Helmstädtsche
Denk- und Dank-Reden /
Welche
Bey einigen bißher
gehaltenen
Christl. Leich-Begängnissen
auff Ersuchen
verfertiget und abgeleget worden
von
Eberhardo Finen / Diac. Helmst.
Helmstädt /
Bey Georg-Wolffgang Hamm / Universität Buchdr .
Im Jahr 1702 .
Hochgeneigter Leser !
OB ich mit diesen meinen Denk- und Dank-Reden Dank verdienen werde / weiß ich
nicht ; kan mir auch endlich gleich viel seyn / wenn ich nur keinem verdrießlich
bin . Zwar bey denen habe ich solches nicht zu befürchten / welche so wol mich
als den Hrn. Verleger zum öfftern angelegen / das jenige auch ihren Augen zu
zeigen / was Sie zum theil mit ihren Ohren angehöret . Andern aber / die gerne
was Bessers und Scharffsinnigers gelesen hätten / kan ich nicht helffen / werde
mich aber freuen / wenn ich von ihnen was Bessers sehe / daran ich auch was
Bes-
sers lernen könne . Indessen
erreiche ich schon meinen Zweck / wenn ich die hierinn Benahmten / so seelig
verstorben in gutem Andencken / mich aber in der Gewogenheit und Liebe Ihrer
Anverwandten / so noch leben / unterhalten werde / und / was das fürnehmste ist
/ wenn der Hochgeneigte Leser auch aus diesen geringen Blättern nach guten
Exempeln wol leben und seeligsterben lernet . Soll ich nach GOttes Willen noch
etliche überleben / deren ich nach ihrem Tode gedencken / und ihren
Leich-Begleitern dancken müste / erbietet sich der Herr Verleger diese
angefangene Arbeit fortzusetzen . Ich aber wünsche dem Hochgeneigten Leser ein
Leben so lang es Ihm gut / und so gut als es Ihm seelig ist .
Die vom Tode belachte Leiche In einer
Abdanckungs-Rede vorgestellet bey dem Begräbniß Des S. T. Sehl .
Hrn. Lic. Schmidts / Wolbestalten Land-Medici und Stadt-Physici zu Helmstädt
d. 14. Jan. 1700 .
ES ist noch nicht gar lange / da der wehrte Mann / welchen wir itzo den letzten
Dienst erwiesen / ich meyne der Weyland Wohl-Edle und Hocherfahrne Herr / Herr
Johannes Schmiedius , Medicinae Licent . auch wolbestalter-Land-Medicus und bey
dieser löblichen Sadt Helmstädt wol-verdienter Physicus , ich sage / es ist
nochnicht gar lange / daß Er mich ersuchte seiner an einem gewissen Orte in
besten zu gedencken ; Itzo soll ichs wieder thun / aber nicht Er selbst / denn /
wie sie wissen / Er ist schon todt / sondern andre haben mich darum ersuchet .
War ich denn jenesmahls unglücklich / daß ich ihm seinen
Zweck zu erhalten nichts beytragen und
nach Wunsche dienen kunte / so bin ich itzo gewiß unglücklicher / da ich dienen
kan und dienen soll . Denn einmahl wünsche ich / er lebte noch / so dürffte er
meines Dienstes nicht / und mit seinen Diensten wäre noch wol vielen viel
gedienet / andern theils / überzeuget mich mein mir selbst bewustes Unvermögen /
daß ich diese wehrtgeschätzte Versam̃lung in keinen Stücke
vergnügen möchte / gewiß / ich wolte wol mit Cicerone sagen : Mallem hic audire
quam audiri . Zwar etwas wüste ich wol / das mir Gedancken genug zuwerffen / und
meinen Vorhaben solte zu statten kommen / wenn ich des Guten / so der Sehl. Hr.
Licent . an sich hatte / rühmlich gedencken wolte / zweifle auch nicht / was man
in seinem Leben an ihm aestimirte / werde man auch nach seinem Tode gerne von
ihm hören . Grosse Redner-Kunst bedürffte ich auch nicht dazu / sondern dessen
blosse Erzehlung wäre schon genug bey Ihnen diese stillschweigende Klage zu
erwecken : Immer Schade / daß ein solcher Mann schon in die Erde und mit ihm so
viel gutes soll verscharret seyn ; Allein seine sonderbahre Erudition und viele
Erfahrung / Seine behutsame praxis und vielfältig glückliche Curen / Seine
sorgfältige Vorschläge / die wegen Armuht nicht wol verpflegte Krancken besser
zu verpslegen / würden / jedes nur kürtzlich zu berühren / viel Zeit erfordern ;
wenn ich nun etliche Stunden von den abgewichenen Tage zürück ruffen könte / so
wolte ich dieses anfangen / so aber heist mich die einbrechende stille Nacht
auch hiervon stille seyn . Die auch sonsten in dergleichen Traur-Versamlungen
reden müssen / pflegen die hinterlassene leydtragende Anverwandten mit Trost
auffzurichten / aber auch diese Quelle etwas zu reden ist mir verstopffet / wo
ich nicht Lufft-streiche thun und mich mehr nach
der Gewohnheit als Nohtwendigkeit
richten wolte . Hie ist ja kein Vater der Leyde trägt ; hie ist keine Mutter / die
einen wolgerahtenen Sohn bedauret ; hie ist keine Wittwe / die ihren Mann
beseuffzet ; hie sind keine Kinder / die das Grab ihres Vaters mit Thränen
benetzen ; Anverwandten sollen noch vorhanden seyn / aber ich müste starck ruffen
/ wenn mich dieselbe hören solten ; Ja ist mir recht / so höre ich diese Worte :
Dieß sind lachende Erben / die werden wol leicht zu trösten seyn . Aber stille /
da ich von lachenden Erben höre / höre ich ein Wort / welches mir zu mehren
Worten Anlaß giebt . Ich wil / wenn ich mich einer kleinen Gedult von M. H. A.
versichern kan / beweisen / daß unsere Leiche eine belachte Leiche sey .
Sonst weiß ich wol was weyse Heiden gesagt : De mortuo non riseris ; ich weiß auch
wol was Syrach fordert / wenn er spricht : Mein Kind wenn jemand stirbet so
beweine ihn . Und die / welche Rom gesehen / wollen auf alten Grabsteinen diese
Worte angemercket haben : Cum lacrymis posuere , man hat diese Leiche mit Thränen
hieher gesetzet . Sonder Zweiffel zielen diese Worte auf die Gefässe so man
vorzeiten mit Thränen gefüllet / und bey die Asche der todten Cörper in die so
genandte Urnas oder Leichen-Töpffe gethan ; Wenn denn die Steine von den
wehmühtigen Thränen der Heyden noch Zeugniß geben / und wenn es bey ihren
Leichen hieß cum lacrymis posuere , So müste es traun bey Christen nicht heissen :
Cum risu posuere . Dessen aber ungeachtet / so sage ich doch : Unsere Leiche ist
eine belachte Leiche . Mein wer solte es aber wol seyn / dem Sie ein Lachen oder
Freude zugerichtet ? der ist es / welcher bey diesem Tode ein Grosses zugewinnen
meinet ; der Tod .
Ich erinnere mich hiebey eines Gemähldes / welches ein
gewisser Autor in Italien will gesehen
haben . Es stellet solches das Bild des Todes vor / so wie er ins gemein pflegt
abgebildet zu werden / nemlich unter einen abgefleischten Menschen-Gerippe /
doch mit einer gantz lachhafften mine . Und eben hierin hat der Meister seine
Kunst wollen sehen lassen / daß er an einen beinigten Todten-Kopff ohne Augen /
ohne Fleisch und Haut / dennoch die Geberden eines lachenden gantz kentlich
vorgestellet . Was er aber bey seinen Todten-Kopff vor Gedancken gehabt / ist uns
unbekand / jedoch wenn er noch lebte und nicht zu weit von uns wäre / möchten
wir ihm bitten / daß er seine Kunst nochmahl sehen liesse und den Tod auff das
Grab unsers Sehl . verstorbenen Hn. Lic. mahlete / aber auch mit lachenden und
frölichen Geberden / ich wolte denn einige Worte hinzu setzen / als weñ dieselbe der Tod zu dem Todten reden solte : Nocuisti , non
nocebis , du wirst mir nun keinen Schaden mehr thun .
Oder ! Bistu nicht lachens wehrt / du hilffest aus der Noht So viele andere / nun
bist du selber todt .
Denn in Wahrheit ( dafern mir von dem Tode also zu reden erlaubet ist ) möchte er
wol in langer Zeit nicht so frölich gewesen seyn / als eben itzund / da ihm ein
solcher vortreflicher Artzt in die Hände köm̃t / der ihn nun
etliche 20. Jahr her so manchen aus den Händen gerissen / ich will sagen / so
viel 100. Menschen durch seine glückliche Curen von dem Tode befreyet . Anfangs
muchte es ihm der Tod wol nicht vermuhten seyn / daß dieser ihn dermahleins so
grossen Abbruch thun würde . Sein Herkommen war schlecht und geringe / und mit
gantz Armseeligen Behelff muste er sich herdurch bringen . Aber um so viel mehr
verdroß es so zu reden dem Tode / da er sahe / daß es dem Sehl. Hn. Lic. so wohl
glückte /
und er ihm einen Streich nach
dem andern versetzte . O betrogner Menschen-Fraß / daß du auff das geringe
Herkommen sahest ! wer fraget doch groß darnach / wo das Getreyde gewachsen /
wenns an sich nur gut ist . Die anmuhtige Viole riecht nichts destoweniger
lieblich / ob sie schon an den niedrigsten Oertern und dunckeln Thälern wächset
/ dahingegen eine pralende Käyserkron mit ihrem Geruch keinen belustiget . Die
niedrigen Gestirne haben in der Unter-Welt den stärcksten Einfluß / da hingegen
von den Allerhöchsten Fixsternen wenig zuhoffen . So wird ja auch mancher zum
Wechselbalg seines Geschlechts / und verunehret sein Wolgebohren-seyn mit übeln
Verhalten . Da hingegen ein ander seinen geringen Stand durch sein preißwürdiges
Bezeigen ansehnlicher macht . Da nun auch dieses letztere der Tod an dem Sehl.
Hn. Physico wahrnehmen muste / was meynen Sie ? Solte er wol nicht ihm schon
vorlängst die Freude gewündschet haben die er itzo hat / da der gestorben / der
so viel andere nicht wollen sterben lassen ? Noch mehr mehrte sich der Haß des
Todes gegen diesen Sehl . Verstorbenen / da derselbige zu einem Physico bey
dieser wehrten Stadt bestellet worden / und also sich darauff verschwohren hatte
/ daß er dem Tode wolte Abbruch thun so viel er immer könte ; Noch mehr da er
ohnlängst auch zum Land-Physico wurde angenommen . Traun so sehr sich hierüber
seine gute Freunde freueten / und ihn dazu häuffig Glück wünscheten / so
verdrießlich war es dem Tode / denn ja alles darauff angesehen / daß der
Todten-Gräber nicht viel zu thun haben / und der Tod nun nicht allein in der
Stadt / sondern auch auff dem Lande gehindert werden solte / seine Sichel
anzuschlagen . War ihm aber dieses zu einer Zeit ungelegen / so war es gewiß
diese Zeit / da die ungesunde Witterung manchen auffs Bette wifft / und
das kranck-seyn fast zu einer mode
werden will . Da gedachte er nun ; du must derer einen aus dem Wege räumen / die
da verursachen / daß bey so vielen Krancken deñoch wenig Leichen
sind . So machte er sich denn an unsern Sehl . H. Physicum , als dessen Ziel
welches ihm GOtt gesetzet hatte war herbey kommen / dem muste es gehen wie eine
Fackel / welche die Flamme / die von ihr erhalten wird / selbst verzehret / von
der es heißt : Servantem perdit .
So wird / was schützet und ernehret An statt des Danckes selbst verzehret /
Da er aber geschäfftig war andere aus dem Lager herauß zu helffen / muste er
selbst das Lager suchen / und da er erstlich lag / bald gar erliegen / darüm
belacht der Tod nun seine Leiche und spricht : Nocuisti , non nocebis . Aber lache
nur Tod so viel du wilt / ist mir recht / so höre ich den Verstorbenen aus
seinem Grabe wieder zu dir einlachen und sagen : Nec nocuisti nec nocebis .
Tod mir kan der Tod nichts machen / Deines Lachens muß ich lachen .
Es solte zwar anscheinender Billigkeit nach / der unbescheidene Tod die Freude
nicht haben / diejenigen in seine Gewalt zu bekommen / die so manchen von dem
Tode helffen ; Allein / weil es einmahl dahin gekommen / daß alle Menschen / so
das Leben haben / sterben müssen / so sind freylich auch alle Herren Medici
unter diesen allen mit begriffen . Endlich wird der Doctor sein eigener patiente
/ und wenn diß Symptoma dazu kom̃t ; daß Gott über den Patienten
den Tod verhänget hat / so hilfft kein Helffen mehr und bleibt dabey / was der
trefliche Medicus Hippocrates geschrieben : Morbi si aliquid divini habent curari
non possunt . So hat sich denn der Sehl. Hr. Licent . dieses auch freylich müssen
vermuhten seyn / daß
andere / welche
durch seine Hülffe wol eher dem Tode entloffen / ihn todt zum Grabe begleiten .
Indessen lachet gleich der Tod über seinen Tod / so weinet der Sehlige gewiß
auch nicht darüber / Er kan mit allem fug von sich sagen / was man bey die
verfinsterte Sonne schreiben möchte : Nil mihi sed orbi demitur ,
Was hier wird hingerissen / Das muß die Welt nur missen .
Ja gewiß / er misset itzo die Welt nicht / sondern die Welt misset ihn / und an
ihm einen guten Medicum , denn wenn einer den Nachruhm / daß er sich um seinen
Nechsten wol verdient gemacht / in seinem Tode hinterlässet / der gibt dem Tode
das geringste Stück zur Beute . Seine Dienste scheinen der danckbahren Nachwelt
in die Augen / Seine Seele freuet sich mit dem Chor der Außerwehlten und der
Leib soll auch dermahleins mit him̃lischer Klarheit auß seiner
Ruh-stätte wieder hervorgehen . Man streue mir hier nicht ein / die Fehl-Tritte /
davon der Sehlige berüchtiget / ob auch überzeuget weiß ich nicht . Die dieses
thun wolten / denen ruffe ich zu die Worte / welche jener bey einem Thier
Hyaena , welches sich bey den Gräbern soll auffhalten / geschrieben : Jam parce
sepulto ,
Was das Grab bewohnet / Laß doch nun verschonet .
Die Erde bedecket nun seinen Leib / Sie mag seine Fehler mit bedecken . Ende gut
alles gut . Hat er Sünde gethan / so hat er sie bereuet ( ich beruffe mich deßfals
auf seinen Herrn Beicht-Vater ) und von GOtt Vergebung erhalten / und ist also
nicht in seinen Sünden / sondern aus seinen Sünden dahin gerissen . Denen aber /
die nicht auffhören / ihm und andern Todten übel nachzureden / denen hat dieser
Sehl . Medicus diß Recept hinterlassen : Nosce teipsum .
Nun lacht denn der Tod über ihm / so lacht auch seine Seele mit den H. Engeln /
die sich freuen über einen Sünder der Busse gethan .
Man hat in seinen Papieren ein Buch gefunden / darinnen der Sehl . seine Sostra ,
oder was ihnen von seinen Patienten von Tage zu Tage gereichet worden /
angeschrieben / biß an den 21. Decembr . des nechst verwichenen Jahrs ist er
kommen . Es ist aber noch Raum da / und wenn der Wohlsehl . Mann nun noch etwas
hinschreiben solte / würde es gewiß dieses seyn : Den 7ten Ian. 1700 hat mir mein
GOtt gegeben den Himmel und die ewige Seeligkeit . Indessen bin ich auch deß wol
versichert / ob gleich dieser Tod dem Tode annehmlich gewesen / so betrübt er
doch gewiß viele Lebendige . Es beklagen seinen Verlust seine gute Freunde . Es
beklagen ihm diejenige / welche ihn ihre Gesundheit hatten anvertrauet ; und wenn
ich sonst keinen Zeugen seines Nachgelassenen Verlangens hätte / So ist es die
Gegenwärtige hochgeschätzte Versammlung / weil ja dieselbe / da der in GOtt
Entschlaffener nunmehr von dem Anschauen der gantzen Welt hinweggegangen / ihm
nachzufolgen und biß in das Grab nachzusehen sich gütigst gefallen lassen . Nun
sein verschlossener Mund saget durch meine Wenigkeit hievor unterdienstl . Danck
/ und wünschet / daß da seine Hülffe ihnen nun entzogen / der Höchste sie noch
lange Zeit bey solchem Zustande friste / daß sie seine Hülffe nicht missen / und
wie er der gewöhnlichen Redens-Art nach lachende Erben hinterlässet / so
wündschet er und ich / daß sie mit ihm auch dermahleins lachende Erben des
Himmels werden .
Der durchs Verliehren Gewonnene Process In einer
Abdanckungs-Rede vorgestellet bey dem Begräbniß Des S. T. Sehl .
Hrn. Hildebrands / Juris Practici und berühmten Consulenten in Helmstädt d.
18. Jan. 1700 .
HAbe ichs nicht vor dreymahl 24. Stunden gesagt / daß alles was da lebet sterben
müsse ? damahls traffs einen Medicum , itzo einen Juristen : den weyland Edlen und
Hochgelahrten Herrn Laurentium Michael Hildebrand / wolbekanten Juris Practicum
und berühmten Consulenten allhier . Dieser muß ja auch mit seinem Exempel
bestätigen / wie das allgemeine Gesetz der Sterblichkeit niemand von seiner
strengen Ordnung ausnehme Muste jener mitten unter seinen Curen und
Recept-schreiben dem Tode gleichsam das letzte Recept verschreiben / etwa dieses
Inhalts :
Recipe Corpus Physici Carnem Membra Ossa Cutem Detrudantur in sepulchrum , fiat
pulvis .
So muß dieser mitten auß seinen Acten herauß gerissen werden . Warum ? Er bekam
einen Process , darüber er alle Acten muste liegen lassen . Wurde jener Medicus
endlich sein eigner Patient , so muste dieser Advocat endlich sein eigner Cliente
werden . Beyde aber sind darin glücklich / daß sie dem Ansehen nach / in ihrer
letzten Praxi unglücklich gewesen . Dem Medico starb der Patiente / aber durchs
sterben ward er so gesund / daß er nimmer wieder kranck werden kan ; des
Advocaten Client muste den Process verliehren / aber dabey einen Process
gewinnen / der ihm in Ewigkeit gut thun wird. M. H. A. haben ihnen die grosse
Mühe genommen / und Zuschauer und Zeugen davon seyn wollen / daß diesem
Rechts-gelahrten sein Recht wiederfahren und seine Gebeine zur Ruhe gebracht
werden / davor soll ich nun dancken . Ehe ich aber dieses thue / muß ich zuvor
etwas von dem Sehl . Verstorbenen reden / und zeigen / daß er solcher Mühe noch
wol wehrt gewesen . Ich sehe zwar gerne daß diß ein ander thäte / denn ich bin
ein Teologus , dieser Sehl . Advocat aber hätte wol einen Advocaten nöhtig / der
in gewissen Stücken seine Unschud rettete . Zwar seine Profession selbst macht
ihn schon bey der unbilligen bösen Welt verdächtig / denn er war unter denen /
die da müssen immer im Streit leben . Er war ein Jurist . Nun ist das Sprichwort
wol bekant / weches aber ( ich setze dieß mit gutem Bedacht ) welches / sage ich /
von unverständigen Leuten auffgebracht / die unter schwartz und weiß / und
zwischen dem Gebrauch und Mißbrauch eines Dinges nicht zu unterscheiden wissen /
da es heist : Juristen böse Christen . Ist aber gut / daß diese enunciatio nicht
universalis ist / und müssen das wol böse Christen seyn / die von allen Juristen
ohne Unterscheid also urtheilen wolten . Denn ob es zwar wol viele geben möchte /
auff welche sich das Sinn-Bild jenes klugen Kopffes nicht
uneben schickte / da er zwey Juristen
mahlete / welche gleich denen Wäscherinnen ein nasses Tuch außwrungen / und so
lange der eine hie der andre dorthin dreheten / biß nicht ein Tropffe darinnen
blieben / mit der Beyschrifft : Studia in contraria .
So sey doch GOtt dafür / daß man deßwegen den gantzen Orden und Herren Juristen
solte böse heissen ; Es gibt auch Untheologische Theologos , die nicht glauben
oder thun was sie lehren / ja offte so krumme Causen und Sprünge machen / als
nimmermehr ein Juriste thun mag / soll man deswegen insgemein von ihnen allen so
liederlich urtheilen ! Wann in einem Beutel voll Ducaten einige falsche mit unter
wären / wolte man sie deswegen alle wegschmeissen ? Wann in einem schönen
Diamanten-Schmuck einige Böhmische Steine mit untergestecket wären / wer wolte
deswegen den gantzen Schmuck wegwerffen ? Wer Böses thut wird seine Last tragen /
und seinen Lohn schon bekommen . Wie es dißfals um unsern Sehl. Hr. Hildebr. in
seiner bißherigen praxi stehe / weiß GOtt am besten . Was Menschen sagen /
darauff kan man nicht bauen ; Omnis homo mendax : Man leugt gerne auf die Leute ;
und wie es den lieben GOtt mit dem Gewitter gehet / daß ers nimmer allen kan
recht machen / so gehet es auch offt den Herren Richtern und Advocaten mit der
haberechtischen Welt ; Laudantur ab his , culpantur ab illis . Laß es aber seyn /
daß er auch das Recht zuweilen bey der wächsern Nase gekriegt / und es nach
seinen Willen zu drehen gesuchet / so sage ich : wer will einen Reinen finden /
da keiner rein ist . Er hat auch viel gutes an sich gehabt / und offte / was
andre ihren nothleidenden Nächsten verdrehet hatten / wieder gleich gemacht .
Ich habe aber eben erwehnet / daß der Sehl . zu guter letzt noch einen Process
bekommen / darüber er alle andere Acten müssen liegen lassen / davon / wenn ich
mit ihrer Ver-
günstigung darff /
wil ich noch etwas reden / und Zeuge seyn / daß er diesen Process durch Gottes
Gnade redlich geführet und ausgeführet / doch aber dabey etwas verlohren / aber
viel gewonnen . Die Sache ist wehrt zu hören / weil wir alle an diesen Process
müssen .
Sein Widersacher war der Tod / zu dem schlug sich des Todes Vater der Teuffel ;
der Tod machte Forderung an des Sehl . Verstorbenen seinen Leben / er gab ihm
schuld / daß er gesündiget und dadurch den Tod verschuldet hätte / allegirte vor
sich den legem Rom . V. Der Tod ist zu allen Menschen hindurch gedrungen / weil
sie alle gesündiget haben / der Tod ist der Sünden Sold ; der Beklagte kunte die
Schuld nicht leugnen / bevorab da sein eigen Gewissen sich zu seinen Gegenpart
schlug / und dessen Zeuge wurde / doch bat er anfangs dilation , und excipirte :
Ich bin noch jnng / man lasse die Alten erst sterben ; Der Tod begehrte
probationem , daß die Alten nothwendig eher als die Jungen sterben müsten /
hieran fehlete es / doch versuchte es der Beklagte noch einmahl : Ich bin noch
viel nütz auff der Welt . Kläger antwortete : dem ungeachtet / ist der Zustand
deines Leibes so beschaffen / daß du nicht länger leben kanst / dein Ziel ist
herbey gerücket . Bat deswegen um den Richterlichen Spruch ; Ehe dieser aber
abgefasset worden / gab der Satan auch seine Klag - libel ein / und wolte das
beste von der Beute haben / die Seele ; Er machte diesen Schluß : Wer Sünde thut
der ist vom Teuffel ; dieser lex ist klar / 1. Joh. III , 8. Dieser Mensch hat
Sünde gethan / so gehöret er mir zu / den Leib will ich endlich dem Tode
überlassen / die Seele aber lasse ich mir nicht nehmen . Diese Klage wurde nun
Beklagten communiciret ; Aber ach ! er hatte nichts zu seiner Justification
einzuwenden / die Zeugen so er wider sich hatte / waren omni exceptione majores :
das Allsehende Auge
Gottes / welches
nicht irren / die Engel / welche nicht liegen / sein eigen Hertz das nicht
triegen kan / und mehr gilt als tausend Zeugen . Diese alle nahmen kein Blat fürs
Maul / sondern sagten trucken herauß : Ja / ja du hast gesündiget . Er sahe die
Gerechtigkeit seines Richters an / Er sahe sie an / als eine accurate Wage /
davon es heist : Suum cuique . Kunte also kein anders als widriges Urtheil
empfangen ; Mercklich war es / daß dem Sehl . Verstorbenen dieser Process in Traum
war vorgekommen / wie er ihn mir selbst / da ich ihm heute vor acht Tagen
besuchte / zwar mit etwas verwirreten Gedancken / doch deutlich erzehlete / aber
/ setzte er hinzu : Weiß er was ? ich will von dem Urtheil leuteriren und hernach
appelliren . Etwa eine Stunde darnach / gab Gott die Gnade / daß er seine durch
die Kranckheit bißher gehemmete Vernunfft / völlig gebrauchen kunte / da nahm er
willig an / daß ich ihm dessen erinnerte / worzu er sich vorhin erkläret ; Ich
schlug ihm darauff in seiner Bibel / in welcher er / sonderlich im N. T. die
Kernsprüche unterstrichen hatte / in dem Propheten Jes. cap. I. die Worte auf /
da GOTT saget : Kom̃t und last uns mit einander rechten / wenn denn
eure Sünde gleich blut-roht ist / soll sie doch schneeweiß werden / und wenn sie
gleich ist wie Rosinfarbe / soll sie doch wie Wolle werden ; Applicirte ihm
dieselbe / darauf resolvirte er sich alsobald / ja ich muß an den Process an /
ich wil ihn aber mit GOtt glücklich außführen . Er hielt auch redlich Wort . Er
wuste sich aber als ein in dem Articulvon oder Rechtfertigung wolgegründeter
Christ wol zubescheiden / daß er sich nicht entschuldigen / sondern selber
richten muste / weñ er in diesem Rechtshandel fortkommen wolte /
das that er auch alsobald / er ward sein eigner Fiscal , klagte sich selber an /
daß er ein grosser Sünder / und sagte es seinem Widersacher den Teufel in die
Augen / daß er ihn zu dieser und jener Sünde / die er mir auch / als seinen
Beicht-vater offenbahrete / verführet .
Retractirete aber alles durch hertzliche Reue / und bezeugte einen Haß wider
alles Böse das er vorhin geliebt . Und da er nun wol sahe / was für ein Urtheil
folgen möchte / hieß ich ihn appelliren von dem Thron der Gerechtigkeit / zu dem
Thron der Gnaden / schlug ihn den vortrefl . Advocaten vor / welchen Joh .
recommendiret 1. Ep. II . Ob jemand sündiget / so haben wir einen Fürsprecher bey
dem Vater / JEsum Christum / der gerecht ist / der ist die Versohnung für unsere
Sünde . Diesen nahm er deñ mit hertzlichen Seufftzen und Gebet an
/ und da muste seine Sache einen andern Schein gewinnen . Er kunte unmöglich
verliehren / denn dieser sein Advocat war selbst sein Bürge worden / und hatte
vorlängst schon vor alle seine Sünde richtig mit seinem Blut und Tode bezahlet .
Da fieng nun gleichsam Satan und sein Advocat wider einander an zu recessiren .
Jener sagte : Peccavit , JEsus : ego lui . Jener rieff um Rache / dieser um Gnade ;
Jener sagte / er ist des Todes schuldig / dieser / wer will verdammen ? Ich habe
diesen gerecht gemacht . Es ist nichts verdam̃liches an denen die
in Christo JEsu sind / darauff wurde denn in den Gnaden-Thron diese Definita
oder End-Urtheil abgefasset :
In Sachen des Satans und Todes als Klägern contra Laur . Mich . Hildebrand
Beklagten wird hiemit aus Gnaden vor Recht erkandt / daß / ob zwar dieser der
ihm zugelegten Beschuldigungen überführet / dennoch weil sein Advocat und
zugleich sein Bürge JEsus Christus sich seiner angenommen / seine Sünden mit
seinem Blut und Tode gebüsset / und Beklagter solches mit wahren Glauben
ergriffen / derselbe hiemit und Krafft dieses von allen seinen Sünden loß
gesprochen werden / und vor wie nach ein Kind und Erbe des ewigen Lebens seyn
und bleiben solle . Doch weil Beklagter zu völliger
Possession seines Erbes nicht gelangen
kan / es sey deñ / daß dessen Seele aus dem Kerker des Leibes /
darinn sie itzo behalten wird / erlöset werde / so soll dem Tode hiemit Macht
gegeben seyn / das Band zwischen Seel und Leib auffzulösen / den Leib mit ins
Grab zunehmen biß an den jüngsten Tag / die Seele aber befehlen wir den Engeln
zu tragen in Abrahams Schooß . Decretum in pleno consessu der H. Dreyfaltigkeit
von Gnaden und R. W.
Ich als ein Botte meines GOttes muste diesen Spruch den Wolsehl . insinuiren / und
ihm die Absolutionan GOttes statt ertheilen / hengte auch das Siegel / nehmlich
den wahren Leib und Blut J. C. daran. O freudiger Außgang eines so mißlichen
Processes ! O glücklicher Verlust dabey so viel gewonnen ! Wer war froher als der
Sehl . Herr Hildebrand , wie willig war er / wenn GOtt über ihn so beschlossen /
den Process mit dem Tode zu verliehren / seinen elenden Leib demselben zu
überlassen / da er wider den Satan gewonnen . Nun die Execution ist geschehen .
Sage aber einer / daß unser Wohlsehl . kein guter Jurist gewesen / da er diesen
schweren Process gewonnen . Und solte er ja in dieser Welt / einiger Meynung nach
/ nicht allezeit als ein guter Jurist gelebet haben / so ist er doch als ein
guter Christ gestorben / da will ich vorstehen / und wünsche nichts mehr / als
daß alle / denen ich gut bin ( Ich bin aber ihnen allen von Hertzen gut ) mit
solcher Andacht in ihrem Tod-Bette ihre Sünde bereuen / wie er sie bereuet / und
das Blut JEsu geniessen / wie ers genossen hat .
Dieses aber / was ich bißher geredet / muß billig denen / die etwa über seinen
frühzeitigen Tod möchten betrübt seyn / an die Hand geben / womit sie sich
auffrichten können . Wie können sie doch anders als denjenigen willig ziehen
lassen / der seine Sache dergestalt ausgeführet . O wie wol ist nun dem Sehl .
verstorhenen / daß er auß allen Rechten und Fechten nun auff einmahl
herausgerissen / und zum Friede gebracht worden . Die bißher seine Clienten
gewesen / werden ihn aber nicht verdencken / daß er ihre Sache nun liegen
lassen . Proximus ipse sibi erat , da er seine eigne Sache kunte zu Ende bringen /
wie solte er das versäumen . Er ist nun an dem Ort davon es heist / was jener
über dem Berg Olympum , darauff man keinen Wind oder Ungewitter spühren soll /
geschrieben : Ultra turbas . Und hat er gleich etwas verlohren / ich meyne den
irrdischen Cörper /
so hat er 1000
mahl so viel davor gewonnen / den gantzen Himmel . O unvergleichlicher Gewinn !
ich wolte daß der Himmel mit Worten könte beschrieben werden / so wolte ich itzo
so viel davon reden / als ich immer könte / deñ das weiß ich : In
coelo non datur hyperbole . O deñ lucrosa jactura ! so heist es
wenn der Schiffmañ das was das Schiff beschweret auswirfft / sein
Leben aber und das beste salviret / so heist es auch wenn man den Leib der Erden
/ die Seele den Himmel lieffert .
Aber noch eins fällt mir hierbey ein . Bey den Hircanern soll vor diesen die
Gewohnheit gewesen seyn / daß man die todten Cörper gewissen Hunden vorgeworffen
/ welche man dazu gehalten und Canes sepulchrales genennet . Ich nenne solche
Canes sepulchrales , solche Leichen-Hunde / diejenigen / welche sich nicht
gescheuet den Sehl . mit allerhand Lügen sowol auff seinen Tod-Bette als auch
nach seinem Tode zuzusetzen . Die welche die Anfänger hievon gewesen / mögen GOTT
ja bitten / daß er sie auff ihren Todbette nicht erfahren lasse / was sie so
schändlich von dem Sehl . gelogen . Es ist ja nichts neues / daß Leute / an deren
Frömmigkeit niemand zweiffelt / in delirio , welches die Kranckheit mit sich
bringet / härtere Worte reden / und sich ungebührlicher bezeigen / als der Sehl .
Verstorbene gethan . Indessen glaube man mir / als einem Diener GOttes / daß
alles was ich obgesagt / die Warheit sey .
Doch was gehen uns die gifftigen Fliegen an / welche sich um die Wunden der
Pferde setzen / von denen es heist : Tantum ulcera lambunt . Diese
Hoch-ansehnliche Versam̃lung hat mit ihrer höchst-angenehmen
Gegenwart bezeugen wollen / daß sie eine bessere Opinion von dem Sehl . gehabt /
da sie dessen Leiche so ansehnlich auß der Welt begleiten wollen . Dessen
hinterbliebene Anverwandten sind davor höchlich verbunden / und sagen durch
meinen Mund unterdienstl . Danck : Solten sie in der That selbst danckbahr zu
werden keine Gelegenheit hahen / so wünschen sie allen / denen es noch gut seyn
möchte in der Welt eine Zeitlang zu leben / daß sie noch lange nicht sterben
mögen .
Solte aber der Sehl . als ein guter Consulent auß seiner Grufft noch ein Consilium
und dabey einen Wunsch ertheilen / so würde das Coniilium dieses seyn ; daß ein
jeder die Acten seines Lebens heyzeiten revidire / und sehe wie er ihm im Himmel
favorabilem judicem erwecke . Der Wunsch aber ! daß sie in der Welt nimmer einen
Advocaten nöhtig haben / und den Process vor Gottes Gericht eben so glücklich
als er endigen mögen .
Das Wol-justificirte Lebens-Register Des Sehl .
Hrn. Anthon Ludwig Rösers / Gewesenen Hoch-Fürstl. Braunschw. Lüneb.
Amptschreibers zum Dannenberg / Bey dessen Beerdigung den Leich-Begleitern In
einer
Abdanckungs-Rede vorgeleget d. 17. April . 1700 .
Tit. Tit. Tit .
STirbt der Artz / wer wil dem Patienten was Neues machen ? Der seelige Herr Anthon
Ludewig Röser / Weyland Hochfl. Braunschw. Lüneburgischer Wohlbestalter
Amptschreiber des Hoch- fürstl . Ampts Dannenberg / welchen wir itzt von der Erde
dahin begleitet / wo er Erde werden soll / kan dießfalls zum traurigen Exempel
dienen . Dieser kam vor einigen Wochen kranck zu uns / in der Hoffnung / gesund
wieder von uns zu ziehen / suchte deßwegen einen Artz / der Raht und That hierzu
ertheilen könte ; fand auch was er suchte . Aber siehe / da die Cur kaum
angefangen / so bedurffte der selbst
einer Hülffe / der ihm helffen solte / der Artzt fieng selber an kranck zu
werden / ja hörete leyder nicht eher auf kranck zu seyn / biß er starbt . Da denn
nun der Tod mit dem Artzt so bald fertig worden / gab er denn Patienten schon
einen Winck / daß die Reyhe nun an ihm auch kommen solte . Doch war der eine
Artzt gleich gestorben / so bemühete man sich um andere / und diese spareten
auch keine Mühe und Kunst / den unbescheidenen Tode das concept zu verrücken ;
Aber die Mühe war umsonst und die Knnst vergebens angewand ; Ja hätte der
Patiente nur die Kranckheit / und nicht den Tod schon mit nach Helmstädt bracht
/ möchte er das Leben haben davon gebracht / so aber sprach ihm schon seine
Kranckheit das Leben ab / und wolte ihn erfahren lassen / was jener vornehme
Herr auf seinen Todt-Bette sagte / da er die umstehende rahtschlagen hörete /
welchen Doctorem man brauchen solte : Daß ein kühles Grab der beste Doctor sey .
Denr er starb .
O unglückseeliger April-Monat ! du solt ja sonsten bey den Römern den Nahmen ab
aperiendo , von eröffnen bekommen haben / weil in denen dir zugeeigneten Tagen
die Erde ihren Schooß eröffnet und die schönsten Blumen hervor giebet ; Ich
streite diese Etymologiam gar nicht / aber das sage ich : Bey uns öffnet sich
leyder ! die Erde mehr dann zuviel / die schönsten Blumen einzunehmen . Ach ja du
schwartze Erde nimst bey uns beßre Kronen in diesem Monat ein / als du hervor
bringest / ja als in vielen Jahren wieder wachsen möchten man wird davon bald
öffentlich klagen hören . Doch vielleicht geschichts nicht ohngefehr / daß eben
zu dieser Zeit auch der seel. Herr Amptschreiber in deinem Schooß muß verstecket
werden . Seine Tugend und meriten sind dieses Ortes so gar vielen nicht bekant /
weil er aber in der
Gesellschafft so
braver Leute stirbet / soll es von ihm heissen : Noscitur ex sociis , qui non
cognoscitur ex se .
Aber ô unhöflicher Tod ! wie gehst du hier mit fremden Lenten um ? du machst es auf
solche Weise nicht besser wie einige Schlangen in Syria / deren Gifft nur den
Fremden / nicht aber den Einheimischen schaden soll / ja noch schlimmer / denn
du schonest der Einheimschen und der Frembden nicht . Wisse aber daß diese
Hochansehnliche Leich-begleiter von desto grösserer Höflichkeit gewesen / indem
sie einem zwar dem grösten Theils verwandten / doch aber bißher unbekannten
Freunde / die Ehre ihrer Begleitung nicht versagen wollen . Und wie gerne wolte
ich demselben auch vor andern eine Höflichkeit erweisen / und nach seinem Tode
rühmen / was er im Leben rühmliches von sich spüren lassen / wenn ich nur dazu
so viel Worte als Materie / so viel Beredsamkeit als guten Willen / bey mir
finden möchte . Doch weil ich diese Hoch-ausehnliche Versam̃lung
ohne Worte und Dancksagung nicht zuverlassen bin befehliget worden / will ich
mich dessen nicht entziehen / und hoffe ihre Ohren werden sich so gedultig
erweisen / als ich ihr Gemüht gegen mich geneigt zu seyn befunden .
Doch was fällt mir ein ? Ist es nicht jetzo um die Jahrs-Zeit / da der seel. Hr.
Amptschreiber sein Ampts-Register vor Hoch-Fürstl. Kammer zu Zelle jährlich
abzulegen pflegte ? und wäre er gesund : möchte er itzo wohl zu dieser Verrichtung
auf der Reise seyn . Aber wie hat der Tod den terminum anticipiret / und ihn zu
einer andern Rechnung gefodert / die er doch auch richtig justificiret hat . Wenn
denn vormahls bey denn Spartanern in Gebrauch gewesen einem jeden diejenigen
Sachen auf das Grab zu setzen / die sich zu seiner Profession schicketen / als
denen Hirten ei-
nen Hirten-stab /
den Schiffern ein Ruder / denen Soldaten einen Helm u. s. w. Wenn dieser
Gebrauch auch bey uns noch im Gebrauch wäre / wolt ich auch den Sel . ein
Denckmahl auf seine Ruhestäte legen / hiezu aber nichts anders wehlen als ein
geschlossenes und justificirtes Register / welches mit dieser gewöhnlichen
Unterschrifft bezeichnet :
Vidi , Richtig .
Was ist wol eines Christen Leben ? Arithmetica perpetua , ein stetes rechnen und
zehlen . Von der Wiegen zehlet sichs an / und zehlet sich immer hin biß in den
Sarck / da zehlet sichs mit Minuten / mit Stunden / mit Tagen / mit Wochen / mit
Monaten / mit Jahren ; und wer von seinen fatis wolte ein richtiges Register
halten / dürffte nur zwey Rubricken machen / doch zu der einen zehnmahl so viel
Felder nehmen / als zu der andern ; über die kleineste schreiben serena , was
köstlich gewesen ist / über die ander nubila , was traurig gewesen ist / solte er
aber an seinem Ende summiren wollen / würde wohl aus der grossen Rubric diß
facit heraus kommen : ein jeglicher Tag hat seine eigene Plage ; Wenn man meinen
Jammer wöge / würde es mehr seyn / denn des Sandes am Meer . Aus der kleinern der
calculus Davidis : was köstlich gewesen / ist Mühe und Arbeit gewesen . Beydes
zusammen addiret , würde es heissen summa summarum : es ist ein elend jämmerlich
Ding um aller Menschen Leben von Mutter Leibe an / biß sie in die Erde begraben
werden . So ist und bleibet in den Lebens-Register eines redlichen Christen die
Einnahme von der Welt an Capital und Zinsen nichts als Verdruß / Mühe / Undanck
und Verfolgung ; was hat er aber wieder zur Ausgabe zu bringen ? wenn es recht
soll zugehen / nichts als Gedult / Gelassenheit / Liebe und Freundschafst .
So gehet Einnahme und Ausgabe in
GOttes Rechen-Kammer am richtigsten gegen einander auf / und wenn GOtt die
Register so befindet / so zahlet er auch das richtige Salarium , von dem Paulus
saget : wir wissen daß dieser Zeit Leyden nicht wehrt sey der Herrlichkeit die an
uns soll offenbahret werden . Und was denn dieses Register anbetrifft / so hat es
auch bey dem Hrn. Amptschreiber seine Richtigkeit . Als ein rechtschaffener
Christ hat er auch an solchen schlechten Sorten und schlimmer Müntze / die ich
oben erzehlet / Einnahme genug gehabt / doch hat er / so viel menschliche
Schwachheit leyden wollen / das böse Geld gleichsam ausgewechselt / und gute
Müntze wieder ausgegeben ; ich wil sagen / das Böse allezeit mit Guten überwunden
/ und mit Gedult und Gelassenheit / wie eine Rose unter den Dornen / allezeit
Farbe gehalten / und von Gott nicht abgewichen . Doch sind diß nur so zu reden /
die Pfennig-Register / die gegen andere Register nicht zu rechnen / so wir
Menschen als Schaffner / als Amptschreiber und Verwalter Gottes zu führen haben .
Da findet sich eine Rubric von zehn Einnahmen / welche man auf den Fingern
zehlen kan / als da sind leibliche Güter : Ein ehrliches Herkommen / guter
Verstand / zulängliche Erhaltungs-Mittel / eine gute Ehren-Stelle . Die
geistliche Güter : die Erwehlung von Ewigkeit / die theure Erlösung / die
Wiedergeburth / die Erneurung / die väterliche Regierung / die tröstliche
Hoffnung des ewigen Lebens ; Gegen über ist die Rubric von zehen Ausgaben / die
da sind : ein wahrer und unbe fleckter Gottesdtenst / ein fleißiges Gebeht / eine
danckbahre Erkäntlichkeit der Gaben GOttes / derselben Beruf-mässiger Gebrauch /
Demuht / Sanfftmuht / ehrbahrer Wandel / fleißige und treue Ampts-Arbeit /
Aufrichtigkeit und Ver-
gnügsamkeit . Nun wie stehts um dieses Register mit unserm seel. Hr.
Amptschreiber ? Treflich wol / das vide & approbavi stehet darunter . Die
Einnahme ob-erzehlter Güter hat er niemahls geleugnet . Vielmehr hat man die so
wol geistliche als leibliche von Gott empfangene Güter in seinem guten
Christenthum und Preißwürdigen Bezeigen gegen GOtt und Menschen wie in einem
lebendigen inventario lesen können . Sein biß in den Tod beständiger Glaube /
seine bey Lebens-Zeiten verspührete ungemeine Christen-Tugenden / sein seeliges
Ende bezeugen / daß er ein erlösetes / ein wiedergebohrnes / ein von GOtt
regiertes GOttes-Kind ; Seine Gottesfurcht / seine Redlichkeit / seine
Leut-seelige Freundlichkeit gaben gnug zu erkennen / daß er ein Sohn / des
weyland frommen Theologi Jacobi Nicolai Rösers Consistorial-Rahts und
Superintendenten zu Quedlinburg / dessen Nahm und Nuhm in vieler Hertzen und
vortreflichen Schrifften verewiget bleiben wird / und ein Bruder der theils
verstorbenen theils noch lebenden Herrn Rösers gewesen . Wittenberg und Jena
rühmen seinen Fleiß / die Hoch-Fürstl. Oberhauptmanschafft und deren theils in
Gott ruhende theils noch lebende vor gesetzte hohe Ministres liebeten und
betrauren nunmehr seinen unvergleichlichen Verstand . Die Hochfürstl. Cammer zu
Zelle verlieret einen Diener / deßen Treu und Fleiß sie mit einer offenen
Schrifft gerühmet / und mit einer ansehnlichen Amptmanns-charge ehestens zu
belohnen unter Fürstl. Insiegel versprochen hat / und ich zweiffele nicht die
Hochfürstl. Ampts-Unterthanen / die nunmehr die traurige Post von diesem
Todes-Fall werden gehöret haben / würden gerne wenn es müglich wäre ihren so
sanfftmühtigen und mitleidigen Herrn Amptschreiber mit Thränen suchen wieder
lebendig zu machen .
So hätte dann auch
dieses Ampt-Register in foro soli seine Richtigkeit . Wie stehets aber in foro
poli ? Allerdings auch richtig ; denn da der Sehl . seine Reise hieher zu thun ihm
vorgenommen um einen Artz vor seinen krancken Leib zu suchen / war er auch
billig bedacht auff einen Artzt seiner Seelen / und obgleich der terminus zu
seiner Ampts-Rechnung noch nicht verhanden / wolte er doch die Lebens-Rechnung
vorhin richtig machen . Er sahe die Register an / die obangeführte geistl. als
leibl. Güter waren eingenommen / diß war unstreitig / die Ausgabe war auch zwar
da / wenn er aber von derselben subtrahirete was von vorsetzlichen Sünden / was
von menschlichen Fehlern gegen GOTT und den Nähesten mit untergelauffen / so
bliebe eine grosse Schuld im Reste / dieselben multiplicirete sich mit der
unendlichen Majestät die beleidiget war : dadurch wurd auch die Schuld unendlich
/ und bey sich fand er nichts womit er den geringsten Heller bezahlen könte ; was
Rahts ? Was ihm an eigener Gerechtigkeit in seinen Registern mangelte / das
ersetzte er mit der volkommenen Gerechtigkeit JEsu Christi / der mit seinem Blut
die Handschrifft so wider ihn war mortificiret / ausgelöschet und durchstrichen
hatte . Paulus schrieb dort an den Philemonem einen Herrn des Onesimi : So er dir
etwas schuldig ist das rechne mir zu / ich wils bezahlen . Der Sehl. Hr.
Amptschreiber wuste / daß sein Creditor , denn er in Himmel hatte / von seinem
Sohn / eben diese Ver sicherung hätte : So dir Anthon Ludewig Röser etwas
schuldig ist / das rechne mir zu / ich wils bezahlen . Darauff berieff er sich
und empfing die Quitung zusammt / dem Insiegel dem Leib und Blute JEsu Christi
von dem Gevollmächtigten Gottes seinem treuen Seelsorger / noch ehe Er von
Dannenberg abgereiset . Und siehe da / die Zeit
schiene herbey zu nahen / da Er diese Quitung vor dem Richterstuhl
GOttes produciren solte Darum eben an dem Tage / da sein Heyland im Grabe
geruhet / und er mit Ihm hoffete zur Ruhe zu gehen / wolte er auch dieses Ortes
eine neue Versicherung darauff haben / daß sein Creditor im Himmel zu friede
gestellet und seine Rechnung justificiret worden . Wie konte ich anders als
hierin der instruction meines Heylandes Folge leisten / und in dessen Nahmen
unter seine Rechnung das vidi und approbavi schreiben . Und so fehlete nun nichts
mehr / als daß ihm auch der Gnaden-Lohn von GOtt gezahlet wurde . Hiezu muste ihn
ein sanffter Tod abfodern / und seine Seele vor die Rechen-Kammer GOttes führen
/ da sie schon den freundlichen Willkom̃ ihres Erlösers gehöret :
Ey du from̃er und getreuer Knecht / du bist über wenig getreu
gewesen / ich wil dich über viel setzen / gehe ein zu deines HErrn Freude . Nun
lässet er gerne seinen exspectans-Brieff andern über / und nimmt das gewisse vor
das ungewisse . GOtt giebt ihm nicht ein Ampt / sondern den gantzen Himmel da
lauter Einnahme die er nicht berechen darff . O seelige Beförderung ! Jener in
letzten Zügen liegender Mann wurde von den Seinen ersuchet ihnen ein Gedächtniß
zu hinterlassen ; Als er nun nicht mehr reden kunte / wurde ihm Feder und Tinte
gereichet / damit machte er auffs Papier zwey Nullen / ich halte davor er wolte
sich damit erinnern / daß wenn alles auff der Welt zusammen gerechnet würde /
kein ander facit als 00. und nichts heraus käme . Solte der Seel . Herr
Amptschreiber seine erblassete Finger regen können / ich halte er würde die
Eitelkeit die er nunmehr mit der Ewigkeit vertauschet / mit eben solchen Nullen
vor Augen legen : Doch zweiffele ich auch nicht / solte seine theure
Seele des Himmels Herrlichkeit auff
unser Begehren vorstellen / würde sie nicht Nullen sondern Zahlen setzen / und
uns die Freyheit lassen so viel Nullen hinzuzusetzen / als wir immer wolten ; da
versichere ich aber / wenn wir alles Papier würden mit Zahlen und Nullen
beschreiben / und die Jahre der Ewigkeit / die Zahl der Freude die sie geniessen
wird / damit zehlen wolten / würde doch immer ein Error in calculo bleiben . Was
darffs denn nun der Flöre und Trauermanteln ? Will man den betrauren / dem seine
Register abgenommen / richtig befunden / und der vor seine Treu so wol belohnet
worden ? Doch ich weiß wol / diese angelegte Trauer trauret nicht um den
Verstorbenen / sondern um die Lebendigen / die numnehr einen lieben Bruder und
redlichen Freund in der Welt nicht mehr sehen müssen . Ich weiß aber auch ihr
betrübtes Hertz wird diesen um ein grosses leichter / da sie bey den Verlust
eines Verstorbenen Freundes die mercklich-auffrichtige Gewogenheit so vieler
lebendigen Freunde sehen / die mit einem angenehmen Traur-Gefolge / den
Verstorbenen aus der Welt begleiten wollen ; gewiß so lange sie leben / wird die
Erkäntlichkeit solcher unverdienten Gunst-Bezeugung bey ihnen nicht sterben /
und wünschen nur Gelegenheit / dieselbe / doch GOtt gebe ohne Trauer-Manteln zu
erwiedern . Ich aber will dieses in des Verstorbenen Nahmen zum Beschluß wünschen
/ daß keiner unter meinen Hochgeschätzten Leich-Begleitern zum Grabe begleitet
werde / der nicht zuförderst seine Register / die er vor GOtt ablegeu soll /
habe zum richtigen Schluß gebracht .
Die zu Hause glücklich vollbrachte Reise Des S. T. Sehl .
Hrn. Nichael Psennisacks J. U. Candidati
Bey dessen Beerdigung In einer
Abdanckungs-Rede entworffen d. 17. April . 1700 .
ISt der ehrliche Herr Pfennisack gestorben ? diese Frage haben andere und ich
selbst in diesen Tagen mehr als einmahl gehöret / und leyder mit Ja beantworten
müssen ; und nun darffs keines fragens mehr . Denn diesen Gang / den wir gangen /
hätten wir nicht gehen dürffen / wenn derjenige noch gehen können / den man
jetzo dahin getragen / wo er Erde tragen soll . Diß ist aber der weyland Edle und
Hochgelahrte Herr Michael Pfennisack Juris utrisque Candidatus , und bißher
treuverdienter Hoffmeister derer Wolgebohrnen Jungen Herren von Schulenburg .
Eben der / dem man den schönen Beynahmen der Ehrliche Pfennisack gegeben . Eine
Persohn / die der Himmel so gerne haben / als die Erde behalten wollen / doch
ein jedes hat nun das Seinige ; der Himmel / was himmlisch war / die theure
Seele ; und die Erde /
was Erde war /
den verblichenen Cörper . Es ist so gar lange nicht / da ich mich über den
unglückseeligen April beklagte / in dessen Tagen der Tod so manche schöne Blume
in die Erde kriechen heissen / aber das Unglück hat uns seit dem noch mehr
betroffen / und zu guterletzt / wolte er diesen auch noch wegnehmen . Der letzte
April muste der letzte Tag seines Lebens seyn . Aber dennoch soll dieser Mond den
Nahmen ab aperiendo von Eröffnen behalten / deñ er hat unsern
seelig Verstorbenen und so viel andern das Paradieß eröfnet . Den Tod will ich
aber nicht mehr unhöflich schelten / daß er die Frembden bey uns nicht besser
accommodiret / denn er kehret sich so wenig an böse als gute Worte / und der ihn
ohne Ohren gemahlet / hat groß Recht dazu . Es heist von ihm / surdo narratur
fabula , weñ der Taube höret / so höret er auch . Verhoffentlich
bedenckt er sich / und will im Majo / da der Himmel angefangen sich freundlich
gegen uns zu bezeigen / nicht wieder anfangen / wie er den April beschlossen .
Und wenn ich recht bedencke / so stirbt der Wohlseelige bey uns zwar als ein
Frembder / aber so hat ihn der Tod nicht angesehen / deñ mit
demselben war er nicht mehr frembd / sondern schon lange bekandt . Was war seine
schwache Leibes-constitution und endliches Lager anders / als ein steter Umgang
mit dem Tode ? und ist also sonder zweiffel froh / daß er dieses Umgangs mit dem
Tode durch den Tod entübriget worden . Wieman aber / wenn das Lügenhaffte
Gerüchte einen / der noch lebt / todt gesagt / zu weissagen pfleget / das werde
sein langes Leben bedeuten ; so kan ich wol mit Warheit sagen : daß der Sehl . Herr
Pfennisack nicht todt gesagt / sondern wahrhafftig todt ist / das bedeut sein
langes Leben / sein langes Leben der Seelen nach / die nun so lange lebet / als
die Ewigkeit währet / sein langes Leben nach den hinterlassenen Nachruhm / der
in so vieler Hertzen und Gemühtern auffs
lebhaffteste einverleibet und nimmer ersterben wird . Und solte keiner seyn /
welcher das / was an dem Sehl . Verstorbenen rühmlich gewesen / aestimiren / und
des Andenckens würdigen wolte / ( welches doch nimmermehr zu vermuhten / denn
warum hätten sonst M. H. A. bey später Abend-Zeit solche Mühe über sich
genommen ) so aestimirt es doch die Wolgebohrne und weltberühmte Famille derer
von Schulenburg . In deren einen Hochansehnlichen Hause der Sehl . fast zu Hause
gehöret / da er etliche Jahr die in demselben anwachsende Adeliche Jugend
getreulich informiret / auch der Zusage / welche er den Hochsehl . Herrn Vater
auf dem Todbette gethan / biß an sein eigen Tod-bette redlich erfüllet / und
obgedachte junge Herren von der Schulenburg auff Academien und in frembde Lande
zu dero grössesten avantage rühmlich geführet ; So war er auch schon ausersehen /
und vielfältig ersuchet auff die Reise / so dieselbe itzo in Italien gethan /
einen Gefährten abzugeben / woran ihm denn nichts gehindert / als sein
Unvermögen / und die zunehmende Kranckheit / die ihm einen Winck gab / auf eine
andere Reise sich gefast zu machen / die er aber daheim und zu Hause verrichten
könne / so daß er wol sagen köñen : Morbus & iter ab
itinere me excusant , und diese Reise hat er nun glücklich vollenbracht . Weñ ich so versichert bin / daß M. H. G. A. so willig seyn werden
einen schlechten Redner anzuhören / als derselbe willig zu bewerckstelligen /
warum er ersuchet worden ; so wolte ich noch ein wenig redẽ / aber
von nichts anders / als von der zu Hause glücklich vollbrachten Reise des Herrn
Pfenmsacks .
Der hat es recht getroffen / der jemahls gesagt : Unser Leben sey nicht anders als
eine Reise von einer Mutter zur andern / von unser leiblichen Mutter in die Erde
/ die unser uñ unser Mutter Mutter ist ; Non habemus hic civitatem
per-
manentem , wir haben
hier keine bleibende Statt / schrieb einer bey einem Schwalben-Zug / die von
einem Ort zum andern ziehen . Paulus sagt diese Worte / aber nicht von der
Schwalbe / sondern von den Menschen / von denen ist und bleibet es wahr / wir
haben hie keine bleibende Statt / und so lange wir die nicht haben / sind wir
noch immer auff der Reise : Nusquam non hospita war die überschrifft / so eine
sinnreiche Feder bey einer Schnecke schrieb ; allenthalben ein Gast und
Frembdling ; denn diese / ob sie gleich ihr Hauß auff den Rücken trägt / ist doch
nirgends zu Hause . Wer von uns Menschen sagte : Nusquam non hospites , wir sind
allent halben Gäste und Frembdlinge / der würde uns gar nicht unrecht thun /
denn wir sinds / oder Jacob muß unrecht sagen / wenn er sein Leben eine Walfahrt
nennet . Die Erde ist ja des HErrn / das Dominium behält er vorsich / und läst
uns den usum , so sind wir Inquilini Einkömlinge und Gäste / die wir nichts
eigenes haben . Ja wenn wir den Fuß auß der Wiegen setzen / so setzen wir ihn
auff die lange Strasse / da wir nicht abkom̃en / biß wir ins Grab
kom̃en ; wenn es dahin kommt / so sind wir in termino , da wir
ewig bleiben müssen . Es heist : Nullum iter sine exitu , kein Gang so lang / er
hat seinen Außgang / hierzu gelanget der eine zeitig / der ander spät .
Tardius aut citius metam properamus ad unam ;
Der da reitet und zu Fuß gehet / reisen beyde / und kommen endlich beyde zu Hause
/ doch mit diesem Unterscheid / daß der eine etliche Stnnde eher zur Ruhe kommt
/ als der andere ; die Raqueten steigen schnell in die Höhe / ein ander Feur
langsahmer / werden doch endlich beyde zu Rauch und Dampff . Ob das Feur des
Lebens bey diesen sich länger als bey einem endern auffhält / müssen sie doch
alle vergehen wie eine dünne Luft / ihre Reise muß ein Ende nehmen heute oder
morgen . Aber wie saur wird den Menschen diese Reise / Steine liegen
im Wege / Räuber und Mörder lauren
auff dem Wandersmann / böse Wetter / schlimme Wirthshäuser machen viel Verdrieß :
Zehrgeld muß er haben / sonst kom̃t er nicht fort / und / weil
auff dieser Heerstrasseu nimmer Friede / auch mit einem guten Paß sich versehen .
Indessen kan und mag die Reise nicht ohne solche accidentien vollbracht werden .
Wer in Ophir anlangen wil / Geld zu holen / kan nicht immer auf dem Lande fahren
/ wagt er sich nicht auff das gefährliche Meer / wird er seines Wunsches nim̃er theilhafftig werden ; und wer in den Hafen des Himm̃els will einmahl zur Ruhe kommen / muß Sturm und Wellen nicht
achten / sonst kom̃t er zu der reichen Ladung nicht . Wie ists dann
um unsern Sehl . Herrn Pfennisack ? wie stehts um dessen Reise ? Gar gut . Er ist
schon hin / nicht wo er auf anderer Verlangen hin gesollt / ich meyne in Italien
/ sondern dahin er nach seinem eigenen Verlangen gewollt / in das rechte
Engelland / und unser aller Vaterland . Solten wir aber sein Itinerarium und
Reisebuch durchgehen / O was würden wir für saure Wege finden ? Sommersdorff
heist der Ort / da er seine Lebens-Reise angefangen / hätte er aus dem Nahmen
des Vaterlandes ihm eine gute Hoffnung auff gut Sommer-Wetter machen wollen /
würde er sehr in der Rechnung gefehlet haben . Denn der guten Sommer-Tage hat er
auf seiner Reise nicht viel genossen . Das Geschlechte / darauß er entsprossen /
gab ihm zwar viel gutes auff seinem Wege vor andern Reisenden vor aus . Denn
seine Vorfahren / welche bey dieser löblichen Stadt zum Theil das
Bürgermeister-Ampt rühmlich geführet / kunten ihren Nachkommen gar austrägliche
Lehngüter / womit ihrer Väter und Großväter Tapfferkeit / die sie in vorigem
seculo erwiesen / belohnet worden / hinterlaffen / aber dabey fehlets ihm an
anderer Reise-Nohtwendigkeiten ; deñ da er kaum ein Jahr alt war /
da verlohr er den / der sein
Wegweiser hätte seyn sollen / ich meyne / seinen Sehl . Vater / der unter dem
Hochsehl . Churfürsten von Brandenburg eine Standarte getragen ; muste also von
frembder Hand sich leiten lassen / so lange biß er sich selber leiten können .
Die sauren Schritte und Tritte / die er von der Kindheit an biß in sein Grab
gethan / möchten nicht eine geringe Zahl ausmachen ; doch hatte er drey
Reise-Gefährten / die ihn allenthalben glücklich haben herdurch gebracht : ich
meyne einen gnädigen Gott / ein Kindliches Vertrauen / und unermüdete Gedult .
Den ersten hatte er in der H. Tauffe dazu angenommen / auch nachgehends immer
durch ein fleißiges Gebeht / und ungefälschte Gottesfurcht zur Seite behalten /
und wie wol ist ihm dieser und die anderen beyden Gefährten zustatten kommen /
da er mit unermüdeten Fleiß seine studia dieses Orts grössesten theils geführet
/ und soweit ausgeführet / daß er andern wieder zum Führer dienen können . Noch
mehr / da sich diese Führung auff so viel Jahre durch so viel frembde Oerter
erstrecket . Daher er einen guten Theil seiner Lebens-Reise auff schweren Reisen
zubringen müssen ; Ich lasse M. H. A. urtheilen / ob dieses die Wallfahrt seines
Lebens ihm nicht verdrießlich machen können . Deñ ob er zwar auf
seinen Reifen / wie sonst viel andere nicht gleich gewesen einem Strohm /
welcher / wenn er über seine Ufer tritt / nur Koht und Unflaht mit zurücke
bringet / und diese Uberschrifft billig führet : Lutum colligit ; sondern vor sich
und seine Untergebene mercklich dabey profitiret / sein Sehl . Herr Principal
auch gantz genereux sich gegen ihm bezeiget ; so war doch seine ungesunde
Leibes-Constitution allenthalben ein verdrießlicher Gefährte / so / daß ich noch
wol sage / viel Sommer-Tage habe Er auf seiner Lebens-Reise nicht gehabt ; Doch /
wie gesagt : Ein gnädiger GOtt / kindliches Vertrauen und heilige Ge-
dult / waren gnug solches alles
zu überwinden . Und biß dahin war nun die Lebens-Reise glücklich gebracht ; nun
stund es auf den Schluß / er solte noch eine Reise thun / wohin ? Ins Vaterland .
Hiernach aber keinen Fuß aus der Stelle setzen / sondern die gantze Reise zu
Hause vollenbringen . Ja je matter sein Hertz / je schwächer seine Füsse zu
werden begunten / je näher kam er zum Zweck ; und mag ich das Krancken-Bette /
darauff Gott ihm geworffen / wol das caput bonae spei nennen . Denn da es dahin
mit ihm kam / daß er niederlag / richtete sich seine Hoffnung desto muthiger auf
/ und sahe nach den Hafen aus / wie nahe er denselben kom̃en wäre .
Er merckte aber / daß der Weg nicht mehr frrne wäre / und seine Seele nunmehr
auf den Scheideweg treten solte / der zur Ewigkeit führete / drum verlangete er
von mir einen Paß vor dieselbe / damit sie der Sünden und den Satan / welche ihr
den Eingang zum Himmel streitig machen wolten / das Maul stopffen könte . Auff
bezeigte auffrichtige Busse ertheilte ich ihm solchen vermittelst der H.
Absolution und Vergebung seiner Sünden : den theuren Zehrpfennig des Leibes und
Blutes JEsu CHristi wolte ich ihm auch nicht versagen . Und da nun der Sehl . zu
seiner Reise sich der gestalt geschickt hat / fehlete nichts mehr / als daß GOtt
dem Tode / den ich wol den letzten postillion nennen mag / Ordre gab den Sehl.
Hrn. Pfennigsack abzuholen . Unterdessen daß sich dieser verzögerte / unterhielt
er seine Seele aus dem besten Reisebuch / dem Worte GOttes / er stellete mit ihr
gleichsam lectiones Geographicas oder vielmehr Uranographicas an / und ergetzte
sie mit der Beschreibung des Him̃lischen Canaans / darin sie bald
ihren Einzug halten wolte . Ich habe es aus seinem Munde gehöret / was vor Freude
sein Hertz sich machte auff das Sehl . Anschauen seines GOttes / welches er
im Himmel zu genießen hoffete / und je
länger die Post ausblieb / die ihn ins Vaterland führen solte / je mehr mehrete
sich sein Verlangen . Endlich ward der Wunsch erfüllet / wie ihn ein Freytag ( ich
meine den / an welchen er gebohren ) in die Dienstbahrkeit vor 41. Jahren
gesetzet / so führete ihn wieder ein Freytag in die rechte Freyheit ; GOtt gab
Gluck zur Reise / daß sein Geist glücklich ins him̃lische Zion
überging .
Wir wünschen dir Glück / du theure Seele / zu deinen glücklich vollbrachten
Reisen ! Betrauren wollen wir dich nicht / denn an dich ist nichts Traurens
würdiges . Wolten wir beklagen deinen Tod / so beklagten wir deine
Glückseeligkeit / die dich von dem sauren Welt-Wege ins Vaterland gebracht .
Wolten wir bejammern die Blüte deines Alters / in welcher du hingerissen worden
/ so bejam merten wir zugleich / daß du so früh zur Freude des Himmels reiff
geworden . Wolten wir betrauren / daß du keine Nachkommen hinterlassen / diß soll
auch nicht seyn / denn du bist darum desto glückseeliger / weil du die Ewigkeit
deines Andenckens / niemand als dir selbst zu dancken hast . Ehrlich hastu
gelebet / seelig bistu gestorben / und die Freüde die du jetzo hast / ist
unauffhörlich : so finde ich nichts / das an dir zu betrauren wäre . Eins aber
will ich in deinem Namen thun / ich will dieser Hochansehnlichen Versammlunge
schuldigen Danck sagen vor die Liebe / die sie auch nach deinem Tode verspühren
lassen / und da sie dich auf deiner Lebens-Reise zu begleiten nicht viel
Gelegenheit gehabt / deinen Leichnam nach dem Tode begleiten wollen . Dabey will
ich versichern / daß deine hinterbliebene Anverwandten diese Mühe mit grösserer
Mühe / doch lieber in frölichen als tranrigen Tagen zu ersetzen eyfrigst werden
bemühet seyn . Ich meines theils wünsche allen eine glückliche Reise in die
Ewigkeit .
Der Blückliche Abzug von einer Academie auff die andere Geschehen Durch den
seeligen Tod
Hrn. Otto Henrichs Bärninger LL . Studiosi
Bey dessen Ansehnlichen Leich-Geleite In einer
Abdanckungs-Rede vorgestellet d. 7. Junii 1700 .
Fünff Jahr fodern sonst die meisten Rechts-Gelahrten den Cursum Juris zu
absolviren ; Andre lassen zwey Jahr ab und meynen mit dreyen durchzukommen : wie
wenn ich aber sagte / es könne auch solches innerhalb fünff Wochen geschehen ?
War es nicht der 28te Aprilis dieses jtzt-lauffenden Jahrs / da sich der Weyland
Edle und Wohlgelahrte Herr / Otto Henrich Bärninger / in die Matricul dieser
Hoch-Fürstl. Julius Universität einverleiben ließ / des Vorhabens in der Edlen
Wissenschafft der beyden Rechten sich recht unterrichten zu lassen ; und siehe !
Etwa zwey Stunden vorher / ehe man anfieng den 5. Junium zu schreiben / hatte er
schon ausstudiret / denn er starb / und itzo kommen wir von dem
Orte her / da man seinen Leichnam der
Erden immatriculiret hat . In dessen aber / da er unter der Erden lieget / weiß
er schon mehr qvid Juris , als der beste Jurist der noch über der Erden gehet .
Man zehle aber von einem dato zum andern / so wird man nicht mehr als 5. Wochen
heraus bringen können .
Ich klage nun nicht mehr / wie ich neulich gethan / über den unglücklichen
April-Monat / daß derselbe von unserm Parnasso bessere Blumen abgerupffet / als
in vielen Jahren wieder wachsen möchten : Majus hat es ja fast nicht besser
gemacht . Da aber in jenem der Tod die Catheder von grossen Lehrern leer gemacht
/ kömmt er im Julio auch auff die subsellia und fängt an denen Hörern das Gehör
ja das Leben selbst zunehmen ; Doch er soll so Gott wil / bey dem Anfange auch
seine Grausamkeit geendet haben . Aber O hartes Verhängniß ! daß es eben den Seel .
Herrn Bärninger treffen müssen ! Herrn Bärningern / der ein eintziger Sohn war
einer Wittwen / die nicht vor gar langer Zeit einen wehrten Mann verlohren ;
Einer Mutter / die schon zwey wol anlassende Söhne dem Tode überlassen müssen ;
Ein Sohn / von welchem Sie nicht ohne Grund Ihr die angenehme Hoffnung machen
können / es würde diese Rose / welche schon in dem Frühling ihrer Jahre / und da
Sie / so zu reden / noch in der Knospe stunde / einen so angenehmen Geruch des
Wolverhaltens von sich streuete / bey ihren Zuwachs und völliger Eröffnung ihr
die kräfftigste Erquickung geben ; Ein solcher Sohn hat sterben müssen ; Sterben
an dem Ort / dahin Er geschicket worden / sich dergestalt zu qualificiren / daß
hernach mit seinem Lebẽ vielen gedienet wäre / uñ
der Mutter bittres Leid dadurch versüsset würde ; Sterben zu der Zeit / da die
betrübte Mutter kommen war / vor sein Leben mütterliche Sorge zu tragẽ . Wäre dieselbe noch gegenwärtig / uñ ich wolte
mit meiner Rede Traurigkeit erweckẽ / so hätte ich schon ge-
nug geredt . Und billig räumen
wir der Liebe eines so empfindlich getroffenen Mutter-Hertzens hier etwas ein /
und stehen Ihr gerne zu / daß Sie die höchste Ursach habe / die so frühe
Entziehung eines so wol gerahtenen Sohnes zu beweinen . Trauret doch ein Gärtner
/ wenn bey itzigen Sommer-Tagen die gar zu heisse Lufft eine anmuhtige Blume
nicht nur nicht fortkommen läst / soudern auch wol in der besten Blühte sich
niedersencken und verdorren macht ; Wie solte denn eine Mutter nicht klagen und
trauren / da sie nicht eine blosse Blume / sondern einen mit der schönsten
Tugend-Blühte schon prangenden und seinen Stamm so herrlich zierenden Zweig
verwelcken / verdorren und abfallen siehet .
Pericles hielte sich so hart / daß er bey allen zu Grabe begleiteten Leichen der
Seinigen die Thränen zurück hielte / endlich aber rächete sich die Natur an ihm
/ da er seinem letzten Sohn den Todten-Krantz auffsetzete / und zwang seine
beyde Augen bey dessen Sarck die nassen Zeugen der Wehmuht häuffig fallen zu
lassen ; That dieses ein Mann und ein Philosophus , was Wunder denn / wenn ein
Frauenzimmer / da die Thränen nicht so feste sitzen / weinet / daß eine Mutter
ihren letzten Sohn bethränet ? Was ließ nicht dieser Sohn vor Tugenden und
herrliche Gemühts-Gaben von sich spühren ? und was vor Hoffnung kunte sich nicht
seine ansehnliche Familie uñ das Vaterland selbst von einem
solchen machen ? von dem man mit fug sagen mögen / was der Jesuit Mansenius über
einen in der Blühte stehenden Weinstock schriebe :
Fructus in flore videntur : Bleib nur bey der Blühte
stehen / So kanst du schon Früchte sehen .
Seine Gottesfurcht / welche der Leitstern aller seiner Handlungen war / er warb
Ihm den Segen zu seinem studieren / dergestalt / daß Er nun höhere Studia zu
tractiren sich unterstehen dürffen . Sein fleißiges Rückdencken auf seine
Vor-El-
tern und derselben
schon glücklich betrettene Fußstapffen machten Ihm einen Spiegel gleich / von
dem es heißt :
Reflectit alienum , Die Gaben so an andern seyn / Die
geben hier den Wiederschein .
Die Klugheit / Leutseligkeit / Treue und Sorgfalt seiner Vornehmen Groß-Eltern /
so Väterlicher als Mütterlicher Seiten spiegelten sich ja schon in diesem ihrem
Enckel ; Und die fromme Auffrichtigkeit seines Seel. Hrn. Vaters Otto Friedrichs
Bärninger / weyland Churfürstl. Braunschw. Lüneb. treu-verdienten Cam̃er-Meisters / konte man in unserm Seelig-Verstorbenen schon
mercklich wahrnehmen . Traun die Mutter ist nicht zu verdencken / weñ sie einen solchen Sohn betrauret / ja einen solchen Sohn / von
dem Sie wol sagen kan : daß Er Sie noch nie betrübet / als nur iu dem eintzigen /
daß er gar zu früh gestorben . Auch Ihnen / M. H. A. kan ichs nicht verargen /
wenn Sie über diesen Fall sich kräncken . Es fällt ja dahin ein wehrter
Landes-Mann / ein angenehmer Tisch-Geselle / ein Freund / dessen Conversation
zwar sehr kurtz / aber doch so gut gewesen / daß sie dieselbe noch viel länger
zu seyn sehnlich wünschen .
Doch / was trauret man ? Wir wissen ja / daß ohne Gottes Ordnung der Tod diese
Unordnung zu machen sich nicht unternehmen dürffen . Kein Gärtner aber bricht die
Rosen ab / wenn sie noch in den Knospen stehen / es sey denn / daß man darauß
conserven zubereiten wollen ; So muste denn auch diese Rose / auf deren
conservation der Him̃el längst bedacht gewesen / in der Knospen
abgebrochen werden . Und wenn ich den Tod des Seel . Herrn Bärningers recht ansehe
/ so sage ich nicht unbillig : er sey kein Tod zu nennen / sondern nur ein
glücklicher Abzug von einer Academie zur andern / von einer irrdischen auf die
Himmlische / von Helm-
städt /
nach Himmels städt / von der Julius- auf die JEsus-Universität . Bey dieser
letztern war er ja in der Heil . Tauffe als ein Civis eher eingeschrieben / als
bey der ersten / und fehlete nur ( wenn ich so reden darf ) daß er deponiret würde
/ diß that eine hefftige Kranckheit / und endlich ein seeliger Tod . Ich sage ein
seeliger Tod / denn diß kan ich versichern / der ich ein Zeuge davon bin / daß
er in dem Glauben an seinen Heyland Christum JEsum gestorben : Massen er noch
kurtz vor seinem Ende die Gnade von Gott erhielte / dasjenige mit guten
Verstande zu bekennen / was bißhero die Heftigkeit sei ner Kranckheit heraus zu
sagen ihn verhindert hatte . Ich muchte fragen nach der Erkäntniß seiner Sünden /
nach hertzlicher Reue über dieselbe / nach seinen Vertrauen auf die Gnade Gottes
und das Verdienst JEsu Christi / so hörete ich ein vernehmliches Ja . Die dabey
gen Himmel gerichtete Augen und von Hertzen dringende Seufftzer liessen gnugsam
mercken / daß solches mit Andacht und guten Bedacht geschehen . Sein Gebeht / das
er mit mir that / war brünstig / das Verlangen nach dem Himmel hefftig / und den
Segen nam er mit zusam̃en geschlagenen Händen von meinem Mund und
Händen an . Da er nun so gestorben / so kan ich ja wol sagen / daß er seelig
gestorben . Und durch diesen seeligen Tod ist er nun in die himmlische Academie
der Seelen / nach schon eingenommen . Nun höret er höhere Sachen lesen . Er höret
die him̃lische Weißheit selbst profitiren . Alle Wissenschafft so
hier nur Stückwerck ist / hat er dort schon zur Vollkommenheit gebracht . Er hat
nun schon einen habitum in den alleredelsten disciplinen . Er hat nun inne die
Theognosiam perfectissimam . Er weiß nun das rechte Recht . Durch die
Institutiones ist er durch / und bedarff keine Unterrichtung mehr . Die besten
Pandectas hat er nun erst angetroffen / denn der Him̃el allein kan
alles lehren . Er höret nun Novellas , die kein Ohr
gehöret / kein Auge gesehen und in
keines Menschen Hertze kom̃en . O wie glücklich hat der Seelige
diese Universität changiret ! Gesetzet / er hätte noch länger bey uns gelebet /
länger gelernet / und einen grossen Schatz der Gelehrsamkeit mit von uns
genommen / wer weiß ob er darum in der Welt nach seinen meriten wäre befodert
worden . Man gehe itzund aufs Feld / so wird man viel leere Halmen finden / die
doch vor andern herauß stehen / viel andere aber / die ihre Aehren voll Körner
tragen / sich aber dabey zur Erden bücken müssen . Und man gehe in die Welt / so
wird man eben dieses bey den Beforderungen wahrnehmen können . Im Him̃el geht es richtiger zu : Wer sich nach den Statutis dieser hohen
Schule wol habilitiret hat / dem kan die promotio nicht fehlen . So wünschen wir
denn den Seelig-Verstorbenen zu seinem glücklichen Abzug auf eine bessere
Universität vielmehr Glück / als daß wir Ihn viel beklagen solten / daß Er diese
Universität so bald verlassen hat .
Indessen lässet die Leydtragende Frau Mutter / M. H. A. hiemit schuldigst- und
geflissensten Danck abstatten / daß Sie Ihren Sohn / dem Sie zwar / wie Sie von
allen wohl versichert ist / lieber mit aufrichtiger Freundschafft in seinem
Leben gedienet hättẽ / doch nun auch im Tode mit einem geneigten
Leich-Gefolge beehren wollen . Sie wird hierauß schliessen / daß zu Helmstädt /
ob gleich nicht alle / doch die meisten / durch willfährige Zuneigung / einen
Fremden sein Vaterland finden lassen ; wird auch nichts mehr wünschen / als
Gelegenheit zu haben / die hierunter erwiesene Gunst / und schätzbare
Gewogenheit / mit angenehmen Gegen-Diensten jedoch in frölichen Begebungen zu
erwiedern . Ich meines Theils wünsche von Hertzen allen die auf dieser
Julius-Universität leben / lehren und lernen / daß sie so leben / so lehren / so
lernen / daß wir allesamt dort einmahl auf der JEsus-Universität in einem
Collegio versamlet werden .
Die in dem Himmlischen Schafstall Eingehohlte Schäfferin / Als
Die Seel . Frau Anna Elisabeth / Seel . Curdt Schapers Hinterlassene
Wittwe
Den 27. Maji 1700 . zur Erden bestättiget worden / In einer
Abdanckungs-Rede entworffen .
ICh bin nicht von denen / welche / weiß nicht was / zu Beschimpffunge des
weiblichen Geschlechts / mit Fleiß vorzubringen suchen / und wohl sagen dürffen :
Wenn Adam nicht geschlaffen / da GOTT das Weib erschaffen / würde er / so viel
müglich / solches zu unterlassen Ihn angeflehet haben ; Doch achte ich sie nicht
wehrt / ihrer Läster-Worte mehr anzuführen / weniger ein Geschöpff / welches so
wol als der Mann das Bilde GOttes träget / einiger massen zu verkleinern . Dessen
aber kan ich mich doch nicht entbrechen / mit Paulo zu sagen : Mulier taceat in
ecclesia , die Weiber laßt schweigen in der
Gemeine . Das öffentliche Lehr-Amt bleibt ihnen untersagt / und die
sich dessen unternehmen wolten / müsten vergessen haben / daß Eva von der
verbotenen Frucht zuerst genaschet / und sich und ihre Nachkommen dadurch um
dieses Privilegium gebracht . Doch ich sage nur das öffentliche Lehr-Amt ; Denn
daheim die Ihrigen auf dem Wege des HErrn zu unterweisen / den Kindern die
ersten Buchstaben des Wortes GOttes zu lehren / bleibt ihnen nicht nur nicht
verwehret / sondern einiger massen anbefohlen ; Hat doch die Schrifft selbst ihre
Laides , Eunices und Priscillas , die hieran das Ihrige gethan . Die
Kirchen-Historien wissen zu rühmen die Luciliam , welche ihren Liebsten den
Valerianum : Nathaliam , welche Adrianum ; Monica , welche Patritium ; Clotildis , die
den Clodovaeum , zum Christlichen Glauben gebracht . Und wäre dieser Befehl :
Mulier taceat in ecclesia , unumschrencket anzunehmen / so wüste ich nicht / wie
ich diese liebe Frau entschuldigen solte / ich meyne die weiland Viel-Ehr- und
Tugend-begabte Anna Elisabeth Schäfferin / Seel . Curdt Schäffers nachgelassene
Witwe . Denn dieselbe hat diesen Befehl nicht eher erfüllet / biß Sie ein kühles
Grab gefüllet ; Denn wie Sie eines Lehrers Tochter war / hörete Sie selbst nicht
auf zu lehren / biß Ihr der Tod den Mund zuhielte / den Sie nun 30. Jahr
gebrauchet hatte zu Unterweisung frommer Leute Kinder . Ich kan mich nicht
erinnern die selbe gekant zu haben / doch die / welche ich in Trauer vor mir
sehe / bezeugen mit ihrem Liebes-Dienste / daß sie diese Lehrerin gar wol
gekandt und dieselbe der Ehre ihrer Begleitung würdig erkandt . Freylich ist sie
dieser Ehre würdig gewesen ; Denn wenn ich aus ihrem öffentlich-verlesenem
Lebens-Lauff nur dieses herauß nehme / daß Sie so viele Jahre mit unermüdetem
Fleiß und Gedult die zarten Kinder
unterwiesen / ihren Nahmen in der That gezieret / und so kan Ihr allerdinges ein
guter Nachruhm nicht entzogen werden . Ich könte Sie dieserwegen wol nennen eine
kluge Baumeisterin / die vor allen Dingen den Grund der Gottesfurcht / den Grund
aller Wissenschafften / welche in den 24. Buchstaben des Alphabets einiger
massen wohl zu sehen / bey ihren anvertraueten Kindern glücklich gelegt . Ich
könte sie rühmen als eine unverdrossene Gärtnerinne / welche in ihrem
Schul-Garten embsig gepflantzet und begossen / biß GOtt das Gedeyen gegeben . Ich
könte sie preisen als eine treue Schatzmeisterin / welche die fürtrefflichsten
Schätze so vieler Eltern / ich meyne ihre lieben Kinder / zu verwahren
anvertrauet ; Und wie ließ sie ihr angelegen seyn / diese Schätze mit dem
unverfälschten Golde wahrer Gottesfurcht noch kostbarer zu machen / und in
dieselbe einen Schatz zu legen / welcher zulänglich das Leben und Christenthum
glücklich zu führen : Doch wil ich ihren Ruhm aus ihrem eigenen Nahmen nehmen .
Sonst heißt es : Hominum non nominum virtus est , die Tugend wohnet in der Persohn
und nicht in dem Nahmen ; Wie die Krafft einer Artzney in der Artzeney selber und
nicht in dem Zettul stecket / den der Apothecker um das Glaß gehäncket / dennoch
vermuhtet man und findet auch zuweilen das jenige bey den Benahmten / was der
Nahme im Munde führet . Wenn wir denn / Hochgeehrte Anwesende / unsere Gedancken
über den Nahmen / welchen unsere zu GOTT abgeforderte Frau Schäfferinne von
ihrem Seel . Ehemann getragen / so führet uns dessen Bedeutung zu einer
Schäfferey / und wird also nicht ungereimt fallen / dieselbe mit einer
Schäfferinne zu vergleichen . Unter allen Thieren / die des grossen Schöpffers
Hand in diese Welt geschaffen /
hat Er sonderliche Schaffe und Lämmer ausersehen / unter dem Bilde die Seinigen
abzubilden . Er selbst zeiget sich mehr als einmahl in seinem Worte mit dem
gütigen Hirten-Stabe : Ja / so viel derer seyn / die Christen seyn / so viel sind
Schäflein seiner Weyde . Sein Sohn hat seine Hirten-Treu genug erwiesen / und als
einen Schäffer sich zum öfftern aufgeführet . Er hat wieder andere zu Hirten
bestellet / die sich seiner Heerde anzunehmen haben . Und wer den Nahmen eines
Christen fuhret / der muß gewiß die Schaffs-Tugenden von sich spühren lassen :
Demuht / Sanfftmuht / Gedult und Gutthätigkeit . Sind nun alle Christen Schaffe
GOttes und ihres Heylandes JEsu Christi / so mögen nicht unbillig der Christen
Kinder die Lämmer unter dieser Heerde seyn / dieselbe aber wollen geweidet und
gewartet / ja mehr gewartet seyn / als die Schaffe selbst ; dazu sind denn auch
bestellet Schäffer und Schäfferinnen / ich meyne Lehrmeister und
Lehrmeisterrinnen / die dieser Lämmer pflegen / ihnen die reine lantere
Catechißmus-Milch einflössen / und sie allgemach auf die grüne Aue des Wortes
Gottes führen . So thue ich denn nicht unrecht / wenn ich unsere
seelig-verstorbene Schäfferinne eine solche Schäfferinne nenne . Denn wie viel
Lämmer unter der Heerde JEsu Christi hat dieselbe nicht zu dem Schaffstalle /
welchen der grosse Hirte der Schaffe hier in Helmstädt hat / mit grossem Fleiß
und Sorgfalt geführet . Sie gieng vor diese zahrte Schäfflein her mit einem
Exempel wahrer Gottesfurcht / mit einem lebendigen Glauben / mit einer
geschäfftigen und thätigen Liebe / mit einer geduldigen und frölichen Hoffnung
biß an ihr seeliges Ende . Sie führete sie auf die grünen Auen / und zu dem
süssen Klee der Erkäntniß Gottes und
ihres Ertz-Hirten Christi JEsu . Diese Weyde aber / wie sie nirgends anzutreffen
als in den geschriebenen Worten GOttes / so führete sie durch embsige
Beybringunge des Lesens ihre anvertrauete Lämmer dazu an / daß sie hernach
selbst auf solcher blumen-reichen Wiese ihre Weide finden kunten . Und wie
vielhundert hat Sie nicht so weit in ihrem Christenthum gebracht / daß Sie der
HERR ihr Hirte als würdige Gäste an seinem Tisch gehen / mit seinem Fleische
speisen und mit seinem Blute träncken können . Wie viel sind noch wol unter
dieser Versamlunge / wie viel in dieser wehrten Stadt / die dieser wehrten
Schäfferinnen ewig nicht genug vor ihren treuen Unterricht dancken können . Ich
gestehe gerne / GOTT muß der Seel . Frauen eine grosse Gedult verliehen haben ; Es
war schon ein Hartes / daß Er ihr einen lieben Mann / mit dem sie kaum 4. Jahre
gelebet / durch den zeitlichen Tod entrissen / und ihr damit ihr halbes Hertz
zerrissen ; Ja noch ein härters / auch bald dazu ihren eintzigen Sohn sterben
lassen ; dieses überwand sie doch mit der grössesten Gelassenheit / und entschloß
sich in dem einsamen Wittwen-Stand Zeit ihres Lebens zu verbleiben . Frommer
GOtt ! was für ein Unglück nenne ich nicht / wenn ich den Witwen-Stand nenne . Ist
der nicht ein Cörper ohne Kopff ? Ein verhaßter Dornstrauch / welcher seine Rosen
verlohren ? Ein umgefallener Baum / von welchem jeder Mensch sich unterstehet
Späne zu hauen ? und doch ertrug die Seelige dieses Unglück bey die 30. Jahr . Sie
wolte hierin der bekanten Art der Turteltauben folgen / von der man schreibet /
daß sie sich / wenn der Tauber todt / mit keinem andern gatte ; Uni servo fidem ,
Nur einer soll allein Mein Mann gewesen seyn .
Und da der Schäffer todt / wolte Sie erweisen sich am meisten als eine
Schäfferinn in dem / was ich schon von Ihr angeführet . Ich frage ob hierzu nicht
die grösseste Gedult erfodert werde ? Was ist doch bey der Schul-Arbeit ? Hats
nicht jener recht getroffen / da er sagt : In der Schule gebe es Esels-Arbeit /
Zeißgen-Futter und Teuffels-Danck . So muß ihr ja wol die 30. Jahr das Leben saur
gnug / und ihre Schule / welche ich billig ihren Schaffstall nennen möchte / ein
rechtes Marter-Hauß gewesen seyn . 2917 . Kinder hat sie unterwiesen / O wie viel
tausend A / b / c / wie viel tausend A / b / Ab werden dazu gehöret / wie
manches unartiges / wie manches böses Kind mag darunter gewesen seyn ? Gewiß /
das wird Gedult gekostet haben . Und doch muß ihr ein jeder dieses zu ihren
unsterblichen Ruhm nachsagen / sie sey unverdossen gewesen . Nun endlich hat
diese Schäfferinne die Heerde verlassen müssen / denn der grosse Hirte CHristus
JESUS hat sie abgefodert . Jener berühmte Schul-Rector , da er jetzo sterben wolte
/ ließ diese nachdenckliche Worte von sich hören : Ego verò avocor in aliam
scholam , und diese seelige Schäfferinne konte mit allem fug sagen : Ego verò
avocor in aliud ovile . Aber ach ! die Lämmer / die noch unter ihrer Aufsicht
waren / ich meyne die lieben Kinder und dero Eltern haben Ursach sich zu
betrüben ; Sie verlieren eine Frau / die ihnen eine grosse Last bißhero
abgenommen ; Ihre Bekandte trauren billig / sie verlieren eine redliche
Freundinne . Unser Gottes-Hauß beklaget sich / es verlieret eine fleißige
Besucherinn . Doch diese Klagen müssen billig ihre geziemende Maaß behalten . Ich
meyne / nach 30 jähriger Mühe kan man einem wol die angenehme Ruhe gönnen ; und
gewiß / Sie ist zur Ruhe kommen . Ihr Mund / aus welchem so viel heilsamer
Unterricht
geflossen / ist nun
geschlossen ; Ihr Leib ruhet in seiner Mutter Schooß der Erden ; Ihre Seele ist in
GOttes Hand / und ruhet von aller ihrer Arbeit . Hats aber Hier gleich in der
streitenden Kirchen geheissen : Mulier taceat in ecclesia ; in der triumphirenden
Kirchen nicht also ; Deñ wird ihr Mund erst voll Jauchtzens / und
ihre Zunge voll rühmens seyn . O seeliger Tag / darinn sie von JESU in seinem
himmlischen Schaffstall aufgenommen / es war der Tag nach seiner Himmelfahrt .
JEsus muste billig den Vorzug haben / Sie sagte billig zu ihm : I prae , bonae
Jesu , ego sequar ; Geh voran / liebster JEsu / ich folge dir . O wie viel Freude
wird diese Schäfferinn vor vielen andern im Himmel haben ! Denn sie siehet ja nun
so viel hundert Lämmer / die sie hier geweidet . Laß seyn / daß der höllische
Wolff welche entführet / die meisten hoffen wir hat der Hirte JEsus aus seinen
Klauen gerissen ; Sie stehet nun vor dem Throne GOttes / und lobet ihn mit denen
/ die sie diesem HERRN zu seinem Dienst und Lobe eingeführet . Nun wohl dir / du
seel. Seele ! Dancke du dort deinem GOTT . Ich will hier in deinem Nahmen dancken
denen die deinem erblasseten Leichnam theils das Begräbniß bestellen / und
andere zum Begräbniß einladen / theils zum Grabe folgen wollen ; Die letztere
versichere ich dabey / es werden die ersten / ich meyne die / welche die curam
dieser Begräbniß übernommen / nicht die letztern seyn / ihnen bey allen / doch
GOtt gebe ! mehr frölichen als traurigen Begebenheiten ihr dienst-begieriges
Gemüht deutlich zu erkennen zu geben . Ich meines Theils wünsche Ihnen allen /
als meinen und meines JEsu lieben Schäfflein / hier gesunde Weyde biß ans Ende /
dort Leben und volle Gnüge ohne Ende .
Die gewisse Himmelfahrt Mariä Als Die Sehl .
Frau Anna Maria Krullin / Sehl . Hern Henning Müllers / Wolverdienten
Buchdruckers bey hiesiger löblichen Julius-Universität nachgelassene Wittwe
/
Nachdem sie am Tage Mariä Himmelfahrt seelig verschieden und darauff zur Erden
bestättiget worden In einer
Abdanckungs-Rede dargethan d. 20. Aug. 1700 .
WEñ der Tod ein solches Wesen wäre / daß man ihm
Gemühts-Bewegungen beymessen könte / so wolte ich sagen / die Bewegungen / so er
etzo fühlete / wären Mißgunst und Verdruß . Was düncket ihnen / solte diesen
blassen Menschen-Fraß wol nicht der blasse Neid gäntzlich haben eingenommen / da
er sehen muß / wie alles sich bey einer reichen Erndte freue ; wie man die leeren
Scheuren mit
schweren Garben fülle :
Wie alles ihm die Hoffnung mache / es werde der Magen nun nicht mehr so viel als
vorhin zu unterhalten kosten . Er aber muß eben in der Erndte-Zeit so schlechte
Erndte haben / und dem Todten-gräber müßige Stunden gönnen . Solte ihm nicht
verdriessen / daß er auf einem guten Frühling einen so schlechten Sommer habe .
Doch daß er sich nicht gar aus der possession setzte / und man nicht meynen
möchte / der Tod sey todt / und er zur Erndte-Zeit nur etwas erndte / so sucht
er alle Winckel durch / ob nicht was Reiffes anzutreffen / daran er seine Sichel
schlagen könne : und siehe / da er auff den Holtzberg in diesen Winckel kommt /
so findet er / was er sucht / einen Halm der zur Erndte reiff / eine betagte
Matrone / die weiland Viel-Ehr- und Tugend- begabte Frau Anna Maria Müllern /
gebohrne Krullin / sehl . Herrn Henning Müllers / bey hiesiger Julius-Universität
durch viele Jahre berühmten Buchdruckers nachgelassene Witwe : da schlägt er denn
die Sichel an / und legt die jenige todt zur Erden nieder / welche wir jetzo in
die Erde legen sehen . Aber O du Menschen-Mörder ! findestu deine Lust hieran /
daß diese dir zu theil worden / und den langaußgesetzten Termin endlich bezahlen
müssen ; Gewiß / du thust der Seeligen auch keinen Verdruß / daß du sie aus
dieser verdrießlichen Welt abgefodert ; Sie war alt und lebenssatt / und wenn der
Ausspruch Davids gilt / wie er denn gelten muß / daß unser Leben währe 70. Jahr
/ und wenns hoch kömmt 80. Jahr / so hat diese 83jährige Frau schon 3 Jahr über
ihr Leben gelebet / und geschicht Ihr eben recht / daß sie sterben muß . Ja wol
recht / denn so das Alter an ihm selbst eine Kraickheit ist / so ist ja
ausgemacht / daß zu dieser Kranckheit kein besser Doctor kan gebrauchet werden /
als der Tod . Und so ist denn die Sehlige erst gesund worden / da dieser
Artzt an ihr sein Heil versucht / und
sie seelig sterben heis sen . Diß geschahe aber am verwichenen Sonntage / eben an
dem Tage / da sonst die Römische Kirche das Fest der Himmelfahrt Mariä hält . Ich
meine / daß ich dieses diesen Morgen nicht zur Unzeit in meinem Calender
wahrgenommen / denn bald darauff wurde ich von einigen der seligverstorbenen
Frauen hinterlassenen Freunden ersucht / bey derselbigen Beerdigung eine kleine
Rede zu halten ; Da mir denn als einen schlechten Redner dieses fast schwer
fallen wolte / erkundigte ich mich doch nach Ihren Nahmen / und wie ich hörete /
daß sie Maria geheissen / so freuete ich mich / daß ich denen dienen kunte /
welchen ich nichts versagen kan . Denn ich fand Anlaß / zu dem / wovon ich / wens
ohn M. H. A. Verdruß geschehen könte / jetzo noch ein wenig reden wil : Ich meyne
von dieser Marien wahrhafftigen Himmelfahrt . Wer am vergangenen Sonntage zu Rom
oder sonst Papistischen Oertern gewesen / dürffte gehöret haben / wie hie und da
ein Lügenden-reicher Mönch viel von dem Transitu oder Assumtione Mariae , von der
Himmelfahrt der Mutter GOttes zu erzehlen gewust . Gieng doch schon zu des H.
Augustini Zeiten diese Fabel in vollem Schwange / daß Maria / theils sagten 15.
theils 23. Jahr nach ihres Sohnes Himmelfahrt ihre Nachfahrt auch dem Leibe nach
gehalten / und unter dem Geleit und Frolocken der Engel in den Himmel
aufgenommen sey : Wie grossen Zuwachs wird sie denn in so viel hundert Jahren
bißhero noch genommen haben . Wie mancher träumender Mönch und Nonne haben ihre
Einfälle wol hinzu gesetzet . Augustinus hat aber diese Zeitung von der Mariä
Himmelfahrt schon zu seiner Zeit verworffen / und von der Zeit an biß auff diese
Stunde ist es noch manchen / auch mitten im Pabstum / sehr sauer geworden / ihr
Glauben beyzu-
messen . Diß aber
getraue ich mirnoch wol zu behaupten / daß unsere Seel . Anna Maria Müllerinn am
Tage Mariä Himmelfahrt wahrhafftig ihre Himmelfahrt gehalten . Fast vor 83.
Jahren / da ihr bey der H. Tauffe der Nahme Maria beygeleget worden / wurde sie
schon in das Buch der Himmels-Bürger eingeschrieben / und bekam zugleich die
Anwartung / ja die Flügel selbst / zu dieser Himmelfahrt . Von der Zeit an wurde
Sie von Ihren Seel . Eltern immer näher und näher zum Himmel angeführet / und Ihr
durch fleißige Erziehung und sorgfältigen Unterricht die richtige
Himmels-Strasse angewiesen / auf welcher Sie denn / wie ich dem guten Zeugniß /
welches ich von Ihr höre / gerne glaube / behutsam einher gegangen / und wenn
Sie ja Fehltrite gethan / oder gar auf Abwege gerahten / ( wie allen so noch
unter dem Himmel / und nicht in dem Himmel / begegnen kan ) muste eine ernstliche
Busse alles wieder gut macheu / und die Himmel-versichernde Verheissungen /
welche rechtschaffene bußfertige Sünder in dem Worte GOttes finden / gaben Ihr
allezeit neue Anwartung zu Ihrer Himmelfahrt . Da sie nach des höchsten Willen
auch einen solchen Manne durch das ehliche Band zugefüget / der mit seiner Kunst
denen / so zum Himmel wollen / guten Vorschub gethan / ich wil sagen / der viele
nützliche Bücher gedrucket / bekam Sie auch nicht wenig Lust / gute Bchüer zu
lesen / und bey solchem Lesen durch heilige Gedancken täglich Ihre Himmelfahrt
zu halten . Aber siehe / Sie muste auch / wie es bey frommen Christen die alte
Mode ist / auf diesem Himmels-Wege durch scharffe Dornen gehen . Gewiß / ein
saurer Gang war es / da Sie vor 25. Jahren ihren lieben Seel . Mann zum Grabe
begleitete / und durch diesen Gang zur betrübten Wittwen werden muste ; Und wie
viele Creutz--
Wege mehr hat Sie
wandern müssen / daran wir nicht mehr gedencken / weil Sie dieselbe nun schon
selbst vergessen hat . Eine Gott-gelassene Gedult war bey allen diesen Ihr bestes
Trauer-Kleid : Ihr süssester Zeit-Vertreib GOttes Wort zu hören : Ihre grösseste
Sorge vor die Ihrigen zu sorgen / und ihren Nechsten auch offt mit ihrem eigenen
Schaden zu dienen . Indessen hatte Sie / von der Zeit an / da ihr Seel . Mann der
Seelen nach seine Himmelfahrt gehalten / keine Lust mehr auf Erden zu bleiben .
Jener / Metellus genant / ließ auf sein Grab diese Frage setzen : Metellus ?
Solt ich auff der Erd verweilen ? Nein / ich muß zum Himmel eilen .
Diß kunte wol Ihr Wahl-Spruch seyn . Von einem gewissen Vogel / Monocodiata genant
/ der sich in einigen Indianischen Inseln sehen läst / findet man die Nachricht
/ daß derselbe zwar aus der Erden seinen Ursprung habe / aber ohne Füsse sey /
und also nimmer die Erde berühre / sondern immer gen Himmel fliege ; Dieser
bildet einen Christen / und also auch die Seel . Müllerinn / die auch eine gute
Christin war / sehr artig ab / und könte man darzu schreiben diese Worte : Ima
despicit , summa petit :
Gen Himmel wil ich mich nur lencken / Und an die Erde nicht gedencken .
Daher denn auch / je mehr sich wegen hohen Alters ihr Harpt zur Erde nieder
beugte / und ihre Augen sich nach der Ruhstätte umsahen ; je mehr war ihr Hertz
gen Himmel gerichtet / und wünschte Ihre Himmelfahrt . Und nun ist Sie ihres
Wunsches theilhafft worden . Denn da Sie in der zarten Kindheit in die Rolle der
Himmels-Bürger eingeschrieben / da Sie von Jugend anff biß in das späte Alter
die Himmels-Bahn betreten / und als eine Himmels--
Bürgerin gelebet / wer wolte
denn nun / da Sie gestorben / zweiffeln / daß Sie der Seelen nach ihre
Himmelfahrt gehalten . Ja am Tage Mariä Himmelfahrt war unser Annen Marien
Müllerin warhafftige Himmelfahrt . Die Papisten suchen sonst alles hervor / womit
sie die ertichtete leibliche Himmelfahrt Mariä wollen ansehnlich machen . Sie
vergleichen sie mit dem Vogel Phoenix , welcher mit vielen andern Vogeln umgeben
sich hoch gegen die Sonne schwinget / mit der Beyschrifft : Comitantur ovantes .
Wollen damit anzeigen das Geleit der Engel GOttes / welche die Jungfrau Maria
durch die Wolcken in den Himmel mit Jauchtzen und Frolocken eingeführet . Von dem
Leibe der Mutter GOttes dieses zu glauben / ist / wie obgedacht / sehr ungewiß /
doch gewiß genug / daß dieses Geleit aller Gläubigen Seelen bey ihre Himmelfahrt
begleite . Und wer wolte unser Seelig-Verstorbenen dasselbe absprechen ? Freylich
Engel haben sie in ihrer Himmelfahrt begleitet : Engel haben ihre Seele getragen
in Abrahams Schooß . Solte denn wol jemand können über dieser Marien Himmelfahrt
betrübet seyn ? Wer Ihr was gutes gönnet / kans nicht seyn . Doch kan ich sie
nicht verdencken / daß Sie jetzt in traurigen Schwartz erschienen . Sie verlieren
eine sorgfältige Mutter / eine fleißige Vorbitterin : Aber / was wirds endlich
helffen ? Einmahl muste das alte baufällige Hauß ihres Leibes abgebrochen werden
/ und sein Einwohner die edle Seele so lange heraus / und bey GOTT in den Himmel
einziehen ; Der Tag wird aber kommen / daß GOTT selbst Ihr einen neuen Bau
erbauen / und diese Wohnung / die jetzt zerfällt / dergestalt wieder aufrichten
wird / daß Sie in Ewigkeit nicht wieder zerfallen könne / sondern mit ihrem
Einwohner
den Himmel einnehmen möge .
Wie aber die Engel der Seelig-Verstorbenen bey Ihre Himmelfahrt gen Himmel
begleitet ; So haben Sie / M. H. A. Ihren Leib als eine nunmehro abgebrochene
Hütte / zur Erden zu begleiten sich gütigst bemühen wollen / davor soll ich im
Nahmen der sämtlichen Erben und Anverwandten hiemit dienstlichen Danck abstatten
/ mit dem auffrichtig-gemeintem Erbieten / daß Sie an ihnen nichts wollen
erwinden lassen diese Gutheit einiger massen zu erwiedern / wünschen aber nach
GOttes Willen lieber von Ihnen ein Trauer-Geleit zu geniessen / als Sie zum
Grabe zu begleiten . Ich setze meinen hertzlichen Wunsch hinzu : GOTT gebe Ihnen
einen sanften Schlaff / und zu rechter Zeit eine fröliche Himmelfahrt .
Der nach den Abgerissenen Zweig verdorrende Stamm Bey ansehnlicher
Leich-Bestattung S. T. Seel .
Herrn Hanß Brübbelings / Wohlverdienten Rahts-Cämmerers und des Rahts
Schöppenstuhls Beysitzers / und Dessen Jungfer Tochter / Seel . Jungfer
Anna Dorothea Grübelings / In einer
Abdanckungs-Rede vorgestellet Den 2. Decemb . 1700 .
WEnn ich den letzten Raum / welchen unser Leichnam in der Welt füllen muß / ich
meyne die Grube unsers Grabes / ansehe / so werde ich verhoffentlich nichts
ungereimtes sagen / wenn ich sage : Alle Menschen sind Grüblinge ; denn alle
Menschen müssen ja endlich eine Grube füllen . Billig solte es aber hierin etwas
ordentlicher zugehen / und wie anderweit / so auch hier / der Alte vor
den Jungen einen Vorzug haben ; Ich
meyne / ein alter Grübling solt eher die Grube füllen als ein junger . Allein was
weiß der Tod von Ordnung und Billigkeit ? Das Alter hat bey ihm so viel Respect
als die Jugend / die Ingend so viel als das Alter . Der schon lange auf der Grube
gangen muß öffters dem noch zur Grube folgen / der noch vielen zu folgen dachte .
Ja daß der Tod sein Recht recht sehen lasse / so heißt er zuweilen Jung und Alt
zugleich in die Grube gehen . Ach die heissen Witwen und Wäysen-Thränen / die
schmertzliche Mutter- und Brüder-Seufftzer / so in diesen Tagen in allen
Winckeln dieses Hauses vergossen und heraus gestossen worden / / beklagen das /
was ich itzt gesagt ! Und wir / die wir itzt von zwey betrübten Gruben kommen /
bezeugen es mit diesem Leid-Wesen / daß ein Grübling von 70. und eine Grüblingin
von 20. Jahren in einem Augenblick in die Grube kriechen müssen . Es ist ja der
weyland Edle und Hochachtbahre Herr Hanß Grübling / bey dieser Hochlöbl . Stadt
Helmstädt in die 15. Jahr treu-verdienter Rahts-Cämmerer und des hiesigen
Rahts-Schöppenstuhls Beysitzer / dem wir itzo zu seiner Grube begleitet haben . O
schon genug wäre es / daß wir diesen missen müssen . Aber ach ! dem harten
Verhängniß war es noch nicht genug ; Es ist auch dessen Tochter / die weyland
Hoch-Ehr- und Tugendbegabte Jungfer Anna Dorothea Grüblings / welche von uns
eben solchen traurigen Dienst genossen . O schmertzliche Begebenheit / daß eine
so wolgerahtene Tochter zur unschuldgen Vater-Mörderinn werden müssen ! Wie kan
ich diß anders ansehen ? Die Tochter erkrancket anfangs nur an einem äusserlichen
Gliede / der Vater gar am Hertzen ; Die Tochter stirbt ; der Vater auch . Doch wie
könte es anders seyn ? Weñ die Tochter zur Trauung gehet / so ist
der Vater Braut-Führer . Wer kan deñ diesem Vater solche Ehre
absprechen /
da seine allerliebste
Tochter der Seelen nach mit ihrem Himmels-Bräutgam sich so nahe verpaaret . Wenn
die Tochter wird von dem Bräutgam heimgeholet / muß der Braut-Schatz da seyn :
und siehe ! diese Jungfer bringt dem Bräutigam ihren eigenen Vater zum
Braut-Schatz mit . Solte ich aber diesen Fall M. H. A. recht vor Augen stellen /
so wolte ich einen Baum mahlen / von dem des Gärtners Messer einen Zweig
geschnitten / aber ihn zu tieff verwundet / daß er sich / wie man redet / zu
todt blutet / mit der Beschrifft :
Lethale vulnus : Der Abschnitt dieses Rebens Ein Abschnitt meines Lebens .
Der Seel . Herr Cämmerer war ja einem fruchtbaren Baum oder Stamm in seinem
gantzen Leben nicht ungleich . Seit dem er / daß ich so reden mag / an den
Wasserbächen der H. Tauffe gepflantzet worden / hat er ja allezeit seine Früchte
bracht zu rechter Zeit ; So daß ich wol von Ihm sagen mag / was jener über einen
Feigen-Baum geschrieben :
Semper fertilis : Bey mir ist allezeit Die süsse Frucht bereit .
Bald in seiner zarten Jugend lasen seine Seel . Eltern von ihm die Früchte eines
kindlichen Gehorsams / einer Trost-vollen Hoffnung an Ihm noch viel Freude zu
erleben ; Bald aber liessen sie solche Früchte denen über / bey welchen er der
Edlen Kauffmannschafft halber / dieselbe theils zu lernen / theils zu üben /
sich aufgehalten . Kan aber wol ein Baum durch zeitiges Verpflantzen an Früchten
reicher and angenehmer werden ? So hat man solches auch an dem Seel . Herrn
Cämmerer wahrgenommen ; Denn nach dem Er wieder in diesen unsern Helmstädtischen
Kirch-Garten eingeflantzet
worden / O
wie treffliche Früchte hat man von Ihm jederzeit gesehen ? Traun / Er war nicht
wie die Bäume / welche Blätter und auch wol reiche Blüte zeigen / aber die
Früchte bleiben zurücke . Ich wil sagen / Er war nicht wie die Heuchler / die
viel Prahlens von ihrem Christenthum machen / in der That aber wenig gute Thaten
sehen lassen . Nein / dißfals war Er auch wie ein Feigen-Baum / von dem es heißt :
Poma pro floribus : An statt der Blühte Schein Wil ich voll Früchte seyn .
In seinem Glauben war Er wie ein Baum mit seinen Wurtzeln in die Wunden seines
Heylandes tieff und fest eingesetzet . Seine Geduld war unvergleichlich . Auch
hierin war Er einem Baume gleich / welcher
Cedendo vincit : Wenn Sturm und Wind sich findet / Durch Weichen überwindet .
Und wolte ich mehr Früchte seines Christenthums nachlesen / so würde es nicht an
deren reichen Vorraht / mir aber wol an Vermögen fehlen dieselbe der Gebühr nach
vorzulegen . Ich meyne auch das Rahthauß und Cämmerey-Wesen dieser löblichen
Stadt haben von ihm milde Früchte genossen . Sein wolbedachter Raht hat offt
vielen Dingen gerahten ; Und die theils wol abgelegte / theils gantz fertige /
alle miteinander ordentlich und redlich geführte Register geben Ihm den Nachruhm
eines treuen / eines sorgfältigen und emsigen Cämmerers . Seine unverdrossene
Aufsicht auf das gemeine Beste / und der Stadt Gerechtsamkeiten / hinterläst
noch allenthalben die nützlichsten Spuhren . Dabey deñ diß
sonderlich zurühmen / daß er den Eigennutz gerne zurück gesetzet / wenn ein
gemeiner Nutz sich zeigen wollen . Gewiß in diesen allen war er ein Baum / der
andern Früchte gab / und vor sich
nur
die Last behielte . Sibi onus möchte es von Ihm heissen :
Die Früchte / welche andre lesen / Sind Ihm nur eine Last gewesen .
Groß Wesen wuste er dabey nicht zu machen / und mit der Welt groß zuthun /
hieriñ war er den Feigen gleich / die haben
Dulcorem non speciem : Von aussen keine Zierlichkeit / Doch binnen viele
Süßigkeit .
Wo Er seinen Nächsten dienen kunte mit dem / was er von GOtt hatte / war er
willig und bereit dazu . Nicht anders als ein Baum / der die Sonnenstrahlen
aufnim̃t und davor dem / der es verlanget / wieder einen
kühlen Schatten giebt :
Umbram pro luce rependit : Weñ Gott von Him̃el ließ
was gutes auf ihn fliessen / So ließ er andre auch was Gutes mit geniessen .
Aber / M. H. A. sind denn von diesem schönen Stamm keine Zweige ausgeschlagen ? Ja
/ da sehen sie einige davon um sich stehen / von denen ich nichts mehr sage als
diese Worte :
Non degeneres : Was hiervon ausgeschlagen / Wird aus der Art nicht schlagen .
Aber ach ! der eine Zweig / welchen der ungeschickte Gärtner der Tod von diesem
Baum abgerissen / ich meyne die Sehl . Jungfer Grüblings / wolte zum wenigsten
keinen unter diesen etwas nachgeben / solche Früchte als der Stam̃
brachte auch zu bringen / ich meyne : des Vatern Gottesfurcht / Redlichkeit und
andern Tugenden nachzuahmen . Wie ein junger Zweig / wenn er aus dem Stamm
schläget / sich alsobald in die höhe beuget : Sursum :
So bald ich kan / Nur Himmel-an .
So hat sich auch bey der Seel . Jungfer von Jugend auff
eine himmlisch-gesinnete Gottseligkeit
spühren lassen ; Sie wuste mit schuldigem Danck und Gehorsahm stets zu erkennen
das Gute / so Sie von ihren Eltern genossen . Die Tugend welche Sie / nichts
anders als ein Zweig den Safft aus seinem Stamm / von ihrem lieben Vater an sich
genommen / äusserten sich von Tage zu Tage immer mehr bey Ihr / gleich denen
Buchstaben / welche man in einen jungen Baum geschnitten . Ihre eingezogene
Keuschheit vergleichte Sie einem Granatapffel-Baume / von dem es heißt :
Tutius sub umbra : Nicht zu bekandt Gibt sichern Stand .
Und O unvergleichliche Gedult ! die Sie sonderlich in ihren so schmertzlichen und
langwierigen Krancken-Bette von sich spühren lassen . O beständiger Glaube ! damit
Sie an ihrem Erlösere gehangen . Je tieffer der Tod gleichsam sein Messer
ansetzte Sie von ihrem Stamm abzuschneiden / je tieffer und fester senckte sich
ihre Seele ein in den Baum des Lebens Christum Jesum / daran sie ein lebendiger
Zweig gewesen . Ja wie ein Zweig / wenn er schon von dem Baum balb abgerissen /
und nunmehro bald verdorren wil :
Peritura viret : Wenn schon der Riß geschehen / Noch lässet Blühte sehen .
So auch die Seelige / da schon ein langsamer Tod Sie sterben machte / lebte doch
in ihrer Seele noch der Glaube frisch und grün / und ließ sich durch die
andächtige Seufftzer mercken . Endlich aber fiel der schöne Zweig dahin / und
muste von seinem Stam abgerissen werden .
Ah concidit ante diem : Ach viel zu früh hat dieser Reben Sein Leben müssen dahin
geben .
Und wenn nur nicht durch diesen Schnitt der Baum selbst gar zu tieff verwundet
worden . So aber rufft uns der Seel . Herr Cämmerer zu :
Lethale vulnus : Der Abschnitt dieses Rebens Ein Abschnitt meines Lebens .
Der Zweig war abgeschnitten / und dieses dem Stamm so empfindlich / daß er sich
zu tode geblutet . Mit wenigem : Der Tochter Tod druckte dem Vater die Augen zu .
Ich weiß fast nicht / ob ich recht dazu habe / der hinterlassenen betrübten Frau
Witwen / denen Herren Söhnen / und theils noch unmündigen Weysen einzureden /
daß Sie ihre Thränen mäßigen . Jener / der Fr. Wittwen / fällt ja durch diesen
Fall ein Baum dahin / daran sie sich / wie das Epheu an einen Baum / geschlungen
/ und von dem sie sagen kunte :
Te stante virebo : So lange du wirst stehen / Kan ich nicht untergehen .
Diese / die Hochbetrübte Wäysen / als abgerissene Zweige / wissen nun nicht mehr
/ wo sie ihren Safft hernehmen sollen . Ihre Mutter sind ihnen schon vorlängst
entrissen / nun haben sie auch den Vater / ach noch gar zu früh ! verlohren . Und
wenn nur noch die Sehl . Jungfer Schwester wäre überblieben . Aber / ach hartes
Verhängniß ! Vater und Schwester / Schwester und Vater auf einmahl . Was Wunder /
da ein so grosser Zweig abgerissen / und der Stamm darüber sich selbst zu tode
geblutet / daß die übrige Zweige heisse Thränen fliessen lassen ? Ich schreibe
nochmahls über den Baum den ich oben zum Sinnbilde angeführet :
Lacrymabile vulnus : O Wund ! O Thränen-Brunn ! Dir ist es zuzuschreiben /
Daß Vater / Schwester / Mann und
Tochter müssen bleiben .
Doch ich wil bitten in Thränen Maaß zu halten . Der Tod hat diesen Schnitt nicht
vor sich gethan ; Der HERR des Lebens und des Todes hats ihm geheissen ; Der wolte
diesen Zweig zusamt seinem Stamm ins Paradieß versetzen ; Und so ist es auch in
der That geschehen . Sind denn gleich Zweig und Baum verletzet / so heißt es
doch :
Non ultra corticem : Ob gleich der Schnitt tieff angesetzet / Wird doch die Rinde
nur verletzet .
Nur die Hütten sind hier abgebrochen / der Geist ist ausgezogen ins Vaterland ;
Dakan beyder Seele sagen / was der Jesuit Engelgrave bey anderer Gelegenheit
über einen inoculirten Pfropff-Reiß schreibe :
Non sum , qui fueram : So bin ich nun verändert gar / So bin ich nicht mehr was ich
war .
Und wer weiß / ob nicht die Sehl . Jungfer / da Sie schon den Vorschmack des
Himmels gehabt / ihrem Vater diese Lust auch gönnen wollen ? Wer weiß / ob nicht
der Vater sich ungern von der Tochter wollen trennen lassen ? und siehe / beyde
haben erlanget was sie verlanget . Die Tochter kam zwar ein wenig eher in den
Himmel als der Vater / Tochter und Vater zugleich ins Grab . Das was hier auf der
Welt von beyden liegen blieben / und von uns aus der Welt begleitet worden /
wird auch einmahl wieder grünen / weñ Ezechielis Gesicht wird
erfüllet werden . Was man von einem dem Ansehen nach zwar fast verdorreten / doch
noch wieder ausschlagenden Stamm schreiben möchte / gilt auch hier ;
Levabit se : Was wir izt fallen sehen / Wird aufgerichtet stehen .
Sie klagen aber nicht / Hochbetrübteste Leidtragende / daß Sie nun verlassen
sind ; Nein / diese / so wir hier vor uns im Klag- und Traur-Habit erblicken /
heissen Sie ein anders hoffen . Denn nebst dem / daß Sie mit ihrer itzigen
Gegenwart den Tod / theils eines auffrichtigen Anverwandten / theils eines
wehrt-geschätzten Collegen , theils eines ungefälscheten Freundes / betrauren /
wollen Sie zugleich an den Tag legen / daß sie / so viel an ihnen ist / der
Hochbetrübten Frau Witwen / denen Vater- und Mutterlosen Weysen Bäume seyn
wollen / daran sie sich halten / Bäume / darunter sie Schutz und Schatten finden
sollen . Nun hierum wil ich sie / M. H. A. in ihrem Nahmen fleißig ersuchen / und
zugleich thun / warum ich ersuchet bin . Ich wil / M. H. A. schuldigen Danck
sagen / daß Sie bey diesen so unbeständigen Wetter doch ihre beständige
Freundschafft gegen den Sehl . Herrn Cämmerer und der Sehl . Jungfer darthun / und
diesen Zweig samt seinen Stam̃ auf unsern Gottes-Acker wollen
einpflantzen sehen . So lange sie noch in der Welt sind / werden sie dieses mit
geflissenster Danckbarkeit zu erkennen sich eiffrigst bemühen . Daneben wünschen
sie / daß der böse Gärtner der Tod noch lange aus ihrem Garten bleiben / Sie
aber als grünende / blühende und fruchtbringende Bäume samt ihren Zweigen / zwar
auch einmahl ins Paradieß versetzet / doch weñs ihnen gut und
seelig ist / hier noch eine gute Zeit mögen übrig bleiben . Ich aber wil diese
Worte noch hinzu setzen :
Prucul esto securis : O Tod / laß diese Bäum mit Aesten und mit Reben Vor deiner
Sichel hier noch lange sicher leben !
Das Besunde Hertz in der krancken Brust S. T. Seel .
Herrn Johann Beorg Weylls / Weyland Treu-verdienten Rahts-Verwandtens auch
Fürnehmen Kauff- und Handelsmanns alhier /
Nachdem Derselbe am 4. Decemb . 1700 . an der Brust-Kranckheit verstorben / und
darauff den 12. dieses Monats
In ansehnlicher Leich-Begleitung zur Erden bestättiget worden / Zu seinem
Wohlverdienten Nachruhm In einer
Abdanckungs-Rede vorgestellet .
WEnn ich vor dißmahl nicht reden kan / wie ich wol reden wolte und solte / werden
Sie mirs hochgeneigt zu gute halten / denn Herr Weyll ist todt / und ist eben
der / von dem ich reden soll . Ach die traurigen Gedancken über den Verlust der
sonderbahren Liebe und Freundschafft / so ich von diesem wehrten Manne genossen
/ haben mich fast zu keinen rechten
Gedancken kommen lassen / und diesen Augenblick hindern sie meine Zunge / das
wenige / was ich nachdencken können / hervor zubringen ; bevorab da ich hier so
viel um mich sehe / die mit ihren Thränen / mit ihrem Seufftzen und
Traur-bedeutendem Flor und Farben mich noch trauriger machen . He mors nobis haec
tristia fecit , der Tod / der ungestühme Creditor fordert auch seine Wechsel
offtmahls so gar zur Unzeit ein ; Menschlichen Ansehen nach kömmt er in dieses
Hauß viel zu früh / damit / da er dessen bißherigen Einwohner / welchen ich
anfangs kaum nennen kunte / den weyland Edlen und Hochachtbahren Herrn Johann
Georg Weylln / vornehmen Kauff- und Handelsmann / auch eines Edlen Hochweisen
Rahts treu-verdientes Mitglied / zur Bezahlung einer alten Schuld anstrengen
ließ ; Nahm auch keinen protest an / wolte keine dilation geben / sondern der
Wechsel muste acceptiret / und nach achttägiger Frist bezahlet seyn . Und wir /
M. H. A. haben ja leider vor einer Stunde gesehen / wie das / womit er den
Wechsel bezahlet / sein verblichener Leichnam / aus diesem Hause getragen / und
in des Todes allgemeine Cassa , ich meyne die Erde / beygeleget worden . Der
Monitor , den der Tod gebraucht diese Schuld einzufordern / war eine hefftige
Brust-Kranckheit / die nicht abließ mit mahnen / biß die Zahlung erfolgete . So
gehts / wenn gleich der Einwohner gut / so daucht zum öfftern die Wohnung nicht
/ und wenn denn die zerfällt / so muß der Einwohner räumen . Jener Momus tadelte
an der Brust des Menschen / daß kein Fenster darinnen wäre / dadurch man eines
jeden Hertz sehen könte / wäre dieses aber gleich so eingerichtet worden / hätte
er dennoch seinen Zweck nicht erreichet / und zwar das Hertz / aber nicht was in
dem Hertzen verborgen / erblicken mögen . Doch vielleicht wäre es hier-
zu gut gewesen / daß man einem
gesundem Hertzen in einer krancken Brust hätte können zu Hülffe kommen . Wenn die
köstliche Essence in einem zerbrechlichen Gefäß wird auffgehalten / wie leicht
ist es geschehen / daß das Gefäß zerbricht / so ist der Safft verschüttet . Man
könte wohl über solches schreiben :
Fragile Hospitium : Wie leicht zerbricht diß Hauß / So muß der Wirth herauß .
So gehts auch zu / wenn das beste Hertz in einer bösen Brust seinen Auffenthalt
hat / wie leicht kan auff die Krankheit der Tod erfolgen / so muß das Hertze
räumen . Ist dieses nicht bey dem Sehl . Herr Weyll eingetroffen ? Er hatte ein
gutes Hertz / aber eine böse Brust / darüber man wohl diese Worte schreiben
mögen :
Corinaegro pectore sanum : Die Brust war böß und kranck / und kunte nicht genesen
/ Doch ist das Hertz darin gesund und gut gewesen .
Ja / ja / der Sehl . Herr Weyll hat ein gutes / ein gesundes Hertz in einer
krancken Brust gehabt . Mein Verstand ist aber itzo nicht dazu aufgeräumet
darüber zu pilosophiren / ob das Gemüht oder die Seele ihren Sitz im Hertzen
habe ? Ich rede aber wie die meisten reden / und wenn ich sage : Herr Weyll hatte
ein gutes und gesundes Hertz / so verstehe ich freylich durch das Hertz sein
Gemüht und seine theure Seele / von der sage ich : Sie ist gut und gesund
gewesen . Zwar von der angeerbten Sünden-Kranckheit kan ich sein Hertz nicht frey
sprechen / diese aber wurde bald in dem Gesund-Brunnen der Heil . Tauffe in so
weit geheilet / daß sie nicht mehr tödlich war / und wenn ja in seinem Leben ein
Recidiv sich äusserte / so wuste
er bald eine Cur dawider anzustellen . Jener / da er diese Cur beschreiben wolte
/ mahlete viele Hertzen unter einen Mühlensteine ! und schrieb darüber :
Contrita valebunt : Das ungesunde Hertz muß man mit ernster Reu Zerknirschen so
wird es von seiner Kranckheit frey .
Ist gantz probat , wenn nur die Blutstropffen JEsu auff das zerknirschte Hertz
durch wahren Glauben wieder appliciret werden ; Und durch diese Cur hielte denn
auch der Sehl . Herr Weyll sein Hertz allezeit gut und gesund . Gut und gesund war
es in absicht auf seinen GOTT / denn der hatte daran einen Altar / worauff ihm
täglich zum wenigsten ein Morgen- und Abend-Opffer gebracht worden . Ja sein
Hertz selbst brachte Er zum Opffer dar / daß ich in solchem Absehen über sein
Hertz wol setzen möchte :
Ara simul & victima : Ein Altar war diß Hertz / drauff GOtt ein Opffer
ranchte / Diß Hertze war auch das / was er zum Opffer brauchte .
Ein Papistischer Scribent gibt vor Warheit aus / daß als eine gewisse
Ordens-Schwester / welche er S. Claram de Montefalio nennet / nach ihrem Tode
geöffnet worden / habe man in ihrem Hertzen das Bild des gecreutzigten JEsu
gantz deutlich abgedrucket gefunden : Deß bin ich auch gewiß / daß in dem Hertzen
unsers Seel . Herrn Weylls ob gleich nicht das Bild / doch der gecreutzigte JEsus
selbst / gantz tieff hinein gedruckt gewesen . JESU in mir / ich in dir / war ja
sein gewöhnliches Sprichwort / und ist mir recht / habe ich gehöret daß es auch
sein letztes Wort gewesen . Ein
gutes
Hertz brachte Er seinem GOtt in die Kirche / ein gut Hertz in den Beichtstuhl /
ein gut Hertz an dem Altar / ja wo er war / da meynete ers gut mit seinem GOTT .
Gut war sein Hertz das gute zu thun / gut / das Böse mit Gedult zu leyden .
Einige von den alten Physicis theilen das Hertze des Menschen in drey Theile ;
Den obersten Theil geben sie der Seelen zur Residence , den andern machen sie zur
Werckstätt des Geblüts / den dritten zur Zubereitung der Lebens-Geister . Sie
mögen solche Eintheilung behaupten so gut sie können ; Ich wil das behaupten /
daß das gute Hertz des Sehl . Herrn Weylls sich in drey Theile eingetheilet ; Der
beste Theil gehörete GOTT / der andere seinem wehrtesten Ehe-Schatz / der dritte
seinem Nächsten . GOTT wil sonst das gantze Hertze haben / aber diese Theilung
kan er wol leiden / und doch das Hertze gantz behalten . Wie er GOTT seinen Theil
gegeben / hab ich schon angeführet . Von dem andern Theil darff ich nicht viel
sagen / wo ich nicht das Hertz wil blutend machen / welches an diesem Theil des
Hertzens hieng ; Doch dieses sage ich : Herr Weyll kunte wol als ein Exempel eines
treuen Ehegatten vorgestellet werden / und würde ich wol nicht unrecht thun /
wenn ich das / was jener über einen Pfropff-Reiß und dessen Stamm geschrieben /
über die Hertzen dieser beyden Ehe-Leute schriebe :
Utraque unum : Diese Zwey waren Eins .
An den dritten Theil seines Hertzens sehe ich fast nichts als lauter Adern /
dadurch das Gute / wie das Blut aus dem Hertzen auff so viele zugeflossen . Wie
gut war sein Hertz gegen seine Herren Collegen , wie gut gegen seine Geschwister
/ wie gut gegen seine gantze Famille , wie gut gegen alle /
mit welchen Er umzugehen hatte . Einem
jeden ehrlich zu begegnen / war sein emsiges Bemühen / und auff seinem Tod-Bette
wünschte er nebst seiner Seeligkeit dieses / daß er den Ruhm eines ehrlichen
Mannes hinterlassen möchte ; Diesen soll ihm denn auch keiner streitig machen /
es sey denn daß er nicht so ehrlich / als er gewesen . Die Alten stelleten einen
redlichen und auffrichtigen Mann unter diesem Bilde vor : Sie mahleten einen
Menschen frey und munter von Gesichte mit entblöster Brust / darauff er aber an
einer güldenen Kette vom Halse herunter ein Hertz hangen hatte / über ihm
stunden diese Worte :
Idem Intus & Extra : So wie mein Hertze dir hier in die Augen fällt / So
und nicht anders ists inwendig auch bestellt .
Warlich / ich kan von dem Sehl . Herrn Weyll rühmen / und andere könnens mit mir /
daß ich Ihn jederzeit eundem intus & extra gefunden / wie er sich
stellete / so war er auch . Aber ach ! immer Schade / daß diß gute Hertz in einer
bösen Brust seinen Auffenthalt haben müssen . Denn / woher kömmts / daß wir den
Sehl . Herr Weyll nun nicht mehr sehen / und von seinem guten Hertzen nicht mehr
Gutes geniessen ? Die böse Brust / darinnen es verwahret war / kunte diesen ihren
Gast nicht mehr beherbergen / sondern kündigte Ihm die Miethe auff / mit einem
Worte : Er muste sterben . Nun möchte ich wol sagen :
Candor in hoc aevo res intermortua pene est : Nun kranckt die Redlichkeit / ja sie
wird bald ersterben / Weil abermahl ein Stück derselben muß verderben .
Ein Hertz / dergleichen in 100. Jahren nicht viel in die Welt kommen / muß aus
der Welt / da es noch kein halb hundert Jahr in der Welt gewesen . Rahthauß /
Freundschafft / Bürgerschafft / insonderheit die liebe Armuht beklagen billig
diesen Verlust . Und wo soll ich ein Hertz hernehmen / der Hochbetrübten Fr.
Witwen / Söhne und Jungfer Töchtern ein Hertz einzusprechen / da ihr Hertz mit
diesem Hertzen aus ihnen gewichen . Nachdencklich war die Auffschrifft / welche
ehmahls eines Hertzogs von Savoyen aus dem Hause Carignan hinterlassene Witwe
über ein silbernes Kästgen schrieb / darinn sie das Hertz ihres verstorbenen
Gemahls und Printzen beygeleget hatte . Ich wil die letzten Worte aus derselben
nur anführen :
MARIA BORBONIA . Amore olim concors , nunc excors dolore Carum utriusque cor hic
clausum detulit : Et vivens intulit suum . Itaque Tria hic Corda sunt : Duo tantum
vides : Imo unicum .
Solte die Hochbetrübte Frau Wittwe vor sich und ihre sechs Kinder ihrem Seel .
Mann eine Schrifft auff seinen Sarck gesetzet haben / hätte Sie gewiß in diesen
Worten nicht viel verändern dürffen . Ohngefehr hätte es so lauten mögen :
Ach meines Mannes Hertz / und meiner Kinder Hertzen / Dazu mein eigen Hertz /
sind mit viel tausend Schmertzen
In
diesen Sarck gelegt . Acht Hertzen sind darin / Und doch nur eins ; Das macht /
daß ich ohn Hertze bin .
Alleine / es ist ein Irrtuhum hierin . Die Hochbetübte Fr. Witwe und liebe Kinder
besinnen sich nur recht / und nehmen ihre Hertzen wieder / denn ihres seel.
Mannes / ihres seel . Vaters Hertz ist nicht mit in den Sarck gekommen / es war
viel zu gut / viel zu gesund dazu / daß es in einer bösen und krancken Brust
länger bleiben / geschweige denn / daß es in der finstern Erde solte verscharret
werden . Nein / der Himmel selbst hat es aufgenommen . Da man bey den Heyden noch
die Leichnam der Verstorbenen verbrandte / ist wol eher das Hertz unversehrt in
der Asche wieder gefunden / weil man vorher den Cörper heimlich geöffnet und das
Hertz in Salamander oder dergleichen unverbrennliche Materie eingewickelt . Was
denn vormahls eine sinnreiche Feder bey ein solches Hertze gesetzet / da kan ihr
Sehl . Ehe-Herr und Vater mit besserm Recht von seinem Hertzen sagen :
Non consumetur : Wenn meine böse Brust von Würmern wird verzehret / So bleibt diß
gute Hertz doch allzeit unversehret .
Denn dieses Hertz war in etwas bessers und noch daurhaffters eingehüllet / in das
Blut JEsu CHristi . Die Alliance , welche zwischen der Fr. Wirwen ued ihres sehl .
Mannes Hertzen gewesen / war nur auf eine gewisse Zeit gemacht ; aber die /
welche sein Hertz mit JESU gemacht /
und noch letzt auf seinem Tod-Bette wieder erneuret / war auf ewig verknüpffet .
So werden Sie denn sein Hertz nirgends als bey ihrem Erlöser dermahleins wieder
finden . Indessen bleibet sein Andencken hier auch in der Welt in alle redliche
Hertzen eingegraben / da es keine Zeit und Vergessenheit auskratzen wird . Wollen
sie aber wissen / woran sich ihr Hertz halten soll ? Vor allen Dingen an GOtt /
der wil nun ihr Mann und Vater seyn . Denn auch sehen sie hier Leute um sich /
die auch noch gute und gesunde Hertzen haben . Es fällt mir hiebey ein das Bild /
welches jener Hertzog von Cleve / die nützliche Liebe und Einigkeit der
Unterthanen gegen ihre Herrschafft vorzustellen / erwehlt ; nemlich / er ließ
einen Schild gantz voller Hertzen mahlen / mit der Beyschrifft :
Hic murus aheneus esto : Diß ist der beste Schild / diß sind die feste Mauren /
Dabey man sicher kan vor allen Anfall dauren .
Nun / einen solchen Schild werden sie an GOTT und an deren Hertzen haben / die
sie hier itzo über ihr Unglück mit traurig sehen :
Hic murus aheneus esto : Diß sey Ihr Schild und Maur vor alles Ungemach / So diß
betrübte Hauß noch sonst betrüben mag .
Wie könte aber wol den Hochbetrübten sämptlichen Leidtragenden ein besser Hertz
wieder gemacht werden / als daß M. H. A. ihre sonderbahre Guthertzigkeit gegen
den Sehl . guthertzigen Herrn Weylln hier öffentlich kund thun / und das / was
Erde war / zur Erde haben wollen begleiten helffen . Ich wil in ihren Nahmen vor
solche genommene Mühwaltung ergebensten Danck hiemit abgestattet / und zugleich
ihr gantzes Hertz zu allen behäglichen Diensten / es sey in Freuden- oder
Trauer-Tagen / welche doch noch müssen ferne von Ihnen seyn / wieder dargebohten
haben . Wündsche dabey allen / die ich hier vor mir sehe :
Ut sit mens sana in pectore sano : Ein gut gesundes Hertz sey stets in ihrer Brust
/ Vnd keine Kranckheit sey der Brust auch selbst bewust .
Die neu eingekleidete Domina vorgestellet Bey der Beerdigung Der weyland
Würdigen / Hoch-Edlen / Groß-Ehr und Tugendbegabten Frauen /
Er . Anna Dorothea Heydmännin Des Hochlöbl . Marienbergischen Closters vor
Helmstädt
Treu-verdienten DOMINA Den 3. Decembr . 1700 .
SO darff sich der unbescheidene Gast der Tod auch in die Clöster machen / und zu
denen sich gesellen / welche keine Gesellschafft / sondern die stille Einsamkeit
lieben ? Ich meynete / die so in den Weltverachtenden Cellen wohnen / wären schon
aus der Welt / und doch muß ich hören / daß der Tod mit solcher Weltverlassung
noch nicht zu frieden / denn er wil sie noch weiter aus der Welt haben ; und daß
sie nichts Irrdisches mehr sehen / sie gar unter die Erden bringen . So hat er es
diß Jahr mit einer Jungfr . dieses Convents angesangen / so wil ers auch
schliessen / und ist nun gar Dominus von der Domina geworden . Es sind ja
nunmehro 16. Tage und einige Stunden / da er das gewagt / was ich jetzt beklagt ;
da wir die traurige Zeitung erhielten / die weyland Würdige / Hoch-Edle /
Groß-Ehr und Tugendbegabte Matron Frau Anna Dorothea Heydmännin / dieses
Hochlöbl . Marienbergi-
schen
Closters Treuverdiente Domina , hätte nun zum andern mahl der Welt gute Nacht
gesagt . Und siehe sie war es / welche wir itzo an der von ihr selbst verlangten
Stelle in die Erde sencken sahen . Doch so muste es endlich kommen ; Ihre horae
musten endlich ein Ende nehmeu / ihre Celle muste endlich zu enge werden / und
da es schon so lange / daß sie zu diesen bißher geführten Closter-Leben
eingekleidet worden / muste sie von neuen eingekleidet seyn . Indem ich sage /
sie muste von neuen eingekleidet seyn / fällt mit hiebey ein die Aufschrifft
eines klugen Kopffes / so er bey einem Seiden-Wurm gesetzet / welcher / nachdem
er seine gewisse Zeit in seinem calathisco Kneuel oder Spinnhause sich
aufgehalten / endlich als ein weisser Sommer-Vogel in einem gantz andern Kleide
aus demselben heraus gehet / sie war aber diese :
Candidatus exeo , Weg altes schlechtes Kleid / man wird mich künfftig sehen In
einem weissen Kleid neu eingekleidet gehen .
Denn M. H. A. sehe ich an den Tod der Sehl. Fr. Domina , so stelle ich mir
denselben nicht anders vor als eine neue Einkleidung . Wer die Sehl . in ihrem
Leben gekannt / muß Ihr zwar nach ihrem Leben diesen Nachruhm geben / daß sie
aller weltl. vanität und Eitelkeit von Hertzen feind gewesen ; so werden sie es
denn ihr nicht als eine Eitelkeit ausdeuten / wenn ich sage / daß sie sich in
ihrem Leben öffters umgekleidet . Wie sie diß Leben anfieng / brachte sie ein
Kleid mit auf die Welt / welches wir alle mitgebracht / den alten Adams-Rock .
Ihre Wolseel. Eltern / deren Gedächtniß bey unserer hochlöbl . Julia in steten
Ruhm und Andencken bleibet / waren aber nicht säumig auf ein neues Kleid bedacht
zu seyn ; und solches fanden sie in der H. Tauffe / darinn wurde ihres
Kindes mitgebrachtes Sünden-Kleid in
dem Blute des Lammes abgewaschen und hell gemacht ; da wurde sie mit dem Kleid
des Heils und mit dem Rock der Gerechtigkeit vermittelst eines wahren Glaubens
angethan . So daß man auch schon dazumahl / als sie von dem Tauffstein getragen
worden / von ihr sagen können / was man bey einen Seiden-Wurm in seiner
oberwehnten Veränderung schreiben müchte :
In gressu nobilior , Durch jetzt gethanen Tritt / trett ich in bessern Orden /
Durch dieses Wunder-Bad ist mein Kleid edler worden .
Und wie war Sie in ihren gantzen Leben so sorgfältig zu verhüten / daß dieses
reine Kleid nicht mit Sünden-Koht möchte besudelt werden ; und wenn ja solches
zuweilen geschehen / wuste sie sich bald wieder umzukleiden mit einem angethanen
Buß-Kleide / und an statt des alten Menschen den neuen Menschen anzuziehen . Noch
einmahl aber hat Sie sich in ihrem Leben umgekleidet / da sie nemlich auf GOttes
sonderbahre Schickung der Welt gute Nacht gesagt / und den Schleyer einer
Closter-Igfr . aufgesetzet . Nun ist zwar an dem / daß ein solches äusserliches
Kleid das innerliche gut zu machen gar nicht fähig ist / wie denn dieses ein
gewisser Papist seinen Closter-Brüdern und Closter-Schwestern deutlich genug zu
verstehen gibt . Einmahl stellet er ihnen zum Bilde vor einen Wiedehopffen /
welcher zwar in seinen Federn hübsch genug aussiehet / sonsten aber ein
stinckender und unflähtiger Vogel ist / dem er denn die Beyschrifft giebet :
Nimium ne crede colori ,
Trau ja den
Federn nicht / denn Farb und Federn liegen / Und wer nur darauff sieht / wird
sich gar offt betriegen .
An einem andern Ort vergleichet er sie mit dem Meerwunder / welches in der
Norwegischen See gefangen / und in einem rechten Mönchs-Habit zu sehen gewesen /
dazu er diese Worte setzet :
Habitum non virtutem , Das Kleid ist gut / Wo ist der Muht ?
Noch rufft er einen andern zum Zeugen / der solche Weltgesiunete Closter-Brüder
gar mit einer Schlange verglichen / die ihre alte Haut abgestreiffet / welcher
er diese Aufschrifft gegeben :
At virus non exuitur , Man kan das Kleid ablegen / Dabey den Gifft doch hegen .
Allein unsere sehl . Fr. Domina war anders gesinnet / Sie wuste / daß die ersten
Stiffter des Closter-Lebens kein anders Absehen gehabt / als daß in solchen
Häusern die dahin sich begebende Jungfrauen sich allgemach lerneten der Welt und
ihrer Uppigkeit entziehen / und hingegen GOTT mit heiliger Andacht ungehindert
zu dienen / vor die Kirche JESU zu beten / und in aller Tugend und Gottseligkeit
sich fleißig zu üben . Sie wuste auch / daß nach wieder auffgegangenen Lichte des
Evangelii der eingeschlichene Mißbrauch solches Nonnen-Kleides / und die
gezwungene Heiligkeit und Keuschheit abgeschaffet / und von den
Durchlauchtigsten Landes-Vätern ausdrücklich in ihrer Kirchen-Ordnung befohlen
worden / daß forthin
die Clöster in
ihren gottseligen alten Gebrauch solten wieder gebracht werden . Zu dem Ende sahe
sie dahin / daß nicht nur in diesen Convent ein Convent und Versammlung aller
Christl. Tugenden wäre / sondern auch zuförderst in ihrem eigenen Hertzen Glaube
/ Liebe / Gottseligkeit / Demuth / Gedult / Sanfftmuth und Freundlichkeit einen
stetigen Convent halten möchten . Diese hatte sie nach Pauli Ermahnung als ihr
bestes Ehren-Kleid angezogen . Sie kunte demnach flugs nach angenommenen
geistlichen Habit auch wol sagen / was jene Hand zu einem Seiten-Wurm / der
nunmehr ein ander Kleid und Leben angenommen / geschrieben :
Vivo ego jam non ego , Ich lebe / doch bin ich nunmehr ein ander Ich Denn Christus
lebt in mir / ich in Ihm stetiglich .
Sie ließ Ihr ja höchst angelegen seyn / als eine Domina auch Domina von Ihr
selbst zu werden / auch sonst / was dieses ihr Ampt mit sich führet ohne
Eigennutz abzuwarten / Ihren Gottesdienst nach vorgeschriebener Ordnung
zuverrichten / auch auf des Closters Beste nach Möglichkeit zu sehen .
Doch was war es / bey diesen ihren Kleidern war ihre Seele noch in ein ander
Kleid eingeschlossen / dessen / da sie es nun beynahe 76. Jahr getragen / und
darinn so manches Creutz ausgestanden / sie endlich überdrüßig worden / und es
deswegen abzulegen längst so sehnlich gewünschet hat . Ich verstehe kein ander
Kleid als das Kleid ihres Leibes . Wie nun ein Seidenwurm / wenn er gnug
gearbeitet / sein altes Kleid ab- und ein neues anzulegen mit diesen Worten
wünschen möchte :
Exuar ut induar , Ach möchte ich nur bald das alte Kleid verlieren / Und davor
wiederum ein neues Kleid mich zieren .
So wünschete auch die Sehl . wenn sie das Kleid / damit ihre Seele überkleidet war
/ ansahe .
Exuar ut induar , Ach möchte ich nur bald diß alte Kleid verlieren / Und davor
wiederum ein neues Kleid mich zieren .
Nun ihres Wunsches ist sie endlich theilhafftig worden / Sie hat sich nun zum
letztenmahl umgekleidet / und zum andern mahl wird Sie eingekleidet . Ein
sanffter und sehliger Tod hat Ihr das alte Kleid aus- und ein neues angezogen :
Die exuvias des alten Kleides den Leib haben wir in die Erde verscharren sehen /
ihre Seele aber stehet nunmehr vor dem Thron GOttes unter denen die mit weissen
Kleidern angethan GOTT schauen von Angesicht ; Candidata exii kan Sie nun sagen :
Weg altes schlechtes Kleid / man wird mich künfftig sehen In einem bessern Kleid
/ neu eingekleidet gehen .
E cella in coelum migravit coelicola , Sie ist nun aus ihrer Celle ins
Himmels-Zelt eingangen / und hat nun als eine rechte Domina die Herrschafft über
alle ihre Feinde . Nunmehro hält sie horas in hohen Chor der Heil . Engel . Und
endlich am jüngsten Tage wird Sie zum letztenmahl umgekleidet und zum
drittenmahl eingekleidet werden ; Da das alte Kleid / welches sie jetzund
abgeleget / ihr gantz verneuret / unverweslich und unsterblich wird wieder
angethan werden . Ob jemand über dieser neuen Kleidunge der Sehl . sich betrüben
und Trostes vonnöthen habe / trage ich billig Zweiffel . Denn Anverwandte sehe
ich nicht / und der sämtl. Würdige Convent dieses Closters würde es ungütig
aufzunehmen Ursach finden / wenn man sie dieser Undanckbahrkeit beschuldigen
wolte / daß sie ihrer so lang verdienten
Domina vor ihre Treue nicht die Crone / vor ihre bißherige Last nicht eine
angenehme Rast / und statt des alten Kleides den Schmuck des Himmels nicht
gönnen wolte . Vielmehr wird es bey ihnen ewig angeschrieben bleiben / was die
Sehl . gutes an ihnen und an diesem Closter gethan . Und um des willen ist
derselbe M. A. H. A. desto höher verbunden / daß sie mit ihrer Gegenwart die
letzten Vesperas unser Sehl . Domina beehren / und das Kleid / das sie nun
abgeleget / theils zur Grufft begleiten / theils dahin tragen wollen . Sowol der
Hochwürdige Herr Probst als sämtliche Glieder dieses Convents / lassen hievor
durch meinen Mund allerseits gebührenden Danck abstatten ; mit ohngeheuchelter
Versicherung ; zu allen behäglichen Gegendiensten sich hinwiederum willigst
finden zu lassen . Dach ist dieses ihr Wunsch / daß solches mehr in Feyer- als
Traur-Kleidern geschehen möge . Meiner Gewohnheit nach setze ich auch diesen
Wunsch hinzu : Daß / wenn sie auch dermahleins / ( welches GOtt / wofern Er es
sonsten gut zu seyn erachtet / noch lange aussetzen wolle ) entkleidet werden :
Candidati exeant : Sie müssen / wenn der Leib verscharret in der Erden / In
weissen Himmels-Schmuck neu eingekleidet werden .
Die durch den Bethränten abgewischte Mutter-Thränen Bey der Beysetzung Des S.
T.
Herrn Fridrich Matthias Weylls Vornehmen Bürgers und Handelsmanns Jüngsten
Söhnleins Johann Julius Christian vorgestellet Den 20 . May 1701 .
WEnn mir aufgegeben würde zu errathen / wohin jetzo wol der meisten Wünschen
ztelete ; so würde ich es vielleicht errathen / wenn ich sagte : Es ziele dahin /
daß doch der Himmel weinen / und Thränen vergiessen möchte . Lechzet nicht die
durstige Erde und öffnet ihren Mund diese Thränen aufzufangen / um davon ihren
matten Sprossen Unterhalt zu verschaffen ; ich wil sagen / sie wünschet einen
warmen Regen / die ihr anvertraute Saat zum keimen / ihre Halmen zum Schossen /
ihre noch rückständige Blumen zum öffnen / ihre Knospen zum grünen / ihre Bäume
zu völliger Blüte / alles zum zeitigen Wachsthum zu befordern . Alle / sowol
vernünfftige als unvernünfftige Einwohner der Erden sind mit ihr eins in diesem
Wunsch / und erkennen wol / daß jetzo nichts nöthigers als diese
Himmels-Thränen ; Ja daß der Erden
Durst müsse gestillet werden / wenn sie nicht einen unerträglichen Hunger
dereinst bethränen wollen . Aber siehe ! da alles mit diesen Thränen Wunsch
geschäfftig ist / so steiget in diesem Weylschen Hause wider Wünschen und
Verlangen eine schwartze Trauer-Wolcke auf / die einen milden Thränen-Regen mit
sich bringet . Was eine holdselige Mutter mit Furcht und Sorge unter ihren
Hertzen getragen / mit Schmertzen an die Welt gebracht / und an ihren Hertzen
mit ihrer Brust ernehret ; was dem lieben Vater an seinem Hertzen hieng / und
woran sich sein Auge ergötzte / an dessen Erziehung beyde Eltern und Groß-Eltern
/ in voller Hoffnung zukünfftiger Ehre und Freude / sorgsahm gearbeitet ; das hat
nun ach leyder ! der unbarmhertzige und Thränen-frohe Tod in nechstverwichenen
Tagen dahin gerissen / und vor unsern Augen ist das / was an demselben die Erde
zur Mutter hatte / in dieser seiner Mutter Schooß versencket worden . O
Thränenwürdiger Verlust ! welchen der Wol-Ehrenveste und Vorachtbahre Herr
Friedrich Matthias Weyll / Vornehmer Bürger und Handelsmann / wie auch
Wolverdienter Stadt-Hauptmann nebst seiner schmertzlich-betrübten Ehe-Frauen
hiedurch erlitten / denn ihr wolgeartetes und wolanlassendes Söhnlein Johann
Julius Christian Weyll ist es / davon ich rede / der ist es / der ihre Augen
durch seinen Abschied zu Thränen-Wolcken gemachet hatte . Ach so freudig vor 4.
Jahren der erste Weynachts-Tag gewesen / so traurig muste ihnen in diesem Jahre
die fröhlichen Pfingst-Tage / und insonderheit der letzte seyn . Eben in der
Stunde / da man sich freuete über die Gebuhrt Christi / freueten sich die lieben
Eltern über die Gebuhrt dieses Söhnleins / welchen sie deswegen nach Christo
Christian nenneten : Aber
eben in den
Tagen / da sich alles in Feyer-Kleidern auf-führete / da der Himmel selbst mit
hellen Sonnenschein zur Freude halff / da musten diese betrübte Eltern mit
Thränen vor dem Bette ihres Söhnleins sitzen ; Ja der Schluß dieser Freudenvollen
Zeit muste diesen ihren Augapffel die Augen schliessen / und einen reichen
Thränen-Guß aus ihren Augen fliessen machen . Was aber hiebey am beweglichsten /
ist dieses / daß / wie man mich benachrichtiget / das Sehl . Kind kurtz vor
seinem Ende seiner weinenden und den anlassenden frühzeitigen Abschied ihres
Kindes beklagenden Mutter selbst die Thränen abgewischet / und nicht zu weinen
angemahnet . Ich wil hievon Anlaß nehmen in dieser anwesenden Trauer-Versammlung
bald zu zeigen die durch den Bethränten selbst abgewischte Thränen .
Ignis in unda ; Feuer bey Wasser / schrieb jener bey ein Glaß mit distilirten
Wasser / ich möchte es wol zu den Thränen der betrübten Eltern und Groß-Eltern
schreiben :
Ignis in unda , In diesem Wasser muß was heisses seyn verstecket / Weil durch die
Thränen wird das Liebes-Feurentdecket /
Was Sie bethränen / war ja wol liebens wehrt / es war ihr Kind / welches schon
philtrum animae humanae , wie die Alten gesagt / ein Liebes-Trunck / dadurch die
Hertzen der Eltern vergeben und gezwungen werden das zu lieben / was diesen
Nahmen führet . Ja die Natur weiß von keiner scheuslichern Mißgebuhrt als von
Eltern / so keine Liebe zu ihren Kindern haben . Der grosse Redner Cicero , der
sonst andere zu bewegen die kräfftigsten Beweißthümer zu suchen wuste / wurde
durch nichts leichters bewogen als durch die Liebe seiner Kinder . Drum als er
nach seinen unverschul-
deten
exilio dieselbe wieder umhälset hatte / brach er vor dem gantzen sitzenden Raht
in diese Worte heraus : Quid dulcius humano generi â natura datum est quam sui
cuique liberi : Was ist doch wol dem Menschen von der Natur süssers und liebers
gegeben als seine eigene Kinder ? Cicero war ein Heyde ; Christliche Eltern so
hier Thränen vergiessen müssen noch empfindlicher in der Liebe ihres Kindes seyn
/ denn wenn dieselbe ihr Kind ansahen / sahen sie zugleich ein Kind des höchsten
GOttes / eine Perle die unschätzbahr worden / weil sie mit dem Blute des Sohnes
GOttes erkaufft / eine Blume über welche wol stehen möchten die Worte / die
Virgilius von einer gewissen Blume saget :
Inscriptus nomina Regum , Was ist wol lieblichers als diese Blum zu sehen / Auf
der man sehen kan des Königs Nahmen stehen .
Ihr Sehl . Söhnlein trug ja seinen Nahmen von dem Könige aller Könige : Von Christo
/ wie schon gedacht / hieß Er Christian . Mit diesem Nahmen war er in der Eltern
Hertzen und zugleich in dem Himmel angeschrieben . Und was war doch ihnen
erfreulicher als das wolgegründete Vermuhten / daß er diesen Nahmen mit der That
tragen würde . Die so viel mit dem Sehl . Kinde umgegangen / wissen nicht gnug zu
rühmen die bey so frühen Jahren sich bey ihm zeigende Lust zum Guten / das
fähige Gedächtniß / in welchem schon die Hauptstücke des Christenthums nach dem
kleinen Catechismo nebst schönen Gebethern und Sprüchen waren eingepräget / die
willige Folge seiner Eltern und Informatoren / und andere Dinge mehr / so zur
sonderbahren Gottesfurcht und Tugend / auch eines hieraus erspriessenden Glücks
die süsseste Hoffnung geben kunten . Liebet man nun das / was Freude bringet /
und zur Freude Hoffnung machet / so
kan es nicht anders seyn / die jetztbetrübte Eltern werden Ihren Sehl . Christian
von Hertzen geliebet haben . So darff man denn nicht fragen / woher ihre Thränen
kommen . Nasses Holtz / wenn es die Flamme ergreifft / so drucket diese Flamme
gleichsam Thränen aus demselben ;
Ardende gemit : Die heisse Gluht Bringt diese Fluht /
Da sich ein so billiges Liebes-Feuer in dem Hertzen entzündet / solten wol nicht
Thränen aus den Augen fliessen ? ja ich möchte sowol bey die obangeführten
distilirte Wasser als der weinenden Eltern Augen setzen : E flamma flumen :
Es muß was heisses seyn / so dieses Naß gepresset / Es ist die Liebes-Brunst / so
diese Augen nässet .
Zwar so lange ihre Augen sich an diesem liebenswürdigen Kinde ergötzen kunten /
mochtens Freuden-Thränen seyn / so darüber vergossen wurden / nun es aber der
liebes-stöhrende Tod aus ihren Augen dahin gerissen / können dieselbe nichts
anders als mit Seufftzen vermischte Trauer-Thränen fliessen lassen . So gehet es
zu M. H. A. wenn die Pflantzen und Blühte sich bey früher Jahrs-Zeit sehen
lassen / so freuet sich der Gärtner darüber ; aber / wie lange wehrts ? so wehet
ein rauher Nordwind daher / welcher die Hoffnung auf die darin verborgene
Früchte sterben macht / so kommts zur Unzeit / daß es in die Blumen regnet / und
heist den Gärtner den Kopff zusamt den Pflantzen niederhängen . So gehets auch zu
/ wenn Eltern die grösseste Lust an ihren zarten Kindern sehen / so kommt der
Tod / reisset diese Blume hinweg / und versaltzet die Lust mit heissen Thränen .
Wie kan es denn anders seyn / als daß das Sehl . Kind / da es nun sterben sollen
/ Thränen an seiner Mutter Wangen abzuwischen
gefunden / was wunder / daß Vater und Mutter Thränen vergiessen !
Was sie geliebet / lebet nun nicht mehr / worauf sie Hoffnung gesetzet / soll zu
Aschen werden / es wird ein Stück von ihren Hertzen abgerissen / das muß wehe
thun . Jener Mahler / da er einen über seines Kindes Tod betrübten Vater solte
abmahlen / verhüllete er das Angesicht / und schrieb dabey :
Non potest pingi , Der Schmertze zeigt sich nicht durch eines Pinsels-Schrifft /
Der bey der Kinder Tod betrübte Eltern trifft .
Ach es ist wol wahr / was Augustinus schreibet : Es muß nothwendig dessen Tod
bitter und schmertzlich seyn / dessen Leben so angenehm und erfreulich gewesen .
Hat jemand unter M. H. A. jemahls ein Kind beweinet / wird es besser wissen /
als ich es sagen kan . Doch wenn der Himmel lang genug geweinet / so zeiget sich
ein Regenbogen / und zeiget / daß noch die Sonne übrig sey / welche nach dem
Trauren freudig scheine ; auch diesen betrübten Weylschen Hause muß nicht alle
Sonne untergangen seyn :
Ab imbre serenum , Nach Thränen-Guß und Weinen Muß helle Sonne scheinen .
Sie versichern sich / da das bethränte Kind seiner lieben Mutter die Thränen
abgewischet / hat es nicht alles sagen können / was es sagen wollen ; und die
Thränen-stillende Freude noch nicht genossen / die es jetzo der Seelen nach in
der Ewigkeit geniesset . Denn wenn sie die Augen und Gedancken abwenden von der
Stelle / da sie es zum letzten mahl gesehen / von der Stelle / da sein Sarck
gestanden / von dem Grabe / darin sein Leichnam verscharret / und über sich gen
Himmel sehen / ich weiß es wird ihnen gereuen / daß sie so viel Thränen
vergossen über ein Kind / dessen Auge
von den Thränen gerissen und bey den Vorschmack seiner zukünfftigen Freude nicht
mehr seine Mutter kunte weinen sehen . Soll ich sagen / was das Kind sagen wollen
/ da es die Mutter-Thränen abgewischet / oder vielmehr was es itzt sagen würde /
wenn es von Himmel reden solte / da ihm an statt des Thränen-Brodts Manna
vorgesetzet wird / und der Freuden-Wein wird eingeschencket / es möchte
vielleicht dieses sagen : Weinet nicht über mich ihr meine liebe Eltern / mäßiget
eure Thränen / mir ist gar zu wol dazu / als daß man mich beweinen solte ; Ihr
weinet / daß ich als eine zarte Blume in bester Blühte abgepflücket worden /
weinet nicht / diß hat meines JEsu Hand gethan / und mich in sein Paradies
gesetzet . Ihr weinet / daß ihr jetzt der Freude die ich euch gemacht / müsse
beraubet seyn / weinet nicht / denn wäre dieses nicht / so müste ich jetzo einer
weit grössern Freude beraubet seyn ; Ihr weinet / daß ich aus eurem Schooß
genommen ; weinet nicht / denn ich bin dadurch kommen in Abrahams Schooß : Ihr
weinet / daß eure Hoffnung auf einmahl dahin ; weinet nicht / denn ich habe
nunmehr die Seeligkeit / die ihr noch hoffen müsset . Ihr weinet / daß ihr mich
nicht mehr sehet ; weinet nicht / denn ich sehe GOtt von Angesicht zu Angesicht /
und wil euch auch dermahleins mit Freuden wieder sehen . Ihr weinet / daß ich
euch nicht mehr umhälsen und küssen kan ; weinet nicht / dann JEsus umarmet mich
/ und ich wil euch dermahleins mit so viel Freuden küssen / mit so viel Thränen
ihr mich verlassen habt . Weinet nicht / sondern lebet also / daß ihr gelanget an
den Ort / da man alle Thränen von den Augen wischet . Was wil ich aber lange ein
Vorsprach des Sehl . Kindes seyn / da ich hier fürnemlich hergebehten bin /
dessen hinterbliebener Eltern Vorsprach zu seyn / und
das zu thun / was ihnen die grosse
Traurigkeit nicht verstattet ; ich soll nemlich in ihren Nahmen schuldigen und
hochgeflissenen Danck abstatten / daß M. H. Leich-Begleiter sich noch bey später
Nacht abmüßigen wollen / und mitleidige Zeugen seyn der über ihr Sehl . Kind
vergossenen Thränen / auch sich bemühen / dasselbe aus diesen unruhigen
Thränen-Thal zu seiner Ruhstätte zu begleiten . Wie ihnen durch diese verspührte
Gunst und Liebe ihre viele Thränen abgewischet worden / so seyn sie davor
höchstverbunden / und wünschen nicht bald Gelegenheit zu haben in dergleichen
Fällen sich mitleidig gegen sie zu erweisen / wol aber sich über ihr Glück und
Wolseyn zu erfreuen / und sonsten mit allen behäglichen Diensten ihr
erkäntliches Gemühte zu bezeugen .
Die Reise in ein wahres Leben Vollbracht Durch den Sehligen Tod
Hrn. Joh. Michael Haspelmachers / und Bey dessen Beerdigung gewiesen Den 2.
Octobr. 1701 .
SO sind nunmehr Felder und Wiesen ihrer bißherigen Zierde beraubet / und was vor
einiger Zeit durch anmuhtiges Schossen / bald darauf in frischer Blüte / endlich
in angenehmer Reiffe auf
denselben
lebte / ist nun durch der Sensen und Sichel Schärffe gleichsam ermordet / und in
Scheuer und Boden zu seinem Grabe gebracht ; Jetzt müssen auch die Garben
herhalten / Bäume und Bette verlieren das / womit sie vorhin unsere Augen
weideten : Man gräbet und reisset solches aus / man bricht und schüttelt es ab /
und samlet es zu künfftiger Benutzung ein . Doch siehet ein jeder bey dieser
Arbeit billig zu / daß alles zu seiner vollen Reiffe komme / und nichts
unreiffes abgebrochen werde . O daß denn auch der Tod so discret und vorsichtig
handelte / und da er seiner Gewohnheit nach in gegenwärtigen Herbst-Tagen zu
schütteln und abzubrechen beginnet / nur das Reiffe und nicht das Unreiffe
nehmen möchte ; Ich wil sagen / daß er den Jungen das Leben gönnete / und wenn er
ja seine Lese haben müste / die Alten / welche des Lebens überdrüßig / zur Ruhe
beforderte : Allein von solchen Unterscheid wil dieser unbescheidene Greiffzu
nicht wissen / er bricht so bald und noch wol eher das Unreiffe als das Reiffe
ab . Eine traurige Probe hat davon in diesen Tagen die vornehme Haspelmachersche
Freundschafft bey dem Sehl . Absterben eines aus ihren Mitteln leyder erleben
müssen . In Warheit unsern Gedancken nach war der Sehl . Herr Haspelmacher noch
gar nicht reiff zum Tode / denn 42. Jahr und 6. Monat sind noch kaum die Helffte
von der Lebens-Zeit / die ein Mensch nach dem heutigen stylo erreichen kan ; Doch
hat der Tod diß nicht geachtet / sondern auch die unreiffe Frucht / doch auf
GOttes Verhängniß / abgebrochen ; Hier sind dieselbige noch gegenwärtig / welche
den erblaßten Cörper ausgetragen und in seiner Mutter Schooß die Erde unter M.
H. A. Gefolge und Zuschauen eingesencket . Ich gedencke an das wunderbahre Spiel
der gütigsten Providence GOttes mit uus Menschen / wie dieselbe so
gar offt durch unsern fest gesetzten
Schluß einen Strich zu ziehen pflege . Wir beschliessen offtmahls einen Rath und
wird nichts daraus / und ehe wir das Werck noch angefangen / was wir vorgenommen
/ ists schon mit uns zu Ende . Es ist ja ihrer vielen bekand / und zu mir sagte
es der Sehl . auf seinem Tod-Bette / daß Er entschlossen / wenn ihn GOtt wieder
gesund werden liesse / nach Warsleben zu ziehen / und daselbst Seinen Herrn
Vater mit kindlicher Treu und Hülffe in seiner Haußhaltung beyzustehen ; Der
Anschlag war gut gemeynet / GOtt fand es aber besser / daß er nicht hinzöge /
und ließ ihn sterben . Indessen wann ich den Nahmen dieses Orts / da er hinziehen
wollen / recht ansehe / so wil es fast so viel heissen / als ein wahres Leben :
Solte aber dieses wol an einem Ort in der Welt zu finden seyn ? O nein ! In ein
wahres Leben kommen wir nicht / so lang wir leben / wol aber wenn wir gestorben
sind . Auf solche weise hätte unser Sehl . Herr Haspelmacher seinen Zweck doch
erreichet . Ja wollen M. H. A. eine kurtze Zeit einen schlechten Redener geduldig
hören / so wil ich zeigen / daß Herr Haspelmachers Tod ein Abzug in ein recht
wahres Leben sey .
Nascentes morimur ; finisque ab origine pendet : Das Sterben fängt gleich an bey
ersten Lebens-Stunden / Mit dessen Anfang ist das Ende schon verbunden .
Ist eine Negul / die schon lange wahr gewesen / und wahr bleiben wird / so lange
Leben und Tod miteinauder abwechseln werden . Jener hat deßwegen nicht uneben bey
eine Wiege geschrieben : Arrha feretri ; das erste Bild des Sarcks . Und
Tertullianus schreibet gar artig ; Involvitur infans pennis velut sepulturae
involucris initiatus ; Wenn ein Kind in den ersten Windeln eingeschlagen wird /
so wird es gleichsam zu seinen Grabe-Tüchern damit eingeweiher .
Kurtz : Wir bringen den Tod mit ins
Leben . So wüste ich fast kein bequemer Bild sowol aller Menschen als auch des
Sehl . Leben vorzustellen / als eine mit hellen Feuer in die Lufft steigende
Raquete mit der Beyschrifft :
In vita mors , Es scheint / als lebte ich ; doch dieses schnelle Leben Muß flugs
den Ursprung mit zu meinem Tode geben .
Wie wil man denn ein solches Leben ein wahres Leben nennen ? Laß seyn / daß der
Sehl . Mann bey Anfange seines natürlichen Lebens durch die neue Gebuhrt der H.
Tauffe in ein wahres Leben eingetretten / indem er von der Zeit an angefangen in
seinem Heylande Christo JEsu zu leben / so fehlete doch auch diesem Leben / so
lange er lebte / die Unsterblichkeit . Er war ja der Sünden / wie alle Menschen /
unterworffen / so manche vorsetzliche Sünde er begangen / so offte hieß es auch
hierbey ; in vita mors , so offte war er seinen Heyland abgestorben / und muste
durch wahre Busse wieder auferstehen . Was sonst sein Leben anbetrifft / so hatte
sein jetzo hochbetrübter Herr Vater S. T. Herr Augustus Haspelmacher und die
Sehl . Frau Mutter / eine gebohrne Büttnerin alle Mühe und Fleiß daran gewand /
daß er einmahl redlich und glücklich leben solte . Sie liessen nichts fehlen an
guter Erziehung / an fleißiger Information , an nachdrücklichen Vermahnungen . Ob
nun wol die natürliche Inclination zum Haußwesen verhindert / daß er nicht durch
eine sonderbahre Gelehrsamkeit in die Fußstapffen seines Sehl . Herrn Groß-Vaters
Hrn. Johannis Haspelmachers / vormahligen Abts des Closters Marienthals treten
können / so erhielten jetzt wolgedachte Eltern doch darin ihren Zweck / daß die
genossene Anführung ihn so weit gebracht / daß er vor sich klüglich
leben / und die Pachts-weise
angenommene Haußhaltung zu Jeringsdorff / und nachmahls zu Hornhausen rühmlich
führen können . Wehrender Zeit fieng er auch an glücklich selbander zu leben /
und GOtt segnete dieses Leben dergestalt / daß Er nach Erzeugung 5. wol
anlassender Kinder selb 7. geliebet hat . Auch fieng er endlich alhier ein
Bürgerliches Leben an . In solchem Leben lebte er redlich / auffrichtig / und die
Ihn gekandt / müssen Ihm rühmlich nachsagen / daß es ihm lieb gewesen / wenn Er
jemand hat dienen können . Wenn ich hier wäre aufgetretten / sein Leben nach den
Zehen Geboten zu examiniren / so müste ich auch der Fehltritte gedencken / die
Er in seinem Leben gethan / so aber rede ich nur / was zu seinen Lobe dienet /
M. H. A. zu zeigen / daß der Sehlige der Mühe noch wol wehrt gewesen / die sie
Ihnen seinetwegen nehmen wollen . Indessen finde ich doch in allen
jetzt-erzehlten Lebens-Arten kein wahres Leben / sondern muß von allen sagen : In
vita mors ; In solchen Leben war was Sterbliches . Solte ich aus Seinem Nahmen
hierzu ein Bild erwehlen / so müste es ein Haspel seyn / mit der Beyschrifft :
Per orbes , Was in dem Leben ist / besteht aus lauter Kreysen / Das jetzund oben
ist / wird sich bald unten weisen .
Wer wil zweiffeln / daß nicht Sein Haußwesen so wol auf dem Lande als in der
Stadt manchen Leyd-und Freuden-Wechsel unterworffen gewesen / und Sein Glück
sich bald so / bald so herum gedrehet . Und wäre es ein wahres Leben gewesen / so
hätte es kein Ende genommen / so aber hat eins nach dem andern aufgehöret / und
jetzo hat uns sein Sarck noch zu guter letzt zugeruffen :
In vita mors , Der jetzund todt hier liegt / dem hat sein vorig Leben Den Ursprung
schon vorlängst zu seinen Tod gegeben .
Aber ach daß es nun nicht auch hiesse an Seiten der Leydtragenden Familie :
In morte mors . In diesen Tode stirbt mehr als ein .
Es ist ja leicht zu gedencken / wie dieser Tod biß auf den Tod betrübet Seinen
Herrn Vater / dessen Leben an seines Sohnes Leben hieng / nun aber solten fast
seine graue Haare mit Kummer auch in die Grube gebracht werden . Der
Hochbetrübten Frau Wittwe und ihren 5. nunmehr Vaterwo nicht auch Trostlosen
Wäysen / ists Todes genug / daß der nicht mehr lebet / an dessen Leben ihr Leben
hieng . In Italien soll eine Höle seyn / in welche / wenn ein Thier hinein gehet
/ fällt es zwar todt darnieder / wenn mans aber mit Wasser besprenget / so lebt
es wieder auf . Davon es heissen möchte : Vitam reparabit in undis . Wenn Wittwen
und Wäysen-Thränen den in seiner Grabes-Höle liegenden Mann und Vater wieder
lebendig machen könten / so würden wir den Sehl. Hrn. Haspelmachern bald wieder
sehen . Andere seine gute Freunde / die auch seines Lebens seithero genossen /
finden auch mortem in morte : Ein Tod in diesem Tode . Komme ich aber von rechten
Wege ab / indem ich von lauter Tode rede / da ich doch zugesaget hatte / in
diesem Tode den Abzug des Sehl . auf ein recht wahtes Leben darzuthun ? Nein / ich
irre nicht / sondern habe dieses den Leydtragenden zum Trost wollen vorbehalten
/ und bleibe noch dabey / der Tod des Sehl . ist ein Abzug in ein recht wahres
Leben gewesen . Da Er im Tod-Bette lag / trat Er die Reise zu diesen Leben an /
Er legte durch eine hertzliche Busse ab die Last / ich meyne die Sünde / welche
Ihm diesen Weg hätte mißlich und verdrießlich machen können / und nahm von
meiner Mund und Hand an / was Ihm GOTT im Himmel wiederfahren liesse / ich meyne
die Vergebung seiner Sünden ; Er
nahm
zum Zehr-Gelde den Leib und Blut seines Erlösers / so war Er reisefertig . Nach
GOttes Willen muste Er aber noch etliche Tage auf den völligen Abzug warten /
währender Zeit Ihm ein andächtiges Gebet und Hoffnung des wahren Lebens seine
betrübte Zeit vertrieb . Endlich am vergangenen Dienstage / da Er freudig
gesprochen consummatum est , es ist vollbracht / war diese seine Reise auch
vollbracht . Er zog durch sein sehliges Sterben in ein recht wahres Leben ein .
Ich erkläre dieses mit der bekandten Geschicht oder Gedicht des Vogels Phoenix ,
welcher / wenn er in dem ihm selbst gemachten Feuer erstorben / dadurch erst
wieder lebendig wird / und also diese Beyschrifft führet :
In morte vita , Itzt fängt mein Leben an / da ich zuvor erstorben / Ein wahres
Leben ist mir durch den Tod erworben .
Freylich fängt auch unsers Sehl . Haspelmachers wahres Leben mit seinem Sterben
an . Hat es vorhin von Ihm geheissen : In vita mors , so heist es nun : in morte
vita , denn nunmehr hat Er der Seelen nach ein rechtes Leben zu leben angefangen
/ Er lebet an dem Ort / wo Er nicht mehr durch Sünde sterben kan : Er lebt in der
Haußhaltung GOttes / wo nichts veränderliches / wo nicht mehr Saat-Zeit /
sondern lauter Erndte ; da ist Er supra orbes über alle Wechsel und
Unbeständigkeit / Er lebet an einem solchen Ort / wo das Leben sich nicht eher
als mit der Ewigkeit endet /
In morte vita , Jetzt fängt sein Leben an / der zuvor ist gestorben / Ein wahres
Leben ist Ihm durch den Tod erworben .
Parcite lachrymis , so spahre man doch die Thränen / und beweine den nicht mehr /
der seinen Zweck erreichet / und obgleich nicht nach Wahrsleben / dennoch in ein
wahres Leben kommen . Nun die Engel haben das / was von Ihm lebet in ein wahres
Leben ; was von Ihm aber todt / den erblasseten Leib / haben M. H. A. zu seinen
Grabe begleitet / durch diese Mühwaltung haben sie ein sonderbahres Merckmahl
gegeben der Gewogenheit / welche sie so wol gegen den sehl . Verstorbenen / als
auch hinterbliebenen Frau Wittwen und gantzen Freundschafft tragen . Solche sind
sie mit genehmen / doch nach GOttes Willen bey freudiger Gelegenheit zu
leistenden Gegen-Diensten zu ersetzen willig und erböhtig . Ich aber wil davor
hiemit an sie alle miteinander dienstschuldigsten Danck abgestattet haben / und
wünsche dabey einen jedweden in morte vitam , daß sie zu rechter Zeit durch den
Tod in ein wahres Leben kommen .
Die nunmehr Seeligere Sehligerin / Bey stiller Beerdigung
Frauen Marien Sehligerinn / gebohrner Leischingen / S.
T.
Herrn Daniel Nicolai Sehligers / Vornehmen Rahts-Verwandtens alhie
Lieb-gewesene Ehe-Liebste / In einer Leich-Rede vorgestellet d. 27. Octobr.
1701 .
HEute sind es 8. Tage / als ich halb betrübt halb frölich aus diesem Hause gieng
/ betrübt / weil ich die Haußwirthinne sterben sehen / und den Haußwirth mit
zweyen Mutterlosen Wäysen in heissen Thränen hinterließ ; frölich aber / weil ich
das Glück gehabt meinem Ober-Hirten die Seele einer Anvertrauten in die Hände zu
liefern . Ich meyne die Seele der weyland Edlen / Groß-Ehr und Tugendbegabten
Frauen / Fr . Maria Sehligerinn gebohrner Leischingen / Herr Danielis Nicolai
Sehligers Ehe-Liebste / als deren erblasseter Cörper jetzt der Erden geliefert
worden . Kaum aber war ich in meine Wohnung getreten / so sahe ich den Calender
an / um den Tag ihres Sehl . Abschiedes zu bemercken / und siehe da fand ich eben
bey diesen Tage stehen das Wort Unbeständig . Der Calender-Schreiber zielete
damit auf das / was in der Lufft zu hoffen / auf unbeständiges Wetter / und so
traf es ohngefehr dazumahl
ein ; Ich
aber deutete es auf das / was an der Erden vorzugehen pflegte / und gedachte : O
wie wol könte man dieses Wort Unbeständig bey alle Tage in dem Calender
schreiben / denn wie die Welt selbst der Veränderung unterworffen / so arten die
Kinder der Mutter nach . Unbeständig das Glück ; wenn die Blume in der schönsten
Blüte stehet / so ist sie den Verwelcken nahe / und diese Rose / wenn man sie
meinet fest zu halten / so kommt ein Nebenbuhler / dem sie anreucht / und
schlägt sie aus der Hand . Unbeständig unsere Ehre / unsere Güter / das sind die
Federn / welche ein leichter Wind verwehet ; der des Morgens reich und hochgeehrt
aufgestanden / der liegt offt des Abends arm auf einem schlechten Streu im Tode
nieder . Unbeständig unser Leben ; wie man von dem Grase saget : Es ist bald welck
worden / von den rohten Aepffeln / sie sind vermodert / von wolanlassenden
Bäumen : sie sind ausgangen / so bald gehet es auch zum Ende mit unserm Leben .
Ach ich konte ohne Bewegung dieses Wort Unbeständig nicht ansehen / weil mir das
Exempel vor Augen stund / da ich das Leben einer dem Ansehen nach munteren und
frischen / und auch nach ihren Jahren / deren sie erst 51. und etliche Monath
zurück gelegt / noch lange nicht zum Grabe zeitigen Frauen so unbeständig
befunden . Doch was beklage ich doch wol des Lebens Unbeständigkeit / gewiß mehr
Ursach hätten wir zu klagen / wenn diß Leben beständig wäre . Denn bey allen
Ungemach / bey allen Verdrießlichkeiten / welche unser Leben mit sich führet /
ist dieses noch das beste / daß solches nicht ewig wäret / sondern im Tode
aufhöret / und diese Unbeständigkeit bringet einen frommen Christen zu der
rechten beständigen Glückseligkeit / ja wenn er auch im Leben was gutes und
Sehliges genossen / so machet des Lebens Unbeständigkeit dieses Gute besser /
dieses Sehlige noch sehliger .
Was ist
diß ? M. H. A. nenne ich nicht jetzo den Nahmen der Sehl . verstorbenen Fr.
Sehligerinnen ? Ja . Führet Sie deñ diesen Nahmen mit der That ?
Allerdings / und mehr als Sie vorhin gethan . Denn laß seyn / daß Sie in ihrem
Leben in vielen Stücken in positivo sehlig gewesen / so hat doch die
Unbeständigkeit ihres Lebens gemacht / daß Ihr nun der comparativus mit recht
zukom̃t / und man sie nicht nur die Sehlige / sondern die
nunmehr noch Sehligere Sehligerinn neñen kan . Ich bitte um ein
wenig Gedult / daß ich dieses besser ausführen könne .
Es hat zwar ein Heyde aber gantz Christlich vor langer Zeit geschrieben :
Ultima semper Exspectanda dies homini est , dicique beatus . Ante obitum nemo supremaque funera debet .
Das ist : Vor dem letzten Stündlein kan man niemand seelig nennen . Seeligkeiten
oder Glückseeligkeiten gibt es zwar in diesem Leben / aber weil solche
Seeligkeiten mit viel Unglückseligkeit abwechseln / führen sie solchen Nahmen
nur per catachresin ; In der That sind sie es nicht ; Ich setze zu ihrem Bilde
einen an der Wurtzel verfaulten Baum / der zwar noch einige grüne Blätter zeuget
und zeiget / aber wenn ein Wind kommt / liegt er über einen hauffen / mit der
Beyschrifft :
Videtur , Es läst nur so .
Unsere seelige Frau Sehligerinn kan davon zeugen : Noch ehe Sie den Nahmen bekam /
den Sie von Seelig-seyn hatte / ich wil sagen / da Sie noch nicht nach Ihren
Ehe-Herrn die Sehligerinn hieß / hatte Sie schon eine von den obgedachten
Seeligkeiten ; Sie stammete von Christlichen / ehrlichen / und vor der Welt
geehrten Eltern her / und brachte nebst einer feinen Seele auch sonderliche
Leibes-Güter mit in die Welt / Sie hatte von ihren Eltern Pflege / Liebe
Auf-
sicht / gute
Erziehung zu allen Christlichen Tugenden / auch guter Exempel zu geniessen . Und
was an ihrer Gebuhrt Sündliches war / wurde durch die Heil . Wiedergebuhrt
verbessert / als durch welche Sie zu der Herrlichkeit der Kindschafft GOttes und
Brüderschafft JESU Christi gebracht worden ; der andern Glückseeligkeit ließ Sie
ebenfals GOtt theilhafftig werden / Sie heyrahtete glücklich / einen Mann / der
Sie liebte / der Sie ehrete / und jetzo nach ihrem Tode seine Liebe mit
häuffigen Thränen bezeuget hat . GOTT segnete Sie mit Kindern / und ließ dieselbe
zu ihrer Freude zum Theil groß werden : Nebst diesem war ihr Hauß und Tisch
gesegnet mit vielen Glückseligkeiten / daß Sie die Freude hatte / ihren
dürfftigen Nechsten davon mitzutheilen / aber was war es : Videbatur : Es ließ nur
so . Sie war bey dieser Glückseligkeit noch nicht so seelig / daß Sie nicht
seeliger zu werden wünschen mögen . Die Seeligkeit ihrer glücklichen Gebuhrt nahm
grossen Abbruch / da der Tod ihre seelige Eltern hinwegnahm . Zu geschweigen
anderer Unglückseligkeiten / welche das kindliche Alter mit sich führete . Die
Seeligkeit ihrer Wiedergebuhrt litte Anstoß / weil Sie dadurch den Satan / die
Welt / und ihr eigen Fleisch und Blut zum Feinde hatte / und zu mancher Sünd und
Eitelkeit sich von demselben muste verführet sehen / welche Ihr viel Buß-Thränen
gekostet haben ; Auch die Seeligkeit ihrer Heyraht ließ nur so / denn dieselbe
mit vielen Unglückseligkeiten vermischet war ; Ihrem Ehe-Herrn / sich selbst und
ihre Kinder muste Sie in mancher schweren Kranckheit unglücklich sehen / und
zwey von ihren Kindern gar zum Grabe begleiten . Sie suchte zwar inter mala bene
agendo solche ihre Unglückseligkeiten zu verbessern / aber auch hierinn ließ Sie
die menschliche Schwachheit nicht allezeit ihren Zweck erhalten ;
Freylich muß man denn von ihrer
Seeligkeit sagen : Videtur , es läst nur so . Ach ihr schmertzliches Tod-Bette gab
Ihr auch genug zu verstehen / daß ob Sie gleich eine Sehligerinne hiesse /
dennoch noch nicht recht seelig wäre ; Doch hierinn wurde es mit Ihr gantz anders
/ hie wurde Sie seeliger / da Sie GOTT durch einen seeligen Abschied aller nur
so lassenden und scheinenden Glückseligkeit ein Ende machte . Die Nacht vor ihrem
Ende gab Sie den Sünden / der Welt und allen Vergänglichkeiten gute Nacht durch
eine hertzliche Busse / und vereiuigte sich mit JESU in seinem Abendmahl . Je
mehr nun ihre Kräffte abnahmen / je mehr nahm ihre Glückseeligkeit zu / biß Sie
endlich aufs höchste kam / da ist nun unsere Sehligerinne noch seeliger worden .
Diese ihre Seeligkeit abzubilden / setze ich zu jenen hinfälligen Baum einen
frischen festgesetzten mit schönen Zweigen prangenden Baum mit der Beyschrifft :
Est , So ist es in der That . Aber ach daß dieses von Ihr erlangtes seeliger seyn
nicht drey Sehligere höchst-unglücklich gemachet hätte / einen betrübten Witwer
/ dessen zeitliche Glückseligkeit / dessen Verpflegerinn nun scheinet dahin zu
seyn ; die beyden höchstbestürtzte Herren Söhne / die eine Versorgerinn / eine
Anführerin zur Gottseeligkeit verlohren ; Diese kommen mir nicht anders vor als
Bäume / welche unter den vorhin angeführten grünenden und wachsenden Baum stehen
/ denen aber des andern starcker Wachsthum und Zunehmen allen Safft entziehet /
mit der Beyschrifft ; Unius generatio est alterius corruptio . Die Thränen /
welche andere nahe Anverwandten vergossen / solten auch schwer zu zehlen seyn ;
Ich weiß zwar wohl / daß Sie die Seelige viel zu lieb dazu gehabt / daß Sie Ihr
die erlangte Seeligkeit nicht gönnen solten / diß aber betrübet Sie / daß Sie
GOTT durch diesen Verlust unglückseelig werden lassen ; doch genug / daß es
GOtt gethan ; dem werden Sie zutrauen
/ daß solche Unglückseligkeit aus keinem andern Absehen über Sie verhänget als
zu ihrer Seeligkeit . Indessen wird alles Leyd versüssen / daß Ihr seeliger
Ehgatte / ihre seelige Mutter / ihre seelige Schwester und Verwandtin nun an dem
Ort ist / wo aller Schatte auffhöret / und das Wesen selber ist / wo nicht mehr
eine personata felicitas , wie auf dem theatro dieser Welt / sondern vera
felicitas anzutreffen / wo es nicht mehr heißt Videtur , es läst nur so / sondern
Est , es ist also / da Sie seeliger ist / als Sie vorhin gewesen . Ich wolte noch
vieles zu der Verstorbenen Ruhm und der Hinterbliebenen Trost beybringen / wenn
mich nicht die einbrechende Nacht schweigen hiesse . Und wie kan ich der Geduldt
M. H. A. Leich-Begleiter länger mißbrauchen . Sie haben ja viel gethan / daß Sie
bey diesem unangenehmen Abend ihre Liebe und Wolgewogenheit / womit Sie so wohl
der Seelig-Verstorbenen als den hinterbliebenen Herrn Wittwer und dessen Famille
zugethan gewesen / deutlich darinn spühren lassen / daß sie das Sterbliche von
der Fr. Sehligerinnen zum Gottes-Acker begleiten wollen . Die Wehmuht / darinn
Sie dieser Trauer-Gang gesetzet / verstattet Ihnen nicht den Danck mit dem Munde
auszudrücken / welchen Sie in Hertzen abgefasset ; Ich aber leyhe ihnen meinen
Mund / und sage in ihren Nahmen vor jetzt-gerühmte Gutthat schuldigen Danck /
verspreche auch / daß Sie keine Gelegenheit werden vorbey gehen lassen / doch /
wenn GOtt will / lieber zu frölicher als trauriger Zeit zu allen behäglichen
Gegen-Diensten wiederum willig und bereit zu seyn ; Dabey aber wünsche ich in
ihren und meinem Nahmen : GOTT lasse Sie allesamt hier in der Welt seelig / und
in spätem Tode noch seeliger seyn !
Der in den kürtzesten angefangene Längste Lag / Bey der Beerdigung
Frauen Ilse Marien Bützerinn gebohrner Müllerin vorgestellet Den 26. Decemb .
1701 .
MIt dem gegenwärtigen Jahre ist es nunmehr auf die Neige kommen / und allem
Ansehen nach dürfte sich dasselbe wol mit einem trüben und gewolckichten Himmel
endigen ; doch wäre gleich der Himmel hell und klar ; in diesem Bützerschen Hause
würden sich doch nur lauter schwartze Trauer-Wolcken finden . Was Wunder ? Da
diejenige / welche eine Sonne darin gewesen / jetzo hinaus getragen worden ; Ich
meyne die weyland Edle / Viel Ehr- und Tugendbegabte Frau / Fr . Ilse Maria
Bützerin / gebohrne Müllerin ; Unsere Augen haben ja mit angesehen daß dasjenige
/ was die Engel von derselben / nach abgeholten und zu GOTT gebrachten Geist auf
der Erden gelassen / in die Erde gesencket und mit Erde bedecket worden . Heist
es denn / wenn die Sonne untergehet :
Nigrescunt omnia circum : Die Sonne ist dahin / und was sie hell gemacht / Ist
nunmehr gantz verhüllt in schwartzer Trauer-Nacht .
So darff auch keiner fragen / warum man jetzo an diesem Ort in schwartzer Trauer
erschienen ? Die Sonne in diesem
Hause
ist leyder untergangen . So billig aber diese Trauer / so unbillig würde es seyn
/ wenn von der Betrauerten kein ander Andencken als etwa ein geringer Hügel auf
dem Gottes-Acker / und darauf zulegender Leichen-Stein übrig bleiben solte ; Nein
/ wie Ihr guter Nachruhm in M. H. A. Hertzen verewiget bleibet / so bin ich auch
auf geneigtes Ersuchen itzo aufgetretten / so viel die Nacht und strenge Kälte
zulassen möchte / zwar ohne Kunst doch aus redlichen Hertzen nebst geflissenen
Danck vor jetztgenommene Mühe Ihrer in besten zu gedencken . Und siehe jetzt
dencke ich an die Worte / so ich wenig Wochen vor ihrem Ende aus der Sehl .
Bützerin schon matten und erblaßten Munde gehöret ; Ach / sagte Sie / die Tage
werden im̃er kürtzer / aber mir werden sie immer länger . Sie ließ
dabey dieses mercken / daß Ihre zunehmende Angst und beschwerliches Joch / so
Sie tragen müste / Ihr die Uhr gleichsam aufhielten / und die Stunden der
Abnehmenden Tage länger macheten / als sie an sich selber wären . Wenn ich dabey
halte die Zeit / da die Sehlige diese Welt gesegnet / so war es etwa 11. Tage
vor den allerkürtzesten Tag im gantzen Jahre / und möchte ich denn wol Ihre
Worte in etwas verändern und sagen ; Je kürtzer die Tage wurden / je näher war
Ihr allerlängster Tag . Ja einen kürtzern Tag hat Sie in der Welt nicht erlebet /
als Ihren Sterbe-Tag / denn ehe es an demselben noch Abend wurde / war der Abend
Ihres Lebens da ; doch in diesem kürtzesten Tage hat Ihr längster Tag der Tag der
Ewigkeit seinen gewünschten Anfang genommen . Wollen M. H. A. solches in einem
Bilde sehen / so stellen sie ihnen vor die Sonne in tropico capricorni mit der
Beyschrifft :
A minori ad majus , So ist der kürtzte Tag / wenn hier die Sonne stehet / Doch
nach den Kürtzesten der Längre gleich anfähet .
Ihr erster Tag in der Welt war der 21. Febr. des 1649 . Jahrs als in welchem Sie
in der Hochfürstl. Residence Celle das Tages-Licht erblicket . War eben zu der
Zeit / da die Tage mercklich wieder zunahmen / vielleicht zum guten Vorlaß / daß
Ihr Wolseyn in der Welt die längste Zeit immer zunehmen würde ; und so traff es
auch richtig ein . Sie war glücklich / daß Sie durch Ihre Gebuhrt ein Kind
vornehmer und frommer Eltern worden . Aber dieses Glücklich-seyn nahm mercklich
zu / als Sie durch Ihre Wiedergebuhrt sofort ein Kind Gottes worden ; Doch ehe
Sie nochmahl mercken können / ob Sie glücklich oder unglücklich wäre / nahm GOtt
Ihren Sehl . Herrn Vater hinweg / und schien also ihr zeitlich Glück abzunehmen ;
Aber in diesem Abnehmen war dessen Zunahme . Denn dadurch fügte es GOtt / daß Sie
darauf die Sehl. Fr. D. Hahnin als Ihre Muhme aufgenommen / und mütterliche
Vorsorge vor Sie getragen . Je mehr nun die Tage ihres Lebens zunahmen / jemehr
nahm auch unter dieser Aufsicht zu das / wozu Ihre Fr. Mutter einen guten Anfang
bereits gemacht / ich meyne die Gottseeligkeit / und allerhand dem Christlichen
Frauenzimmer wolanständige Tugenden . In diesem Stück war sie wol zu vergleichen
mit den Feld- und Garten-Früchten / welche / je länger die Tage werden / je
weiter sie zu einem angenehmen Wachsthum / Blüthe und Reiffe kommen . So / daß
man dazumal wohl von Ihr sagen können / was jener über eine wol aufgeschossene
schöne Blume schrieb :
Cum die ; Mit der Zeit .
Und diese Zunahme Ihrer Gottseligkeit befoderte weiter die Zunahme in Ihrer
Glückseligkeit dadurch / daß Sie eine glückliche Heyraht traff mit dem Sehl .
Herrn Erberfeld damahligen berühmten Apothecker bey hiesiger Hochfürstl. Julius
Universität / einem Mann / dessen jederman / der ihn gekant / mit höchsten Ruhm
gedencket . Bey demselben fand Sie
Liebe und Treu / und war bemühet gleiches mit gleichen zu vergelten / so daß
beyderseits Ehgatten die Jahre / so sie miteinander gelebet / zu kurtzen Tagen
worden ; Sie fand zeitliche Güter / davon bekam der Arme sein mildes Theil . Ihr
Glück nahm auch sonsten von Tage zu Tage zu / und Ihre Gottesfurcht und
Wilfährtigkeit Ihren Nechsten zu dienen nimmer ab ; auch nicht einmahl da Sie
GOtt ließ zu einer betrübten Witwen werden . Durch dessen Verhängniß muste auch
das / was an Ihrem zeitlichen Wolseyn schiene abzunehmen / wieder eine Zunahme
gewinnen / indem Sie sich zum andern mahl mit dem jetzo hochbetrübten Witwer
Herrn Johann Friedrich Bützern vermählete . Desselben Gegenwart wil mir nicht
gestatten noch viel Gutes von der Sehl . Frauen zu rühmen / weil ich bedencken
trage den Verlust solches Guten ihn dadurch noch empfindlicher und sein Leyd
noch grösser zu machen ; genug / daß ich dieses nicht ohn schmertzliches
Andencken sagen muß / daß / wie nunmehro seiner Sehl . Frauen mit den abgehenden
Tagen Ihr kürtzter Tag war herzu genahet / auch Ihr zeitlich Wolseyn in Abnahme
kommen . Dazu halffen allerhand Wiederwärtigkeiten und Unglück / fürnehmlich aber
die so beschwerliche Kranckheit / womit Sie sich so lange schleppen müssen ;
Dieselbe fieng denn im Junio mit dem längsten Tage an / und nahm bey abnehmenden
Tagen immer zu / biß endlich ihr kürtzster Tag gekom̃en / biß
endlich die zum Abzuge schon längst fertige mit wahrer Busse / mit Gebeht
bereitete / mit dem Leib und Blut versorgte Seele den längsten Tag / den Tag
ohne Abend in der Ewigkeit angefangen . Hier aber muß ich nun mein obiges Bild /
die Sonne in tropico Capricorni , nochmahls zum Vorschein bringen / dabey aber
jetzo setzen :
Initia hyemis , Winters Anfang .
Ordentlich tritt mit dem kürtzesten Tage der rauhe und traurige Winter ein ; so
kan es auch nicht anders seyn / da nunmehr die Sehl . Bützerinn ihren kürtzesten
Tag gehabt / muß in diesem Hause traurige Zeit / und die kurtzen Tage lang und
verdrießlich werden ; traurige Zeit muß es seyn vor den betrübten Herrn Wittwer /
traurige Zeit vor die hinterlassene Wäysen / traurige Zeit vor eine eintzige so
lieb gewesene Frau Schwester ; Traurigkeit vor so viele / welchen die Sehlige mit
ihren Gutthaten Freude gemacht . Ich weiß aber nicht / ob Sie sattsahmen Grund zu
trauren haben . Wer trauret wol über die Freude dessen / welchen er lieb gehabt .
Wer beweinet wol dessen Glück / der aus dem Unglück herausgerissen ? Die Sehl .
Frau freuete sich / da Sie in diß Hauß gezogen / und also der Kirchen näher /
noch mehr / da Sie auch merckte / daß Sie dem Kirchhoff näher wäre ; wie wird Sie
sich deñ nun freuen / da Sie in den Vorhöffen des Allerhöchsten
ewig verbleibet / und nun vor keinen Gottes-Acker sich zu fürchten / sondern was
von derselben am letzten Tage hier gelassen / muß Ihr am letzten Tage dieser
Welt wieder werden ; Traun bey dieser Freude muß niemand traurig seyn / es heist
ja von Ihr :
A minori ad majus , Kurtz war der letzte Tag in meiner Lebens-Zeit / Drauf folgt
der längste Tag in froher Ewigkeit .
Wol dir du Sehl . Seele ! du kanst nunmehr mit Freuden in den Tag hinein leben /
deine Sonne gehet nicht unter / und wird von keinen Wolcken verdunckelt / deine
Zeit verkürtzest du mit dem Lobe GOttes / mit den H. Engeln und Außerwehlten .
Indessen soll auch dein Gedächtniß in langen und kurtzen Tagen bey uns grünen
und nicht verwelcken . Ich sehe davon gute Merckmahle an dieser hochansehnlichen
Trauer-Versamlung / welche die rauhe und finstre Nacht nicht abgeschrecket / mit
ihrer angenehmen Gegenwart ihre mit deinem Tode noch
nicht verstorbener Gewogenheit an den
Tag zu legen . Wolan ich wil an deiner statt davor schuldigsten Danck hiemit
abstatten / und im Nahmen deiner hinterlassenen Famille alle behägliche
Wilfährtigkeit / doch lieber in Freuden- als Trauer-Tagen / hiemit gehorsamst
verheissen . Wünsche dabey einen frölichen Schluß des alten und ersprießlichen
Anfang des neuen Jahres / daß ihnen in demselben und noch viel folgenden bey
allen gedeylichen Wolseyn Leibes und der Seelen die kurtzen Tage nicht lange /
und die langen Tage kurtz werden mögen !
Der geänderte Todten-Zettel Bey dem stillen Leich-Begängniß S. T.
Herrn Cämmerer Julius Johann Hünefeldts Jüngsten Söhnleins Christoph Richards
vorgezeiget Den 6. Januar . 1702 .
WAs solte wol die Ursach seyn / daß nach einiger Bericht die vormahligen
Einwohner des Perser-Landes ihre Kinder vor den 7ten Jahr nicht sehen wollen ?
Ich halte keine andere als diese ; Damit dieselbe / wenn sie in solchen
Spiel-Jahren stürben / ihnen nicht so viel Schmertzen als Andencken
hinterliessen . Denn es ist ja freylich nicht ohne / daß wenn
der Riß zwischen Eltern und Kindern
in den Jahren geschiehet / da die artige Einfalt durch ein unvermuhtetes Wort
und Geberde über die andere sich beliebt und anmuthig macht / der Verlust
derselben tieffer ins Hertz gehe / und je empfindlicher derselbe / je schwerer
zu vergessen sey . Ich wolte daß mir hierin jetzo nicht Beyfall geben dürffte der
Edle und Großachtbahre Herr Julius Johann Hünefeldt / wolverdienter
Rahts-Cämmerer bey dieser löblichen Stadt Helmstädt / als welcher jetzt mit uns
sein Jüngstes Söhnlein Sehl . Christoph Richard vor seinen Augen müssen sehen zu
Grabe bringen . Gewiß so viel Freude dieses Sehl . Kind in den 3 Jahren ihm
gemacht / so viel Hertzens-Seufftzer muß Ihm nun dessen so schleuniger Hintritt
erwecken . Traun das Verhängniß ist sehr hart . Ein Kind welches wenig Tage vorher
aus einem gefährlichen Krancken-Bette wieder aufgestanden und so zu reden als
eine Weynachts-Gabe den from̃en Eltern wieder geschencket worden /
muß wieder aufgehoben / ja dem Tode zum Neujahrs Geschencke werden . Scheinets
doch fast als wenn der Todt mit dem vom abgewichenen Jahr eingegebenen
Todten-Zettel seinen Spott gehabt ; Deñ da derselbe schon
verfertiget / und die Zahl der Verstorbenen 86 gesetzet worden / so ließ er
sehen / daß man so zu reden die Rechnung ohne dem Wirth gemacht . Deñ da das Jahr biß etwa auf 3. Stunden zu Ende / so subtrahiret
dieser schlim̃e Rechen Meister eins aus der Zahl der Lebendigen /
und addiret eins zu der Zahl der Todten / daß aus denselben 87. geworden . Auf
solche Weise hat der Tod den Todten-Zettel geändert . Dürffte ich aber M. H. A.
um eine kurtze Gedult ersuchen / so wolte ich bald darthun / daß dem Tod sein
Todten-Zettel wieder geändert worden . Dißfals wolte ich wol wo nicht zum
sinnreichen
Sinnbilde / doch zum
Bilde den Tod in seiner sonst gewöhnlichen positur darstellen in seinem
knöchrichten Finger einen Todten Zettel haltend / darauff geschrieben Todte 87.
wolte aber diese Uberschrifft dabey machen :
Salvo errore calculi , Was gilts die Zahl ist falsch / in Rechnen ist gefehlet /
Es ist nicht alles rodt / was hier wird todt gezehlet .
GOTT hat mich in sein Lebens-Buch nicht lassen in so weit hinein sehen / daß ich
gewiß wissen solte / ob alle / welche auff diesen Todten-Zettel gezeichnet nicht
todt sondern schlaffen / und der Seelen nach bey Ihm im Himmel leben / doch
hoffe ich von allen das Beste . Was aber den Sehl . Kuaben betrifft / so bin ich
dessen gantz gewiß versichert / daß er / ob er gleich gestorben / dennoch nicht
todt / sondern lebe ; Von Natur war er zwar sofort / da er anfieng zu leben / wie
alle Adams Kinder mit auf den Todten-Zettul / allein dieser Todten-Zettul wurde
bald geändert / da er als ein Bundes-Genosse Gottes in das Buch des Lebens
eingezeichnet worden . Und nachgehends war diß nur seiner lieben Eltern eintziger
Wunsch / daß dieses ihnen von GOtt geschencktes wehrtes Pfand noch lange nicht
unter die Todten-Zahl möchte gezehlet werden . Deñ was vor süsse
Hoffnung kunten sie ihnen nicht von dem Sehl . Knaben machen / bevorab da er der
Jüngste / und fast bey herbeykommenden verdrießlichen Alters-Jahren von GOtt
geschencket war / als auf welchen / wie der gelehrte Philo schreibet / die
väterliche affection sich Strom - weise zu ergiessen pfleget / deswegen weil
Eltern an demselben einen Stab und Stecken in der letzten Lebens-Zeit hoffen und
erwarten können . Der unvergleichliche Redner Cicero hat niemahls mit grössern
affect geredet / als wenn er von seinen Kindern geredet . Nachdencklich ist das
Sendschreiben / darinn er das Ableben seiner eintzigen Tochter beklaget ;
Nachdencklich diß
insonderheit / da
er die Freude rühmet / so er an derselben gehabt : Sey sein Gemühte schon von
Sorgen abgemattet gewesen / so schreibet er / habe er doch durch dieses Kindes
anmuhtiges Wesen sich wieder ergötzen / und alles Kummers vergessen können . Ich
bin gewiß / der hochbetrübte Herr Vater erinnert sich jetzo mit empfindlichen
Schmertzen / daß er eben diese Freude an seinen Sehl . Christoph Richard gefunden
/ und durch dessen anmuhtiges Kinder-Spiel manche Verdrießlichkeit ihm können
aus dem Sinne bringen . Aber leyder diese Freude hat nicht lange gewehret / denn
freylich muß er jetzo jenem Philosopho recht geben / welcher das menschliche
Leben / ich setze davor ins besondere das anmuhtige Leben solcher Kinder
abgebildet mit einer auf einem frischen Stock stehender und unvermuhtet
verwelckender Blume mit dieser Umschrifft :
Tales opes momento pereunt : Mit solchen Gütern ists im Augenblick geschehen .
Ja wohl im Augenblick / denn sein sehliges Kind stund ja dem Ansehen nach frisch
und gesund auf / und siehe in einem Augenblick fiel es wie eine welcke Blume
dahin und muste sterben ; Der Tod erhielt in so weit seinen Zweck / daß das
Todten-Zettel müssen geändert werden . Wer wil es aber hier den betrübten Eltern
so gar verargen / wenn sich nach dem Verlust solcher hertz-empfindlichen Freude
ein noch empfindlichers Trauren bey Ihnen einstellet . Betrübt sich ein
Garten-Freund / wenn ihm eine wolgepflegte / wolhervorgekommene / dem Garten
einen anmuhtigen Prospect , seinen Augen eine angenehme Lust machende Blume vor
der Zeit wird abgerissen ; Betrauret Jonas seinen Kürbs / wie solten sich diese
wehrte Eltern nicht betrüben / da ihnen aus ihrem gesegneten Ehgarten nicht eine
zum verwelcken gebohrne Blume / nicht ein schlechter Kürbs / sondern ein
wolgearte-
tes Kind
abgebrochen / was abgebrochen / gar ertödtet / was ertödtet / gar in die Erde
verscharret worden / da es vermodern soll . Ja diß muß weh thun / weil dadurch
ein Theil von Väterlichen und Mütterlichen Hertzen durch unverhofften Riß wird
abgesondert ; wehe thun / weil die gehoffte Belohnung der Väterlichen Aufsicht /
und fleissige Vorsorge / weil die Ersetzung der mütterlichen Mühe und Gefahr
dahin und die geschöpffte Hoffnung zu Grabe getragen ist ; O trauriges Grab /
Thränenwürdiger Verlust ! Allein wenn man nun dasjenige / wozu das was menschlich
an uns ist / ich meyne die ihr selbst gelassene Vernunfft uns leitet / beyseite
setzet / und das / was übermenschlich / ich meyne unsern Glauben billig zu rahte
ziehet / so wird kein Trauren mehr statt finden können ; denn da wissen Sie daß
der Tod dennoch seinen Willen nicht gehabt / sein Todten-Zettul ist geändert /
und heist von seiner Todten-Zahl :
Salvo errore calculi ; Was gilts die Zahl ist falsch / in Rechnen ist gefehlet /
Es ist nicht alles todt / was hier wird todt gezehlet .
Das ist ja das wenigste von dem Sehl . Kinde / was wir jetzo der Erden anvertrauet
ein Bißgen Erde ; Das edelste und beste Theil ist die theure Seele / die lebt
aber und kan nimmer auf den Todten-Zettul kommen ; Nun heist es ja : A potiori fit
denominatio , und ist Christoph Richard nicht todt / sondern lebet / er lebet im
Himmel / da er nimmer sterben kan . Ja ich halte / daß es nicht ohngefehr
geschehen / daß das Sehl . Kind nicht müssen auf dem Todten-Zettul gesetzet
werden / um dadurch die Eltern desto gewisser zu machen / daß das Kind nicht
todt sondern lebe . Diese Blume ist zwar in ihrer besten Blühte abgepflücket /
aber JEsus Hand hat es gethan / doch was sage ich abgepflücket / nur ins
Paradieß versetzet . O seeliger Wechsel ! Hier mag statt finden was jener über
eine
Blume / welche von dem Gärtner
um bessers Wachsthums willen aus einem Bette in das ander versetzet wurde /
geschrieben :
Variatio delectat , Veränderung ist angenehm .
Ja wol angenehm . Du seeliges Kind fandtest zwarbey deinen Eltern und Geschwistern
grosse Liebe / aber bey JEsu findest du noch grössere ; Hier hattest du deine
Pflege / aber auch über offtmahlige Wehtage Schmertzen und Kranckheiten zu
klagen / bey JEsu wird deiner noch besser gewartet / da bist du allem Leyd
entsprungen ; Hier warest du zwar ein , du trugest JEsum
durch den Glauben im Hertzen / nun bist du , nun trägt
JEsus dich auf seinen Armen . Nun bist du ein rechter Riechard reicher Art / du
besitzest die Schätze des Him̃els / dir ist das Looß gefallen aufs
Lieblichste / dir ist ein schön Erbtheil worden ; Nun stehest du vor dem Thron
Gottes / und wie du hier andern grosse Ergötzlichkeit machtest / so geniessest
du derselben tausendfach . Wer Engel-Zungẽ hätte deinen
Engel-gleichen Zustand zu beschreiben ! doch diese jetzterzehlete
Glückseeligkeiten sind schon so groß / daß sie der beküm̃erten
Eltern Hertzen besänfftigen und trösten / und dahin vermögen können / daß sie
mit dem Mañ / welcher so geduldig als geplagt / sagen werden : Der
HErr hat es gegeben / der HErr hat es genommen / der Nahme des HErrn sey
gelobet . Ich bins nicht allein / der zu solcher Gelassenheit rahten wil : Diese
Hochgeschätzte Versamlung ist deswegen hier / Ihnen eben diesen Trost
zuzusprechen / und mit ihrem bezeugten Mitleiden ihr Leid und Leiden zu
vermindern . Ich weiß auch wol / daß dieselbe damit schon viel ausgerichtet / und
um desto williger bin ich nun das / was mir aufgetragen zu bewerckstelligen . So
wollen denn M. H A. von mir in Nahmen der betrübten Eltern gehorsamsten Danck
annehmen vor die sonderbahre Ehre und Freundschafft / die sie ihnen durch diesen
Trauer-Gang
und Leich-Begleitung
erweisen wollen / nebst dem schuldigen Erbieten / daß ihnen nichts liebers seyn
werde / als ihnen wieder ihr zu dienen williges Gemüht darzulegen / dabey aber
wünschen sie nebst mir / daß nach dem heiligen Gutbefinden Gottes Ihre und der
lieben Ihrigen Nahmen erst nach späten Jahren mit auf den Todten-Zettul mögen
gezehlet werden .
Der bald und glücklich erfüllete Neujahrs-Wunsch Bey Ansehnlicher
Leich-Begängniß
Frau Margarethen Nevershausen gebohrner Wernerin / erwiesen Den 8. Januar .
1702 .
Wenn man in den alten Gebräuchen der Römer sich ein wenig umsiehet / so findet
sich unter ihren Neujahrs-Gewohnheiten auch diese mit / daß ein jeder flugs beym
Anfang des Jahrs solche Arbeit vorgenommen / worin er sonderlichen Fortgang in
solchem Jahre gewünschet / in der Hoffnung durch dieses abergläubische
Unternehmen seines Wunsches fähig zu werden . Wil es doch fast das Ansehen
gewinnen / als ob der Tod diesen Aberglauben mit angenommen ; was ist wol seine
vornehmste Arbeit / darin er wünschet das Jahr guten Fortgang zu haben ; Ist es
nicht Menschen-morden / Ehen-brechen / Eltern und Kinder zu betrüben / Witwen
und Witwern Thränen heraus zu pressen ; und siehe da das Jahr kaum angefangen /
fängt er auch mit solcher Arbeit an . Den gegenwärtigen
Wohl-Ehren Vesten / Großachtbahren
Herrn Johann Nevershusen wolbenahmten Bürger / Victual-Händler und Vorsteher des
Armen-Kastens macht er zum betrübten Witwer / dessen beyde liebe Töchter zu
Mutterlosen Weysen . Vor ohngefehr 2. Stunden muste Er sein halbes Hertz / seine
treue Hauß-Ehre / Sie ihre sorgfältige Mutter die weyland Ehr- und Tugendbegabte
Frau Margaretha Nevershusen gebohrne Wernerin in das finstere Grab versencken
sehen . Unglückseeliger Januarius , soliu den Nahmen führen â Janua von der Thür /
und öffnest nicht / sondern schleust vielmehr die Lebens-Pforte zu !
Unglückseeliger Neujahrs-Tag / da alles in Begriff war mit Neujahrs-wünschen
einander zu begegnen / da muste man in dem Neverhusischen Hause vor dem
Krancken-Bette der Haus-Mutter nur abwechselnde und ächzende Seufzer hören ! Ja
unglückseliger Morgen / da noch ehe der Tag anbrach / der gar zu frühe Abend der
Sehl . Frauen eingetretten ! Doch was sage ich von Unglückseeligkeit / wenn ich
recht wil von der Sache reden / so muß ich sagen / daß Sie es ist an diesem Orte
/ an welcher der Neujahrs-Wunsch am ersten und glükligsten erfüllet worden . 45.
mahl ist ihr wol das Neujahr gewünschet / denn soviel Neujahrs-Tage hat Sie in
der Welt erlebet ; Aber wie man insgemein das / was Salomo Eccl. 5 . 6. von den
Träumen saget : Wo viel Träume sind / da ist Eitelkeit / auch von dem wünschen
sagen möchte / wo viel Wünsche sind / da ist Eitelkeit / so würde die Sehl . wenn
Ihr erblaßter Mund reden solte / gestehen / daß viele Wünsche / so Ihr geschehen
/ eitel und umsonst gewesen / nur der letzte sey glücklich und vollkommen
erfüllet worden . Denn laß seyn daß Sie etliche gute Jahre gehabt ; das Jahr darin
Sie zur Christin worden / das Jahr da Sie die glückliche Vermäh-
lung mit dem jetztbetrübten
Hrn . Witwer getroffen / die 5. Jahr / darin Sie GOtt mit Kindern gesegnet / und
vielleicht einige andere mehr ; so wird doch die Zahl der unglückl . Jahre noch
viel grösser seyn . Die Jahre / da sie ihre liebe Eltern / da sie ihre Kinder und
sonderlich das letztere verlohren / die Jahre da das Hauß-Creutz ihr Hauß
betroffen / wie viel Wünsche sind ihr denn umsonst geschehen . Indessen
verdienten ihre Tugenden wol / daß man Ihr alles Gutes wünschete ! Ich beruffe
mich dißfalls auf ihre verlesene Personalien . Soll ich aber zu derselben
Gedächtnüß und Erzehlung mich ihres Nahmens bedienen / so darff ich wol sagen /
daß sie eine rechte Margarita gewesen / daß sie viel Perlen-gleiches an sich
gehabt . Von der Perlen heist es : Candor commendat , die weisse Farbe bringt sie
in den Wehrt / und macht sie angenehm ; Die Sehl . Frau muste auch GOtt und
Menschen angenehm werden durch ihre reine Tugenden / unter denen die
Gottesfurcht / wie eine schöne Zahl-Perle sich hervor that . Von der Perle
heisset es : E mari nihil , Ob sie gleich im Meer ist / so nim̃t sie
doch wegen der festgeschlossenen Muschel nichts von dem saltzigten Meer-Wasser
an sich ; so hatte die Sehl . Frau / ob sie gleich in der Welt / tamen ê mundo
nihil , Sie wolte von der Welt Boßheit / Falschheit und Heucheley nichts an sich
nehmen / vielmehr wie die Perle nebst ihrer weissen Zierde auch ihre grosse
Wirckung und Nutzen hat / und Hertz und Geister stärcken kan ; Daß es wol heist :
Ornat & prodest : Sie zieret und nutzet : So hat auch bey der Sehligen die
Würckung redlicher Liebe gegen ihren Nechsten / milder Hülffe gegen die
Nohtleidende / und insonderheit der aufrichtigen Treu gegen ihren Ehherrn und
liebe Kinder nicht ein geringes Lob verdienet . Wer siehet nun nicht / daß
redliche Christen ihres Gleichen / Nachbahren einer willigen Helfferinn /
Eh-Mann und Kinder ihrer Verpflegerin billig alles Gutes gewünschet ; Aber ach
dieses
Wünschen ist dem Ansehen nach
schlecht erfüllet worden . Denn warum trauret jetzo ein hertzlich-betrübter
Witwer / warum weinen und seufftzen mutterlose Wäysen / warum sind so viel
Anverwandte in schwartz verhüllet ? ist dieses nicht die Ursach / daß wider ihren
Wunsch / wider ihre Hoffnung die Sehl . Frau nur gar zu frühe dem Tode zu Theile
/ und diese Margarita , diese Perle / so gar bald aus ihrer Schalen müssen heraus
gerissen werden ? Diß muß nun freylich herb ans Hertze treten / ja allen Muht mit
ins Grab hinweg nehmen / denn es wahr was man im Sprichwort sagt : Verliehren ist
vors Lachen gut ; Doch was hilfft die Bekümmernüß ? Ists doch GOtt / der ihnen diß
Leid hat zugefüget . Als der gelehrte Philippus Melanchton einstens eine Trauer
in seinem Hause hatte / und sich nicht bald finden kunte / schlug er seine Bibel
auf und erblickte gleich die Worte des 100. Psal. Erkennet daß der HErr GOtt ist
/ er hat uns gemacht und nicht wir selbst / da war bey ihm Trost genug . Ich
zweiffle nicht / dieses und was in jetzt gehaltener Predigt angeführet wordẽ / wird auch ihr Trauren mindern . Warum nicht ? der
Neujahrs-Wunsch / welcher der Sehl . Frauen geschehen / ist ja glücklich erfüllet
worden . Sonder zweiffel hat man ihr gewünschet Gesundheit / langes Leben /
Friede und Einigkeit und endlich die ewige Seligkeit . Traun was kan glücklicher
als dieser Wunsch erfüllet seyn ? Sie ist ja nunmehr zu solcher Gesundheit
gelanget / da Sie nimmer kranck werden kan . Ihr Leben wird nun nicht mehr nach
der Länge der Jahre abgemessen seyn / sondern nach der unendlichen Ewigkeit . Wo
mehr Friede als in den Häusern des Friedens / in dem rechten Jerusalem / in der
rechten Friedens-Stadt / dem Himmel ? und da erlanget Sie auch den letzten Wunsch
die ewige Seeligkeit / da ist Sie an dem Ort / in dem Stande / da man keines
Wunsches mehr darff / sondern da
Sie
hat / was ihr Hertze wünschet . Von Christiano III. König in Dennemarck lieset
man / daß / wie er kranck gewesen / ein Mann im weissen Kleide zu ihm kommen sey
/ und gesagt : Er solte gutes Muths seyn / mit dem Anfang des Neuen-Jahrs solte
seine Kranckheit ein Ende haben / und ewige Gesundheit folgen . Die Sehl . Frau
hat zwar diesen Bothen wol nicht gehabt / doch ist der Erfolg bey Ihr
eingetroffen / deñ auch ihre Kranckheit mit Anfang des
Neuen-Jahrs sich geendiget / und sie ebenfalls zu ewiger Gesundheit gelanget .
Was schadets denn der Perle ob sie gleich von einer schmutzigen Fischers Hand
heraus gefischet / so wird sie doch darauf bey grossen Herren in grossen Wehrt
gehalten / und unter die kostbahren Kleinodien gezehlet . Was schadets daß unsre
Margaretha von der unbescheidenen Todes-Hand hinweg gerissen / ist Sie doch der
Seelen nach bey unsern JEsu in grossen Wehrt / und unter die Kleinodien der
Ewigkeit / zur Engelgleichen Klarheit versetzet worden . Ihr Leib als die
Behältnüß solcher edlen Perle ist zwar in den Staub geleget / doch bleibet er
unter der Aufsicht seines Schöpffers verwahret biß ihm dermahleins der Ihm
zugedachte Glantz und Herrlichkeit wird mitgetheilet werden . O
glücklich-erfüllter Neujahrs-Wunsch ! Was kan derselben glücklichers gewünschet /
was glücklicher erfüllet werden ? Wolte man etwa ein beständiges Andencken der
Verstorbenen in dem Hertzen der Lebendigen wünschen ? siehe da / auch dieser
Wunsch ist schon erfüllet / denn wovon zeuget die ansehnliche Leich-Versamlung
als davon / daß sie nicht nur gegen die hinterbliebene Leidtragende eine
beständige Gewogenheit und Freundschafft hegen / sondern auch der Seel .
Verstorbenen Gedächtnüß nimmer aus ihren Gedächtnüß kommen werde . Dieses wie es
schon zu der Aufrichtung der Betrübten sehr
viel beygetragen / so sind sie davor höchst verpflichtet / müssen
aber durch mich dienstlich ersuchen lassen / vorjetzo mit einen schuldigen und
hertzlichen Danck vor solche grosse Mühe vor Willen zu nehmen / biß etwa / doch
GOTT verhüte alles Traurige / sich eine Gelegenheit zeiget ihre Erkäntlichkeit
in der That an den Tag zu legen . Ubrigens wünschen sie / daß nach GOttes Willen
noch viele Neujahr-Wünsche an ihnen mögen erfüllet werden in der Zeit / die
beste Erfüllung aber nach vielen Jahren erfolge in der Ewigkeit .
Das traurige Laetare In dem Tode Des Seel .
Hrn. Johann Carl Morgensterns SS . Theologiae Studiosi
Welcher am Sonntage Laetare 1702 . seelig verschieden / und den Sonnabend vor
Judica zu der Erden bestättiget worden / In einer
Abdanckungs-Rede vorgestellet .
ES ist eine bekandte Sache / daß eben derselbe Planet oder Wandel-Stern / welchen
wir des Morgends / wenn er sich vor der Sonnen Aufgang in Osten erblicken läst /
den Morgenstern zu nennen pflegen / des Abends / wenn er nach der Sonnen
Untergang in Westen erscheinet / seinen Nahmen verlieret / und der Abend-Stern
benennet wird . Aber mit wenigern Recht kan derjenige Morgenstern nun noch
Morgenstern heissen / welcher bey diesen Abend nicht auff- sondern untergangen /
ja unter die Erden müssen verscharret werden . Ich rede von dem weyland Edlen und
Wolgelahrten Herrn Johann Carl Morgenstern / Philosophiae und Theologiae
Studioso . Ach derselbe solte seinen Eltern zur Freude erst / wie ein heller
Morgenstern aufgehen / und siehe / so muß er sich aus ihren Augen so gar bald
verlieren . Traun bey Ihm triffts wol ein / was ehmahls bey den Morgenstern
geschrieben worden :
Tantum spem lucis , Es kan bey meinen Schein Nichts mehr denn Hoffnung seyn .
Ja wol nichts mehr denn Hoffnung : Denn da seine Eltern noch nicht viel als gute
Hoffnung von Ihm genossen / hat der Tod alle Hoffnung auf einmahl abgeschnitten .
So
muste eine betrübte Mutter ihre
Marter-Woche vor der Marter-Woche haben . Dieselbe fing schon zu Braunschweig an
/ den Augenblick / da Sie die betrübte Zeitung von Ihres Sohnes gefahrlichen
Kranckheit hörete . Die Marter mehrete sich / da Sie der todtkrancke Sohn zum
Willkom̃ mit seinen matten Armen umarmete . Am vergangenen
Sonntag Laetare , welcher von der Freude den Nahmen hat / kam dieselbe aufs
höchste ; gewiß bey Ihr war das Laetare , die Freude / sehr schlecht / denn / da
sich dieser Sonntag geneiget / da der Abendstern am Himmel war aufgegangen / da
neiget sich dieser Morgenstern zum Untergange / und um 12. Uhr war er gar dahin .
M. H. A. werden denn im besten vermercken wenn ich zum Zweck einer kurtzen Rede
das traurige Laetare setze .
Wenn wir die Unbeständigkeit der irrdischen Freude / und den Ausspruch des weisen
Salomons Prov. XIV. Extrema gaudii luctus occupat , nach der Freude kömmt Leid /
in einem Bilde aussprechen wolten / so müste es eine Laute oder ein ander
wolklingendes und Freude-bringendes Seitenspiel seyn / worauf aber die Seiten
gesprungen / mit der Beyschrifft .
Versa est in lachrymas ; Die Freude so nicht lang gewehrt / Ist bald in herbes
Leid verkehrt .
Ich weiß die hochbetrübte Eltern des Sehl. Hrn. Morgensterns werden hier
beystimmen / und von Ihrer Freude sagen : Versa est in lachrymas , sie ist in Leid
verkehret . Ach da vor 21. Jahren 2. Monathen und etlichen Tagen dieser Ihr Sohn
zu Wolffenbüttel die Welt erblickte / rieff Er dem jetzund so traurigen Vatter
Hrn. Georg Dieterich Morgenstern / Fürstl. Accis-Bedienten in
Braunschweig / und der in heissen
Thränen jetzo sich badenden Mutter / Frauen Gertrud Lucien Sanders / mit dem
ersten Laut gewiß ein süsses Laetare zu . Denn was kunte ihnen erfreulicher seyn
als ein solches Pfand von GOttes Hand in der Mutter Schooß / und in des Vatters
Armen zu sehen . Er stimmete dieses Laetare von neuen an / da Er Ihnen von dem
Tauffstein wieder vor die Augen gebracht wurde ; weil Ihm allda sein Heyland die
Freuden-Kleider angezogen / und zum Erben einer unverwelcklichen Freude der
Ewigkeit hatte angenommen . So offte GOtt nachgehends diesen ihren Sohn aus
unterschiedenen Kranckheiten / welche der Kindheit gewisse Gefährten sind /
herausgerissen / und ihnen denselben von neuen wieder geschencket hatte /
schallete dieses Laetare , wo nicht in ihren Ohren / jedennoch in ihren Hertzen .
Und was vor ein offtmahliges Laetare wurde Ihnen zugeruffen / wenn dieser Ihr
lieber Sohn von Kindheit auf sich zur Gottseeligkeit und andern Christziemenden
Tugenden so wol ziehen / sich in allen kindlichen Gehorsahm stets erfinden
liesse / wie ich deßfals schrifftliche und mündliche Zeugnüß seiner lieben
Eltern bey mir gelten lasse ; Wenn sein fähiges ingenium , sein angewandter Fleiß
und darauf verspührte gute profectus in studiis humanioribus immer neue Hoffnung
machten ; Er würde mit der Zeit sehen lassen / daß Er aus dem Geschlecht eines
wackern Predigers gebohren / und eine Art wäre von der vormahls zu Riddagshausen
stehenden Weintrauben / ich meyne den vormahligen Abt dieses Nahmens . Ein
wiederhohltes Laetare war es Ihnen / da Seine vormahlige Hrn. Praeceptores Ihm
das Zeugnüß gaben : Er könte mit Nutzen auf höhere Schulen gesand werden /
daselbst den studiis Philosophicis und Theologicis , welchen Er schon
längst gewidmet war / ferner
obzuliegen . Und wer wolte zweiffeln / daß dieses nicht anfangs zu grosser Freude
seiner Eltern geschehen / und ferner würde geschehen seyn ; Wenn nicht . — — Doch
hier wil ich schweigen / und an statt fernern Lobes dieses beklagen / daß sich
auf Christl. Academien / da man auf Fleiß / auf willige Folge der Gesetze / auf
Frömmigkeit und Mäßigkeit geschwohren / sich dennoch einschleichen solche
pestes , inutilia terrae pondera , qui numerus sunt fruges consumere nati , welche
nicht achten das Exempel so vieler honnêten und tugendliebenden Gemühter / die
nur darauf sehen / wie sie durch Fleiß / durch vorsichtigen Wandel / den
seufftzenden / den behtenden / und mit Schmertzen auf die fröliche Wiederkunfft
ihrer Söhne hoffenden Eltern / wie sie auch dem Vaterlande / Kirchen und
gemeinen Wesen ein Laetare gleichsam entgegen ruffen mögen : sondern vielmehr ein
unzuläßiges Laetare suchen in Müßiggang / in Fressen und Sauffen / in
liederlichen üppigen Leben . Ach diese Gottesvergessene Rotte machet es offtmahls
/ daß Eltern / welche wolerzogene Kinder mit guter Hoffnung auf hohe Schulen
schicken / nachgehends von ihrer Hoffnung sagen müssen : Versa est in lacrymas .
Was ist es / das unsers Sehl. Hrn. Morgensterns Eltern den Sonntag Laetare so
traurig gemacht ? Ist es nicht dieses / daß ihr Sohn / der sonst noch von vielen
das Zeugnüß der Bescheidenheit und Ehrbarkeit auch eines guten Gemüths gehabt /
zu manchen übermäßigen und unzuläßigen Laetari verleitet worden / und seine
ohndem schon schwache constitution noch schwächer worden / darüber er auch am
Sonntag Laetare das Leben müssen einbüssen . Das hieß / was jener vom Petro / da
er bey dem Kohlfeuer saß / geschrieben :
Tanti est conjungi malis !
O trauriges Laetare , O hartes Verhängnüß / das diese Eltern und Ihr gantzes Hauß
betrifft ! Ein eintziger Sohn / ein gehorsamer Sohn / ein Sohn / vor dem Sie 21.
Jahr geseufftzet / gebehten / und unermüdete Sorgen getragen / muß Ihnen so
plötzlich entzogen werden ; Der Ihren Alter ein Stab und Trost seyn sollen / muß
in so früher Jugend fallen . Doch Sie stellen Ihnen nochmahls das obangeführte
Säitenspiel vor mit der Beyschrifft :
Reparari potest , Was vorhin alle Freud verkehrt in Leyd und Pein / Kan / wenn
mans recht bedenckt / gar bald ersetzet seyn .
Ich gestehe gern / Sie haben ein trauriges Laetare gehabt / aber diß traurige ist
Ihrem Seel . Sohn ein recht herrliches Laetare worden ; GOtt gab Ihm ja die Gnade
/ daß Sein Hertz zu der Erkäntniß seiner Sünden kam / und ich freuete mich von
Hertzen / da ich Ihn an Laetare Morgen so traurig über seine Sünde sahe ; und mit
nöhtigen Zuspruch dabey Anfangs erhielte / bald aber darauf nach Vorhaltung der
unerschöfflichen Gnade GOttes und des theuren Verdienstes seines Erlösers zu
einem andächtigen Gebeht brachte / und in seinem Heyland so freudig machte / daß
Er mit ausgestreckten Armen im̃er laut nachbetete / und
seufftzete : So fahr ich hin zu JEsu Christ / mein Arm thu ich ausstrecken .
Solche Freude hat Er / so offt ihn nur die hefftige Kranckheit die Gedancken
lassen an den Tag legen / biß an sein seel. Ende bezeuget / und alle Sein
Vergnügen in dem Willen GOttes und den Wunden Seines JEsu gesuchet . So zweiffle
ich nicht / der habe Ihn auch Krafft der in der H. Tauffe gemachten alliance
wieder zu Gnaden angenommen / und da er seine Seele von Ihm gefodert / sol-
che tragen lassen von den
Engeln in Abrahams Schooß . Da feyret er nun lauter Laetare-Sonntage / vor dem
Stuhl des Lamms / dessen Blut Ihn gereiniget / da ruffen Ihm die Engel und
Außerwehlten / und er Ihnen wieder ein Laetare nach dem andern zu .
So werden denn die Eltern auch ihrer Traurigkeit darüber vergessen / und sich
vielmehr freuen / daß Ihr Sohn die gefährliche Welt noch so seelig verlassen .
Indessen muß Ihnen aber auch dieses bey Ihrer höchsten Traurigkeit eine grosse
Freude seyn / daß M. H. A. sich so viel abmüßigen / und die Mühwaltung nehmen
wollen / Ihren Seel . Sohn die Ehre ihrer Leichen-Folge zu gönnen / und bey so
später Zeit / da nun der Abend-Stern schon lange über der Erden gesehen / diesen
Morgenstern wollen unter die Erde sencken sehen . Diese sonderbahre Ehre und
Gewogenheit werden Sie jederzeit zu rühmen / und nach Möglichkeit / doch lieber
zur Freude als zum Trost / zu ersetzen wissen . Ich aber bitte vor diesen Seel .
Morgenstern noch dieses aus : Man freue sich über sein seeliges Ende / und
gedencke dessen Fehler nicht mehr / daß man nicht seiner eigenen darüber
vergesse . Endlich wünsche und rahte ich / daß man allezeit das Oculi setze vor
das Laetare , damit nicht dermahleins ein trauriges Judica , sondern ein fröliches
Palmarum folge .
Vota secunda oder Der Neue Hochzeit-Tag in dem Sterb-Tage S. T .
Fr. Margaretha Elisabeht Hornein gebohrne Tappin Bey derselben Beerdigung Den
13. May. 1702 . gezeiget .
DAß ein Verwittibtes Frauen-Zimmer wieder eine neue Hochzeit machen dürffe / wird
keiner zweiffeln / welcher sonst nicht zweiffelt / daß der Geist der Warheit dem
Apostel Paulo die Feder geführet / da derselbe die affirmativam auff dieser
quaestion in dem I. Brieffe an die Corinther c. IV. 39. behauptet . Zwar jene
Römerinn die Portia durffte frey heraus sagen : Nec felix , nec morata aut pudica
potest esse foemina , quae secundò nubit ; es kan keiner Weibes-Persohn wol gehen
/ sie kan auch weder tugendhafft noch keusch seyn / welche zum andern mahl
Hochzeit hält . Doch hierüber hat man sich nicht zuverwundern / sie war eine
Heidinne und darzu des ernsthafften Catonis Tochter : Tertullianus , Ambrosius und
Hieronymus haben sich hierinn über-
eilet / da sie Paulo wiedersprochen / und daß die Montanisten es auch
gethan . Daß einige von den Kirchen-Lehrern Ihnen beygestimmet / thut nichts zur
Sache . Jene waren Ketzer / welche wol mehr gelogen / diese / Menschen / welche
sich übereilen kunten . Aber was rede ich hier von Hochzeithalten / da alles
Leyde trägt . Die weyland Wol-Edle / Hoch-Ehr- und Tugendbegabte Frau / Fr.
Margaretha Elisabeht Hornein / gebohrne Tappin / des weyland Wol-Edlen und
Hochgelahrten Herrn / Herrn Johannis Horneji , bey hiesiger Hochfürstl.
Julius-Universität Graecae Linguae Professoris publici ordinarii hinterlassene
Frau Witwe / welche wir jetzo in ihr Grab gesencket gesehen / war zwar / wie
jetzt gesaget eine Witwe / aber eine solche Witwe / welche in den 33 Jahren / so
lang Sie in diesem betrübten Witwen-Stande verbliebẽ / auf keine
neue Hochzeit gedacht / so durffte mañ den ihrentwegen um diese
Frage sich nicht bekümmern . Wie wenn ich aber dennoch Grund und Anlaß hätte der
Seel . Verstorbenen Frau Professorinn ihren Tod als Vota secunda , als eine neue
Hochzeit anzusehen ? Und warlich ich meyne es wol zu haben . Die nahen
Anverwandten der Sehl . Verstorbenen wissens vielleicht aus derselben ehmahlige
Erzehlung ; ich aber weiß es aus unserm Kirchen-Buche / daß eben der 4te Tag des
Monats May / an welchem die Seel . diese Welt verlassen / einer von ihren
Hochzeit-Tagen gewesen . So ist es auch etwas gebräuchliches / daß Eheleute in
dem 50sten Jahr nach ihrer Hochzeit eine neue Hochzeit anzustellen pflegen ; nur
fehlet ein Jahr daran / ( wir wollen diese anticipation dem hefftigen Verlangen
bey-
messen ) daß solche
Zeit von ihrer Hochzeit mit dem Seel . Herrn Professore verflossen . Ich meyne wol
daher anlaß zuhaben ihren Tod als eine neue Hochzeit anzusehen . Nun soll es denn
eine Hochzeit seyn / wo ist der Bräutigam ? Ist es etwan Ihr Seel . Eh-Herr ? nein
/ denn ob Sie zwar von sich und Ihm mit recht sagen kan / und nun erfüllet sieht
/ was jene betrübte Witwe auf ihren und ihres Mannes Leichstein hauen lassen :
iterum jungemur amantes , bleibt es doch bey dem Ausspruch des Heylandes Matth.
XXII : In jenem Leben werden sie weder freyen noch sich freyen lassen . Wer ists
denn ? ihr Heyland und Erlöser Christus JEsus / mit diesem ist Sie schon vor 69.
Jahren versprochen und die Ehe-pacta sind durch die H. Tauffe bestättiget / Ihr
Seel . Herr Vater Jacobus Tappius , der ein so guter Christ als berühmter Medicus ,
und ein so redlicher als gelahrter Mann gewesen / ließ nebst der Seel . Frau
Mutter nichts ermangeln unsere Frau Professorin dazu anzuführen und anführen
zulassen / daß Sie als eine versprochene Braut des Sohnes Gottes demselben Treu
und Glauben halten und ihn nimmer lassen solte . Dieser ihr Bräutigam kunte wol
leiden / daß Sie sich mit einem andern auf der Welt verlobte / da Er ihr
Verlobter und der beste im Himmel blieb / ja er segnete ihre getroffene Ehe
dergestalt / daß Sie zu 8. Kindern Mutter und zu 13. Kindern Groß-Mutter worden .
Mit was vor einem Exempel Sie diesen und der gantzen Stadt vorgegangen / ist M.
H. A. besser bewust / als es meine unberedte Zunge vermag auszudrücken . Doch
borge ich dem H. Geist seine Worte ab aus
dem Buche Ruth III. V. II. und sage / die gantze Stadt weiß / daß
Sie ein tugendsahm Weib gewesen / eine treue Gehülffinn ihrem Sehl . Manne / eine
fürsichtige Mutter ihren Kindern / eine sorgfältige Hauß-Mutter ihrem Gesinde /
eine aufrichtige Freundinne ihren Anverwandten und Bekandten / ihren Nachbahren
und Geschwister / eine fromme Witwe wie die Hanna , welche das Gottes-Haus
fleißig besuchet / welche Gott gedienet mit Gebeht und Flehen / eine mitleidige
Wittwe wie die zu Zarpath / eine Wittwe voll guter Wercke wie die Tabea . In dem
ich Sie aber eine Wittwe nenne / nenne ich zugleich eins von dem grösten
Unglücke / welches einem Menschen in der Welt begegnen kan . Nicht unbillig hat
ein vortrefflicher Theologus eine Wittwe mit einem solchen Menschen verglichen /
welcher vom Schlage gerühret und an der einen Helffte des Leibes gantz todt / an
der andern Helffte aber kranck und krafftloß ist ; jenes Theil taugt weiter zu
nichts / es fühlet nichts uñ bewegt sich nicht / dieses aber ist
um des andern wilen gantz kranck und laß / und kan nichts rechtes anfangẽ . Nun ist aber Mann und Weib ein Leib und ein Fleisch / wenn
demnach der Mann verstirbet / so ist der halbe Leib todt und verweset / die
andere Helffte bleibt kranck und krafftloß ; so ist also eine Witwe / nur so zu
reden / ein halber Mensche . Und jene sinnreiche Feder stellet eine Wittwe als in
einem Sinnbilde vor unter einer Corallen-Staude / welche nicht als nur in nassen
wachsen / mit der Beyschrifft : in lacrymis tantum vivo . Anzuzeigen / daß eine
Wittwe ihr Leben nur in Thränen zubringe . Ach in solchem zustande hat unsere
Seel . Frau Professorinn 33 Jahr
müssen zubringen . Nur 15 Jahr war Sie nach ihrer ersten Hochzeit ein gantzer
Mensch ; denn da riß der Tod ihren Seel . Eh-Herrn / ihr halbes Theil / dahin . Von
der Zeit an ist Sie nur ein halber Mensch gewesen . Und wie manchesmahl hat Sie
nach dem in Trauer-habit gehen / und heisse Thränen-Bäche die Wangen herab
fliessen lassen . Thränen als anno 1691 . Ihre vielgeliebte Tochter / die Seel .
Frau D. Wideburgin , Thränen als anno 1694 . Ihr eintziger Sohn / weilaand
Inspector zu Saltzwedel / Thränen / als Ihr Eydam / der Seel . Henricus
Wideburgius S. S. Th. D. und PP . unvermuhtet durch den Tod dahin gerissen
worden . Andere unzehlich vieler Thränen-Güsse jetzo nicht zugedencken . So war
Sie wol ein Exempel einer unglückseeligen / doch aber / welches man zu ihren
unsterblichen Ruhm Ihr nachsagen muß / einer sehr geduldigen Witwe / welche
alles Ihr Unglückt als die gewöhnlichen Liebes-Zeichen ihres Seelen-Bräutigams /
angesehen / und Ihm in allen treu verblieben . Sie war aber nunmehro zu der neuen
Hochzeit gnugsahm angeschicket / drum da die Zeit Ihrer ersten Hochzeit wieder
da war / schickte nun Ihr Bräutigam den Tod als seinen Brautführer ab / und ließ
Sie gleichsahm fragen ; Wilt Du mit diesem Manne ziehen ? Sie war mit dem Ja-Wort
fertig : Ja ja ich wil mit Ihm . Und siehe / so wurde Ihre Seele unter dem Geleit
der H. Engel heimgeholet . Ich bin aber wol versichert / daß dieser Ihr
Hochzeit-Tag vielen ein Trauer-Tag geworden . Ein Trauer-Tag denen
Hinterbliebenen noch lebenden Kindern und Kindes-Kindern / welche theils Vater-
und Mutterlose Wäysen / de-
nen
sämtlich Anverwandten / welche diesen Todesfall freylich schmertzlich empfinden
müssen . Denn diejenige / welche Ihre Krohne / welche Ihre Rahtgeberinn / welche
Ihre Versorgerinn / welche Ihr Trost und Zuflucht in der Welt gewesen / ist nun
dahin / ja diese gantze Christl. Gemeine hätte wol wünschen mögen / daß die
Seel . Ihre Jahre noch nicht enden / sondern von neuen wiederanfangen mögen /
welche sonder allen zweiffel manches Unglück abzubetthen geholffen hat . Doch ich
erinnere mich hier der Worte Chrysostomi : In nuptiis nihil triste sit , bey der
Hochzeit muß nichts Trauriges seyn . Wenn dieses bey einer Hochzeit statt findet
/ so muß es auch gelten bey der neuen Hochzeit unserer Seel. Fr. Professorinn /
denn derselben Hochzeit-Tag und Hochzeit-Freude ist so beschaffen / daß kein
Leyd / kein Hauscreutz / kein neuer Witwenstand darauf erfolgen kan . Ihr
Bräutigam hat Ihr zugeruffen die Worte der Naëmi , mit welchen Sie Ihre Tochter
Ruth auf eine gute Heyraht vertröstete : Ich wil Dir Ruhe schaffen / daß Dirs
wolgehe . Und diese Zusage hat Er nun der Seelen nach schon erfüllet / die ist in
Gottes-Hand / die ruhet von aller ihrer Arbeit . Und was Ihren Hochzeit-Tag noch
frölicher macht / Ihren lieben Eheschatz / Kinder und Eydam findet Sie nun
wieder / diese gehen mit Ihr zu dieser Hochzeit / sitzen mit Ihr an einer Taffel
/ ergetzen sich mit Ihr in alle unaußdenckliche Ewigkeit . In his nuptiis ergo
nil triste sit . Bey Ihrer Hochzeit muß kein Trauren seyn : Bevorab da diese
hochgeschätzte vornehme Versam̃lung sich hauptsächlich zu dem Ende
eingefunden / durch Ihr Christl. Mittrauren der Leyd-
tragenden Trauren zuverringern
/ und durch Ihr ansehnliches Leichen-Geleite den hier gelassenen Cörper der zur
Hochzeit geführten Seele so hoch beehren wollen . Wie aber Ihnen hiedurch eine
grosse Ehre mit wiederfähret / so nehmen Sie solche bey später Nacht genommene
Mühe mit danckbahren Hertzen an / und wollen solche hohe Freundschafft in stetem
Gedächtniß behalten / auch mit möglichster Dienstgeflissenheit / doch lieber bey
erfreulicher Gelegenheit zuerwiedern bemühet seyn . Ich wünsche dabey in meinem
und Ihren Nahmen : Der Höchste wolle nach seinem gnädigen Willen alle
Trauer-Stunden von ihren Häusern abwenden / und Sie sämtlich nebst den ihrigen
in erwünschten Flor der Glückseeligkeit noch viel Jahre leben lassen ; weil aber
doch wol keine ander ordre kommen wird / als daß wir auch endlich sterben müssen
/ so müsse ihrer aller Sterbe-Tag ihnen auch zum frölichen Hochzeit-Tage
werden .
Die Beduldt das beste Pflaster Seel .
Herrn Joh. Andreae Bocksberges / Gewesenen Vornehmen Bürgers und berühmten
Chirurgi , d. 19. Maji 1702 .
ICh soll anjetzo dasjenige ins Werck setzen / was ich ohnlängst dem weyland
Ehrenvesten / Kunsterfahrnen und Groß achtbahren Herrn Joh. Andr. Bocksberg /
wolbenahmten Bürger dieser unser Stadt Helmstedt und berühmten Chirurgo mit Hand
und Mund auf seinem Tod-Bette versprechen müssen . Ich soll denjenigen schuldigen
Danck abstatten / welche mit mir dessen erblasseten Cörper zum Gottes-Acker
begleiten wollen . Hiebey nehme ich denn billig die Gewohnheit in acht / mit
einer kurtzen Leichen-Rede das Andencken des Verstorbenen einiger massen zu
erfrischen . Was soll ich aber hier vor eine Erfindung nehmen / die so wol M. H.
A. in etwas vergnügen / als auch des Seel . Herrn Bocksbergs rühmlich zu
gedencken Anlaß geben möge ? Doch ich darff mich nur erinnern einer
nachdencklichen Rede / welche ich etwa 8. Tage vor seinen Ende aus seinem Munde
gehöret / so wird sich bald die Erfindung finden . Der Seel . Mann wurde von mir
zur beständigen Geduld in seinem harten Lager angemahnet ; Ja / sagte Er : Ich
habe die Zeit meines Lebens manches Pflaster vor andern zubereitet / und durch
dessen von GOtt gesegneten guten effect mir und dem verwundeten Preßhafften
Freude gemacht ; Bißher haben aber andere und ich selbst an mir geflicket / aber
nichts ausrichten können ; allein / jetzo dancke ich dem lieben GOtt / der mir
ein sonder bahres arcanum offenbahret / welches mir alle meine Angst und
Schmertzen leichter macht / und diß ist kein anders als das edle
Geduld-Pflaster . An diesem Pflaster / sagte Er / habe ich schon lange gearbeitet
/ habe es
aber noch nie zu solchen
Kräfften bringen können / als ich jetzo durch GOttes Gnade thun kan / und gewiß
/ ich finde es probat und gut . Sie vergönnen mir denn kürtzlich zu erweisen /
daß die Geduld das beste Pflaster unsers Seel . Herrn Bocksbergs gewesen . Da
dieser Seel . Mann Anno 1653. den 5. Aprilis vor 49. Jahren in dieses allgemeine
Lazareth und Krancken-Hauß / ich meyne die Welt / eingetretten / war Er / wie
alle Adams-Kinder / voller Wunden und Gebrechen / Ihm wurde aber bald ein
heilendes Pflaster bereitet / und das Wort GOttes / welches alles heilet /
heilete Ihn . Von der Zeit an wurde Ihm durch fleißige Erziehung zum Christenthum
gezeiget / wie Er sich vor neuen Wunden des Gewissens hüten / doch auch dabey
die Ingredientien angewiesen / woraus Er Ihm wieder ein Pflaster bereiten können
/ seine Seele damit zu heilen / wenn Er ja dieselbe mit vorsetzlichen Sünden
beschädiget hätte / dessen Er sich denn auch durch sein gantzes Leben biß in den
Tod wol zu bedienen wuste . Denn ob Er gleich das Zeugniß eines redlichen /
dienstfertigen und aufrichtigen Gemühts von denen hat / welche mehr mit Ihm
umgegangen / so ist doch nicht zu leugnen / und hat Ers selbst nicht geleugnet /
daß Er seinem Gewissen manche tödtliche Wunde geschlagen ; Doch sind dieselbe nun
alle mit Christi Blut geheilet / und müsse ferne von uns seyn / dieselbe wieder
auffzureissen . Indessen hat Er das talentum , welches Ihm GOtt in seinem Beruff
gegeben / wol und rühmlich angewandt . Denn nachdem Ihm die Zuneigung zur
Chirurgie von seinen Eltern und Vor-Eltern / welche bey die 200. Jahr her solche
Profession gehabt / gleichsam angebohren / so hat Er
auch in derselben solchen Fleiß
angewandt / daß Er in solcher Wissenschafft seines Gleichen nicht viel gefunden .
Hierzu kam die Erfahrung / da Er so viele Feldzüge / anfangs bey denen
Hochfürstl. Zellischen / nachgehends Churfürstl. Brandenburgischen / endlich
auch Hochfürstl. Braunschw. Wolffenbüttelschen Trouppen in den vorigen Kriegen
mit gethan und mit grossen Ruhm seine Dienste versehen . O wie mancher lebt noch
wol hier und da / der Ihm sein Leben / seine gesunde Glieder zu dancken / der
noch die Narben der fast tödtlichen Wunden zeigen kan / und die guten Pflaster
des Seel . Herrn Boxbergs rühmen muß / dadurch dieselbe geheilet worden . Allein
dieses muste nicht helffen noch abwehren können / daß nicht auch an Ihm endlich
die ordre käme : Artzt hilff dir selber ; Ja wir wissens zum theil / wie Ihm
bißanhero der Tod vom Frühling zum Herbst / vom Herbst zum Frühling
nachgeschlichen / und durch eine Schwachheit nach der andern Ihm zugesetzet . Und
endlich wolte kein Kraut / kein Pflaster / keine Bezoar aus Indien , kein Balsam
aus AEgypten , kein Einhorn aus China , kein Gold aus Arabien , keine Perlen aus
Orient mehr helffen / keine Kräuter-Träncke / kein Brust-Pflaster / kein Safft
noch Lattwerge kunte seine angst- und schlaff-lose Nächte heben / keine Essence
seinen appetit befordern . Er sahe aber wol / daß GOTT mit dieser Kranckheit auf
seine Gesundheit zielete ; und hatte dieselbe nicht anders anzusehen als seine
Lancetten und andere Instrumenta Chirurgica , von denen es heißt : Sanat dum
ferit ; es verletzet / daß es heilet . Drum war Er denn zuforderst auf die Cur
seiner Seelen bedacht / stellete auch glück-
lich dieselbe an / und brauchte die Myrrhen einer
rechtschaffenen Reue / die Thränen einer hertzlichen Busse / und die Tropffen
des Blutes JEsu Christi / dieses war ein probat Recept , wodurch seiner Seelen
gerahten / wodurch die Hitze des Göttlichen Zorns gelöschet / und die matte
Seele erquicket wurde . Wolte denn gleich Fleisch und Blut nicht allemahl
ausdauren / das Creutz und das ängstliche Lager dauchte Ihm nicht Freude /
sondern Traurigkeit zu seyn / so hatte Ihn nun der Heil . Geist die Kunst
gelernet / ein Pflaster vor dieses Unheil zu bereiten / und zwar ein solches /
welches rar und doch nicht theuer / dessen ingredientia nicht in den Apothecken
/ wohl aber in dem Worte GOttes zu finden / und nicht aus der Erden wachsen /
sondern der Himmel gibt sie uns . Wollen sie wissen / wie es heißt ? Es heißt das
Geduld-Pflaster / die stille Gelassenheit in den Willen seines GOttes . Diß legte
Er auf seine krancke Brust ; dieses machte die schlaff-lose Nächte kurtz ; dieses
erquickte das matte Hertz ; dieses harrete mit festen Vertrauen auf die
Aufflösung seiner Seelen ; dieses machte seine Seufftzer und Gebeht brünstig und
nachdrücklich / ja es wartete der seeligen Stunde / da Ihn GOTT bey vollem
Verstande sterben ließ . Nun dieses Pflaster ist denn zwar probat erfunden ; aber
ist es nicht höchst zu bedauren / daß dieser Mañ so frühe dem
Tode muß zu theil werden ? Ja billig beklaget Ihn sein gegenwärtiger Herr Bruder
/ der dessen Liebe und brüderliche Freundschafft nunmehro muß vergraben sehen /
billig beklagen Ihn diejenigen / denen seine Kunst und bißher erwiesene
rühmliche Curen bekand gewesen / und wie mancher Patient solte wol ein Pflaster
wündschen /
welches Herr Boxbergen
könte wieder lebendig machen / daß Er seiner Pflaster wieder gebrauchen könte .
Allein M. H. A. dieses Klagen / dieses Wünschen ist umsonst / und wäre unserm
Seel . nichts damit gedienet / wenn das letztere erfüllet wäre . Denn Er ist
nunmehr ja aus dem Lazareth heraus / und siehet keine Wunden an andern / und
fühlet keine Schmertzen an Ihm selber mehr / sondern Er ist nun geheilet / die
Seele wird nun getröstet / der schwache und krancke Leib muß zwar verwesen /
aber dadurch recht genesen / und an jenem Tage unverweslich und in Krafft
aufferstehen / die Seele / die jetzo in der Hand GOttes auffgehoben / wird Er
mit Freuden wieder finden . Wer wolte Ihm nicht diesen seeligen Wechsel gönnen ?
M. H. A. haben mit ihrer höchst-angenehmen Gegenwart erweisen wollen / wie wehrt
Sie den Seel . Mann in seinem Leben gehalten / und wie hoch Sie seine Kunst
geschätzet / da sie seinen schwachen und elenden Cörper zur Ruhe bringen wollen ;
Wie Ers selbst auf seinen Tod-Bette / wie es seine hinterlassene Anverwandten
verlanget / so dancke ich davor in Beyderseits Nahmen / versichere Ihnen auch /
diese Letzteren werden solche Liebes-Dienste in stetem Andencken behalten / und
so bemühet als schuldig seyn solche bey allen Gelegenheiten zu ersetzen .
Die Pfingsten vor Pfingsten Welche Die Seel . ( T. T. )
Frau Anna Maria Matthießen / gebohrne Könhagen /
Seel . Herrn Theodori Matthießen Nachgelassene Wittwe
Bey Ihrem seel. Abschiede gefeyret . d. 2. Junii Anno 1702 .
WEnn solche Tage im Calender anzutreffen / an welchen ein jeder geschickt seyn
müste jenen Befehl Nehemiae ins Werck zu setzen : Dieser Tag ist heilig / drum
seyd nicht traurig ; so müsten es die Tage seyn / welche man Pfingsten nennet .
Denn in denselben locket uns ja gleichsam die gantze Natur zur Freude an . Die
schwitzernde Vögel in den Lüfften / die bund-gemahlte Wiesen / die Blumen- und
frucht-reiche Garten-Bette / die mit dicker Saat gezierte Auen / und andere
Dinge mehr ruffen uns zu : Darum seyd nicht traurig . Und von diesen Tagen mag man
ja wol sagen / daß Sie heilig seyn / weil Sie dem geheiliget werden / der aller
Hei-
ligkeit eintzige
Quelle und Uhrsprung ist . Ja weñ kein Unglück / und der Verderber
der Natur / der Tod nicht wäre / so möchte dieses angehen . Weil aber allen
Beyden kein Tag zu heilig / kein Fest zu frölich / da sie nicht ihr einmahl
erhaltenes Recht die Menschen zu betrüben an demselben ausüben solten / so kans
wol nicht anders seyn / als daß auch die frölichen Pfingstfeyer-Tage offt zu
Trauer-Tagen werden müssen . Wir dürffen hievon ein Beyspiel nicht weit suchen ;
Denn wer zu denen / welche in diesem Hause gebohren und erzogen / oder mit
denselben durch nahe Verbindung zugehören / jetzt sagen wolte : Die Pfingsten
sind vor der Thür / drum seyd nicht traurig / der würde Ihnen etwas Unziemendes
anmuhten seyn . Das Unglück ist hier eingekehret / und der Tod hat hier das
Lachen in Weinen / und die Freude in Leyd verwandelt ; Ihre Hertzliebe Mutter /
Schwieger-Mutter / Groß-Mutter und nahe Anverwandtinn hat das Pfingst-Fest nicht
erlebet ; ich meyne die weiland Viel-Ehr- und Tugendbegabte Frau / Fr . Anna Maria
Matthießen / gebohrne Könhagen / Seel . Herrn Theodori Matthießen / weiland
Bürgers und Brauers alhier / nachgelassene Wittwe . Denn diese ist es / welche
wir jetzo mit Trauren auff dem Wege begleitet / welchen Sie vielleicht dieses
Fest mit Freuden zu gehen bedacht gewesen . Doch dieses Trauren muß man nur bey
den Begleitenden / nicht aber bey der Begleiteten suchen ; Denn laß seyn / daß
dieselbe hier auf Erden keine Pfingsten hält / so getraue ich mir doch wol zu
erweisen / daß ihre fröliche Pfingsten vor Pfingsten ihren Anfang genommen . Zwey
und siebentzig Pfing-
sten hat
die Seel . Frau in ihrem Leben erlebet / darunter wol die wenigsten mögen frölich
gewesen seyn . Im Jahr 1630 . als in welchem Sie gebohren / und wiedergebohren /
erlebte Sie die ersten / aber in der Wiegen . Und dieselbe nebst denen darauff
nechstfolgenden kan man weder frölich noch traurig nennen / weil Sie wegen der
Kindheit davon noch nicht viel Empfindung haben können . Und nachgehends stellete
sich mehr Leyd als Freude bey Ihr ein ; denn durch das frühzeitige Absterben
ihres Seel . Vatters wurde Sie bald zu einer armen Wäyse ; und muste gar zu bald
inne werden / daß Sie in der H. Tauffe in den Creutz-Orden JEsu Christi
getretten . Denn ob Sie gleich so wol von dem Vatter / aber leyder nicht lange /
nachgehends von der Mutter / in ihrem Christenthum wol angeführet / und den
unschätzbahren Schatz der Gottseeligkeit ins Hertz geleget worden / so wuste Sie
doch sonst von keinen Schätzen / sondern muste unter vielen Witwen- und
Wäysen-Thränen säuerlich erzogen werden . Bey solchem Zustande mag es nicht
allzufröliche Fest-Tage gegeben haben . Es schiene zwar / als wolte eine
glückliche Heyraht Ihr Unglück verbessern / und mehr fröliche Tage gönnen ; Aber
wie lange währete es ? Nur nach 5. Jahren muste Sie zur Wittwen werden / und mit
2. unerzogenen Wäysen im Elend sitzen ; Wo aber wenigere Fröligkeit als im
Witwen-Stande ? Zwar in GOtt hatte Sie Freude / und wehlete das Symbolum jener
Wittwen vom hohen Fürsten-Stamme : Sola facta , solum Deum sequor ;
Seit dem ich bin allein / Muß GOtt allein es seyn .
Aber was auff der Welt vor Freude vor eine Wittwe ? Man möchte Sie wol vergleichen
mit einem gewissen Kraute / welches vormahlen ein Graf in Franckreich zu seinen
Zeichen in einem Ritter-Spiel erwehlet / welches allezeit voller Tropffen / wenn
es nicht von der Sonnen beschienen wird / und deßwegen diese Beyschrifft führet :
Aut radios , aut lacrymas ;
Hab ich nicht Sonnenschein / So werdens Thränen seyn .
Uxor coruscat radiis mariti , das Weib hat ihren Schein von dem Manne ; So lange
der lebet / kan sie sagen : Tuam vitam vivo ;
Mir kan dein Leben Das Leben geben .
Weñ aber diese Ehe-Soñe untergehet / und sie zur
Wittwen wird / so heißt es : Tua morte morior ;
Seh ich dein Sterben / Muß ich verderben .
Ja das Ende des Lebens eines Ehemannes ist der Anfang des Todes einer Frauen .
Denn die Freude und Glückseeligkeit / welche ihr Leben zum Leben macht / endiget
sich / wenn sich des Mannes Leben endiget . Da trifft wohl ein / was jener auf
den Wittwen-Stand gesagt : Wo einer erst am Creutze hängt / da wilihn jederman
mit Galle träncken . Ich meyne die Seel. Fr. Matthießen habe dieses wohl
erfahren . Wie viel saure Mühe und Arbeit / wie viel Verdruß Sie die 22. Jahr
ihres Wittwen-Standes ausgestanden / ist vielen gar wol bekandt . Doch bey dem
allen hat Sie einen guten Vortheil erlernet / nemlich sich auf das
Creutz und Widerwärtigkeit so zu
verwahren / daß weder dem Christenthum und guten Wandel / noch der nöhtigen
Todes-Vorbereitung etwas abgienge . Sie that / was jene Königin in Engeland
gesagt : Adversus mala virilem animum induo , ut quicquid obvenerit , mors me
imparatam non opprimat ; Ich bin zwar ein schwaches Weibes-Bild / aber was mir
begegnet / das weis mein mäñlicher Christen-muht so anzunehmen /
daß mich der Tod nicht unbereitet finden kan . Deswegen sahe Sie sich wol vor /
daß Ihr Gewissen / wenn ja dasselbe mit Sünde verletzet und verwundet / durch
rechtschaffene Busse bald wieder geheilet würde / und hatte also für dem Tode
sich nicht zu fürchten / sondern sahe denselben als das Ende alles Kummers und
den Anfang unendlicher Freude an . Da nun dessen Vorbohten / eine schwere
Kranckheit / um die Zeit / da Sie sich der Himmelfahrt ihres Heylandes erinnerte
/ den Leib angriffen / wünschete Sie auch nichts mehr als Ihm bald nachzufahren .
Der Sontag Exaudi war es / da der Himmel Ihren Wunsch erhörete / denn nachdem
Sie sich mit Christo aufs neu wieder in wahrer Busse und Glauben und Geniessung
seines Leibes und Bluts vereinigte / erfolgete die Nacht darauf ein seeliger
Tod . Und wer wil zweiffeln / daß Sie nun ihre fröliche Pfingsten vor Pfingsten
angefangen ? Zwar kan ich die hinterbliebene Frau Töchter und Angehörige nicht
verdencken / wenn sie diß instehende Pfingst-Fest in Trauren zubringen / denn
gewiß Sie haben die verlohren / der Sie alles zu dancken haben / worüber Sie
sich in der Welt freuen können ; Die / welche vor Sie gebehtet / vor Sie gesorget
/ vor Sie ge-
arbeitet . Dennoch
aber / wenn Sie es recht bedencken / werden Sie ihr Trauren mässigen / denn
einer Mutter / welche 72 Jahr nicht viel gute Tage in der Welt gehabt / gönnet
man noch endlich fröliche Feyer-Tage . Und die geniesset Sie nun gewiß bey ihrem
Heyland einen nach den andern . Ihre Seele ruhet nun aus in Gottes Hand von aller
Arbeit / die Sie in dieser Welt gehabt . Unsere Pfingsten zieret man mit Meyen /
Ihre wird Gott mit Palmen schmücken / die Sie mit andern Außerwehlten träget ; So
wird Ihre Seele im Himmel geehret . Ihr erblaßter Leichnam aber hat auch nicht
ohne Ehre der Erden müssen anvertrauet werden . Indem M. H. A. denselben mit
ihrem Geleite beehren wollen . Doch hat sich die traurende Freundschafft dieser
Ehre billig mit angenommen / und läst davor durch mich gebührenden Danck
abstatten ; Mit dieser Versicherung / daß solche Ehre und Gewogenheit von ihnen
alsdenn erst soll vergessen werden / wenn Sie keine Pfingsten mehr auf Erden
feyren . Indessen wünsche ich nebst ihnen / daß M. H. A. in diesem und folgenden
Jahre hier in der Zeit und nachgehends in Ewigkeit fröliche Feyer-Tage halten
mögen .
Die Aelteste der Stadt in neuer Jugend / nemlich Die Seel . ( T. T. )
Frau Ilsa Latharina Deneken / gebohrne Schirmerin / Seel . Herrn Johann Deneken
/
Weiland Probsten des Marienbergischen Closters vor Helmstedt / und Canonici
des Stiffts S. Cyriaci in Braunschweig. d. 18. Junii Anno 1702 .
EIne gottselige Matrone / welche man anno 1608 . in die Wiegen geleget / hat erst
anno 1702 sich ins Sarck und Grab müssen lassen niederlegen . Was kom̃t denn vor eine Zahl der Lebens-Jahre heraus ? Vier und neuntzig /
und also beynahe ein gantzes seculum . Mose wo bleibt dein calculus ? Unser Leben
wäret 70 Jahr und wenns hoch kom̃t / so sinds 80 Jahr / hier sind
nicht 70 / nicht 80 / sondern / wie schon gesaget / 94 Jahr . Von wem rede ich
dann ? Von der weiland Wol-Edlen / Hoch-Ehr- und Tugend-begabten Frauen /
Frauen Ilsa Catharina Deneken /
gebohrner Schirmerin / des weiland Hochwürdigen / Vest- und Hochgelahrten Herrn
/ Herrn Johann Deneken / des Hochlöbl . Igfr. Convents hiesigen Marienbergischen
Closters Treuverdienten Probsten auch Canonici des Stiffts S. Cyriaci in
Braunschweig / nachgelassener Witwen . Diese ists / welche Gott mit so vielen
Jahren gesättiget . Gewiß hier findet sich etwas merckwürdiges und seltsahmes /
wovon man unter so viel 100000 nicht ein eintziges Exempel findet . Wie gar
selten begibt sichs wol / daß eine 90jährige Mutter den Tod eines 68jährigen
Sohns beweinet / wie diese gethan / und von einem 71jährigen Sohn erst in Ihrem
94sten Jahr beweinet wird / wie dieser wiederfähret . In einigen Insuln der neuen
Welt mügte es seyn / daß die meisten Leute wegen der gesunden Lufft 100 Jahr alt
werden ; Bey uns haben wir zwar auch Gott für andern für gesunde Lufft zu dancken
/ aber so lange zu leben / ist dennoch keine Mode / und also um destomehr
zuverwundern / daß Die Seel. Fr. Pröbstinn dieses voraus gehabt / 94 Jahr
zuerreichen / und die älteste in dieser Stadt zu werden . Doch ob Sie gleich 94
Jahr gelebet / ob Sie gleich die Aelteste worden / so haben dennoch Ihre Jahre
endlich ein Ende nehmen müssen . Auf der Totenbahre / welche vor etwa 2 Stunden
vor M. H. A. hergetragen wurde / war Ihr erblaßter Leichnam / welcher nunmehro
die Erde / weil er Erdewar / wieder in ihrem Schooß genommen . Bey diesem
Begräbniß fält mir die Frage des Nicodemi ein / welcher in dem Evangelio des
Trinitatis-Festes / als in dessen erfolgter Nacht
die Seel. Fr. Pröbstinne gestorben :
Kan auch ein Mensch von neuen gebohren werden / wenn Er alt ist ; Und getraue mir
dieselbe mit Ihrem Exempel zu bejahen . Denn diese ist in Ihrem hohen Alter
wieder jung geworden / und gewiß ich sehe die Aelteste der Stadt in neuer Jugend
an . Was man von dem so genanten Vogel Phoenix berichtet oder tichtet / daß
derselbe / nachdem Er auf einen von ihm selbst zusammen getragenen und von der
Sonnenstrahlen angezündeten Scheider-Hauffen verbrand / aus der Aschen gantz
jung wieder hervorgehe / hat längst zu einem Siñbilde Anlaß
gegeben / und diese Beyschrifft verdienet : Mihi cunae rogus ;
Dieses Holtz / da ich muß brennen / Kan ich meine Wiegen nennen .
Ich mögte diese Worte wol etwas verändert auf das Grab der Seel. Fr. Pröbstinn
setzen : Mihi cunae tumulus ;
Ich muß im Grabe liegen / Doch hier sind meine Wiegen .
Oder soll ich mit David reden / so mag ich sagen : Sie sey nun wieder jung worden
wie ein Adler / und könte denn auch hieher sich schicken der die alten Federn
abwerffende Adler / welchen man vormahls in das castrum doloris des Philippi
IVti mahlete / mit der Beyschrifft : Abjecisse juvat , oder ut juvenescam .
Trauen die Seel Fr. Pröbstinn hat es in Ihrem gantzen Leben so gehalten / daß Sie
offtmahls wieder jung und wie neu gebohren worden . Da Ihre Eltern / deren
Gedächtniß aus jetz-verlesenen Personalien M. H. A. noch im Gedächtniß ist /
diese Ihre Tochter zu dem Bade der
Wiedergebuhrt gebracht ; Hieß es damahls nicht mit allem Recht von Ihr / was
jener bey dem Adler / der sich wieder zuverjüngern in dem Meer zubaden pflegt /
gesetzt : Vetustate relicta ; Sie legte ja den alten Menschen ab / Sie wurde gantz
ein neuer Mensch . So offt Sie durch Ihr gantzes Leben Ihre Wangen mit dem
Buß-Wasser netzte / kunte Sie sagen : Vetustate relicta , hiermit ist das Alte
abgethan . Ja alle Ihre Tugenden würden im̃er junger / ob Sie
gleich an Jahren im̃er aelter würde . Ihre Gottseeligkeit nahm mit
dem Alter zu / und da Sie zu schwach dazu worden / Gott öffentlich zu dienen /
wurde Ihre Andacht daheim desto stärcker . Es fallen mir hiebey ein die Gedancken
eines gelehrten Mannes / welche Er hatte über einen Bienen-Korb / aus welchen
die jungen Bienen ausflogen Honig zusamlen / die Alten aber auch inwendig ihre
Arbeit abwarteten ; Er drückt dieselbe mit diesen Worten aus : At negotium
seniorum intus . War unser Seel . Frau Pröbstinn nicht mehr vergönnet außer ihrem
Hause das susse Honig des Göttl . Worts einzusamlen / so war Sie doch daheim
damit beschäfftiget . Was das Ohr nicht mehr vermochte / das ersetzeten die Augen
/ Mund und Hertze / da Sie GOTT mit Lesen / Behten und Seufftzen dienete . Und
von ihrer Geduld mag ich wol sagen / daß dieselbe mit dem Alter jünger worden .
Anderer Ubungen der Geduld zu geschweigen / so forderte freylich Geduld ihr
Wäysen-Stand / da Sie in einem Jahre Vatter und Mutter verlohren ; Der
Wittwen-Stand / darinn Sie im hohen Alter durch Verlust ihres lieben Ehe-Herrn
gerahten / und das hohe Alter selbst muß ja wol eine schola patientiae genennet
werden . Laß seyn / daß ein Georgius Leontinus , da er im 107den Jahre seines
Al-
ters gefraget worden :
warum er sich freue / so lange im Leben zu bleiben ? zur Antwort geben können :
Quia nihil habeo , quod accusem senectutem ; darum gefällt mir das lange Leben /
weil ich nichts über das Alter zu klagen finde . So sind doch deren sehr viel
tausend andere / die alle über das beschwerliche und kranckheits-volle Alter
klagen / zumahl jetzo / da die Welt selbst alt und kranck / und es mit ihr auf
die Neige kommen ist . Laß seyn / daß unsere seel. Fr. Pröbstinn von GOTT auch in
ihrem Alter so getragen worden / daß / da es sonst heißt : senes bis pueri , ihr
Verstand biß ans Ende gut geblieben / ihre Leibes-Schwachheit erträglich / und
ihre Kräffte biß auf einige Monat vor ihrem Tode über ihr Alter sonderlich ; So
daß man wol sagen könne : Sie sey nicht eben an Kranckheit / sondern am langen
Leben gestorben ; so bleibets doch wol dabey / daß nach Aristotelis Ausspruch das
Alter an sich selbst eine natürliche Kranckheit sey /
und also viel Ungemach mit sich führe . Hier war nun / wie schon gesagt / die
Geduld der seel. Fr. Pröbstinn immer jung und muhtig / und erwartete der
frölichen Stunde / da Sie solte von der so lang getragenen Last entladen werden .
Und siehe / dieses geschahe an dem Morgen des 12. Junii , diß war der Morgen / an
welchem es mit der ältesten Person in dieser Stadt Abend worden . Ich zweiffle
sehr daran / ob jemand diesen Tod schmertzlich empfinden und darüber trauren
werde . Diß möchten wir betrauren / daß / da bißher nun nach einander so vieler
frommer Wittwen Seufftzer und Gebeht vor diese Stadt uns entzogen worden / wir
auch künfftig derer entbehren müssen / welche die seel. Fr. Pröbstinn zu
GOtt abgeschicket / wie ich denn
dieselbe / so schwach Sie endlich geworden / dennoch mit ihrem Gebeht vor eine
Stütze der Wolfahrt dieser Stadt gehalten . Uber Sie zu trauren wäre unbesonnen /
denn der Tod war Ihr nicht herbe und bitter ; Es heißt ja nach des Heyden
Varronis Ausspruch : Matura anima facile corticem corporeum relinquit ; Wenn die
Seele im Leibe reiff ist / so kan sie die Schale des Leibes leicht verlassen . Ja
ich bleibe noch dabey / was ich schon oben gesagt / und sehe die Aelteste der
Stadt in neuer Jugend an ; Sie kan sagen : Mihi cunae tumulus ; Sie kan sagen :
Abjecisse juvat . Denn nachdem Sie nunmehr die alte gebrechliche Hütte abgeleget
/ ist Sie wieder jung worden / und fänget schon der Seelen nach ein neues Alter
an / dabey Sie nicht alt werden / sondern in steter Jugend vor GOTT seyn / und
in steter Blühte bleiben / und solche Krafft empfangen solle / welche sich nicht
mit 94. nicht mit etlichen tausend Jahren / sondern mit der Ewigkeit endigen
wird . An dem Tage der allgemeinen Wiedergebuhrt wird auch der nunmehr zur
Verwesung eingescharrete Leib neu gebohren werden / und wieder jung werden wie
ein Adler . Hier wird denn eintreffen / was jener zu dem zu Pulver gemachten bald
aber wieder zu seinem vorigen Wesen gebrachten Quecksilber schriebe : Redivivus è
pulvere ;
Erst werde ich zu Staub gemacht / Und denn ins Leben wiederbracht .
Indessen hat dieser Staub wol verdienet / daß man Ihm zu Ehren Flor und
Trauer-Mantel angethan / und M. H. A. bezeugen mit ihrer Gegenwart und
geschehener Leich-Be-
gleitung /
daß Sie wol wissen das Alter zu ehren . Die leydtragende Angehörige aber bezeugen
gar gerne / daß Sie solche Freundschafft und hohe Gunst noch nicht verdienet /
und finden sich um destomehr verbunden gehorsamen Danck durch meine Wenigkeit
davor abzustatten / auch bey allen / es seyn Freuden- oder Trauer-Tage / welche
letztere GOTT wolle lassen ferne seyn / zu angenehmen Dienst-Bezeigungen sich
willigst finden zu lassen . Ihr und mein angehängter Wunsch soll dieser seyn :
GOTT lasse Sie alt werden / im Alter aber nicht alt seyn / und im Tode eine neue
Jugend finden .
Der Sarck das beste Haußgerähte Der Seel . Frau Agnesen Druden / gebohrner
Oeppichen / Seel . Herrn Caspar Druden Nachgelassener Wittwen / Der Tag der
Beerdigung war der 23. Junii Anno 1702 .
WIl es doch fast das Ansehen gewinnen / als hätten die Wittwen dieser Stadt sich
mit einander verglichen / nicht länger in der Welt zu bleiben . Binnen 11. Wochen
sind ja derselben 16. gestorben ; Daß nur
nicht ein Unglück uns über dem Haupt schwebe / welchem diese
Marter-Höltzer aus dem Wege gehen ! Traun / wenn jener Bischoff zu Marsilien /
Salvianus genant / die Warheit geschrieben / wie nicht leicht jemand streiten
wird / wenn er schreibet : Fromme Wittwen sind insgemein die Salveguarden , die
GOtt in die Städte leget / und die sich mit ihrem Gebeht zur Mauer machen / und
vor den Riß treten / um derer willen GOtt offt unser schonet / und durch die wir
offt eines geruhigen Lebens zu geniessen haben ; So haben wir denn an diesen 16.
ein Grosses verlohren / und wol Ursach dem lieben GOtt in die Ruhte zu fallen .
Zwar die Welt macht kein groß Wesen über arme und verlassene Wittwen / sie
siehet dieselbe kaum über die Schulter an / sie leben ihnen viel zu lange / und
ihre Thränen sind ihnen so ungelegen als die Regen-Tropffen bey feuchten
Herbst-Wetter ; Was Wunder denn / daß sie wünschen je eher je lieber aus der Welt
zu kommen ? Unter die Zahl derer / so dieses gewünschet / zehle ich billig die
weyland Viel-Ehr- und Tugendsahme Frau / Frau Agnesa Druden / gebohrne Oeppichen
/ Seel Herrn Caspar Drudens nachgelassene Wittwe . Diese hat sonder zweiffel
schon vor 20 Jahren Ihren Zustand so befunden / daß Sie gedacht / es wäre hohe
Zeit / daß Sie stürbe . Denn so lang ist es / daß Sie / wie ich glaubwürdig
berichtet bin / Ihr den Sarck verfertigen lassen / in welchen Ihr gantz
ausgemergelter Cörper vor uns hin zu Grabe getragen worden . Zu Neapolis sollen
sich in der Kirchen S. Mariae Maj. in der Grabschrifft Johannis Joviani Pontani
diese Worte finden : Vivus domum hanc mihi paravi , qua quie-
scerem mortuus , dieses Haus
habe ich mir gebauet da ich lebendig war / damit ich darinn ruhen möchte / wenn
ich gestorben . Der Sarck der Seel. Fr. Drnden / davon ich jetzt gesaget / hätte
diese Aufschrifft wol verdienet . Ich habe auch hiebey meine Gedancken an das
kleine Gehäuse / welches Ihm der Seiden-Wurm / wenn Er ausgesponnen / selbsten
zu bereiten pflegt / sich darein zubegraben . Dieses möchte ich wol der Seel. Fr.
Drudinnen auf Ihren so frühverfertigten Sarck zum Denckmahl setzen / mit diesen
Beyworten : Suppellex optima , das beste Hausgeraht . Denn wenn ichs recht bedencke
/ so muß ich sagen / daß Ihr Sarck dennoch endlich Ihr nützlichstes / Ihr bestes
Hausgeraht geworden . Ob wir zwar in der Welt keine bleibende Stätte haben / so
müssen wir doch / so lang wir leben / und in derselben bleiben / eine Hütte und
Dach haben / darunter wir uns verbergen ; nachdem nun einer glücklich / nachdem
ist auch die Hütte schlecht oder zierlich / klein oder groß . So schlecht / so
klein sie aber ist / so muß doch Hausgeraht darinnen seyn / ohne was kan man
sich nicht behelffen . Unsere Seel . Verstorbene / wie Sie auch wol darauf gesehen
/ daß Sie Ihre irrdische Wohnung mit guten Hausgeraht versehen möchte / so
erinnerte Sie sich zugleich dabey / daß Sie Ihre Seele auch schon längst / und
zwar nunmehro vor 60 Jahren in der H. Tauffe der Dreyfaltigkeit zum Hause und
Wohnung hatte eingegeben ; War deswegen auch stets darauf bedacht / daß es auch
in derselben an guten Hausgeraht nicht fehlete / drum schmückte Sie dieselbige
aus mit Glauben / mit Liebe / mit Hoffnung / als von welchen Sie wuste / daß Sie
GOtt die angenehmsten meu-
blen
wären . Sie schaffte in dieses Haus durch fleißige Betrachtung des Göttl . Worts /
die Erkentniß Ihres Erlösers ; Gewiß ein Hausgeraht / welches Ihr in ihrem
Tod-Bette wol zustatten kam ; Den Zieraht der herrlichen Christen-Tugenden / als
welchem Sie sich freylich Ihren Nahmen gemäß als eine rechte Agnesa , ein rechtes
Schäflein Christi / aufgeführet ; Da Sie wie ein Schäflein friedlich / nutzbahr
und geduldig gewesen ; Ja wie wol Sie sich dieses Hausrahts der Geduld bedienen
müssen / wird denen bekandt seyn / welche besser wissen als ich / wie viel Ihr
in Ihren ohne dem so traurigen Wittwenstande die böse Welt und die Unart
gewisser Leute in den Weg gelegt . So daß ich wol unter Ihr brauchbahres
Hausgeraht Ihre Thränen zehlen mag / nicht nur die Buß-Thränen / sondern auch
die / welchedas mannigfaltige Creutz und insonderheit die schmertzliche
Kranckheit heraus gepresset . Daher Sie denn wol Uhrsach gehabt an ein solches
Hausgeraht zu dencken / dessen Sie sich nicht eher / als wenn Sie todt /
gebrauchen könte . Ein solches Hausgeraht / welches Ihr zum letzten Hause / zur
letzten Wohnung werden solte / der Todten-Sarck . Ein Anhältischer Fürst soll
nach Anmerckung eines belesenen Mannes anno 1560 . einer jungen Gräffinn zu
Meißen ein Gemählde geschencket haben / darauf ein Sarck gestanden / und um
denselben Hirnschedel / Knochen-Schauffeln nebst allerhand schönen Sprüchen / um
dieselbe zu stetigen Todes-Gedancken zuveranlassen . Die Seel. Fr. Druden hat
sich selbst mit dem Anlaß zu solchen Gedancken beschencket / da Sie nicht nur 5
Jahr wie Keyser Maximilianus , nicht nur 10 Jahr wie jene vornehme Matron in
Dreßden / sondern 20 Jahr Ihren eige-
nen Sarck bereitet gehabt . O mit was vor Seufftzen nach einen sehligen
Ende mag Sie offtmahls diß Hausgeraht haben angesehen ? und siehe / am
vergangenen Junii ist Ihr Seuftzen erfüllet / und diß Hausgeraht zu Ihren Hause
worden . Denn diß war der Tag / da Ihr Lebens-Licht im Mittage unterging . Wolte
jemand Thränen über diesen Tod vergiessen / so möchten es diejenigen thun /
welchen ihr Gewissen sagt / daß Sie der Seel . Frauen in Ihrem Leben viel Thränen
heraus gelocket ; Sonst wil Ihre jetzige Glückseeligkeit keine Thränen leyden .
Denn ich bleibe dabey / was ich obgesagt / und setze auf Ihren Sarck ; Suppellex
optima , das beste Hausgeraht . Ja wol das beste Hausgeraht ; Zu Lyon in
Franckreich soll ein Asylum oder sichere Wohnung seyn / darinn man vor allen
Uberfall sicher ist / über dessen Thür die Worte stehen ; Hac itur ad
securitatem , hier gehet man zur Sicherheit . Man möchte dieses wol mit mehren
Recht auf den Sarck der Seel. Fr. Druden setzen : Hac itur ad securitatem , hier
gehet man zur Sicherheit . Das von vieler Sorge und Bekümmerniß ermüdete Hertz /
die durch viele Arbeit und Angst abgemattete Glieder ruhen nun hier aus ; und
Ihre Seele hat nun ohne zweiffel ein Haus gefunden / welches nicht zuverbessern
Jene Agnesa eine adeliche Matron , deren der bekandte Adami gedencket / hat
offtermahls zusagen pflegen : Ich fürchte mich vor dem Tode gar nicht / mein HErr
JEsus wird mir wol helffen überwinden / ich wil mich wie die Vögel zur Zeit des
Ungewitters in die hole Seite meines JEsu verbergen / da werde ich wolsicher
seyn .
Diese unsere Agnesa hat es eben
so gemacht / denn wie sie wenig Stunden vor Ihren Ende in Ihrer Angst seufzete :
Wo soll ich fliehen hin / wo soll ich hin / und ich Ihr auch die Wunden JEsu
anwiese / durch welche Ihre Seele solte in den Himmel gehen ; O wie gefiel Ihr
dieser Vorschlag ! Und wer will zweiffeln / daß derselbe wolgelungen / und da Ihr
Leib im Sarg / Ihre Seele nun in dem Himmel wohne . Denen Leidtragenden aber
macht dieses einen Trost und Muht / daß M. H. A. sich durch die späte Nacht
nicht lassen abhalten / Ihrer Seel . Mutter und Schwester Leichbegängniß mit
Ihrer angenehmen Gegenwart zu zieren / und sich nicht eher zur Ruhe zulegen /
biß Sie dieselbe zu Ihrer Ruhestätt begleitet haben . Sie können davor jetzo
nichts als Worte geben / und durch meinen Mund vor diese Liebe und Gunst sich
dienstlich bedancken : Wird ihnen aber nichts angelegeners seyn / als solchen
ihren Danck bey allen Begebenheiten in der That zuerweisen .
Das paar Schuh / so der Tod gegeben Dem Seel .
Hrn. Heinrich Julius Reichewald / Wolbenahmten Bürger und Schuhmachern / auch
Kirchen-Vorstehern der Kirchen S. Stephani und Walpurgis d. 19. Novembr . Anno
1702 .
ICh werde wol der Warheit kein Leyd anthun / wenn ich dieses Trauer-Haus
bezeichne mit den Worten / welche jener über ein Lazareth geschrieben : Hic
calamitas domi est ; In diesem Hause ist das Unglück zu Hause . Denn ist wol
jemand unter den Frembden und Einheimischen dieses Orts / der nicht wisse das
grosse Haus-Creutz / welches nun bey die 28 Jahr her dieses Haus und dessen
Einwohner unglückseelig gemacht / durch solche Unglückseelige / welche ihr
Unglück tragen / aber selbst nichts davon wissen / noch davon reden können ;
leben / als lebten sie nicht ; Menschen sind / und doch nichts Menschliches als
die Gestalt von sich spühren lassen . Deutlicher mag ich nicht reden von dem /
was deutlich bekandt . Doch diß Unglück / welches noch nie alleine gewesen / hat
sich jetzo mit noch viel grösserm Unglück verpaaret / indem der jenige /
welcher solches größten theils
ertragen müssen / nunmehr erblasset / diß unglückseelige Haus verlassen / und
andern die Last allein auf dem Halse gelassen . Ich rede / wie Sie alle wissen /
von dem weyland Wol-Ehrenvesten und Achtbahren Herrn Heinrich Julius Reichewald
/ gewesenen wolbekandten Bürger und Schuhmachern alhier / auch Kirchen
Vorstehern zu S. Stephani und Walpurgis , dieser war es / dessen entseelter
Cörper in ein enges Haus eingesperret / und vor wenig Stunden aus diesem
unglückseeligen Hause herausgetragen worden. M. H. A. haben jetzt gehöret / wie
dessen rühmlich in unserm Gottes-Hause gedacht worden ; Sie haben seiner aber so
gar noch nicht vergessen / daß Sie vielmehr auch in diesem unsaubern Wetter
ihnen die Mühe nicht verdriessen lassen in dieses Unglücks-Haus wieder
einzukehren / um nochmahls das Andencken des Seel . Herrn Reichewalds aus einer
schlechten Trauer-Rede anzuhören . Es wird mir aber verhoffentlich nicht verarget
werden / wenn ich / da die Tage kurtz / auch kurtz in Worten bin / und meine
Gedancken auf die Handthierung des Seelig-Verstorbenen richtend Ihnen vorlege
das paar Schuh / welches Ihm der Tod gegeben . Die Redens-Art ist bekandt / daß
wenn jemand zugedacht / daß Er einen Dienst oder Ort verlassen soll / man zu
sagen pflege / Ihm sey ein paar Schuh zugeschnitten / und wenn Er gar davon muß
/ Ihm sey ein paar Schuh gegeben . Traun in der Welt ist ein solcher Ort / wo
unsers bleibens nicht lange ist . Auf unsern Eingang in dieselbe folget nichts
gewissers als der Ausgang aus derselben . Und mag ich denn wol sagen / der Tod
habe uns schon von
der Wiegen an ein
paar Schuh zugeschnitten / die gibt Er uns / wenn man keine Schuh mehr braucht /
wenn man uns ins Sarck leget und unter die Erde bringet . Dessen wuste sich der
Seel . Herr Reichewald auch wol zubescheiden / drum waren seine Sachen allezeit
darnach angestellt / daß Er diß paar Schuh zu seinen grossen Vortheil von dem
Tode anzunehmen allezeit geschickt seyn könte . Geschickt war Er dazu / da Er
Christo in der H. Tauffe von seinen Seel . Eltern war zugebracht / geschickt / da
Er noch in den Kinder-Schuhen zur Gottesfurcht und allen anständigen guten
Sitten geführet worden . Und nachdem Er nun die Kinder-Schuh vertreten / und
seine Wolfahrt auf einem güldenen Boden setzen wolte / erwehlte Er Ihm ein
Handwerck / und zwar vor allen andern dasjenige / welches mit Schuhen
zuzuschneiden und zu verfertigen beschäfftiget ist . Vielleicht gefiel Ihm besser
zu anderer Leute Dienst Schuh zubereiten / als zuzerreissen / wie sein Seel .
Vater vermöge seines Beruffs thun müssen . Doch hat Er / um die Kunst Schuh
zumachen recht zu erlernen in seiner 8. Jährigen Wanderschafft noch viel Schuh
zerrissen / und manchen sauren Weg thun müssen / biß Er endlich vor 39 Jahren in
seiner Kunst Meister und bald darauf ein Ehmann worden . Seit dem hat Er nicht
nur nach Maaß und Leisten seine Schuh verfertiget / sondern auch sein
Christenthum und seinen gantzen Wandel nach der Maaß und richtigen Form des
Wortes Gottes eingerichtet . Solte ich hievon ein Bild aus seiner Werckstädt
nehmen / so müste es eine Schuh - maaß und Leiste seyn mit der Beyschrifft : Nec
citra nec ultra oder so ; hier-
nach richt ich mich . Gebraucht der Schuster Maaß und Leiste nicht / so
wird der Schuh entweder zu lang oder zu kurtz / zu enge oder zu weit / und
passet dem nicht / der Ihn haben soll : So gehets mit dem Christenthum und unsern
Wandel / setzet man die richtige Maaß und Norm des Worts GOttes beyseit / so
ists verdorben und hat keine Art . Da sich aber unser Seel . hiernach richtete /
so war Er richtig in seinem Gottes-Dienst / richtig in seiner Hausandacht /
richtig in seinem Glauben und Aufrichtigkeit gegen dem Nechsten . Denn Er litte
in seiner Werckstadt nicht übermässigen noch so genandten Verlag an den Schuhen
/ da das Putz Holtz und die Farben es macht / daß es äusserlich scheinet / als
wären es volle Sohlen und sind doch meist Flicken / bey welchen man wol setzen
möchte : Externa tantum , Sie gläntzen schön von aussen / und so sahe Er alle
Heuchler und falsche Leute an / welche ihre Worte auswendig putzen und schmücken
mit dem Schein des Rechtens / und sind doch von lauter Schalckheit und Betrug
zusammen gesetzet . Denen wiedersetzte Er sich aufs hefftigste / wie wol zu
seinen Schaden / denn es ging Ihm dabey wie einem Schuh / bey welchen man diese
Worte schreiben möchte : Terendo teritur ,
Er wil den Koht betreten / Und wird selbst abgetreten .
Denn über dem schon obgedachten grossen Haus-Creutz ist ja bekandt / was Ihm hie
und da vor Verdruß und Hertzeleyd gemacht ; Doch was war hiebey zuthun / Geduld
war das beste Mittel / der Dreck muß dennoch dem Schuh weichen / ob gleich der
Schuh davon : Schaden nim̃t . Un-
ser Seel . Herr Reichewald behielt deñoch
Recht / ob Er gleich wie die Personalien anzeigen / über dem Verdruß Schaden an
Seiner Gesundheit genommen . Und siehe der schlim̃e Schuster der
Tod wuste sich dessen treflich zubedienen / hier war Er fertig das schon vor 54
Jahr zugeschnittene paar Schuh Ihm zugeben und anzupassen / die dem Seel .
zugestossene und durch keinen menschlichen Fleiß und Hülffe zuhebende Kranckheit
muste Ihm hierinn behülflich seyn / als welche Ihm endlich das Garaus machte . So
hat Ihm der Tod ein paar Schuh gegeben / damit Er aus der Welt wandern müssen .
Wie empfindlich dieser Abschied der betrübten Wittwen und hinterlassenen Herrn
Söhnen / ist leicht zu ermessen : Trauen einen sorgfältigen / treuen Ehegatten /
dessen man zu Tragung der schweren Creutzes-Last nicht entbehren können /
dennoch entbehren müssen ; Eines liebreichen Vaters / dessen Vorsorge man eines
Theils noch nicht entbehren können / deñoch entbehren müssen /
das muß Thränen und Seufftzer veruhrsachen . Hier treten billig bey seine
Collegen , seine guten Freunde / welche einen treuen Gehülffen so ungern missen /
ja die gantze Bürgerschafft beklagets / daß einer von den Aufrichtigsten nun
dahin ; Doch wenn wir diß paar Schuh recht ansehen / so möchten wir wol dabey
setzen die Worte / welche weyland in dem Schilde eines grossen Cardinals bey
einem darinnen gemahlten Schuh gestanden : Nulla retrorsum , verstehe vestigia
ponit :
Mir ist recht wol geschehen / Ich mag nicht rückwerts gehen .
Ja wol ist Dir wol geschehen / ô seeliger Reichewaldt / denn zu dieser bösen Zeit
ist ja der glücklicher / welcher nach einem seeligen Tode die Erde trägt / als
welchen bey mühseeligen Leben die Erde trägt . In weltl. und geistl. Geschichten
lieset man Nachricht von glücklichen Schustern ; So war Iphicrates eines
Schusters Sohn / ward aber ein glücklicher Feld-Herr . Alphenus Varus , ein
Schuster aus Cremona , wurde Burgermeister zu Rom unter Sulpitio Severo : Arrianus
ein Schuster wurde nachgehends Bischoff zu Alexandria . Urbanus und Johannes XVII
beyde Schusters / Söhne kamen beyde auf dem Päbstlichen Stuhl . Unser Seel . Herr
Reichewaldt muß billig unter die glückl . Schuster jetzo gerechnet werden ; Deñ ob Ihm gleich der Tod nun ein paar Schuh gegeben / so darff ich
wol von dem Tode sagen : Ne sutor ultra crepidam , kom̃ nicht über
deinen Leisten / den Leib machst du nehmen / und in der Erden aufheben biß an
den jüngsten Tag / der Seele hast du den Engeln nicht nehmen können / sondern
Ihnen dieselbe müssen lassen Sie zutragen in Abrahams Schooß . So soll denn unser
Seeliger nicht mehr mit Thränen sondern mit Glückwünschen zu einer erlangten
Ehre in Himmel beehret werden . Daß aber M. H. A. auch seinen entfeelten Cörper
mit Ihrer Gegenwart und ansehnlichen Leich-gefolge beehren wollen / solches
nehmen die hinterbliebene Leydtragende als ein Zeichen unverdienter Gewogenheit
gegen sich und den Verstorbenen an mit schuldiger Erkentlichkeit / lassen auch
davor allerseits gebührenden Danck durch meine Wenigkeit abstatten ; Und obs
gleich am . Vermögen fehlen möchte / soll es doch an guten Willen
nimmer fehlen / Ihnen / doch lieber
im Freuden- als Trauer-Hause alle geflissenste Gegen-Dienste zuerweisen / dabey
wünschen Sie mit mir / daß Sie / ehe ihnen der Tod ein paar Schuh gebe / nach
Gottes-Willen in Gesundheit und Vergnügen noch viel paar Schuh zerreissen
mögen .
Der nicht erlangte auch nicht verlangte Anstands-Brieff Seel . ( T. T. )
Hrn. Heinrich Joachim Hünefelds L. L. Studiosi ,
Herrn Julius Johann Hünefelds Wolverdienten Rahts-Cämmerers Aeltesten
Sohns
Dessen volckreiche Leichbegleitung war den 3. Martii 1703 .
ALs vormahlen dem Antigono die Post gebracht worden / sein Sohn der Alcioneus
wäre todt / soll Er nicht das geringste Zeichen einiger Traurigkeit von sich
haben mercken lassen / sondern nur gesagt haben : O Alcioneu , du bist später
gestorben als du hättest sterben sollen . Man nimt dieses insgemein an als ein
Zeichen einer fast-unnatürlichen zum wenigsten gar nicht väterlichen
Unempfindlichkeit . Wie aber / weñ jetzo der hier bey uns stehende
Leydtragende Vater / der Edle / Großachtbahre Herr Julius Johann Hünefeld / bey
hiesiger löbl . Stadt Helmstedt Treu-Verdienter Rahts-Cämmerer eben solche Worte
als Dolmetscher seines enipfindlichen Schmertzens von sich vernehmen liesse ; Ach
wie wenn Er dem vor wenig Stunden ins Grab gesenckten Sohn / dem weiland Edlen-
und Wolgelahrten Herrn Henrico Joachimo Hünefeld / beyder Rechten Studioso
nochmahls nachrieffe : O mein Sohn / du bist später gestorben als du hättest
sterben sollen ! möchte Er wol das höchste Recht dazu haben . Denn ob gleich
dieser herbe Schmertz Ihn noch viel zu frühe zu überfallen scheinet / so ist Er
darum desto empfindlicher / daß Er zu späte kom̃t ; Ich will sagen :
Wäre der Seel . etliche Jahr eher dem Tode zu Theil worden / so hätte Er seit dem
nicht so viel Freude durch Sein Wolverhalten / nicht so nahe Hoffnung zu
künfftiger Ehre / und folglich nicht so viel Traurigkeit durch Sein Absterben
veranlassen mögen . Gewiß / ich halte es vor ein recht trauriges Verhängniß über
mich zu seyn / daß ich eben in dem Hause
zum zweyten mahl eine Trauer-Rede halten soll / in welchem mich
GOtt durch den ersten Ruff zu meinem Ampte vor wenig Jahren erfreuen wollen . Ein
Jahr und 8 Wochen sind es / da ich bey der Beerdigung des Jüngsten Sohns den
geänderten Todten-Zettul vorgezeiget / nun habe ich schon wieder dencken müssen
/ mit was vor Erfindung ich den ältesten Sohn ( o traurige Arbeit / welche mir
wird aufgeleget ) parentiren möchte . Das auf dieser Leichbegräbniß aufgesetzte
Programma und jetzt verlesene Personalien melden / daß der Seel . Willens gewesen
eine Disputationem Juridicam de literis Moratoriis von Anstands-Brieffen
zuhalten / auch solche bereits zur censur dem dazu erkohrnen Hr. Praesidi
eingehändiget . Wenn ich nun hiebey einige Umstände gegenwärtigen Trauerfals
halte / so ist die Erfindung da / hoffe auch keine Fehlbitte zuthun / wenn ich
von M. H. A. eine kleine Geduld erbitte Ihnen zeigen zulassen den nicht
erlangten auch nicht verlangten Anstands-Brieff . Sie stellen Ihnen aber auch
hierbey ohnschwer vor Augen die jetztgedachte Disputation , wie Sie von den
Händen des Seeligen zusammen gewickelt worden / mit der Beyschrifft : Theoria
sine praxi :
Ich konte gut und recht von Anstands-Brieffen schreiben / Doch mocht ich selber
nicht jemand was schuldig bleiben .
Anstands-Brieffe sind / wie bekandt / gewisse von hoher Obrigkeit ertheilete
Gnaden-Brieffe / krafft welchen ein Schuldener / so durch unversehene
Unglücks-Fällezurück kommen / daß Er seine creditores ohne gäntzl . ruin nicht
be-
friedigen könne / auf
Frist etlicher Jahre zur Bezahlung nicht darff angestrenget werden . Ich wolte
wol sagen / der Seel . Herr Hünefeld habe eines solchen Asyli creditorum , eines
solchen Anstand-Brieffes nicht bedurfft ! Denn ob Er gleich / da Er vor nunmehro
25 Jahren diese Welt nur erblicket / so fort eine Erbschuld mitgebracht / so
fand Er doch bald darauf in der H. Tauffe einen Bürgen / welcher Krafft des
daselbst geschlossenen Contracts solche Schuld zu zahlen übernommen / auch
wircklich bezahlet hatte . Laß seyn / daß nachgehends auch selbstgemachte
Schulden durch allerhand Fehltritte auf Ihn gehafftet / so waren doch auch diese
in dem Tauff-contract mit einbedungen / und durffte Er nur seine Schulden an
seinen Fidejussorem in Buß und Glauben weisen / so hatte Er keine fernere
Ansprach zubefürchten / vielmehr war unter Sein Sünden-Register mit Christi
Bluht gezeichnet : Richtig bezahlet . Ubrigens war Er Seinen lieben Eltern und
Praeceptoribus kindlichen Gehorsam und willige Folge / Seinem Geschwister Liebe
/ seinen Herrn commilitonibus Höffligkeit und wilfährige Freundschafft schuldig
/ diese aber quitiren Ihm verhoffentlich alle miteinander / und bezeugen / daß
Er keinem etwas schuldig blieben . Hier wurde also kein Anstands-Brieff erfodert .
Nechst dem hatte Ihm GOtt ein gutes talentum , ein gutes Capital gegeben /
welches Er wol anlegen und davon vor die Zinse an rechter Zeit und Ort abtragen
solte ; Ich meyne ein vortreffliches ingenium , einen guten Verstand und Vermögen
etwas zu beurtheilen und das Gute von dem Bösen zuunterscheiden . Hievon muste
GOtt sein interesse haben durch danckbahre
Gottesfurcht / Respublica durch Fleiß und unverdrossenes Bemühen
etwas zufassen / damit zu rechter Zeit dem Nechsten könte gedienet werden ; Die
Eltern durch immer mehr und mehr anwachsende Freude und Hoffnung auf künfftiges
Wolseyn ; Hier bedarffs auch keines Anstands / GOTT ist befriediget / und von dem
übrigen bedurffte es auch keines Mahnens und Anstands ; Vielmehr ist diß die
einmündige Rede aller derer / welchen seine Studia und Profectus bekandt / daß
Er Kopff / Unkosten und Zeit wol angelegt und das dic cur hic in seinen
Collegiis und seiner Studier-Stube fleissig vor Augen gehabt . Nun waren denn
sonst noch Schulden übrig / darum Er gemahnet wurde ? Ach ja noch eine schwere
Post / die Schuld der Natur ; Daß ichs deutlicher sage / der Tod / eine Schuld /
die alle Tage / alle Augenblick betaget ist ; Eine Schuld / davor kein lex aus
dem gantzen corpore Juris , keine aequitas ein asylum schaffen kan / sondern es
bleibet bey den debes , bey den vasa collige . Nun wegen dieser Schuld wurde auch
der Seel . durch ein hefftiges Fieber angestrenget / Seine liebe Eltern / und wer
nicht mit Ihnen / hätten gern gesehen / daß Er literas moratorias bey GOTT
gesuchet / schiene auch wol / daß Er selbige aus vielen Uhrsachen erhalten
können : Er war ja seinem creditori gewiß gnug / Er hätte mit Seinem Capital /
wenn es Ihm GOTT länger lassen wollen / dem Ansehen nach noch vielen Nutzen
schaffen mögen . Aber nun ! Er legte Seine Disputation de literis moratoriis
beyseite / und sprach : Rumpe moras :
Weg Anstand / weg Verzug / ich wil nichts schuldig bleiben / Ein ander mag nach
mir von Anstands-Brieffen schreiben .
Und darauf zahlete Er denn auch / wie es GOTT von Ihm fordert / die Schuld willig
ab / den Leib der Erden / die Seele ihrem Schöpffer und Erlöser / da der rieff :
rumpe moras , war seine Antwort : In me mora non erit ulla . Die betrübten Eltern
geben sich hier aber billig auch als creditores an / Sie haben noch viel Freude
von Ihrem Sohn zu fordern . Der Herr Lutherus sagt : Diejenigen Eltern / so ihre
Kinder studiren lassen / die geben GOTT ein Höltzlein / daraus Er einen Herren
schnitzen kan ; Und was für Hoffnung hatten Sie Ihnen nicht von diesem Ihren
Seel . Sohn zu machen / aber ach Sie müssen hier in concursu creditorum nachsehen
/ GOTT und die Erde haben die priorität / Ihnen bleibet nichts als Trauren und
Bekümmerniß übrig . Es ist wol eher ein Sohn ( Ludovicus Comes de Montpensier ) bey
dem Grabe seines Herrn Vaters todt zur Erden niedergefallen / nun heist es aber ;
Amor descendit non ascendit , was wunder / wenn ein trauriger Vater bey dem Grabe
seines so lieben Sohnes niedersincket / was wunder / wenn derselbe sich zum
wenigsten bekümmert / daß der Seel . keine moratorias verlanget noch erlanget .
Allein nach der Hrn. Juristen Ausspruch heist es / contra piam causam moratoriae
non valent . Ich meyne hier sey pia causa , denn nicht etwa ein irrdisches
Gottes-Haus hat Anspruch an dem Seel . gehabt / sondern der Himmel selbst ; GOTT
hatte Ihn Seinen
lieben Eltern
geschencket / oder vielmehr zur Verwahrung eingethan / Sie hatten Ihn denselben
wieder verschrieben / da nun GOTT das Seinige fordert / werden Sie vor Ihn keine
Anstands-Brieffe begehren . Nein Sie werden Ihn vielmehr glückseelig preisen /
daß Er bey Zahlung Seiner Schuld so wol mit dem creditore auskommen ; Glückseelig
preisen / daß Er der Welt entgangen / da Ihm an seiner Wolfahrt so viel morae
und remorae noch können in den Weg geleget werden / glückseelig / daß Er
gestorben / ehe Er noch unter die moratores gerahten / vor denen Er einen
billigen Abscheu hatte ( Sie verstehen es wol wovon ich rede ) ja glückseelig /
daß Er nun den glückseelichen Wechsel getroffen / da Er aus dem ungestühmen Meer
/ da es hieß : Nec mora , nec requies , hier in den sichern Hafen / da Er ans
Paradies gelandet / kommen / da es heist : Hic mora cum requie. M. H. A. haben
jetzo mit ihrer Gegenwart ein untriegliches Merckmahl gegeben / wie wehrt in
ihren Augen die Tugend / wie wehrt die Tugendhaften / wie wehrt insonderheit der
Seel . Verstorbene Herr Hünefeld und dessen Angehörige annoch seyn müssen / da
sie mit dessen Begleitung zu seinem Grabe eine Christl. Liebes-Schuld zu
bezahlen keinen Anstand genommen . Ich nehme dabey in acht / was mir aufgetragen
/ und bezeuge im Nahmen der Hoch-betrübten Eltern und gantzen Freundschafft vor
genommenes Bemühen und dadurch erwiesene Gewogenheit allerseits gebührenden
Danck / verspreche auch / Sie werden solch es mit schuldigen Gegendiensten /
doch ungern im Trauer-Hause / zu ersetzen sine mora beflissen seyn : Wünsche auch
nebst
ihnen : GOTT wolle Ihnen
sämtlich vor allen Unglücks-Fällen moratorias gönnen / und die letzte Schuld zu
bezahlen nach seinem H. Willen noch lange Anstand lassen .
Die vor der Marter-Woche glücklich geendigte Marter-Woche Bey stiller
Beysetzung
Joh. Daniel Heinrich Hornemans S. T.
Herrn Melchior Hornemans Lieb-gewesenen Sohns
Vorgestellet d. 1. April. Anno 1703 .
NOn perit in flore , quod Deo maturuit , was GOTT für reiff annimt / das kommt
nicht in der Blühte um / war die Grabschrifft / welche ehemahl ein vornehmer
Theologus auf den Leichen-Stein seiner beyden Söhne setzete . Ich halte diese
Worte flugs zu Anfangs einer kleinen
Trauer-Rede einem betrübten Vater / dem Wol-Ehren-Vesten und Großachtbahren
Herrn Melchior Hornemann / Treu-verdienten Stadt-Hauptmann und Kirchen-Vorsteher
alhier / einem Mann / darinnen kein Falsch ist / vielleicht nicht zur Unzeit /
vor . Derselbe bethränet jetzo mit seinem gantzen Hause Seinen Johann Daniel
Henrichen , einen Sohn / daran Er schon einige Hoffnungs-Vlühte sahe / einen Sohn
/ an dem Er noch in Seinem Alter gute Tugend-Früchte zuerblicken hoffte / einen
Sohn / den Er lieb hatte ; Diesen soll Er in der Welt nicht wieder sehen / denn
jetzo haben wir seinen Leichnam mit Erde bedecken sehen . Seine Seele hat JEsus
heimgeholet / nachdem Ihn der Tod in der Blühte abgerissen . Wie kan Er aber
anders als dieses gedencken : Non perit in flore , quod Deo maturuit . Doch was
rede ich schon mit dem betrübten Vater / da ich von demselben ersuchet bin / mit
denen zu reden / welche jetzo einen Traur-Gang mit Ihm zu thun sich bemühet
haben . Dieser Gang ist aber etwas lang gewesen / und zweifle ich also nicht /
Sie werdens gerne sehen / wenn ich desto kürtzer rede . Wil mich also in die Zeit
schicken / daß ich kurtz rede / und von der Zeit zu reden Anlaß nehme . Wir haben
heute die Marter-Woche angefangen / so wil ich zeigen die vor der Marter-Woche
von dem Seel . Kinde glücklich geendigte Marter-Woche . So ists ja M. H. A. GOTT
spielet die Passion mit den Seinigen ; Und was ist unser gantzes Leben anders als
eine nur mit wenig Oster-Tagen abwechselnde Marter-Woche . Der erste Tag in
solcher Mar-
ter-Woche ist der
Tag der Gebuhrt / da heist es schon / was Augustinus sagt : l. 21. de Civit . Dei
c. 14. Infans plorando prophetat quodammodo , quid malorum ingressus sit . Ein
Kind Propheceyet mit seinem ersten Ruff und Weinen sein zukünftiges Elend . Der
letzte Tag in demselben ist der Tag des Todes / der den frommen den frölichen
Sabbath und Ruhetag von aller Marter bringet . Von den Tagen aber / so zwischen
diesen ersten und letzten Tage / wirds wol dabey bleiben / was der Heyland
saget : es ist gnug / daß ein jeglicher Tag seine Plage habe . Ein jeder hat seine
Marter-Woche / nur daß dieselbe bey uns Christen auf keine gewisse Jahrs-Zeit
fällt ; Einen ängstet sie im Frühling / den andern im Sommer / einen andern im
Herbst / einen andern im Winter / ich will sagen : Sie trit bey manchem in der
Kindheit ein durch Kranckheit oder sonst kümmerliche Erziehung / bey manchem in
der Jugend / bey manchem im mänlichen Alter / bey manchem im hohen Alter /
keiner aber kom̃t gar vorbey / daher die alten Rabbinen gesaget :
Vae navi , quae sine vectigali abit . Ach der Seel . Knabe ist nur 5 Jahr und 3.
Wochen in dieser Welt gewesen ; Doch hätte ich wol auf sein Sarck ein Creutz
mahlen können / mit der Beyschrifft :
Olim : Vor hatt’ ich in der Welt nur wenig Zeit zu leben / Und muste doch in
Creutz- und Marter-Wochen schweben .
Er hat nur gar zu bald müssen inne werden / was es zu bedeuten gehabt / daß man
Ihn bey Seiner Tauffe mit dem Creutz an der Stirn und Brust bezeichnet . Dieses
nemlich / daß Ihm viel Creutz-
und Marter-Wochen bevorstünden ; Denn ob zwar derselbe / so viel seine
Kindes-Jahre zugelassen / mit seinem Gehorsam / mit seinem Behten / dazu Ihn der
fromme Vater sonder zweiffel angeführet / und andern Stücken / womit sich die
Kindheit pflegt annehmlich zu machen / den Eltern manche Marter-Woche verkürtzet
/ so hat Er doch mit seinen Marter-Wochen auch wieder Marter-Wochen
veruhrsachet . Insonderheit mit der letzten / woran der betrübte Vater ohne
Marter nicht gedencken kan / drum will ich lieber von derselben Ende als Anfang
und Fortgang reden . Unser Marter-Woche war noch vor der Thür und noch nicht
angefangen / da endigte sich schon des Seel . Kindes Marter-Woche durch ein
seeliges Ende . Ich weiß zwar wol / daß dieses der wehrtesten Eltern neue
Marter-Woche / ich weiß wol / daß der leere Vater- und Mutter-Schooß / daß die
erblickte leere Bett- und Tisch-Stellen manche Thränen heraus gelocket . Allein /
was soll diß Marter bringen ? Daß ihres Kindes Marter-Woche nun ein Ende habe !
Die Stellen sind nur verwechselt ; An statt des Vater- und Mutter-Schooß hat ihr
Kind den Schooß Abrahae , seine Ruhe ist in den Armen JEsu / seine Tisch-Stelle
an der Himmels-Taffel . Ich wil noch eins sagen : Bey uns macht der Palm-Sontag
den Anfang zur Marter-Woche / hier aber kehret sichs um / da der Seel . Knabe
seine Marter-Woche geendiget / da gehet sein Palm-Sontag an / Er ist unter
denen ; die weisse Kleider tragen und Palmen in Ihren Händen / so soll deñ unter dem Creutz auf seinen Sarcke stehen ein Palm-Zweig mit der
Beyschrifft : Nunc :
Die Marter-Woch ist aus / das Creutz hat nun ein Ende / Nun gibt mein JEsus mir
die Palmen in die Hände .
Herrlicher Wechsel / der auch billig den schmertzlich betrübten Eltern Ihr Leyd
mit Trost verwechselt / und dieses um desto mehr / da diese wehrte Versamlung an
dem Leyde mit Theil genommen / und Ihrem Seel . Sohn das Geleite nach seinen
Grabe gegeben / daß deren Gutheit nicht mit Verdruß belohnet werde / so komme
ich meiner obgethanen Zusage nach / und rede nichts mehr als daß ich im Nahmen
der leydtragenden Eltern M. H. A. allerseits gebührenden Danck abstatte / und
was ich mit Worten thun / werden Sie in der That doch lieber bey Freudenals
Trauer-Tagen zu leisten keine Gelegenheit versäumen . Sie wünschen indessen : GOTT
wolle Ihnen samt und sonders / weil Sie auch ohne Marter-Wochen nicht seyn
können / erträgliche Marter-Wochen / und auf dieselbe fröliche Oster-Tage aus
Gnaden geben .
Das verrückte Meynacht-Fest in dem seeligen Absterben Der weyland Hoch Edlen /
Hoch-Ehr- und Tugend-begabten Frauen /
Frauen Anna Dorothea Weisin / gebohrner Langenbergin /
Als Dieselbe den 23. Decembr . Anno 1703 .
Bey Hochansehnlichen Leich-Begängniß in der Kirchen S. Stephani eingesencket
worden / Dem Leich-Geleite vorgestellet .
UM diese Jahrs-Zeit solte billig niemand sterben . Denn sterben macht das Hertze
bluhthen / die Augen Thränen vergiessen / den Mund seuftzen und kläglich thun ;
Wie reimet sich das mit den bevorstehenden H. Freuden-Tagen ? Darinn man sich
erinnert / wie ehemahls die Himmel über die Gebuhrt ihres Königes gelachet / und
die Himmels-Bohten lauter Freude verkündiget . Allein der Tod weiß in seinem
Calender von keinen Feyer-Tagen / keine Zeit ist ihm zu heilig / kein Tag so
freudig / wenn
Er etwas findet / das
zum Tode reiff / so feyert Er am Feyer-Tage und gegen die Feyer-Tage nicht sich
seines Rechts zugebrauchen . O daß Er doch aber derer schonen möchte / derer
Arbeit / wenn andere feyren pflegen / am grössesten seyn ! O daß Er die nicht
traurig machte / welche anderen sollen Freude predigen ! Auch hierinn braucht der
Tod nicht den geringsten respect . Wir / die wir dieses Orts zu Haußhaltern
gesetzet sind über Gottes Geheimniß / wünschten unsern GOtt die instehende
Feyer-Tage mit frölichem Munde zu loben / und siehe der Tod will uns fast das
concept verrücken . Indem das Haupt unsers Ministerii , der Hochwürdige /
Hoch-Edle- und Hochgelahrte Herr Fridericus Weise / der H. Schrifft Doctor und
Professor Ordinarius bey dieser. Hochfürstl. Julius-Universität / auch
treu-verdienter Pastor dieser Gemeine und der benachbahrten Kirchen
Superintendens Generalis sein halbes Hertz / Seine treugewesene Ehliebste / die
Hoch-Edle / Hoch Ehr- und Tugend-begabte Frau / Frau Anna Dorothea Weisin /
gebohrne Langenbergin / jetzo zu Ihrer Grufft begleitet ; wer wil denn verdencken
/ daß Er Seine Freuden-Lieder in Klag Lieder verändert . Mein Liebwehrtester Herr
Collega wird gewiß nicht ohne Hertzens-Betrübniß die jetzgehaltene Leich- und
Gedächtniß-Predigt haben abfassen und halten können . Ich meines theils solte
heute geprediget haben : Freuet euch in dem HErrn / und abermahl sage ich /
freuet euch / der HErr ist nahe / und siehe / so muß ich mich selbst unter den
Leydtragenden befinden / und soll M. H. A. noch dazu Danck sagen / daß sie
wollen mit den Traurigen traurig seyn .
Doch ich wil dieses noch ein wenig aussetzen / und wenn Sie noch eine kleine
Weile wollen einem unberedten Redener Gehör geben / darzuthun mich bemühen / daß
bey der Wol Seel. Fr. Doctorinn die Freuden-Tage nicht in Trauer-Tage verwandelt
/ sondern das Weynacht-Fest nur verrücket / und 14 Tage früher als bey uns
eingetreten . Ob sonsten die gegenwärtige Zeit die rechte Zeit / da man
Weynachten feyren müsse / und eben die Nacht auf den 25 Decembr . für 1703 Jahren
die Nacht gewesen / daran der Heyland gebohren / laß ich denen über / welche auf
die Zeit-Rechnung Zeit zu reden haben ; Diß sage ich ; Ist vor wenig Jahren
Weynachten auf 11 Tage verrücket / so hat die Seel . Frau Doctorinn noch 14 Tage
anticipiret / und Ihr Weynachts-Fest den 10 Decembr . im Himmel angefangen . Wie
wenn nun der Herr Witwer ein Denck-Bild dessen / was ich jetzt gesagt / behalten
wolte / dürffte es keiner Mahler-Kunst / gnug wenn Er dazu das Blat vom Decembr .
Monat aus dem Calender nehme / und bey den 10 Tag desselben schriebe :
Anticipando Weynachten :
Hier trat Weynachten ein : Zufrüh ! So mich betrübet / Doch nicht zu früh vor die /
die ich als mich geliebet .
Ja freylich nicht zufrüh / denn wenn wir noch zurück gedencken an das / was wir
in Ihrem Lebens-Lauffe vor kurtzer Zeit gehöret / so hat die Seel. Fr. Doctorinn
wenig Feyer-Tage in der Welt gehabt / drum laß es seyn / daß es in dem 40 Jahren
8 Monaten und 10 Tagen / welche Ihre kurtze Lebens-Zeit ausmachen / wol viele
Feyer-Tage
eingefallen / ô viele sind
unter diesen wieder ausgefallen und in Trauer-Tage verwandelt worden . Laß seyn /
daß Sie auch keine ander Feyer / keine andere Ruhe verlanget als in ihrem GOTT /
und mag Ihr stetiger Auspruch an GOTT gewesen seyn / was jener bey einen Magnet
/ der ruhet / wenn Er den Nord-Stern findet / gesetzet :
Tu mihi sola quies : Wo ich mich wende hin / kan ich nicht stille seyn / Ich finde
keine Ruh als nur bey dir allein .
O durch wie viel Unruhe ist doch diese Ruhe gestöhret worden / durch keine aber
mehr / als wenn Sie darüber unruhig gewesen / daß Sie GOTT in dieser Schwachheit
nicht so fest könne anhangen / als Sie wol gewünschet . So war Sie auch von
Kindesbeinen an darzu angeführet / daß Sie nicht feyren solte und müßig seyn /
vielmehr war diß Ihr Wahl-Spruch / was man bey ein fliessendes Wasser schreiben
mögte :
Servat inquies ; Hier gilt nicht ruhig seyn / still stehen bringt Verderben /
Durch Unruh kan ich mir Beständigkeit erwerben .
Ihr Christenthum selbst verstattete Ihr keine Feyertage auch in den Feyertagen /
denn einen Tag und alle Tage arbeitete Sie an Ihrer Seeligkeit ; Einen Tag und
alle Tage kämpffte Sie wider die Feinde Ihrer Seelen ; Einen Tag und alle Tage
machte Sie ihr zu schaffen in der Liebe zu GOtt / in den Liebes-Wercken gegen
Ihren Nechsten ; Einen Tag und alle Tage arbeitete Sie im Guten zuzunehmen /
und ob Sie gleich nicht vollkommen zu
seyn in dieser Welt erhalten könte / wolte Sie doch gerne vollkommener werden ;
Es war Ihr nicht gnug / daß Sie fromm / Sie wolte gerne frömmer seyn / nicht
gnug / daß sie sanfftmühtig / Sie wolte gern sanfftmühtiger werden / nicht gnug
daß Sie aufrichtig / Sie wünschte immer aufrichtiger zuseyn / ja wie ein Strohm
im fliessen seinen Zufluß / so wolten alle Ihre Tugenden durch stätige Außübung
ihren Wachsthum haben . Und die treue Liebe / womit Sie Ihrem Ehgatten zugethan /
feyerte niemahls / sondern war nur allezeit damit geschäfftig / daß derselbe bey
Seiner vielen Unruhe möchte Feyer- und Ruhe-Stunden finden . So ists denn wol
freylich keinen Tag bey Ihr Feyertag gewesen ! niemahls aber hat Sie weniger
Feyer und Ruhe gefunden / als wenn Sie von Ihrer ordentlichen Arbeit feyren und
im unruhigen Krancken-Bette rnhen müssen / und sonderlich die letzte Zeit / da
diese wolgeplagte Creutzträgerinne so viel schlafflose Nächte / so viel
Schmertzen / doch mit der grössesten Gedult / erdulden müssen . War es denn wol
nicht Zeit / daß Ihre Feyertage angingen und aus den vielen Weinnachten
Weyhenachten würden ; die ordentliche Zeit derselben war zuweit hinausgesetzet /
darum musten sie verrücket / und durch einen Seel . Tod anticipiret werden . Traun
mit denselben fing in Ihrer Seelen die rechte Christ-Feyer an / da sie
aufgelöset wurde / und zu Christo kam . O seelige Weynachten ! In welchen Sie
Ihren JEsum nicht mehr in Stall und in der Krippen / sondern im Him̃el und zur Rechten GOttes siehet . O fröliche Weynachten ! da Ihr
Weynacht-Geschenck ein weisses Kleid und ein
Sieg-bezeignender Palmzweig ist . Aber ach ! wie kamen diese
Weynachten viel zufrühe dem hinterbliebenen Herrn Witwer / uñ
denen / so diesen Verlust noch nicht empfindenden Kindern / welche nunmehr nicht
nur Weisen heissen / sondern auch Wäisen sind ; viel zufrühe der Sehl .
Verstorbenen annoch lebenden Herrn Vatea / ô wie wird demselben die traurige
Post von der Frau Tochtet Tod die freudige Weynachten-Lieder verstimmen / und
wer kan dem Herrn Witwer fast verdencken / daß Er diese Freuden-Tage vor Seine
schmertzlichste Trauer-Tage ansiehet / denn diejenige / welche Ihn in so mancher
Unrnhe ruhig gemacht / welche Ihm soviel Trauer-Tage in Freuden-Tage verwandelt
/ ist dahin . Ich wolte mich bemühen / Demselben einen Trost einzusprechen / wenn
ich nicht versichert wäre / daß Er mir schon alle Trost-Gründe anticipiret / und
als ein geübter Creutzträger wol wisse / wie die Creutzes-Last zu erleichtern .
Diß eine wird Er mir vergönnen beyzubringen : Anno 1685 den 9. Decembr . wurde Er
mit der Seel. Fr. Doctorinnen ehlich versprochen / aber auf keine längere Frist
als biß Ihr erster Bräutigam / ich meyne ihren JEsum / kame / und Einspruch
thäte ; Und siehe / dieser hat eben die Jahrs Zeit in in achtgenommen / und nach
18 Jahren kam er / und hat Seine Braut heimgeholet ; Diesen wird Er Sie ia nicht
vorenthalten ; Traun was Sie bey diesen findet / kunte Sie bey Ihn nicht haben /
so zweifle ich auch nicht / Er wird der die Ruhe gönnen / welche gerne Unruhe
hatte / daß Ihr Ehe-Herr nur möchte ruhig seyn . So bleibe Sie nur immerhin in
Ihrem dulci jubilo , wir müssen uns / so lange GOtt wil / mit einem Eja wären wir
da / behelffen . Wie kom̃ts denn aber / daß ich diese vornehme Versam̃lung
bey der angefangenen Freuden-Feyer der Seel. Fr. Doctorinn im Flor und
Trauer-Kleidern sehe ? In Feyertagen muste man ja billig Feyer-Kleider tragen ;
doch ich weiß / diese Trauer betrauret nicht die Seel . Verstorbene / sondern den
noch lebenden hochbetrübten Herrn Witwer und Mutterlose Wäysen / dieselbe wissen
auch dieses Christl. Mitleiden und darinn sönderbahr bezeugte sonderbahre Gunst
und Liebe schuldigst zuerkeñen ; wie ich deñ auch
auf derer Ersuchen dem Magnifico Herrn Vice-Rectori und nach Standes-Gebühr
allerseits Hochzuehrenden Leichbegleitern hiemit in Ihrem Nahmen
dienstfleißigsten Dauck abstatte / daß dieselbe an diesem Ruhe-Tage den
verblichenen Leichnam der zur Ruh gelangten Seelen zu seiner Ruh begleiten
wollen ; dabey versichernde / es solle dieses mit fleißigem Gebeht und
möglichsten Gegendiensten ersetzet werden / doch soll es Ihnen lieber seyn /
wenn solches ohne Mitleiden geschehen könne . Mein Wunsch ist dieser : GOtt gebe
Ihnen allerseits ein fröliches Weynacht-Fest- und nach seinem heiligen Willen
noch viel unveruckte Feyertage hier in der Zeit und die unendliche in der
Ewigkeit .