Verſuch
in
Scherzhaften
Liedern .
Ah ! que j’aime ces vers badins ,
Ces riens naïfs & pleins de grace .
Voltaire .
Zweeter Theil .
Berlin , 1745 .
Mein Leſer ,
D u haſt die freien Lieder , die mein ſcherz-
hafter Liebhaber nach der Natur und
nach dem Anakreon gedichtet , deines
Beifalls werth gehalten . Du haſt
ſie nach kritiſcher Einſicht gebilliget : mir haben
ſie aus Zärtlichkeit gegen den Verfaſſer , und
wenn ich es ſagen darf , aus einer kleinen Eitel-
keit gefallen . Die meiſten enthalten mein ge-
heimes Lob . Gewiſſe verräteriſche Züge ma-
len dir die Doris . Sie muß dir gefallen , ſo
oft dir der Poet gefällt , und du muſt ſie loben ,
ſo oft du den Dichter erhebſt . Welch ein an-
genehmes Opfer für ein Frauenzimmer , gelobt
zu werden ! Ich kan meine Empfindungen nicht
verläugnen , und ich ſtatte dir hiermit für dein
Lob öffentlichen Dank ab , indem ich dir zugleich
)( 2 noch
noch eine Sammlung von Gedichten eben der
Art übergebe . Konte ich wol eine beſſere Gele-
legenheit ergreifen , dir meine Erkentlichkeit zu be-
zeigen ? Ich darf meinen Geliebten wieder keine verdrieß-
liche Geiſter vertheidigen . Seine Lieder ſind nur
freundlichen Kunſtrichtern , und frölichen Leſern
in die Hände gerathen . Die Frau von Sevigne ,
meine beſte Freundin unter den Todten , deren
Briefe ſo niedlich ſind , als die Lieder des Anakreon ,
die ich für die beſte Scherzrichterin halte , weil ſie
ſelbſt ſo glükklich ſcherzte , war , bei gleicher Gele-
genheit , nicht ſo glükklich , als ich . Wie muſte
ſie ſich nicht über die traurigen Feinde der ſcherz-
hafteſten Dichter Frankreichs , des Benſerade , und
des Fontaine ärgern , als ſie an den Grafen von
Buſſy ſchrieb : Jouiſſons , mon cher Couſin , de ce
beau ſang , qui circule ſi doucement & ſi agréa-
blement dans nos veines . Tous vos plaiſirs , vos
amuſemens , vos tromperies , vos lettres & vos
vers m’ ont donné une veritable joie , & ſur tout ,
ce que vous écrivez pour defendre Benſerade &
la Fontaine , contre ce vilain factum . Je l’avois
déja fait en baſſe notte à tous ceux , qui vouloient
louer cette noire ſatire . Je trouve que l’ Auteur
fait voir clairement , qu’ il n’ eſt ni du monde , ni
de la Cour , & que ſon goût eſt d’une pedanterie
qu’ on ne peut pas même eſperer de corriger . Il Es geſchiehet ſo gar wieder Wiſſen
meines
meines Geliebten , daß ich dir dieſe neue Oden
überreiche . Er hat ſie meiſtens zu meinem ein-
)( 3 ſamen
y a de certaines choſes qu’ on n’ entend jamais ,
quand on ne les entend pas d’abord : on ne fait
point entrer certains eſprits durs & farouches
dans le charme & dans la facilité des Balets de
Benſerade & des fables de la Fontaine ; cette porte
leur eſt fermée , & la mienne auſſi ; ils ſont in-
dignes de jamais comprendre ces ſortes de beau-
tez & ſont condamnez au malheur de les improu-
ver & d’être improuvez auſſi des gens d’eſprit .
Nous avons trouvé beaucoup de ces pedans . Mon
premier mouvement eſt toujours de me mettre
en colere , & puis de tacher de les inſtruire ; mais
j’ai trouvé la choſe abſolument impoſſible . C’eſt
un batiment , qu’ il faudroit reprendre par le
pied ; il y auroit trop d’affaires à le reparer : &
enfin nous trouvions qu ’ il n’y avoit qu’à prier
Dieu pour eux , car nulle puiſſance humaine n’ eſt
capable de les éclairer . C’ eſt le ſentiment , que
j’aurai toujours pour un homme qui condamne
le beau feu & les vers de Benſerade , dont le Roi
& toute la Cour a fait ſes délices , & qui ne con-
noît pas les charmes des fables de la Fontaine . Je
ne m’ en dedis point , il n’ ya qu’à prier Dieu pour
un tel homme , & qu’à ſouhaiter de n’ avoir point
de commerce avec lui .
Seht , welche verhärtete Köpfe unter den Lan-
desleuten der Frau von Sevigne ! Ich wiederhole
ſamen Vergnügen geſungen . Bedenke , welche
Gefälligkeit gegen dich ! Ich ſetze mich deinet-
wegen der Gefahr aus , meinen zärtlichen Freund
das erſte mal zu beleidigen . Er iſt in den Krieg
gezogen . Ich habe ſchon dreimal behauptet ,
daß dieſe Welt nicht die beſte ſei , ſeit dem ich
ſeinen Kuß entbehre . Ach , wie viel Unglükk
richtet der Krieg an ! Ich würde über ſeine Ent-
fernung untröſtbar ſeyn , wenn ich nicht zuwei-
len das Vergnügen hätte , ſeine Briefe , dieſe
zärtlichen Briefe zu küſſen . Er iſt noch immer
ſcherzhaft . Er hat mir geſchrieben , daß er viele
dieſer Geſänge in ſeinem Zelte angeſtimmet ,
wenn Kugeln über daſſelbe ehrerbietig hinweg-
geflogen ſind , oder Bomben gewütet haben .
Wie freundſchaftlich haben dieſe wilden Ge-
ſchöpfe an mir gehandelt ! Zu der Erfindung des
Plünderers hat ihm eine Begebenheit in dem
Lager bei Lobeſitz Anlaß gegeben . Ich habe ge-
zweifelt , ob die betrübten Handlungen der Hel-
den
mit Vergnügen folgenden Wunſch an die artigern
Deutſchen :
Lebt , überlebt die Splitterrichter ,
Ihr Freunde , die ihr weislich lacht ,
Und einem aufgewekkten Dichter
Nicht ieden Scherz zum Frevel macht !
den einem ſcherzhaften Dichter Stoff liefern
könten . Ich verwies es daher meinem Gelieb-
ten , daß er vor ſeiner Abreiſe , an ſeinen un-
vergleichlichen Freund , den Herrn von Kleiſt ,
ſchrieb :
Und wenn du tapfer ſchlägſt , ſo will ich ſcherzhaft
dichten .
Wer kan Feinde ſehen , und doch ſcherzen ? Ich
beſorgte damals , mein verwegner Freund würde
zeitig genung geſtehen müſſen :
Vorm Anblikk ihrer furchtbarn Heere
Floh Scherz und Muſe ſchüchtern hin ;
Allein der Krieg hat ſeiner herzhaften Muſe kei-
nen Zug ihrer lächelnden Minen verrükket , und
er hat mir mit iedem Briefe neue Scherze über-
ſchikkt . Er verbot mir zugleich ſie bekant zu
machen . Er nennte ſie , mit dem Herrn von
Canitz , Ständchen , die er mir ins geheim
brächte . Sie gefielen mir nicht weniger als
die , welche gedrukkt und von keinem Kenner
verachtet ſind . Mein Geliebter hat mir oft
ſelbſt geſagt , daß mein Geſchmakk richtig ſei .
Können alſo dieſe Gedichte von Leſerinnen und
Kunſtrichtern verworfen werden , und hatte ich
Urſach ſeinem Verbote zu gehorchen ? Dein Ur-
)( 4 teil,
teil , mein Leſer , ſoll mich ſtrafen oder recht-
fertigen .
Du haſt Verlangen getragen , den Ver-
faſſer der ſcherzhaften Lieder zu kennen . Hier
ſolte ich alſo , als an dem bequemſten Orte , ſein
Bildniß ſchildern , wie er das meinige geſchil-
dert hat . Allein wie leicht könte ihn mein Pin-
ſel verfehlen ? Er müſte ſich ſelbſt malen . Doch
ich will dir geſtehen , wie ich einmal die Worte
eines liebenswürdigen Dichters verändert habe ,
als ich das Bild meines Freundes einer eifer-
ſüchtigen Freundin kennbar machen wolte . Ich
ſagte zu ihr :
Auf ſeinen Wangen iſt zu ſchaun ,
An ſtatt der Jugend-Milch , ein lebhaft männlich Braun ,
Den Augen fehlt kein Geiſt , noch Anſtand den Ge-
behrden ,
Er hat , was man gebraucht , von mir geliebt zu werden .
Ja , ich muß dieſen vollkommenen Liebhaber lie-
ben , und ich liebte ihn ſchon , ehe mich das zärt-
lichſte von ſeinen Gedichten , und ſein Kuß , be-
wegte , mein Herze zu verrathen . Hier iſt das
Gedicht . Es nöthigt mich ein gnädiger Befehl
es nicht zurükk zu behalten :
An
An Doris .
D oris , ia , Du magſt mich haſſen ,
Mich verſtoſſen , mich verlaſſen ,
Wiß , es blutet zwar mein Herz ,
Doch , es ändert es kein Schmerz .
Unter meinen edlen Trieben
Iſt kein Trieb veränderlich :
Doris ! wilſt du mich nicht lieben ;
O ſo lieb ich dennoch Dich
D oris , kanſt Du mich verlaſſen ?
Schönſte , ſprich , ſollſt Du mich haſſen ?
Mich , den nichts , als Du , betrübt ,
Mich , der Dich ſo zärtlich liebt ?
Mich , der iüngſt die Welt noch ſchätzte ,
Weil Du zu der Welt gehörſt ,
Welchen nichts darinn ergözte ,
Wenn Du nicht darinnen wärſt
D eine Weisheit , Deine Tugend
Ubertrift noch Deine Jugend ,
Dein holdſeeliges Geſicht
Gleicht der ſchönen Seele nicht .
Roſen blühen auf den Wangen ,
Lilien glänzen rund umher :
Doch ſie würkten kein Verlangen ,
Wenn Dein Geiſt nicht ſchöner wär .
Freund-
F reundlichkeit in allen Minen ,
Eifer , iedermann zu dienen ,
Edelmut , Verſchwiegenheit ,
Menſchenliebe , Zärtlichkeit ;
Jede Tugend iſt Dir eigen ,
Jede haſt Du Dir erwählt ,
Und kein Läſtrer kan mir zeigen ,
Daß Dir auch nur eine fehlt
D u gebieteſt meinen Trieben ,
Dich allein kan ich nur lieben .
Tauſend nennt man reich und ſchön ,
Und ich mag ſie doch nicht ſehn .
Keine Schöne , keine Reiche
Iſt Dir an Verdienſten gleich :
Wenn ich ſie mit Dir vergleiche ,
Dann iſt keine ſchön und reich
L aß mich meinen Kummer ſagen !
Wirſt Du mich gleich nicht beklagen ,
So beklagt ein andrer mich ,
Der Dich minder liebt , als ich .
Zeig ihm dieſes Tuch voll Zähren ,
Das mein Auge voll geweint ,
Prüf ihn , Doris , laß Dir ſchwören ,
Ob ers halb ſo redlich meint .
Sein
S ein verklagendes Gewiſſen
Wird die Treue loben müſſen ,
Die er zwar mit Nahmen nennt ,
Aber die ſein Herz nicht kennt .
Glükk und Dich will ich ihm gönnen ,
Wenn er nur die Warheit ſpricht .
Warheit , zwing ihn zu bekennen :
Solche Triebe kenn ich nicht
N ein , ich kann den Trieb nicht hindern ,
Nein , ich kann mein Leid nicht mindern ,
Was ich rede , denk und thu ,
Setzt mein Herz doch nicht in Ruh .
Canitz rief die ſchnellen Stunden ,
Und verging , wie ſie , im Schmerz ;
Was ſein blutend Herz empfunden ,
Das empfindet itzt mein Herz
D enk an ſeine Trauerode !
Doris ringt noch mit dem Tode :
Folge dieſer Doris nach ,
Sprich , was einſt ihr Schatten ſprach :
Nur drei Worte darf ich ſagen ,
Ich weiß , daß du traurig biſt .
Folge mir . Vergiß dein Klagen ,
Weil dich Doris nicht vergißt .
Säh
S äh ich Dich in letzten Zügen
Sterbend auf dem Lager liegen ,
Sprächeſt Du , daß Deine Treu
Mir im Tode ſicher ſey ;
Könnt ich dann wol Abſchied nehmen ,
Wie erſt Haller Abſchied nahm ?
Nein ! Ich würde mich nur grämen ,
Denn ſo ſtürb ich erſt für Gram
F reunde , Doris läßt mich ſterben !
Seht , ich will den Ruhm erwerben ,
Den ſich iedes Herz erwirbt ,
Welches liebt , und liebend ſtirbt .
Daß man einſt von mir noch ſpreche ,
Seht mein Leid und ſagt es nach !
Tauſend andre Tränenbäche
Würke dieſer Tränenbach
D ichter ſollen mich bedauren !
Schönen ſollen um mich trauren !
Denn ich weiß , es rührt mein Lied
Jedes zärtliche Gemüth .
Weint bei meinen Trauertönen ,
Weint , gerührte Herzen , weint !
Sagt einſt : Hier zerfloß in Thränen
Ein Verliebter und ein Freund .
Doris,
D oris , biſt Du zu erweichen ;
O ſo denk an iene Leichen ,
Die der treuen Liebe Macht
Vor der Zeit ins Grab gebracht !
Soll ich mich zu Tode grämen ?
Sage ia . Es ſoll geſchehn .
Laß mich nur beim Abſchiednehmen
Dich noch einmal freundlich ſehn
H örſt du , was die Liebe fodert ?
Wann einſt dis Gebeine modert ,
Dann erwache Dein Gehör ;
Doch , dann fodert ſie nichts mehr .
Ruf einmal bei tauſend Zähren
Meine Aſche aus der Gruft .
Doch , vielleicht wird ſie nicht hören ,
Wenn Dein Mund gleich ſelber ruft
A ber wenn ich noch im Grabe
Kräfte zum empfinden habe ,
Wenn man dort noch ſieht und hört ,
Wenn mich dort Dein Gram noch ſtört ;
O , was werd ich dann verſpüren ,
O , wie wird es Dich gereun !
Wie wird mich Dein Jammer růhren ,
Wenn ich nicht kan bei Dir ſeyn .
Sorgen,
S orgen , die das Herz verletzen ,
Tränen , die die Wangen netzen ,
Nachreu , in der zarten Bruſt ,
Seufzer , über den Verluſt ,
Werden mich erwekken ſollen .
Doris , ändre Deinen Sinn ,
Dann wirſt Du mich lieben wollen ,
Wann ich halb verweſet bin
W erd ich Dir mit dürren Beinen ,
Künftig in der Nacht erſcheinen ,
Komm ich als ein Geiſt zu Dir ,
So erſchrikk nur nicht vor mir .
Nein , mein Geiſt ſoll Dich nicht quälen ,
Wenn er Dich gleich quälen kan !
Wird ihm Ruh im Grabe fehlen ,
O ſo biſt Du Schuld daran
A ch mit tauſend edlen Tränen
Wirſt Du meiner Lieb erwähnen ,
Und zur Lindrung Deiner Noth
Rufſt Du wol noch ſelbſt den Tod .
Wünſche Dir kein Sterbebette !
Warte bis der Tod Dich ruft :
Doch , nimm Deine Ruheſtädte
Nur nicht weit von meiner Gruft .
Dann
D ann werd ich beim Auferſtehen
Dich an meiner Seite ſehen !
Dann miſcht ſich , in meiner Bruſt ,
Liebe zu der Himmelsluſt .
Dann wirſt Du mich erſt entzükken ,
Wann Du nicht mehr irrdiſch biſt .
Dann wird mich Dein Kuß beglükken ,
Wann mich erſt ein Engel küßt
W elcher Donner , welche Freude ,
Störet mich in meinem Leide !
Hört den lauten Freudenton ,
Seht die Erde zittert ſchon .
Welten fallen aus der Höhe ,
Sterne werden Sonnen gleich .
Dort , wo ich die Schaaren ſehe ,
Dort entſteht das Himmelreich
E ngel jauchzen in den Lüften ,
Menſchen ſteigen aus den Grüften ,
Fromme werden ſchon verklärt ,
Und mir wird mein Wunſch gewärt .
Doris , nun will ich Dich führen ,
Sieh , dort iſt Dein Vaterland !
Komm , Du ſolſt den Himmel zieren ,
Zier ihn nur an meiner Hand !
Konte
Konte ich ihm wol wiederſtehen ? Malte er
mir nicht zu ſchön ſein Leiden ab ?
Erlaubt mir nunmehro , geliebte Mitſchwe-
ſtern , daß ich mich mit euch unterhalte . Ihr
ſeid ſo liederwürdig , als es die Schönen in Athen
und Teios waren . Nehmt dieſe Verſicherung
ſtatt des Danks an , den ich euch ſchuldig bin ,
weil ihr kein Verlangen bezeugt habt , die Lieder ,
womit euch mein Geliebter ergötzet hat , in Reime
überſetzet zu ſehn . Ihr habt ſie gehöret , ohne
dabei den Reichthum eines Reimregiſters zu
wünſchen , und ihr habt dadurch bewieſen , daß
der ſchöne Geſchmakk des griechiſchen Frauen-
zimmers , welches Anakreon beſang , der eurige
ſei . Wie wenig Ehre würde daſſelbe noch ietzo
davon haben , wenn es ſeine Lieder in Reime
überſetzet hätte ! Die Frau Dacier merkte , als
ſie dieſen Griechen in ihrer Mutterſprache unter-
richten wolte , wie ſehr der bunte Zierrath der
Reime , der edlen Einfalt ſeiner Gedanken ſcha-
den würde , und ſie lehrte ihn deshalb nur pro-
ſaiſch ſprechen . Die Lieder des Anakreon ſind
unſern beſcheidenen Anzügen gleich , welche wir
durch die Vielfältigkeit der Farben , und der Mo-
den verderben würden . Longepierre und viel
andere , deren Uberſetzungen mein Geliebter oft
getadelt hat , haben ſie durch ihre Reime verdor-
ben.
ben . Ich könte es nicht verantworten , liebens-
würdige Geſpielen , wenn ich euch den Ana-
kreon , von deſſen Liedern ich mit euch rede , nicht
näher kennen lehrte . Die Frau Dacier und mein
Geliebter haben mich mit ihm bekant gemacht .
Ihr wißt , daß er ihn den artigſten Geiſt unter
den Alten genennet hat . Leſet , was ich von
ihm weiß .
Teios , eine Stadt in Jonien , war ſein Ge-
burtsort , weswegen er oft der Teiiſche Dichter
heißt . Die Frau Dacier giebt ihm fürſtliche
Vorfahren . Er war glükklich , daß er vor mehr
als zwei tauſend Jahren zu der Zeit zweener
Prinzen lebte , deren Einſicht in die Werke des
Geiſtes ſo groß war , als ihre Macht . Dieſe
waren Polykrates , welcher zu Samos ſanft und
glükklich regierte , und Hipparchus , auf den ſein
Vater die Herrſchaft über Athen gebracht hatte .
Der Ruhm eines ſo artigen Dichters drang aus
den Schaaren gemeiner Bewunderer , bis in die
Verſammlungen der feinſten Kenner der Höfe ,
durch welche er bis zu den Ohren der Fürſten ge-
langte . Konten ſie wol von dem ſchönen Gei-
ſte , der die Zierde ihrer Zeiten war , Nachricht er-
halten , ohne aufmerkſam zu werden ? Hippar-
chus ließ ein Schiff von funfzig Rudern ausrü-
ſten , welches nach Teios ſegeln muſte , daſelbſt
)( )( den
den Anakreon abzuholen , und ihn nach ſeiner Re-
ſidenz Athen zu führen , wo unter dem weiſen Be-
herrſcher , der gute Geſchmakk herrſchte , der den
Verfaſſern witziger Werke Bewunderer zu ver-
ſchaffen pflegt . Dis iſt die Nachricht des Plato ,
eines Weltweiſen , der ſo wenig lügen kan , als
Doris , S. den Verſuch in ſcherzh. Lied. Bl. 12 . und ſie betrift einen Prinzen , dem
die Geſchichtſchreiber das Lob eines Tugendhaf-
ten gegeben haben . Wie vorteilhaft iſt dieſer
Umſtand für den Lehrer meines Geliebten ! Das
Lob des Fürſten von Athen iſt das Lob des
Anakreon .
Können die Lieblinge ruhmwürdiger Prinzen
laſterhaft ſeyn ? Und kan ein Dichter , allein mit
der Wiſſenſchaft der Trinklieder und der Liebes-
briefe , die Gnade erlauchter Fürſten verdienen ?
Dieſe Uberlegung , und die Nachricht , welche von
mehr als einem Griechen beſtätiget iſt , daß Po-
lykrates , der Fürſt zu Samos , den Anakreon an
ſeinen Hof gezogen , und ihn auch ſogar als dann
um ſich gehabt habe , wenn er mit den Abge-
ſandten der Prinzen die Geheimniſſe der Völker
überleget hat , überzeugt mich völlig , daß die Er-
findung ſcharfſinniger Werke das geringſte Ver-
dienſt geweſen ſei , welches ihm die Gunſt der
Groſſen erworben .
Er
Er hatte die Eigenſchaften eines Miniſters ,
wenn ihn ſein Prinz zu Rathe zog , und man lobte
die Aufführung des artigſten Hofmanns , wenn
er ſich unter den Fräulein zu Samos befand .
Unterſuchet die Anmerkungen der Frau Dacier
über ſeine Lieder , wenn ihr wiſſen wolt , wie fein
er mit ihnen getändelt hat . Sie wird euch durch
das Lob , das ihr in denſelben finden werdet ,
die Schönheiten ſeiner Scherze empfindlich ma-
chen . Er ſcherzte nicht allein mit den Fräulein ,
die er eiferſüchtig machte , ſondern auch mit den
Fürſten , in deren Gnade er ſtand . Es iſt aus
ſeinen Liedern zu erſehen , ich will es aber aus
einer andern Nachricht beweiſen . Polykrates ,
ſein gnädiger Herr , beſchenkte ihn einſt mit ohn-
gefehr drei tauſend Thalern . Er nahm ſie an ,
verwahrte ſie einige Tage mit einer verſtellten
Aengſtlichkeit , und trug ſie hierauf mit der Mine
einer angenommenen Sorgloſigkeit zu ſeinem
Wohlthäter , und erſuchte denſelben ein Ge-
ſchenk zurükk zu nehmen , welches ihm allzu viel
ſchlafloſe Nächte machte . Dieienigen , welche
einen Anakreon nicht ſo gut kennen , als ich , ver-
ſichern , daß der ſcherzhafte Grieche dis in Ernſt
vom Polykrates verlangt habe ; Allein , wie ſehr
irren ſie ſich nicht ! Wie leicht hätte er drei tau-
ſend Thaler los werden können , ohne daß er
)( )( 2 ſeinem
ſeinem Prinzen die Mühe gemacht hätte , ſie wie-
der anzunehmen ! Der Maler , welcher ſeine
Freundin ſo unvergleichlich abſchilderte , als er
ſie beſchrieb , hatte vielmehr verdient . S. das Gedicht auf der 58. Seite . Ich
will dieſe Irrende zurecht weiſen . Anakreon
ſcherzte auf die erzälte Art , über die Weltwei-
ſen , welche zwar von der Verachtung der Reich-
tümer predigen , und ihren Schülern eine edle
Sorgloſigkeit anpreiſen , aber ſelbſt ihre Lehren
niemals ſo gut ausüben , als Johann , der mun-
tre Seifenſieder . Verſuch in poet. Fabeln und Erzählungen Bl. 116 . Wie ſehr muß nicht
dieſer Scherz den Polykrates ergötzt haben ?
Stellt euch einen Hofmann aus eurer Bekant-
ſchaft vor , welcher dem Könige drei tauſend
Thaler zurükk bringt , weil er nicht davor ſchla-
fen kan . Ihr müßt verdrießlich ſeyn , wenn
ihr nicht über ihn lacht .
Könt ihr wol den Läſterern glauben , liebens-
würdige Mitſchweſtern , welche ſagen , daß die-
ſer Anakreon , den wir , wenn wir nicht undank-
bar ſeyn wollen , ſo hoch ſchätzen müſſen , als
ihn die Frau Dacier geſchätzt hat , dem Wein
und der Liebe tadelhaft ergeben geweſen ſei ?
Schlieſſet niemals aus den Schriften der Dich-
ter,
ter , auf die Sitten derſelben . Ihr werdet euch
betriegen ; denn ſie ſchreiben nur , ihren Witz
zu zeigen , und ſolten ſie auch dadurch ihre Tu-
gend in Verdacht ſetzen . Sie characteriſiren
ſich nicht , wie ſie ſind , ſondern wie es die Art
der Gedichte erfodert , und ſie nehmen das Sy-
ſtema am liebſten an , welches am meiſten Gele-
genheit giebt , witzig zu ſeyn . Die matemati-
ſchen Beweiſe der Wolfianer verſchönern kein
Gedicht , und die Weltweisheit des Plato ſchikkt
ſich nicht zum Inhalt ſcherzhafter Lieder . Ich
empfehle ſie den Dichtern , welche die Gottheit
loben .
Anakreon wäre nicht ſo alt geworden , wenn
die Lehrſätze ſeiner frohen Muſe , nicht auf die
weiſeſte Art , die Vorſchriften ſeines Lebens ge-
weſen wären . Er war ein ehrwürdiger Greis
von fünf und achzig Jahren , als er mit ſeinem
Tode aufhörte zu ſcherzen . Er ſtarb vermut-
lich ſo , wie die Nachtigall , die mein Geliebter
beſungen hat :
Tod , als du den Dichter holteſt ,
Sprich , ſcherzt er dir nicht entgegen ?
Es ſoll der Kern einer Roſine ſein Lebensende
verurſacht haben , und mein Freund hat mir ei-
)( )( 4 nen
nen römiſchen Schriftſteller genennt , welcher es
der Gerechtigkeit der Götter zuſchreibt , daß der
angenehmſte Dichter , eines ſo ſanften Todes
geſtorben ſei . Ich nenne einen ſolchen Tod ,
einen artigen anakreontiſchen Tod .
Nun wißt ihr , geliebteſte Freundinnen ,
was ich von dem teiiſchen Dichter weiß . Es
iſt mir entfallen , woſelbſt man ihm eine Ehren-
ſäule aufgerichtet hat ; mich deucht aber , es ſei
zu Athen geſchehen , und wenn dieſes iſt , ſo laßt
uns die Athenienſerinnen loben , welche zur
Verherrlichung ihres Dichters , alles mögliche
beigetragen haben .
Die Lieder , welche von demſelbigen übrig
geblieben ſind , ſind von allen freundlichen Völ-
kern hochgeſchätzt , und von Kennern feiner
Schönheiten bewundert worden . Leſet ſie mit
der Einſicht der Frau Dacier , wenn ihr Luſt
habt , ihnen Gerechtigkeit wiederfahren zu laſ-
ſen . “ Man findet in denſelben eine ſolche
„Süßigkeit , und etwas ſo feines und zärtli-
„ches , als man vielleicht ſonſt nirgends findet .
„Alles iſt darinn ſchön und natürlich ; ieder Ge-
„danke iſt eine Empfindung . Man findet da
„dieſe ungekünſtelten Annehmlichkeiten , welche
„den
„den Character des Liedes ausmachen , und daſ-
„ſelbe von allen andern Werken der Poeſie
„unterſcheiden . Man ſiehet da dieienigen la-
„chenden Bilder , welche allemal gewiß gefal-
„len , weil ſie mit Geſchmakk und Urteil aus
„der bloſſen Natur genommen ſind . “ S. De la Nauze von den Liedern der alten Grie-
chen , im zweeten Theil der Sammlung neuer
Oden und Lieder . Die
Gratien haben alle Annehmlichkeiten in den-
ſelben vereiniget , und ſie verdienen von uns in
alle Sprachen überſetzt zu werden . Ich habe
mir niemals aus einer andern Urſache , die grie-
chiſche Gelehrſamkeit der Frau Dacier ge-
wünſcht , als aus Verlangen , ihrem ſchönen
Beiſpiel zu folgen , und ich würde noch heute
fortfahren , die Sprache des Dichters aus Teios
zu erlernen , wenn der Freund meines Geliebten ,
der einmal an dem Ufer eines Teiches gelauſcht
hat , ihn nicht bereits gelehret hätte , ohne An-
ſtoß deutſch zu ſprechen . Ich erſuche ‒ ‒ ‒
Himmel,
Himmel , eben höre ich , daß mein Ge-
liebter von dem Feldzuge zurükk gekommen
iſt ‒ ‒ ‒ und meine Vorrede iſt noch nicht ge-
drukkt . Wie leicht könte er mich überraſchen !
Ich fürchte ſein Verbot . Entſchuldigt mich ,
liebenswürdige Freundinnen . Ich muß ihn
umarmen . Lebt wohl .
1744. Doris .
Die
Die Anfrage .
S ingt , ihr Dichter ,
Singt , und lobet ,
Singt , und ſchmeichelt ,
Singt , und bettelt ,
Singt von Helden .
Ich will ſingen ,
Ich will ſpielen ,
Aber warlich
Nicht von Helden .
Hört , ihr Schönen ,
Hört mich ſpielen !
Meine Saiten
Sind nicht blutig .
Hört , ihr Schönen ,
Hört mich ſingen !
Meine Lieder
Sind nicht traurig .
Hört , ich ſinge
Nur von Mädchen ,
Und ich ſpiele ,
Nur von Liebe .
Wolt ihr hören ?
A
An die Damen .
E s ſeegn euch der Himmel ,
Ihr würdige Schönen !
Seid ewig die Wonne
Der Jungen und Alten !
Seid ewig , wie heute ,
Das Labſal der Männer !
Ihr laßt euch nur ſehen ,
So hüpfen ſchon Herzen .
Ihr zwinget die Alten
Zu Jünglingsgeberden .
Ihr labet die Jungen .
Was iſt doch ein Leben ,
Das ihr nicht verſüſſet ?
Befragt nur die Männer .
An Herrn Pesne .
M aler , male meine Freunde !
Kleiſt ſoll , mitten unter Helden ,
Auf das Lob der Gottheit ſinnen .
Mal ihn unter tauſend Blumen ;
Mal ihn , daß er an dem Himmel ,
Regenbogen vor ſich ſiehet !
Adler ſoll dem wilden Menzel
Mit dem krummen Schwerdte drohen ,
Und zugleich den Maasſtab halten .
Donop ſoll ſatiriſch lächeln .
Seidlitz ſoll der Braut entfliehen ,
Die ihm ſeine Mutter bringet .
Venus ſoll , mit ofnen Armen ,
Ihm vergnügt entgegen eilen ,
Und , Adonis an der Seite ,
Soll den Pfeil , der ihn erobert ,
Einem Plutus ſpöttiſch zeigen .
.... ſoll der Tugend folgen ,
Die ihm himmliſch freundlich winket .
Kannſt du wol die Tugend malen ?
Male ſie wie ſeine Schweſter .
Fromm ſoll reife Weitzenähren
A 2 Um
Um das Haupt der Ceres winden .
Lamprecht ſoll , umringt von Laſtern ,
Gütig mit den Laſtern ſtreiten .
Mal um ihn die Laſter heßlich !
Male ſie , daß man ſich fürchtet ,
Wie Lucan die Hexen malet !
Naumann ſoll , mit ſtarren Augen ,
Einen Liebesgott betrachten ,
Der ihn wiederum betrachtet ;
Gieb auch beiden Pfeil und Bogen ,
Daß ſie auf einander zielen .
Sulzer ſoll , am ſchönſten Morgen ,
Auf der ſchönſten Aue ſchleichen .
Laß uns ſehn , wie er ſich freuet ,
Wenn er neue Blumen findet ,
Wie er , wenn ein Freund erſcheinet ,
Auch die Blumen gleich verläſſet ,
Und dem Freund entgegen eilet .
Uz , wie laß ich dich doch malen ?
Siehſt du nicht dem Wachsbild ähnlich ,
Das Anakreon beſtellte ?
Maler , mal ihn nach dem Bilde :
Mal ihn , hinter Roſenbüſchen ,
An
An dem Ufer eines Teiches .
Laß ihn lauſchen , laß ihn ſehen ,
Wie ſich eine Venus badet .
Maler , dis ſind meine Freunde .
Male mich , daß ich ſie küſſe ,
Und dann male meinem Vater
An der Seite ſeines Zabels ,
An der Hand des beſten Prieſters ,
Daß er meine Freunde ſiehet .
Wenn du meinen Vater maleſt ,
Muſt du , mit beſeelten Zügen ,
Seine Redlichkeit bezeichnen .
Denn es ſoll ſein wehrtes Bildnis ,
Wenn ichs meinen Freunden zeige ,
Mich und ſie zur Tugend reitzen .
Maler , nun kannſt du mir danken ,
Wenn die Bilder treuer Männer
Deinem Pinſel Ehre bringen .
Sollen Bilder treuer Schönen ,
Deinem Pinſel Ehre bringen ;
O ſo mal auch ihre Mädchen .
Geh , und frage meine Freunde :
Sagt , wo habt ihr eure Mädchen ?
A 3
Die Anwerbung .
W o wilſt du künftig wohnen ?
Im Garten meines Mädchen .
Wo wilſt du künftig ſchlafen ?
Im Arme meines Mädchen .
Wo wilſt du künftig ſpielen ?
An meinem ganzen Mädchen .
Wo wilſt du künftig ſterben ?
Auf ſeinem ſanften Schooſſe .
Wer ſoll dich denn begraben ?
Mein Mädchen und ſein Enkel .
Wo haſt du denn das Mädchen ?
Wo habt ihr denn die Tochter ?
Bitte um ein Amt .
W er darf nicht ſcherzen ?
Ein Urteilsſprecher .
Wer darf nicht lachen ?
Ein frommer Pfarrer .
Wer darf nicht froh ſeyn ?
Ein armer Kaiſer .
Drum mach , o Himmel ,
Mich nicht zum Richter ,
Auch nicht zum Pfarrer ,
Auch nicht zum Kaiſer .
Zum Probſt im Kloſter ,
Kannſt du mich machen .
A 4
Zefir .
R oſen blühn auf ſchwarzen Stökken .
Seht , wie ſich die Farben miſchen !
Lilien ſtehn , wie weiſſe Kronen ,
Stolz auf grünen Heroldsſtäben .
Nelken ſtehn , wie bunte Kränze ,
Auf gefärbten Schwanenhälſen .
Aber ſeht , ſie ſtehn ſo ſtille !
Läßt ſie Zefir ſo zufrieden ?
Zefir , biſt du denn ſo müßig ,
Oder biſt du weggeſchwärmet ?
Kannſt du dieſe Flur verlaſſen ?
Wohnſt du nicht in dieſem Garten ?
Schwärmſt du nicht in dieſen Büſchen ,
Die mein Prinz für dich gepflanzet ?
Komm , es warten tauſend Nelken ,
Komm , und ſchüttle ſie zuſammen ,
Daß es läßt , als wenn ſie küßten !
Schwärme doch um tauſend Roſen !
Laß mich ſehn , ob ſich am liebſten
Roſen oder Nelken küſſen !
Zefir kannſt du nicht mehr ſchwärmen ?
Oder biſt du weggeſchwärmet ?
Sucht
Sucht ihn doch , ihr muntern Knaben ,
Sucht ihn doch , den Müßiggänger !
Kommt , dort wollen wir ihn ſuchen ,
Dort bewegen ſich die Lilien .
Seid nur ſtill , ich hör ihn lachen ,
Hört nur zu , er lacht recht laute !
Seht , dort ſchwärmt er um das Mädchen !
Seht , der Zefir iagt das Mädchen !
Seht , ietzt ſchwärmt er um den Buſen !
Seht , ietzt weicht die leichte Seide !
Seht , ietzt zeigt er uns den Buſen .
Kommt , wir wollen näher laufen ,
Denn er ſoll uns noch was zeigen !
A 5
Der Lügner .
J üngſt ſprach ein frommer Pfarrer :
Ich bin ein Feind von Mädchen .
Allein mich deucht , er lüget .
Denn geſtern , nach der Kirche ,
Wollt er ein Mädchen trauen ,
Da trat er zu dem Mädchen ,
Und ſchielte nach dem Buſen .
An die Alten .
V äter , ſtört uns nicht im Tanze !
Kommt , und miſcht euch in die Reihen ,
Wenn ihr gleich mit Krükken tanzet !
Tanzt , ihr Väter , mit den Töchtern ,
Geht , ihr Söhne , holt die Mütter ,
Tragt ſie tanzend auf den Armen ,
Oder laßt die alten Rükken
Auf den iungeu Rükken tanzen !
Schüttelt Väter , ſchüttelt Mütter ,
Daß das kalte Blut erwärme ,
Daß das Feuer in den Adern ,
Noch einmal für Wolluſt brenne ,
Wie es in der Jugend brannte ,
Damals , als ihr Söhne wurdet !
Väter , fühlt die Freude wieder ,
Die ihr in der Jugend fühltet ,
Nehmt die Mütter bei den Hälſen’ ,
Herzt und küßt ſie , bis ſie lachen !
Wälzt die Falten von der Stirne ,
Laßt die Jugend wieder blühen !
Was iſt beſſer , als die Jugend ?
Was iſt ſchöner , als der Früling ?
Der Sammler .
An
Doris .
I n den Wäldern , voller Linden ,
Sammlen Bienen Wachs und Honig ;
Auf den Fluren , voll Getreide ,
Sammlen Hamſter Weitzenkörner ,
Und die Ameis in dem Garten ,
Sammlet Nahrung für den Winter .
Wißt ihr wol , was ich mir ſammle ?
Meint ihr etwa goldne Münzen ?
Mir vom Pabſt und ſeines gleichen
Einen Himmel zu erhandeln .
Oder meint ihr Silberlinge ?
Mir beim Richter Recht zu ſchaffen ;
Nein , dis hat Nikandor nöthig ,
Nein , ich ſammle mir nur Küſſe .
Gold zu ſammlen macht nur Mühe ,
Küſſe kann ich leichter ſammlen .
Neulich hab ich erſt in Sachſen ,
Zwanzig tauſend eingeſammlet .
Der Verliebte .
A ch , ſeht doch den Jüngling !
Er wird ia ſo ſtille ,
Er ſchleicht in die Winkel ,
Er ſpricht mit ſich ſelber ,
Er trauret , er ſinnet ,
Die Wangen erblaſſen ,
Er ſcherzt nicht mehr feurig ,
Er hört nicht die Freunde ,
Er ſieht nicht die Gläſer ,
Er ſieht nur das Mädchen .
Ach , ſeht doch den Jüngling ,
Er hat ſich verliebet !
Die Revüe .
W as lieb ich doch für Schönen ?
Ich liebe die Helenen ,
Die Hanchen und die Fiekchen ,
Die Lischen und die Miekchen ,
Die Willigen , die Spröden ,
Die Freundlichen , die Blöden ,
Die Zärtlichen , die Netten ,
Die Schlanken , die Brunetten .
Ich liebe die Blondinen ,
Mit zarten Venusminen ,
Und die mit treuen Herzen ,
Und die ſo witzig ſcherzen ,
Und die mit edlen Seelen ,
Die mich zum Schatz erwälen .
Ich haſſe nur die Schönen ,
Die dich , o Liebe , hönen ,
Die mit nicht edlen Trieben ,
Und die , ſo mich nicht lieben .
Die Tänzerinn .
M ädchen mit dem ſchönen Buſen ,
Sitze nicht ſo fromm im Winkel !
Sieh die frölichen Brunetten
Tanzen mit vergnügten Männern !
Sieh die Tänzer , ſieh die Füſſe
Fliehen , wie die ſchnellen Töne !
Sieh wie frölich tanzt der Haufe !
Sieh , es trennet ſich der Haufe !
Sieh , das Mädchen tanzt ein Solo !
Sieh , wie reitzend wirfts die Füſſe !
Sieh , wie ſchnell kann es ſie drehen !
Sieh , ſieh , ſieh wie hoch es ſpringet !
Sieh , nun ſchleicht es mit den Tönen !
Sieh , nun hüpft es mit den Saiten !
Sieh , nun dreht es ſich im Zirkel ,
Sieh , wie langſam machts die Ründe !
Sieh , nun fliegt es aus dem Zirkel ,
Sieh , nun dreht ſichs wieder langſam ,
Als wenn Graun an ſeinen Tönen
Leib und Füß und Hände zöge .
Sieh , nun ſchleicht , nun ſpringt es wieder !
Sahſt du , wie es , unterm Springen ,
Schwe-
Schwebend mit den Füſſen ſpielte ?
Sieh , ietzt eben ſpielt es wieder !
Tänzerinn , hör auf zu tanzen ;
Denn indem ich deine Füſſe
Springen , ſchleichen , ſpielen ſehe ,
Seh ich keinen ſchönen Buſen .
Einladung nach Berlin .
D er iunge Zefir weicht ,
Da er ſein Ziel erreicht ;
Er folget der Natur ,
Und weicht von unſrer Flur .
Sein ſanfter freier Hauch
Verläßt den Roſenſtrauch ,
Den er ſonſt nicht verließ ,
Wann er des Morgens blies ,
Von dem er , wann er kam ,
Den Ambra mit ſich nahm ,
Und dann im Abendflug
Zu meiner Laube trug
N un ſtirbt das friſche Gras
Vom kalten Boreas ,
Der ſtürmiſch drüber fährt
Der Wieſen Schmukk verheert ,
Und feindlich , wie ein Tod ,
Den Blumenbeeten droht .
Er hat ſchon Florens Tracht
Zum Teil zu nicht gemacht .
Ihr buntes Sommerkleid
Vermißt den Unterſcheid .
Das ſchön gefärbte Kraut
Wird blaß und gelb geſchaut .
B Freund,
F reund , folge meinem Rath ,
Und ſuche nun die Stadt ,
Die , wenn der Sommer ſchließt ,
In Zimmern ihn genießt .
Da ſieht man beim Kamin
Manch Donnerwölkchen ziehn !
Da zeigt des Künſtlers Hand
Uns Floren an der Wand ;
Und was , auf ihrer Jagd ,
Dianen froh gemacht :
Zu dieſer Frölichkeit
Sind Zimmer eingeweiht
D u ſprichſt : Wo find ich dort ,
Den angenehmen Ort ,
Den frohen Aufenthalt ,
Den kleinen ſtillen Wald ,
Wo ich der Städte Pracht
So oft vergnügt belacht ,
Wenn mir der Vögel Schaar
Statt Virtuoſen war ,
Wo ich die Schäferinn ,
Der ich ergeben bin ,
Mit Blumen ſchön geziert ,
Zum Tanze aufgeführt ?
Den
D en ſchönſten Blumenkranz ,
Den muntern Schäfertanz ,
Solſt du , gedoppelt ſchön ,
Im Operſaale ſehn .
Da ſieht man unſerm Pan
Das Groß und Schöne an ,
Das Schöne ſo ihn ziert ,
Wenn er den Reihen führt ;
Und daß ſein Heldenmuth
Sich ſo zum Schäferhuth ,
Als zu dem Helme ſchikkt ,
Wenn ihn der Feind erblikkt
D u weiſt wie ſchön es klingt
Wenn Salimbeni ſingt ,
Und haſt dich oft gefühlt ,
Wenn Benda mit geſpielt .
Wie froh war Herz und Ohr
Wenn Graun ſein ganzes Chor
Zum Streite aufgeführt ?
Wie wurdeſt du gerührt ?
Bald lachteſt du für Luſt ,
Bald ſeufzte deine Bruſt .
Der Töne Gram und Scherz
Drang wechſelsweis ans Herz .
B 2 Dein
D ein Feld iſt wüſt und leer ,
Dein Wald erklingt nicht mehr ,
Das Volk in deiner See
Springt nicht mehr in die Höh .
Bereite deine Bruſt ,
Zu mancher neuen Luſt .
Wie ſchön Molteni ſingt ,
Wie künſtlich Lani ſpringt ,
Wie witzig .... dalt
Wie treflich Pesne malt ,
Wie Schmidt in Kupfer ſticht ,
Lehrt dich dein Landgut nicht
F reund , iſt zur Winterzeit
Des Landes Einſamkeit ,
Dem prächtigen Berlin
Noch irgend vorzuziehn ?
Ich weiß , du ſageſt nein .
So triff denn öfters ein .
Dein brauner raſcher Gaul
Iſt unter dir nicht faul .
Doch komm auch oft gepaart ,
Auf einer Schlittenfahrt ,
Und nimm , ſo fährſt du warm
Dein Schätzgen in den Arm .
Die Lobredner .
D oris , höre doch die Redner ,
Höre doch , ſie loben Mädchen !
Chloe reitzt mit ſchwarzen Lokken ,
Dafne mit erhabnem Buſen ,
Laura mit vergnügten Minen ,
Sappho mit gelehrten Augen ,
Hanchen mit geſchwinden Füſſen ,
Galathe mit ſchönen Händen ,
Und das braune Kammerfräulein ,
Mit dem Grübchen in dem Kinne .
Doris , ſoll ich dich nicht loben ?
Höre , Doris , ieder Redner
Lobte dich in ſeinem Mädchen ;
Aber deine ſchöne Seele
Lobten ſie an keinem Mädchen .
B 3
An Herrn von Hagedorn .
D ichter , du biſt Amors Liebling !
Wenn du Liebeslieder ſingeſt ,
Nimmt er ſchnell den Pfeil vom Bogen
Lehnt ſich müßig an die Mutter ,
Und wenn ihn die Mutter fräget :
Sohn , bewegſt du nicht zur Liebe ?
Spricht er : Liebſte Mutter , horche !
Hagedorn bewegt zur Liebe !
Hilf mir nur die Spröden zälen ,
Zäle nur die Neuverliebten ,
Die er ſchon dazu bewogen !
Dichter , du biſt Amors Liebling !
Wenn du mit den Schönen ſcherzeſt ,
Schimpft er auf die Poſſenreiſſer .
O wie hat er dich geprieſen ,
Als dich iüngſt der Weingott lobte !
Voll von Eifer dich zu loben ,
Zankten ſich die frohen Götter .
Amor ſang mit zarten Trillern ,
Eins von deinen Liebesliedern ;
Plötzlich liebten alle Schönen .
Bacchus ließ ein Trinklied hören ;
Plötzlich wolten alle trinken .
Der Tauber .
W o biſt du nun geweſen ,
Du ungetreues Weibchen ?
Auf zwanzig Weitzenfeldern
Hab ich dich ſchon geſuchet
Ich ſah , im Roſengarten ,
Die beſten Nachbarinnen ,
Bei meiner Schweſter ſitzen
Da flog ich zu der Schweſter ;
Da gingen wir ſpatzieren .
Ging denn im Roſengarten ,
Kein Tauber mit ſpatziren
Wir gingen ohne Tauber .
Siehſt du im Roſengarten ,
Die Schweſter wieder ſitzen ,
Und wilſt du zu ihr fliegen ,
So will ich mit dir fliegen .
B 4
An die Sonne .
S onne , brich doch durch die Wolken !
Laß uns doch den hellen Himmel
Laß uns deine Stralen ſehen !
Haben denn die dikken Dünſte
Dich nicht lang genug verdunkelt ?
Hat es nicht genug geregnet ?
Sieh , die Fluren ſtehn voll Waſſer ,
Und es iſt für deine Stralen ,
Viel zu trokknen , viel zu trinken !
Sonne , laß die düſtern Wolken
Schnell vor deinen Stralen fliehen ;
Aber , wenn ſie , ſtatt des Waſſers ,
Wein herunter ſchütten wollen ,
Solchen Wein , wie ich itzt trinke , Champagner .
O ſo laß die Wolken regnen !
Einladung zur Liebe .
M ädchen , wolt ihr mich nicht lieben ?
Seht , hier lieg ich in dem Schatten !
Seht mich nur , ihr müßt mich lieben !
Roſen blühen auf den Wangen ,
In den Adern glühet Feuer ,
In den Minen lacht Vergnügen ,
In den Augen lokket Liebe ,
Und bewegen ſich die Lippen ,
So bewegt ſie Scherz und Freude .
Mädchen , wolt ihr mich nicht lieben ?
Seht , hier lieg ich in dem Schatten ,
Mädchen ſeht , wie ſchön ich liege !
B 5
Arbeit für Doris .
L iebſtes Mädchen , ſei nicht müßig !
Fürchteſt du dich denn für Arbeit ?
Laß dich doch dazu nicht treiben ,
Denn wir ſind zur Müh erſchaffen !
Komm , du muſt nicht müßig gehen ,
Komm , du muſt für Arbeit ſchwitzen !
Liebſtes Mädchen , ſei nicht müßig !
Liebſtes Mädchen , gib mir Küſſe !
Gib mir hundert , gib mir tauſend ,
Gib mir neun und neunzig tauſend ,
Gib mir volle hundert tauſend !
Küſſe , bis ich nicht mehr zäle ,
Küſſe heute , küſſe morgen ;
Denn du ſolſt nichts thun als küſſen .
An einen Vater .
A lter , denk an deine Jugend !
Fühle noch einmal die Wolluſt ,
Die du in den Adern fühlteſt ,
Damals , als du Vater wurdeſt .
Sieh , hier ſitzt auf meinem Schooſſe
Deine Tochter , die mich liebet !
Sieh , ſie ſtreichelt meine Hände !
Sieh , ſie zupft mich bei der Naſe !
Sieh , ſie kneipt mich in die Wangen !
Sieh , ſie hüpft auf meinem Schooſſe !
Sieh , ſie kützelt mich und lachet !
Wie vergnügt iſt deine Tochter !
Kann ſie dich nicht frölich machen ?
Alter , rufſt du nicht mit Tränen ,
Deine Jugendzeit zurükke ?
Sieh , wie ſchön wir ſie gebrauchen !
Lobe doch , in dem du trinkeſt ,
Unſer Tändeln , unſre Jugend !
Sieh nur , wie vergnügt wir tändeln !
Doch du kannſt mit dunkeln Augen ,
Unſer Tändeln nicht mehr ſehen .
Warte nur , du ſolſt es fühlen !
War-
Warte , Lenchen ſoll dich küſſen !
Dann wirſt du die Jugend loben ;
Dann wirſt du dich ſchnell veriüngen ;
Dann wirſt du nicht murriſch ſagen :
Kinder , ſeid doch nicht ſo luſtig !
Ein Traum .
B ald hätte mich in dieſer Nacht ,
Ein Traum ins Todtenreich gebracht
Mich deucht , ich ritt ſpatzieren ,
Die Grillen zu verlieren ;
Da traf ich , welch ein Glükke !
Mein Mädchen auf der Brükke ,
Auf die ich einſt , mit Ruthen , ſchlug ,
Als ſie mein Mädchen von mir trug
Itzt wards , in ofnem Wagen ,
Von Rappen hergetragen .
Wir ſahen uns , o Freude !
Mich deucht , wir wünſchten beide :
Ach möchte doch , uns zu erfreun ,
Die Mutter nicht im Wagen ſeyn
Indem der Wunſch geſchahe ,
Kam uns ein Tolpatſch nahe ,
Und , ach ! für ſeinen Lappen ,
Erſchrekken ſich die Rappen ,
Und ſpringen ſeitwerts in den Fluß ,
Daß auch der Wagen fallen muß !
Da
Da fällt , ach Ungelükke ,
Mein Mädchen von der Brükke !
Mein Blut fängt an zu wallen ,
Ich denk ihm nachzufallen .
Mein Mädchen ſtirbt ! ach , welche Noth !
Im Waſſer ‒ ‒ ‒ Waſſer ſei mein Tod
Drauf ſoll mein Pferd ſich ſchwingen ,
Und ſchnell ins Waſſer ſpringen .
Allein , es bäumt zurükke ,
Und will nicht von der Brükke ,
So traurig auch der Reuter ſprach :
Ach , ſpringe doch dem Mädchen nach
Itzt wach ich , und es kommt gelaufen :
Nun werd ich mich wol nicht erſaufen .
An Herrn Böhlau .
D u Meiſter mit dem Pinſel !
Ich ſeh , du maleſt Engel ;
Du maleſt ihre Köpfe ,
Wie ſchöner Mädchen Köpfe ;
Du ſolteſt um die Hälſe
Auch ſchöne Buſen malen .
Der Tauſch .
W ilſt du tauſchen ? ſprach ein Reicher ,
Und er wies mir ſeine Schätze ,
Und ich ſolt ihm für die Schätze ,
Meine braune Doris geben .
Aber wißt ihr , was ich ſagte ?
Reicher , ſprach ich , du biſt närriſch !
Macht dein Gold vergnügte Minen ?
Iſt dein Gold getreu und artig ?
Iſt es witzig , iſt es zärtlich ?
Iſt es tugendhaft , wie Doris ?
Kann es dem Beſitzer ſchmeicheln ?
Kann es ſcherzen , kann es küſſen ?
Kann es tändeln , wie mein Mädchen ?
Reicher , können dis die Schätze ,
So vertauſch ich dir mein Mädchen .
Die Sehnſucht .
J üngſt ging ich in den Garten ,
Wohin mich oft die Liebe ,
In ſichre Schatten lokket ;
Wohin mich oft der Früling
Zu meiner Doris führet ;
Wohin mich meine Doris ,
Wann ſie allein ſpatziret ,
Selbſt oft durch Hekken winket .
Itzt ſah ich keine Doris .
Ich wünſchte ſie zu ſehen .
Ich ſchlich in alle Gänge ,
Und wünſchte ſie zu ſehen .
Ich lauſcht an allen Büſchen ,
Und wünſchte ſie zu ſehen .
Ich ſtrekkte mich im Schatten ,
Auf ein beblümtes Lager ,
Und wünſchte ſie zu ſehen .
Ermüdet von den Wünſchen ,
War ich hier eingeſchlafen .
Ich ſchlief , und fing im Schlafe ,
Von neuem an zu wünſchen .
C Ich
Ich träumte von der Doris ,
Ich wünſchte ſie zu ſehen ,
Ich wünſchte ſie zu ſprechen ,
Ich wünſchte ſie im Garten ,
An meiner Hand zu führen ,
Und ihre ſchönen Hände ,
Wünſcht ich ſo ſanft zu drükken ,
Wie ſie ſie mir oft drükket .
Ich ſahe ſie im Traume .
Schnell ſprang ich von dem Lager .
Da ſtand ſie mir vor Augen ,
Da hab ich ſie geſehen ,
Da hab ich ſie geſprochen ,
Da hab ich ſie , im Garten ,
An meiner Hand geführet .
Was hab ich mehr , ihr Schönen ?
Befragt nur , dort im Winkel ,
Das kleine loſe Miekchen !
Es ſagt , wenn ich es frage :
Du haſt ſie auch geküſſet !
An Hrn. Profeſſor A. G. Baumgarten
in Frankfurth .
L ehrer , den die Gottheit lehrte ,
Lehrer , den die Weisheit liebet ,
Lehrer , der mit Licht und Leben ,
Und mit freundlichen Beweiſen ,
Tugend , Witz und Warheit ſtiftet .
Sieh , wie ſtark ſind deine Lehren !
Sieh , ſie überwinden Zweifler ;
Sie entwafnen Warheitsfeinde ;
Sie gewinnen Weisheitsſpötter !
Seelen , nein , ich will ſie nennen :
Todte , ſchlafende Monaden ,
Wekken ſie aus tiefem Schlummer .
Zwanzig fromme Hauspoſtillen
Leiten nicht ſo ſchnell zur Tugend ,
Als wenn du mit ſchönen Worten ,
Und mit freundlichen Beweiſen ,
Einmal nur die Tugend lehreſt .
Denk einmal an deine Siege ,
An den Seegen deiner Lehren .
C 2 Sieh,
Sieh , wie der die Tugend liebet ,
Der , als du die Laſter ſchalteſt ,
Plötzlich ſchwur : ich will ſie haſſen .
Durch die Kräfte deiner Lehren ,
Zwangſt du ihn zur Tugendliebe .
O wie ſchaft man ſeinen Lehren
Solche Kräfte , ſolchen Seegen ?
Lehrer , wenn du mich es lehreſt ,
O ſo will ich Mädchen zwingen ,
Daß ſie plötzlich ſchweren müſſen ,
Mich zu lieben , wenn ich liebe .
Die Witwer ,
An die Frau von S.
A ch , ſeht doch die Männer !
Sie ſchwimmen in Tränen .
Seht , Canitz geht , ſeufzend ,
Durch Blumbergs Gefilde !
Er hört nicht die Lerche ,
Er ſieht nicht die Blumen ,
Er fühlt nicht die Weſte ,
Er wünſcht ſich zu ſterben .
Seht , Haller , der Weiſe
Kan klagen und weinen !
Wie ringt er die Hände ,
Am Ufer der Leine !
Seht Beſſern in Tränen !
Was weinen die Männer ?
Sie ſeufzen , ſie weinen ,
Um würdige Damen ,
Um trefliche Schönen .
Ach lebt doch nur ewig ,
Ihr trefliche Schönen !
Ach laßt euch , ihr Damen ,
Vom Tode nicht holen ;
Sonſt weinen die Männer .
Die Reue .
D oris , ſieh , die falben Blätter ,
Sieh , hier werden ſie zu Leichen !
Wilſt du nicht den Herbſt verachten ?
Sieh , er raubt uns Laub und Schatten
Und die Sänger , auf den Zweigen ,
Jagt er aus den grünen Zellen
In die Ritzen hohler Klippen !
Werden ſie nun noch wol ſingen ?
Doris , nein , ſie werden ſchweigen ,
Und ſie haben ſchon geſchwiegen ,
Als du geſtern früh , im Garten ,
Mich mit tauſend Küſſen labteſt .
O wir werden ihre Lieder
Küſſend wünſchen und nicht hören .
O wie lange wird es währen ,
Daß ſie froh zu deinen Küſſen
Ihre Lieder wieder ſingen ?
Engel , ietzt empfinde Reue ;
Denn , am zwanzigſten des Maien ,
Als dich Nachtigallen lokkten ,
Wolteſt du nicht immer küſſen !
Wenn ſie künftig wieder lokken ,
Wilſt du dann nicht immer küſſen ?
Seufzer an den Früling .
K ehre wieder , holder Früling ,
Kehre wieder , Kind des Himmels !
Doris will , wenn du es ſieheſt ,
Wenn ſie Nachtigallen lokken ,
Immer küſſen .
C 4
Der Werth eines Mädchen .
N e ulich ſprach ich mit den Bergen ,
Und ſie prieſen mir ihr Silber ,
Und den Schatz in goldnen Adern ,
Und ſie wolten mir ihn ſchencken ,
Und ich wolt ihn zu mir nehmen ;
Aber , da ich nehmen wolte ,
Sprang ein Mädchen aus dem Buſche ,
Gleich verließ ich Gold und Silber .
Aufmunterung zum Spatzierengehen .
A ch geht doch oft , ihr Schönen ,
An hellen Frülingstagen ,
Ins Feld und ins Gebüſche !
Welch irdiſches Vergnügen
Wird euren Geiſt ermuntern !
Welch Labſal , welche Wonne ,
Wird euer Herz erfriſchen !
Wie Brokks , auf ſeinen Fluren ,
Den Reitz der Freude ſpüret ,
So werdet ihr ihn ſpüren .
Ihr werdet Blumen ſehen ,
Und ſie mit Seide ſtikken ,
Wenn ihr zurükke kehret ,
So , wie ſie Brokkes malet ,
Wenn er zurükke kehret .
Ihr werdet , voll Vergnügen ,
Den Spieltiſch wieder ſuchen ,
Wenn ihr zurükke kehret .
Ihr werdet Männer reitzen ,
Ihr werdet Freunde lokken ,
Euch in den Buſch zu führen .
Ihr werdet Caffé trinken ,
Und noch die Luſt empfinden ,
Die ihr im Buſch empfunden ;
C 5 Ihr
Ihr werdet treuen Schweſtern ,
Ihr werdet Dienerinnen
Viel Schönes von den Auen ,
Und von den Wäldern ſagen ;
Ihr ſollt mit Luſt erzählen ,
Was euer Blikk geſehen .
Erwählt mich nur zum Führer
Und ſeht , was ich einſt ſahe ,
Am ſchönſten Frülingstage !
Ein heller Regenbogen ,
Stand um den halben Himmel ,
In treufelnd ſchwarzen Wolken .
Er ſtand , mit tauſend Farben ,
Der Sonne gegenüber .
Die Sonne , frei von Wolken ,
Umgab , mit goldnen Strahlen ,
Den halben blauen Abgrund .
Es glänzt , um tauſend Blumen ,
Ein ſilberweiſſer Schimmer ;
Es hiengen , um die Roſen ,
Die hellſten Waſſertropfen ,
Wie , um den Hals der Braunen ,
Die hellſten Perlen hangen .
Ein ſchlauer ſtarker Zefir
Bewegte , wo er ſchwärmte ,
Die Gipfel hoher Tannen
Die Wieſ und Thal umgrenzten ,
Und wenn er ſie bewegte ,
So
So ſah man , auf den Gipfeln ,
Wie Licht und Schatten wechſelt .
Am niedrigen Geſträuche
Bewegte ſich der Schatten ,
Wenn die geſchlanken Zweige ,
Durch Zefirs Hauch belebet ,
Sanft an einander ſchlugen .
Hierdurch entſtand , im Buſche ,
Das lieblichſte Geräuſche ,
Zu welchem ſich das Murmeln
Der kleinen nahen Bäche ,
Und tauſend helle Kehlen
Der kleinen Vögel miſchten .
Es lokkten Nachtigallen ,
Es ſangen Staar und Amſeln
Es ſchlugen Wachtelhäne .
Indem ich ihre Lieder
Mit ſtillem Lobe hörte :
Sprang , aus dem dikken Buſche ,
Ein ſtolzer Hirſch ins Waſſer ;
Und plötzlich blieb er ſtehen ,
Und ſchien ſich zu beſinnen ,
Und langſam ging er weiter ,
Und , mitten auf der Wieſe ,
Beſah er ſich im Waſſer .
Er wies , mit ſteifem Kopfe ,
Sein prächtiges Geweihe .
Als
Als ſich der Corſen König ,
In ſeiner Krone zeigte ,
Ließ er nicht halb ſo prächtig .
Er putzte mit der Zunge
An Beinen ohne Waden ,
Und ſtand auf dreien Beinen ,
Gleich als ſich ſeinen Augen
Die ſchönſte Hirſchkuh zeigte .
Schnell trat er auf vier Beine ,
Und ging im hohen Graſe ,
Stolz , wie ein Fürſt der Thiere ,
Gerade nach der Schönen .
Sie ſahe den Geliebten ,
Sie ging ihm ſelbſt entgegen
Ach , fragt mich nicht , ihr Schönen ,
Was haſt du mehr geſehen ?
Nein , geht mit mir in Wälder ,
Da ſolt ihr alles ſehen .
Bacchus und Cithere .
S oll ich trinken oder küſſen ?
Hier winkt Bacchus , dort Cithere .
Beide winken , beide lächeln .
Baechus mit geſetzten Minen ,
Und Cithere mit verliebten .
Baechus zeigt mir ſeine Reben ,
Seht , ſie ſinken , ſchwer von Trauben !
Aber ſeht nur , dort im Schatten ,
Dort im Schatten , unter Reben ,
Liegt ein Mädchen lang geſtrekket !
Seht , es ſchläft , es lächelt ſchlafend ,
Und es lächelte Cithere
Nicht ſo reitzend , als ſie winkte .
O wie ſüß mag es nicht ſchlummern !
O wie reitzend liegt das Mädchen !
Um den weiſſen regen Buſen ,
Hangen ſchwarze reife Trauben ,
Und es glänzen um den Lokken ,
Um den Rabenſchwartzen Lokken ,
Goldne Blumen in dem Schatten .
Weingott , winke nur nicht länger ;
Denn ich muß erſt , bei dem Mädchen ,
Unter deinen Trauben ſchlummern .
Art zu trinken .
W enn ich mein Glas geleeret ,
So füll ichs hurtig wieder ,
Und bring es meinem Mädchen .
Mein Mädchen nimts und trinket ,
Und klopft mich auf die Bakken ,
Und füllt es gleich von neuem ,
Und lobt den Sekt im Glaſe ,
Und bringt mirs ſelbſt zum Munde ,
Ich küß es , eh ich trinke ,
Es trinkt , und küßt mich wieder .
Freund , dort im Trauerkleide
Soll es dir auch eins bringen ?
Das Thierchen ohne Nahmen .
A m zwanzigſten des Maien ,
An dem du mich , o Doris ,
Nicht immer küſſen wolteſt ,
Saß an dem weiſſen Halſe
Der freundlichen Filinde
Ein kleines ſchwarzes Thierchen .
Ich weiß es nicht zu nennen ;
Dis weiß ich , daß es hüpfet ,
Wie Graſepferde hüpfen ,
Und daß es oft entwiſchet ,
Wenn es erzürnte Schönen ,
Im freien Felde iagen .
Ein Kenner der Inſekten ,
Beſchrieb mir iüngſt das Thierchen .
Er ſprach : Es wird bei Schönen
Geboren und erzogen ,
Es wohnet bei den Schönen ,
Und wagt ſich nur zu Männern ,
Wenn ſie mit Schönen ſpielen .
Ein ſolch beglükktes Thierchen
Saß an dem weiſſen Halſe
Der freundlichen Filinde .
Ich
Ich wolt es ſchnell erhaſchen ,
Und dann wolt ich es fragen ;
Wie wohnt es ſich bei Schönen ?
Allein es ſprang vom Halſe ,
Und hüpfte nach den Hügeln ,
Die an dem Halſe grenzen .
Ich ſah es wieder ſitzen .
Es ſah ſich um , und lachte ,
Und , triegen nicht die Minen ,
So ſchiens , als wolt es ſprechen :
Nun ſolt du mich nicht kriegen ,
Izt will ich weiter hüpfen .
Du darfſt mich nicht verfolgen ,
Wohin ich itzo hüpfe .
Du hörteſt nicht , Filinde ,
Als ich zum Thierchen ſagte :
Adieu du kleiner Springer ,
Dürft ich dich nur verfolgen ,
Wie bald wolt ich dich kriegen !
Der Rangſtreit .
W as wilſt du ? ſprach mein Mädchen .
Ich ſprach : Ich will dich küſſen .
Da that das Mädchen böſe ,
Und ſprach : Laß mich erſt küſſen !
Da zankten wir uns beide .
Da nannt es mich : Du Falſcher !
Und ſprach : Ich liebe ſtärker ,
Drum muß ich dich erſt küſſen .
Da hört ich auf zu zanken .
Da küßte mich mein Mädchen .
Da merkt ich , als es küßte ,
Es ſei kein Rang im Küſſen ;
Denn , wenn ſich zweene küſſen ,
Iſt ieglicher der Erſte .
D
Diener der Liebe .
A lles , Liebe , muß dir dienen ,
Alles dienet deinen Kindern .
Sonnen ſcheinen , ſie zu wärmen ,
Schatten ſchweben , ſie zu kühlen ,
Vögel ſingen , ſie zu lokken ,
Tauben girren , ſie zu reitzen ,
Roſen blühen , ſie zu ſchmükken ,
Sterne funkeln , ſie zu führen ,
Monde leuchten , ſie zu zeigen ,
Und die Nächte tragen Wolken ,
Deine Kinder zu verbergen ;
Liebe , laß doch , wenn ich liebe ,
Schatten , Roſen , Vögel , Sonnen ,
Sterne , Mond und Nächte dienen .
Der Schöpfer .
L iebſte Götter , ſeid ſo gütig ,
Laßt mich auch einmal erſchaffen .
Menſchenplager , Tiegerthiere ,
Laſterknechte , Wüſteneien ,
Fegefeuer , Päbſte , Menzels ,
Gottesläugner , Ketzermacher ,
Himmelſtürmende Giganten ,
Welten voller Aberglauben ,
Will ich warlich nicht erſchaffen .
Nein , die laß ich euch erſchaffen .
Ich verſprech euch , liebſte Götter ,
Nichts , als Mädchen , zu erſchaffen ,
Nichts , als allerliebſte Mädchen .
Laßt mich nur ſo viel erſchaffen ,
Daß der Raum , bis an den Himmel ,
Uberall von Mädchen wimmelt ,
Wie er , durch die Macht des Winters ,
Uberall von Flokken wimmelt ;
Aber dann gebt mir auch Flügel .
D 2
Die Träumerin .
E in kleines ſchwarzes Mädchen ,
Hielt auf dem weichſten Bette ,
Die ſanfte Mittagsruhe .
Es ſchlief , wie Mädchen ſchlafen ;
Es lächelte im Schlafe ;
Es regte ſich der Buſen ,
So oft es Athem holte .
Es that , als wolt es wachen ;
Es warf ſich hin und wieder ,
Und lächelte noch zweimal ;
Es ſtekkte , bei dem Lächeln ,
Die rechte Hand im Buſen .
Ich bükkte mich und lauſchte
Die Linke zu erblikken ;
Allein ſie war verborgen .
Doch , als ich nicht mehr lauſchte ,
Zog es ſie ſchnell zurükke ,
Und warf ſie zu der Rechten ,
Und faltete die Hände ,
Wie fromme Beterinnen ,
Die Händ aus Andacht falten .
Ach ! ſprach ich zu den Brüdern ,
Ach ſeht , das Mädchen betet !
Warum mag doch das Mädchen ,
Den harten Himmel bitten ?
Ver-
Vernimm es , ſprach ein Bruder :
Ich weiß , daß fromme Mädchen
Gott oft um Männer bitten ,
Und daß ſie oft , in Träumen ,
Die Bitten wiederholen ,
In Träumen Männer haben ,
Und glauben ſie zu küſſen .
Dis glaub es , lieber Bruder ,
Dis glaubet auch das Mädchen .
Gleich ſchlich ich zu dem Mädchen ,
Und fragt es : Wilſt du küſſen ?
Da ſtrekkte mir das Mädchen
Die Lippen ſchnell entgegen ,
Und eh ich ſie berührte ,
Ertönten ſchon die Schmätzgen
Nun ſagt einmal , ihr Schönen ,
Zu mir und meinen Brüdern :
Ihr wolt nur immer küſſen .
D 3
Die Bewegung .
V erfolgt mich , ihr Schönen ,
Verfolgt mich ins Grüne .
Es ſoll uns , in Büſchen ,
Nur Zefir verfolgen .
Wir wollen uns iagen ,
Und , wenn wir , in Thälern ,
Auf Klippen und Hügeln ,
Uns müde geiaget ;
So wollen wir ſchlummern .
An den Tod .
T od , was wilſt du bei den Brüdern ?
Komſt du her mit uns zu trinken ?
Geh , hier iſt für dich kein Rheinwein !
Trink aus Heidelberger Fäſſern ;
Denn der Durſt , in deinen Knochen ,
Iſt mit Maaßen nicht zu löſchen !
Geh , du möchteſt ſtatt der Brüder ,
Alle Römer ledig trinken !
Geh , und laß die Brüder trinken !
Denn du wilſt ſie doch nicht holen ?
Nein , du holſt ia nur die Alten ;
Denn was ſoll das Reich der Todten
Mit den Schatten , die noch trinken ?
Du verſchonſt die muntre Jugend .
Tod , weil du der Jugend ſchoneſt ,
Solſt du doch den Rheinwein ſchmekken .
Sieh , dort ſteht ein voller Römer ,
Hol ihn mit den dürren Händen !
Kanſt du wol den Römer halten ?
Trinke , wenn die Brüder trinken ;
Aber ruf erſt mit den Brüdern :
Auf , es leben alle Mädchen !
Und wenn dir der Rheinwein ſchmekket ,
O ſo iauchze mit den Brüdern ,
D 4 Freier,
Freier , als mein Uz itzt iauchzte ,
Oder ſinge ſeine Lieder ,
Die den lieben Weingott loben !
Tod , du kanſt den Wein nicht ſchmekken !
Brüder , ſeht doch das Gerippe ,
Seht , es fehlen Lefz und Zunge !
Brüder trinkt , und ſchmekkt den Rheinwein !
Seid ihr einſt , wie dis Gerippe ,
Ohne Lefz und ohne Zunge ,
Dann könnt ihr ihn nicht mehr ſchmekken .
Mittel freundlich zu werden .
M ein Vater küßt die Mutter ,
Die Mutter küßt den Vater ,
Und wenn ſie beide küſſen ,
So ſind ſie beide freundlich .
Wie oft ſagt meine Mutter :
Mein Wilhelm werde freundlich !
Nun will ich es ſchon werden ;
Denn unſers Nachbars Tochter
Läßt ſich recht gerne küſſen .
D 5
Auf das Beilager des Freiherrn
von ** *
J a , nun hab ich ſie geſehen .
O wie reitzte ſie , die Schöne !
Welche kluge Schmeichelworte !
Welche ſanfte Venusminen !
Welche holde Roſenwangen !
Tauſend ſchöne Liebesgötter
Schwärmten um die ſchönen Glieder .
Dreißig ſchwärmten um die Wangen ,
Zwanzig ſcherzten mit den Lokken ;
Aber , wo die meiſten ſchwärmten ,
Wo die meiſten ſchwärmen werden ,
Soll der ſchöne Bräutgam ſagen .
Bräutgam , ſagſt du es dem Dichter ,
O ſo ſoll er nebſt der Schönen ,
Alle Liebesgötter malen .
Itzund ſoll er nur die Schöne
Pesnen oder Harpern malen
” Auf ! Vortreflichſter der Maler !
S. die 28te Ode des Anakreon .
„Auf , und ſchildre , Preis der Maler !
„Meiſter in der Kunſt der Rhoder ,
„Komm,
„Komm , und ſchildre dieſe Schöne ,
„Wie ich ſie beſchreiben werde !
„Male mir vor allen Dingen ,
„Zarte rabenſchwarze Haare ,
„Und , wofern es anders möglich ,
„Male ſie auch lieblich düftend .
„Male zwiſchen ſchwarze Lokken ,
„Da , wo ſich die Wangen ſchlieſſen ,
„Eine Stirn von Elfenbeine .
„Laß ſich nicht die ſchwarzen Bogen ,
„Die ſich um die Augen krümmen ,
„Gänzlich trennen , noch vermiſchen ;
„Sondern , wie bei meinem Mädchen ,
„In einander ſanft verlieren .
„Ihrer Augen Reitz zu treffen ,
„Male ſie wie reges Feuer ,
„Und auch blau , wie Pallasaugen ,
„Und auch zärtlich , wie Citherens .
„Miſche Milch , zu iungen Roſen ,
„Wann du Naſ und Wangen maleſt .
„Gib ihr Lippen , wie der Suada ,
„Die den Mund zum Küſſen laden .
„Um das ſanfte Kinn der Schönen ,
„Und um ihren Hals , wie Marmor ,
„Laß
„Laß die Huldgöttinnen fliegen .
„Kleide ſie nunmehr in Purpur .
„Aber laß vom zarten Leibe
„Etwas wenigs unverhüllet ,
„Das verhüllte zu verraten .
„Geh itzt hin . Dis iſt die Schöne .
„Wirſt du Bild nicht auch bald reden ?
Rede wie das Urbild redet ,
Wann es dem Geliebten ſchmeichelt ,
Holde , zarte Schmeichelworte ;
Rede was es künftig redet ,
Wann er es allein nur höret ,
Und der Kleine , mit dem Bogen ,
Welcher der vertrauten Mutter
Alles lächelnd wieder ſaget .
O ! wie ſchön wird es ſich hören !
Wolt ihrs auch , ihr Schönen , hören ?
Der Tröſter .
A ls Barinchen ihren Liebling ,
In dem leichten Todtenkleide ,
Auf der Baare liegen ſahe :
Stiegen aus dem ſchönſten Buſen
Tauſend Ach , und tauſend Seufzer .
Von den Wangen , die an Farbe
Dem erblaßten Todten glichen ,
Floſſen tauſend heiſſe Tränen .
Und es rief das arme Mädchen
Tauſendmal : Gerechter Himmel ,
Grauſamer gerechter Himmel ,
Gib mir meinen Liebling wieder !
Aber der gerechte Himmel
Gab den Liebling doch nicht wieder .
Ich beiammerte das Mädchen .
Und ich bat den harten Himmel :
Laß doch nur Geliebte leben .
Himmel , wenn Geliebte ſterben ,
Müſſen treue Mädchen weinen .
Ach , wie wird mein treues Mädchen
Einſt bei meiner Leiche weinen !
Ach wie traurig wird es ſeufzen !
Ach wer wird , wenn ich einſt ſterbe ,
Mein getreues Mädchen tröſten ?
Kleiſt
Kleiſt du muſt , wenn ich einſt ſterbe ,
Mein getreues Mädchen tröſten .
Als ich nach volbrachter Bitte ,
Wieder nach dem Mädchen ſahe ,
Sah ich noch die Tränen flieſſen ;
Und ich ſtahl den Weiſen Gründe ,
Und ich ſprach mit Trauerminen :
Weine nicht , gebeugtes Mädchen ,
Weine nicht um deinen Liebling .
Lebt er doch anitzt im Himmel ,
Gönn ihm doch das Glükk der Engel ,
Murre nicht mit dem Geſchikke !
Aber das gebeugte Mädchen
Murrte doch mit dem Geſchikke ;
Denn von den erblaßten Wangen
Floſſen noch viel heiſſe Tränen ,
Als ich ausgetröſtet hatte .
Ich verließ hierauf das Mädchen ,
Und begleitete die Leiche ,
Ihres Lieblings in den Tempel .
Und nach zwanzig Todtenſeufzern ,
Welche mich ein Redner lehrte ,
Ging ich wieder zu dem Mädchen .
Und ich tröſtete von neuen ,
Und ich ſeufzte , wie der Redner .
Und das Mädchen ließ ſich tröſten .
Denn es floß von ſeinen Wangen ,
Als ich ausgetröſtet hatte ,
Nur noch eine heiſſe Träne .
Werd ich morgen , wenn ich lebe ,
Wieder zu dem Mädchen gehen ,
Will ich es noch einmal tröſten .
Wird alsdann von ſeinen Wangen ,
Wenn ich ausgetröſtet habe ,
Keine heiſſe Träne flieſſen ;
So will ich zum Mädchen ſagen :
Nimm dir einen andern Liebling !
Trinklied .
B rüder trinkt , es trinkt die Sonne ,
Und ſie hat ſchon tauſend Ströme
Ohne Bruder ausgetrunken !
Brüder trinkt , es trinkt die Erde ,
Seht , ſie durſtet , ſeht , wie durſtig ,
Trinkt ſie dieſe Regentropfen !
Seht , dort um den Vater Bacchus
Stehn die Reben friſch am Berge ;
Denn es hat das Naß der Wolken
Ihren heiſſen Durſt gelöſchet .
Brüder ſeht , das Naß der Reben
Wartet in den vollen Gläſern ,
Wollt ihr euren Durſt nicht löſchen ?
Antworten auf die Fragen
der Doris .
W arum ziehſt du doch mit Kriegern
Ich will Heldenthaten ſehen .
Warum wilſt du ſie denn ſehen ,
Wilſt du künftig Helden loben
Ja , ich lobe künftig Helden ;
Aber Helden , die nicht wüten ,
Helden , welche Frieden ſtiften ,
Helden , die den beſten Kaiſer
Auf dem Kaiſerthrone ſchützen ;
Helden , welche , wie mein König ,
Sclaven aus der Knechtſchaft reiſſen .
Fürchteſt du dich nicht für Schwerdtern ?
Fürchteſt du dich nicht für Kugeln
Schwerdter ſollen mich nicht tödten ;
Denn ich weiß mich tief zu bükken .
Kugeln ſollen mich nicht treffen ;
Denn ich will nicht ſtille ſtehen .
E Aber,
Aber , wenn dich Feinde fangen ,
Können ſie dich dann nicht tödten
Laß mich nur die Feinde fangen :
Wenn ſie feindlich trotzen wollen ,
O ſo will ich freundlich lächeln ,
Und geſchwinde will ich ſcherzen .
Ich will was von dir erzälen .
Wenn dich nun ein Talpatſch fänget ,
Wird das Thier auch Scherz verſtehen ?
Der Wille .
I ch will nicht weinen ,
Ich will nicht ſchelten ,
Ich will nicht klagen ,
Ich will nicht murren ,
Ich will nicht trotzen ,
Ich will nicht trauren .
Ich will nur küſſen ,
Ich will nur trinken ,
Ich will nur tanzen ,
Und bei dem Tanzen
Will ich nur lachen ,
Und bei dem Trinken
Will ich nur ſcherzen ,
Und bei dem Küſſen
Will ich nur ſpielen ;
Und dieſen Willen
Hat auch mein Mädchen .
E 2
Der Plünderer .
I ch ſahe mit Erbarmen ,
Das Rauben und das Plündern
Der wilden Kriegesleute .
Sie nahmen Gold und Silber ,
Sie nahmen Wein und Weitzen ,
Und ſäumten nicht im Nehmen ,
Obgleich ein freundlich Mädchen ,
Ein liebes ſchwarzes Mädchen ,
Um Gnade bat , und weinte .
Wie gern hätt ich , ich Blöder ,
Die Plünderer getödtet !
Allein , ſie waren tapfer .
Sie wüteten mit Augen ,
Sie wüteten mit Schwerdtern ,
Sie trotzten mit den Panzern .
Ich konte nicht beſchützen ,
Ich konte nur das Mädchen
Und ſeine Mutter tröſten .
Ich tröſtete die Mutter ,
Ich tröſtete die Tochter ,
Und als die arme Mutter
Sich für den Troſt bedankte ,
Da
Da ſeufzete die Tochter :
Ach , wären alle Feinde
So freundlich , ſo barmherzig ;
So möchten ſie mich plündern !
Ich that es , liebſtes Mühmchen ,
Ich plünderte das Mädchen .
E 3
Die Errettung vom Tode .
D as kleine Kind , mit Flügeln ,
Das ich erſt kennen lernte ,
Im Garten meines Mädchen ,
Lief iüngſt , mit Pfeil und Bogen ,
Und mit dem vollen Köcher ,
Im Garten meines Prinzen ,
Und ſchoß nach kleinen Vögeln .
Es übte ſich , ihr Schönen ,
Der kleine Gott im Schieſſen ;
Denn er will einſt , im Garten ,
Euch ohne Fehler treffen .
Ich ſah , verſtekkt im Buſche ,
Den kleinen Jäger wandern .
Allein , ich muſte lachen .
Er traf mit zwanzig Pfeilen
Kein Vögelchen im Garten .
Er lief mit leiſen Tritten ,
Und aufgeſpantem Bogen ,
Schnell durch die Sommerlauben ,
Und fand mich hinterm Buſche .
Er ſchüttelte den Köcher ,
Es raſſelten die Pfeile ,
Er nikkte mit dem Kopfe ,
Und
Und ſprach ein bißgen zornig :
Du meinſt , ich kan nicht treffen .
Lauf nur , ich will dich ſchieſſen .
Da ſchoß er mich ins Herze ,
Da ſolt ich plötzlich ſterben ,
Und nicht noch einmal küſſen ;
Allein , ich ſeufzte traurig :
Nun kan ich , liebſter Amor ,
Mein Mädchen nicht mehr lieben !
Dis iammerte den Amor ,
Drum ließ er mich nicht ſterben .
E 4
Der Friedensſtifter .
W ein und Liebe
Bändigt Helden ;
Wein und Liebe
Macht Verträge ;
Wein und Liebe
Stiftet Frieden .
Drum , o Deutſchland ,
Wilſt du Frieden ?
Wein und Liebe
Kan ihn ſtiften .
An die Stadt Prag .
A ch Prag , ich will dir rathen ,
Verſpare deine Thaten .
Ergib dich an uns Preuſſen ,
Eh wir die Bomben ſchmeiſſen ,
Sonſt fallen deine Mauren ,
Und deine Kinder trauren ,
Wenn wir , auf deinen Gaſſen ,
Die Bomben toben laſſen .
Auf , laß von deinen Kindern
Ihr Toben ſchnell verhindern !
Du muſt die beſten Schönen
Mit Lorbeerzweigen crönen .
Und mit gefaltnen Händen
Zu meinem König ſenden .
Dann werden ſie , im Flehen ,
Sein gnädig Antlitz ſehen ;
Dann wird der Held beweiſen ,
Es dien ihm Stahl und Eiſen ,
Es dienen ihm die Waffen
Zu ſeegnen nicht zu ſtrafen .
Wie wirſt du dann bedauren ,
Daß er durch deine Mauren ,
E 5 Und
Und tauſend Siegesbogen ,
Nicht eher eingezogen .
Prag , ſpare Muth und Hitze ,
Es tobt ſchon ſein Geſchütze !
Ach , träfen doch die Waffen ,
Nur deine faule Pfaffen ,
Ach , möchtet , ihr Kanonen ,
Die Mädchen nur verſchonen !
Der Zänker .
E s zanken ſich die Redner ,
Um Wörter und um Silben ,
Und ſchimpfen , wenn ſie zanken .
Es zanken ſich die Prinzen ,
Um Gold und veſte Städte ,
Und ſterben , eh ſie ſiegen .
Es zanken ſich die Weiſen
Um gut und böſe Welten ,
Und bauen keine beſſre .
Zankt immer , tapfre Zänker ,
Zankt tapfer , eh ihr ſterbet !
Um Länder , oder Reime ,
Will ich mit euch nicht zanken .
Doch , wolt ihr mit mir zanken ;
So tadelt dieſe Böhmin .
An den Kriegesgott .
M ars , werde doch gerechter !
Du haſſeſt mich noch immer ,
Und ſolteſt mich nun lieben .
Du liebſt ia meinen Prinzen ,
Du rühmeſt ſeine Siege ,
Und hilfſt ihm , im Erobern .
Hab ich denn nicht geſieget ?
Hab ich denn nicht erobert ?
Bin ich denn wie ein Fauler ,
Im Lager meines Prinzen ?
Nein , wiſſe meine Thaten ,
Nein , wiß es , Gott der Krieger :
Mein Prinz erobert Länder ,
Und ich erobre Mädchen .
An die Krieger .
H ört doch , allerliebſte Krieger ,
Hört doch , ſeid doch nicht ſo grimmig .
Wenn ihr mit den Feinden fechtet ,
Stechen euch die Feinde Wunden ,
Und dann müßt ihr euch verbluten .
Warum wollt ihr euch verbluten ?
Wollt ihr etwa , an den Wunden
Eines ſanften Todes ſterben ?
Warum wollt ihr denn ſchon ſterben ?
Seht ihr nicht , auf dieſen Bergen
Reifen ſchon die vollen Trauben !
Stiftet Frieden mit den Feinden ,
Helft die vollen Trauben keltern ,
Trinkt den Moſt , , und werdet Brüder ,
Und laßt euch durch Wein und Freundſchaft ,
Alle Luſt zum Sterben rauben !
An Herrn * * *
I ch trink , ich lieb , ich lache ,
Indem ihr euch , ihr Helden ,
Die Köpfe ſpaltet .
Ich trink , ich lieb , ich lache ,
Indem , du müder Geitzhals ,
Für Arbeit ſchwitzeſt .
Ich trink , ich lieb , ich lache ,
Indem ſich Herrenhuter
Zu Tode beten .
Ich trink , ich lieb , ich lache ,
Ich ſinge frohe Lieder ,
Wann Prieſter ſchimpfen .
Die Flucht aus dem Lager
vor Prag .
A ls ein Heer die letzten Kräfte
Auf dem Ziskaberge wagte ,
Und noch Bomben oder Kugeln
In dem nahen Lager tobten ;
Als ich noch der Kugel fluchte ,
Die mir meinen Prinzen raubte ,
Kam , mit ſchnellen Taubenflügeln ,
Amor in mein Zelt geflogen .
Dreiſter , ſprach der Gott der Liebe ,
Dreiſter , kanſt du hier verweilen ?
Hier , wo die verwegnen Menſchen
Tödten , und ſich tödten laſſen ;
Hier , wo die erzürnten Götter ,
Auch die beſten Helden tödten ?
Iſt dein Prinz nicht ſchon getödtet ?
Falſcher , geh , dein Mädchen weinet ,
Geh , eh dich die Kugeln tödten ,
Geh , was machſt du bei den Helden ,
Geh , ich kan nicht länger ſehen ,
Wie dein armes Mädchen weinet !
Liebſter,
Liebſter , ſprach ich , liebſter Amor ,
Komſt du ietzt von meinem Mädchen ?
Aber er verſchwieg die Antwort ,
Und ergrif den Stab im Zelte ,
Der die Leinwand unterſtützet ,
Und der Stab ward weis wie Silber ,
Und das Zelt fing an zu fallen ,
Und er trieb mich , mit dem Stabe ,
Aus dem Zelt und aus dem Lager .
Hätten Krieger zugeſehen ,
Als mich Amor , mit dem Stabe ,
Zornig aus dem Lager iagte ;
O wie hätten ſie gelachet !
Doch , es läßt der Gott der Liebe
Sich von keinem Krieger ſehen .