allgemein üblich, wohl aber für das Turnier. Im Codex Balduini sehen wir nirgends in den Schlachtenbildern zimierte Helme, wohl aber solche auf Blatt 34, wo ein Gestech dargestellt ist. Betrachten wir den Topfhelm vom Gesichtspunkte des praktischen Gebrauches, so müssen wir bei aller Anerkennung eines Fortschrittes dennoch zugeben, dass er dem Träger unausstehlich werden musste. In der Sonnenhitze lief der Reiter Gefahr, unter seinem Helme zu ersticken. Er wurde auch in der That nur im Kampfe selbst aufgestülpt, sonst entweder von den Knappen in den Händen nachgetragen oder mittelst einer Kette an den Sattel gehängt, deren anderes Ende an dem Haubert befestigt war. Um die Last desselben leichter zu tragen, wurden seine Wände derart verlängert, dass der Helm auf den Schultern aufsass; damit war nur nach einer Richtung hin Ab- hilfe getroffen. Die peinigende
[Abbildung]
Fig. 13.
Helm mit Zimier des Königs Jakob I. von Arragonien (1206--1276). Orientalisierend. Armeria Real zu Madrid.
Lage führte, wie wir gesehen haben, schon am Ende des 13. Jahrhunderts dahin, die vordere Helmwand in Ge- sichtsgrösse auszuschneiden und die Öffnung durch ein bewegliches Visier zu schlie- ssen, das entweder durch Entfernung der Scharnier- stifte abzustecken oder in Bolzen nach auf- oder ab- wärts zu schieben war. Da- durch entstand das auf- oder abschlächtige Visier, wel- ches häufig, um das Atmen zu erleichtern, mit Löchern versehen (gelocht) wurde.
Der Topfhelm wurde an- fänglich über einer stark ge- polsterten Haube aus Leder (calotte) getragen, später, am Ende des 13. Jahrhunderts, trug der Reiter unter selbem eine niedere Beckenhaube (bacinet), an welcher ein Maschenpanzer, die Halsbrünne, befestigt wurde, welche bis auf die Schultern herabhing. Die älteren derlei Brünnen schliessen noch dicht an den Hals an, die späteren des 14. Jahrhunderts fallen gerade herab. Letztere Art war von ausser- ordentlichem Vorteile, denn nun musste sich jeder Hieb in den Hals auf dem lose herabhängenden Gewebe bis zur Unschädlichkeit ab- schwächen. An einer Seite der Vorderwand des Topfhelmes, gemeinig- lich an der rechten, seltener an beiden Seiten, finden sich kreuzartig ausgeschnittene Löcher; dieselben dienten, um den Helm an den Haubert zu befestigen (Fig. 10); dies erfolgte mittelst einer Kette, an
1. Der Helm.
allgemein üblich, wohl aber für das Turnier. Im Codex Balduini sehen wir nirgends in den Schlachtenbildern zimierte Helme, wohl aber solche auf Blatt 34, wo ein Gestech dargestellt ist. Betrachten wir den Topfhelm vom Gesichtspunkte des praktischen Gebrauches, so müssen wir bei aller Anerkennung eines Fortschrittes dennoch zugeben, daſs er dem Träger unausstehlich werden muſste. In der Sonnenhitze lief der Reiter Gefahr, unter seinem Helme zu ersticken. Er wurde auch in der That nur im Kampfe selbst aufgestülpt, sonst entweder von den Knappen in den Händen nachgetragen oder mittelst einer Kette an den Sattel gehängt, deren anderes Ende an dem Haubert befestigt war. Um die Last desselben leichter zu tragen, wurden seine Wände derart verlängert, daſs der Helm auf den Schultern aufsaſs; damit war nur nach einer Richtung hin Ab- hilfe getroffen. Die peinigende
[Abbildung]
Fig. 13.
Helm mit Zimier des Königs Jakob I. von Arragonien (1206—1276). Orientalisierend. Armeria Real zu Madrid.
Lage führte, wie wir gesehen haben, schon am Ende des 13. Jahrhunderts dahin, die vordere Helmwand in Ge- sichtsgröſse auszuschneiden und die Öffnung durch ein bewegliches Visier zu schlie- ſsen, das entweder durch Entfernung der Scharnier- stifte abzustecken oder in Bolzen nach auf- oder ab- wärts zu schieben war. Da- durch entstand das auf- oder abschlächtige Visier, wel- ches häufig, um das Atmen zu erleichtern, mit Löchern versehen (gelocht) wurde.
Der Topfhelm wurde an- fänglich über einer stark ge- polsterten Haube aus Leder (calotte) getragen, später, am Ende des 13. Jahrhunderts, trug der Reiter unter selbem eine niedere Beckenhaube (bacinet), an welcher ein Maschenpanzer, die Halsbrünne, befestigt wurde, welche bis auf die Schultern herabhing. Die älteren derlei Brünnen schlieſsen noch dicht an den Hals an, die späteren des 14. Jahrhunderts fallen gerade herab. Letztere Art war von auſser- ordentlichem Vorteile, denn nun muſste sich jeder Hieb in den Hals auf dem lose herabhängenden Gewebe bis zur Unschädlichkeit ab- schwächen. An einer Seite der Vorderwand des Topfhelmes, gemeinig- lich an der rechten, seltener an beiden Seiten, finden sich kreuzartig ausgeschnittene Löcher; dieselben dienten, um den Helm an den Haubert zu befestigen (Fig. 10); dies erfolgte mittelst einer Kette, an
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1. Der Helm.
allgemein üblich, wohl aber für das Turnier. Im Codex Balduini
sehen wir nirgends in den Schlachtenbildern zimierte Helme, wohl
aber solche auf Blatt 34, wo ein Gestech dargestellt ist. Betrachten
wir den Topfhelm vom Gesichtspunkte des praktischen Gebrauches,
so müssen wir bei aller Anerkennung eines Fortschrittes dennoch
zugeben, daſs er dem Träger unausstehlich werden muſste. In der
Sonnenhitze lief der Reiter Gefahr, unter seinem Helme zu ersticken.
Er wurde auch in der That nur im Kampfe selbst aufgestülpt,
sonst entweder von den Knappen in den Händen nachgetragen oder
mittelst einer Kette an den Sattel gehängt, deren anderes Ende an
dem Haubert befestigt war. Um die Last desselben leichter zu
tragen, wurden seine Wände derart verlängert, daſs der Helm auf
den Schultern aufsaſs; damit war nur nach einer Richtung hin Ab-
hilfe getroffen. Die peinigende
[Abbildung Fig. 13. Helm mit Zimier des Königs
Jakob I. von Arragonien (1206—1276).
Orientalisierend. Armeria Real zu Madrid.]
Lage führte, wie wir gesehen
haben, schon am Ende des
13. Jahrhunderts dahin, die
vordere Helmwand in Ge-
sichtsgröſse auszuschneiden
und die Öffnung durch ein
bewegliches Visier zu schlie-
ſsen, das entweder durch
Entfernung der Scharnier-
stifte abzustecken oder in
Bolzen nach auf- oder ab-
wärts zu schieben war. Da-
durch entstand das auf- oder
abschlächtige Visier, wel-
ches häufig, um das Atmen
zu erleichtern, mit Löchern
versehen (gelocht) wurde.
Der Topfhelm wurde an-
fänglich über einer stark ge-
polsterten Haube aus Leder (calotte) getragen, später, am Ende des
13. Jahrhunderts, trug der Reiter unter selbem eine niedere Beckenhaube
(bacinet), an welcher ein Maschenpanzer, die Halsbrünne, befestigt
wurde, welche bis auf die Schultern herabhing. Die älteren derlei
Brünnen schlieſsen noch dicht an den Hals an, die späteren des
14. Jahrhunderts fallen gerade herab. Letztere Art war von auſser-
ordentlichem Vorteile, denn nun muſste sich jeder Hieb in den Hals
auf dem lose herabhängenden Gewebe bis zur Unschädlichkeit ab-
schwächen. An einer Seite der Vorderwand des Topfhelmes, gemeinig-
lich an der rechten, seltener an beiden Seiten, finden sich kreuzartig
ausgeschnittene Löcher; dieselben dienten, um den Helm an den
Haubert zu befestigen (Fig. 10); dies erfolgte mittelst einer Kette, an
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/49>, abgerufen am 22.07.2024.
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