‘ Herr Koͤnig , laßt alle Fluͤsse auf der Erde verstopfen , damit kein Troͤpflein mehr daraus ins Meer lauft , das ich nicht erst gezaͤhlt habe , so will ich euch sagen , wie viel Tropfen im Meere sind . ’ Sprach der Koͤnig ‘ die andere Frage lautet wie viel Sterne stehen am Himmel ? ’ Das Hirtenbuͤbchen sagte ‘ gebt mir einen großen Bogen weiß Papier ,’ und dann machte es mit der Feder so viel feine Punkte darauf , daß sie kaum zu sehen , und fast gar nicht zu zaͤhlen waren , und einem die Augen vergiengen , wenn man darauf blickte . Darauf sprach es ‘ so viel Sterne stehen am Himmel , als hier Punkte auf
dem Papier ; zaͤhlt sie nur . ’ Aber niemand war dazu im Stand . Sprach der Koͤnig ‘ die dritte Frage lautet wie viel Secunden hat die Ewigkeit ? ’ Da sagte das Hirtenbuͤblein ‘ in Hinterpommern liegt der Demantberg , der hat eine Stunde in die Hoͤhe , eine Stunde in die Breite , und eine Stunde in die Tiefe ; dahin kommt alle hundert Jahr ein Voͤgelein , und wetzt sein Schnaͤblein daran , und wenn der ganze Berg abgewetzt ist , dann ist die erste Secunde der Ewigkeit vorbei .’
Sprach der Koͤnig ‘ du hast die drei Fragen aufgeloͤst , wie ein Weiser , und sollst fortan bei mir in meinem koͤniglichen Schlosse wohnen , und ich will dich ansehen wie mein eigenes Kind .’
153.
Die Sternthaler .
E s war einmal ein kleines Maͤdchen , dem war Vater und Mutter gestorben , und es war so arm , daß es kein Kaͤmmerchen mehr hatte darin zu wohnen , und kein Bettchen mehr , darin zu schlafen , und gar nichts mehr , als die Kleider auf dem Leib , und ein Stuͤckchen Brot in der Hand , das ihm ein mitleidiges Herz geschenkt hatte . Es war aber gut und fromm . Und weil es so von aller Welt verlassen war , gieng es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld . Da begegnete ihm ein armer Mann , der sprach ‘ ach , gib mir doch etwas zu essen , ich bin so hungerig . ’ Es reichte ihm das ganze Stuͤckchen Brot , und sagte ‘Gott segne dirs , ’ und gieng weiter . Da kam ein Kind , das jammerte , und sprach ‘ es friert mich so an meinem Kopfe , schenk mir doch etwas , womit ich ihn bedecken kann . ’ Da that es seine Muͤtze ab , und gab sie ihm . Und als es noch eine Weile gegangen war , kam wieder ein Kind , und hatte kein Leibchen an , und fror : da gab es ihm seins ; und noch weiter , da bat eins um ein Roͤcklein , das gab es auch von sich hin . Endlich kam es in einen Wald , und es war schon dunkel geworden , da kam noch eins , und bat um ein Hemdlein , und das fromme Maͤdchen dachte ‘ es ist dunkle
Nacht , niemand sieht dich , da kannst du wohl dein Hemd weg geben ;’ und gab das Hemd auch noch hin . Und wie es so stand , und gar nichts mehr hatte , fielen auf einmal die Sterne vom Himmel , und waren lauter harte blanke Thaler : und ob es gleich sein Hemdlein weg gegeben , so hatte es ein neues an vom allerfeinsten Linnen . Da sammelte es sich die Thaler hinein , und war reich fuͤr sein Lebtag .
154.
Der gestohlene Heller .
E s saß einmal ein Vater mit seiner Frau und seinen Kindern Mittags am Tisch , und ein guter Freund , der zum Besuch gekommen war , aß mit ihnen . Und wie sie so saßen , und es zwoͤlf Uhr schlug , da sah der Fremde die Thuͤre aufgehen und ein schneeweiß gekleidetes , ganz blasses Kindlein hereinkommen . Es blickte sich nicht um und sprach auch nichts , sondern gieng geradezu in die Kammer neben an . Bald darauf kam es zuruͤck , und gieng eben so still wieder zur Thuͤre hinaus . Am zweiten und am dritten Tag kam es auf eben diese Weise . Da fragte endlich der Fremde den Vater wem das schoͤne Kind gehoͤrte , das alle Mittag in die Kammer gienge . ‘ Jch habe es nicht gesehen ,’ antwortete er , ‘ und wuͤßte auch nicht wem es gehoͤren koͤnnte . ’ Am andern Tage , wie es wieder kam , zeigte es der Fremde dem Vater , der sah es aber nicht , und die Mutter und die Kinder alle sahen auch nichts . Nun stand der Fremde auf , gieng zur Kammerthuͤre , oͤffnete sie ein wenig , und schaute hinein . Da sah er das Kind auf der Erde sitzen , und emsig mit den Fingern in den Dielenritzen graben , und wuͤhlen ; wie es aber den Fremden bemerkte , verschwand es . Nun erzaͤhlte er was er gesehen hatte , und beschrieb das Kind
genau , da erkannte es die Mutter und sagte ‘ach , das ist mein liebes Kind , das vor vier Wochen gestorben ist . ’ Sie brachen die Dielen auf , und fanden zwei Heller , die hatte einmal das Kind von der Mutter erhalten , um sie einem armen Manne zu geben , es hatte aber gedacht ‘dafuͤr kannst du dir einen Zwieback kaufen ,’ die Heller behalten , und in die Dielenritzen versteckt , und da hatte es im Grabe keine Ruhe gehabt , und war alle Mittage gekommen um nach den Hellern zu suchen . Die Eltern gaben darauf das Geld einem Armen , und nachher ist das Kind nicht wieder gesehen worden .
155.
Die Brautschau .
E s war ein junger Hirte , der wollte gern heirathen , und kannte drei Schwestern , davon war eine so schoͤn wie die andere , daß ihm die Wahl schwer wurde , und er sich nicht entschließen konnte einer davon den Vorzug zu geben . Da fragte er seine Mutter um Rath , die sprach ‘ lad alle dreie ein , und setz ihnen Kaͤs vor , und hab acht wie sie ihn anschneiden . ’ Das that der Juͤngling , die erste aber verschlang den Kaͤs mit der Rinde , die zweite schnitt in der Hast die Rinde vom Kaͤs ab , weil sie aber so hastig war , ließ sie noch viel Gutes daran , und warf das mit weg ; die dritte schaͤlte ordentlich die Rinde ab , nicht zu viel und nicht zu wenig . Der Hirt erzaͤhlte das alles seiner Mutter , da sprach sie ‘ nimm die dritte zu deiner Frau . ’ Das that er , und lebte zufrieden und gluͤcklich mit ihr .
156.
Die Schlickerlinge .
E s war einmal ein Maͤdchen , das war schoͤn , aber faul und nachlaͤssig . Wenn es spinnen sollte , so war es so verdrießlich daß wenn ein kleiner Knoten im Flachs war , es gleich einen ganzen Haufen mit herausriß , und neben sich zur Erde schlickerte . Nun hatte es ein Dienstmaͤdchen , das war arbeitsam , suchte den weggeworfenen Flachs zusammen , reinigte ihn , spann ihn fein , und ließ sich ein huͤbsches Kleid daraus weben . Als nun das faule Maͤdchen eine Braut war , und die Hochzeit sollte gehalten werden , tanzte das fleißige in seinem schoͤnen Kleide lustig herum , da sprach die Braut
‘ ach , wat kann dat Maͤken springen
in minen Slickerlingen ! ’
Das hoͤrte der Braͤutigam , und fragte die Braut was sie damit sagen wolle . Da erzaͤhlte sie ihm daß das Maͤdchen ein Kleid von dem Flachs truͤge , den sie weggeworfen habe . Wie der Braͤutigam das hoͤrte , und ihre Faulheit und dagegen den Fleiß des armen Maͤdchens sah , ließ er sie stehen , gieng zu jener , und nahm sie zur Frau .
157.
Der Sperling und seine vier Kinder .
E in Sperling hatte vier Junge in einem Schwalbennest ; wie sie nun fluͤck sind , stoßen boͤse Buben das Nest ein , sie kommen aber alle gluͤcklich in Windbraus davon . Nun ist dem Alten leid , weil seine Soͤhne in die Welt kommen , daß er sie nicht vor allerlei Gefahr erst verwarnet , und ihnen gute Lehren fuͤrgesagt habe .
Aufn Herbst kommen in einem Weizenacker viel Sperlinge zusammen , allda trifft der Alte seine vier Jungen an , die fuͤhr er voll Freuden mit sich heim . ‘ Ach , meine lieben Soͤhne , was habt ihr mir den Sommer uͤber Sorge gemacht , dieweil ihr ohne meine Lehre in Winde kamet ; hoͤret meine Worte , und folget eurem Vater , und sehet euch wohl vor ; kleine Voͤglein haben große Gefaͤhrlichkeit auszustehn ! ’ Darauf fraget er den aͤltern wo er sich den Sommer uͤber aufgehalten , und wie er sich ernaͤhrt haͤtte . ‘ Jch habe mich in den Gaͤrten gehalten , Raͤuplein und Wuͤrmlein gesucht , bis die Kirschen reif wurden . ’ ‘ Ach , mein Sohn ,’ sagte der Vater , ‘ die Schnabelweid ist nicht boͤs , aber es ist große Gefahr dabei , darum habe fortan deiner wohl Acht , und sonderlich wenn Leut in Gaͤrten umher gehn , die lange gruͤne Stangen tragen , die inwendig hohl sind , und oben ein Loͤchlein haben . ’
‘ Ja , mein Vater , wenn dann ein gruͤn Blaͤttlein aufs Loͤchlein mit Wachs geklebt waͤre ? ’ spricht der Sohn . ‘ Wo hast du das gesehn ? ’ ‘Jn eines Kaufmanns Garten ’ sagt der Junge . ‘ O mein Sohn ,’ spricht der Vater , ‘Kaufleut , geschwinde Leut ! bist du um die Weltkinder gewesen , so hast du Weltgeschmeidigkeit genug gelernt , siehe und brauchs nur recht wohl , und trau dir nicht zu viel .’
Darauf befragt er den andern ‘ wo hast du dein Wesen gehabt ? ’ ‘ Zu Hofe ’ spricht der Sohn . ‘Sperling und alberne Voͤglein dienen nicht an diesem Ort , da viel Gold , Sammet , Seiden , Wehr , Harnisch , Sperber , Kautzen und Blaufuͤß sind , halt dich zum Roßstall , da man den Hafer schwingt , oder wo man drischet , so kann dirs Gluͤck mit gutem Fried auch dein taͤglich Koͤrnlein bescheeren . ’ ‘ Ja Vater ,’ sagt dieser Sohn , ‘ wenn aber die Stalljungen Hebritzen machen , und ihre Maschen und Schlingen ins Stroh binden , da bleibt auch mancher behenken . ’ ‘ Wo hast du das gesehn ? ’ sagte der Alte . ‘ Zu Hof , beim Roßbuben . ’ ‘ O , mein Sohn , Hofbuben , boͤse Buben ! bist du zu Hof und um die Herren gewesen , und hast keine Federn da gelassen , so hast du ziemlich gelernet , du wirst dich in der Welt wohl wissen auszureißen , doch siehe dich um und auf ; die Woͤlfe fressen auch oft die gescheidten Huͤndlein .’
Der Vater nimmt den dritten auch vor sich , ‘ wo hast du dein Heil versucht ? ’ ‘ Auf den Fahrwegen und Landstraßen hab ich Kuͤbel und Seil eingeworfen , und da bisweilen ein Koͤrnlein oder Graͤuplein angetroffen . ’ ‘ Dies ist ja ,’ sagt der Vater , ‘ eine
feine Nahrung , aber merk gleich wohl auf die Schanz , und siehe fleißig auf , sonderlich wenn sich einer buͤcket , und einen Stein aufheben will , da ist dir nicht lang zu bleiben . ’ ‘Wahr ists ,’ sagt der Sohn , ‘ wenn aber einer zuvor einen Wand- oder Handstein im Busen oder Tasche truͤge ? ’ ‘ Wo hast du dies gesehn ? ’ ‘ Bei den Bergleuten ,’ lieber Vater , ‘ wenn sie ausfahren fuͤhren sie gemeinlich Handstein bei sich . ’ ‘Bergleut , Werkleut , anschlaͤgige Leut ! bist du um Bergburschen gewesen , so hast du was gesehen und erfahren .
Fahr hin und nimm deiner Sachen gleichwohl gut Acht ,
Bergbuben haben manchen Sperling mit Kobold umbracht .’
Endlich kommt der Vater an juͤngsten Sohn , ‘ du mein liebes Gackennestle , du warest allzeit der alberst und schwaͤchest , bleib du bei mir , die Welt hat viel grober und boͤser Voͤgel , die krumme Schnaͤbel und lange Krallen haben , und nur auf arme Voͤglein lauern , und sie verschlucken , halt dich zu deinesgleichen , und lies die Spinnlein und Raͤuplein von den Baͤumen oder Haͤuslein , so bleibst du lang zufrieden . ’ ‘ Du , mein lieber Vater , wer sich naͤhrt ohn ander Leut Schaden , der kommt lang hin , und kein Sperber , Habicht , Aar oder Weih wird ihm nicht schaden , wenn er zumal sich und seine ehrliche Nahrung dem lieben Gott all Abend und Morgen treulich befiehlt , welcher aller Wald- und Dorfvoͤglein Schoͤpfer und Erhalter ist , der auch der jungen Raͤblein Geschrei und Gebet hoͤret , denn ohne seinen Willen faͤllt auch kein Sperling oder Schneekuͤnglein auf die Erde . ’ ‘ Wo hast du dies gelernt ? ’ Antwortet der Sohn ‘ wie mich der große Windbraus
von dir wegriß , kam ich in ein Kirche , da las ich den Sommer die Fliegen und Spinnen von den Fenstern ab , und hoͤret diese Spruͤch predigen , da hat mich der Vater aller Sperlinge den Sommer uͤber ernaͤhrt und behuͤtet vor allem Ungluͤck und grimmigen Voͤgeln . ’ ‘Traun ! mein lieber Sohn , fleuchst du in die Kirchen und hilfest Spinnen und die sumsenden Fliegen aufraͤumen , und zirpst zu Gott , wie die jungen Raͤblein , und befiehlst dich dem ewigen Schoͤpfer , so wirst du wohl bleiben , und wenn die ganze Welt voll wilder tuͤckischer Voͤgel waͤre .
Denn wer dem Herrn befiehlt seine Sach ,
schweigt , leidet , wartet , betet , braucht Glimpf , thut gemach ,
bewahret Glaub und gut Gewissen rein ,
Dem will Gott Schutz und Helfer seyn .’
158.
Das Maͤrchen vom Schlauraffenland .
J n der Schlauraffenzeit da gieng ich , und sah an einem kleinen Seidenfaden hieng Rom und der Lateran , und ein fußloser Mann der uͤberlief ein schnelles Pferd , und ein bitterscharfes Schwert das durchhieb eine Bruͤcke . Da sah ich einen jungen Esel mit einer silbernen Nase , der jug hinter zwei schnellen Hasen her , und eine Linde , die war breit , auf der wuchsen heiße Fladen . Da sah ich eine alte duͤrre Geis , trug wohl hundert Fuder Schmalzes an ihrem Leibe und sechzig Fuder Salzes . Jst das nicht gelogen genug ? Da sah ich zackern einen Pflug , ohne Roß und Rinder , und ein jaͤhrigen Kind warf vier Muͤhlensteine von Regensburg bis nach Trier , und von Trier hinein in Straßburg ; und ein Habicht schwamm uͤber den Rhein , das that er mit vollem Recht . Da hoͤrt ich Fische mit einander Laͤrm anfangen , daß es in den Himmel hinauf scholl , und ein suͤßer Honig floß wie Wasser von einem tiefen Thal auf einen hohen Berg , das waren seltsame Geschichten . Da waren zwei Kraͤhen , maͤhten eine Wiese , und ich sah zwei Muͤcken an einer Bruͤcke bauen , und zwei Tauben zerrupften einen Wolf , zwei Kinder die wurfen zwei Zicklein , aber zwei Froͤsche droschen mit einander Getreid aus . Da sah ich
zwei Maͤuse einen Bischof weihen , zwei Katzen , die einem Baͤren die Zunge auskratzten . Da kam eine Schnecke gerennt , und erschlug zwei wilde Loͤwen . Da stand ein Bartscheerer , schor einer Frauen ihren Bart ab , und zwei saͤugende Kinder hießen ihrer Mutter stillschweigen . Da sah ich zwei Windhunde , brachten eine Muͤhle aus dem Wasser getragen , und eine alte Schindmaͤhre stand dabei , die sprach es waͤre Recht . Und im Hof standen vier Rosse , die droschen Korn aus allen Kraͤften , und zwei Ziegen , die den Ofen heitzten , und eine rothe Kuh schoß das Brot in den Ofen . Da kraͤhte ein Huhn ‘kickeriki , das Maͤhrchen ist ausverzaͤhlt , kickeriki .’
159.
Das Dietmarsische Luͤgenmaͤrchen .
J ch will euch etwas erzaͤhlen . Jch sah zwei gebratene Huͤhner fliegen , flogen schnell , und hatten die Baͤuche gen Himmel gekehrt , die Ruͤcken nach der Hoͤlle , und ein Amboß und ein Muͤhlstein die schwammen uͤber den Rhein , fein langsam und leise , und ein Frosch saß und fraß eine Pflugschaar zu Pfingsten auf dem Eis ; da waren drei Kerls , wollten einen Hasen fangen , giengen auf Kruͤcken und Stelzen , der eine war taub , der zweite blind , der dritte stumm , und der vierte konnte keinen Fuß ruͤhren . Wollt ihr wissen , wie das geschah ? Der Blinde der sah zuerst den Hasen uͤber Feld traben , der Stumme der rief dem Lahmen zu , und der Lahme faßte ihn beim Kragen . Etliche die wollten zu Land segeln , und spannten die Segel im Wind , und schifften uͤber große Aecker hin , da segelten sie uͤber einen hohen Berg , da mußten sie elendig versaufen . Ein Krebs jagte einen Hasen in die Flucht , und hoch auf dem Dach lag eine Kuh , die war hinauf gestiegen . Jn dem Land sind die Fliegen so groß als hier zu Land die Ziegen .
160.
Raͤthselmaͤrchen .
D rei Frauen waren verwandelt in Blumen , die auf dem Felde standen , doch deren eine durfte des Nachts in ihrem Hause seyn . Da sprach sie auf eine Zeit zu ihrem Mann , als sich der Tag nahete , und sie wiederum zu ihren Gespielen auf das Feld gehen und eine Blume werden mußt , ‘ so du heute Vormittag kommst , und mich abbrichst , werde ich erloͤst , und fuͤrder bei dir bleiben ;’ als dann auch geschahe . Nun ist die Frage , wie sie ihr Mann erkannt habe , so die Blumen ganz gleich und ohne Unterschied waren ? Antwort , ‘ dieweil sie die Nacht in ihrem Haus und nicht auf dem Feld war , fiel der Thau nicht auf sie , als auf die andern zwei , dabei sie der Mann erkannte .’
161.
Schneeweißchen und Rosenroth .
E ine arme Wittwe , die lebte einsam in einem Huͤttchen , und vor dem Huͤttchen war ein Garten , darin standen zwei Rosenbaͤumchen , davon trug das eine weiße , das andere rothe Rosen : und sie hatte zwei Kinder , die glichen den beiden Rosenbaͤumchen , und das eine hieß Schneeweißchen , das andere Rosenroth . Sie waren aber so fromm und gut , so arbeitsam und unverdrossen , als je zwei Kinder auf der Welt gewesen sind : Schneeweißchen war nur stiller und sanfter als Rosenroth . Rosenroth sprang lieber in den Wiesen und Feldern umher , suchte Blumen und fieng Sommervoͤgel : Schneeweißchen aber saß daheim bei der Mutter , half ihr im Hauswesen , oder las ihr vor , wenn nichts zu thun war . Die beiden Kinder hatten einander so lieb , daß sie sich immer an den Haͤnden faßten , so oft sie zusammen aus giengen , und wenn Schneeweißchen sagte ‘ wir wollen uns nicht verlassen ,’ so antwortete Rosenroth ‘ so lange wir leben nicht ,’ und die Mutter setzte hinzu ‘ was das eine hat solls mit dem andern theilen . ’ Oft liefen sie im Walde allein umher , und sammelten rothe Beeren , aber kein Thier that ihnen etwas zu leid , sondern sie kamen vertraulich herbei : das Haͤschen fraß
ein Kohlblatt aus ihren Haͤnden ; das Reh graste an ihrer Seite ; der Hirsch sprang ganz lustig vorbei ; die Voͤgel blieben auf den Aesten sitzen , und sangen was sie wußten . Kein Unfall traf sie : wenn sie sich im Walde verspaͤtet hatten und die Nacht sie uͤberfiel , so legten sie sich nebeneinander auf das Moos und schliefen bis der Morgen kam , und die Mutter wußte das , und hatte ihrentwegen keine Sorge . Einmal , als sie im Walde uͤbernachtet hatten , und das Morgenroth sie aufweckte , da sahen sie ein schoͤnes Kind in einem weißen glaͤnzenden Kleidchen neben ihrem Lager sitzen . Es stand auf , und blickte sie ganz freundlich an , sprach aber nichts , und gieng in den Wald hinein . Und als sie sich umsahen , so hatten sie ganz nahe bei einem Abgrunde geschlafen , und waͤren gewiß hinein gefallen , wenn sie in der Dunkelheit noch ein paar Schritte weiter gegangen waͤren . Die Mutter aber sagte ihnen das muͤste der Engel gewesen seyn , der gute Kinder bewache .
Schneeweißchen und Rosenroth hielten das Huͤttchen der Mutter so reinlich , daß es eine Freude war hinein zu schauen . Jm Sommer besorgte Rosenroth das Haus , und stellte der Mutter jeden Morgen , ehe sie aufwachte , einen Blumenstrauß vors Bett , darin war von jedem Baͤumchen eine Rose . Jm Winter zuͤndete Schneeweißchen das Feuer an , und hieng den Kessel an den Feuerhacken , und der Kessel war von Messing , glaͤnzte aber wie Gold , so rein war er gescheuert . Abends , wenn die Flocken fielen , sagte die Mutter ‘ geh , Schneeweißchen ,
und schieb den Riegel vor ,’ und dann setzten sie sich an den Herd , und die Mutter nahm die Brille , und las aus einem großen Buche vor , und die beiden Maͤdchen hoͤrten zu , saßen und spannen ; neben ihnen lag ein Laͤmmchen auf dem Boden , und hinter ihnen auf einer Stange saß ein weißes Taͤubchen , und hatte seinen Kopf unter den Fluͤgel gesteckt .
Eines Abends , als sie so vertraulich beisammen saßen , klopfte jemand an die Thuͤre , als wollte er eingelassen seyn . Die Mutter sprach ‘geschwind , Rosenroth , mach auf , es wird ein Wanderer seyn , der Obdach sucht . ’ Rosenroth gieng , und schob den Riegel weg , aber statt daß ein Mensch gekommen waͤre , streckte ein Baͤr seinen dicken schwarzen Kopf zur Thuͤre herein . Rosenroth schrie laut , und sprang zuruͤck ; das Laͤmmchen bloͤckte , das Taͤubchen flatterte auf , und Schneeweißchen versteckte sich hinter der Mutter Bett . Der Baͤr aber fieng an zu sprechen , und sagte ‘ fuͤrchtet euch nicht , ich thue euch nichts zu leid , ich bin halb erfroren , und will mich nur ein wenig bei euch waͤrmen . ’ ‘ Ei , du armer Baͤr ,’ sprach die Mutter , ‘ leg dich ans Feuer , und gib nur acht daß dir dein Pelz nicht brennt . ’ Dann rief sie ‘Schneeweißchen , Rosenroth , kommt hervor , der Baͤr thut euch nichts , er meints ehrlich . ’ Da kamen sie beide heran , und nach und nach naͤherten sich auch das Laͤmmchen und Taͤubchen , und hatten keine Furcht mehr . Der Baͤr sprach ‘ ihr Kinder , klopft mir den Schnee ein wenig aus dem Pelzwerk ,’ und sie holten den Besen , und kehrten dem Baͤr das Fell
rein , er aber streckte sich ans Feuer , und brummte ganz vergnuͤgt und behaglich . Nicht lange , so wurden sie ganz vertraut , und trieben Muthwillen mit dem unbeholfenen Gast , zausten ihm das Fell mit den Haͤnden , setzten ihre Fuͤßchen auf seinen Ruͤcken , und walgerten ihn hin und her , oder nahmen eine Haselruthe und schlugen auf ihn los , und wenn er brummte , so lachten sie . Der Baͤr ließ sichs aber gerne gefallen , nur wenn sies gar zu arg machten , rief er ‘ laßt mich am Leben , ihr Kinder :
Schneeweißchen , Rosenroth ,
schlaͤgst dir den Freier todt .’
Als Schlafenszeit war , und die andern zu Bett giengen , sagte die Mutter zu dem Baͤr ‘ du kannst in Gottes Namen da am Herde liegen bleiben , so bist du vor der Kaͤlte und dem boͤsen Wetter geschuͤtzt . ’ Als der Tag graute , ließen ihn die beiden Kinder hinaus , und er trabte uͤber den Schnee in den Wald hinein . Von nun an kam der Baͤr jeden Abend zu der bestimmten Stunde , legte sich an den Herd , und erlaubte den Kindern Kurzweil mit ihm zu treiben , so viel sie wollten ; und sie waren so gewoͤhnt an ihn , daß die Thuͤre nicht eher zugeriegelt wurde , als bis der schwarze Gesell angelangt war .
Als das Fruͤhjahr heran gekommen und draußen alles gruͤn war , sagte der Baͤr eines Morgens zu Schneeweißchen ‘ nun muß ich fort , und darf den ganzen Sommer nicht wieder kommen . ’ ‘ Wo gehst du denn hin , lieber Baͤr ? ’ fragte Schneeweißchen . ‘ Jch muß in den Wald und meine Schaͤtze vor den boͤsen Zwergen huͤten :
im Winter , wenn die Erde hart gefroren ist , muͤssen sie wohl unten bleiben und koͤnnen sich nicht durcharbeiten , aber jetzt , wenn die Sonne die Erde aufgethaut und erwaͤrmt hat , da brechen sie durch , steigen herauf , suchen und stehlen : und was einmal in ihren Haͤnden ist und in ihren Hoͤhlen liegt , das kommt so leicht nicht wieder an des Tages Licht . ’ Schneeweißchen war ganz traurig uͤber den Abschied , und riegelte ihm die Thuͤre auf , und als der Baͤr sich hinaus draͤngte , blieb er an dem Thuͤrhacken haͤngen , und ein Stuͤck seiner Haut riß auf , und da war es Schneeweißchen , als haͤtte es Gold durchschimmern gesehen : aber es war seiner Sache nicht gewiß , weil der Baͤr eilig fort lief und bald hinter den Baͤumen verschwunden war .
Nach einiger Zeit schickte die Mutter die Kinder in den Wald Reisig zu sammeln . Da fanden sie draußen einen großen Baum , der lag gefaͤllt auf dem Boden , und an dem Stamme sprang zwischen dem Gras etwas auf und ab , sie konnten aber nicht unterscheiden was es war . Als sie naͤher kamen , sahen sie einen Zwerg mit einem alten verwelkten Gesicht und einem ellenlangen schneeweißen Bart . Das Ende des Bartes war in eine Spalte des Baums eingeklemmt , und der Kleine sprang hin und her wie ein Huͤndchen an einem Seil , und wußte nicht wie er sich helfen sollte . Er glotzte die Maͤdchen mit seinen rothen feurigen Augen an , und schrie ‘ was steht ihr da ! koͤnnt ihr nicht herbei gehen und mir Beistand leisten ? ’ ‘ Was hast du angefangen , kleines Maͤnnchen ? ’ fragte Rosenroth . ‘Dumme neugierige Gans ,’ antwortete der Zwerg , ‘ den Baum habe ich
mir spalten wollen , um kleines Holz in der Kuͤche zu haben ; bei den dicken Kloͤtzen verbrennt gleich das Bischen Speise , das unser einer braucht , der nicht so viel hinunter schlingt als ihr , grobes Volk . Jch hatte einen Keil hinein getrieben , und es waͤre alles nach Wunsch gegangen , aber das verwuͤnschte Holz war zu glatt , und sprang unversehens heraus , und der Baum fuhr so geschwind zusammen , daß ich meinen schoͤnen weißen Bart nicht mehr herausziehen konnte ; nun steckt er drinn , und ich kann nicht fort . Da lachen die albernen glatten Milchgesichter ! pfui , was seyd ihr garstig ! ’ Die Kinder gaben sich alle Muͤhe , aber sie konnten den Bart nicht heraus ziehen , er steckte zu fest . ‘ Jch will laufen , und Leute herbei holen’ sagte Rosenroth . ‘Wahnsinnige Schafskoͤpfe ,’ schnarrte der Zwerg , ‘wer wird gleich Leute herbeirufen , ihr seyd mir schon um zwei zu viel ; faͤllt euch nicht besseres ein ? ’ ‘ Sey nur nicht ungeduldig ,’ sagte Schneeweißchen , ‘ ich will schon Rath schaffen , ’ und holte sein Scheerchen aus der Tasche , und schnitt das Ende des Bartes ab . Sobald der Zwerg sich frei fuͤhlte , griff er nach einem Sack , der zwischen den Wurzeln des Baums steckte , und mit Gold gefuͤllt war , hob ihn heraus , und brummte vor sich hin ‘ ungehobeltes Volk , schneidet mir ein Stuͤck von meinem stolzen Barte ab ! lohns euch der Guckguck ! ’ damit schwang er seinen Sack auf den Ruͤcken , und gieng fort ohne die Kinder nur noch einmal anzusehen .
Einige Zeit danach wollten Schneeweißchen und Rosenroth ein Gericht Fische angeln . Als sie auf den Bach zu giengen ,
sahen sie daß etwas wie eine große Heuschrecke nach dem Wasser zu huͤpfte , als wollte es hinein springen . Sie liefen heran , und erkannten den Zwerg . ‘ Wo willst du hin ? ’ sagte Rosenroth , ‘ du willst doch nicht ins Wasser ? ’ ‘ Solch ein Narr bin ich nicht ,’ schrie der Zwerg , ‘ seht ihr nicht , der verwuͤnschte Fisch will mich hinein ziehen ? ’ Der Kleine hatte da gesessen und geangelt , und ungluͤcklicher Weise hatte der Wind seinen Bart mit der Angelschnur verflochten : als gleich darauf ein großer Fisch anbiß , fehlten dem Zwerg die Kraͤfte ihn herauszuziehen , der Fisch behielt die Oberhand , und riß den Zwerg zu sich hin . Zwar hielt er sich an allen Halmen und Binsen , aber das half nicht viel , er mußte den Bewegungen des Fisches folgen , und war in bestaͤndiger Gefahr ins Wasser gezogen zu werden . Die Maͤdchen kamen zu rechter Zeit , hielten ihn fest , und versuchten den Bart von der Schnur loszumachen , aber vergebens , Bart und Schnur waren fest in einander verwirrt . Es blieb nichts uͤbrig , als das Scheerchen hervor zu holen und den Bart abzuschneiden : dabei gieng ein kleiner Theil desselben verloren . Als der Zwerg das sah , schrie er sie an , ‘ ist das Manier , ihr Lorche , einem das Gesicht zu schaͤnden ! nicht genug , daß ihr mir den Bart unten abgestutzt habt , jetzt schneidet ihr mir den besten Theil davon ab : ich darf mich vor den Meinigen gar nicht sehen lassen . Daß ihr laufen muͤßtet und die Schuhsohlen verloren haͤttet ! ’ Dann holte er einen Sack Perlen , der im Schilfe lag , und ohne ein Wort weiter zu sagen , schleppte er ihn fort , und verschwand hinter einem Stein .
Es trug sich zu , daß bald hernach die Mutter die beiden Maͤdchen nach der Stadt schickte , Zwirn , Nadeln , Schnuͤre und Baͤnder einzukaufen . Der Weg fuͤhrte sie uͤber eine Heide , auf der hier und da maͤchtige Felsenstuͤcke zerstreut lagen , da sahen sie einen großen Vogel in der Luft schweben , der langsam uͤber ihnen kreiste , sich immer tiefer herab senkte , und endlich nicht weit bei einem Felsen niederstieß . Gleich darauf hoͤrten sie einen durchdringenden , jaͤmmerlichen Schrei . Sie liefen herzu , und sahen mit Schrecken daß der Adler ihren alten Bekannten , den Zwerg , gepackt hatte und ihn forttragen wollte . Die mitleidigen Kinder hielten gleich das Maͤnnchen fest , und zerrten sich so lange mit dem Adler herum , bis er seine Beute fahren ließ . Als der Zwerg sich von dem ersten Schrecken erholt hatte , sprach er ‘ konntet ihr nicht saͤuberlicher mit mir umgehen , gerissen habt ihr an meinem duͤnnen Roͤckchen daß es uͤberall zerfetzt und durchloͤchert ist , unbeholfenes und taͤppisches Gesindel das ihr seyd ! ’ Dann nahm er einen Sack mit Edelsteinen , und schluͤpfte wieder unter den Felsen in seine Hoͤhle . Die Maͤdchen waren an seinen Undank schon gewoͤhnt , setzten ihren Weg fort , und verrichteten ihr Geschaͤft in der Stadt . Als sie beim Heimweg wieder auf die Heide kamen , uͤberraschten sie den Zwerg , der auf einem reinlichen Plaͤtzchen seinen Sack mit Edelsteinen ausgeschuͤttet und nicht gedacht hatte daß so spaͤt noch jemand daher kommen wuͤrde . Die Abendsonne schien uͤber die glaͤnzenden Steine , und sie schimmerten und leuchteten so praͤchtig in allen Farben , daß die Kinder stehen blieben , und
sie betrachteten . ‘ Was steht ihr da , und habt Maulaffen feil ! ’ schrie der Zwerg , und sein aschgraues Gesicht ward zinnoberroth vor Zorn . Er wollte mit seinen Scheltworten fortfahren , als sich ein lautes Brummen hoͤren ließ , und ein schwarzer Baͤr aus dem Walde herbei trabte . Erschrocken sprang der Zwerg auf , aber er konnte nicht mehr zu seinem Schlupfwinkel gelangen , der Baͤr war schon in seiner Naͤhe . Da rief er in Herzensangst ‘ lieber Herr Baͤr , verschont mich , ich will euch alle meine Schaͤtze geben , seht , die schoͤnen Edelsteine , die da liegen . Schenkt mir das Leben , was habt ihr an mir kleinen schmaͤchtigen Kerl ? ihr spuͤrt mich nicht zwischen den Zaͤhnen : da die beiden gottlosen Maͤdchen packt , das sind fuͤr euch zarte Bissen , fett wie junge Wachteln , die freßt in Gottes Namen . ’ Der Baͤr kuͤmmerte sich um seine Worte nicht , gab dem boshaften Geschoͤpf einen einzigen Schlag mit der Tatze , und es regte sich nicht mehr .
Die Maͤdchen waren fortgesprungen , aber der Baͤr rief ihnen nach ‘Schneeweißchen , Rosenroth , fuͤrchtet euch nicht , wartet , ich will mit euch gehen . ’ Da erkannten sie seine Stimme , und blieben stehen , und als der Baͤr bei ihnen war , fiel ploͤtzlich die Baͤrenhaut ab , und er stand da als ein schoͤner Mann , und war ganz in Gold gekleidet . Er sagte ‘ ich bin eines Koͤnigs Sohn , und war von dem gottlosen Zwerg , der mir meine Schaͤtze gestohlen hatte , verwuͤnscht als ein wilder Baͤr in dem Walde zu laufen , bis ich durch seinen Tod erloͤst wuͤrde . Jetzt hat er seine wohlverdiente Strafe empfangen .’
Schneeweißchen wurde mit ihm , und Rosenroth mit seinem Bruder vermaͤhlt , und sie theilten die großen Schaͤtze mit einander , die der Zwerg in seiner Hoͤhle zusammen getragen hatte . Die alte Mutter lebte noch lange Jahre ganz gluͤcklich bei ihren Kindern . Die zwei Rosenbaͤumchen aber nahm sie mit , und sie standen vor ihrem Fenster , und trugen jedes Jahr die schoͤnsten Rosen , weiß und roth .
162.
Der kluge Knecht .
W ie gluͤcklich ist der Herr , und wie wohl steht es mit seinem Hause , wenn er einen klugen Knecht hat , der auf seine Worte zwar hoͤrt , aber nicht danach thut , sondern lieber seiner eigenen Weisheit folgt . Ein solcher kluger Hans ward einmal von seinem Herrn ausgeschickt , eine verlorene Kuh zu suchen . Er blieb lange aus , so lange , daß der Herr endlich um ihn besorgt war . ‘ Der treue Hans ,’ dachte er , ‘ laͤßt sich in seinem Dienste keine Muͤhe verdrießen ; wenn ihm nur nichts widerfahren ist , weil er gar nicht wieder kommt ; ich will mich lieber selbst aufmachen , und nach ihm sehen . ’ Der Herr mußte lange nach ihm suchen , endlich sah er ihn im weiten Feld herumlaufen , und hatte Muͤhe ihn einzuholen . ‘ Nun , lieber Hans ,’ sagte der Herr , ‘ hast du die Kuh gefunden , nach der ich dich ausgeschickt habe ? ’ ‘Nein , Herr ,’ antwortete er , ‘ die Kuh habe ich nicht gefunden , aber auch nicht gesucht . Etwas Besseres habe ich gesucht , und auch gluͤcklich gefunden . ’ ‘ Was ist das , Hans ? ’ ‘ Drei Amseln ’ antwortete der Knecht . ‘ Und wo sind sie ? ’ fragte der Herr . ‘ Eine sehe ich , die andere hoͤre ich , die dritte jage ich’ antwortete des kluge Knecht .
Nehmt euch daran ein Beispiel , bekuͤmmert euch nicht um euern Herrn und seine Befehle , thut lieber was euch einfaͤllt und wozu ihr Lust habt , dann werdet ihr eben so weise handeln , als der kluge Hans .
163.
Der glaͤserne Sarg .
S age niemand daß ein armer Schneider es nicht weit bringen und nicht zu hohen Ehren gelangen koͤnne , es ist weiter gar nichts noͤthig , als daß er an die rechte Schmiede kommt , und , was die Hauptsache ist , das es ihm gluͤckt . Ein solches artiges und behendes Schneiderbuͤrschchen gieng einmal seiner Wanderschaft nach , und kam in einen großen Wald , und weil es den Weg nicht wußte , verirrte es sich . Die Nacht brach ein , und es blieb ihm nichts uͤbrig als in dieser schauerlichen Einsamkeit ein Lager zu suchen . Auf dem weichen Mose haͤtte er freilich ein gutes Bett gefunden , allein die Furcht vor den wilden Thieren ließ ihm da keine Ruhe , und er mußte sich endlich entschließen auf einem Baume zu uͤbernachten . Er suchte eine hohe Eiche , stieg bis in den Gipfel hinauf , und dankte Gott daß er sein Buͤgeleisen bei sich trug weil ihn sonst der Wind , der uͤber die Gipfel der Baͤume wehete , weggefuͤhrt haͤtte .
Nachdem er einige Stunden in der Finsternis , nicht ohne Zittern und Zagen , zugebracht hatte , erblickte er in geringer Entfernung den Schein eines Lichtes ; und weil er dachte daß da eine menschliche Wohnung seyn moͤchte , wo er sich besser befinden werde als auf den Ästen eines Baums , so stieg er vorsichtig herab und
gieng dem Lichte nach . Es leitete ihn zu einem kleinen Haͤuschen , das aus Rohr und Binsen geflochten war . Er klopfte muthig an , die Thuͤre oͤffnete sich , und bei dem Scheine des herausfallenden Lichtes sah er ein altes eisgraues Maͤnnchen , das ein von buntfarbigen Lappen zusammengesetztes Kleid an hatte . ‘ Wer seyd ihr , und was wollt ihr ? ’ fragte es mit einer schnarrenden Stimme . ‘Jch bin ein armer Schneider ,’ antwortete er , ‘ den die Nacht hier in der Wildnis uͤberfallen hat , und bitte euch instaͤndig mich bis Morgen in eurer Huͤtte aufzunehmen . ’ ‘ Geh deiner Wege ,’ erwiederte der Alte mit muͤrrischem Tone , ‘ mit Landstreichern will ich nichts zu schaffen haben ; such dir anderwaͤrts ein Unterkommen . ’ Nach diesen Worten wollte er wieder in sein Haus schluͤpfen , aber der Schneider hielt ihn am Rockzipfel fest , und bat so beweglich , daß der Alte , der so boͤse nicht war als er sich anstellte , endlich erweicht wurde , und ihn mit in seine Huͤtte nahm , wo er ihm zu essen gab , und dann in einem Winkel ein ganz gutes Nachtlager anwies .
Der muͤde Schneider brauchte keines Einwiegens , sondern schlief sanft bis an den Morgen , wuͤrde auch noch nicht an das Aufstehen gedacht haben , wenn er nicht von einem lauten Laͤrm waͤre aufgeschreckt worden . Ein heftiges Schreien und Bruͤllen drang durch die duͤnnen Waͤnde des Hauses . Der Schneider , den ein unerwarteter Muth uͤberkam , sprang auf , zog in der Hast seine Kleider an , und eilte hinaus . Da erblickte er nahe bei dem Haͤuschen einen großen schwarzen Stier und einen schoͤnen Hirsch , die in dem heftigsten Kampfe begriffen waren . Sie giengen mit
so großer Wuth aufeinander los , daß von ihrem Getrampel der Boden erzitterte , und die Luft von ihrem Geschrei erdroͤhnte . Es war lange ungewiß , welcher von beiden den Sieg davon tragen wuͤrde : endlich stieß der Hirsch seinem Gegner das Geweih in den Leib , worauf der Stier mit entsetzlichem Bruͤllen zur Erde sank , und durch einige Schlaͤge des Hirsches voͤllig getoͤdtet ward .
Der Schneider , welcher dem Kampfe mit Erstaunen zugesehen hatte , stand noch unbeweglich da , als der Hirsch in vollen Spruͤngen auf ihn zu eilte und ihn , ehe er entfliehen konnte , mit seinem großen Geweihe gleichsam aufgabelte . Er konnte sich nicht lange besinnen , denn es gieng schnellen Laufes fort uͤber Stock und Stein , Berg und Thal , Wiese und Wald . Er hielt sich mit beiden Haͤnden an die Enden des Geweihes fest , und uͤberließ sich seinem Schicksal . Es kam ihm aber nicht anders vor als fliege er davon . Endlich hielt der Hirsch vor einer Felsenwand still , und ließ den Schneider sanft herabfallen . Der Schneider , mehr todt als lebendig , bedurfte einiger Zeit um wieder zur Besinnung zu kommen . Als er sich einigermaßen erholt hatte , stieß der Hirsch , der neben ihm stehen geblieben war , sein Geweih mit solcher Gewalt gegen eine in dem Felsen befindliche Thuͤre daß sie aufsprang . Feuerflammen schlugen heraus , auf welche ein großer Dampf folgte , der den Hirsch seinen Augen entzog . Der Schneider wußte nicht was er thun und wohin er sich wenden sollte , um aus dieser Einoͤde wieder unter Menschen zu gelangen . Jndem er also unschluͤssig stand , toͤnte eine Stimme aus dem Felsen , die ihm zurief ‘ tritt ohne Furcht herein , dir soll kein Leid
widerfahren . ’ Er zauderte zwar , doch , von einer heimlichen Gewalt angetrieben , gehorchte er der Stimme , und gelangte durch die eiserne Thuͤre in einen großen geraͤumigen Saal , dessen Decke , Waͤnde und Boden aus glaͤnzend geschliffenen Quadersteinen bestanden , auf deren jedem ihm unbekannte Zeichen eingehauen waren . Er betrachtete alles voll Bewunderung , und war eben im Begriffe wieder hinaus zu gehen , als er abermals die Stimme vernahm , welche ihm sagte ‘ tritt auf den Stein , der in der Mitte des Saales liegt , und dein wartet großes Gluͤck .’
Sein Muth war schon so weit gewachsen daß er dem Befehle Folge leistete . Der Stein begann unter seinen Fuͤßen nachzugeben , und sank langsam in die Tiefe hinab . Als er wieder feststand , und der Schneider sich umsah , befand er sich in einem Saale , der an Umfang dem vorigen gleich war . Hier aber gab es mehr zu betrachten und zu bewundern . Jn die Waͤnde waren Vertiefungen eingehauen , in welchen Gefaͤße von durchsichtigem Glase standen , welche mit farbigem Spiritus oder mit einem blaulichen Rauche angefuͤllt waren . Auf dem Boden des Saales standen , einander gegenuͤber , zwei große glaͤserne Kasten , die sogleich seine Neugierde reizten . Jndem er zu dem einen trat , erblickte er darin ein schoͤnes Gebaͤude , einem Schlosse aͤhnlich , von Wirthschaftsgebaͤuden , Staͤllen und Scheuern und einer Menge anderer artigen Sachen umgeben . Alles war klein , aber uͤberaus sorgfaͤltig und zierlich gearbeitet , und schien von einer kunstreichen Hand mit der hoͤchsten Genauigkeit ausgeschnitzt zu seyn .
Er wuͤrde seine Augen von der Betrachtung dieser Seltenheiten
noch nicht abgewendet haben , wenn sich nicht die Stimme abermals haͤtte hoͤren lassen . Sie forderte ihn auf sich umzukehren , und den gegenuͤberstehenden Glaskasten zu beschauen . Wie stieg seine Verwunderung als er darin ein Maͤdchen von groͤßter Schoͤnheit erblickte . Es lag wie im Schlafe , und war in lange blonde Haare wie in einen kostbaren Mantel eingehuͤllt . Die Augen waren fest geschlossen , doch die lebhafte Gesichtsfarbe , und ein Band , das der Athem hin und her bewegte , ließen keinen Zweifel an ihrem Leben . Der Schneider betrachtete die Schoͤne mit klopfendem Herzen , als sie ploͤtzlich die Augen aufschlug , und bei seinem Anblick in freudigem Schrecken zusammenfuhr . ‘Gerechter Himmel ,’ rief sie , ‘ meine Befreiung naht ! geschwind , geschwind , hilf mir aus meinem Gefaͤngnis : wenn du den Riegel an diesem glaͤsernen Sarge wegschiebst , so bin ich erloͤst . ’ Der Schneider gehorchte ohne Zaudern , alsbald hob sie den Glasdeckel in die Hoͤhe , stieg heraus , und eilte in die Ecke des Saals , wo sie sich in einen weiten Mantel verhuͤllte . Dann setzte sie sich auf einen Stein nieder , hieß den jungen Mann heran gehen , und nachdem sie einen freundlichen Kuß auf seinen Mund gedruͤckt hatte , sprach sie ‘ mein lang ersehnter Befreier , der guͤtige Himmel hat mich zu dir gefuͤhrt , und meinen Leiden ein Ziel gesetzt . An demselben Tage wo sie endigen , soll dein Gluͤck beginnen . Du bist der vom Himmel mir bestimmte Gemahl , und sollst , von mir geliebt und mit allen irdischen Guͤtern uͤberhaͤuft , in ungestoͤrter Freude dein Leben zubringen . Sitz nieder , und hoͤre die Erzaͤhlung meines Schicksals .
Jch bin die Tochter eines reichen Grafen . Meine Eltern starben als ich noch in zarter Jugend war , und empfahlen mich in ihrem letzten Willen meinem aͤltern Bruder , bei dem ich auferzogen wurde . Wir liebten uns so zaͤrtlich , und waren so uͤbereinstimmend in unserer Denkungsart und unsern Neigungen , daß wir beide den Entschluß faßten uns niemals zu verheirathen , sondern bis an das Ende unseres Lebens beisammen zu bleiben . Jn unserm Hause war an Gesellschaft nie Mangel : Nachbarn und Freunde besuchten uns haͤufig , und wir uͤbten gegen alle die Gastfreundschaft in vollem Maße . So geschah es auch eines Abends , daß ein Fremder in unser Schloß geritten kam , und unter dem Vorgeben den naͤchsten Ort nicht mehr erreichen zu koͤnnen um ein Nachtlager bat . Wir gewaͤhrten seine Bitte mit zuvorkommender Hoͤflichkeit , und er unterhielt uns waͤhrend des Abendessens mit seinem Gespraͤche und eingemischten Erzaͤhlungen auf das anmuthigste . Mein Bruder hatte ein so großes Wohlgefallen an ihm , daß er ihn bat ein paar Tage bei uns zu verweilen , wozu er nach einigem Weigern einwilligte . Wir standen erst spaͤt in der Nacht von Tische auf , dem Fremden wurde ein Zimmer angewiesen , und ich eilte , ermuͤdet wie ich war , meine Glieder in die weichen Federn zu senken . Kaum war ich ein wenig eingeschlummert , so weckten mich die Toͤne einer zarten und lieblichen Musik . Da ich nicht begreifen konnte woher sie kaͤmen , so wollte ich mein im Nebenzimmer schlafendes Kammermaͤdchen rufen , allein zu meinem Erstaunen fand ich daß mir , als lastete ein Alp auf meiner Brust , von einer unbekannten Gewalt die Sprache benommen
und ich unvermoͤgend war den gerinsten geringsten Laut von mir zu geben . Jndem sah ich bei dem Schein der Nachtlampe den Fremden in mein durch zwei Thuͤren fest verschlossenes Zimmer eintreten . Er naͤherte sich mir , und sagte daß er durch Zauberkraͤfte , die ihm zu Gebote staͤnden , die liebliche Musik habe ertoͤnen lassen um mich aufzuwecken , und dringe jetzt selbst durch alle Schloͤsser in der Absicht , mir Herz und Hand anzubieten . Mein Widerwille aber gegen seine Zauberkuͤnste war so groß , daß ich ihn keiner Antwort wuͤrdigte . Er blieb eine Zeit lang unbeweglich stehen , wahrscheinlich in der Absicht einen guͤnstigen Entschluß zu erwarten , als ich aber fortfuhr zu schweigen , erklaͤrte er zornig daß er sich raͤchen und Mittel finden werde meinen Hochmuth zu bestrafen , worauf er das Zimmer wieder verließ . Jch brachte die Nacht in hoͤchster Unruhe zu , und schlummerte erst gegen Morgen ein . Als ich erwacht war , eilte ich zu meinem Bruder , um ihn von dem was vorgefallen war zu benachrichtigen , allein ich fand ihn nicht auf seinem Zimmer , und der Bediente sagte mir daß er bei anbrechendem Tage mit dem Fremden auf die Jagd geritten sey .
Mir ahnete gleich nichts gutes ; ich kleidete mich schnell an , ließ meinen Leibzelter satteln , und ritt , nur von einem Diener begleitet , in vollem Jagen nach dem Walde . Der Diener stuͤrzte mit dem Pferde , und konnte mir , da das Pferd den Fuß gebrochen hatte , nicht folgen . Jch setzte , ohne mich aufzuhalten , meinen Weg fort , und in wenigen Minuten sah ich den Fremden mit einem schoͤnen Hirsch , den er an der Leine fuͤhrte , auf mich
zukommen . Jch fragte ihn wo er meinen Bruder gelassen habe , und wie er zu diesem Hirsche gelangt sey , aus dessen großen Augen ich Thraͤnen fließen sah . Anstatt mir zu antworten fieng er an laut aufzulachen . Jch gerieth daruͤber in hoͤchsten Zorn , zog eine Pistole , und druͤckte die gegen das Ungeheuer ab , aber die Kugel prallte von seiner Brust zuruͤck und fuhr in den Kopf meines Pferdes . Jch stuͤrzte zur Erde , der Fremde aber murmelte einige Worte , die mir das Bewußtseyn raubten .
Als ich wieder zur Besinnung kam fand ich mich in dieser unterirdischen Gruft in einem glaͤsernen Sarge . Der Schwarzkuͤnstler erschien nochmals , sagte daß er meinen Bruder in einen Hirsch verwandelt , mein Schloß , mit allem Zubehoͤr , verkleinert , in den andern Glaskasten eingeschlossen , und meine in Rauch verwandelten Leute in Glasflaschen gebannt habe . Wolle ich mich jetzt seinem Wunsche fuͤgen , so sey ihm ein leichtes , alles wieder in den vorigen Stand zu setzen : er brauche nur die Gefaͤße zu oͤffnen , so werde alles wieder in die natuͤrliche Gestalt zuruͤckkehren . Jch antwortete ihm so wenig als das erste Mal . Er verschwand , und ließ mich in meinem Gefaͤngnisse liegen , in welchem mich ein tiefer Schlaf befiel . Unter den Bildern , welche an meiner Seele voruͤbergiengen , war auch das troͤstliche daß ein junger Mann kam und mich befreite , und als ich heute die Augen oͤffne , so erblicke ich dich und sehe meinen Traum erfuͤllt . Hilf mir vollbringen was in jenem Gesichte noch weiter geschah . Das erste ist daß wir den Glaskasten , in welchem mein Schloß sich befindet , auf jenen breiten Stein heben .’
Der Stein , sobald er beschwert war , hob sich mit dem Fraͤulein und dem Juͤngling in die Hoͤhe , und stieg durch die Öffnung der Decke in den obern Saal , wo sie dann leicht ins Freie gerathen konnten . Hier oͤffnete das Fraͤulein den Deckel , und es war wunderbar anzusehen , wie Schloß , Haͤuser und Gehoͤfte sich ausdehnten , und in groͤßter Schnelligkeit zu natuͤrlicher Groͤße heranwuchsen . Sie kehrten darauf in die unterirdische Hoͤhle zuruͤck , und ließen die mit Rauch gefuͤllten Glaͤser von dem Steine herauftragen . Kaum hatte das Fraͤulein die Flaschen geoͤffnet , so drang der blauliche Rauch heraus , und verwandelte sich in lebendige Menschen , in welchen das Fraͤulein ihre Diener und Leute erkannte . Jhre Freude ward noch vermehrt als ihr Bruder , der den Zauberer in dem Stiere getoͤdtet hatte , in menschlicher Gestalt aus dem Walde heran kam , und noch denselben Tag reichte das Fraͤulein , ihrem Versprechen gemaͤß , dem gluͤcklichen Schneider die Hand am Altare .
164.
Der faule Heinz .
H einz war faul , und obgleich er weiter nichts zu thun hatte , als seine Ziege taͤglich auf die Weide zu treiben , so seufzte er dennoch , wenn er nach vollbrachtem Tagewerk Abends nach Hause kam , und sprach ‘ es ist in Wahrheit eine schwere Last und ein muͤhseliges Geschaͤft so eine Ziege Jahr aus Jahr ein bis in den spaͤten Herbst ins Feld zu treiben . Und wenn man sich noch dabei hinlegen und schlafen koͤnnte ! aber nein , da muß man die Augen auf haben , damit sie die jungen Baͤume nicht beschaͤdigt , durch die Hecke in einen Garten dringt , oder gar davon laͤuft . Wie soll da einer zur Ruhe kommen , und seines Lebens froh werden ! ’ Er setzte sich , sammelte seine Gedanken , und uͤberlegte wie er sich von dieser Buͤrde frei machen koͤnnte . Lange war alles Nachsinnen vergeblich , ploͤtzlich fiels ihm wie Schuppen von den Augen . ‘ Jch weiß was ich thue ,’ rief er aus , ‘ ich heirathe die dicke Trine ; die hat auch eine Ziege und kann meine mit austreiben , so brauche ich mich nicht laͤnger zu quaͤlen .’
Heinz erhob sich also , setzte seine muͤden Glieder in Bewegung , gieng queer uͤber die Straße , denn weiter war der Weg nicht , zu den Eltern der dicken Trine , und hielt um ihre arbeitsame und tugendreiche Tochter an . Die Eltern besannen sich nicht lange , und willigten
ein . Nun ward die dicke Trine Heinzens Frau , und trieb die beiden Ziegen aus , und Heinz hatte gute Tage , so daß er sich von keiner andern Arbeit zu erholen brauchte , als von seiner eigenen Faulheit . Nur dann und wann gieng er mit hinaus , und sagte ‘ es geschieht bloß damit mir die Ruhe hernach desto besser schmeckt ; man verliert sonst alles Gefuͤhl dafuͤr .’
Aber die dicke Trine war auch faul . ‘Lieber Heinz ,’ sprach sie eines Tages , ‘ warum sollen wir uns das Leben ohne Noth sauer machen , und unsere beste Jugendzeit verkuͤmmern ? Jst es nicht besser , wir geben die beiden Ziegen , die jeden Morgen einen mit ihrem Meckern im besten Schlafe stoͤren , unserm Nachbar , und der giebt uns einen Bienenstock dafuͤr ? den Binenstock Bienenstock stellen wir an einem sonnigen Platz hinter das Haus , und bekuͤmmern uns weiter nicht darum . Die Bienen brauchen nicht gehuͤtet und nicht ins Feld getrieben zu werden : sie fliegen aus , finden den Weg nach Haus von selbst wieder , und sammeln Honig ohne daß es uns die geringste Muͤhe macht . ’ ‘ Du hast wie eine verstaͤndige Frau gesprochen ,’ antwortete Heinz , ‘ deinen Vorschlag wollen wir ohne Zaudern ausfuͤhren ; außerdem schmeckt und naͤhrt der Honig besser als die Ziegenmilch , und laͤßt sich auch laͤnger aufbewahren .’
Der Nachbar gab fuͤr die beiden Ziegen gerne einen Bienenstock . Die Bienen flogen unermuͤdlich vom fruͤhen Morgen bis zum spaͤten Abend aus und ein , und fuͤllten den Stock mit dem schoͤnsten Honig , so daß Heinz im Herbst einen ganzen Krug voll heraus nehmen konnte .
Sie stellten den Krug auf ein Brett , das oben an der Wand in ihrer Schlafkammer befestigt war , und weil sie fuͤrchteten es koͤnnte ihnen gestohlen werden , oder die Maͤuse koͤnnten daruͤber gerathen , so holte Trine einen starken Haselstock herbei , und legte ihn neben ihr Bett , damit sie ihn , ohne unnoͤthigerweise aufzustehen , mit der Hand erreichen und die ungebetenen Gaͤste von dem Bette aus verjagen koͤnnte .
Der faule Heinz verließ das Bett nicht gerne vor Mittag : ‘Wer fruͤh aufsteht ,’ sprach er , ‘ sein Gut verzehrt .’ Eines Morgens , als er so am hellen Tage noch in den Federn lag , und von dem langen Schlaf ausruhte , sprach er zu seiner Frau ‘ die Weiber lieben die Suͤßigkeit , und du naschest von dem Honig , es ist besser , ehe er von dir allein ausgegessen wird , daß wir dafuͤr eine Gans mit einem jungen Gaͤnslein erhandeln . ’ ‘ Aber nicht eher ,’ erwiderte Trine , ‘ als bis wir ein Kind haben , das sie huͤtet . Soll ich mich etwa mit den jungen Gaͤnsen plagen , und meine Kraͤfte unnoͤthigerweise dabei zusetzen ? ’ ‘Meinst du ,’ sagte Heinz , ‘ der Junge werde Gaͤnse huͤten ? heutzutage gehorchen die Kinder nicht mehr : sie thun nach ihrem eigenen Willen , weil sie sich kluͤger duͤnken als die Eltern , gerade wie jener Knecht , der die Kuh suchen sollte , und drei Amseln nachjagte . ’ ‘ O’ , antwortete Trine , ‘ dem soll es schlecht bekommen , wenn er nicht thut was ich sage . Einen Stock will ich nehmen , und mit ungezaͤhlten Schlaͤgen ihm die Haut gerben . Siehst du , Heinz ,’ rief sie in ihrem Eifer , und faßte den Stock , mit dem sie die Maͤuse verjagen wollte , ‘siehst du , so will ich auf ihn losschlagen . ’ Sie
holte aus , traf aber ungluͤcklicherweise den Honigkrug uͤber dem Bette . Der Krug sprang wider die Wand , und fiel in Scherben herab , und der schoͤne Honig floß auf dem Boden . ‘ Da liegt nun die Gans mit dem jungen Gaͤnslein ,’ sagte Hans , ‘ und braucht nicht gehuͤtet zu werden . Aber ein Gluͤck ist es , daß mir der Krug nicht auf den Kopf gefallen ist ; wir haben alle Ursache mit unserm Schicksal zufrieden zu seyn . ’ Und da er in einer Scherbe noch etwas Honig bemerkte , so langte er danach , und sprach ganz vergnuͤgt ‘ das Restchen , Frau , wollen wir uns noch schmecken lassen , und dann nach dem gehabten Schrecken ein wenig ausruhen , was thuts , wenn wir etwas spaͤter als gewoͤhnlich aufstehen , der Tag ist doch noch lang genug .’
165.
Der Vogel Greif .
S isch einisch e Choͤnig gsi , woner gregiert hat und wiener gheisse hat weiß i nuͤmme . De het kei Son gha , nummene einzige Tochter , die isch immer chrank gsi , und kei Dokter het se choͤnne heile . Do isch em Choͤnig profizeit worde , si Tochter werd se an Öpfle gsund esse . Do lot er dur sis ganz Land bchant mache wer siner Tochter Öpfel bringe , daß se se gsund dra choͤnn esse , de muͤesse zur Frau ha , und Choͤnig waͤrde . Das het au ne Pur verno , de drei Soͤn gha het . Do saͤit er zum elste ‘gang ufs Gade ufe , nimm e Chratte ( Handkorb ) voll vo dene schoͤne Öpfle mit rothe Bagge , und traͤg se a Hof ; villicht cha se d’ Choͤnigstochter gsund dra esse , und de darfsche huͤrothe und wirsch Choͤnig . ’ De Kaͤrle hets e so gmacht , und der Weg under d’ Fuͤeß gno . Woner e Zitlang gange gsi isch , begegnet em es chlis isigs Manndle , das frogt ne was er do e dem Chratte haͤig , do seit der Uele , denn so het er gheisse , ‘Froschebaͤi .’ Das Manndle saͤit druf ‘ no es soͤlle si und blibe , ’ und isch witer gange . Ändle chunt der Uele fuͤrs Schloß , und lot se amelde , er heb Öpfel , die d’ Tochter gsund mache , wenn se dervo aͤsse thue . Das het der Choͤnig gruͤsele gfreut , und lot der Uele vor se cho , aber , o haͤie ! woner
ufdeckt , so heter anstatt Öpfel Froschebaͤi e dem Chratte , die no zapled haͤnd . Drob isch der Choͤnig boͤs worde , und lot ne zum Hus us jage . Woner haͤi cho isch , so verzelter dem Ätte wies em gange isch . Do schickt der Ätte der noelst Son , de Saͤme gheisse het ; aber dem isch es ganz glich gange wie im Uele . Es isch em halt an es chlis isigs Manndle begegnet , und das het ne gfrogt was er do e dem Chratte haͤig , der Saͤme saͤit ‘Seuͤborst ,’ und das isigs Manndle saͤit ‘ no es soͤll si und blibe .’ Woner do vor es Choͤnigsschloß cho isch , und saͤit er heb Öpfel , a dene se d’ Choͤnigstochter gsund choͤnn esse , so haͤnd se ne nid welle ine lo , und haͤnd gsaͤit es sig scho eine do gsi , und heb se fuͤre Nare gha . Der Saͤme het aber aghalte , er heb gwuͤß dere Öpfel , se solle ne nume ine lo . Ändle haͤnd sem glaubt , und fuͤre ne vor der Choͤnig . Aber woner si Chratte ufdeckt , so het er halt Seuͤborst . Das het der Choͤnig gar schroͤckele erzuͤrnt , so daß er der Saͤme us em Hus het lo peuͤtsche . Woner haͤi cho isch , so het er gsaͤit wies em gange isch . Do chunt der juͤngst Bueb , dem haͤndse nume der dumm Hans gsaͤit , und frogt der Ätte ob er au mit Öpfle goh doͤrf . ‘ Jo ,’ saͤit do der Ätte , ‘ du waͤrst der raͤcht Kerle derzue , wenn die gschite nuͤt usrichte , was wettest denn du usrichte . ’ Der Bueb het aber nit no glo : ‘e woll , Ätte , i will au goh . ’ ‘Gang mer doch ewaͤg ; du dumme Kaͤrle , du muest warte bis gschiter wirsch’ saͤit druf der Ätte , und chert em der Ruͤgge . Der Hans aber zupft ne hinde am Chittel , ‘e woll , Ätte , i will au goh . ’ ‘No minetwaͤge , so gang , de wirsch woll wieder ome cho ,’ gitt der Ätte zur Antwort eme nidige Ton . Der Bueb het se
aber gruͤsele gfreut , und isch ufgumpet . ‘ Jo , thue jetz no wiene Nar , du wirsch vo aͤim Tag zum andere no duͤmmer ’ saͤit der Ätte wieder . Das het aber im Hans nuͤt gmacht , und het se e siner Freud nid lo stoͤre . Wils aber gli Nacht gsi isch , so het er daͤnkt er well warte bis am Morge , er moͤcht huͤt doch nuͤmme na Hof gcho . Z’ Nacht im Bett het er nid choͤnne schloffe , und wenn er au ne ihli igschlummert isch , so hets em traumt vo schoͤne Jumpfere , vo Schloͤßern , Gold und Silber , und allerhand dere Sache meh . Am Morge fruͤe macht er se uf der Waͤg , und gli drufe bchuntem es chlis mutzigs Manndle , eme isige Chlaͤidle , und frogt ne was er do e dem Chratte haͤig . Der Hans gitt em zur Antwort , er heb Öpfel , a dene d’ Choͤnigstochter se gsund aͤße soͤtt . ‘ No ,’ saͤit das Manndle , ‘ es soͤlle soͤttige ( solche ) si und und blibe . ’ Aber am Hof haͤnd se der Hans partu nit welle ine lo , denn es sige scho zwee do gsi , und hebe gsaͤit se bringe Öpfel , und do heb aͤine Froͤschebaͤi , und der ander Seuͤborst gha . Der Hans het aber gar gruͤsele aghalte , er heb gwoͤß kene Froͤschebaͤi , sondern vo de schoͤnste Öpfle , die im ganze Choͤnigrich wachse . Woner de so ordele gredt het , so daͤnke d’ Toͤrhuͤeter de choͤnn nid luͤge , und loͤnde ine , und se haͤnd au raͤcht gha , denn wo der Hans si Chratte vor em Choͤnig abdeckt , so sind goldgaͤle Öpfel fuͤre cho . Der Choͤnig het se gfreut , und lot gli der Tochter dervo bringe , und wartet jetz e banger Erwartig bis menem der Bricht bringt , was se fuͤr Wuͤrkig tho hebe . Aber nid lange Zit vergot , so bringt em oͤpper Bricht : aber was meineder wer isch das gsi ? d’ Tochter saͤlber isch es gsi . So bald se vo dene ,
Öpfle ggaͤße gha het , isch e gsund us em Bett gsprunge . Wie der Choͤnig e Freud gha het , chame nid bschribe . Aber jetz het er d’ Tochter dem Hans nid welle zur Frau ge , und saͤit er muͤeß em zerst none Waͤidlig ( Nachen ) mache , de ufem drochne Land woͤidliger geu als im Wasser . Der Hans nimmt die Betingig a , und got haͤi , und verzelts wies em gange seig . Do schickt der Ätte der Uele is Holz um e soͤttige Waͤidlig z’ mache . Er hat flißig gwaͤrret ( gearbeitet ) , und derzue gpfiffe . Z’ Mittag , wo d’ Sunne am hoͤchste gstande isch , chunt es chlis isigs Manndle , und frogt was er do mach . Der Uele gitt em zur Antwort ‘Chelle ( hoͤlzernes Geraͤth ) .’ Das isig Maͤnndle saͤit ‘ no es soͤlle si und blibe . ’ Z’ Obe meint der Uele er heb jetz e Waͤidlig gmacht , aber woner het welle isitze , so sinds alles Chelle gsi . Der anner Tag got der Saͤme e Wald , aber s’ isch em ganz glich gange wie im Uele . Am dritte Tag got der dumm Hans . Er schafft raͤcht flißig , daß es im ganze Wald toͤnt vo sine chraͤftige Schlaͤge , derzue singt er und pfift er raͤcht lustig . Da chunt wieder das glich Manndle z’ Mittag , wos am heißeste gsi isch , und frogt was er do mach . ‘ E Waͤidlich , de uf em drochne Land waͤidlicher got as uf em Wasser ,’ und wenn er dermit fertig seig , so chom er d’ Choͤnigstochter zur Frau uͤber . ‘ No ,’ saͤit das Manndle , ‘ es soͤll e so aͤine ge und blibe . ’ Z’ Obe , wo d’ Sunne aber z’ Gold gange isch , isch der Hans au fertig gsi mit sim Waͤidlig und Schiff und Gscher . Er sitzt i , und ruederet der Residenz zue . Der Waͤidlig isch aber so gschwind gange wie der Wind . Der Choͤnig hets vo witen gseh , will aber im Hans si Tochter nonig ge , und saͤit
er mueß zerst no hundert Haase huͤete vom Morge fruͤeh bis z’ Obe spot , und wenn em aͤine furt choͤmm , so choͤmm er d’ Tochter nit uͤber . Der Hans isch e des z’ friede gsi , und gli am andere Tag got er mit siner Heerd uf d’ Waͤid , und paßt verwaͤndt uf daß em keine dervo lauf . Nid maͤnge Stund isch vergange , so chunt e Magd vom Schloß , und saͤit zum Hans er soͤll ere gschwind e Haas ge , se hebe Wisite uͤber cho . Der Hans het aber woll gemerkt wo das use will , und saͤit er gaͤb e keine , der Choͤnig choͤn denn morn siner Wisite mit Haasepfaͤffer ufwarte . D’ Magd het aber nid no glo , und am Änd fot so no a resniere . Do saͤit der Hans wenn d’ Choͤnigstochter saͤlber choͤmm , so well er ene Haas ge . Das het d’ Magd im Schloß gsaͤit , und d’ Tochter isch saͤlber gange . Underdesse isch aber zum Hans das chli Manndle wieder cho , und frogt der Hans was er do thuͤej . ‘ He , do muͤeß er hundert Haase huͤete , daß em kaͤine dervo lauf , und denn doͤrf er d’ Choͤnigstochter huͤrothe , und waͤre Choͤnig . ’ ‘Guet ,’ saͤit das Manndle , ‘ do hesch es Pfifle , und wenn der aͤine furtlauft , so pfif nume , denn chunt er wieder ume . ’ Wo do d’ Tochter cho isch , so gitt ere der Hans e Haas is Fuͤrtuͤchle . Aber wo se oͤppe hundert Schritt wit gsi isch , so pfift der Hans , und de Haas springt ere us em Schaͤubele use , und , was gisch was hesch , wieder zue der Heerd . Wo ’s Obe gsi isch , so pfift de Haasehirt no emol , und luegt ob all do sige , und treibt se do zum Schloß . Der Choͤnig het se verwunderet wie au der Hans im Stand gsi seig hundert Haase z’ huͤete , daß em kaͤine dervo glofe isch ; er will em aber d’ Tochter aͤine weg nonig ge , und
saͤit er muͤeß em no ne Faͤdere us d’ Vogelgrife Stehl bringe . Der Hans macht se grad uf der Waͤg , und marschiert raͤcht handle vorwaͤrts . Z’ Obe chunt er zu neme Schloß , do frogt er umenes Nachtlager , denn saͤlbesmol het me no kaͤine Wirthshuͤser gha , das saͤit em der Herr vom Schloß mit vele Freude zue , und frogt ne woner he well . Der Hans git druf zur Antwort ‘ zum Vogelgrif . ’ ‘ So , zum Vogelgrif , me saͤit ame er wuß alles , und i hane Schloͤssel zur nere isige Gaͤldchiste verlore ; ehr choͤntet doch so guet si , und ne froge woner seig . ’ ‘ Jo frile ,’ saͤit der Hans , ‘ das wili scho thue . ’ Am Morge fruͤe isch er do witer gange , und chunt unterwaͤgs zue mene andere Schloß , i dem er wieder uͤbernacht blibt . Wo d’ Luͤt drus verno haͤnd daß er zum Vogelgrif well , so saͤge se es sig im Hus ne Tochter chrank , und se hebe scho alle Mittel brucht , aber es well kais aschlo , er soͤll doch so guet si , und der Vogelgrif froge was die Tochter wieder choͤn gsund mache . Der Hans saͤit das weller gaͤrn thue , und goht witer . Do chunt er zue emne Wasser , und anstatt eme Feer isch e große große Ma do gsi , de all Luͤt het muͤesse uͤbere traͤge . De Ma het der Hans gfrogt wo si Raͤis ane geu . ‘ Zum Vogelgrif ’ saͤit der Hans . ‘ No , wenn er zue nme choͤmet ,’ saͤit do de Ma , ‘ so froget ne an worum i all Luͤt muͤeß uͤber das Wasser traͤge . ’ Do saͤit der Hans ‘ jo , min Gott jo , das wili scho thue . ’ De Ma het ne do uf d’ Achsle gno , und uͤbere traͤit . Ändle chunt do der Hans zum Hus vom Vogelgrif , aber do isch nume d’ Frau dehaͤime gsi , und der Vogelgrif saͤlber nid . Do frogt ne d’ Frau was er well . Do het ere der Hans alles verzelt , daß
ere Faͤdere soͤlt ha us e’ Vogelgrife Stehl , und denn hebe se emene Schloß der Schluͤssel zue nere Gaͤldchiste verlore , und er soͤtt der Vogelgrif froge wo der Schluͤssel seig ; denn seig eme andere Schloß e Tochter chrank , und er soͤt wuͤße was die Tochter choͤnt gsund mache ; denn seig nid wid vo do es Wasser und e Ma derbi , de d’ Luͤt muͤeß uͤbere traͤge , und er moͤcht au gern wuͤsse worum de Ma all Luͤt muͤeß uͤbere traͤge . Do saͤit die Frau ‘ja lueget , mi guete Fruͤnd , s’ cha kaͤi Christ mit em Vogelgrif rede , er frißt se all ; wenn er aber waͤnd , so choͤnneder under sis Bett undere ligge , und z’ Nacht , wenn er raͤcht fest schloft , so choͤnneder denn ufe laͤnge , und em e Faͤdere usem Stehl riße , und waͤge dene Sache , die ner wuͤße soͤttet , will i ne saͤlber froge . ’ Der Hans isch e das alles z’friede gsi , und lit unders Bett undere . Z’ Obe chunt der Vogelgrif haͤi , und wiener i d’ Stube chunt , so saͤit er ‘ Frau , i schmoͤke ne Christ . ’ ‘ Jo ,’ saͤit do d’ Frau , ‘s’ isch huͤt aͤine do gsi , aber er isch wieder furt ;’ und mit dem het der Vogelgrif nuͤt me gsaͤit . Z’ mitzt e der Nacht , wo der Vogelgrif raͤcht gschnarchlet het , so laͤngt der Hans ufe , und rißt em e Faͤdere usem Stehl . Do isch der Vogelgrif ploͤtzle ufgjuckt , und saͤit ‘Frau , i schmoͤcke ne Christ , und s’ isch mer s’ heb me oͤpper am Stehl zehrt . ’ Do saͤit d’ Frau ‘ de hesch gwuͤß traumet , und i ho der jo huͤt scho gsaͤit , s’ isch e Christ do gsi , aber er isch wieder furt . De het mer allerhand Sache verzellt . Si hebe ime Schloß der Schluͤssel zue nere Gaͤldchiste verlore , und choͤnnene numme finde . ’ ‘ O di Nare ,’ saͤit der Vogelgrif , ‘ de Schluͤssel lit im Holzhus hinder der Thoͤr
undere Holzbig . ’ ‘ Und denn het er au gsaͤit i me ne Schloß seig e Tochter chrank , und se wuͤße kais Mittel fuͤr se gsund z’ mache . ’ ‘ O die Nare ,’ saͤit der Vogelgrif , ‘ under der Chaͤllerstaͤge het e Chrot es Naͤscht gmacht von ere Hoore , und wenn se die Hoor wieder het , so wers se gsund . ’ ‘ Und denn het er au no gsaͤit s’ sig a me ne Ort es Wasser und e Ma derbi , der muͤeß all Luͤt druͤber traͤge . ’ ‘ O de Nar ,’ saͤit der Vogelgrif , ‘taͤter nome emol aͤine z’ mitzt dri stelle , er muͤeßt denn kaͤine me uͤbere traͤge . ’ Am Morge fruͤe isch der Vogelgrif uf gstande , und isch furt gange . Do chunt der Hans underem Bett fuͤre , und het e schoͤne Faͤdere gha ; au het er ghoͤrt was der Vogelgrif gsaͤit het waͤge dem Schluͤssel und der Tochter und dem Ma. D’ Frau vom Vogelgrif het em do alles no nemol verzellt , daß er nuͤt vergaͤße , und denn isch er wieder haͤi zue gange . Zerst chunt er zum Ma bim Wasser , de frogt ne gli was der Vogelgrif gsaͤit heb , do saͤit der Hans er soͤll ne zerst uͤbere traͤge , er well em ’s denn daͤne saͤge . Do traͤit ne der Ma uͤbere . Woner daͤne gsi isch , so saͤit em der Hans er soͤllt nume aͤnisch aͤine z’ mint dri stelle , er muͤeß denn kaͤine me uͤbere traͤge . Do het se de Ma gruͤsele gfreut , und saͤit zum Hans er well ne zum dank none mol ume und aͤne trage . Do saͤit der Hans naͤi , er well em die Muͤeh erspare , er seig sust mit em z’friede , und isch witer gange . Do chunt er zue dem Schloß , wo die Tochter chrank gsi isch , die nimmt er do uf d’ Achsle , denn se het nid choͤnne laufe , und traͤit se d’ Chellerstaͤge ab , und nimmt das Chrotenaͤst under dem underste Tritt fuͤre , und gits der Tochter i d’ Haͤnd , und die springt
em ab der Achsle abe , und vor im d’ Staͤge uf , und isch ganz gsund gsi . Jetz haͤnd der Vater und d’ Mueter e gruͤsliche Freud gha , und haͤnd dem Hans Gschaͤnke gmacht vo Gold und Silber , und was er nume het welle , das haͤnd sem gge . Wo do der Hans is ander Schloß cho isch , isch er gli is Holzhus gange , und het hinder der Thoͤr under der Holzbige de Schluͤssel richtig gfunde , und het ne do dem Herr brocht . De het se au nid wenig gfreut , und het dem Hans zur Belohnig vill vo dem Gold gge , das e der Chiste gsi isch , und sust no aller derhand fuͤr Sache , so Chuͤe und Schoof und Gaͤiße . Wo der Hans zum Choͤnig cho isch mit dene Sache alle , mit dem Gaͤld , und dem Gold und Silber , und dene Chuͤene , Schoofe und Gaͤiße , so frogt ne der Choͤnig , woner au das alles uͤbercho heb . Do saͤit der Hans der Vogelgrif gaͤb aͤin so vill me well . Do daͤnkt der Choͤnig er choͤnt das au bruche , und macht se au uf der Waͤg zum Vogelgrif , aber woner zue dem Wasser cho isch , so isch er halt der erst gsi , de sid em Hans cho isch , und de Ma stellt e z’ mitzt ab , und goht furt , und der Choͤnig isch ertrunke . Der Hans het do d’ Tochter ghuͤrothet , und isch Koͤnig worde .
166.
Der starke Hans .
E s war einmal ein Mann und eine Frau , die hatten nur ein einziges Kind , und lebten in einem abseits gelegenen Thale ganz allein . Es trug sich zu , daß die Mutter einmal ins Holz gieng , Tannenreiser zu lesen , und den kleinen Hans , der erst zwei Jahr alt war , mitnahm . Da es gerade in der Fruͤhlingszeit war , und das Kind seine Freude an den bunten Blumen hatte , so gieng sie immer weiter mit ihm in den Wald hinein . Ploͤtzlich sprangen aus dem Gebuͤsch zwei Raͤuber hervor , packten die Mutter und das Kind , und fuͤhrten sie tief in den schwarzen Wald , wo Jahr aus Jahr ein kein Mensch hinkam . Die arme Frau bat die Raͤuber instaͤndig sie mit ihrem Kinde frei zu lassen , aber das Herz der Raͤuber war von Stein : sie hoͤrten nicht auf ihr Bitten und Flehen , und trieben sie mit Gewalt an weiter zu gehen . Nachdem sie etwa zwei Stunden durch Stauden und Doͤrner sich hatten durcharbeiten muͤssen , kamen sie zu einem Felsen , wo eine Thuͤre war , an welche die Raͤuber klopften , und die sich alsbald oͤffnete . Sie mußten durch einen langen dunkelen Gang , und kamen endlich in eine große Hoͤhle , die von einem Feuer , das auf dem Herd brannte , erleuchtet war . An der Wand hiengen Schwerter , Saͤbel und andere
Mordgewehre , die in dem Lichte blinkten , und in der Mitte stand ein schwarzer Tisch , an dem vier andere Raͤuber saßen , und spielten , und oben an saß der Hauptmann . Dieser kam , als er die Frau sah , heran , redete sie an , und sagte sie sollte nur ruhig und ohne Angst seyn , sie thaͤten ihr nichts zu Leid , aber sie muͤste das Hauswesen besorgen , und wenn sie alles in Ordnung hielte , so sollte sie es nicht schlimm bei ihnen haben . Darauf gaben sie ihr etwas zu essen , und zeigten ihr ein Bett , wo sie mit ihrem Kinde schlafen koͤnnte .
Die Frau blieb viele Jahre bei den Raͤubern , und Hans ward groß und stark . Die Mutter erzaͤhlte ihm Geschichten und lehrte ihn in einem alten Ritterbuch , das sie in der Hoͤhle fand , lesen . Als Hans neun Jahr alt war , machte er sich aus einem Tannenast einen starken Knuͤttel , und versteckte ihn hinter das Bett ; dann gieng er zu seiner Mutter , und sprach ‘liebe Mutter , sage mir jetzt einmal wer mein Vater ist , ich will und muß es wissen . ’ Die Mutter schwieg still , und wollte es ihm nicht sagen , damit er nicht das Heimweh bekaͤme , und die gottlosen Raͤuber haͤtten den Hans doch nicht fortgelassen . Aber es haͤtte ihr fast das Herz zersprengt , daß Hans nicht sollte zu seinem Vater kommen . Jn der Nacht , als die Raͤuber von ihrem Raubzug heimkamen , holte Hans seinen Knuͤttel hervor , stellte sich vor den Hauptmann , und sagte ‘ jetzt will ich wissen wer mein Vater ist , und wenn du mirs nicht gleich sagst , so schlag ich dich nieder . ’ Da lachte der Hauptmann , und gab dem Hans eine Ohrfeige , daß er unter den Tisch kugelte . Hans machte sich wieder auf ,
schwieg und dachte ‘ ich will noch ein Jahr warten , und es dann noch einmal versuchen , vielleicht gehts besser . ’ Als das Jahr herum war , holte er seinen Knuͤttel wieder hervor , wischte den Staub ab , betrachtete ihn , und sprach ‘ es ist ein tuͤchtiger wackerer Knuͤttel . ’ Nachts kamen die Raͤuber heim , tranken Wein , einen Krug nach dem andern , und fiengen an die Koͤpfe zu haͤngen . Da holte der Hans seinen Knuͤttel herbei , stellte sich wieder vor den Hauptmann , und fragte ihn wer sein Vater waͤre . Der Hauptmann gab ihm abermals eine so kraͤftige Ohrfeige , daß Hans unter den Tisch rollte , aber es dauerte nicht lange , so war er wieder oben , und schlug mit seinem Knuͤttel auf den Hauptmann und die Raͤuber , daß sie Arme und Beine nicht mehr regen konnten . Die Mutter stand in einer Ecke , und sah voll Verwunderung uͤber seine Tapferkeit und Staͤrke zu , und als Hans mit seiner Arbeit fertig war , gieng er zu seiner Mutter und sagte ‘ jetzt ist mirs Ernst gewesen , aber jetzt muß ich auch wissen wer mein Vater ist . ’ ‘Lieber Hans ,’ antwortete die Mutter , ‘ komm wir wollen gehen und ihn suchen bis wir ihn finden . ’ Sie nahm dem Hauptmann den Schluͤssel zu der Eingangsthuͤre ab , aber Hans holte einen großen Mehlsack , packte Gold , Silber , und was er sonst noch fuͤr schoͤne Sachen fand , zusammen , bis er voll war , und nahm ihn dann auf den Ruͤcken . Sie verließen die Hoͤhle , aber was that Hans die Augen auf , als er aus der Finsternis heraus in das Tageslicht kam , und den gruͤnen Wald , Gras , Blumen und Voͤgel , und die Morgensonne am Himmel erblickte . Er stand da , und staunte alles an , als wenn er nicht recht gescheidt waͤre . Die
Mutter suchte den Weg nach Haus , und als sie ein paar Stunden gegangen waren , so kamen sie gluͤcklich in ihr einsames Thal und zu ihrem Haͤuschen . Der Vater saß unter der Thuͤre , und weinte vor Freude als er seine Frau erkannte und hoͤrte daß Hans sein Sohn war , die er beide laͤngst fuͤr todt gehalten hatte . Aber Hans , obgleich erst zwoͤlf Jahr alt , war doch einen Kopf groͤßer als sein Vater . Sie giengen zusammen in das Stuͤbchen , aber kaum hatte Hans seinen Sack auf die Ofenbank gestellt , so fieng das ganze Haus an zu krachen , die Bank brach ein , und dann auch der Fußboden , und der schwere Sack sank in den Keller hinab . ‘Gott behuͤte uns ,’ rief der Vater , ‘ was ist das ? jetzt hast du unser Haͤuschen zerbrochen . ’ ‘Laßt euch keine graue Haare daruͤber wachsen , lieber Vater , ’ antwortete Hans , ‘ da in dem Sack steckt mehr als fuͤr ein neues Haus noͤthig ist . ’ Der Vater und Hans fiengen auch gleich an ein neues Haus zu bauen , Vieh zu erhandeln und Land zu kaufen , und zu wirthschaften . Hans ackerte die Felder , und wenn er hinter dem Pflug gieng und ihn in die Erde hinein schob , so hatten die Stiere fast nicht noͤthig zu ziehen . Den naͤchsten Fruͤhling sagte Hans ‘ Vater , behaltet alles Geld , und laßt mir einen zentnerschweren Spazierstab machen , damit ich in die Fremde gehen kann . ’ Und als er den verlangten Stab hatte , verließ er seines Vaters Haus , zog fort und kam in einen tiefen und finstern Wald . Da hoͤrte er etwas knistern und knastern , und schaute um sich , und sah eine Tanne , die von unten bis oben wie ein Seil gewunden ward ; und wie er die Augen in die Hoͤhe richtete , so erblickte er einen großen Kerl , der
den Baum gepackt hatte , und ihn wie eine Weidenruthe umdrehte . ‘ He ! ’ rief Hans , ‘ was machst du da droben ? ’ Der Kerl antwortete ‘ ich habe gestern Reiswellen zusammen getragen , und will mir jetzt ein Seil dazu drehen . ’ ‘ Das laß ich mir gefallen ,’ dachte Hans , ‘ der hat noch Kraͤfte , ’ und rief ihm zu ‘ laß du das gut seyn , und komm mit mir . ’ Der Kerl kletterte von oben herab , und war einen ganzen Kopf groͤßer als Hans , und der war doch auch nicht klein . ‘ Du heißest jetzt Tannendreher ’ sagte Hans zu ihm . Sie giengen darauf weiter , und hoͤrten etwas klopfen und haͤmmern , so stark daß bei jedem Schlag der Erdboden zitterte . Bald darauf kamen sie zu einem maͤchtigen Felsen , vor dem stand ein Riese , und schlug mit der Faust große Stuͤcke davon ab . Als Hans fragte was er da treibe , antwortete er ‘ wenn ich Nachts schlafen will , so kommen Baͤren , Woͤlfe und anderes Ungeziefer der Art , die schnuppen und schnuffeln an mir herum , und lassen mich nicht schlafen , da will ich mir ein Haus bauen , und mich hinein legen , damit ich Ruhe habe . ’ ‘ Ei ja wohl ,’ dachte Hans , ‘ den kannst du auch noch brauchen ,’ und sprach zu ihm ‘ laß das gut seyn , und geh mit mir , du sollst der Felsenklipperer heißen .’ Er willigte ein , und sie strichen alle drei durch den Wald hin , und wo sie hinkamen , da wurden die wilden Thiere aufgeschreckt , und liefen vor ihnen weg . Abends kamen sie in ein altes , verlassenes Schloß , stiegen hinauf , und legten sich in den Saal schlafen . Am andern Morgen gieng Hans hinab in den Garten , der war ganz verwildert , und stand voll Doͤrner und Gebuͤsch . Und wie er so herum gieng , sprang ein Wildschwein
auf ihn los , er aber gab ihm mit seinem Stab einen Schlag daß es gleich niederfiel . Dann nahm er es auf die Schulter , und brachte es hinauf ; da steckten sie es an einen Spieß , und machten sich einen Braten zurecht , und waren guter Dinge . Nun verabredeten sie daß jeden Tag , der Reihe nach , zwei auf die Jagd gehen sollten , und einer daheim bleiben und kochen , fuͤr jeden neun Pfund Fleisch . Den ersten Tag blieb der Tannendreher daheim , und Hans und der Felsenklipperer giengen auf die Jagd . Als der Tannendreher beim Kochen beschaͤftigt war , kam ein kleines altes zusammengeschrumpeltes Maͤnnchen zu ihm auf das Schloß , und forderte Fleisch . ‘ Pack dich , Duckmaͤuser ,’ antwortete er , ‘ du brauchst kein Fleisch . ’ Aber wie verwunderte sich der Tannendreher , als das kleine unscheinbare Maͤnnlein an ihm hinauf sprang , und mit den Faͤusten so auf ihn losschlug , daß er sich nicht wehren konnte , zur Erde fiel , und nach Athem schnappte . Und das Maͤnnlein gieng nicht ehr fort , als bis es seinen Zorn voͤllig an ihm ausgelassen hatte . Als die zwei andern von der Jagd heimkamen , sagte ihnen der Tannendreher nichts von dem alten Maͤnnchen und den Schlaͤgen , die er bekommen hatte , und dachte ‘ wenn sie daheim bleiben , so koͤnnen sies auch einmal mit dem kleinen Ungeheuer versuchen ,’ und der bloße Gedanke machte ihm schon Vergnuͤgen . Den folgenden Tag blieb der Steinklipperer daheim , und dem gieng es gerade so wie dem Tannendreher , und er ward von dem Maͤnnlein uͤbel zugerichtet , weil er ihm kein Fleisch hatte geben wollen . Als die andern Abends nach Haus kamen , sah es ihm der Tannendreher wohl an was er erfahren
hatte , aber beide schwiegen still , und dachten ‘ der Hans muß auch von der Suppe kosten . ’ Der Hans , der den naͤchsten Tag daheim bleiben mußte , that seine Arbeit in der Kuͤche , wie sichs gebuͤhrte , und als er oben stand und den Kessel abschaumte , kam das Maͤnnchen , und forderte ohne weiteres ein Stuͤck Fleisch . Da dachte Hans ‘ es ist ein armer Wicht , ich will ihm von meinem Antheil geben , damit die andern nicht zu kurz kommen ,’ und reichte ihm ein Stuͤck Fleisch . Als es der Zwerg verzehrt hatte , verlangte er nochmals Fleisch , und der gutmuͤthige Hans gab es ihm , und sagte da waͤre noch ein schoͤnes Stuͤck , damit sollte er zufrieden seyn . Der Zwerg forderte aber zum drittenmal . ‘ Du wirst unverschaͤmt’ sagte Hans , und gab ihm nichts . Da wollte der boshafte Zwerg an ihm hinaufspringen , und ihn wie den Tannendreher und Felsenklipperer behandeln , aber er kam an den unrechten . Hans gab ihm , ohne sich anzustrengen , ein paar Hiebe daß er die Schloßtreppe hinabsprang ; dann wollte er ihm nachlaufen , fiel aber , so lang er war , uͤber ihn hin . Als Hans sich wieder aufgerichtet hatte , war ihm der Zwerg voraus ; Hans eilte ihm nach , und in den Wald hinein , und sah wie er in eine Felsenhoͤhle schluͤpfte . Hans merkte sich die Stelle , und gieng heim . Die beiden andern , als sie nach Haus kamen , wunderten sich daß Hans so wohl auf war . Er erzaͤhlte ihnen was sich zugetragen hatte , und da verschwiegen sie nicht laͤnger wie es ihnen ergangen war . Hans lachte , und sagte ‘ es ist euch ganz recht , warum seyd ihr so geitzig mit eurem Fleisch gewesen ; aber es ist eine Schande , ihr seyd so groß , und habt euch von dem Zwerg
Schlaͤge geben lassen . ’ Sie nahmen darauf Korb und Seil , und giengen alle drei zu der Felsenhoͤhle , in welche der Zwerg geschluͤpft war , und ließen den Hans mit seinem Stab im Korb hinab . Als Hans auf dem Grund angelangt war , fand er eine Thuͤre , und als er sie oͤffnete , saß da eine bildschoͤne Jungfrau , nein so schoͤn , daß es nicht zu sagen ist , und neben ihr saß der Zwerg , und grinste den Hans an wie eine Meerkatze . Sie aber war mit Ketten gebunden , und blickte ihn so traurig an , daß Hans großes Mitleid empfand , und dachte du mußt sie aus der Gewalt des boͤsen Zwerges erloͤsen , und gab ihm einen Streich mit seinem Stab , daß er todt niedersank . Alsbald fielen die Ketten von der Jungfrau ab , und Hans war wie verzuͤckt uͤber ihre Schoͤnheit . Sie erzaͤhlte ihm sie waͤre eine Koͤnigstochter , die ein wilder Graf aus ihrer Heimath geraubt , und hier in den Felsen eingesperrt haͤtte , weil sie nichts von ihm haͤtte wissen wollen ; den Zwerg aber haͤtte der Graf zum Waͤchter gegeben , und er haͤtte ihr Leid und Drangsal genug angethan . Drauf setzte Hans die Jungfrau in den Korb , und ließ sie hinauf ziehen . Der Korb kam wieder herab , aber Hans traute den beiden Gesellen nicht , und dachte ‘ sie haben sich schon falsch gezeigt , und dir nichts von dem Zwerg gesagt , wer weiß was sie gegen dich im Schild fuͤhren . ’ Da legte er seinen Stab in den Korb , und das war sein Gluͤck , denn als der Korb halb in der Hoͤhe war , ließen sie ihn fallen , und haͤtte Hans wirklich darin gesessen , so waͤre er todt gefallen . Aber nun wußte er nicht wie er sich aus der Tiefe heraus helfen sollte , und wie er hin und her dachte , er fand keinen
Rath . ‘ Es ist doch traurig ,’ sagte er ‘ daß du da unten verschmachten sollst . ’ Und als er so auf und ab gieng , kam er wieder zu den Kaͤmmerchen , wo die Jungfrau gesessen hatte , und sah daß der Zwerg einen Ring am Finger hatte , der glaͤnzte und schimmerte . Da zog er ihn ab , und steckte ihn an , und als er ihn an dem Finger umdrehte , so hoͤrte er ploͤtzlich etwas uͤber seinem Kopf rauschen . Er blickte in die Hoͤhe , und sah da Luftgeister schweben , die sagten er waͤre ihr Herr , und fragten was sein Begehren waͤre . Hans war anfangs ganz verstummt , dann aber sagte er sie sollten ihn hinauf tragen . Augenblicklich gehorchten sie , und es war nicht anders , als floͤge er hinauf . Als er aber oben war , so war niemand mehr da , und als er in das Schloß gieng , so fand er auch dort niemand . Der Tannendreher und der Felsenklipperer waren fortgeeilt , und hatten die schoͤne Jungfrau mit gefuͤhrt . Aber Hans drehte den Ring , da kamen die Luftgeister , und sagten ihm die zwei waͤren auf dem Meer . Da lief Hans , und lief in einem fort bis er zu dem Meeresstrand kam , da erblickte er weit weit auf dem Wasser ein Schiffchen , in welchem seine treulosen Gefaͤhrten saßen . Und in heftigem Zorn sprang er , ohne sich zu besinnen , mit sammt seinem Stab ins Wasser , und fieng an zu schwimmen , aber der zentnerschwere Stab zog ihn so tief hinab , daß er fast ertrunken waͤre . Da drehte er noch zu rechter Zeit den Ring , alsbald kamen die Luftgeister , und trugen ihn , so schnell wie der Blitz in das Schiffchen . Da schwang er seinen Stab , und gab den boͤsen Gesellen den verdienten Lohn , und warf sie hinab ins Wasser . Dann aber ruderte er mit der schoͤnen
Jungfrau , die in den groͤßten Ängsten gewesen war und die er zum zweiten Male befreit hatte , heim zu ihrem Vater und ihrer Mutter , und ward mit ihr verheirathet , und alle haben sich gewaltig gefreut .
167.
Das Buͤrle im Himmel .
S isch emol es arms fromms Buͤrle gstorbe , und chunt do vor d’ Himmelspforte . Zur gliche Zit isch au e riche riche Herr do gsi , und het au i Himmel welle . Do chunt der heilige Pedrus mitem Schluͤssel , und macht uf , und lot der Herr ine ; das Buͤrle het er aber , wies schint , nid gseh , und macht d’ Pforte aͤmel wieder zue . Do het das Buͤrle vorusse ghoͤrt wie de Herr mit alle Freude im Himmel uf gno wurde isch , und wie se drin musiziert und gsunge haͤnd . Ändle isch es do wider still worde , und der heilig Petrus chunt , macht d’ Himmelspforte uf , und lot das Buͤrle au ine. S Buͤrle het do gmeint s werd jetz au musiziert und gsunge , wenn es choͤm , aber do isch alles still gsi ; me hets frile mit aller Liebe ufgno , und d’ Ängele sind em egaͤge cho , aber gsunge het niemer ( niemand ) . Do fragt das Buͤrle der heilig Petrus worum das me be im nid singe wie be dem riche Herr , s geu , schints , do im Himmel au parteiisch zue wie uf der Erde . Do saͤit der heilig Petrus ‘nai waͤger , du bisch is so lieb wie alle andere , und muesch alle himmlische Freude gniesse wie de rich Herr , aber lueg , so arme Buͤrle , wie du aͤis bisch , choͤmme alle Tag e Himmel , so ne riche Herr aber chunt nume alle hundert Jahr oͤppe aͤine .’
168.
Der goldene Schluͤssel .
Z ur Winterszeit , als einmal ein tiefer Schnee lag , mußte ein armer Junge hinausgehen , und Holz auf einem Schlitten holen . Wie er es nun zusammengesucht und aufgeladen hatte , wollte er , weil er so erfroren war , noch nicht nach Haus gehen , sondern erst Feuer anmachen , und sich ein bischen waͤrmen . Da scharrte er den Schnee weg , und wie er so den Erdboden aufraͤumte , fand er einen kleinen goldnen Schluͤssel . Nun glaubte er wo der Schluͤssel waͤre , muͤßte auch das Schloß dazu seyn , grub in der Erde , und fand ein eisernes Kaͤstchen . ‘ Wenn der Schluͤssel nur paßt ! ’ dachte er , ‘ es sind gewiß kostbare Sachen in dem Kaͤstchen . ’ Er suchte , aber es war kein Schluͤsselloch da , endlich fand er eins , das man kaum sehen konnte , zu dem auch der Schluͤssel gluͤcklich paßte . Er drehte einmal herum , und nun muͤssen wir warten bis er vollends aufgeschlossen , und den Deckel aufgemacht hat , dann koͤnnen wir erfahren was fuͤr wunderbare Sachen in dem Kaͤstchen lagen .
Kinderlegenden .
1.
Der heilige Joseph im Walde .
E s war einmal eine Mutter , die hatte drei Toͤchter , davon war die aͤlteste unartig und boͤs , die zweite schon viel besser , obgleich sie auch ihre Fehler hatte , die juͤngste aber war ein frommes gutes Kind . Die Mutter war aber so unnatuͤrlich , daß sie gerade die aͤlteste Tochter am liebsten hatte , und die juͤngste nicht leiden konnte . Daher schickte sie das arme Maͤdchen oft hinaus in einen großen Wald , um es sich vom Hals zu schaffen , denn sie dachte es wuͤrde sich verirren , und nimmermehr wieder kommen . Aber der Schutzengel , den jedes fromme Kind hat , verließ es nicht , sondern brachte es immer wieder auf den rechten Weg . Einmal indessen that das Schutzenglein als wenn es nicht bei der Hand waͤre , und das Kind konnte sich nicht wieder aus dem Walde herausfinden . Es gieng immer fort bis es Abend wurde , da sah es in der Ferne ein Lichtchen brennen , auf das lief es zu , und kam vor eine kleine Huͤtte . Es klopfte an , die Thuͤre gieng auf , und es gelangte zu einer zweiten Thuͤre , da klopfte es wieder an . Ein alter Mann , der einen weißen Bart hatte , und sehr ehrwuͤrdig aussah , machte ihm auf , und das war niemand anders als der heilige Joseph . Er sprach ganz freundlich ‘ komm , liebes Kind , setz dich ans Feuer auf mein Stuͤhlchen , und waͤrm dich ,
ich will dir klar Waͤsserchen holen , wenn du Durst hast ; zu essen aber hab ich hier im Walde nichts fuͤr dich als ein paar Wuͤrzelcher , die mußt du dir erst schaben und kochen . ’ Da reichte ihm der heil. Joseph die Wurzeln ; das Maͤdchen schrappte sie saͤuberlich ab , dann holte es ein Stuͤckchen Pfannkuchen , und das Brot , das ihm seine Mutter mitgegeben hatte , und that alles zusammen in einem Kesselchen beis Feuer , und kochte sich ein Mus . Als das fertig war , sprach der heil. Joseph ‘ ich bin so hungrig , gib mir etwas von deinem Essen . ’ Da gab ihm das Kind gleich , und gab ihm mehr als es fuͤr sich behielt , doch war Gottes Seegen dabei , daß es satt wurde . Als sie nun gegessen hatten , sprach der heil. Joseph ‘ nun wollen wir zu Bett gehen , ich habe aber nur ein Bett , leg du dich hinein , ich will mich ins Stroh auf die Erde legen . ’ ‘Nein ,’ antwortete es , ‘ bleib du nur in deinem Bett , fuͤr mich ist das Stroh weich genug . ’ Der heil. Joseph aber nahm das Kind auf den Arm , und trug es ins Bettchen , da that es sein Gebet , und schlief ein . Am andern Morgen , als es aufwachte , wollte es dem heil . Joseph guten Morgen sagen , aber es sah ihn nicht . Da stand es auf , und suchte ihn , konnte ihn aber in keiner Ecke finden ; endlich gewahrte es hinter der Thuͤre einen Sack mit Geld , so schwer , als es ihn nur tragen konnte , darauf stand geschrieben das waͤre fuͤr das Kind , das heute Nacht hier geschlafen haͤtte . Da nahm es den Sack , und sprang damit fort , und kam auch gluͤcklich zu seiner Mutter , und weil es ihr alle das Geld schenkte , so konnte sie nicht anders , sie mußte mit ihm zufrieden seyn .
Am folgenden Tag bekam das zweite Kind auch Lust in den Wald zu gehen . Die Mutter gab ihm ein viel groͤßer Stuͤck Pfannkuchen und Brot mit . Es ergieng ihm nun gerade wie dem ersten Kinde . Abends kam es in das Huͤttchen des heil. Joseph , der ihm Wurzeln zu einem Mus reichte . Als das fertig war , sprach er gleichfalls zu ihm ‘ ich bin so hungerig , gib mir etwas von deinem Essen . ’ Da antwortete das Kind ‘ iß als mit . ’ Als ihm danach der heil. Joseph sein Bett anbot , und sich aufs Stroh legen wollte , antwortete es ‘ nein , leg dich als mit ins Bett , wir haben ja beide wohl Platz darin . ’ Der heil . Joseph nahm es auf den Arm , und legte es ins Bettchen , und legte sich ins Stroh . Morgens , als das Kind aufwachte und den heil. Joseph suchte , war er verschwunden , aber hinter der Thuͤre fand es ein Saͤckchen mit Geld , das war haͤndelang , und darauf stand geschrieben es waͤre fuͤr das Kind , das heute Nacht hier geschlafen haͤtte . Da nahm es das Saͤckchen , und lief damit heim , und brachte es seiner Mutter , doch behielt es heimlich davon fuͤr sich .
Nun war die aͤlteste Tochter neugierig geworden , und wollte den folgenden Morgen auch hinaus in den Wald . Die Mutter gab ihr Pfannkuchen mit , so viel sie wollte , Brot und auch Kaͤse dazu . Abends fand sie den heil. Joseph in seinem Huͤttchen gerade so , wie ihn die zwei andern gefunden hatten . Als das Mus fertig war , und der heil. Joseph sprach ‘ ich bin so hungerig , gib mir etwas von deinem Essen ,’ antwortete das Maͤdchen ‘ warte , bis ich satt bin , was ich dann uͤber lasse , das sollst du haben . ’ Es aß ober beinah alles auf , und der heil . Joseph mußte das
Schuͤsselchen ausschrappen . Der gute Alte bot ihm hernach sein Bett an , und wollte auf dem Stroh liegen , das nahm es ohne Widerrede an , legte sich in das Bettchen , und ließ dem Greis das harte Stroh . Am andern Morgen , wie es aufwachte , war der heil. Joseph nicht zu finden , doch daruͤber machte es sich keine Sorgen : es suchte hinter der Thuͤre nach einem Geldsack . Es kam ihm vor als es laͤge etwas auf der Erde , doch weil es nicht recht unterscheiden konnte , was es war , buͤckte es sich , und stieß mit seiner Nase daran . Aber es blieb an der Nase hangen , und wie es sich aufrichtete , sah es zu seinem Schrecken , daß es noch eine zweite Nase war , die an der seinen festhieng . Da hub es an zu schreien und zu heulen , aber das half nichts , es mußte immer auf seine Nase sehen , wie die so weit hinausstand . Da lief es in einem Geschrei fort , bis es dem heil. Joseph begegnete , dem fiel es zu Fuͤßen , und bat so lange , bis er aus Mitleid ihm die Nase wieder abnahm , und noch zwei Pfennige schenkte . Als es daheim ankam , stand vor der Thuͤre seine Mutter und fragte ‘ was hast du geschenkt kriegt ? ’ Da log es , und antwortete ‘ einen großen Sack voll Gelds , aber ich habe ihn unterwegs verloren . ’ ‘ Verloren ! ’ rief die Mutter , ‘o den wollen wir schon wieder finden ;’ nahm es bei der Hand , und wollte mit ihm suchen . Zuerst fieng es an zu weinen , und wollte nicht mit gehen , endlich aber gieng es mit , doch auf dem Wege kamen so viele Eidechsen und Schlangen auf sie beide los , daß sie sich nicht zu retten wußten ; sie stachen auch endlich das boͤse Kind todt , und die Mutter stachen sie in den Fuß , weil sie es nicht besser erzogen hatte .
2.
Die zwoͤlf Apostel .
E s war dreihundert Jahr vor des Herrn Christi Geburt , da lebte eine Mutter , die hatte zwoͤlf Soͤhne , war aber so arm und duͤrftig , daß sie nicht wußte , womit sie ihnen das Leben laͤnger erhalten sollte . Sie betete aber taͤglich zu Gott , er moͤchte doch geben , daß alle ihre Soͤhne mit dem verheißenen Heiland auf Erden zusammen waͤren . Als nun ihre Noth immer groͤßer ward , schickte sie einen nach dem andern in die Welt , um sich ihr Brot zu suchen . Der aͤlteste hieß Petrus , der gieng aus , und war schon weit gegangen , eine ganze Tagereise , da gerieth er in einen großen Wald . Er suchte einen Ausweg , konnte aber keinen finden , und verirrte sich immer tiefer , dabei empfand er so großen Hunger , daß er sich kaum aufrecht erhalten konnte . Endlich ward er so schwach , daß er liegen bleiben mußte , und glaubte dem Tode nahe zu seyn . Da stand auf einmal neben ihm ein kleiner Knabe , der glaͤnzte , und war so schoͤn und freundlich wie ein Engel . Das Kind schlug seine Haͤndchen zusammen , daß er aufschauen und es anblicken mußte . Da sprach es ‘ warum sitzest du da so betruͤbt ? ’ ‘ Ach ,’ antwortete Petrus , ‘ ich gehe umher in der Welt und suche mein Brot , damit ich noch den verheißenen lieben Heiland sehe ;
das ist mein groͤßter Wunsch . ’ Das Kind sprach ‘ komm mit mir , so soll dein Wunsch erfuͤllt werden . ’ Es nahm den armen Petrus an der Hand , und fuͤhrte ihn zu einer Hoͤhle . Wie sie hineinkamen , so blitzte alles von Gold , Silber und Krystall , und in der Mitte standen zwoͤlf Wiegen neben einander . Da sprach das Englein ‘ lege dich in die erste , und schlaf ein wenig ; ich will dich wiegen . ’ Das that Petrus , und das Englein sang ihm , und wiegte ihn so lange , bis er eingeschlafen war . Und wie er schlief , kam der zweite Bruder , den auch sein Schutzenglein herein fuͤhrte , und wurde auch in den Schlaf gewiegt , und so kamen die andern nach der Reihe , bis alle zwoͤlfe da lagen in den goldenen Wiegen , und schliefen . Sie schliefen aber dreihundert Jahre , bis in der Nacht , worin der Weltheiland geboren wurde . Da erwachten sie auch , und waren mit ihm auf Erden , und wurden die zwoͤlf Apostel genannt .
3.
Die Rose .
E t was mal eine arme Frugge , de hadde twei Kinner ; dat jungeste moste olle Dage in en Wald gohn , un langen ( holen ) Holt . Asset nu mal ganz wiet soͤken geit , kam so en klein Kind , dat was awerst ganz wacker , to em , un holp ( half ) flietig Holt lesen , un drog et auck bis fuͤr dat Hus ; dann was et awerst , eh en Augenschlaͤgsken ( Augenblick ) vergienk , verswunnen . Dat Kind vertelde et siner Moder , de wul et awerst nig gloͤven . Up et lest brochte et en Rause ( Rose ) mit , un vertelde dat schoͤne Kind haͤdde em deise Rause gieven , un haͤdde em saͤgt wenn de Rause upbloͤhet waͤr , dann wull et wier kummen . De Moder stellde dei Rause in’t Water . Einen Morgen kam dat Kind gar nig ut dem Bedde , de Moder gink to dem Bedde hen , un fund dat Kind daude ( todt ) ; et lag awerst ganz anmotik . Un de Rause was den sulftigen Morgen upbloͤhet .
4.
Armuth und Demuth fuͤhren zum Himmel .
E s war einmal ein Koͤnigssohn , der gieng hinaus in das Feld , und war nachdenklich und traurig . Er sah den Himmel an , der war so schoͤn rein und blau , da seufzte er und sprach ‘ wie wohl muß es einem erst da oben im Himmel seyn ! ’ Da erblickte er einen greisen armen Mann , der des Weges daher kam , und redete ihn an , und fragte ‘ wie kann ich wohl in den Himmel kommen ? ’ Der Mann antwortete ‘ durch Armuth und Demuth. Leg an meine zerrissenen Kleider , wandere sieben Jahre in der Welt , und lerne ihr Elend kennen ; nimm kein Geld , sondern wenn du hungerst , bitte mitleidige Herzen um ein Stuͤckchen Brot , so wirst du dich dem Himmel naͤhern . ’ Da zog der Koͤnigssohn seinen praͤchtigen Rock aus , und hieng dafuͤr das Bettlergewand um , gieng hinaus in die weite Welt , und duldete groß Elend . Er nahm nichts als ein wenig Essen , sprach nichts , sondern betete zu dem Herrn daß er ihn einmal in seinen Himmel aufnehmen wollte . Als die sieben Jahre herum waren , da kam er wieder an seines Vaters Schloß , aber niemand erkannte ihn . Er sprach zu den Dienern ‘ geht , und sagt meinen Eltern daß ich wiedergekommen bin . ’ Aber die Diener glaubten es nicht , lachten , und ließen ihn stehen . Da sprach er ‘ geht , und sagts meinen Bruͤdern , daß
sie herab kommen , ich moͤchte sie so gerne wieder sehen . ’ Sie wollten auch nicht , bis endlich einer von ihnen hingieng , und es den Koͤnigskindern sagte , aber diese glaubten es nicht , und bekuͤmmerten sich nicht darum . Da schrieb er einen Brief an seine Mutter , und beschrieb ihr darin all sein Elend , aber er sagte nicht daß er ihr Sohn waͤre . Da ließ ihm die Koͤnigin aus Mitleid einen Platz unter der Treppe anweisen , und ihm taͤglich durch zwei Diener Essen bringen . Aber der eine war boͤs , und sprach ‘ was soll dem Bettler das gute Essen ! ’ behielts fuͤr sich oder gabs den Hunden , und brachte dem Schwachen , Abgezehrten nur Wasser ; doch der andere war ehrlich , und brachte ihm was er fuͤr ihn bekam . Es war wenig , doch konnte er davon eine Zeit lang leben ; dabei war er ganz geduldig , bis er immer schwaͤcher ward . Als aber seine Krankheit zunahm , da begehrte er das heil. Abendmahl zu empfangen . Wie es nun unter der halben Messe ist , fangen von selbst alle Glocken in der Stadt und in der Gegend an zu laͤuten . Der Geistliche geht nach der Messe zu dem armen Mann unter der Treppe , so liegt er da todt , in der einen Hand eine Rose , in der andern eine Lilie , und neben ihm ein Papier , darauf steht seine Geschichte aufgeschrieben .
Als er begraben war , wuchs auf der einen Seite des Grabs eine Rose , auf der andern eine Lilie heraus .
5.
Gottes Speise .
E s waren einmal zwei Schwestern , die eine hatte keine Kinder und war reich , die andere hatte fuͤnf Kinder , und war eine Wittwe , und war so arm , daß sie nicht mehr Brot genug hatte , sich und ihre Kinder zu saͤttigen . Da gieng sie in der Noth zu ihrer Schwester , und sprach ‘ meine Kinder leiden mit mir den groͤßten Hunger , du bist reich , gib mir doch ein Bischen Brot . ’ Die steinreiche war auch steinhart , sprach ‘ ich habe selbst nichts in meinem Hause , ’ und wies die Arme mit boͤsen Worten fort . Nach einiger Zeit kam der Mann der reichen Schwester heim , und wollte sich ein Stuͤck Brot schneiden , wie er aber den ersten Schnitt in den Laib that , floß das rothe Blut heraus . Als die Frau das sah , erschrack sie , und erzaͤhlte ihm was geschehen war . Er eilte hin , und wollte helfen , wie er aber in die Stube der Wittwe trat , so fand er sie betend ; die beiden juͤngsten Kinder hatte sie auf den Armen , die drei aͤltesten lagen da , und waren gestorben . Er bot ihr Speise an , aber sie antwortete ‘ nach irdischer Speise verlangen wir nicht mehr ; drei hat Gott schon gesaͤttigt , unser Flehen wird er auch erhoͤren . ’ Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen , so thaten die beiden Kleinen ihren letzten Athemzug , und darauf brach ihr auch das Herz , und sie sank todt nieder .
6.
Die drei gruͤnen Zweige .
E s war einmal ein Einsiedler , der lebte in einem Walde , an dem Fuße eines Berges , und brachte seine Zeit in Gebet und guten Werken zu , und jeden Abend trug er noch zur Ehre Gottes ein paar Eimer Wasser den Berg hinauf . Manches Thier wurde damit getraͤnkt , und manche Pflanze damit erquickt , denn auf den Anhoͤhen weht bestaͤndig ein harter Wind , der die Luft und die Erde austrocknet , und die wilden Voͤgel , die vor den Menschen scheuen , kreißen dann hoch , und suchen mit ihren scharfen Augen nach einem Trunk . Und weil der Einsiedler so fromm war , so gieng ein Engel Gottes , seinen Augen sichtbar , mit ihm hinauf , zaͤhlte seine Schritte , und brachte ihm , wenn die Arbeit vollendet war , sein Essen , so wie jener Prophet aus Gottes Geheiß von den Raben gespeiset wurde . Als der Einsiedler in seiner Froͤmmigkeit schon zu einem hohen Alter gekommen war , da trug es sich zu , daß er einmal von weitem sah , wie ein armer Suͤnder zum Galgen gefuͤhrt wurde , und er zu sich selber sprach ‘ jetzt widerfaͤhrt diesem sein Recht . ’ Abends , als er das Wasser den Berg hinauftrug , erschien der Engel nicht , der ihn sonst begleitete , und brachte ihm auch nicht seine Speise . Da erschrack er , pruͤfte
sein Herz , und bedachte womit er wohl koͤnnte gesuͤndigt haben , weil Gott also zuͤrne ; aber er wußte es nicht . Da aß und trank er nicht , warf sich nieder auf die Erde , und betete Tag und Nacht . Und als er einmal in dem Walde so recht bitterlich weinte , hoͤrte er ein Voͤglein , das sang so schoͤn und herrlich , da ward er noch betruͤbter , und sprach ‘ wie singst du so froͤhlich ! dir zuͤrnt der Herr nicht ; ach , wenn du mir sagen koͤnntest , womit ich ihn beleidigt habe , damit ich Buße thaͤte , und mein Herz auch wieder froͤhlich wuͤrde ! ’ Da fieng das Voͤglein an zu sprechen , und sagte ‘ du hast unrecht gethan , weil du einen armen Suͤnder verdammt hast , der zum Galgen gefuͤhrt wurde , darum zuͤrnt dir der Herr ; doch wenn du Buße thun , und deine Suͤnde bereuen willst , so wird er dir verzeihen . ’ Da stand der Engel neben ihm , und hatte einen trockenen Ast in der Hand , und sprach ‘ diesen trockenen Ast sollst du so lange tragen , bis drei gruͤne Zweige aus ihm hervorsprießen , aber Nachts , wenn du schlafen willst , sollst du ihn unter dein Haupt legen . Dein Brot sollst du dir an den Thuͤren erbitten , und in demselben Hause nicht laͤnger als eine Nacht verweilen . Das ist die Buße , die dir der Herr auflegt .’
Da nahm der Einsiedler das Stuͤck Holz , und gieng in die Welt zuruͤck , die er so lange nicht gesehen hatte . Er aß und trank nichts , als was man ihm an den Thuͤren reichte , manche Bitte aber ward nicht gehoͤrt , und manche Thuͤre blieb ihm verschlossen , also daß er oft ganze Tage lang keinen Krumen Brot bekam . Einmal war er vom Morgen bis Abend von Thuͤre zu Thuͤre gegangen , niemand hatte ihm etwas gegeben , niemand
wollte ihn die Nacht beherbergen , da gieng er hinaus in einen Wald , und fand endlich eine angebaute Hoͤhle , und eine alte Frau saß darin . Da sprach er ‘gute Frau , behaltet mich diese Nacht in euerm Hause . ’ Aber sie antwortete ‘ nein , ich darf nicht , wenn ich auch wollte . Jch habe drei Soͤhne , die sind boͤs und wild , wenn sie von ihrem Raubzug heim kommen , und finden euch , so wuͤrden sie uns beide umbringen . ’ Da sprach der Einsiedler ‘ laßt mich nur bleiben , sie werden euch und mir nichts thun ,’ und die Frau war mitleidig , und ließ sich bewegen . Da legte sich der Mann unter die Treppe , und das Stuͤck Holz unter seinen Kopf . Wie die Alte das sah , fragte sie nach der Ursache , da erzaͤhlte er ihr daß er es zur Buße mit sich herum trage , und Nachts zu seinem Kissen brauche . Er habe den Herrn beleidigt , denn als er einen armen Suͤnder auf dem Gang nach dem Gericht gesehen , habe er gesagt , diesem widerfahre sein Recht . Da fieng die Frau an zu weinen , und rief ‘ ach , wenn der Herr ein einziges Wort also bestraft , wie wird es meinen Soͤhnen ergehen , wenn sie vor ihm im Gericht erscheinen .’
Um Mitternacht kamen die Raͤuber heim , laͤrmten und tobten . Sie zuͤndeten ein Feuer an , und als das die Hoͤhle erleuchtete , und sie einen Mann unter der Treppe liegen sahen , geriethen sie in Zorn , und schrien ihre Mutter an , ‘ wer ist der Mann ? haben wirs nicht verboten irgend jemand aufzunehmen ? ’ Da sprach die Mutter ‘laßt ihn , es ist ein armer Suͤnder der seine Schuld buͤßt .’ Die Raͤuber fragten ‘ was hat er gethan ? ’ und riefen ‘Alter , erzaͤhl uns deine Suͤnden . ’ Der Alte erhob sich , und sagte ihnen wie
er mit einem einzigen Wort schon so gesuͤndigt habe , daß Gott ihm zuͤrne , und er fuͤr diese Schuld jetzt buͤße . Den Raͤubern ward von seiner Erzaͤhlung das Herz so gewaltig geruͤhrt , daß sie uͤber ihr bisheriges Leben erschracken , in sich giengen , und mit herzlicher Reue ihre Buße begannen . Der Einsiedler , nachdem er die drei Suͤnder bekehrt hatte , legte sich wieder zum Schlafe unter die Treppe . Am Morgen aber fand man ihn todt , und aus dem trocknen Holz , auf welchem sein Haupt lag , waren drei gruͤne Zweige hoch empor gewachsen . Also hatte ihn der Herr wieder in Gnaden zu sich aufgenommen .
7.
Muttergottesglaͤschen .
E s hatte einmal ein Fuhrmann seinen Karren , der schwer mit Wein beladen war , festgefahren , so daß er ihn trotz aller Muͤhe nicht wieder losbringen konnte . Nun kam gerade die Mutter Gottes des Weges daher , und als sie die Noth des armen Mannes sah , sprach sie zu ihm ‘ ich bin muͤd und voll Durst , gib mir ein Glas Wein , und ich will dir deinen Wagen frei machen . ’ ‘Gerne , antwortete der Fuhrmann , aber ich habe kein Glas , worin ich dir den Wein geben koͤnnte . ’ Da brach die Mutter Gottes ein weißes Bluͤmchen mit rothen Streifen ab , das Feldwinde heißt , und einem Glase sehr aͤhnlich sieht , und reichte es dem Fuhrmann . Der fuͤllte es mit Wein , und die Mutter Gottes trank ihn , und in dem Augenblick war der Wagen auch los . Das Bluͤmchen heißt noch immer Muttergottesglaͤschen .
8.
Das alte Muͤtterchen .
E s war in einer großen Stadt ein altes Muͤtterchen , das saß Abends allein in seiner Kammer ; es dachte so daruͤber nach , wie es erst den Mann , dann die beiden Kinder , nach und nach alle Verwandte , endlich heute auch noch den letzten Freund verloren haͤtte , und nun ganz allein und verlassen waͤre . Da ward es in tiefstem Herzen traurig , und vor allem schwer war ihm der Verlust der beiden Soͤhne , daß es in seinem Schmerz Gott daruͤber anklagte . So saß es still , und in sich versunken , als es auf einmal zur Fruͤhkirche laͤuten hoͤrte . Es wunderte sich daß es die ganze Nacht also in Leid zugebracht haͤtte , zuͤndete seine Leuchte an , und gieng zur Kirche . Bei seiner Ankunft war sie schon erhellt , aber nicht , wie gewoͤhnlich , von Kerzen , sondern von einem daͤmmernden Lichte . Sie war auch schon angefuͤllt mit Menschen , und alle Plaͤtze waren besetzt , und als das Muͤtterchen zu seinem gewoͤhnlichen Sitz kam , war er auch nicht mehr ledig , sondern die ganze Bank gedraͤngt voll . Und wie es die Leute ansah , so waren es lauter verstorbene Verwandten , die saßen da in ihren altmodischen Kleidern , aber mit blassem Angesicht . Sie sprachen auch nicht und sangen nicht , es gieng aber ein leises Summen und Wehen durch die Kirche . Da stand
eine Muhme auf , trat vor , und sprach zu dem Muͤtterlein ‘ dort sieh nach dem Altar , da wirst du deine Soͤhne sehen . ’ Die Alte blickte hin , und sah ihre beiden Kinder , der eine hieng am Galgen , der andere war auf ein Rad geflochten . Da sprach die Muhme ‘siehst du , so waͤr es ihnen ergangen , waͤren sie im Leben geblieben , und haͤtte sie Gott nicht als unschuldige Kinder zu sich genommen . ’ Die Alte gieng zittend nach Haus , und dankte Gott auf den Knien daß er es besser mit ihr gemacht , als sie haͤtte begreifen koͤnnen ; und am dritten Tag legte sie sich , und starb .
9.
Die himmlische Hochzeit .
E s hoͤrte einmal ein armer Bauernjunge in der Kirche , wie der Pfarrer sprach ‘ wer da will ins Himmelreich kommen , muß immer gerad aus gehen . ’ Da machte er sich auf , und gieng immer zu , ganz gerade ohne abzuweichen , uͤber Berg und Thal . Endlich fuͤhrte ihn sein Weg in eine große Stadt , und mitten in die Kirche , wo eben Gottesdienst gehalten wurde . Wie er nun all die Herrlichkeit sah , meinte er nun waͤre er im Himmel angelangt , setzte sich hin , und war von Herzen froh . Als der Gottesdienst vorbei war , und der Kuͤster ihn hinausgehen hieß , antwortete er ‘ nein , ich gehe nicht wieder hinaus , ich bin froh , daß ich endlich im Himmel bin .’ Da gieng der Kuͤster zum Pfarrer , und sagte ihm es waͤre ein Kind in der Kirche , das wollte nicht wieder heraus weil es glaubte es waͤre da im Himmelreich . Der Pfarrer sprach ‘ wenn es das glaubt , so wollen wir es darin lassen . ’ Darauf gieng er hin , und fragte ob es auch Lust haͤtte zu arbeiten . ‘ Ja ,’ antwortete der Kleine , ‘ ans Arbeiten waͤre er gewohnt , aber aus dem Himmel gienge er nicht wieder heraus . ’ Nun blieb er in der Kirche , und als er sah wie die Leute zu dem Muttergottesbild mit dem Jesuskind , das aus Holz geschnitten war , kamen , knieten und beteten , dachte er , ‘ das ist der liebe +
Gott ,’ und sprach ‘ hoͤr einmal , lieber Gott , was bist du mager ! gewiß lassen dich die Leute hungern : ich will dir aber jeden Tag mein halbes Essen bringen . ’ Von nun an brachte er dem Bilde jeden Tag die Haͤlfte von seinem Essen , und das Bild fieng auch an die Speise zu genießen . Wie ein paar Wochen herum waren , merkten die Leute daß das Bild zunahm , dick und stark ward , und wunderten sich sehr . Der Pfarrer konnt es auch nicht begreifen , blieb in der Kirche , und gieng dem Kleinen nach , da sah er wie der Knabe sein Brot mit der Mutter Gottes theilte , und diese es auch annahm .
Nach einiger Zeit wurde der Knabe krank , und kam acht Tage lang nicht aus dem Bett ; wie er aber wieder aufstehen konnte , war sein erstes daß er seine Speise der Mutter Gottes brachte . Der Pfarrer gieng ihm nach , und hoͤrte wie er sprach ‘lieber Gott , nimms nicht uͤbel , daß ich dir so lange nichts gebracht habe : ich war aber krank , und konnte nicht aufstehen . ’ Da antwortete ihm das Bild , und sprach ‘ ich habe deinen guten Willen gesehen , das ist mir genug ; naͤchsten Sonntag sollst du mit mir auf die Hochzeit kommen . ’ Der Knabe freute sich daruͤber , und sagte es dem Pfarrer , der bat ihn hinzugehen , und das Bild zu fragen , ob er auch duͤrfe mitkommen . ‘ Nein ’ , antwortete das Bild , ‘ du allein .’ Der Pfarrer wollte ihn erst vorbereiten , und ihm das Abendmahl geben , das war der Knabe zufrieden ; und naͤchsten Sonntag , wie das Abendmahl an ihn kam , fiel er um , und war todt , und war zur ewigen Hochzeit .