✠ Paris, 14 Jan. Ich komme auf den Artikel Ihres Londoner Correspondenten ♂ zurück, von dem ich unter dem 10 Dec. Allgem. Zeit. Nro. 355 sprach. Die Thatsachen liegen jetzt dem Publicum offen vor Augen, und jeder, der den Gang der Ereignisse ein wenig näher beobachtet hat, ist in die Lage gesetzt, das Unhaltbare der Anschuldigungen zu erkennen, welche in jenem Artikel erhoben wurden. Was in diesem Augenblick in London sich zuträgt, zeigt deutlich, daß das, was jener Correspondent von Rußland sagt, entweder Unkenntniß oder bösen Willen verräth. Erst läßt er Rußland im Trüben fischen, dann plötzlich hervortreten, um rücksichtslos den eigenen Weg einzuschlagen. So schlecht gesinnt, so schlecht berathen war und ist jedoch jenes Cabinet nicht. Es wollte nur die ihm gebührende Stellung einnehmen, nicht aber die allgemeinen Interessen den eigenen unterordnen, und als ihm dieß gelungen, ergriff es selbst die Initiative und gab zu den in London jetzt eingeleiteten Unterhandlungen den größten Impuls. Mit Unrecht also wird von Rußland gesagt, es habe den Gang der Tergiversationen so lange eingehalten, bis es sich gezwungen gesehen, denselben zu verlassen und offen zu erklären, keinen Theil nehmen zu wollen an den Berathungen, die eine Gestalt zu erhalten schienen, „worin die Stimmenmehrheit die Oberhand erhalten könnte, so daß seine überwiegenden Interessen, sein überwiegender Einfluß im Orient dem Interesse und dem Einflusse der Andern leicht weichen müßten.„ Was damals zu befürchten war, wäre jetzt nicht minder zu besorgen, und man sieht daher, daß das Petersburger Cabinet von andern Motiven als Furcht oder rückhaltigen Absichten geleitet gewesen, als es damals Anstand nahm, der Einladung Folge zu geben, die wegen Abhaltung von Conferenzen an dasselbe gerichtet worden waren. Die abschlägige Antwort des russischen Hofes auf jene Einladung muß hauptsächlich einer Frage der Form zugeschrieben werden, an welcher jede Macht halten muß, die sich selbst achtet. Das französische Cabinet hatte sich bereit erklärt an den Conferenzen Theil zu nehmen, weil es die Formen beobachtet fand; diese Bereitwilligkeit aber, sagt man, sey nicht aufrichtig gemeint gewesen; man habe in Paris nur gewandter als in Petersburg sich benommen, indem man von Anfang an seine Zwecke so geschickt zu verstecken gewußt habe (nämlich Alles zu trainiren und zu vereiteln, was die andern Mächte gegen Mehemed Ali zu beschließen sich anschicken könnten), daß ganz Europa die Dupe französischer diplomatischer Kunststücke geworden sey. Dieß wäre gerade nicht schmeichelhaft für Europa und die übrige Diplomatie. Europa kann sich inzwischen beruhigen: es ist so wenig die Dupe Frankreichs gewesen, als Frankreich und Rußland sich in ihren eigenen Schlingen gefangen haben. Frankreich wollte und konnte Niemand dupiren, und hatte daher auch keine Schlinge auszuwerfen. Rußland und Frankreich sind gewissenhaft vorgegangen, beide haben sich redlich gegen die Pforte benommen, ihre Sprache und Handlungsweise war stets der Ausdruck ihrer Gesinnungen. Frankreich, das, wie in dem Londoner Artikel vorgegeben wird, vorzüglich sich versündigt haben soll, um die orientalischen Wirren auszubeuten, hatte, weder vor noch nach der Schlacht von Nisib, eine andere Absicht, als zur Erhaltung des allgemeinen Friedens beizutragen, der Pforte Schutz angedeihen zu lassen, den Orient dauerhaft zu beruhigen, was es nur bewerkstelligen zu können glaubte durch Berücksichtigung der eigenthümlichen Stellung Mehemed Ali's. Anders wird es auch Niemand sonst zu Wege bringen. Daß Frankreich in dieser Beziehung keinen Treubruch an der Pforte beging, beweisen die eigenen Schritte, die diese bei Mehemed Ali gemacht hat, um ihn zu versöhnen, beweisen auch die mannichfachen Projecte, die von allen Cabinetten ausgegangen sind, und worin die Nothwendigkeit dargethan wird, ein Abfinden zwischen der Pforte und ihrem mächtigen Vasallen auf friedlichem Wege zu Stande zu bringen. Die größern oder mindern Zugeständnisse, die dabei eine jede Macht für Mehemed Ali gelten lassen will, geben noch nicht die Befugniß, ihre Intentionen zu verdächtigen, denn jede urtheilt nach den Eindrücken, welche die Lage der Dinge ihr macht. Dieß ist fast immer der Fall, wo es einen streitigen Punkt zu schlichten gibt; so geschah es bei Griechenland, bei Belgien, wo doch alle von dem gemeinschaftlichen Gesichtspunkte ausgingen, das Gute zu fördern. Als daher das französische Cabinet an den gewünschten Berathungen Theil zu nehmen versprach, hatte Niemand das Recht seine Aufrichtigkeit zu bezweifeln, am wenigsten diejenigen, welche ihm ein System von Intriguen zuschreiben. Hätte es darauf seine Politik gebaut, so konnte ihm kein besseres Feld geboten werden, als das der Conferenzen. Dort kann nach Gefallen trainirt und protokollirt, mithin Zeit so viel man will verschleudert werden, worauf es doch Frankreich angekommen seyn soll. Aber seltsam genug wird Frankreich mit einemmal in dem erwähnten Artikel der, wenn auch etwas verschleierte, Vorwurf gemacht, daß es trotz seiner Verheißungen, mit England und Oesterreich sich zu vereinigen, nachdem Rußland die Maske abgeworfen und von keinen Conferenzen hören wollte, sich retractirt habe. Eine solche Behauptung ist mehr als gewagt, man mag den Geist, der das französische Cabinet belebt, auch noch so willkürlich auffassen wollen. Es ist kein Geheimniß, daß man hier die Consequenzen fühlte, welche die bekannte Collectivnote mit sich führte; um jede Verlegenheit zu vermeiden, wollte man mit Oesterreich und England zusammenhalten. Frankreich vermochte auch kaum anders, als im Sinne der zufällig entstandenen Collectivnote sich zu bewegen, mochte nun Finesse oder Aufrichtigkeit
sein Motiv seyn. Ich sage zufällig entstandene Collectivnote, denn es ist erwiesen, daß keiner der Repräsentanten in Konstantinopel beauftragt gewesen, eine solche Form zu wählen, um die ganz demoralisirte Pforte wieder aufzurichten und sie abzuhalten, freiwillig übermäßige Concessionen dem Vicekönig von Aegypten zu machen. Man hatte jenen Repräsentanten nur insinuirt, sie sollten der Pforte Muth einflößen, ohne ihnen vorzuschreiben, wie dieß zu geschehen habe. Indem der Admiral Roussin die Collectivnote abfaßte und von den andern Diplomaten zugegriffen ward, um der von Wien aus gestellten Anforderung zu entsprechen, hatte er einen Fehler begangen, der allerdings Grund gegeben hätte, ihn abzuberufen, der indessen keineswegs seine später erfolgte Abberufung herbeigeführt hat. Sein Fehler bestand hauptsächlich darin, daß der Mangel der Uebereinstimmung unter den Mächten von nun an förmlich zur Schau getragen wurde, was den alten Mehemed nur hartnäckiger machte. Man sieht, welchen großen Einfluß die Wahl der Form bei diplomatischen Vorgängen übt. Allein, wie gesagt, das Cabinet der Tuilerien identificirte sich mit der Collectivnote; es veranlaßte vor allem Andern Mehemed Ali, sich ruhig zu verhalten, und eben so wie die Pforte auf die Bemühungen der Mächte zu vertrauen, damit ein Zustand der Dinge im Orient Platz greife, welcher Allen zusage, Niemand mehr Besorgnisse einflöße. Wäre es nicht aufrichtig, sondern verschmitzt und doppelsinnig gewesen, wie der Verfasser des berührten Artikels glauben machen will, so würde es Mehemed Ali einen andern Rath gegeben, es würde ihn angefeuert haben vorzurücken, und es braucht gewiß keine gelehrte Abhandlung, um zu beweisen, was dann geschehen, ja was noch geschehen könnte, wenn Mehemed Ali diesen Entschluß heute fassen sollte. Die Mittel, die Mehemed Ali besitzt, die Stellung, die er eingenommen, der Geist der Völker, wie die Natur der Länder, über welche er herrscht, sind von der Art, daß mehr denn bloßer Wille dazu gehört, daß die größten Anstrengungen erforderlich sind, um ihn einzuschüchtern oder zu Concessionen förmlich zu zwingen. Man vernehme darüber das Urtheil von Sachkundigen, die mit eigenen und zwar unparteiischen Augen an Ort und Stelle gesehen, und man wird es Frankreich Dank wissen, eine Rolle im Orient übernommen zu haben, die nicht ausschließlich darauf berechnet ist, Ehrgeiz und materielle Interessen zu fördern, oder wohl gar, wie der Londoner Correspondent nachzuweisen sucht, darauf abzielt, das brittische Uebergewicht in Mittelasien zu schmälern, den Fortschritten brittischer Waffen gegen das kaspische und mittelländische Meer hin Einhalt zu gebieten, und – man höre! – Frankreichs Herrschaft in Afrika eine weitere Ausdehnung zu geben, eine Ausdehnung, die selbst Aegypten in sich schließen soll. Denn jener Correspondent sieht sich gezwungen einzugestehen, daß trotz der Uebergriffe, die seines Wissens Frankreich im Orient zu machen wünscht, trotz der Mehemed Ali zugewandten Protection, die französische Regierung mit großer Mäßigung zu Werke geht, und sucht dieß aus den oben erwähnten Motiven zu erklären. Dieß nennt man den Speculationsgeist hoch spannen. Auch könnte, meint er – ganz gewiß ist er seiner Sache nicht – die Moderation Frankreichs davon abgeleitet werden, daß es vielleicht einen Zusammenstoß fürchte, der es um die Früchte seiner ambitiösen, eroberungssüchtigen Bemühungen bringen dürfte, obgleich schwer abzusehen ist, wie es ohne Schwertstreich dieselben geltend machen könnte, und gewiß sich nie eine bessere Gelegenheit dazu böte, um unverhohlen und mit vieler Hoffnung auf Succeß damit hervorzutreten, da ja die Mächte nach Aussage des Londoner Correspondenten damals in den ärgsten Widersprüchen befangen gewesen seyn sollen. Ihre Uneinigkeit hätte Frankreich in jeder Hinsicht behülflich seyn müssen, verzweifelte Plane, wie die oben berührten, ins Leben zu rufen. Es nährt aber dergleichen thörichte Ideen nicht, und die Rolle, die es im Orient übernommen, ist bloß, Friede, Ruhe und Ordnung stiften zu helfen. Diese Rolle machte es ihm zur Pflicht, Alles, was in seinen Kräften stand, aufzubieten, um Allen Mäßigung anzuempfehlen, auch selbst sich der Mäßigung zu befleißen, was es denn nach dem eigenen Geständniß seiner Gegner gethan hat. Es vermittelte, wo es konnte, und suchte überall friedliche Gesinnungen hervorzurufen, Unglück möglichst abzuwenden. Doch gegen die Macht der Umstände (die freilich der verehrte Londoner Correspondent nicht gelten lassen will, obgleich er gewiß nicht in Abrede stellen wird, daß sie viel beitrugen, die damals gewünschten Conferenzen scheitern zu machen) konnte es nicht allein ankämpfen, und wenn die Sendung des Capitäns Cailler, welche auch verdächtigt werden soll, nicht das gewünschte Resultat hatte, so lag dieß hauptsächlich daran, daß ein andederer, vom Marschall Soult gleichzeitig beorderter Adjutant nicht die Erlaubniß erhielt, in das Hauptquartier Halil Pascha's zu gehen. Dem Capitän Cailler war vorgeschrieben, sobald er in Erfahrung gebracht, daß jener Officier nach dem ottomanischen Lager abgereist sey, solle er sich in das ägyptische Hauptquartier begeben, um in Verein mit demselben die beiden sich gegenüber stehenden Heerführer zu vermögen, ihre Armeen weiter von einander zu entfernen. Nun ist es allgemein bekannt, daß Lord Ponsonby bei der Pforte Alles aufbot, damit der an Halil Pascha beorderte französische Officier nicht an seine Bestimmung gelange, denn Lord Ponsonby, der damals eine eben so übertriebene Idee von der Trefflichkeit der ottomanischen Armee hatte, wie er jetzt eine schlechte von der ägyptischen hat, wollte das Kriegsspiel versucht wissen, und bei dem Haß, den Mahmud gegen Mehemed Ali nährte, gelang es ihm den Admiral Roussin zu überstimmen und die Abreise des Hrn. Volz ins türkische Lager zu hindern. Statt also gleich zu Ibrahim Pascha sich begeben zu können, mußte Capitän Cailler Nachrichten aus Konstantinopel abwarten, weil man bei dem mißtrauischen Charakter der Orientalen Alles vermeiden wollte, was den Schein einer Bevorzugung haben konnte; man mußte zu jedem, Halil wie Ibrahim Pascha, eine gleichmäßige Sprache führen, und zwar im nämlichen Augenblick, damit nicht etwa der böse Leumund sich erhebe und sage, man habe Ibrahim Pascha excitirt, gerade wie jetzt behauptet wird, daß man geflissentlich unthätig geblieben, um das Ereigniß von Nisib herbeizuführen. Frankreich muß ja Alles gethan, Alles vorausgesehen haben, selbst daß Ibrahim Pascha siegen werde, woran doch Lord Ponsonby und seine Agenten so sehr zweifelten, daß sie der Kriegslust des Sultans auf jede Weise schmeichelten. Und doch wird Kurzsichtigkeit und Strafbarkeit wieder derselben Macht vorgeworfen, welche Mehemed Ali stark glaubte, und deßwegen ihn berücksichtigt wissen wollte, um große, unheilbringende Collisionen zu vermeiden. Auf solche Weise zu räsonniren, heißt der Gutmüthigkeit Anderer spotten. Capitän Cailler ging zu Ibrahim Pascha, nachdem die Ereignisse entschieden hatten; er ging zu ihm, um ihn im Siegestaumel zu mäßigen und vom sichern Untergang die Pforte zu retten, die nach dem Verlust der Schlacht, nach dem Abfall des Kapudan Pascha's allen Winden ausgesetzt war. Aber diesen Abfall, sagt man, hat ja auch Frankreich, hat Admiral Lalande betrieben, und wer kann wagen, es von solchem Frevel freizusprechen, nachdem diesen Insinuationen jetzt die Aussagen eines Dolmetschers zu Hülfe kommen und überführend darthun, was gegen Frankreich, wenigstens gegen einen seiner Admirale behauptet wird! Inzwischen haben die Aussagen eines im Orient
erzogenen Dragoman gewiß nicht mehr Gewicht als die eines den Grundsätzen der Ehre im höchsten Grade ergebenen Officiers. Admiral Lalande hat zwar noch nicht selbst gesprochen; allein der Moniteur, der das Wort ergriff, ist mit dem von ihm beobachteten Betragen vertraut, und hat jene Aussagen Lügen gestraft. Selbst aber wenn der Dolmetscher sich keine Unwahrheit hätte zu Schulden kommen lassen, so daß der Moniteur hätte schweigen müssen, so wäre Admiral Lalande allein verantwortlich, denn nur mittelst magischer Kräfte konnte die Regierung in Paris Alles voraussehen, und ihre Voraussicht zu den ihr verleumderisch zugeschriebenen unlautern Zwecken benützen. Sie hätte den Tag und die Stunde des Todes Mahmuds, die ruhige Thronbesteigung seines Nachfolgers, die Erhebung Chosrew Pascha's zum Großwessier, den Beginn und Ausgang der Schlacht von Nisib, das Einverständniß des türkischen Admirals mit dem Commandanten der Dardanellen, den Haß, den der Kapudan Pascha gegen Chosrew fühlte, ja, selbst die Fluthen kennen müssen, die in dem Augenblick das Meer bewegten, als die türkische Flotte die Anker lichtete, um einen nie geahnten Verrath zu üben, denn alle diese Umstände knüpften sich an den vom Kapudan Pascha gewagten Schritt. Dieß alles vorauszusehen oder einzuleiten, war bei dem kurzen Zeitzwischenraume, dann bei der großen Entfernung vom Theater der Ereignisse ganz unmöglich, und dennoch läßt Ihr Londoner Correspendent, der die Daten ganz aus den Augen verliert, und gleich Andern oberflächlich oder einseitig den Verlauf der Dinge beurtheilt, sich herbei, Frankreich zu beschuldigen, Theil an dem Abfall Ahmed Fewzi's genommen zu haben. Ist es glaubbar, daß Lalande, der kurz vorher 10,000 Mann türkischer Truppen ruhig nach Syrien überschiffen ließ, um die Armee Halil Pascha's zu verstärken, einen der größten Würdenträger der Pforte, ihren Großadmiral, verführt haben soll? Konnte der Admiral anders handeln, als er gehandelt hat, nachdem er den Kapudan Pascha entschlossen sah, das offene Meer zu gewinnen? Würde er sich anders betragen, würde er ihn, hätte er die Mittel dazu besessen, mit Gewalt zurückgehalten, und, aufs äußerste getrieben, die osmanische Flotte zu vernichten gesucht haben, so hätte man nicht minder über Verrath geschrieen und behauptet, die französische Regierung habe einen solchen Frevel zu Gunsten ihres Protégé's, Mehemed Ali's, geschehen lassen. Der verehrte Londoner Correspondent hätte gewiß nicht verfehlt, dieß zu thun, er, der alle Anordnungen, die von hier aus, selbst die, welche im Einverständnisse mit dem englischen Cabinet genommen worden sind, ein Machwerk voll List und Hinterhalt nennt, würde Ach und Weh über Lalande und seine Regierung gerufen haben. Mit wahrer Naivetät indessen läßt sich der Correspondent über die an den französischen Admiral erlassenen Instructionen vernehmen, Instructionen, die mit denen gleichlautend waren, welche dem englischen Admiral zugeschickt wurden, und ein genaues Zusammenhalten beider Escadren vorschrieben. Das Anschließen Lalande's an Admiral Stopford, sagt er, und die ihm deßhalb gegebenen Instructionen haben zum Zwecke gehabt, das englische Geschwader zu beobachten, ihm hinderlich zu seyn, falls er gegen Alexandria segeln und die Herausgabe der osmanischen Flotte erzwingen wollte, weil auf diese Weise Lalande seine Kanonen die Engländer hätte fühlen lassen können. Es ist kaum möglich, daß solches Vorgeben ernsthaft gemeint sey, vollends in dem Munde desjenigen, der gleichzeitig versichert, die französische Regierung habe aus Furcht, in einen Krieg verwickelt zu werden, sich große Mäßigung auferlegt. Allein, wenn man einmal so weit geht, hat man nicht nöthig stehen zu bleiben; man kann sogar an Träume glauben oder glauben machen, an welchen Lalande Gefallen gefunden haben soll: er habe sich schon als Großadmiral der vereinigten ägyptisch-türkisch-französischen Flotte begrüßt zu sehen gewähnt! Admiral Lalande ist viel zu praktisch, um Hirngespinnsten nachzugehen, die ihn unfähig machten, ein ihm anvertrautes Commando zu führen. Endlich hat die französische Regierung, trotz ihrer viel gepriesenen Geschicklichkeit, so viel Mißgriffe gemacht, daß sie sich bloßgestellt und gezwungen sah, einen Sündenbock auszufinden, um wenigstens das Decorum zu retten. Lalande war es dießmal nicht, wohl aber Roussin, den man zum Opfer erkoren: seine Abberufung war der Reinigungsproceß, den das Pariser Cabinet vorzunehmen sich und der Welt schuldig zu seyn glaubte. Dieß versichert ohne weiters der Londoner Correspondent. Der aber kennt den Admiral Roussin nicht, wer da wähnt, ihn zu unlautern Zwecken benützen zu können, wozu er sich doch, wenn seine Regierung wirklich so arglistig gesinnt war, hätte hergeben müssen; der kennt ihn noch weniger, der da glaubt, es gebe irgend einen Menschen, irgend eine Macht, die ihn zum Sündenbock vorzuschieben wagen dürfte! Hätte der Verfasser des hier in Frage stehenden Artikels die Aeußerung Lord Ponsonby's vernommen, als er Kunde von der Abberufung eines Mannes erhielt, dem er zwar manche bittere Stunde gemacht, dem er aber die größte Achtung schuldig war, er würde sich gehütet haben, zu sagen, Admiral Roussin habe das Bad für alle Sünden ausbaden müssen, die man in Paris begangen habe. Der allgemein geachtete Roussin hatte unter den schwierigen Verhältnissen, in denen er sich befand, seltene Charakterstärke bewiesen, und, abgesehen von der Collectivnote, mit der man sich übrigens einverstanden erklärte, vielen Tact und Scharfsinn gezeigt, so daß er das Vertrauen rechtfertigte, welches man in ihn setzte. Er ist und konnte sich auch nicht verletzt fühlen, als er von Konstantinopel zurückberufen ward, da er wohl weiß, daß es aus rein versöhnlichen Absichten geschah, von denen das französische Cabinet ununterbrochen erfüllt ist. Die geringe Harmonie, die zwischen ihm und Lord Ponsonby bestand, hatte es längst wünschenswerth gemacht, ihn ersetzen, und zwar durch Jemanden ersetzen zu lassen, der mit Lord Ponsonby befreundet gewesen. Die Wahl fiel daher auf Hrn. v. Pontois, der mit ihm in Brasilien im besten Einverständniß gelebt hatte; sie geschah in einem Augenblick, wo viel darauf ankam, alle persönlichen Reibungen zwischen den zwei Repräsentanten zu beseitigen, um den Geschäftsgang zu erleichtern, und so viel als möglich Einigkeit bei ihren politischen Beziehungen zu erwirken. Dieß und nichts Anderes ist der Grund, der die Abberufung des Admirals Roussin motivirte. Ich glaube jetzt schließen zu müssen, weil es zu weit führen würde, wenn dem vielfach erwähnten Artikel in seinem ganzen Umfange, in allen Details nachgegangen werden sollte. Ich begnüge mich den größten und wichtigsten Theil der Anschuldigungen davon herausgehoben zu haben, um die Grundlosigkeit und Leichtfertigkeit darzuthun, mit der von mehr als Einer Seite schonungslos Regierungen angegriffen werden, deren Tendenz, deren politischen Gang man völlig verkennt. Die Zeit, die Alles ergründende Zeit, wird der Wahrheit Eingang verschaffen, wenn es mir nicht gelungen seyn sollte, zur richtigern Erkenntniß der Verhältnisse beigetragen zu haben.